Title: Einheimische Fische; Die Süßwasserfische unsrer Heimat
Author: Kurt Floericke
Release date: May 22, 2012 [eBook #39763]
Language: German
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Stuttgart
Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde
Geschäftsstelle: Franckh'sche Verlagshandlung
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»Ach, wüßtest du, wie's Fischlein ist
So wohlig auf dem Grund,
Du stiegst herunter wie du bist
Und würdest erst gesund!«
Ob Altmeister Goethe, der ja bekanntlich auch einen recht tiefen Einblick in das weite Reich der Natur getan hat, recht hat, wenn er in einem seiner formvollendetsten Gedichte, in dem fast italienischen Wohlklang atmenden »Fischer«, von dem Wohligsein der Fische spricht und den Menschen sie darum beneiden läßt? Der Naturforscher wird entschieden antworten, daß hier die Phantasie mit dem Dichter durchgegangen sei. Die Natur ist ja durchaus nicht die allgütige und allsorgende Mutter, als die eine sentimentale Weltauffassung sie hinzustellen beliebt, sondern vielmehr eine recht rauhe Erzieherin, die eine gar strenge und nachsichtslose, oft geradezu zu raffinierter Grausamkeit gesteigerte Auslese unter ihren »Kindern« hält, der das Schicksal des Individuums gleichgültig ist, wenn sich nur Aussicht bietet, den Bestand der Art zu erhalten. Und wenn aus diesen Gründen schon auf dem Festlande ein rücksichtsloser Kampf aller gegen alle tobt, so herrscht ein solcher in tausendfach vergrößerter und verbitterter Form im scheinbar so friedlichen Wasser, und besonders unter dessen höchst entwickelten Bewohnern, den Fischen, unter denen ja ausschließliche Pflanzenfresser eine Seltenheit sind, während grimmige Räuber in Unzahl das feuchte Element bevölkern. Das ganze Dasein der »wohligen« Fische ist ein fast ununterbrochenes Hetzen und Jagen, Verfolgen und Verfolgtwerden, alles dreht sich bei ihnen ums Fressen oder Gefressenwerden, solange nicht für mehr oder minder kurze Zeit der allmächtige Fortpflanzungsinstinkt alles andere in den Hintergrund drängt, die sonst Unersättlichen zu wochen- und monatelangem Fasten verurteilt und ganze Millionenheere zu weiten Wanderungen veranlaßt, die in der rücksichtslosen, fast brutalen Art ihrer Ausführung etwas geradezu Fanatisches und [6] Hypnotisierendes an sich haben. Da also der Kampf ums Dasein in den Gewässern noch unerbittlicher tobt als auf dem Festlande, wird es ohne weiteres begreiflich erscheinen, wenn die einzelnen Arten ihm nach dieser oder jener Richtung hin in weitgehender Weise angepaßt wurden, und wir werden ja im folgenden verschiedentlich Gelegenheit haben, solche Anpassungserscheinungen und ihre tiefgehende Bedeutung und Wirksamkeit für die Biologie der Fische kennen zu lernen.
Selbst dem Laien, der öfters vor einem Aquarium gestanden hat, wird bald auffallen, daß er die Fische eigentlich jedesmal und zu jeder Tages- oder Nachtzeit in mehr oder minder lebhafter Bewegung, jedenfalls fast nie ganz ohne solche vorfindet. Bei einigem Nachdenken muß er sich schließlich ganz von selbst fragen, ob denn diese unermüdlichen Tiere eigentlich überhaupt nicht schlafen. Diese Frage ist keineswegs so naiv, wie sie auf den ersten Anblick erscheinen mag, denn bis in die neueste Zeit hinein haben auch angesehene Fachgelehrte der Meinung zugeneigt, daß die Fische tatsächlich überhaupt keines Schlafes bedürfen. Daß diese Anschauung so lange Zeit hindurch sich behaupten konnte, wird erklärlicher, wenn wir bedenken, daß das Hauptzeichen echten Schlafes, das geschlossene Auge, bei der Mehrzahl der Fische in Wegfall kommt, indem sie keine Augenlider haben. Das sonst so bewegliche Fischauge bleibt aber im Schlafe starr und ruhig, ohne jedoch seine Funktion völlig auszusetzen. Und das ist auch nötig, denn da das Gehör bei der großen Mehrzahl der Fische fast völlig versagt, muß das offene Auge ihren Schlaf behüten, wohingegen bei dem schlafenden Menschen das Gehör nicht gänzlich außer Funktion tritt und ihm eine herannahende Gefahr oft noch rechtzeitig genug verrät. Doch gibt es auch Fische, die Augenlider haben, wie z. B. die Haie und Rochen, und diese schließen im Schlafe auch das Auge fast völlig, während sich gleichzeitig die Pupille ganz wie bei uns Menschen verengt. Nur die ungemein schwierige Beobachtung solcher großen Meeresfische ist schuld daran, daß diese Tatsache so lange übersehen wurde, die man erst neuerdings an dem kleinen