Gesammelte Kindergedichte
von
Paula Dehmel
Herausgegeben von Richard Dehmel
mit Zeichnungen von Hans Thoma
bei E. A. Seemann in Leipzig
1919
Aus lichtem See,
über Sterne und Schnee,
rauschen die Schäume,
lauschen die Träume,
Himmel hinab, Himmel hinan,
ewige Bahn.
Aus Kinderland,
über Acker und Sand,
wachsen die Gluten,
die bösen, die guten,
Himmel hinab, Himmel hinan,
ewige Bahn.
Ich möcht euch alle miteinander
auf bunten Wiesen sehn,
bei Klarinetten und Geigen
die Füßchen im Tanze drehn.
Ich möcht euch alle miteinander
mitnehmen im Fliegerkahn,
euch die schöne Erde zeigen,
und was fleißige Menschen getan.
Ich möcht euch alle miteinander
still führen an der Hand,
euch heimliche Dinge sagen
von Gott und dem Sternenland.
Putzt die Fenster! fegt die Ecken!
Darf sich kein Staub, kein Krümel verstecken,
muß alles so blank wie Ostertag sein,
denn das Wunderchen zieht ein.
Zieht ein—schon stimmen die Englein die Geigen;
alle Könige werden sich neigen,
Hirten und Könige mit dem Stern
haben Wunderchen gern.
Wer soll Wunderchens Taufpate sein?
Sieben große Meister laden wir ein;
sieben große Helden mit Kron und Schalmein
sollen Wunderchens Taufpaten sein.
Und wer ist schnell
sein Spielgesell?
Da kommen gesprungen
die reizenden jungen
Wachholderweibchen und Fliedermännchen,
Taunixchen mit silbernen Wasserkännchen.
Aus Vogelnestern und Weidenkätzchen
gucken neugierige Schelmenmätzchen:
Wir lachen fein,
wir singen fein,
wir wollen Wunderchens Spielgesellen sein!
Geht leise—
es ist müd von der Reise.
Es kommt weit her:
vom Himmel übers Meer,
vom Meer den dunklen Weg ins Land,
bis es die kleine Wiege fand—
Geht leise.
Auf der Leine, auf grünem Platz
hängen sieben Hemdchen und ein Latz;
im Winkel, am Zaun, wos Spinnchen spinnt,
liegt mit großen Augen mein Kind—
wittewoll schlafen?
Henne macht sich ein Bett im Sand,
Fliege träumt an der Mauerwand,
Schmetterling sitzt in der Mittagsruh,
schaukelt die Flügel auf und zu—
wittewoll schlafen?
So morgens um halb acht herum:
Rumpumpel macht das Mäulchen krumm.
Und keine fünf Minuten drauf
wacht Rumpumpel auf.
Hu! kommt der kalte Badeschwamm,
Rumpumpel hält die Ohren stramm;
und schlägt die Ticke-Tacke acht,
wird ihm die Milch gebracht.
Die schmeckt Rumpumpeln aber fein;
er patscht mit beiden Fäustchen drein
und trinkt und trinkt, bis alles leer.
Rumpumpelchen, das freut mich sehr:
morgen gibt's gut Wetter!
Pitsch—patsch—Badefaß,
Rumpumpel plantscht die Stube naß,
ist ein junger Wasserheld,
14segelt durch die ganze Welt,
im Wipp—im Wapp—im Schaukelkahn
über den großen Ozean.
Stehn drüben alle Wilden still
und schrein: Was bloß Rumpumpel will?
so splitternackt und pitschenaß
in seinem kleinen Schaukelfaß?
Schnell das Badelaken!
Steht ein Töpfchen rund und nett
unterm Bett,
so lala, so lala.
Reicht mir mal das Kindel her,
das braucht jetzt keine Windel mehr,
so lala, so lala.
Rolle, rolle, ratteratt,
rollt ein Wagen durch die Stadt;
sind zwei blanke Pferdchen davor,
hinten drauf ein schwarzer Mohr.
Mein Wagen hat vier Räder,
vier Räder hat mein Wagen,
rolle, rolle, rummerjan,
das wollt ich euch bloß sagen.
Mein Wagen hat 'ne Deichsel,
'ne Deichsel hat mein Wagen,
rolle, rolle, rummerjan,
das wollt ich euch bloß sagen.
Mein Wagen hat ein Pferdchen,
ein Pferdchen hat mein Wagen,
rolle, rolle, rummerjan,
das wollt ich euch bloß sagen.
Mein Wagen fahrt nach Potsdam,
nach Potsdam fährt mein Wagen,
rolle, rolle, rummerjan,
das wollt ich euch bloß sagen.
Wagen im Wind.
Wie sitzt mein Kind?
Wie geht mein Pferd?
Alles verkehrt.
Holdriutsch—
oben die Räder, unten die Kutsch!
Wagen im Schnee.
Da guckt das Reh,
da schnuppert der Has
mit der wackligen Nas.
Holdriuff—
da sitzt unser Kutscher wieder oben uff!
Hurra, zum ersten Mal:
Mutter, der Peter,
hurra, da steht er!
hält sich am Stöckchen,
grade wie 'n Licht,
fürchtet sich nicht.
Hurra, zum ersten Mal:
Mutter, der Peter,
hurra, da geht er!
guck, ganz alleinechen
setzt er die Beinechen!
Aua, Geschrei—
bautz!—vorbei.
Kra, kra, kalter Schnee,
dem Raben tut sein Beinchen weh,
dem Häsechen sein Herzchen;
die böse Zeit, die kalte Zeit,
ein jedes hat sein Schmerzchen.
Heile, Fingerchen, heile,
es dauert noch 'ne Weile,
es dauert noch bis Rosmarein,
dann ist lauter Sonnenschein.
Im Stall unser Schäfchen—bäht,
im Hof unser Hähnchen kräht,
und der Karo an der Kette
bellt mit Spitz um die Wette.
Auf'm Dach unser Kätzchen—maut,
und im Ententeich die Frösche, alle Frösche quaken laut:
Kinder, denkt euch den Schreck,
unserm kleinen Wackelbein sein linker Schuh ist weg.
Das kann doch nicht Rumpumpel sein?
So kann Rumpumpel doch nicht schrein?
Seelöwen sind in unserm Haus;
schnell, Rumpumpel, wir jagen sie raus.
Ich 'n Stock,
Du 'n Stock,
alle beide einen Stock.
Ei der Daus,
wollt ihr raus,
wollt ihr in euer Seelöwenhaus!
Die Henne legt ein Ei,
da ging der Mond entzwei;
19die Hälfte fiel nach Nuckenstadt
und schlug zwei große Brummer platt.
Zwei große Brummer, brumm,
summten hier herum,
um Rumpumpels Kopf,
um Rumpumpels Bauch
und um sein dickes Näschen auch.
Nun sind sie tot... Aber im Ei
pickt das Küken die Schale entzwei,
kriegt heraus, und wackelt mit dem Schwanz—
—ist der Mond wieder ganz.
Rumpumpel will essen,
nun fix gebraten:
ein Kätzel, ein Spätzel
und sieben Soldaten.
Das gibt einen Pudding
so groß wie ein Haus.
Zuletzt leckt Rumpumpel
die Kuchenschüssel aus.
Winkele, wankele,
vor der Tür steht ein Bankele,
auf der Bank sitzt mein Kindele,
spielt mit mei'm Hündele,
winkele, wankele.
Winkele, wankele,
ich hab ein Gedankele:
ein Äpfle fürs Kindele,
ein Knöchle fürs Hündele.
Dankele.
Mückchen, Mückchen, Dünnebein,
Mückchen, laß das Stechen sein,
Stechen tut ja weh!
Mückchen, Mückchen, weißt du was:
beiß doch in das grüne Gras,
beiß doch in den Klee!
Schnipsel, schnipsel, Scherchen,
schneid mir ein Gewehrchen;
21schieß ich mir ein Häschen tot,
brat's dem Kind zum Mittagbrot.
Die Schnitzel fliegen zum Fenster hinaus
durch den Sonnenschein in des Gärtners Haus;
der hat seine Freude dran,
oder guckt sie gar nicht an,
oder streut sie in den Wind,
oder schenkt sie seinem Kind—
schnipsel, schnipsel, Scherchen— —
Wer kommt dort angeflogen?
Das ist der Wind.
Der Wind ist ungezogen,
er bläst dem Kind
unters Röckchen,
an die Söckchen,
um die Ohren, an die Nase;
solch Geblase!
Ganz zerfleddert und zerzaust
kommt Rumpumpel angesaust;
und hustet
und prustet,
und steckt sein Köpfchen
in Mutters Schoß.
Und weißt du, warum der Wind so getollt?
Rumpumpel sollt zu Bette gehn, und hat nicht gewollt.
Wer strampelt im Bettchen?
versteckt sich wie 'n Dieb?
Das ist der Rumpumpel,
den haben wir lieb.
Was guckt da für 'n Näschen?
Ein Bübchen sitzt dran.
Das ist der Rumpumpel,
den ziehn wir jetzt an.
Erst wird er gewaschen,
vom Kopf bis zur Zeh;
er weint nicht, er greint nicht,
denn es tut ja nicht weh.
Schnell her mit dem Hemdchen:
da schlüpfen wir fein,
erst rechts und dann links,
in die Ärmelchen 'rein.
23Fix an noch die Strümpfchen,
fix an auch die Schuh;
kommts Händchen, schnürts Bändchen,
schon sind sie zu.
Nun Leibchen und Höschen,
ein Röckchen kommt auch;
sonst friert dem Rumpumpel
sein kleiner runder Bauch.
Das Kämmchen kämmt sachte,
aber still muß man stehn;
zuletzt noch das Kleidchen,
der Tausend, wie Schön!
Nun geht er und sagt: Guten Morgen.
In Wolfenbüttel wohnt ein Lamm,
das hat ganz schwarze Haare.
Meint ihr, es brauche einen Kamm?
I Gott bewahre!
Guten Morgen, ihr Beinchen!
Wie heißt ihr denn?
Ich heiße Hampel,
ich heiße Strampel;
und das ist Füßchen Übermut,
und das ist Füßchen Tunichtgut.
Übermut und Tunichtgut
gehn auf die Reise,
platsch, durch alle Sümpfe,
naß sind Schuh und Strümpfe;
guckt die Rute um die Eck—
laufen sie alle beide weg.
Ka Strümpferl im Kasten,
ka Bänderl am Schuh,
ka Knöpferl am Wams—
oh, der lumpichte Bu!
Heini, Heini,
ach, ist Heini dumm:
stippt mit allen Fingerchen
im Tintenfaß herum.
Heini, Heini,
kleiner dummer Mohr:
stippt sich alle Fingerchen,
klecks, ins Ohr.
Und unten am Brunnen,
da steht ein Faß,
da macht sich unsre Lotte
pitschepatschenaß.
Und oben die Sonne
hat drüber gelacht
und hat unsre Lotte
wieder trocken gemacht.
Es regnet, es regnet
der Kuh auf den Schwanz;
es regnet, es regnet
der Braut in den Kranz.
die Welt ist schon naß;
hol 's Töpfchen,
fang 's Tröpfchen,
dann sag ich dir was:
Wäscht du die Nase,
bleibt sie fein grade.
Wäscht du das Mündchen,
bist du 'n lieb Kindchen.
Wäscht du aber die Augen schön,
kannst du dem lieben Herrgott seinen Himmel besehn.
Blümchen hängt das Köpfchen,
der Tau ist ihm zu schwer;
kommt der durstige Morgenwind,
trägt die Tropfen ins Meer.
Spätzchen piepst und bettelt,
das Kröpfchen ist ihm leer;
Pferdchen hat die Krippe voll,
streut Körnerchen umher.
Häschen in der Grube
saß und schlief,
kam der heilge Kuckdiguck
und bracht ihm einen Brief.
Häschen, bist du müde
oder bist du krank?
Steck doch deine Läufer raus,
ob du noch hüpfen kannst.
Und was stand geschrieben
in Kuckdiguckens Brief?
"Dem Kutscher, der nicht fahren kann,
geht der Wagen schief."
Hinter den Birken über den Rasen
huschen drei Hasen
Springen über Busch und Dorn,
wollen ins junggrüne Winterkorn,
hocken da,
locken sich da,
laufen kreuz,
laufen quer,
hin und her,
als gäb's in der Welt keine Schrotflinte mehr.
Warte, in der Weihnachtszeit
kommen die drei Hasen ins Haus geschneit.
Den größten verschicken wir,
den zweitgrößten spicken wir,
der kleinste kommt ins Hundehaus
und steckt hinten sein Schwänzchen raus.
Jung jung drei Bäumchen
wachsen im Wiesengras,
jung jung drei Bäumchen
sagen mir was.
Das zweite trägt Pfläumchen,
schlicker-schleckerfein;
hätt es deine Zähnchen,
es äße sie allein.
Das dritte, das dritte
schüttelt sich bloß:
fallen lauter Blüten
in meinen Schoß.
Sag ich schön Dank,
geh ich nach Haus,
mach ich Rumpumpeln
ein Kränzchen draus.
Still.
Was bloß das Kätzchen will?
Es streicht um meinen Schoß herum,
das Schwänzchen hoch, den Buckel krumm,
Still—
und weißt du, was es will?
Still.
Was bloß die Glucke will?
Sie lockt und lockt die kleine Brut
zum warmen Stall und deckt sie gut,
Still—
und weißt du, was sie will?
Leise, Peterle, leise,
der Mond geht auf die Reise;
er hat sein weißes Pferd gezäumt,
das geht so still, als ob es träumt,
leise, Peterle, leise.
Stille, Peterle, stille,
der Mond hat eine Brille;
ein graues Wölkchen schob sich vor,
das sitzt ihm grad auf Nas' und Ohr,
stille, Peterle, stille.
Träume, Peterle, träume,
der Mond guckt durch die Bäume;
ich glaube gar, nun bleibt er stehn,
um Peterle im Schlaf zu sehn—
träume, Peterle, träume.
Husch, husch, husch,
ich schlüpfe aus dem Busch;
ich stecke mein Laternchen an,
ich zünde uns die Sternchen an,
husch.
Husch, husch, husch,
ich putze meinen Busch.
Der Mond ist da, der Mond ist hell;
der Mond, der ist mein Spielgesell,
husch.
Husch, husch, husch,
ich schüttel meinen Busch.
Die Kinderchen sind all zur Ruh,
ich schüttel ihnen Träume zu;
die haben wir vergangne Nacht,
der Mond und ich, uns ausgedacht,
husch, husch, husch,
im Busch.
Kräht der Hahn früh am Tage,
kräht laut, kräht weit:
dein Geburtstag ist heut!
Guckt das Eichhörnchen runter:
Wenig Zeit, wenig Zeit!
Guten Morgen, Rumpumpel,
dein Geburtstag ist heut!
Kommt das Häschen gesprungen,
macht Männchen vor Freud:
Guten Morgen, Rumpumpel,
dein Geburtstag ist heut!
Steht der Kuchen auf dem Tische,
macht sich dick, macht sich breit:
Guten Morgen, Rumpumpel,
dein Geburtstag ist heut!
Und Vater und Mutter,
alle Kinder, alle Leut
schrein: Hoch der Rumpumpel,
sein Geburtstag ist heut!
Leises Klopfen an der Türe:
Kann ich 'rein, Mama?
34Frisch gewaschen, frisch gebügelt
steht Rumpumpel da.
Rosen in beiden Händchen;
wie der Kerl sich freut!
Kommt ans Bett, sagt: Guten Morgen,
Mutti Burtstag heut.
Vater putzt die große Stube,
die ist mächtig schön.
Lauter Blumen! Und die Torte!
Komm, zu Vati gehn!
Rumpumpel tanzt, Rumpumpel tanzt,
es blitzen seine Schuh;
der Kreisel und der Hampelmann
sehn verwundert zu.
Der Kreisel pufft den Hampelmann:
guck, Hans, was sagst du nur?
der Junge tanzt, der Junge tanzt
und sitzt an keiner Schnur.
Der Hampelmann zieht ein Gesicht
und schlenkert und sagt: puh,
auch eine Peitsche braucht er nicht,
tanzt doch so schön wie du.
Herr Dreidel tanzt auf einem Bein
rundum, rundum,
kommt die dicke Marmelkugel,
rollt ihn um, rollt ihn um;
paß auf, Herr Dreidel!
Herr Dreidel tanzt auf einem Bein
rundum, rundum,
pfeift der Wind aus einer Ecke,
pfeift ihn um, pfeift ihn um;
steh auf, Herr Dreidel!
Herr Dreidel tanzt auf einem Bein,
peitsch di Hieb, peitsch di Hieb;
hopp hopp, wie springt das Brüderlein,
halt den Dieb, halt den Dieb,
heißa, Herr Dreidel!
Musik, Musik, die Flöte kommt,
Rumpumpel tut's begreifen:
36er horcht und hebt das Fingerchen,
fängt gleich an mitzupfeifen.
Musik, Musik, die Geige kommt,
die Geige tut fein klingen;
Rumpumpel hebt das Fingerchen,
fängt leise an zu singen.
Musik, Musik, der Brummbaß kommt,
ganz deutlich hört man's summen;
Rumpumpel hebt das Fingerchen,
tut wie 'ne Hummel brummen.
Das gibt ein herrliches Konzert,
ihr Kinder, kommt, ich bitte!
Drei Kirschen kost't der erste Platz,
und eine kost't die Mitte.
Hinten herum ist alles frei,
großmütig sind wir heute;
der Mohr, der Spitz, der Hampelmann
sind gar zu arme Leute.
Der Schneidermeister Piekenich
ist ein geschickter Mann,
37er kommt und mißt dem Peterle
die ersten Hosen an.
Er nimmt sein Buch und Metermaß,
schreibt sich die Zahlen auf;
und wenn der Bub nicht stille steht,
kriegt er eins hinten drauf.
"Du lieber Meister Piekenich,
mach die Hosen recht schön!
Ich will ja unter den Linden
damit spazieren gehn.
Und alle kleinen Jungens
gucken nach mir hin
und sehn an meinen Höschen,
daß ich auch ein Junge bin."
Gestern lief der Peter weg,
spinnefix verstohlen.
Setzt sich Mutter den Bänderhut auf:
wart, ich will dich holen.
Sausepeter,
Flausepeter,
kleiner Sünder, wo bist du?
38Hahnematz steht auf der Wiese,
"Kiek ins Grüne" kräht er;
sag mir, bunter Kikeriki, wo ist unser Peter?