Katzenhai, der zu den gewöhnlichen Bewohnern der Schauaquarien gehört, festgestellt hat. Wir müssen übrigens zweierlei Arten von Schlaf bei den Fischen unterscheiden, nämlich einerseits den lethargischen Erstarrungszustand, in den gewisse Fische während der Winterkälte oder Sommerdürre für [7] längere Zeit verfallen, der also ganz dem Winter- oder Sommerschlaf gewisser Säuger, Kriechtiere und Lurche entspricht, und andrerseits den eigentlichen Nacht-, bezüglich Tagesschlaf. Der erstere ist ja schon seit längerer Zeit bekannt. Wir wissen, daß alle Fische, die bekanntlich zu den Kaltblütern gehören, nur innerhalb bestimmter Temperaturgrenzen zu existieren und nur bei einem gewissen Temperaturoptimum ihre volle Lebenstätigkeit zu entfalten vermögen. Freilich sind diese Temperaturzonen bei den einzelnen Arten außerordentlich verschieden, was ja nicht weiter Wunder nehmen kann, wenn wir bedenken, daß manche Fische zwischen den Eisschollen der Nordmeere sich tummeln, andere dagegen in den lauwarmen Wassern der tropischen Riesenströme oder gar in heißen Quellen wohnen, die wie diejenigen von Aix eine Wärme von 45 Grad Celsius aufweisen. Wenn auch die widerstandsfähigeren Fische sich im Aquarium allmählich an eine nicht unbeträchtlich kältere oder auch wärmere Temperatur gewöhnen lassen, als sie im Freileben gewohnt sind, so weiß doch jeder Aquarienbesitzer, wie überraschend empfindlich seine Pfleglinge sich gegen plötzliche Temperaturschwankungen selbst geringfügiger Art zu zeigen pflegen. So erklärt sich auch die merkwürdige Tatsache, daß Aquarienfische sich sehr leicht erkälten, obwohl sie doch im Wasser selbst leben, und vereinzelte Ausnahmefälle, wo Tropenfische bei einer Temperatur von nur wenigen Graden völlig erstarrten und schon für tot gehalten wurden, dann aber beim Erwärmen zu neuem Leben erwachten, bestätigen nur die Regel. In freier Natur dagegen dürften Erkältungserscheinungen bei Fischen nur äußerst selten vorkommen, da ja die natürlichen Gewässer sich nur ganz langsam erwärmen oder abkühlen. Wird aber dabei eine gewisse Grenze überschritten, so erleidet die aktive Lebenstätigkeit der Fische eine immer weiter gehende Herabminderung, die schließlich in unserem Klima zur Erscheinung des lethargischen Winterschlafes führt. Unsere Weißfische und Karpfen z. B. fallen in einen solchen bei einer Wassertemperatur von + 4-6°C, nachdem sie sich vorher scharenweise im Schlamm eingewühlt und sich hier oft so dicht aneinander gedrängt haben, wie Pökelheringe in einer vollgepfropften Tonne. Während dieses Winterschlafes wird ganz wie bei Hamstern oder Fledermäusen die Tätigkeit des Herzens und sonstiger Muskeln, sowie die der Atmungs- und Ausscheidungsorgane auf ein Minimum herabgesetzt (bei Weißfischen z. B. sinkt nach [8] Haempel die Zahl der Herzschläge von 20-30 auf 1-2 in der Minute), und der Körper zehrt während dieser ganzen Zeit lediglich von seinem eigenen, vorher nach Möglichkeit aufgespeicherten Fett, so daß er während des Winterschlafes einen Gewichtsverlust von 5 v. H. und mehr erleidet. Die Wärme des Frühjahrs erweckt dann die schlafenden Fische zu neuem Leben, falls nicht die Temperatur zu tief unter den Gefrierpunkt gesunken war und dadurch den zeitlichen Schlaf in einen ewigen verwandelt hat. Es ist übrigens erstaunlich, was die Fische gerade in dieser Beziehung auszuhalten vermögen. So sind verbürgte Fälle bekannt, daß Karpfen bei einer Temperatur von -15 bis -20°C vollständig in einen Eisblock eingefroren waren und sich dann bei ganz allmählichem und genügend vorsichtigem Auftauen doch völlig erholten. Während viele unserer Fische, wie der Hecht, auch während der rauhen Jahreszeit in Tätigkeit bleiben, bietet andrerseits unsre Fischwelt sogar manches bemerkenswerte Gegenstück zu dem Sommerschlaf der Tropenfische, der bei den in wissenschaftlicher Hinsicht so bemerkenswerten Lungenfischen seine höchste Vollendung erreicht und den Zweck verfolgt, beim Austrocknen der Wohngewässer die sommerliche Dürre ohne Schaden überdauern zu können. So erzählt Antipa aus dem Donaugebiete, daß er den Schlammpeitzker wiederholt in durchaus lebensfähigem Zustande tief im Schlamm vergraben angetroffen habe, während seine Wohntümpel so scharf ausgetrocknet waren, daß man mit beladenen Wagen darüber hinwegfahren konnte. Das wird erklärlich, wenn wir an die später noch näher zu besprechende Darmatmung dieses merkwürdigen Fisches denken.
Viel weniger zahlreich sind aus dem schon erwähnten Grunde sichere Beobachtungen über den eigentlichen Schlaf der Fische, aber sie mehren sich in neuerer Zeit auffallend, so daß wir wohl annehmen dürfen, daß die Mehrzahl der Fische der süßen Wohltat des Schlafes nicht zu entbehren braucht, was ja auch physiologisch kaum denkbar wäre. Doch scheint soviel festzustehen, daß das Schlafbedürfnis der Fische ein ungleich geringeres ist, als das der übrigen Wirbeltiere und daß es sich noch am ehesten bei drückender Hitze und sauerstoffarmem Wasser geltend macht, bei den einzelnen Arten sehr verschieden stark ausgeprägt ist und auch individuelle Abweichungen nicht vermissen läßt. Insbesondere scheinen bestimmte Schlafstellungen für die einzelnen Arten kennzeichnend zu sein. Viele [9] Fische schlafen in der gewöhnlichen Schwimmstellung freischwebend im Wasser, andere begeben sich zum Boden herab, drehen hier den Kopf der Strömung entgegen und stützen sich auf Brust- und Bauch-, sowie auf den unteren Rand der Schwanzflosse. Der Katzenhai steht senkrecht auf dieser, während er zugleich den Kopf an einen Stein oder an die Glaswand des Aquariums anlehnt, die Lippfische legen sich auf die Seite, nehmen also im Schlafen eine ähnliche Stellung ein wie der Mensch, und die Panzerwelse des Nil legen sich nach den Beobachtungen Werners sogar auf den Rücken und treiben mit nach oben gekehrtem Bauche an der Oberfläche einher, so daß man sie unbedingt für abgestorbene Fische hält. Der von den Aquarienfreunden wegen seiner interessanten Brutpflege hochgeschätzte Maulbrüter (das Weibchen schleppt den befruchteten Laich bis zu seiner völligen Entwicklung im Maule mit sich, das auch den Jungen während ihrer ersten Lebenstage noch als Zufluchtsstätte dient) schiebt sich zum Ausruhen flach auf ein geeignetes, oft nur wenig vom Wasser überspültes Pflanzenblatt, und die hübschen Zwergwelse Nordamerikas hängen in halbmondförmig gekrümmter Stellung, wie wir sie von den gekocht auf unsere Tafel kommenden Schleien her kennen, dicht an der Wasseroberfläche. Eine ähnliche Schlafstellung nimmt nicht selten auch unser Schlammpeitzker ein, indem er Kopf und Schwanz nach unten biegt, den schmiegsamen Leib aber nach oben krümmt. Auch den nahe verwandten Steinbeißer kann man bisweilen in dieser merkwürdigen Lage überraschen. Vielleicht ist sie auch auf das bei den Schlafstellungen der höheren Wirbeltiere so deutlich ausgeprägte Bestreben des Organismus zurückzuführen, während des wehrlosen Schlummers nach Möglichkeit zur primitiven, die geringste Angriffsfläche bietenden Kugelform zurückzukehren, was den Fischen bei ihrem meist starren Leibe allerdings nur andeutungsweise möglich ist. Während des Schlafes erscheint die Reizempfänglichkeit der Fische stark herabgemindert. Man muß ihnen schon ziemlich grob kommen, um sie aufzustören. So reagieren sie auf Steinwürfe in der Regel erst dann, wenn sie unmittelbar getroffen werden. Versuche Schmids haben gezeigt, daß sich Fische durch Zusätze von Veronal oder Trional (beide Stoffe gelten ja auch beim Menschen als Schlafmittel) zum Wasser auch künstlich einschläfern lassen, wobei sie ihre Bewegungen ganz allmählich verlangsamen und schließlich selbst gegen unmittelbare Berührungsreize [10] unempfindlich werden. Schleien nahmen dabei eine im Winkel von 45° schräg nach unten gerichtete Stellung ein. Auch die Vorstufe des Schlafes, das charakteristische Ermüdungszeichen des Gähnens, ist im Fischreiche keine unbekannte Erscheinung, so sonderbar uns das auch anmuten mag. Namentlich in warmem und sauerstoffarmem Wasser kann man die Fische häufig gähnen sehen, gerade wie auch bei uns Menschen weichliches Wetter leicht Ermüdungszustände hervorruft. Beim Gähnen öffnet der Fisch sein Maul sehr weit, spreizt die Kiemen, hebt seine Bauchflossen und stößt dann mit großer Geschwindigkeit das eingesogene Wasser teils durchs Maul, teils durch die Kiemen wieder aus. Die Stellung der Flossen während des Schlafes ist am eingehendsten beim Schlammpeitzker beobachtet worden; gewöhnlich werden sie dem Körper glatt angelegt, die Brustflossen nicht selten aber auch flach ausgespreizt.