Bummelpeter,
Schummelpeter,
kleiner Sünder, wo bist du?
Wie sie sich im Garten umguckt,
ist er nicht zu sehen,
bleibt sie neben dem Spargelbeet
unterm Pflaumbaum stehen.
Aber Peter,
nirgends steht er;
kleiner Sünder, wo bist du?
Hört sie etwas lachen, horch
oben aus dem Baume;
sitzt der Peter seelenvergnügt,
pflückt sich eine Pflaume.
Wirft ein Steinchen,
schwenkt die Beinchen,
wupptich—: Mutter, da bin ich!
Rumpumpel macht 'ne Landpartie,
er trommelt: wer will mit?
Kommt das Kätzchen
Mausemätzchen,
das will mit.
Rumpumpel macht 'ne Landpartie,
er trommelt: wer will mit?
Kommt das Hündchen
Belleinstündchen,
das will mit.
Rumpumpel macht 'ne Landpartie,
er trommelt: wer will mit?
Kommt das Schweinchen
Rosenfeinchen,
das will mit.
Rumpumpel macht 'ne Landpartie,
er trommelt: wer will mit?
Kommt der Bär
der will mit.
So geht's im Trab,
bergauf, bergab,
durch Dünn und Dick,
durch Schlamm und Schlick;
Rumpumpel schlägt die Trommel.
Das Kätzchen maut,
das Hündchen bellt,
das Schweinchen quiekt,
der Bär brummt: was 'ne dumme Welt!
Rumpumpel schlägt die Trommel.
Ride-bide-Bummstock fing 'ne Maus,
Ride-bide-Bummstock ließ sie wieder raus;
Ride-bide-Bummstock, du bist dumm,
die Mäuse sind 'n Rackerpack, das bringt man um.
Hans Wackelohr, Hans Wackelohr,
was bist du heut so still?
41Sieh her, ich habe Kohl für dich,
sitz doch nicht gar so feierlich!
Hans Wackelohr, Hans Wackelohr,
wie kommst du mir heut vor!
Hans Schnupperschnut, Hans Schnupperschnut,
ist dir dein Haus zu eng?
Ein Weilchen darfst du aus dem Stall,
bloß friß mir nicht die Knospen all!
Hans Schnupperschnut, Hans Schnupperschnut,
bist mir nun wieder gut?
Hühner, wollt ihr wohl artig sein!
hübsch langsam essen und nicht so schrein!
Müßt ihr denn immer zanken und beißen?
euch um jedes Körnchen reißen?
Pfui, dicke Henne, abscheuliches Tier,
du ißt ja für vier.
Weg! hörst du nicht? du sollst dich trollen!
Die niedlichen kleinen Küken wollen
auch mal heran an das schöne Futter.
Wenn du nicht hörst, sag ich's der Mutter;
die fängt dich ein und macht dich tot,
dann essen wir dich zum Mittagbrot.
Tuck—tuck—heut ist Regentag,
und ich muß mich plagen;
kratze schon acht Stunden, tuck,
und noch knurrt mein Magen.
Tuck tuck tuck, pick und schluck,
hab noch immer nicht genug.
Tuck die Enten, tuck die Enten,
Enten sind doch Narren;
gehn ins Wasser, tuck ins Wasser,
als könnte man da scharren.
Tuck tuck tuck, pick und schluck,
hab noch immer nicht genug.
Pferde, tuck tuck tuck, und Kühe
haben große Köpfe,
aber keine Kröpfe, tuck;
traurige Geschöpfe!
Tuck tuck tuck, pick und schluck,
hab noch immer nicht genug.
Tuck, wie war der Hahn galant,
suchte mir manch Krümchen;
heute geht er, tuck tuck tuck,
Tuck tuck tuck, pick und schluck,
hab noch immer nicht genug.
Tuck, du fetter Regenwurm,
dich muß ich noch ergattern;
schimpft nur, tuck, vor Neid, tuck tuck,
Muhmen und Gevattern!
Tuck tuck tuck, pick und schluck,
hab noch immer nicht genug.
Tuck, wär ich doch endlich satt,
tuck, das wär ein Segen;
muß Rumpumpeln, tuck tuck tuck,
sein Frühstücks-Ei noch legen.
Tuck tuck tuck, pick und schluck,
ach, wann hat man wohl genug?
Unser Müller hat ein Mühlenhaus,
mi-ma-Mühlenhaus,
kommt Korn hinein und Mehl heraus,
mi-ma-Mehl heraus;
Mühlenhaus, Mehl heraus,
so sieht unsre Wirtschaft aus.
44Unser Bäcker, der backt weiße Wecken,
wi-wa-weiße Wecken,
und braunes Brot und Streußelschnecken,
stri-stra-Streußelschnecken;
weiße Wecken, Streußelschnecken,
Mühlenhaus, Mehl heraus,
so sieht unsre Wirtschaft aus.
Unser Schlächter schlacht't ein feistes Schwein,
fi-fa-feistes Schwein,
und pökelt Wurst und Schinken ein,
schi-scha-Schinken ein;
feistes Schwein, Schinken ein,
weiße Wecken, Streußelschnecken,
Mühlenhaus, Mehl heraus,
so sieht unsre Wirtschaft aus.
Unsre Mutter hat 'ne bunte Kuh,
bi-ba-bunte Kuh,
die gibt uns Milch und Butter dazu,
bi-ba-Butter dazu;
bunte Kuh, Butter dazu,
feistes Schwein, Schinken ein,
weiße Wecken, Streußelschnecken,
Mühlenhaus, Mehl heraus,
so sieht unsre Wirtschaft aus.
45Unsre Henne macht ein laut Geschrei,
li-la-laut Geschrei,
und legt dabei ein frisches Ei,
fri-fra-frisches Ei;
frisches Ei, laut Geschrei,
bunte Kuh, Butter dazu,
feistes Schwein, Schinken ein,
weiße Wecken, Streußelschnecken,
Mühlenhaus, Mehl heraus,
so sieht unsre Wirtschaft aus. [Transkriptions-Notiz: Fehlendes aus hinzugefügt.]
Rumpumpel ist ein kluges Kind,
kli-kla-kluges Kind,
das fragt nicht viel und ißt geschwind,
i-a-ißt geschwind;
kluges Kind, ißt geschwind,
frisches Ei, laut Geschrei,
bunte Kuh, Butter dazu,
feistes Schwein, Schinken ein,
weiße Wecken, Streußelschnecken,
Mühlenhaus, Mehl heraus,
so sieht unsre Wirtschaft aus.
Ich bau, ich bau ein steinern Haus;
vorne guckt ein Esel raus,
hinten eine Kuh,
muh.
Sitzen zwei alte Weiber im Sand,
spinnen viel feine Fäden über Land,
über Bäume,
über Zäune,
um Stoppel und Dorn,
immer von vorn.
Für wen sitzen die alten Weiber im Sand,
spinnen viel feine Fäden über Land?
Für Wildbub Kraushaar,
kommt alle hundert Jahr
mit Trommel und Trab
vom Himmel herab,
reißt alle Fäden auf einmal ab,
macht sich ein'n Mützenpuschel draus
und lacht die alten Weiber aus.
Ihr Siebenschläfer in den Höhlen,
reckt euch, streckt euch, aufgewacht!
Der Frühling leuchtet in den Himmel
nach einer einzigen warmen Nacht.
Schnell, schüttelt eure grauen Zotteln,
und blinzelt in das blaue Licht;
Herrgott, wer wird so langsam trotteln,
ich lauf voraus, ich warte nicht.
Die Amsel übt schon ihre Lieder,
ich pfeif sie nach, ich sing sie auch;
und denkt euch nur, der blaue Flieder
hat Knospen, und der Haselstrauch.
Der Teckel bellt vor lauter Wonne
und wühlt die frische Erde um—
Na? seid ihr noch nicht in der Sonne,
ihr Siebenschläfer faul und dumm?
Has, Has, Osterhas,
wir möchten nicht mehr warten.
Der Krokus und das Tausendschön,
53Vergißmeinnicht und Tulpen stehn
schon lang in unserm Garten.
Has, Has, Osterhas,
mit deinen bunten Eiern.
Der Star lugt aus dem Kasten aus,
Blühkätzchen sitzen um sein Haus;
wann kommst du Frühling feiern?
Has, Has, Osterhas,
ich wünsche mir das Beste:
ein großes Ei, ein kleines Ei
und ein lustiges Dideldumdei,
alles in einem Neste.
Maikönig kommt gefahren,
in seinem grüngoldnen Wagen,
mit Saus und Gesinge.
Seine Zügel sind Sonnenstrahlen,
große blaue Schmetterlinge
ziehn ihn über Busch und Bach,
daß die weißen Blütenglocken
in seinen Locken
schwingen und springen,
und hört sein Lied:
wer zieht mit? zieht mit?
Kommt das Maienweibchen,
trägt ein weißes Kleidchen,
trägt ein grünes Kränzchen,
sagt zu unserm Hänschen:
Eia, Hans,
komm zum Tanz!
Einen Schritt Frau Nixe,
einen Schritt Herr Nix,
Ringeldireih, Ringeldireih,
Dienerchen,
Knix!
Wer tanzt mit mir?
wer spielt mit mir?
ich bin so sehr allein.
Kam da der gelbe Sonnenstrahl:
Ich tanze Tippel-huschemal,
willst du meine Tänzerin sein?
Wer tanzt mit mir?
wer spielt mit mir?
der Sonnenstrahl ist zu fein.
Kam da der wilde Pustewind:
Heidih, ich spiele Wegefind,
lauf doch, fang mich ein!
Wer tanzt mit mir?
wer spielt mit mir?
der Wind macht mein Krönchen entzwei.
Kam da unser brauner Junge an,
macht 'nen Diener wie 'n Edelmann:
Prinzeß, ich bin so frei.
Das große Loch,
wie kam es doch
in Gretens neuen Schuh?
Die ganzen Zehn
sind ja zu sehn;
wer macht das Loch uns zu?
Drüben hinterm Rathaus
hängt ein großes Schild raus,
goldner Stiefel drauf.
Da wohnt der Schuster Firlefanz,
der macht dein Schuhchen wieder ganz;
lauf, Grete, lauf!
Es tanzen zwei Gesellen
hier herum;
der eine, der ist klug,
und der andre, der ist dumm.
Der eine liegt im Grase,
der andre sitzt am Tisch;
der eine kaut den Kanten,
der andre ißt den Fisch
ißt den Fisch.
Oben aus dem Fahnenhaus
guckt das schwarze Wettermännchen raus,
spreizt die Beine und grinst uns an;
schäme dich, alter Wettermann!
Am Ostersonntag, vor sieben Wochen,
hast du dem Fritze fest versprochen,
daß zu Pfingsten, im Monat Mai,
das allerschönste Wetter sei.
Und nun regnet's, liebe Not,
alle hellen Blüten tot;
sie liegen da wie nasser Schnee.
Auf den Wegen steht See an See;
58ja, wenn wir noch drin baden könnten,
wie die Spatzen oder die Enten.
Wir dürfen aber gar nicht raus,
sehn so mucksch wie Maulwürfe aus;
röche nicht der Kuchen so lecker her,
wüßte man gar nicht, daß Feiertag wär.
Nicht mal die Pfingstkleider kriegt man an;
Schäme dich, schwarzer Wettermann!
Vor der Laube kräht der Hahn,
ein rot-schwarz-gelb und grüner:
Kuchen, Kuchen, Kuchen auf dem Tisch,
fix, kommt fix, ihr Hühner!
Seht die Hennen,
wie sie rennen,
aus Verstecken,
über Zäune, über Hecken,
gackern, beißen sich und schrein,
jede will die erste sein.
Wie sie fliegen, wie sie flattern,
um ein Plätzchen zu ergattern.
Oben auf des Tisches Mitte
Bitte, meine Damen, bitte,
fangt nur an!
Pick und schluck,
nicht genug,
immer mehr
Kuchen her!
Unser Kropf
ist ein Topf,
wird nicht voll,
wird nicht leer,
darum mehr
Kuchen her,
bis der Teller leckeleer!
Drüben aus des Gärtners Haus
guckt der kleine Fritz und lacht:
Ei, wie sah das lustig aus,
das haben die Hühner klug gemacht.
Marie, Marei, Marieken
mit deinen sieben Küken,
was willst du tun?
60"Die alte Kluckenmutter ist tot,
nun frieren die Kinder und finden kein Brot;
ich will sie pflegen."
Marie, Marei, Marieken
mit deinen sieben Küken,
was hast du im Sack?
"Kartoffelmus und Hirsekern,
das essen meine Kinderchen gern,
das streu ich ihnen."
Marie, Marei, Marieken,
gib mir eins von deinen Küken,
du hast noch genug.
"Wenn ich meine Kinder verschenken tät,
müßt ich weinen von früh bis spät,
daß sollst du wissen."
Marie, Marei, Marieken,
Zu Hühnern werden die Küken;
was machst du dann?
"Und werden hübsch bunt und werden groß,
fliegen mir alle um Kopf und Schoß,
hei, alle sieben!"
Marie-Marei will Braten machen,
hat keine Pfanne;
nimmt sie sich die Schiefertafel
von klein Schwester Hanne.
Hat sie eine Pfanne.
Marie-Marei will Braten machen,
hat keine Butter;
borgt sie beim Kanarienvogel
rasch ein bißchen Futter.
Hat sie Butter.
Marie-Marei will Braten machen,
hat keine Kohlen;
vor der Tür blüht roter Mohn,
geht sie den sich holen.
Hat sie Kohlen.
Marie-Marei will Braten machen,
fehlt noch das Gänschen;
nimmt sie sich die Pudelmütze
von klein Bruder Fränzchen.
Hat sies Gänschen.
Spitzt das Ohr und merkt euch still,
was die gute Sitte will!
Wer die schöne Form erfaßt,
ist ein gern gesehner Gast;
wer sich frech und plump beträgt,
wird ohne Besen hinausgefegt.
Ein Kind soll nicht vorher von Speisen naschen,
soll Mund und Hände sich sauber waschen,
sich erst setzen, wenn die andern sitzen,
das Mäulchen bei Tisch nicht zum Pfeifen spitzen,
nicht plappern, wenn große Leute sprechen,
das Brot nicht zerkrümeln, zerkneten, nur Bissen abbrechen.
Nicht gierig stopfen! langsam essen!
auch keinen Rest auf dem Teller vergessen!
Nicht wie Hunde oder Katzen
schlecken, schlürfen, schnaufen, schmatzen!
Nicht kichern und nicht heimlich fragen,
und immer schön bitte und danke sagen!
Seid ihr beim Essen und trinkt dazwischen,
sollt ihr zuvor die Lippen wischen.
Kartoffeln und Fisch mit Stahlmessern schneiden,
das wird ein Mensch, der Geschmack hat, vermeiden.
Brot nimmt man zuhilfe, wenn Fischmesser fehlen;
auch Obst soll man nicht mit Stahlklingen schälen.
Wer stochert in den Zähnen,
nicht unterdrückt das Gähnen,
das Messer in den Mund steckt,
Gabel und Teller ableckt,
zuviel packt auf den Löffel,
gilt als Flegel und Töffel.
Es war einmal ein Kätzchen,
ein allerliebstes Frätzchen.
Es hatte das Mamsellchen
ein seidenweiches Fellchen
und einen Bart ums Schnäuzchen
und Augen wie ein Käuzchen.
Es machte gern den Rücken krumm
und brachte viele Mäuse um,
dann schlich es auf die Ofenbank
und leckte sich die Pfoten blank.
Einst aber, oh das Kätzchen,
was tut das liebe Frätzchen?
Einst stand auf unserm Tische
ein Teller Bratenfische.
Hopp, ist das Kätzchen oben:
die Fische muß ich loben.
So denkt es sich und sitzt und schmaust,
doch Mutterchen kommt angesaust,
und gibt dem Naschmamsellchen
—na warte—eins aufs Fellchen.
Mutti, Mutti, was ist denn da drin?
"Hoppel-poppel-Appelreis,
mach dich weg, Naseweis,
kann dich hier nicht brauchen,
der Ofen tut rauchen,
muß Spähne suchen,
sonst brennt der Kuchen,
muß Gänse schlachten,
in sechs Wochen ist Weihnachten."
Schimmel, willst du laufen,
will ich uns was kaufen.
Heißa, lauf nach Mexiko,
da kaufe ich dir Bohnenstroh;
laufe nach der Mongolei,
da kauf ich mir ein Osterei,
hopp!
Eile, Schimmel, eile,
oder du kriegst Keile.
Hoppßa, lauf nach Hindostan,
da kaufe ich mir Marzipan;
laufe nach Kap Morgenrot,
da kauf ich dir ein Dreierbrot,
burr!
Wer schenkt mir ein lebendiges Pferd!
Mein Schaukelpferd ist gar nichts wert,
es hat so steife Beine,
es stampft nicht, frißt nicht, wiehert nicht,
und macht solch ledernes Gesicht,
und weiß nicht, was ich meine.
Wenn mir der Weihnachtsmann ein Pferd,
ein wirklich richtiges Pferd beschert,
dann reit ich über die Brücke,
und reite durch den Kiefernforst
nach Vehlefanz und Haselhorst
und noch fünf große Stücke.
Dann bin ich mitten in der Welt,
da such ich mir ein Haberfeld
und lasse mein Pferdchen grasen.
Und dann, dann reit ich ans Ende der Welt,
wo der Riese den Regenbogen hält,
und—schick euch 'ne Ansichtspostkarte.
Ich hab einen Helm aus Packpapier,
mit einem Federbusche;
der Wilhelm malt mir 'n Adler drauf
mit schwarz-weiß-roter Tusche.
Einen hölzernen Säbel hab ich auch,
mit einem richtgen Griffe;
wenn nur der Scherenschleifer käm,
daß er ihn endlich schliffe!
Meine Mutter ist 'ne gute Frau,
die schenkt mir einen Dukaten,
dann kauf ich mir ein Schießgewehr,
geh unter die Soldaten.
Ich bin der Hauptmann,
ihr die Soldaten;
immer gehorsam,
das will ich euch raten,
hört ihr!
Eins, zwei, immer hinterher,
eins, zwei, schultert das Gewehr,
marsch!
Eins, zwei, immer hinterher,
eins, zwei, schultert das Gewehr,
marsch!
Rechts, links, über Eck,
die Henne legt die Eier weg,
legt sie in ein Bündel Stroh,
irgendwie, irgendwo;
kommt der Marder Wagemut,
jagt die Henne von der Brut,
rechts, links, über Eck—
ein Küken hat—er—weg.