Bei dieser Gelegenheit sei gleich noch einiges über den Schlammpeitzker oder Schlammbeißer (Cobítis fossílis) gesagt, diesen wegen seiner leichten Erreichbarkeit bei der Jugend so beliebten, wegen seiner vielen merkwürdigen Eigenarten aber auch für den Forscher und Aquarienfreund hochinteressanten Bewohner unserer kleinen stehenden Gewässer mit schlammigem Untergrunde. Er lebt hier als ein echter Bodenfisch und als ein ausgesprochenes Nachttier, das tagsüber untätig dem schlammigen Untergrunde aufliegt und erst mit Einbruch der Dämmerung zu regerem Leben erwacht, um den Schlamm nach allerlei Gewürm, Schnecken und jungen Muscheln zu durchwühlen, nebenbei wohl auch vermodernde Pflanzenteile zu sich zu nehmen. Bekannt geworden ist der Schlammbeißer in weiteren Kreisen namentlich als Wetterprophet, weshalb er auch im Volksmunde vielfach den Namen Wetterfisch führt, und er verdient diesen Ruf sicher in höherem Grade als der zu Unrecht gepriesene Laubfrosch. Es ist Tatsache, daß der Schlammbeißer wenigstens gegen elektrische Veränderungen in der Atmosphäre sich überaus empfindlich erweist und namentlich das Herannahen von Gewitterbildungen viele Stunden vorher (angeblich sogar 24 Stunden vorher) mit fast untrüglicher Sicherheit anzeigt. Der sonst so träge Geselle gerät dann in lebhafte Unruhe und schwimmt rastlos unter kräftig schlängelnden Bewegungen hin und her, kommt auch mit sichtbarer Ängstlichkeit häufig an die Oberfläche, um Luft zu schnappen. Es erscheint daher zweifellos, daß er für Fluida elektrischer [11] oder magnetischer oder vielleicht gar radioaktiver Herkunft besonders empfänglich ist, ohne daß wir jedoch bisher diese auffallende Erscheinung irgendwie befriedigend aufzuklären vermöchten. Diese Eigenschaft des Schlammbeißers bringt es mit sich, daß man ihn in manchen Gegenden als geschätzten Wetterpropheten in einfachen Fisch- oder Einmachegläsern mit Sandbelag hält, was für den sonst sehr widerstandsfähigen Fisch freilich nur einen langsamen und qualvollen Tod bedeutet. Da er ebenso wie der Steinbeißer sich von einer geschickten Hand im Wasser ohne allzu große Schwierigkeiten ergreifen läßt, muß er ferner in der Regel für die ersten Aquarienversuche der lieben Jugend herhalten. Das ist sehr zu bedauern, und es erscheint nachgerade angezeigt, auch in bezug auf unsere Fischfauna den Naturschutz in höherem Grade zu berücksichtigen, als es bisher geschah, denn auch die Fauna unserer Binnengewässer und namentlich der kleinen Tümpel und Teiche droht infolge rücksichtsloser Nachstellungen mehr und mehr zu veröden und zu verarmen. Dagegen sei den modernen Aquarienfreunden, deren praktische Kenntnisse in der Tierpflege groß genug sind, um jede Tierquälerei auszuschließen, bei dieser Gelegenheit die sachgemäße Haltung und Beobachtung unserer so anziehenden einheimischen Fische, die über der Sucht nach ausländischen Neueinführungen und -züchtungen nur allzu sehr vernachlässigt worden sind, wieder einmal dringend ans Herz gelegt. Gibt es doch gerade an unseren so charakteristischen einheimischen Formen, von denen nicht wenige ebenso schön und zierlich sind, wie die berühmtesten Exoten, biologisch noch ungeheuer viel und Hochinteressantes genug zu erforschen, wobei auch der bloße Liebhaber tüchtig mithelfen kann. Übrigens ist der Schlammbeißer durchaus nicht der einzige Wetterfisch, vielmehr scheint zahlreichen Arten eine mehr oder minder große Empfindlichkeit gegenüber den elektrischen Zuständen der Luft eigen zu sein, und sie zeigen sich deshalb beim Herannahen eines Gewitters vielfach beängstigt und unruhig, wenn sie es auch nicht auf so lange Zeit vorauszuempfinden vermögen wie der Schlammbeißer. Im Zusammenhang damit mag es stehen, daß Fische bei Gewittern so leicht absterben, was man auf die durch die starke Temperaturerhöhung bewirkte Verminderung des Sauerstoffs im Wasser und auf die durch die plötzliche Erniedrigung des Luftdrucks hervorgerufene Übersättigung des Wassers mit schädlichen Gasen aus dem [12] Untergrunde zurückgeführt hat, ohne jedoch bisher völlig über diese rätselhafte Erscheinung und über die Rolle, die die Elektrizität selbst dabei spielt, sich klar geworden zu sein. Als sehr weitblickende Wetterpropheten gelten in gewissen Gegenden z. B. auch die Forellen. So unwahrscheinlich es auch klingt, so schwören doch viele alterfahrene Fischer darauf, daß man aus dem Verhalten dieser Fische beim Laichgeschäft sichere Schlüsse auf die Gestaltung des kommenden Winters ziehen könne. Wenn die Forellen ihre Eier an den tiefsten, starker Abkühlung des Wassers weniger ausgesetzten Stellen ablegen, soll ein harter und strenger Winter zu erwarten sein, der ja immer auch einen beträchtlichen Rückgang des Wasserstandes mit sich bringt. Laichen die Forellen aber an seichten Stellen nahe am Ufer, wo die Strömung weniger stark ist, so soll ein milder und regenreicher Winter bevorstehen.