Fritz, ich möcht den Spaten haben.
"Mutterchen, warum?"
Möchte eine Grube graben.
"Mutterchen, warum?"
70Möchte drin ein Bäumchen pflanzen.
"Mutterchen, warum?"
Wird mein Fritze drunter tanzen.
"Mutterchen, warum?"
Wird das Bäumchen Kirschen tragen.
"Mutterchen, warum?"
Ei, du mußt die Spatzen fragen,
die sind nicht so dumm!—
Kommt die kleine Plappertasche:
"Mutterchen, nicht wahr,
ich bin klüger als der Fritze,
bin schon bald sechs Jahr.
"Mutterchen, nicht wahr, der Fritze
ist ein Schaf, o je!
Ich kann schon bis zwanzig zählen
und das A-B-C."
I, du kleine Plappertasche,
laß den Fritz in Ruh.
Plappertasche, wische wasche,
halt das Mäulchen zu.
Übermorgen in vier Wochen
kommt der Weihnachtsmann;
71wenn du dann noch immer plapperst,
was bekommst du dann?
Einen großen Maulkorb!—
In Leipzig wohnt ein Bäckermeister,
Hans-back-die-Semmeln-größer heißt er;
Seine Mutter, die Frau Meisterin,
zieht den Teig wer weiß wie dünn,
rollt ihn mit der Mangel aus,
macht sieben bucklige Bretzeln draus,
drei für den Vater,
drei für die Mutter,
eine für unser Plappermündchen,
dann schweigt's vielleicht ein Viertelstündchen.
Lieber Doktor Pillermann,
guck dir bloß mein Püppchen an.
Drei Tage hat es nichts gegessen,
hat immer so stumm dagesessen,
es will nicht einmal Zuckerbrot,
die Arme hängen ihr wie tot.
72Ach, lieber Doktor, sag mir ehrlich,
ist diese Krankheit sehr gefährlich?
Madam, Sie ängstigen sich noch krank;
der Puls geht ruhig, Gott sei Dank.
Doch darf sie nicht im Zimmer sitzen,
sie muß zu Bett und tüchtig schwitzen;
drei Kiebitzeier gebt ihr ein,
dann wird es morgen besser sein.
Empfehle mich.
Guten Tag, guten Tag, liebe Grünkramfrau,
Gemüse will ich kaufen,
ich bin mit meinem Henkelkorb
extra hergelaufen;
auch schöne frische Eier will ich,
hoffentlich sind sie heute billig.
Die Schoten hier gefallen mir,
zuckersüße Kerne;
auch von den Rübchen möchte ich
ein halbes Liter gerne.
Kohlrüben? lieben wir nicht sehr;
doch zeigen Sie mal die Pflaumen her!
Schnell, schnell, Besen,
feg die Stube rein;
wenn Väterchen zum Kaffee kommt,
muß alles sauber sein.
Wisch, wisch, Lappen,
über Stuhl und Schrank;
wenn Väterchen zum Kaffee kommt,
sind sie blitzeblank.
Blüh, blüh, Blume,
blüh recht frisch;
wenn Väterchen zum Kaffee kommt,
Stehst du auf dem Tisch.
Herz-Herz-Muttchen,
schnell das neue Kleid;
74bis Väterchen zum Kaffee kommt,
ist nur noch wenig Zeit.
Tick, tick, Uhrchen,
renn doch nicht so fix;
wenn Väterchen zum Kaffee kommt,
mach ich meinen Knix.
Fertig, alles fertig,
der Kuchen auch ist da;
der Kaffee kommt, der Vater kommt,
mein Verschen kann ich ja:
"Heut ist dein Geburtstag!"
Ich bin das Himmelsprinzeßchen,
habe Flügel von blauem Duft,
ich schlafe im Wolkenbettchen
und bade in Licht und Luft.
Mir gehört die silberne Schaukel
hoch oben im Himmelssaal;
wenn die goldenen Seile schwingen,
blitzt es unten im Tal.
Der alte Wetterriese
donnert und schilt mich aus,
und lache den Brummbart aus.
Die Mirlamein vom Monde
webt meine Kleider und Schuh,
die gute Mutter Sonne
gibt goldne Spangen dazu.
Der liebe Gott hat mich gerne,
ich bin sein liebes Kind;
er nimmt uns auf die Kniee,
mich und den Frühlingswind.
Des Abends sitzen wir stille
bei Mirlamein im Zelt
und spinnen Wünsche und Träume
und streuen sie über die Welt.
Wenn der Wind über Wiesen und Felder rennt,
renn ich mit;
da denk ich, daß ich fliegen kann,
und guck mir lustig die Vögel an,
susewitt, susewitt.
Wenn der Wind durch die Sträucher und Bäume fegt,
feg ich mit;
76die Blütenkätzchen feg ich zu Hauf
und setz mir vom Ahorn ein Nasenhütchen auf,
susewitt, susewitt.
Wenn der Wind durch die Turmlöcher singt und pfeift,
pfeif ich mit;
sein Jodler wird mir gar nicht schwer,
und den Brummbaß lern ich nebenher,
susewitt, susewitt.
Wind, Wind, sause,
der Mond ist nicht zu Hause;
er ist wohl hinter den Berg gegangen,
will vielleicht eine Sternschnuppe fangen,
Wind, Wind, sause.
Stern, Stern, scheine,
der Mond, der ist noch kleine;
er hat die Sichel in der Hand,
er mäht das Gras am Himmelsrand,
Stern, Stern, scheine.
Singe, Vogel, singe,
der Mond ist guter Dinge;
77er steckt den halben Taler raus,
das sieht blank und lustig aus,
singe, Vogel, singe.
Und hell wird's, immer heller;
der Mond, der hat 'nen Teller,
mit allerfeinstem Silbersand,
den streut er über Meer und Land,
und hell wird's, immer heller.
Ihr Kinder, sperrt die Näschen auf,
es riecht nach Weihnachtstorten;
Knecht Ruprecht steht am Himmelsherd
und backt die feinsten Sorten.
Ihr Kinder, sperrt die Augen auf,
sonst nehmt den Operngucker:
die große Himmelsbüchse, seht,
tut Ruprecht ganz voll Zucker.
Er streut—die Kuchen sind schon voll—
er streut—na, das wird munter:
er schüttelt die Büchse und streut und streut
den ganzen Zucker runter.
Knecht Ruprecht kratzt sich seinen Bart
und rückt zurecht die Brille:
Ihr Engelskinder, lärmt nicht so,
seid mal ein bißchen stille!
Kommt, rückt hübsch artig zu mir ran,
seht euch mal das Bestellbuch an!
Was steht hier auf dem ersten Blatt?
was auf dem zweiten, dritten?
was steht am Ende von dem Buch?
was steht hier in der Mitten?—:
Ach Weihnachtsmann, wir bitten sehr,
Schick uns doch mal das Luftschiff her!
Hans möchte nach Amerika,
und Fritz zu Tante Lotte,
Kurt durch die Luft zu Großpapa,
Marie zum lieben Gotte;
Georg will bloß nach Neuruppin
mit Zeppelin, mit Zeppelin.
79Ach Zeppelin, du Zaubermann,
's ist aus der Haut zu fahren,
das ganze liebe kleine Pack
will bloß noch Luftschiff fahren;
dein Fahrzeug ist ja viel zu klein,
da gehn nicht alle Kinder 'rein.
Ihr Engelskinder, helft mir doch
in meinen Weihnachtsnöten,
baut mir ein Luftschiff riesengroß
mit hunderttaufend Böten,
laßt lustig die Propeller gehn,
da sollt ihr mal die Freude sehn!
Hurra, schreit da die Engelschar,
wir helfen alle, alle.
Nach dreien Tagen, blitzeblank,
stehts Luftschiff in der Halle.
Dank schön, sagt Ruprecht, fährt hinab,
holt alle Jungs und Mädels ab
zur Flugfahrt durch die Welten.
Ob sie sich nicht erkälten?
Früh, eh ich's konnt begreifen,
hört ich schon etwas pfeifen,
80hört ich Schon etwas brummen,
wie tausend Bienen summen.
Was ist denn los? Ach ja:
der Weihnachtsmann ist da!
Die Raben und die Spatzen,
sie müssen's weiterschwatzen;
in alle Häuser dringt es,
von allen Glocken klingt es.
Was läuten sie? O ja:
der Weihnachtsmann ist da!
Mit seinem braven Esel
zieht er von Thorn bis Wesel;
wo Mädels sind und Buben,
tritt er in ihre Stuben
und langt aus Sack und Taschen
zum Spielen was und Naschen.
Wo habt ihr's her? Na ja:
der Weihnachtsmann war da!
Wer hat denn, wer hat denn
den Esel so bepackt?
Knecht Ruprecht, Knecht Ruprecht
mit seinem Klappersack.
Mit Nüssen, mit Äpfeln,
mit Spielzeug allerlei,
und Kuchen, ja Kuchen
aus seiner Bäckerei.
Wo bäckt denn, wo bäckt denn
Knecht Ruprecht seine Speis?
In Island, in Island,
drum ist sein Bart so weiß.
Die Rute, die Rute
hat er dabei verbrannt;
heut sind die Kinder artig
im ganzen deutschen Land.
Ach Ruprecht, ach Ruprecht,
du lieber Weihnachtsmann:
komm auch zu mir mit deinem
Sack heran!
Sankt Niklas zieht den Schlafrock aus,
klopft seine lange Pfeife aus
und sagt zur heiligen Kathrein:
Öl mir die Wasserstiefel ein,
bitte hol auch den Knotenstock
vom Boden und den Fuchspelzrock,
die Mütze lege oben drauf,
und schütte dem Esel tüchtig auf,
halt auch sein Sattelzeug bereit;
wir reisen, es ist Weihnachtszeit.
Und daß ich's nicht vergeß, ein Loch
ist vorn im Sack, das stopfe noch!
Ich geh derweil zu Gottes Sohn
und hol mir meine Instruktion.
Die heilige Käthe, sanft und still,
tut alles, was Sankt Niklas will.
Der klopft indes beim Herrgott an,
Sankt Peter hat ihm aufgetan
und sagt: Grüß Gott! wie schaut's denn aus?
und führt ihn ins himmlische Werkstättenhaus.
Da sitzen die Englein an langen Tischen,
ab und zu Feen dazwischen,
83die den kleinsten zeigen, wie's zu machen,
und weben und kleben die niedlichsten Sachen,
hämmern und häkeln, schnitzen und schneidern,
fälteln die Stoffe zu zierlichen Kleidern,
packen die Schachteln, binden sie zu
und haben so glühende Bäckchen wie Du.
Herr Jesus sitzt an seinem Pult
und schreibt mit Liebe und Geduld
eine lange Liste. Potz Element,
wieviel artige Kinder Herr Jesus kennt!
Die sollen die schönen Engelsgaben
zu Weihnachten haben.
Was fertig ist, wird eingesackt
und auf das Eselchen gepackt.
Sankt Niklas zieht sich recht warm an;
Kinder, er ist ein alter Mann,
und es fängt tüchtig an zu schnein,
da muß er schon vorsichtig sein.
So geht es durch die Wälder im Schritt,
manch Tannenbäumchen nimmt er mit;
und wo er wandert, bleibt im Schnee
manch Futterkörnchen für Hase und Reh.
Aus Haus und Hütte strahlt es hell,
84da hebt er dem Esel den Sack vom Fell,
macht leise alle Türen auf,
jubelnd umdrängt ihn der kleine Hauf:
Sankt Niklas, Sankt Niklas,
was hast du gebracht?
was haben die Englein
für uns gemacht?
"Schön Ding, gut Ding,
aus dem himmlischen Haus;
langt in den Sack! holt euch was raus!"
Sankt Nikolas, Sankt Nikolas,
bringst du der flinken Grete was?
Sie ist fast immer artig gewesen,
hat fleißig in ihrer Fibel gelesen,
kann das große H schon ganz richtig schreiben,
wird Ostern gewiß nicht sitzen bleiben;
Sankt Nikolas, Sankt Nikolas,
schenkst du ihr was?
Sankt Nikolas, Sankt Nikolas,
bringst du dem dicken Peterle was?
Er ist noch zu klein, um zur Schule zu gehn,
aber beten kann er schon wunderschön:
85"Lieber Dott, mach alle Menßen dut,
nimm alle unter deinen Hut'"
Sankt Nikolas, Sankt Nikolas,
schenkst du ihm was?
Sankt Nikolas, Sankt Nikolas,
bringst du der kleinen Lene was?
Sie gehört der armen Flick-Marie
und hat schon lange ein schlimmes Knie;
zum Spielen kommt sie gar nicht mehr raus,
sieht immer so blaß und ängstlich aus.
Sankt Nikolas, Sankt Nikolas,
schenkst du ihr was?
Sankt Nikolas, Sankt Nikolas,
ich wünsch mir selber auch noch was:
möcht in der Weihnacht mit dir gehn,
mir all die fröhlichen Kinder besehn,
wie sie tanzen und tuten, knabbern und schlucken
und am strahlenden Christbaum die Wunder angucken.
Sankt Nikolas, Sankt Nikolas,
schenkst du mir das?
Klänge wachsen auf den Wegen
im Gebüsch, im jungen Grün;
alle meine Melodien
möchte ich mit leisem Segen
abends auf dein Kissen legen.
Wilde Blumen, seltne Früchte:
was der reife Sommer bringt,
möcht ich in dein Zimmer tragen,
sollst mir keine Antwort sagen—
Still—der Traum versinkt—verklingt.
Sonne scheint draußen und scheint in die Stube,
unten am Boden kugelt mein Bube,
greift nach den schimmernden, flimmernden Stäubchen;
ich sitze am Fenster und nähe ein Häubchen,
ein ganz kleines Häubchen aus weißem Batist.
Ob's wohl ein Mädel ist?—
Und hat's seine Augen, seinen trotzfrohen Sinn,
dann weiß kein Mensch, wie glücklich ich bin!
Bloß Er—Er—sein liebes Gesicht— —
"Na, Bub? Hast du die Sonne noch nicht?"—
Maria herzt ihr Kindlein
und küßt sein rotes Mündlein;
sie weiß es nicht,
daß einst zu Golgatha
sein Kreuz wird aufgericht't.
Der Wind mit Blumendüften
tut des Kindes Härlein lüften;
nicht weiß der Wind,
daß einst zu Golgatha
unschuldig Blut verrinnt.
Sein Lämmlein kommt gesprungen,
spielt um den holden Jungen;
sieht nicht von fern,
daß man zu Golgatha
einst höhnt den lieben Herrn.
Ihr sorgend Mutterherzen
müßt es fein still verschmerzen;
ihr wißt es nicht,
wann eurem teuren Kindlein
sein Kreuz wird aufgericht't.
Schlafe, mein kleiner Wildling,
du schlankes Reis, schlaf ein;
draußen im Mondschein die Pappel
sieht auf dein Bett herein.
Träume, mein heißer Wildling;
was ballst du die kleine Faust?
Kühl geht der Wind durchs Fenster,
die hohe Pappel braust.
Wachse, mein trotziger Wildling,
wachse dich hoch und frei,
horch auf die herrischen Stürme
und des Adlers stolzen Schrei!
Räche mich, Sohn meiner Wildheit,
räche den Mutterleib,
Schärfe den Dolch und töte,
töte das fremde Weib!
Schlafe ruhig, Königskind;
wie im Traume singt der Wind,
schweigend sitzt der Mond zu Haus,
94gießt die weißen Strahlen aus,
gießt sie über das weite Land,
über Wald und Hügelwand.
Taube gurrt im dunklen Laub,
Käfer surrt und fliegt auf Raub,
Fischlein steht im Wasser still,
weiß nicht, ob es schwimmen will.
Was dir auch das Leben spinnt:
träume, Königskind!
Ein Vogel flog aus dem Heimatland,
er flog wohl sieben Tage lang
über fremde Wälder und Seen;
da wurden ihm die Flügel lahm,
und als er ans große Wasser kam,
konnt er nicht weiter.
Ein Mägdlein mußte von Hause fort,
in ein fernes Land an fremden Ort,
so bang und alleine.
Die Mutter gab ihr drei Tropfen Blut:
Tochter, liebe Tochter, wahre sie gut,
sonst trifft dich ein Unheil.
Waldtaube saß gefangen,
Kuruh, das Vögelein,
wohl hinter Gitter und Stangen;
da ließ das Köpflein hangen
Kuruh das Vögelein.
Waldtaube saß am Gitter,
Kuruh, das Vögelein,
da kam ein blauer Ritter,
ein Falke an ihr Gitter:
Kuruh, mein Vögelein.
Und bist du auch gefangen,
Kuruh, mein Vögelein,
meine Liebe zerbricht die Stangen,
zu dir will ich gelangen,
Kuruh, mein Vögelein.
Quellchen geht in den Rauschebach,
Bach geht in den Fluß,
Fluß geht vorbei am Elternhaus,
Mütterchen hört seinen Gruß;
grüße mir, Quellchen, grüße mir fein
Vater und Mutter, vergiß es nicht, nein?
Vater pfeift seinem Hühnerhund,
Mutter sorgt für den Herd,
Schwesterchen gießt ihre Tausendschön,
Bruder zäumt sich sein Pferd;
grüße mir, Quellchen, ich bin so allein,
Bruder und Schwester, vergiß es nicht, nein?
Eia, wir Elfen,
wir kommen und helfen,
eh du's gedacht, Kind, eh du's gedacht.
Wir kommen
im frommen
Geleuchte der Nacht,
Gewänder
und Bänder
vom Monde erdacht;
wir schweben
und heben
im Reigenspiel sacht
die Schleier
zur Feier
der freundlichen Nacht.
Eia, wir reichen
uns schmeichelnd die weichen
Hände im gleichen
lieblichen Takt, im lieblichen Takt.
Wir gleiten
durch Weiten
der wandernden Welt,
wie ziehende
Nebel im Feld;
wir lauschen,
dem Rauschen
der Quellen gesellt,
und schauen
die blauen
Gefilde bestellt.
Eia, wir zeigen
im silbernen Reigen
mit Nicken und Neigen
die Zauber der Welt, die Zauber der Welt.
Des Mondes Tochter, Mirlamein,
kam in die warme Welt herein,
sie kam aus ihres Vaters Haus
auf einer weißen Fledermaus.
Mirlama, Mirlamein,
schlaf ein.