Der etwa 30 cm lang werdende Schlammbeißer, um auf diesen zurückzukommen, kennzeichnet sich durch seinen langgestreckten zylindrischen Leib mit kleiner und spärlicher Beschuppung, die gut entwickelte, abgerundete Schwanzflosse, die zehn kurzen Bartfäden an dem kleinen, aber sehr beweglichen Maul und durch die eigenartige Färbung: oberseits schwärzlich mit fünf gelben und braunen Längsstreifen, unterseits orangegelb mit schwarzen Tüpfeln. Der beträchtlich kleinere Steinbeißer (Cobítis taénia) hat nur sechs Bartfäden und auf ledergelbem Grunde großfleckige braune Binden an den Seiten und auf der Rückenmitte. Bei der dritten [13] im Bunde, der zierlichen Schmerle oder Bartgrundel (Cobítis barbátula), die ebenfalls mit sechs Barteln ausgerüstet ist und nur wenig größer wird als der Steinbeißer, ist die Färbung viel unbestimmter, meist aber oben dunkelbraungrün mit regelloser Schwarzstreifung, unten hellgrau oder graugelblich. Während der Schlammbeißer hinsichtlich des Wohnsitzes seinem Namen alle Ehre macht, liebt der Steinbeißer klare Bäche und Wiesengräben mit sandigem Untergrund, und die Schmerle ist ein Kind des reinen, flachen, schnell über festen und steinigen Boden hinströmenden Wassers. Bei allen drei Arten dient also die buntfarbige Beschuppung zugleich als Schutzfärbung. Wenn die Frühjahrsregen Tümpel und Bäche neu aufgefüllt haben, schreiten die Cobitis-Formen zur Fortpflanzung an ruhigen und geschützten Stellen ihrer Wohngewässer, und zwar legt jedes Weibchen an Pflanzen oder Steinen 100-150_000 Eierchen ab, von denen aber nur ein geringer Prozentsatz zur Entwicklung kommt. Die große Mehrzahl der Jungen fällt überdies den Raubfischen zur Beute, denen die Bartgrundeln vermöge ihrer mundgerechten Gestalt überhaupt ein besonders willkommener Bissen sind. Deshalb bleibt ihre Zahl allenthalben eine ziemlich beschränkte. Von einer Brutpflege durch das Männchen, die Leunis wahrgenommen haben will, wissen spätere Beobachter nichts mehr zu berichten. Der Steinbeißer besitzt wenigstens noch eine eigenartige Waffe gegen seine zahllosen Feinde, die bei den beiden anderen Arten nur in rudimentärem Zustande vorhanden ist. Es handelt sich um einen dem Suborbitalknochen aufsitzenden, frei beweglichen und feststellbaren Augendorn. Ergreift man den Fisch, so biegt er den Kopf nach der Hand herum und bohrt den aufgerichteten Dorn mit beträchtlichem Kraftaufwand in deren Fleisch ein. Giftig ist dieser Dorn aber nicht, wie man wohl gefabelt hat. Wirtschaftlich sind die Cobitis-Arten schon wegen ihrer Kleinheit ohne sonderliche Bedeutung, und das Fleisch des Steinbeißers ist überdies mager und zähe. Dagegen wird die Schmerle von ausgepichten Feinschmeckern als ein gar köstlicher Bissen hoch geschätzt, und schon der alte Gesner singt begeistert ihr Lob. Doch stehen diese Fischchen ungemein rasch ab und dürfen deshalb nur in ganz frischem Zustande Verwendung finden, wenn sie ihren vollen Wohlgeschmack entfalten sollen. Am besten behandelt man sie wie Neunaugen, brät sie also auf dem Rost oder mariniert sie ein. [14]
Auf gleiche Weise behandelte Schlammbeißer, die ein grätenarmes und nicht sehr fettes Fleisch haben, schmecken auch nicht übel, wenn man nur die Vorsicht gebraucht, sie erst einige Tage in klarem, fließendem Wasser zu halten, damit der ihnen sonst anhaftende Modergeruch und -geschmack sich verliert. Heutzutage führt man den vielen Fischen anhaftenden und ihre Verwendung für die Küche erschwerenden Schlammgeschmack nicht mehr auf die Einwirkung der Armleuchtergewächse zurück, sondern vielmehr auf gewisse niedere Algen, die Oszillarien. Wo sie in großer Menge vorhanden sind, haftet dem Fischfleische auch mehr oder minder der fatale Schlammgeschmack an, der schließlich selbst bei Regenbogenforellen so stark werden kann, daß er sie fast ungenießbar macht. Wo die Oszillarien völlig fehlen, gibt es auch keinen Schlammgeschmack. Fische, deren Haut reichlich mit Schleimdrüsen versehen ist, wie es z. B. bei Aalen und Schleien der Fall ist, nehmen den Schlammgeschmack immer rascher und stärker an, aber völlig verschont bleibt unter gegebenen Verhältnissen keiner, selbst nicht die delikate Bachforelle.
Daß der Schlammbeißer in seinen oft kleinen Wohntümpeln bei heißem und trockenem Wetter nicht massenhaft zugrunde geht, hat er der ihm eigenen und wissenschaftlich hochinteressanten Fähigkeit der Darmatmung zu verdanken. Schon im Aquarium kann man häufig sehen, wie die Schlammbeißer von Zeit zu Zeit fast nach Art der Molche zur Oberfläche emporsteigen, hier einen tüchtigen Schluck voll Luft nehmen und dann langsam wieder zum Boden herabsinken, wie sie ja überhaupt keine Freunde überflüssiger Bewegung sind, sondern bei Gefahr immer nur rasch von einem Versteck nach dem andern schießen. Die mit dem Maul aufgenommene Luft preßt der Schlammbeißer unter krampfhaftem Schließen der Kiemendeckel durch seinen kurzen und fast gerade verlaufenden Verdauungsschlauch, wo der von feinsten Blutgefäßchen umsponnene Mitteldarm gewissermaßen als Lunge wirkt und der Luft gut die Hälfte ihres Sauerstoffes entzieht, um sie dann unter hörbar glucksendem Geräusch verbraucht durch den After wieder auszustoßen. Ein völliger Ersatz für die Kiemenatmung freilich ist mit alledem doch nicht gegeben, da nur durch diese die Ausscheidung der giftigen Kohlensäure bewirkt werden kann und deshalb ein lediglich auf die Darmatmung angewiesener Fisch doch zugrunde gehen muß. Diese [15] Darmatmung, die sich ja auch bei der am tiefsten stehenden Fischform, bei dem Lanzettfischchen findet, ist wohl die ursprüngliche im Reich der Fische gewesen, und man kann deutlich eine Entwicklungsreihe verfolgen, die von da über die einfachen Kiemen der Rundmäuler, Haie und Rochen bis zu dem verwickelten Kiemenapparat der Knochenfische hinführt.
Der Fähigkeit der Darmatmung verdankt nun aber der Schlammbeißer noch eine weitere und in den Kreisen der heimischen Fischfauna höchst seltene Eigenschaft, indem er nämlich auch imstande ist, deutlich wahrnehmbare Töne von sich zu geben. Nimmt man ihn nämlich aus dem Wasser heraus, so hört man ein Geräusch, das nach Johannes Müller die Mitte hält zwischen dem »Quieken einer Maus und dem Schall eines breiten Kusses.« Verursacht wird es offenbar durch das plötzliche und krampfhafte Ausstoßen der im Darm befindlichen Atemluft. Es ist also nicht eine freiwillige Lautäußerung, sondern vom Willen des Tieres völlig unabhängig, demnach nicht etwa ein Balz- oder Liebeslaut, sondern so ziemlich das gerade Gegenteil und eher mit dem Angstschrei der Vögel und Säuger zu vergleichen oder mit dem Vorgang, durch den sich nach einem derbdeutschen Sprichwort die »bleiche Furcht« bei Feiglingen zu erkennen gibt.
Wesentlich stimmbegabter ist der Knurrhahn unserer Meere, und dieser hat auch im Süßwasser eine allerdings stumme Verwandte in der allbekannten Groppe (Cóttus góbio), der gefräßigen und unerwünschten Begleiterin der Forelle. Das sind zwei, die sich im wahrsten Sinne des Wortes »zum Fressen gern haben«. Freilich nicht gerade zur Freude des Forellenzüchters, der deshalb dem von ihm verfolgten buntschimmernden Eisvogel dankbar sein sollte, der neben Schmerlen hauptsächlich junge Groppen verzehrt, wenn sie sich mal aus ihrem Schlupfwinkel hervorwagen. Namentlich zur Laichzeit der Forellen entwickelt die Groppe eine recht fatale Tätigkeit. Durch das Plätschern der laichenden Forellen aufmerksam gemacht, erscheint sie alsbald auf dem Schauplatze und hält hier unbekümmert einen reichlichen Kaviarschmaus, weil Liebe auch die sonst so vorsichtige und wehrhafte Forelle blind macht. »Senkrecht im Wasser stehend, den Kopf zu unterst und den Schwanz nach oben, wirbelt sie mit den Brustflossen die leicht flottierenden Eier auf, um eines nach dem anderen zu verschlingen. Es ist keine Seltenheit, in dem Magen [16] einer fingerlangen Groppe bis zu 30 Stück der erbsengroßen Forelleneier zu finden« (Jäger). Auch die ausgeschlüpften Jungforellen haben in der tückisch unter Steinen auf sie lauernden Groppe, die auch sonst alles zu überwältigende Getier und mit besonderer Vorliebe Libellenlarven gierig verschlingt, ihren schlimmsten Feind. Der Spieß wird aber umgedreht, und die Stunde der Rache erscheint, sobald die Groppe selbst im zeitigen Frühjahr zur Fortpflanzung schreitet. Dann ist es die raublustige Forelle, die hinter den jungen Groppen und dem Groppenlaich her ist und unnachsichtlich Vergeltung übt. Die Begegnung mit der alten Forelle hat auch die ausgewachsene Groppe zu scheuen, obwohl sie in solchen Fällen eine besondere Schreckstellung annimmt und den Kopf durch Aufsperren der Kiemenstrahlen drohend aufbläht. Von den in festen Klumpen von 100 bis 300 Stück abgesetzten rötlichgelben Groppeneiern würden wahrscheinlich wenige übrig bleiben, wenn nicht das Männchen in der tapfersten Weise Brutpflege ausübte. Es verteidigt den