Da saß Prinzessin Mirlamein
auf einem großen weißen Stein
mitten in blühender Heide
99in ihrem milchweißen Kleide.
Mirlama, Mirlamein,
schlaf ein.
In ihren Händen bleich und fein
hielt sie die Flöte aus Elfenbein;
sie blies—das klang so hell und hold,
als ob ein Engel uns trösten wollt.
Mirlama, Mirlamein,
schlaf ein.
Gleich stecken alle Vögelein
den Kopf in die Flügel und schlummern ein,
die Hirsche und Rehe im tiefen Wald
suchen ihr Lager und schlafen bald.
Mirlama, Mirlamein,
schlaf ein.
Glühwürmchen löscht das Lämpchen aus,
fliegt müde in sein Blätterhaus,
die Tauben gurren im Schlaf kuruh,
mein Kind macht auch die Augen zu.
Mirlama, Mirlamein,
schlaf ein.
Traumkönig geht durch bleiches Land,
rings grüßen ihn verstohlen
die braunen Nachtviolen;
Marlenchen geht an seiner Hand,
Marlenchen, jung Marlenchen.
Traumkönig geht an den Rosmarinstrauch,
da brennen die Lebenskerzen,
sie brennen mit roten Herzen;
Marlenchen fühlt ihren heißen Hauch,
Marlenchen, jung Marlenchen.
Traumkönig geht am See entlang,
die Wasserelfen singen
ein Lied von kühlen Dingen;
Marlenchen überkommt es bang,
Marlenchen, jung Marlenchen.
Die alte Mutter Hule
kann reisen ohne Geld:
sie setzt sich auf den Gänserich
und reitet durch die Welt.
Die alte Mutter Hule,
die hat im Wald ein Haus;
der Uhu sitzt als Wächter davor,
läßt niemand 'rein und 'raus.
Frau Hulens Sohn heißt Michel,
der ist nicht grad, nicht krumm;
am Sonntag ist er manchmal klug
und Montags manchmal dumm.
Sie schickte ihn zum Markte,
da kauft er sich 'ne Gans;
die flatterte und schnatterte
und wippte mit dem Schwanz.
wie liebten sie sich gleich!
Sie fraßen zusammen aus einem Napf
und schwammen in einem Teich.
Des Morgens in der Frühe
fand Michel ein großes Ei;
das hatte die liebe Gans gelegt,
der Gänserich stand dabei.
Der Michel lief zur Hule:
guck, was ich dir gebracht,
ein goldnes Ei. Die Hule sagt:
das hast du brav gemacht.
Der Michel trug's zu Markte,
drei Dukaten wollt er haben;
der Jud wollt bloß die Hälfte geben,
da schmiß er ihn in'n Graben.
Er ging am Schloß vorüber,
da stand ein Fräulein lilienschön;
dem Michel schwoll das Herze,
er blieb ein bißchen bei ihr stehn.
Der Jude und ein Ritter
fielen über Michel her
da schrie der Michel sehr.
Die alte Mutter Hule
flog über Prag und Wien,
verwandelt ihren Michel schnell
in einen Harlekin.
Und auch das Fräulein rührte sie
mit ihrem Flederwisch,
da stand ein Kolombinchen da
mit Backen rot und frisch.
Wo blieb das goldne Ei, huchjee?
Das rollte weit ins Meer.
Der Michel zog die Stiefel aus
und sockte hinterher.
Die alte Mutter Hule
sattelt hui die große Gans
und flog damit zum roten Mond,
denn da war Fastnachtstanz.
Herr Steuermann, Herr Steuermann,
leg an der Brück von Köllen an!
Ein Schifflein kommt gefahren
104wohl über den grünen Rhein.
Was hat das Schiff geladen?
Ei, roten Wein,
ei, weißen Wein,
den hat das Schiff geladen.
Zu Köllen an der Brücke,
da tagt der hohe Rat am Rhein.
Was wollen die Herren trinken?
Ei, roten Wein,
ei, weißen Wein,
den wollen die Herren trinken.
Ein Schifflein kommt gefahren
wohl über den grünen Rhein.
Was hat das Schiff geladen?
Ei, blonde Jüngferlein,
ei, braune Jüngferlein,
die hat das Schiff geladen.
Zu Köllen an der Brücke,
da tagt der hohe Rat am Rhein.
Wen wollen die Herren küssen?
Ei, blonde Jüngferlein,
ei, braune Jüngferlein,
die wollen die Herren küssen.
Lise Nackfisch und Hans Pitschenaß
badeten im Teiche,
strampelten, tauchten,
plantschten und fauchten;
—hell lachte die alte Eiche.
Murrian Knurr, der Pudelhund,
kam vorbei am Teiche,
erhob ein Geschrei: Herbei! Polizei!
da baden zwei, nackend und frei!
—hell lachte die alte Eiche.
Lise Nackfisch und Hans Pitschenaß
sprangen aus dem Teiche,
faßten Murrian am Kopf, an Schwanz und Zopf,
seiften ihn ein, trotz Bellen und Schrein,
—hell lachte die alte Eiche.
Lise Nackfisch und Hans Pitschenaß
baden wieder im Teiche,
hampeln und strampeln, spritzen und tauchen,
patschen und plantschen, prusten und fauchen,
—hell lacht die alte Eiche.
Ein Kätzlein ging einst jagen,
welch schöne Katz, welch feine Katz;
an einer Kirchhofsmauer,
da lag sie auf der Lauer
und fing sich einen Ratz.
"Ach Kätzlein, laß mich leben,
du schöne Katz, du feine Katz;
will dienen deinem Willen,
jed Wünschlein dir erfüllen
als dein getreuer Schatz."
Das Kätzlein ließ sich rühren,
die schöne Katz, die feine Katz;
sie ließ die Ratte leben,
tat ihr ein Laternchen geben,
zu leuchten bei der Hatz.
"Ich tu dir wacker helfen,
du schöne Katz, du feine Katz;
brauchst bloß die Öhrlein spitzen,
da laufen aus Spalt und Ritzen
Langschwänze auf den Platz."
107Der Ratz ward groß und größer—
"Du schöne Katz, du feine Katz,
wir wollen beid spazieren,
am Arm will ich dich führen
als dein getreuer Schatz.
Dein Schwänzlein will ich kämmen,
ei schöne Katz, ei feine Katz!"
Er rupft sie zum Erbarmen,
kein Mauen hilft der armen,
vor Schmerz tut sie 'nen Satz.
Hätt ich dich doch gefressen,
ich gute Katz, ich feine Katz;
ein Untier bist du worden,
wirst mich gewiß noch morden,
du Ungetüm von Ratz.
Er sprang ihr auf den Rücken:
"Hei, Schöne Katz, hei, feine Katz,
jetzt habe ich zu sagen,
mußt mich als Reiter tragen
auch ohne Zaum und Latz.
Ein Müllersmann aus Oberwesel
hatt 'nen gewitzten jungen Esel;
der weidete auf grünem Gras
und dachte sich so dies und das,
wollt für sein Leben gern auf Erden
was Bessers als ein Esel werden.
Da fand er—und sein Herz schlug schnell—
ein unversehrtes Löwenfell.
Er kriecht hinein, es paßt ihm gut,
er fühlt auch gleich des Löwen Mut
und denkt mit innerstem Behagen:
nun brauchst du nicht mehr Säcke tragen.
Stolz trabt er durch den Wald daher,
tut ganz, als ob ein Leu er wär,
schüttelt die Mähne, schlägt mit dem Schweif
und setzt die Tatzen breit und steif.
Das Häslein spitzt das lange Ohr,
109die Sache kommt ihm kitzlig vor,
es springt hinweg; das Rehlein auch.
Wie freut sich da der eitle Gauch!
Und als der Müller, der ihn sieht
von weitem, auch erschrocken flieht,
kann er vor Wonne kaum sich fassen,
muß laut sein I-A tönen lassen.
Da merkt der Müller, wen er hat,
prügelt den Esel mürb und matt
und schimpft ihn aus: du dummes Vieh!
zum Löwen wird ein Esel nie;
du hast mich mit dem Fell genarrt,
das sollst du büßen, Esel, wart!
und schlägt und pufft ihn immer mehr.
Der Esel hängt die Ohren sehr,
als so sein Meister ihn verbläut;
sein Hochmut hat ihn recht gereut,
wollt fürder Säcke tapfer tragen,
nie mehr nach Löwenhäuten fragen.
Ich war in Fez durch die Buden gewandelt
und hatte einen Ring erhandelt
110mit einem seltsam geschliffenen Stein;
sollte der Ring König Salomos sein.
Wer ihn besäße, verstünde sofort
zahlreicher Tiere Geberde und Wort,
könnte das Gras beim Wachsen belauschen,
hörte Musik aus den Quellen rauschen,
verstünde die Sprache von Baum und Stein,
müßte aber ein Sonntagskind sein.
Nun, ich war zu meinem Frommen
Beim Glockenläuten auf die Welt gekommen,
nahm meinen Ring, bezahlte bar,
und—war jetzt klüger, als ich war.
Fröhlich ging ich zur Stadt hinaus,
wußte da ein einsames Bauernhaus,
warf mich glatt in die Frühlingsruh,
kaute Halme und pfiff dazu,
dachte an dies und dachte an das,
wie so gedeihlich aus Ernst und Spaß
die Welt sich verbastelt zum Gottgetriebe,
dachte an Glauben, dachte an Liebe,
und wie hellauf über Zacken und Kanten,
trotz Pflichten, Gesetzen und alten Tanten,
das Leben in neue Blüten schießt,
in die der Saft der Zeit sich ergießt.
111Dachte und dachte, eiferbeflissen,
glaubte den Weg aller Wege zu wissen,
genau der Länge nach und der Breite,
der die Welt zum Heile geleite;
dachte— —was man so buntes denkt,
wenn über einem die Sonne hängt.
Neben mir blühte lichtblauer Flieder;
ein Spatzenpärlein ließ sich drin nieder,
die plusterten zärtlich die dicken Hälschen,
zogen sich Federchen aus den Pelzchen,
sahen recht verliebt darein,
mußten wohl jung verheiratet sein.
Doch das Schweigen währte nicht lange,
bald war eine Unterhaltung im Gange;
ja, mein Ring kam mir trefflich zustatten,
deutlich verstand ich das Plaudern der Gatten
und durfte mit Vergnügen ermessen,
sie hatten höhere Interessen.
"Männe," sagte das Spatzenfrauchen
und rückte näher an ihr Grauchen,
"du bist so klug vom vielen Reisen,
könntst mich ein wenig unterweisen.
Sag mir doch, was die Menschen wollen,
112wenn sie die Erde in dicken Schollen
aufwerfen; nie kriegen sie genug
von ihrem Getue mit Spaten und Pflug."
"Hm," sagte der Spatzmann mit Bedacht,
nachdem er ein Weilchen nachgedacht,
"Hm, in der Erde gibt's schöne Dinge,
Zum Beispiel Käfer und Engerlinge,
die werden sie brauchen zu Schmaus und Festen
und werden damit ihre Jungen mästen.
Auch Körner graben sie sehr gescheit
in den Boden ein; und wenn's friert und schneit,
und es ist Futtermangel im Haus,
graben sie alle wieder aus."
"Du bist doch der gescheiteste Spatz,"
sagte die Spätzin, "mein trautester Schatz.
Doch noch was andres wollt ich dich fragen,
du kannst mir sicherlich auch sagen,
warum die Sonne morgens aufsteht
und abends wieder untergeht;
ich habe mir seit vielen Wochen
umsonst darüber den Kopf zerbrochen."
Der Spatz putzt sich den Schnabel und spricht:
"Kleines Närrchen, das weißt du nicht?
Wie sollten wir Vögel anders wissen,
113wann wir morgens ausfliegen müssen?
Die Sonne ist da, um uns zu wecken
und abends uns wieder ins Nest zu stecken."
"Ja, ja, nun wird mir alles klar,"
sagte das Weibchen; "ganz offenbar
hast du da recht. Doch in der Nacht
der Mond? für wen ist der gemacht?"
"Der Mond? Ach, nenn mir den Falschen nicht;
der hält es mit dem Katzengezücht,
lockt Marder und Eulen auf unsre Brut,
drum hass' ich ihn mit aller Wut."
Und zornig sträubt der kleine Mann
die Federn und sieht sein Weibchen an.
Das drängt sich an ihn, zärtlich, dicht,
glättet ihm die Daunen an Hals und Gesicht
und flüstert erschrocken: "Du hast ja recht,
der meint es gewiß mit uns Vögeln schlecht;
nie nenn ich ihn wieder. Doch sag mir, du Bester,
ob nicht auch in der Menschen Nester
die Sonne Licht und Wärme bringt,
daß alles früh aufsteht und singt?"
"Nein, Kind, für uns ist die Sonne gemacht,
uns bringt sie Tag, uns bringt sie Nacht.
114Die Menschen haben in ihren Zimmern
ihre eignen Sonnen, ich sah sie flimmern.
Als ich mal nachts, aus dem Schlaf geschreckt,
an ein Fenster stieß, hab ich's entdeckt:
sie machen bloß knips, dann haben sie Licht,
die brauchen unsre Sonne nicht."
Das Spatzenfrauchen schien ganz beglückt
von so viel Klugheit und sah entzückt
ihr Männchen an: "Du bist ein Genie,
und weißt auch sicher, warum und wie
die Menschen in ihren Steinhäusern kleben
und nicht so frei wie wir Vögel leben?"
Das Spätzchen guckte ein wenig ins Land,
hatte aber die Antwort schnell bei der Hand:
"Vor Mardern und Eulen und Katzengetier
sind sie in den Häusern viel sichrer als wir,
und, was der wichtigste Grund von allen,
kein Junges kann aus dem Neste fallen.
Ja, ja, die Menschen haben Geist,
sind auch den Vögeln gefällig meist,
haben sie doch von Land zu Land
lauter feste Drähte gespannt,
damit unsre Wandrer scharenweise
115sich ausruhn können auf der Reise.
Auch Versammlungen werden von Jungen und Alten
im Herbste darauf abgehalten;
wir sind ihnen wirklich zu Dank verpflichtet,
so praktisch haben sie's eingerichtet."
"Glaub's schon, die Menschen sind recht klug,
aber noch immer nicht klug genug,"
sagte das Weibchen; "was würden sie geben,
könnten sie frei in den Lüften schweben,
doch sind sie zu ungeschickt zum Fliegen
und werden niemals Flügel kriegen."
"Bloß mit den dicken seidenen Bällen
steigen sie manchmal tausend Ellen,"
lachte das Männchen; "was nur die tollen
Leute bei uns in den Lüften wollen?
Jetzt baun sie sogar allerhand Gestelle
und rasen herum mit Windesschnelle.
Auch der Dompfaff lachte neulich
und meinte, er fände die Dinger abscheulich;
sinnlos wär dies Gefliege und Rattern,
kein Mücklein könnt man dabei ergattern.
Ernsthaft sitzen sie in dem Kahn
und gucken die Welt durch Röhren an;
116es ist wirklich lachhaft mitanzusehn.
Komm, Schatz, wir wollen zu Bette gehn;
für heute hast du genug profitiert,
morgen wird wieder ein Stündchen doziert."
Eine Weile noch plusterte da was rum,
dann waren die Plappermäulchen stumm.
Ich aber ging übers stille Feld;
so malt sich in Spatzenköpfen die Welt,
dacht ich und lächelte überlegen.
Da hört ich's in den Lüften sich regen,
eine alte Esche rief mir zu:
"Wieviel ist der Spatz denn beschränkter als du?
Seid ihr Menschen nicht auch allesamt
zu solchen unwissenden Tierlein verdammt,
die das große Warum und das ewige Wie
mit ihrer täppischen Kindsphantasie
zu begreifen suchen? Dürft ihr vertraun
dem Funken in euch und aufwärts schaun?
Sind eure stolzesten Grübler und eifrigsten Späher
der Gottheit nur um ein Strichelchen näher?"
So sprach die Esche. Ich sah in die Weiten,
sacht fühlt' ich den Ring mir vom Finger gleiten,
scheu blickt' ich hin—er war verschwunden,
und niemals hab ich ihn wiedergefunden.
Fixfax der arge Kobold spricht:
die Langeweile bekommt mir nicht,
ich will in lustigen Abenteuern
den alten Koboldruhm erneuern,
denn geht's den Menschen allzu glatt,
wird ihre Seele stumpf und matt.
Drum will ich sie in diesen Tagen
ein wenig necken, ein wenig plagen;
ein Kobold will doch auch mal lachen,
sich über die Menschlein lustig machen,
die den Kern aller Dinge glauben zu kennen
und sich so leicht die Finger verbrennen.
Drum, Fixfax, auf zu keckem Wagen,
stör ein bißchen ihr Wohlbehagen,
brauchst sie ja nicht ins Unglück zu hetzen,
ihnen bloß ein paar sanfte Püffe versetzen.
Ei, wie strömen Wohlgerüche
aus Frau Puffkes Wirtschaftsküche,
denn für hungrige Soldaten
will sie grad ein Ferkel braten;
alles ist schon gut bereit
118und die Essenszeit nicht weit.
Fixfax nun, das muntre Mätzchen,
klettert hurtig wie ein Kätzchen
hoch hinauf zu Schornsteins Rand,
setzt sich listig und gewandt
mitten auf das Loch da, schwapp,
und nun zieht der Rauch nicht ab;
rückwärts strömt er in die Küche,
weg sind alle Wohlgerüche,
und Frau Puffke steht und hustet,
krebsrot im Gesicht, und prustet,
kann dem dicken Rauch nicht wehren,
sich die Sache nicht erklären.
Rennt zum Schornsteinfeger Krause,
aber der ist nicht zu Hause;
niemand weiß, wo Krause schweift,
und Frau Puffke steht und keift,
denn die Uhr läuft immer weiter.
Endlich kommt er mit der Leiter,
um den Schaden zu ergründen,
doch er kann durchaus nichts finden;
denn der Fixfax, wohlbedacht,
hat sich aus dem Staub gemacht,
und Herr Krause mit dem Besen
brummt, die Sonne sei's gewesen.
119Vier Uhr schlug's, als die Soldaten
endlich kriegten ihren Braten.
Vor dem Spiegel, kerzengrad,
steht Herr Amtsvorsteher Plath;
tadellos und mit Geschmack
sitzt die Hose und der Frack,
ausgezeichnet auch die glatte
blütenweiße Taftkrawatte,
Kragen, Vorhemd, comme il faut,
und Herr Plath ist seelenfroh.
Langt noch sorglich aus dem Schrank
den Zylinder blitzeblank;
nimmt dann Stock und Handschuh munter,
steigt voll Stolz die Treppe runter,
denn er ist heut eingeladen
Zum Empfang bei ihrer Gnaden
der Prinzessin Schneckenstein,
und das hebt ihm Brust und Bein.
Fixfax aber dachte gleich:
wart, dir spiel ich einen Streich.
Auf den Taubenboden geht er
und nach losen Federn späht er,
sammelt allen Flaum ins Säckchen,
120bläst verschmitzt das ganze Päckchen
über Plathens neuen Frack
und auf seinen Chapeau-claque.
Plath sieht ganz befiedert aus,
doch er ahnt nichts von dem Graus,
steuert durch die Nacht geschwind,
denkt bloß: was für'n arger Wind!
tritt mit Würde in den Saal,
Alle lachen—o Skandal!
Bis er endlich sich besieht
und geknickt von dannen flieht.
Draußen denkt er ärgerlich:
So ein Pech, das hab nur ich!
Auf des Sofas weichem Grunde
schlummert sanft mit offnem Munde
Pastor Pfannkuch. Nur die Fliegen
summen sich was zum Vergnügen,
sonst ist's muckstill. Fast erledigt
liegt der Text der Sonntagspredigt
auf dem Schreibtisch. Sonnenfleckchen
spielen in den Zimmereckchen;
nichts bedroht den tiefen Frieden,
121der dem frommen Mann beschieden.
Doch da stiehlt sich in die Stube
Fixfax, dieser lose Bube,
kichert, fängt ein Dutzend Fliegen,
die sind hier sehr rasch zu kriegen,
tunkt sie in das Tintenfaß,
bis sie gänzlich schwarz und naß,
läßt sie dann gleich wieder fliegen
und entfernt sich mit Vergnügen.
Nach 'nem Weilchen, ach Herrjee,
kommt Frau Pastor mit dem Tee,
ruft voll Abscheu, Schreck und Graus:
Berthold! Mensch, wie siehst du aus!
bist ja wie'n Idiot beschmiert,
Backen, Nase, schwarz karriert!
Himmel, auch die neue Predigt
ist beschmudelt und beschädigt,
und auf meinen weißen Deckchen
grinsen lauter Tintenfleckchen!
Mann, wie hast du das getan?
Und sie sehn sich grübelnd an...
Der Bauer schläft im Hirsekraut;
wer fährt dem Bauer sein Heu nach Haus?
Der rote Mond guckt übern Strauch,
der Bauer schläft und wacht nicht auf.
Wer fährt dem Bauer sein Heu nach Haus?
Aus ihrem Loche lugt die Maus,
der Fuchs schleicht sacht aus seinem Bau;
der Bauer träumt und wacht nicht auf.
Der Mond scheint hell und hoch herauf,
der Marder schleicht durchs fahle Laub,
die Eulen huschen schwarz und grau;
der Bauer stöhnt, doch wacht nicht auf.
Husch, horch: Wer trippelt und trappelt zu Hauf?
Wer spannt die müden Gäule aus?
Die Gäule wissen den Weg nach Haus;
der Bauer schläft im Hirsekraut.
123Wer kichert in des Wagens Bauch?
Wohin rollen die Räder ohne Ruck, ohne Laut?
Wer hält sie an am Garten, am Zaun?
Wer fuhr dem Bauer sein Heu nach Haus?
Der kommt verstört beim Morgengraun:
O Frau, mein Heu! O Frau, mein Traum!
Die Frau führt lachend ihn zum Zaun,
da zupft die Ziege vom Wagen das Kraut.
"Schlaf andermal nicht und sei nicht faul,
wenn der Vollmond steigt übern Berg herauf;
die Kobolde fuhren dein Heu nach Haus,
jetzt geh und leg ihnen Speck und Kraut."
Herbei, ihr kleinen Wichte,
Kobold, Alraun und Wurzelmann,
schafft hunderttausend Lichte
und putzt damit die Bäume an!
Bis in die höchsten Spitzen
soll Licht bei Lichtlein blitzen.
Der Mond und alle Sterne
sind doch bloß blasser Himmelsschaum;
mein Töchterlein will gerne
124den ganzen Wald zum Weihnachtsbaum.
Drum macht, wie ich euch sage,
die Nacht zum hellen Tage!
Der Märchenkönig spricht's. Im Nu
geht's an ein Lichterkneten;
kein einziger sieht müßig zu,
gönnt kaum sich Zeit zum Beten.
Und als die Heilige Nacht heran,
zünden sie alle Kerzen an.
Hei, war das ein Gestrahle,
ein Leuchten, flimmern, überhell,
als brach mit einem Male
von Fels zu Fels ein Feuerquell.
Auf Zweig und Äste blicken
die Bäume mit Entzücken.
Der Meister führt sein Töchterlein
durch diese Weihnachtspracht.
Sie schreitet wie im Sonnenschein,
fühlt Kälte nicht noch Nacht,
und flüstert traumverloren:
Die Liebe ward geboren.
Es war zur lieben Weihnachtszeit,
die Wälder lagen tief verschneit,
im Acker schlief in guter Ruh
das Korn und träumte dem Frühling zu,
die Winternachmittagssonne stand
wie ein gelber Fleck an weißer Wand—
da schritt ich hinaus in die blinkende Weite
und summte ein Lied mir zum Geleite.
Wie ich so ging auf stillen Wegen,
kam mir ein seltsamer Zug entgegen.
Ein Eselchen ganz vollgesackt
mit Schachteln und allerhand Kram bepackt,
Schritt langsam durch die Felderruh;
Sein Führer rief ihm bisweilen zu,
es war ein Alter in weißem Haar,
mit Runzelgesicht und sonderbar
126altmodischem Pelzwerk, sonst gut bei Kräften,
die Füße staken in hohen Schäften
und kamen munter mit Hott und Hüh
grad auf mich zu samt dem Eselsvieh.
Potz Blitz, fällt mir auf einmal ein,
das muß doch der Gottesknecht Ruprecht sein.
Ich blicke scharf in das bärtge Gesicht:
"Grüß Gott, mein Alter, kennst du mich nicht?
Ich hab doch oft dein Loblied gesungen,
und all die Mädels und all die Jungen,
die noch an Mutters Rockzipfel hängen
oder sich auf den Schulbänken drängen,
kennen dich wie ihre großen Zehen,
doch hat wohl noch niemand dich draußen gesehen.
Sonst kamst du immer auf heimlichen Wegen
uns erst in der heimlichen Stube entgegen
mit Sack und Pack und netten Geschenken;
was soll ich, Weihnachtsmann, von dir denken?
Da stehst du nun mit Haut und Haar,
bist nicht ein bißchen unsichtbar,
wie es dir zukommt."—"So ist meine Art,"
brummte der Alte und strich sich den Bart,
"ich denke mir gern Überraschungen aus,
für diesmal mach ich's außerm Haus;
komm mit, da sollst du was erleben,
127das wird ein Extra-Vergnügen geben."
"Topp," rief ich, "Alter, ich bin dabei,
ich höre gern lustiges Kindergeschrei."
So schritten wir rüstig zur Stadt. Am Tor
langte Ruprecht ein hölzernes Pfeifchen hervor
und blies. Wie konnte der Alte pfeifen!
Jetzt lernt ich den Rattenfänger begreifen:
aus allen Straßen, aus Tür und Tor
—mir klingt der Lärm noch immer im Ohr—
mit Jubeln und Lachen, in bunten Haufen
kamen wohl hundert Kinder gelaufen.
Sie tanzten um Ruprecht, bettelten, baten,
eins um 'ne Kutsche, eins um Soldaten,
eins um ein Püppchen, eins um ein Büchlein,
eins um ein Rößlein, eins um ein Tüchlein,
und Ruprecht langte in seinen Sack
und gab, was es wünschte, dem kleinen Pack.
Ja, jedes Kind durfte etwas erlangen;
aber die übermütigen Rangen
schrien durcheinander und wollten mehr,
kletterten über das Eselchen her,
zupften den Ruprecht an Bart und Kragen,
wollten ihm gar die Säcke wegtragen.
Da wurde es aber dem Alten zu bunt,
128er nahm sein Zauberpfeifchen, und—
schrill kam ein Ton. Wie erschraken sie doch.
Sie wurden ganz kleinlaut, man hörte nur noch:
"Komm, Fritzchen—Hans, laß doch—nicht schreien, Marie—
Knecht Ruprecht wird böse—seht ihr nicht wie?!"
Und sie stellten sich artig um ihn herum
und waren wie die Mäuschen stumm.
Er kommandierte: "Linksum, kehrt,
nun geht nach Hause, wie sich's gehört!"
Da faßten die Großen die Kleinen an:
"Grüß Gott und schönen Dank auch, Herr Weihnachtsmann."
Und wieder tönte die Schalmei,
die Kinder trabten zwei zu zwei
und sangen lustig die Weise mit,
und fern und ferner klang ihr Schritt;
mein Blick verfolgte den kleinen Schwarm.
Wie sind ihre Bäckchen vor Freude warm—
so dacht ich—und Freude ist der Saft,
den wir auf unsrer Wanderschaft
durchs Leben aus frohen Kindertagen
ins graue Alter mit hinübertragen
als verjüngendes Elixier;
129ein gut Teil davon verdanken wir dir,
du alter bärtiger Gottgeselle!
Ich sah mich um—leer war die Stelle,
nur fern in der dämmernden Abendluft
verschwebte ein Wölkchen wie Weihrauchduft,
und durch die feiernde Stille drang
der erste hohe Glockenklang.
Ländliche Straßen, dicht beschneit.
Knirschen, Geläut,
ein Schlitten;
inmitten
sitzen drei kleine Leut
bis zu den Öhrchen vermummt.
Es singt und summt
von Weihnachtsglocken;
ein paar neugierige Flocken
lassen vom Wind sich herüberwehn,
wollen durchaus das Mädelchen sehn
mit den roten Kältebäckchen
und den goldbraunen Zottellöckchen
und das Bübchen daneben,
das sich eben
130das immer tropfende Näschen putzt.
Großäugig, verdutzt,
bis zum Mäulchen zugedeckt,
im Wollmützchen fast versteckt,
sitzt das Kleinste auf Mutters Schoß.
"Kutscher, ein bißchen los,
es wird kalt;
Sie wissen doch, drüben zum Förster am Wald."
Der Alte schmunzelt und knallt
mit der Peitsche, hüh, hott—
die Gäule bleiben bei ihrem Trott.
... Von drüben her Lichter,
Zwei altliebe Gesichter
hinter den Scheiben:
"Wo sie nur bleiben?
Ist schon die fünfte Stunde!"
Da knurren die Hunde,
bellen, wollen hinaus;
Großmutter läuft vors Haus.
Da:—Knirschen, Geläut,
ein Schlitten,
inmitten
sitzen vier liebe Leut.
Wie das Altchen sich freut!
Unter Lachen und Weinen
131wickelt sie aus den Tüchern die Kleinen,
küßt die Tochter, nimmt ihr das Jüngste vom Knie:
"Ein prächtiges Kindchen! Gott schütz es, Marie!"
Neben ihr sprudelt ein Zünglein:
"Großmutter, komm doch 'rein!
Großmutter, sind die Hühner noch wach?
Großmutter, Vater kommt morgen nach,
er läßt schön grüßen."
... Auf bedächtigen Füßen,
als ging ihn die Sache nichts an,
kommt auch der Förster langsam heran.
"Na?
Seid ihr endlich da?"
Gleich läuft der Fritz auf ihn zu:
"Großvater, Du,
guck mal drüben den roten Fleck!
och, Großvater, nu is die Sonne weg."
"Die Sonne? Hm, laß man; drin is noch eine,
'ne ganze feine,
die wird uns bald blinken—
nu aber, bitte, kommt Kaffee trinken."
... Der Platz wird leer,
schneestill und stumm.
Der alte Kutscher lenkt langsam um,
nickt vor sich her,
und brummelt für sich:
"Der oll Förster hett's gaud, manch enner hett's nich."
Bei König Kuchen und Königin Schokoladen
war ich mit Linchen heut Nacht in Gnaden
zu Gaste geladen.
Ein prachtvolles Fuhrwerk, tripp, tripp, trapp,
holte uns stolz von Hause ab.
Vorn stampften zwei schneeweiße Vollblutjucker
aus feinem biegsamen Lederzucker,
auf dem Kutschbock der dicke Mohr
kam uns marzipanisch vor,
und neben ihm der fette Mops
war ganz gefüllt mit englischen Drops.
Die Kutsche, aus weißem Zuckerkant,
erstrahlte hell wie Diamant;
sie ging auf zierlichen Süßholzrädern,
aus Vanille waren die Deichsel, die Federn,
dicke Polster aus Traubenrosinen
sollten uns als Sitze dienen,
133aber in den Bätterteig-Wagentaschen
gab es allerhand Gutes zum Naschen.
Ein allerliebster Praliné-Page
dienerte neben der Equipage
in einem rot kandierten Frack
und öffnete uns den Wagenschlag.
Wir stiegen ein und fuhren im Nu
durch Rußland und Asien nach China zu.
Bald kamen wir in jenes Land,
wo König Kuchen, der Süße genannt,
unumschränkt herrscht in seinen Reichen
mit seiner Fürstin ohnegleichen,
der herrlichen Königin Schokolade,
die uns zum Fest befohlen in Gnade.
Das goldgelb glacierte Ballfesthaus
sah wie ein riesiger Napfkuchen aus,
umgeben von einem Spritzkuchengitter;
als Wache davor zwei braune Ritter
aus Pfefferkuchen mit Gußfiligran,
die hatten Knackmandel-Harnische an.
Als Führer dienten mir und Linchen
zwei allerliebste Thorner Kathrinchen;
sie verbeugten sich höflich als wir kamen,
und sagten: bitte, meine Damen.
134Ach, Kinder, wie das Herz mir lacht,
denk ich zurück an all die Pracht!
Die Wände waren von Makronen,
verbrämt mit Schokoladenbohnen,
aus grünen Bonbons die glatten Dielen,
daß wir nachher beim Tanz fast fielen,
die Säulen aus mächtigen Baumkuchentorten
von den allerhöchsten und edelsten Sorten,
die Tische aus marmoriertem Konfekt,
mit drolligen Lutschfigürchen bedeckt,
die Stühle Fäßchen mit Gelees,
mit Eingemachtem und Knusperknees;
rings auf appetitlichen Zimmetstaffeln
lagen Biskuits und Keks und Waffeln.
Im Hintergrunde ein Gletschersee,
mit Vanille-Eisbergen und Schlagsahnen-Schnee,
entsandte in doppelter Kaskade
Zitronen- und Himbeer-Limonade;
und hoch über allem, im glanzvollen Saal,
strahlte eine Sonne aus Zucker-Opal.
In der Mitte aber stand ein Thron,
gebaut aus Bretzeln mit blauem Mohn,
darauf saß liebreich in ihrer Gnade
die herrliche Königin Schokolade.
135Sie harrte huldvoll, bis die Schar
der Kinder ganz versammelt war,
die sie aus kalter und warmer Zone
herbefohlen zu ihrem Throne,
um ihnen mit königlichen Händen
von ihren süßen Kleinodien zu spenden;
ihr hoher Gemahl, der König Kuchen,
hatte Mühe, sie auszusuchen.
Da waren Kinder aus Deutschland und Spanien,
aus Frankreich, Chile, Mesopotamien,
Kinder von Kaffern und Hottentotten,
von Persern, Eskimos und Schotten,
Kinder aus Süden und Kinder aus Norden
von den feinsten Familien und den wildesten Horden,
denn alle Kinder zu allen Zeiten
essen gerne Süßigkeiten.
An der Königin Seite, im leckeren Grase
machte Männchen ein stattlicher Osterhase,
und als die Kinder versammelt waren,
ordnete er die bunten Scharen;
rechts gingen die Mädchen, links die Knaben,
so wollt es der König Kuchen haben,
und jedes Kind in jeder Reih
bekam ein prächtiges Osterei,
136die Mädchen blaue, rote die Jungen,
dann ist das Häschen davongesprungen.
Nun fing die Kapelle zu spielen an,
vorn geigte ein Nürnberger Lebkuchenmann;
ich sag euch, es war 'ne Musik für Kenner,
und waren doch alles gebackene Männer,
mit Rosinenaugen und Mandelnasen,
und konnten so lieblich flöten und blasen.
Es wurde getanzt, gespielt, gelacht,
damit verging die schöne Nacht.
Zuguterletzt, nicht zu vergessen,
wurde alles aufgegessen,
artig gedankt und Abschied genommen;
wir fuhren heim, wie wir gekommen,
und erwachten in unserm Bett—
Kinder, Kinder, wie war das nett!—
Nein, Kinder, immer kann man nicht dichten,
immer weiß man nicht neue Geschichten;
oft sind die Märchengeister stumm,
als wären sie wer weiß wie dumm,
und alle Wände grinsen mich an,
137als hätt ich ihnen was angetan.
So war's auch neulich. Bei mir zu Haus
sah alles öde und langweilig aus,
da bin ich in den Abend geschlendert;
der Himmel hing rosenrot umbändert,
die Wolken türmten sich wie ein Tor,
plötzlich stand ich grade davor
und sah hinein in das Himmelsschloß.
"Na, Petrus, was ist denn hier oben los?"
fragt ich; "hier sieht's ja munter aus."
Da schmunzelt der alte Wächter vom Haus
und sagt mir—aber ihr dürft nicht lachen—:
Im Himmel wäre groß Reinemachen,
die Jungfrau Maria tät revidieren
und die himmlischen Scharen zum Scheuerfest führen.
Die kleinsten Englein müßten ran,
kriegten große Schürzen an,
dürfte keins spielen und müßig bleiben,
müßten fegen und wischen, seifen und reiben.
Da würden die Sterne blitzblank geputzt,
den kleinen Kometen die Schwänzchen gestutzt,
der Himmel mit Wunderblau lackiert,
der Regenbogen neu ausstaffiert;
dem Vollmond würde, wie er sich auch steift,
mal gründlich wieder die Glatze geseift,
138und damit am klaren Firmament
die liebe Sonne schön leuchten könnt,
würden die Wolken fest ausgedrückt
und hinter den Horizont geschickt.