zur Laichablage zwischen den Steinen ausgewählten Platz aufs heldenmütigste und ausdauerndste gegen jeden nahenden Feind, namentlich aber auch gegen die eigenen Geschlechtsgenossen, wobei es zu so erbitterten Kämpfen kommt, daß die Gegner sich bisweilen vollständig ineinander verbeißen und in diesem wehrlosen Zustande, der an den verkämpfter Hirsche erinnert, mit Leichtigkeit gefangen werden. Ohne selbst Nahrung zu sich zu nehmen, hält so das Männchen 4 bis 5 [17] Wochen lang treulich Wacht. Um so schutzloser sind aber dann die ausgeschwärmten jungen Groppen ihren Feinden preisgegeben, zu denen außer den Eisvögeln und Forellen namentlich auch die alten Groppen selbst zählen, die bei ihrer unersättlichen Freßgier in ausgesprochenem Maße dem Kannibalismus huldigen. Gleich der Forelle bevorzugt die Groppe klares, schnell fließendes Wasser und einen mit Steinen und Kiesgeröll bedeckten Untergrund. Deshalb ist sie auch in Gebirgsgegenden häufig, ja in manchen hochgelegenen Gewässern der einzige vorkommende Fisch. Sie hält sich hier tagsüber unter Steinen verborgen und schießt aufgescheucht mit großer Schnelligkeit durchs Wasser, aber immer nur auf kurze Strecken und geradlinig, da ihr die Schwimmblase fehlt. Zu verkennen ist sie nicht, denn der spindelförmig zulaufende, platt gedrückte Leib, der mächtige Dickkopf mit dem Riesenmaul, die auffallend großen Brustflossen und die schuppenlose, schleimige Haut sind untrügliche Merkmale. Die im allgemeinen dunkle, mit Braun und Grau schattierte Färbung wechselt nach Wohnort, Untergrund und Individuum ganz außerordentlich, und es erscheint sicher, daß auch der Groppe das bei den Schollen so ausgeprägte und noch näher zu besprechende Farbwechselvermögen zukommt. Bei ihrer Lebensweise muß das ein großer Vorteil für sie sein. In der Tat gehört schon ein sehr gut geschultes Auge dazu, um eine auf kiesigem Untergrund ruhende und sich dabei regungslos verhaltende Groppe aus einiger Entfernung zu erkennen. Daß die Groppe trotz ihrer versteckten Lebensweise ein recht volkstümlicher Fisch ist, beweist die große Zahl ihrer Trivialnamen, deren manche recht drastisch anmuten. »Rotzkober« nannten wir Thüringer Jungen sie, wenn wir stolz zum Fischfang auszogen; Mühlkoppe, Breitschädel, Kaulquappe, Grotzfisch, Dick- und Kautzenkopf, Kaulhäuptlein, Kulheet und sogar Papst heißt sie in anderen Gegenden. Wirtschaftlich hat sie höchstens als Köderfisch einige Bedeutung, obschon sie gar nicht übel mundet. Wendet man die Steine im Bach vorsichtig um, so kann man bei einiger Übung den schlüpfrigen und großmäuligen Burschen ganz gut mit der Hand ergreifen und hat sich dabei nur vor Verletzungen durch die spitzen Flossenstrahlen zu hüten.
Da oben von der vorzüglichen Schutzfärbung der Groppe und von ihrem ausgeprägten Farbwechselvermögen die Rede war, seien hier gleich noch einige allgemeine Betrachtungen über die Färbung [18] der Fische eingeschaltet. Es liegt auf der Hand, daß bei dem schonungslosen und ununterbrochenen Kampfe ums Dasein, der sich im Wasser abspielt, Schutzfärbungen fast noch wichtiger erscheinen und daher noch häufiger anzutreffen sein werden, als auf dem Festlande. Und in der Tat fehlen sie kaum einem unserer heimischen Fische, wenn sie uns auch nicht immer gleich als solche erscheinen wollen. Aber wir müssen bei der Beurteilung solcher Erscheinungen eben immer die eigentümlichen Beleuchtungs- und Färbungsverhältnisse im Wasser berücksichtigen. Dann werden wir es sofort verstehen, warum alle unsere Oberflächenfische eine dunkle Rückenfärbung und eine helle Bauchfärbung mit lebhaftem Silber- oder auch Goldglanz haben, der an den Seiten besonders lebhaft hervortritt. Beides ist eine ausgeprägte Schutzfärbung, die gerade diese Fische um so nötiger haben, als sie sich für gewöhnlich ja nicht in Schlupfwinkeln verstecken oder auf dem Boden liegen, sondern im freien Wasser nahe der Oberfläche ihr anziehendes Spiel treiben. Die dunkle Rückenfärbung schützt sie vor dem scharfen Auge solcher Feinde, die aus der Luft auf sie herabspähen, also der fischfressenden Vögel. Ein jeder von uns weiß ja aus eigener Erfahrung, wie schwer es hält, einen im Wasser stehenden Fisch von oben her zu erkennen. Umgekehrt schützt der Silberglanz des Bauches, der nach oberflächlicher Auffassung so leicht zum Verräter werden könnte, in vortrefflicher Weise vor den lüsternen Blicken der Raubfische, die ja gewöhnlich tiefer im Wasser stehen oder dem Boden aufliegend auf Beute lauern, diese also schräg von unten zu Gesicht bekommen werden. Von da aus erscheint aber der ganze Wasserspiegel selbst bei bedecktem Himmel in lebhaft metallischem Lichtglanz, und wenn gar funkelnde Sonnenstrahlen