Wenn alles fertig, wüschen sich
die Englein die Flügel säuberlich—
denn morgen sei ja der erste Mai— —
Ich fragte, was an dem Tage sei,
da blitzte mich Petrus an und sprach:
"Na, weißt du, das ist doch wirklich 'ne Schmach;
da sieht man wieder, wie wenig ihr wißt,
nicht mal, wann Gottes Geburtstag ist."
Na, Kinder, ich machte ein dummes Gesicht;
das wußt ich bei aller Gelehrsamkeit nicht.
Doch nun wurde mir auf einmal klar:
Darum putzt sich die Erde Jahr für Jahr
mit Blumen und Kräutern im bunten Gemisch,
darum grünen die Hecken, die Bäume so frisch,
darum üben die Vögel die Festmelodie,
und Bienen und Grillen begleiten sie,
darum wird dem Menschen die Freude so groß,
als säß er dem lieben Gott im Schoß,
wenn der Maiwind kommt über Berg und Tal—
nun begriff ich den Frühling mit einem Mal.
Und ich fragte Petrus aus froher Seele:
139Erlaubst du, daß ich das weiter erzähle?
"Immerzu," sagte der und strich sich den Magen;
"kannst den neugierigen Leuten gleich noch sagen,
daß an Gottes Geburtstag, dem ersten Mai,
auch der Tanztag für Teufel und Hexen sei.
Sonst dürfen sie, zu Aller Segen,
sich keinen Schritt ohne Leine bewegen;
doch an dem Tage sind sie frei,
—da macht die Bande genug Geschrei,"
entfuhr es brummend dem alten Knaben—
"doch Gott ist der Herr und will es so haben.
Er sieht in hoher heiliger Ruh
dem tollen Blocksbergvergnügen zu;
und treibt es einer zu arg von der Sippe,
kommt er sofort wieder an die Strippe.
Nun aber leb wohl, ich wünsch gute Nacht,
um neun wird der Himmel zugemacht."
Langsam schloß sich das Wolkentor;
ich ging, ein Liedchen klang mir im Ohr.
Zu Haus in heimlicher Abendruh
nickt ich den Sternen fröhlich zu
und betete: Ich bin nur ein Zwerg,
und die herrliche Welt, sie ist dein Werk,
o Gott; du hast alles, nichts kann man dir schenken,
140nur deiner in Freude und Demut gedenken.
So nimm dieses Liedchen, ich hab es erdacht
in dieser Frühlings-Geburstagsnacht.
Scheine, Sonne, scheine,
die Wäsch hängt auf der Leine;
unsre Hemden, unsre Socken,
mach sie uns bis Sonntag trocken,
scheine, Sonne, scheine!
Rausche, rausche, Regen,
gib uns deinen Segen,
wasch die armen Sünder rein,
gib uns Brot und gib uns Wein,
rausche, rausche, Regen!
Zu best ist allerwegen
Sonnenschein und Regen;
auch der Wind muß pfeifen,
soll die Ernte reifen.
Regen, Wind und Sonnenschein
mögen bei unserm Hause sein!
Pink, pank, Hammerschlag,
der Nagel hat 'nen Kopf;
und wenn er keine Spitze hat,
ist er ein armer Tropf.
Mein Hämmerlein du,
schlag zu, schlag zu!
Pink, pank, Hammerschlag,
hast du der Nägel zehn
und nagelst du ein Särglein zu,
ist's um einen geschehn.
Mein Feuerlein du,
blas zu, blas zu!
Kribbel-krabbel-Käfer
läuft hinab zum See,
er kommt vom grünen Hügel,
hell leuchten seine Flügel
im Sonnenschein.
Kommt der Fisch geschwommen,
Sperrt das Fischmaul auf,
der Käfer drin verschwunden
im Sonnenschein.
Überm See der Reiher
sieht, wies Fischlein schnappt,
nimmt seinen spitzen Schnabel
und spießt es auf die Gabel
im Sonnenschein.
Wie nun stolz der Reiher
seine Kreise zieht
mit leuchtendem Gefieder,
knallt ihn der Jäger nieder
im Sonnenschein.
Sonnenlichter,
Frühlingswichter
spielen auf der dunkeln Wand.
Prüfend öffne ich das Fenster;
seht die Wolken, die Gespenster
lösen sich am Himmelsrand.
Holla, Jungen,
aufgesprungen,
143schnell das Ränzel aus dem Spind!
Kommt, wir wandern durch die feuchten
Saaten; wie Smaragden leuchten
Halm an Halm im Morgenwind.
Feste Schritte,
Männersitte;
wie die Ferne lockt und wirbt!
Und wir lassen sie im Schreiten
achtlos oft vorübergleiten,
bis sie hinter uns erstirbt.
Hohe Ziele,
nicht zum Spiele;
immer steiler wächst der Paß.
Aber oben wolln wir rasten
nach der Arbeit, nach dem Fasten;
Jungens, trinkt, ich komm euch was!
Hoch im Blauen
selig Schauen,
unter uns der Erde Glück!
Doch es zieht mit tausend Armen
immer wieder zu den warmen
Menschenstätten uns zurück.
Hinüber, hinein!
über Wipfel und Stein!
die Herzen zu baden
im Goldsonnenschein!
Auf schwierigen Pfaden
zu lichten Gnaden!
über Wipfel und Stein,
hinunter, hinein!
Ich habe Flügel—rate, Kind—
doch flieg ich nur im Kreise;
und singen tu ich, wenn der Wind
mir vorpfeift, laut und leise.
Was ihr den Feldern abgewinnt,
kau ich auf meine Weise;
doch was mir durch die Kehle rinnt,
das mundet euch als Speise.
Standen vier weiße Ritterchen
auf einem roten Gitterchen,
150die machten alles klitzeklein
und warfen es in ein Loch hinein.
Als das die andern Ritter sahn,
zogen sie neue Harnische an,
kamen aus ihren Burgen herbei,
stellten sich tapfer in die Reih
und machten hack
und sagten knack
und warfen alles in einen Sack.
Die erste frißt,
der zweite ißt,
das dritte wird gefressen;
das ganze wird zu Pökelfleisch
und Erbsenbrei gegessen.
Mein erstes ist ein Hund,
mein zweites ist ein Junge,
mein ganzes ist ein Dieb,
kein Hundejunge!
Wenn das R am Anfang steht,
liebt man es nicht sauer;
wenn es bis ans Ende rutscht,
hüt dich vor dem Hauer!
Wenn das R am Anfang steht,
ist's ein Heldenname;
wenn es bis ans Ende rutscht,
wird's ein Waldbaumsame.
Wenn das R am Anfang steht,
sind es böse Leute;
wenn es bis ans Ende rutscht,
gerbt man seine Häute.
Wenn das R am Anfang steht,
ist es eine Schale;
wenn es bis ans Ende rutscht,
wird's ein Orientale.
Wächst einer alten Dame
ein Buckel kleinster Sorte,
verwandelt sie sich augenblicks
in ein Stück Mandeltorte.
Doch nimmst du ihr den Rücken,
auf dem der Buckel wächst,
hast du die alte Dame
zur trocknen Frucht verhext.
Ich stand begehrlich am Worte,
umgekehrt wuchs es nicht weit;
ein arges Diebsgelüste
besiegte die Redlichkeit.
Ich stahl das umgekehrte,
kein Argus achtete drauf;
Schmunzelnd enteilt' ich dem Worte
und aß es umgekehrt auf.
Es läuft und hat keine Beine,
es gibt viele und doch nur eine.
Wer zuviel hat, kann's nicht verschenken;
wer zu wenig hat, muß es beschränken.
Bald geht es langsam, bald schnell;
mal ist es dunkel, mal hell.
Christkindchen lag im Stalle
und hörte die ersten schrein;
die zweiten tragen wir alle
zur Weihnachtszeit am Bein.
Sind es die Stiefel, halten sie 'ne Weile;
wird es der Junge, kriegt er halt Keile.
Der Vater will's das Fritzchen
(die erste Silbe betont)—
jedoch die Mutter bittet,
da ward der Schelm verschont.
154Sie sprach: Du mußt dir's, Liebster,
(die dritte Silbe betont)—
denn Nachsicht mit den Kleinen
wird oft von Herzen belohnt.
Denk doch, wie du's dem Jungen
an Einsicht bist und Geist;
du mußt was andres dasselbe,
das ihn sich bessern heißt.
Klärchen nähte an dem ersten
und war ganz die beiden zweiten,
denn sie durfte Sonntag reiten,
Leutnant Kurt wollt sie begleiten;
ihre Augen wurden groß,
müßig lag die Hand im Schoß.
Mutter näht am andern Fenster,
sah's und runzelte die Brauen:
Höre, Kind, Luftschlösser bauen
taugt nicht viel für fleißige Frauen,
weil man leicht die Pflicht vergißt
und zu sehr das Ganze ist.
Mariechen war's. Mit meinem Kuchen
stand ich nun da und dem Bukett.
155Wo soll ich bloß das Mädel suchen?
Wenn sie doch nur geschrieben hätt!
Ja ja, ich hab sie es seit Jahren;
ich gebe zu, das war recht dumm.
Nein, welch ein rücksichtslos Gebaren!
Und schwer geärgert kehrt' ich um.
Froh singt ihr Lied am Sommertag
die eins-zwei früh und spat.
Die drei wünscht jeder Jüngling sich;
doch bricht er ab, ist's schad.
Das Ganze war ein König, der
lustig und unverschämt
die stolze Prinzeß, die ihn nicht wollt,
bestraft hat und gezähmt.
In eins-zwei-drei lebt ganz gemütlich
Herr Müller mit Herrn Schulze friedlich;
bis Müller einst, wer hätt's gedacht,
Anspruch auf Schulzes zwei-drei macht.
Da hörte man ein bös Geschrei:
So denk doch eins, mein Herr eins-zwei!
Ich muß stets alles zwei bezahlen,
156kann nicht mit zuviel zwei-drei prahlen;
kommst du noch mal mir drum ins Haus,
ist's mit der guten eins-zwei-drei aus.
Er geht in sich, um sich zu pflegen,
und ist in sich um sich verlegen.
Rate, Freund, es ist nicht schwer:
Wer's hat, hat, was er hatte, nicht mehr.
Wer's aber ist, den äfft des Teufels Brut;
man sperrt ihn ein und fürchtet seine Wut.
Wer es hat, der ist betrübt;
aber froh und stolz, wer's gibt.
Das Wort pflegt zu erhöhn
den Glanz des Edelsteins;
solang man es bewahrt,
ist man der Herr des Seins.
Wenn es von Freund und Liebchen kommt,
oder von dir verfaßt,
so liebst du wohl das erste Wort;
sonst ist es dir verhaßt.
Das zweite Wort, so klug wir sind,
machen wir Menschen viel;
und was dich reut, oft andre freut
im schadenfrohen Spiel.
Der Schluß: gefürchtet und geneckt,
teils boshaft und teils dumm,
geht er als Geist des Widerspruchs
in Schrift und Mären um.
Die drei vereint: wir stehn verdutzt,
wie Zufalls Koboldmacht
das Wort entstellt, den Sinn verdreht—
man ärgert sich und lacht.
Auf der höchsten Berge Rücken
ist es immer leicht zu finden,
wo die kleinen Gletscherbäche
schäumend sich zu Tale winden.
Tausch die Silben—ach, verlegen
steh ich vor gemischten Dingen,
Chemiker und Apotheker
mögen dir die Lösung bringen.
Ich hab keine Hände und kann doch tragen,
hab keine Flinte und kann doch jagen;
kann klettern und schwere Lasten heben
und bin doch ein zartes, hinfälliges Leben.
Viel Glieder hab ich, die einander gleichen.
Ich helf auf des Verbrechens dunklem Pfade,
doch himmelshell führ ich empor zur Gnade;
manch hohen Stand kannst du mit mir erreichen.
Getrieben werd ich, doch ich treibe wieder;
mir folgen arbeitsam viel erzne Glieder.
Seit Jahrmillionen geh ich auf und nieder,
bald sanft, bald wild, doch niemals ohne Brüder.
Hitze und Kälte trag ich, hin und wider;
übt mich der Knabe, stärkt er seine Glieder.
Die Luft durcheil ich ohne jed' Gefieder;
den Augen bring ich Schau, den Ohren Lieder.
Stets bin ich eines Leuchtenden Trabant,
teils nah, teils fern ihm, wie's der Himmel will.
Bescheiden bin ich selten, niemals still;
ja, Schweigen ist mir gänzlich unbekannt.
Ein Wort füg an, das keiner gern empfängt
und das die Kinder schreckt von Alters her;
doch ohne es fällt manche Arbeit schwer,
weil's feste Massen auseinander drängt.
Ich bin nur klein, doch banne ich die Welt
in meinen Kreis bis hoch ins Sternenzelt;
dem Vorbild der Natur einst nachgeschafft
vertiefte ich den Blick der Forschungskraft.
Ein Wort füg an, das sich der Mensch gesetzt
zur Ordnung gegen den, der sie verletzt;
der Fromme fühlt es oft von Gott gesandt,
ans Letzte, Jüngste denkt er furchtgebannt,
an Weltkrieg, Hungersnot und Aufruhrleid—
da ist das Ganze eine Seltenheit.
Die erste Silbe führt die krause Schar,
die uns vertraut seit unsrer Klippschulzeit.
Die zweite tönt durch Weiten hell und klar,
ruft bald zur Ruhe, bald zu wildem Streit.
Und wenn der tapfre Krieger
sein junges Leben gab,
fällt ihm vielleicht der Schatten
des Ganzen auf sein Grab.
Ein deutscher Meister war es, gottgesandt,
der jenes edle Tonstück uns geschenkt;
der Vogel übt's, der seine Flügel lenkt—
dir wünsch ich es, mein deutsches Vaterland.
Was allen Flügelwesen wohlbekannt,
was jedes Blatt, das aus der Hülle bricht,
ersehnt; was man von Kraft und Tugend spricht—
das wünsch ich dir, mein deutsches Vaterland.
Ein Flüßchen, an der Schieferberge Rand,
sehr vielen ist sein Name leerer Schall,
ein kleines Wort, doch wir ersehnen's all—
wünsch ich dir auch, mein deutsches Vaterland.
Auch ihn, der tief verabscheut Mord und Brand,
den Engel, der auf Morgenwiesen geht,
doch oft verhüllten Hauptes abseits steht—
ihn sende Gott dir, o mein Vaterland!
Wir sind's mit Stamm und Vaterland,
mit Menschen, die uns lieb und blutsverwandt,
mit jeder Arbeit, die der Seele wert;
der Reiter rühmt: wir sind's, ich und mein Pferd.
Doch wer es ist, trägt eine schwere Last,
er ist sich selbst ein mißgeschickter Gast;
Statt Liebe blüht ihm Mitleid, und im Schwarm
gesunder Jugend fühlt er doppelt Harm.
Wir sind's gewiß in vielen Dingen
in einem sind wir's nimmermehr;
die sind's, die wir zu Grabe bringen,
und eben die sind's bald nicht mehr.
Drum, weil wir leben,
sind wir's eben
an Wesen wie Gesicht;
drum, weil wir leben,
sind wir's eben
zur Zeit noch nicht.
Nennst du das Ganze, tönt es uns entgegen
von Sommernächten, wo des Mondes Horn
verschwärmten Pärchen winkt auf lauschigen Wegen,
und wo aus seinem wundersamen Born
das Märchen auftaucht und in tiefem Sinnen
uns anschaut, und verträumte Bäche rinnen.
Teilst du das Wort, stellt dir zuerst sich dar
die Stadt, die wir mit Ehrfurcht gern beschauen,
die Heiden einst wie Christen heilig war,
wo Pilger heut und Kenner sich erbauen;
ein Teil der Stadt ist noch des Wortes Rest
und hält den Glanz vergangner Zeiten fest.
Ohne Zepter, ohne Krone
herrsche ich auf dieser Erde,
buntes Spiel vor meinem Throne
zaubert stets mein Wort: Es werde!
Noch zwei Zeichen: Alles wich,
Pracht und Buntheit sind verschwunden,
und in künftigen dunklen Stunden
werden es auch du und ich.
Mein Strom ergießt sich sickernd durch die Welt,
ich dring in Haus und Hütte, Schloß und Zelt.
Seitdem der Mensch Urkunden aufbewahrt,
sind Geist und Wille durch mich offenbart.
Ich schüre Gluten, wirke Herzeleid,
tief wird durch mich verdammt und hoch gebenedeit.
Versöhnung bring ich und entfache Streit,
zeig manchen töricht, manchen grundgescheit.
Doch sitzt du in mir, fühlst du dich geknickt;
vielleicht, daß dir durch mich die Rettung glückt.
Ich nähre mich von fremden Stoffen,
doch kann auch ohne sie bestehn;
ich bin's, auf das die Weisen hoffen,
und alle Weiten stehn mir offen,
ihr würdet ohne mich vergehn.
165Am hellen Tage herrsch ich gerne,
doch auch die Nacht ist mir vertraut;
ich wohne auf dem kleinsten Sterne,
mich schreckt sie nicht, die große Ferne
die mich mit Geisterhänden baut.
Ich wirke in den Himmelsblitzen,
versteckter Tat bin ich verhaßt;
wo grübelnd die Gelehrten sitzen
und ratlos ob der Lösung schwitzen,
bin ich ein hochwillkommner Gast.
In alten Zeiten
hat mich der Mensch erdacht
und Ordnung mit mir
in die Dinge gebracht.
Wie nötig bin ich
der Wissenschaft,
wie zeige ich
der Völker Kraft!
Wenn ich nicht eng
ihm verbunden wär,
wie würde erliegen
das tapferste Heer!
Als ich noch klein war, war ich recht beschaulich;
mein Leben ging so lind wie Frühlingswellen,
und zaghaft flossen meines Geistes Quellen,
eng, doch erbaulich.
Ich wuchs und wuchs, es schwollen meine Adern,
sie dehnten sich wie meine Machtgedanken;
mein Schaffenswille türmte ohne Schranken
Quadern auf Quadern.
Den Künsten schuf ich manche Pflegestätte,
ich half der Wissenschaft zu vollem Wirken,
und Geist und Arbeit gaben den Bezirken
die feste Kette.
Doch Ruh und Frieden mußten weiterziehen;
und meine Kinder lassen gern sich locken
von grünen Wäldern, sanften Herdenglocken,
mir zu entfliehen.
Mein erstes Wort, im engen Raum genährt,
strebt weit hinaus, daß es die Welt regiere;
wir stäken noch im Dämmersinn der Tiere,
hätte nicht Gott dem Menschen es gewährt.
Mein zweites hat der Kaiser und der König,
und ist es auch zumeist; fast jeder strebt
es irgendwie zu sein, solang er lebt,
und wer es ist, dem scheint es oft zu wenig.
Der, der das Ganze ist, wirft manchen Blitz
anfeuernd ins Gespräch und ins Gerede,
ein wohlgelittner Schalk selbst in der Fehde;
man lobt den Scharfsinn, freut sich an dem Witz.
Willst du das erste Wort stets sein und handeln,
so hast du eine schwere Arbeit vor,
so leicht sie scheinen mag; doch stets erkor
der Edle sie, wie auch die Zeiten wandeln.
Das andre Wort scheint winzig und gering,
doch schlummern in ihm unbegrenzte Kräfte;
es schwillt und wächst, wenn es die rechten Säfte,
die nur Natur verleihen kann, empfing.
Mein Reich ist unbegrenzt; bis in die fernste Zone
flieg ich hinaus. Selbst hin zu Gottes Throne
bahn ich den Weg mir aus der engen Zelle,
in der ich ward. Ich liebe Klarheit, Helle.
Dem Willen beigesellt, der Kind mir und Berater,
bin ich—ich sag es stolz—der größten Taten Vater.
Ein neues Wort schließ an: Es ist des Künstlers Ziel,
dir zu vermitteln fremder Geister Spiel,
das er mit seinem Lebensblute tränkt
und eigne Kraft den fremden Seelen schenkt.
Erschrocken sieht's der Arzt, fragt: wie? woher?
Manch Leben bliebe heil, wenn ich nicht wär.
Vereine beide Worte: Welch ein Wissen
von Mensch zu Mensch! In fremdes Sein gerissen
stehn wir vor unbegreiflich zarten Dingen,
die unsrer Seele dunkle Träume bringen,
und fühlen scheu des Geistes Doppelwesen.
Du großes Rätsel, wer wird je dich lösen?
(mit einer Schlüssel-Atrappe)
Ich bin eine kleine Sternschnuppe
und rutschte herab vom Himmel
und fiel aus der großen Milchstraße
grad hier in das Gewimmel.
Verwundert fragt' ich die Leute:
Wo kommt ihr denn alle her?
Da sagten sie mir, daß heute
hier Polterabend wär.
Die Ehen schließt man im Himmel,
und Donnergepolter gibt's auch;
da bin ich ja wie zu Hause
und bring meine Gabe auch.
Nehmt hier den Zauberschlüssel,
vom Sirius bracht ich ihn mit
in meiner Sternentasche,
als ich herunter glitt.
Stets häng er zu euern Häupten,
und zieht es euch hinauf,
schließt er zu jeder Stunde
den ganzen Himmel auf.
(mit einem Frühlingsblumenstrauß)
Maienkönig schickt mich her,
sagte, daß hier Hochzeit wär,
sollt fein gratulieren;
suchte einen vollen Strauß
allerschönster Blüten aus,
euer Haus zu zieren.
Himmelschlüssel, goldig, zart,
Blumen von besondrer Art,
schickt er euch mit Grüßen.
Seht, sie leuchten sonnengleich;
Liebe heißt das Himmelreich,
das sie euch erschließen.
Dieses blaue Sternchen spricht
frommen Sinns: Vergiß-mein-nicht,
vergiß mir nicht die Treue!
Treue, die zu Liebe steht,
ist so stark wie ein Gebet,
tröstet stets aufs neue.
Hier Narzissen. Weiß und rein,
ohne Makel sollt ihr sein,
hütet Sinn und Herzen!
171Seht der Unschuld klares Bild;
wer an ihm sich stärkt und stillt,
trägt leicht Not und Schmerzen.
Nehmt hin, was der Mai geschickt,
nehmt den Strauß und seid beglückt
für ein langes Leben!
Unverwelklich blüh er fort,
tief in eurer Seele Hort
glühe göttlich Streben!
(tritt in grauem Mantel ein)
Grüß Gott, ihr Leute, ich bin das Jahr,
das immer ist und immer war,
das immer kommt und immer geht
und niemals zaudernd stille steht,
das mit geheimem Pendelschlag
die Weltuhr regelt Tag für Tag.
Die Würfel werf ich: Leben und Tod,
Glück oder Unglück, Heil oder Not—
sie fallen gewichtig und ordnen die Welt,
einem Höheren unterstellt.
Zwölf Kinder hab ich zur Welt gebracht,
172sie gleichen sich wenig, doch jedes hat Macht;
sie ziehen gestaltend durch die Welt,
eins mir immer zugesellt,
während die andern harren und ruhn
zu neuer Arbeit, zu frischem Tun.
Nur heute an meinem Geburtstag sind
sie alle gekommen, aus Regen und Wind,
aus Sonne und Nebel, aus Tiefen und Höhn,
ihre alte Mutter wiederzusehn.
Herein, meine Söhne, ein Kompliment,
und sagt den Leuten, was ihr könnt!
(in dickem Pelz, mit Schlittschuhen und Schellen)
Grüß Gott! Ich bin der Januar,
voll Schnee und Eis hängt Bart und Haar;
der Vetter Nordwind versteht das Blasen,
steif sind die Ohren, rot die Nasen.
Zugefroren ist See und Fluß;
rasch den Schlittschuh unter den Fuß!
Die Eisen gleiten
durch blitzende Weiten
in Bogen und Zacken,
das gibt rote Backen!
173Hört ihr das Schellengeläut? Meine Gäste
sausen durch Schnee und Rauhreifgeäste.
(in Karnevalskostüm mit Pritsche)
Grüß Gott! Ich heiße Februar,
gleiche dem Bruder fast aufs Haar,
nur trage ich gern ein Maskenröckchen,
an meiner Kappe klingeln Glöckchen.
Weil ich im Spiel und Tanzen tüchtig,
schelten sie mich vergnügungssüchtig,
spotten und lachen hinter mir her,
weil ich zu kurz geraten wär,
rufen: "Prinz Karneval,
Narren gibt's überall!"
Doch meinen Punsch und Pfannekuchen
möchten Narren wie Weise versuchen.
(in Landstreichertracht, mit einem Veilchensträußchen)
Grüß Gott! Ich bin der Bruder März,
ich habe ein wildes, stürmisches Herz.
Kann mich nicht mit den Brüdern vertragen,
puste ihnen den Schnee vom Kragen.
Säubre die Wälder,
fege die Felder,
174tu aus der Seele das Kalte hassen,
muß es doch oft mir gefallen lassen;
aber bin ich erst König ein Weilchen,
grüßt ihr mit mir die ersten Veilchen,
seht ihr die Spitzen an Sträuchern und Bäumen,
die selig von künftger Entfaltung träumen.
(in Wandervogeltracht mit Zupfgeige)
Grüß Gott! Ich bin der lustge April,
der immer tut, was er grade will.
Mal liebe ich's naß, mal liebe ich's trocken,
die Zugvögel tu ich nach Hause locken.
Schneewassergüsse
schwellen die Flüsse,
ich aber streif durch den Wiesengrund,
öffne der Obstblüte lieblichen Mund
und nicke den närrischen Träumern zu;
mit denen steh ich auf du und du,
schickt sie nur immer! ich lehre sie lachen
und sich aus den Plagen der Welt nichts machen.
(in Bauerntracht mit Maiglöckchenstrauß)
Grüß Gott! Der Mai darf kaum noch wagen,
Besondres von sich auszusagen.
175Ich schäme mich wirklich; bin so bekannt
wie ein bunter Pudel rings im Land.
Diese sammetlockigen teutschen Tichter,
hol der Kuckuck das Reimgelichter:
"—der süße Mai,
der entzückende Mai,
der blütenbekränzte, der himmlische Mai—"
mir wird ganz blümerant dabei,
denk ich an all die Dudelei.
Die Kinder lob ich; das lärmt und lacht
und feiert ganz ungereimt meine Pracht.
(in Gärtnertracht, mit Gießkanne und Rosenstrauß)
Grüß Gott! Ich werde Juni genannt,
Farben und Düfte bring ich ins Land.
Seht, wie's im Garten knospet und quillt,
seht, wie die Frucht sich rundet und schwillt!
Vor allem muß ich die Rosen wecken,
ich küsse sie wach an Stamm und Hecken.
Sind Regen und Wind
mir wohlgesinnt,
schaff ich und wirk ich am grünen Gewande,
halte die Hoffnung am schimmernden Bande
176und pflege das Wachstum der kommenden Zeit;
wenn der Schnitter prüft, ist die Saat bereit.
(in Schäfertracht, mit Kornblumenstrauß)
Grüß Gott! Erlaubt mir, daß ich sitze,
ich bin der Juli; spürt ihr die Hitze?
Kaum weiß ich, was ich noch schaffen soll,
die Ähren sind zum Bersten voll;
reif sind die Beeren, die blauen und roten,
saftig sind Möhren und Bohnen und Schoten.
So habe ich ziemlich wenig zu tun,
darf mich ein bißchen im Schatten ruhn.
Duftender Lindenbaum,
rausche den Sommertraum!
Seht ihr die Wolke? fühlt ihr die Schwüle?
Bald bringt Gewitter Regen und Kühle.
(in Schnittertracht, mit Sichel und Harke)
Grüß Gott! Ich bin der Monat August,
bin ernster Pflichten mir bewußt;
muß Frucht und Korn zur Ernte reifen,
meine Lieblingsmusik ist das Sensenschleifen.
177Bald kommt die Ernte; der Himmel lacht,
der Segen wird in die Scheunen gebracht.
Zum fröhlichen Reigen
jubeln die Geigen.
Doch mancher steht abseits vom Taumel und denkt
des Schöpfers, der alles zum Besten lenkt,
der Ordnung bringt in den Gang der Dinge,
daß Schweiß und Fleiß auch Freude bringe.
(im Touristenkostüm)
Grüß Gott! Ich bin der September, ich ziere
mit rotem Weinlaub eure Spaliere.
Dem Wandrer lachen auf allen Wegen
köstlich die reifenden Früchte entgegen,
die gelben und blauen. Ich liebe die Ferne,
am Ufer der Meere träume ich gerne,
wo die Welle beginnt,
wo die Welle zerrinnt,
wo die Brandung braust und überschäumt
und ein Zugvogelschwarm den Himmel säumt;
da lieg ich und grüble und suche vergebens
den Sinn des Sterbens, den Sinn des Lebens.
(in Winzertracht mit Weinglas und Flasche)
Grüß Gott! Ich bin der Bruder Oktober;
die Nase glänzt mir wie Zinnober,
das kommt vom Gucken ins Gläschen. Vor Zeiten
lehrt ich die Menschen Wein bereiten;
der wurde bald ihr Lieblingsgetränke,
jetzt krigt man ihn in jeder Schänke.
Kommt mit zum Wein,
ich lade euch ein!
Seht, wie die Wälder sich buntselig färben,
sie wissen: ein Schlaf nur ist alles Sterben.
So kommt und sinnt und fragt nicht viel;
"das Leben ist des Lebens Ziel!"
(in Jägertracht mit Gewehr)
Grüß Gott! Der November stellt sich vor.
Mir ist ergeben der große Chor
der Winde und Stürme, die das Gefilde
von Unrat säubern; und auch die Gilde
der Nebel und Wolken ist mir vertraut.
Wer auf des Meeres Sanftmut baut,
wagt sein Leben, wenn ich regiere;
ich hasse den Frohsinn in meinem Reviere,
179ich hasse die Sonne, hasse die Milde,
zerreiße im Felde das letzte Gebilde.
Ich liebe nur eins: wenn das Jagdhorn schallt,
hinter scheuem Wild die Büchse knallt.
(in beflittertem Pelz, mit kleinem Weihnachtsbäumchen)
Grüß Gott! Ich bin der Dezember und flechte
zu kurzen Tagen die langen Nächte.
Karg ist die Sonne in meinem Gezelt,
doch bring ich ins Haus eine schimmernde Welt.
Wenn im Ofen die Bratäpfel schmoren,
flüstert es leise von Mündern zu Ohren,
gibt es ein Reden, ein Kichern und Necken,
ein Fragen und Freuen, Pakete verstecken,
ein "bitte, Mama", ein "sag doch, Papa,
ists Christkindel denn noch nicht da?"
Wenn am Heiligen Abend der Tannenbaum brennt,
bin ich in meinem Element;
hell sind die Kerzen,
warm sind die Herzen,
uns kümmert nicht Kälte noch Regen noch Wind.
Und denen, die arm und traurig sind,
und wo die Not sonst die Freude verbannt,
geben wir gern mit Herz und Hand.
(läßt den grauen Mantel allmählich fallen, steht dann in hellem Festgewand)
Wohl, meine Kinder! Jetzt aber denkt
an den Wechsel der Dinge und Den, der sie lenkt!
Stein wird zu Sand, Lebendges zu Stein,
Luft wird zu Wasser, Glut zu Wein,
Frucht wird zum Samen, Samen zum Baum,
Raum wird zu Zeit, und Zeit zu Raum.
Und immer rollt durchs Himmelszelt
die Erde, unsre alte Welt,
die stets verjüngt, in neuer Kraft,
fruchtbar ihr prangendes Kleid sich schafft.
Jedoch ihr Diadem und Zier,
ihr Menschenkinder, das seid ihr!
Drum freut euch ihrer Herrlichkeit,
freut euch des Meeres, so stark und weit,
freut euch der Wälder, der Blüte, der Frucht,
freut euch der Berge mit Tal und Schlucht!
Und freut euch eurer eignen Kraft,
die der Erkenntnis Wunder schafft;
seid glücklich, daß ihr Menschen seid,
der schönste Schmuck an Gottes Kleid,
wenn ihr euch seiner wert gestaltet,
euch immer göttlicher entfaltet.
181Seid glaubensstark, seid willensklar,
das wünscht das neue Erdenjahr!
Seid friedensstark, seid liebesklar,
das wünscht der Monate bunte Schaar!
Prosit Neujahr!
Nun reicht euch zur Wende
des Jahres die Hände
und grüßt euch mit Neigen
und schlingt einen Reigen!
Spiel auf, Musik, begleite sie,
des Jahres Schluß sei Harmonie!
Habt ihr schon mal was von der Kartoffelkomödie gehört? Nein? So will ich euch erzählen, was das ist.
Die Kartoffelkomödie ist ein Theaterstück, das statt mit Puppen mit Kartoffeln gespielt wird. Ihr bittet um ein Paar glatte, nicht zu große Kartoffeln, bohrt mit dem Messer in jede ein rundes Loch, so daß ihr euern Zeigefinger bis zum ersten Glied hineinstecken könnt, und die Hauptsache ist fertig. Ein paar mit Stecknadeln angepiekte Hemdknöpfchen als Augen, ein Stückchen Rübe als Mund, und eins als Nase, bilden das Gesicht. Ein farbiger Puppenlappen wird oben mit 182einer Schnur zusammengezogen und um den Zeigefinger gebunden, nachdem zwei kleine Löcher für Daumen und Mittelfinger hineingeschnitten sind. Ihr werdet euch wundern, wie fein man die Finger als Arme und Hände benutzen kann.
Natürlich muß man sich in der Kleidung ein bißchen nach den Personen des Stückes richten. In unsrer Komödie, die ich nach einer älteren Vorlage ausgebaut habe, bekommt der König eine Krone von Goldpapier und ein rotes oder grünes Gewand, das ihr auch etwas mit Goldstreifen besetzen könnt. Pumpfia trägt am besten einen kleinen Schleier mit einem Streifchen Silberpapier um den Kopf, Jagomir einen großen braunen oder grauen Hut mit einer roten Feder, der Kanzler einen schwarzen Zylinder. Natürlich wird all das aus Papier gemacht. Die Kleider könnt ihr euch selbst ausdenken, jeder Flicken ist dazu brauchbar.
Wenn ihr das Stück aufführen wollt, ist es am bequemsten, ihr spannt irgendeine Decke oder ein Tuch in einen offenen Türrahmen, und zwar so hoch, daß ihr bequem mit den Händen hinauflangen könnt; eure Köpfe dürfen natürlich ebenso wenig zu sehen sein wie eure Füße. Einen Vorhang braucht man nicht; die Puppen verschwinden einfach hinter dem Tuch und kommen auch wieder so zum Vorschein. Jedes Kind kann zwei Puppen spielen, mit jeder Hand eine; bei einer muß es dann seine Stimme etwas verstellen.
So, nun versucht mal euer Heil! Es wird euch viel Spaß machen; und den Zuschauern auch.
König Pflaumenmus.
Prinzessin Pumpfia.
Der Kanzler.
Der Räuber Jagomir.
Der König tritt auf, vom Kanzler begleitet.
König:
Der Sommerabend ist so schön,
da muß man doch spazieren gehn.
Die Rosen duften süß, hazieh!
Die Nachtigall singt türütü—
—wie schmerzt mein linker großer Zeh,
und auch der rechte tut schon weh.
Den Schuster häng mir an den Galgen,
(Kanzler verbeugt sich)
denn er gehört zu den Kanallgen.
(König schnüffelt in die Luft)
Wie duftet's hier nach Bratkartoffeln,
da krigt man wirklich Appetit.
Geh, Kanzler, hol mir die Pantoffeln,
und bring die Abendzeitung mit.
(Kanzler verbeugt sich und will gehn)
Halt! hemme noch den eiligen Lauf
und setz mir erst die Brille auf.
(Kanzler tut's, dann ab.)
Ein König muß sich informieren,
es könnt doch was im Land passieren.
(Kanzler kommt mit der Zeitung und den Pantoffeln zurück.)
Hier, König, bringe ich die Zeitung,
die allerneuste Meinungsleitung.
Auch Schlupfschuh hier aus Woll' und Watte,
wie Majestät befohlen hatte;
und frage untertänigst an,
ob ich noch sonstwie dienen kann.
König:
Nun ja, rück mir die Krone grade;
denn fiel sie runter, wär's doch schade.
(Kanzler rückt die Krone zurecht.)
Was steht denn hier im Tageblatt?
Prinz Kasimir kommt in die Stadt?
Da wird er uns gewiß besuchen.
He, Kanzler, haben wir noch Kuchen?
Kanzler:
Herr, nicht 'ne einzige Butterschrippe.
König:
Na, häng nicht gleich die Unterlippe;
hol Streußelkuchen vom Konditor,
auch Vollmilch, einen halben Litor.
Kanzler:
Ach, Herr, von Geld ist keine Spur.
Das schad't nix, Kanzler; pumpe nur.
Wir Könige lassen uns nicht lumpen,
und sollten wir die Welt auspumpen.
Geh jetzt und sorge für mein Land
mit Militär und mit Verstand!
(Kanzler verneigt sich, tritt vor.)
Kanzler:
Was hat ein Kanzler doch für Sorgen;
wo soll ich bloß schon wieder borgen?
Wer schafft mir von der Deutschen Bank
den Schlüssel zu dem Kassenschrank?
Reichskanzler sein ist wirklich schwer;
ich dachte nicht, daß es so wär.
Ich annonciere in der "Quelle",
vielleicht krieg ich 'ne andre Stelle.
(Kanzler ab.)
König (lesend):
Den Streik, den soll der Kuckuck holen!
Wir haben so schon keine Kohlen,
mein Thronsaal wird tagtäglich kälter,
und ich—ich werde immer älter.
Auf diese Bank will ich mich legen,
ein Stündchen süßer Ruhe pflegen.
(Legt sich hin und schnarcht.)
Pumpfia, König.
Pumpfia:
Wo bist du denn, mein Väterchen,
mein süßer Pumps, mein Käterchen?
König:
Wer stört mir meine Ruh im Grase?
Ach, Du bist's, kleine Stumpelnase.
Pumpfia:
Papa, ich bring dein Leibgericht,
Bratkartoffeln! riechst du's nicht?
Ich briet sie selbst, ist das nicht nett?
mit Liebe und mit Hammelfett;
und machte Klopse dir zulieb,
vom Fleisch, das gestern übrig blieb.
König (essend)
Ich danke dir, mein Herzensmops,
für die Kartoffeln und den Klops.
Pumpfia:
König:
So liebe mich, mein süßes Kind!
Heiraten geht nicht so geschwind.
Pumpfia:
Ach doch, Papa, 's geht ganz bequem.
Wenn doch ein Prinz, ein trauter, käm!
(weint stärker.)
König:
Mein Pümpfchen, tröste dich bis morgen,
da will ich dir 'nen Mann besorgen.
Pumpfia
(fällt ihm um den Hals):
Du guter einziger Papa,
ich sag gewiß zu allen ja.
König:
Leb wohl, ich muß zur Konferenz;
es ist nicht gut, wenn ich die schwänz.
(König ab.)
Pumpfia, nachher Jagomir.
Pumpfia:
Ich arme Pumpfia und Prinzessin,
ach könnt ich doch mein Leid vergessen!
allein, o leider ganz allein,
in diesem holden Mondenschein!
Kein Jüngling liebt mich nur ein bißchen,
kein Prinz gibt mir ein holdes Küßchen.
Mein Herz ist leer, mein Kopf ist dumm,
ich fall vor lauter Sehnsucht um—
(fällt um.)
Jagomir (tritt auf):
Ich stahl mir heimlich hier herein,
hier wird doch was zu mausen sein?
(Schnüffelnd)
Nee, wo mit Hammelfett gebraten,
da regnet's sicher nich Dukaten.
(Er erblickt Pumpfia )
'ne Dame? Ei, wie wunderschön;
die muß ich mal genau besehn.
(Er tut's.)
Ich nehme mir den Hochgenuß
und geb ihr einen süßen Kuß.
(Er tut's.)
Was ist das für ein schöner Mann?
Ich wag's und red ihn lieblich an.
Wer seid Ihr, herrlicher Genoß?
Wie kamt Ihr her in dieses Schloß?
Ich bin durch Euern Gruß beglückt;
hat Euch ein Engel hergeschickt?
Jagomir:
'n Engel? Nee, das war der Robert;
der hat das Ding hier ausbaldowert.
Pumpfia:
Ist alles gleich; du bist mein Schätzchen,
mein süßer Freund, mein Busenlätzchen.
Jagomir:
Aber—was wird dein Vater sagen?
Pumpfia:
Ach was, wer wird den Alten fragen.
Jagomir (küßt sie):
Mein honigsüßer Sirupstengel,
mein Marzipan, mein Zuckerengel!
Pumpfia:
Welch Geist, welch Witz, welch hoher Held!
Pumpfia geht mit dir durch die Welt!
Mein Schätzchen, hast du auch Moneten?
Pumpfia:
Die sind hier weniger vertreten;
an diese Frage rühre nich,
geliebter Freund, entführe mich.
Jagomir:
Na, denn man zu, du süße Hummel!
(Beiseite)
Verflixt, das wird 'n schöner Rummel.
König, die Vorigen.
König:
Prinzessin Pumpfia, Kasimir,
wo seid ihr kleinen Schäker ihr?
Ihr wollt euch wohl vor mir verstecken?
Na wart't, ich werd euch gleich entdecken.
Jagomir (beiseite):
König:
Mein Vaterherz hüpft froh und warm:
mein Pümpfchen in des Prinzen Arm.
Mein hoher Gast, Prinz Kasimir,
wie findet meine Tochter Ihr?
Jagomir:
Das Mädel hier? Na, himmlisch süß,
wie'n Engelken im Paradies.
König:
Na, nimm se dir se denn se doch,
und spanne sie ins Ehejoch;
dann kocht dir deine kleine Braut
Erbsen mit Speck und Sauerkraut.
Jagomir:
Ach ja, und dann Kartoffelklöße
mit einer süßen Pflaumensöße.
(Umarmung.)
Pumpfia:
Wenn man in deinen Armen ruht,
dann kocht sich's gleich noch mal so gut.
Ich bin gerührt wie Quetschkartoffeln,
verlier vor Rührung die Pantoffeln.
(Er tut's; die Pantoffeln fallen in den Zuschauerraum.)
Kanzler, die Vorigen.
Kanzler:
Der Brief kommt eben von der Post,
der fünfundzwanzig Pfennige kost't.
König:
Wie oft schon hab ich deklariert,
ich nehme nichts mehr unfrankiert.
Kommt mir noch mal so'n Ding ins Haus,
dann fliegt es gleich zum Fenster raus.
(Er öffnet den Umschlag)
Laß sehn, was steht in diesem Brief.
Jagomir (beiseite):
Na, geht die Sache doch noch schief?
König (liest):
Jagomir (stolz):
Ich bin der Räuber Jagomir!
König:
Ein Räuber? Hu, das ist ein Graus,
der reißt mir die Gedärme aus!
Gewiß, er wird mich massakrieren
und mir mein Pümpfchen dann entführen.
(Er weint.)
Pumpfia:
Was mich betrifft, ich halte still,
wenn er nur dich verschonen will.
Jagomir:
Ich schon ihn gern, und auch sein Geld—
(beiseite): das er nicht hat!
Ich bin ein edler Räuberheld.
Pumpfia:
Mein süßer Schuft, mein Wonneheld,
mit dir stehl ich die ganze Welt.
(Umarmung.)
Jagomir:
König:
Na, dann leb wohl, mein teures Kind!
Hier hast du noch ein Angebind
(gibt ihr einen Zweimarkschein)
und außerdem noch meinen Segen.
Pumpfia:
Den kannst du uns auf Zinsen legen.
(Beide ab.)
König:
Nun sind sie weg, o Schmerz, o Graus,
ich weine mir ein Auge aus.
(Er tut es, wirft den Augenknopf unter die Zuschauer.)
O Kasimir, Prinz Kasimir,
warum warst du nicht eher hier!
Wirr ist mein Herz, wirr ist mein Kopf;
die Welt, die ist ein Wackeltopf.
Nur eins ist unverrückt und wahr,
nur eins wie meine Pleite klar:
Hoch herrschen über Raum und Zeit
die Frechheit und die Dreistigkeit.
(Vorhang.)
Kasperle (allein, singt):
Bummvallera
ist nicht da;
wo ist Bummvallerallerallera?
(Er gähnt.) Ach, ist die Welt langweilig! Vor lauter Langerweile hab ich schon ein paarmal meine Finger gezählt; aber komisch, es kommt immer was andres raus. (Er zählt an seinen Händen): 1, 2, 3, 5, 7, 8, 10, 12, 14, 15—na ja, nun sind's wieder 15. Na, noch mal: 1, 2, 3, 5, 7, 9, 10, 12, 13, 14—komisch, nu sind's wieder 14. Mal hat der Mensch 15 und mal 14 Finger; und dabei sehn sie immer egal aus. (Es klopft.) Ei, da kommt Besuch. Immer 'rein, meine Herrschaften, immer 'rein! (Polizist kommt.)
Polizist:
Bist du der Kasper?
Kasperle:
Was? Kasper? Herr Kasper heißt es, geehrter Herr Kasper heißt es, wertgeschätzter Herr Kasper heißt es, Sie oller Helmaffe Sie, Sie untertänigster Rasselsäbel!
Polizist:
Mann, seien Sie mal etwas höflicher zur königlichen Polizei!
Höflich? Hi hi, höflich? Mit Höflichkeit fängt man nicht mal 'nen Floh. Oder soll man etwa sagen: bitte, Herr Floh, seien Sie so gut, Herr Floh?
Polizist:
Kasper, du bist ein Esel!
Kasperle:
'n Esel? Was Sie sagen! Ist 'n nettes Tierchen, so'n Esel, hihi; klettert auf die höchsten Stellen und fällt nicht runter. Hihi, möcht schon solch Tierchen sein.
Polizist:
Lirum, larum, Kasper, du mußt jetzt in den Krieg; darum bin ich hergekommen.
Kasperle:
Krieg? Was ist denn das? Kriecht man da rum, in dem Krieg? Ich bin doch kein Kriechtier!
Polizist:
Du dummer Kasper, du dammliger, der Krieg sind Schlachten mit Bomben und Kanonen.
Kasperle:
Schlachten? Ei, das kenn ich, da gibt's frische Wurst; Blut- und Leberwurst, hihi, das schmeckt aber fein!—Und Bomben? 197wissen Sie, die backt meine Omama mir immer zu Weihnachten; die kenn ich auch. Und Kanonen? ja, die stehn noch vom Großvater selig her auf'm Kramboden; der war Sie nämlich Mistbauer, und brauchte so'ne dicken hohen Schmierstiebeln. Also, dann kenn ich ja den Krieg; muß 'ne lustige Sache sein.
Polizist:
Na warte man, du Frechdachs, wirst es schon merken, wenn's dir man erst um die Ohren knallt.
Kasperle:
Knallen tut's da? O jemine! Wissen Sie, Herr Kriegsminister, gegen Knallen hab ich von Kind auf 'ne Idiokratie.
Polizist:
Idiosynkrasie meinst du wohl, dummer Kasper.
Kasperle:
Nee, Herr Rasselsäbel, Sinn ist da nicht drin; sonst wär's ja keine Idiotokratie. (Er singt):
Die Welt, die haut sich tot wie nie,
tot wie nie, tot wie nie,
und füttert das Meer mit Korn und Vieh,
Korn und Vieh, Korn und Vieh;
das ist doch Idiotokratie, Tokratie, Tokratie,
Idiotokratie!
Halt deinen dummen Schnabel, Kasper, das verstehst du nicht; das ist die hohe Diplomatie. Sage mir lieber, wie dein Vater heißt, Kasper.
Kasperle:
Das kann ich Ihnen durchaus nicht sagen, Sie neugieriger Iltis, alldieweil ich das selber nicht weiß. Ich glaube, ich hatte gar keinen Vater.
Polizist:
Und deine Mutter?
Kasperle:
'ne Mutter? 'ne Mutter hab ich auch nicht gehabt. Bloß 'ne Großmutter und 'ne Urmama; die haben mich zusammen zur Welt gebracht.
Polizist:
Du bist 'n Ochse, Kasper, oder 'n Frechdachs; jeder Mensch hat doch 'ne Mutter.
Kasperle:
'n Ochse? das wär was, ei der Daus! Was wär ich da wert bei den heutigen Fleischpreisen? wir wollen mal zusammen rechnen, Herr Kriegsminister. Also: ich wiege 150 Pfund, das Pfund kostet jetzt 8 Mark 50. Erst also 100 mal 8 Mark 50—hängen wir einfach zwei Nullen an, das macht 85000 Mark; 199und dann noch 50 mal 8 Mark 50, das ist mir zu schwer, das kann ich nicht rechnen. Wissen Sie's vielleicht, Herr Kriegsrat?
Polizist:
Na, das sind ungefähr 4000 Mark, Kasperle; es ist ja auch schon lange her, daß ich in der Schule war.
Kasperle:
Also, ich hatte 85000 Mark; und Ihre 4000 Mark dazu, macht 100000 Mark. Sehn Sie, Herr Kriegsminister, soviel ist der Kasper werf, wenn er ein Ochse ist; hihi, was sagen Sie nun, Herr Oberkanonenrat? Was mag man da erst wert sein, Sie, wenn man ein fettes Schwein ist! Wissen Sie was: wir wollen beide Bauern werden und fette Schweine zusammen ausbrüten. (Er singt):
O wär ich doch ein Öchselein,
Öchselein, Öchselein,
oder auch ein fettes Schwein,
fettes Schwein, fettes Schwein,
dann pökelt' ich mich selber ein,
si- sa- selber ein.
Da käm ich in ein großes Faß,
großes Faß, großes Faß,
da rollt' ich in das Kellergelaß,
Kellergelaß, Kellergelaß,
200da hätt ich für den Winter was,
Wi- Wa- Winter was.
Polizist (packt ihn):
Ach was, vorwärts marsch mit dir in den Krieg! und hast-du-nicht-gesehn ins Feuer!
Kasperle:
Ins Feuer soll ich? Ich ins Feuer? Aber ich bin doch keine Preßkohle, Herr Oberheizer, daß ich ins Feuer soll? (Er ruft ins Haus): Großmama, mein Puttchen, du alte Knochenmühle! komm doch mal her, aber putz dich nicht erst! man will dein Kasperle ins Feuer stecken! (Großmutter kommt.)
Großmutter:
Was ist denn los? Was schreist du so, Kasperchen?
Polizist:
Er muß in den Krieg und will nicht, der Racker!
Großmutter:
O Gott, o Gott, in den Krieg, mein Herzblatt? Da werden sie dich totschießen, armes Kasperchen! Ogottogottogottedoch!
Kasperle:
Laß man, Omamachen wenn sie schießen wollen, nehm ich meine Pritsche und hau sie selber tot. Guck mal, so—so—haste-nich-gesehn—(er haut den Polizisten tot, wirft ihn über die Rampe und sagt dabei:) Ja, quiek man! den Kasper krigst du nicht! der lebt ewig, du oller Rasselsäbel!—
Tintenheinz und Plätscherlottchen
204Es regnet
205Maiwunder
Fragefritze und die Plappertasche
Der Märchenkönig und sein Töchterlein
König Kuchen und Königin Schokolade
6) Rebe—Eber; Recke—Ecker; Rotte—Otter; Rinde—Inder; Rabe—aber
25) Wasserscheide, Scheiderwasser
32) Aufschwung; Entfaltung; Sieg; Frieden
43) Gerecht, Same, Gerechtsame
Kartoffelkomödie: Räuber und Prinzessin
Auf der Leine, auf grünem Platz
Als ich noch klein war, war ich recht beschaulich
Bei König Kuchen und Königin Schokoladen
Das kann doch nicht Rumpumpel sein
Der Bauer schläft im Hirsekraut
Der Schneidermeister Piekenich
Der Vater will's das Fritzchen
Die erste Silbe führt die krause Schar
Ein deutscher Meister war es, gottgesandt
Ein Vogel flog aus dem Heimatland
Er geht in sich, um sich zu pflegen
Es war zur lieben Weihnachtszeit
Fixfax der arge Kobold spricht
Flutschpeter lief nie gradeaus
Fritz, ich möcht den Spaten haben
Froh singt ihr Lied am Sommertag
Früh, eh ich's konnt begreifen
211Getrieben werd ich, doch ich treibe wieder
Grüß Gott, ihr Leut, ich bin das Jahr
Guten Tag, guten Tag, liebe Grünkramfrau
Hansel und Gretel stehen zu zwein
Hans Wackelohr, Hans Wackelohr
Herr Dreidel tanzt auf einem Bein
Herr Steuermann, Herr Steuermann
Hinter den Birken über den Rasen
Hühner, wollt ihr wohl artig sein
Ich bau, ich bau ein steinern Haus
Ich bin das Himmelsprinzeßchen
Ich bin eine kleine Sternschnuppe
Ich bin nur klein, doch banne ich die Welt
Ich hab einen Helm aus Packpapier
Ich hab keine Hände und kann doch tragen
Ich möcht euch alle miteinander
Ich nähre mich von fremden Stoffen
212Ich war in Fez durch die Buden gewandelt
Ihr Kinder, sperrt die Näschen auf
Ihr Siebenschläfer in den Höhlen
In eins-zwei-drei lebt ganz gemütlich
In Leipzig wohnt ein Bäckermeister
In Wolfenbüttel wohnt ein Lamm
Knecht Ruprecht kratzt sich seinen Bart
Ländliche Straßen, dicht beschneit
Lise Nackfisch und Hans Pitschenaß
Mariechen war's; mit meinem Kuchen
213Marie-Marei will Braten machen
Mein erstes Wort, im engen Raum genährt
Mein Reich ist unbegrenzt: bis in die fernste Zone
Mein Strom ergießt sich sickernd durch die Welt
Mutti, Mutti, was ist denn da drin
Nein, Kinder, immer kann man nicht dichten
Nennst du das Ganze, tönt es uns entgegen
Putzt die Fenster! fegt die Ecken!
Quellchen geht in den Rauschebach
Rate, Freund, es ist nicht schwer
Rumpumpel macht 'ne Landpartie
Sankt Niklas zieht den Schlafrock aus
Schlafe, mein kleiner Wildling
Schnipsel, schnipsel, Scherchen
Sind es die Feinde, muß man sich wehren
Sind es die Stiefel, halten sie 'ne Weile
Sitzen zwei alte Weiber im Sand
Sonnenlichter, Frühlingswichter
Sonne scheint draußen und scheint in die Grube
Spitzt das Ohr und merkt euch still
Steht ein Töpfchen rund und nett
Stets bin ich eines Leuchtenden Trabant
Still—was bloß das Kätzchen will
Traumkönig geht durch bleiches Land
Unser Müller hat ein Mühlenhaus
Viel Glieder hab ich, die einander gleichen
Wenn der Wind über Wiesen und Felder rennt
215Wenn es von Freund und Liebchen kommt
Wer schenkt mir ein lebendiges Pferd
Willst du das erste Wort stets sein und handeln
Wir sind's gewiß in vielen Dingen
Wir sind's mit Stamm und Vaterland
Zwei Worte weiß ich, die einander feind