die Oberfläche treffen, zucken leuchtende Lichtbündel, die sich von dem Aufblitzen der hin und her schwimmenden Fische kaum unterscheiden lassen, allenthalben auf, wovon sich jeder leicht beim Baden überzeugen kann. Schon vor mehr als 40 Jahren hat Gustav Jäger diese Entdeckung gemacht, die dann aber in Vergessenheit geraten war und erst neuerdings ohne Namensnennung wieder ausgegraben wurde. Daß der nahe der Oberfläche befindliche Beutefisch auf silbrigem Grunde silbern erscheint, somit nur sehr schwer sichtbar ist, wird nach den Untersuchungen von Popoff und Kapelkin physikalisch dadurch erklärt, daß die Fische infolge der eigentümlichen Lage ihrer Augen die Wasseroberfläche höchstens unter einem [19] Winkel von etwa 45° sehen, die in einem solchen Winkel auf die Wasserfläche fallenden Lichtstrahlen aber diese niemals durchdringen können, sondern völlig zurückgeworfen werden. Etwas abweichender Ansicht ist in neuester Zeit Franz, indem er glaubt, daß die silberne Bauchseite, wie sie bei Hering und Makrele besonders schön ausgebildet ist, als Spiegel wirke, wenn auch mit dem Unterschiede, daß sie das Licht meist nur sehr diffus (zerstreut) zurückwirft. Demgemäß würde also ein solcher Silberspiegel lediglich die Farbe des Wohngewässers selbst wiedergeben, gleichviel ob diese ins Bläuliche, Grünliche oder Bräunliche fällt, und die Natur hätte mit dieser automatischen Farbenanpassung durch Spiegelwirkung eine verblüffend einfache und doch äußerst wirkungsvolle Leistung vollbracht. Daß die uns Menschen so auffallende Silberfärbung aber zum mindesten als Schutzfärbung aufzufassen ist, geht schon daraus hervor, daß sie allen Bodenfischen, wie auch den Tiefseefischen als zwecklos völlig fehlt. Denn im Ozean verschwinden schon bei 500 m Tiefe die Silberbäuche völlig, und Rot ist nun zur überwiegenden Schutzfarbe geworden, während mit 1000 m Meerestiefe ein mehr oder minder tiefes oder getrübtes Schwarz diese Rolle fast ausschließlich übernimmt, da ja Schwarz in den schauerlich finsteren Tiefen des Weltmeers naturgemäß den besten Schutz gewährt, auch gegenüber den Leuchtorganen, mit denen viele Raubfische zum Aufsuchen oder Anlocken ihrer Beute ausgerüstet sind.
Ganz besonders schön ausgeprägt ist die Schutzfärbung bei den in erwachsenem Zustande auf dem Meeresgrunde lebenden Plattfischen, zu denen einige der schmackhaftesten Bewohner von Nord- und Ostsee zählen, und von denen die Flunder (Pleuronéctes flésus) gelegentlich auch im Süßwasser vorkommt. Und sie wird hier noch in ganz großartiger Weise unterstützt durch das diesen merkwürdigen Fischen eigene Farbwechselvermögen, das in so überraschender Weise in Tätigkeit tritt, daß darob selbst das in dieser Hinsicht doch weltberühmt gewordene Chamäleon erröten müßte, wenn anders Rot auf seiner Farbenskala verzeichnet wäre. Ganz wie beim Chamäleon wird auch bei den Plattfischen die sich dem Untergrund anpassende Farbänderung hervorgerufen durch die Tätigkeit der unter der Oberhaut liegenden und mit verschiedenartigen Farbstoffen angefüllten Farbzellen oder Chromatophoren, die leicht und rasch zusammengezogen oder ausgedehnt werden können und [20] dadurch eine Auflichtung oder ein Dunklerwerden der Gesamtfärbung sowie eine Vergrößerung oder Verkleinerung, ein Verblassen oder ein Hervortreten, wenn auch keine Verschiebung der Fleckung und Zeichnung bewirken. Danach wird ein auf gelblichem Sande ruhender Plattfisch ganz anders aussehen als ein auf dunklem Untergrunde liegender, ein auf grobem Kiesgeröll befindlicher ganz anders als ein auf feinem Gries gelagerter. So weit geht diese Anpassung, daß für das menschliche Auge oft förmliche Vexierbilder entstehen und das Herausfinden eines sich regungslos verhaltenden Plattfisches selbst im beschränkten Raume des Aquariums seine nicht geringen Schwierigkeiten hat. Besonders deutlich konnte Sumner in Neapel die Erscheinung dann verfolgen, wenn er den Fischen einen künstlichen Untergrund aus verschiedenartig karriertem oder geflecktem Papier gab, dem sie sich in überraschend kurzer Frist in weitgehender Weise anzupassen suchten. Bei alledem steht soviel unzweifelhaft fest, daß diese Farbanpassung vom Willen des Tieres völlig unabhängig und als ein rein reflektorischer Akt zu deuten ist, als dessen Ausgangspunkt wir die durch die Netzhaut des Auges wahrgenommenen Lichteindrücke anzusehen haben. Sumner hat dies auch durch Versuche nachgewiesen, indem die von ihm geblendeten Plattfische andauernd dunkel blieben und unter keinen Umständen mehr einen Farbwechsel vorzunehmen vermochten. Auf eine ungleich hübschere, weniger grausame und dabei eigentlich noch viel überzeugendere Weise ist Ward zu dem gleichen Ergebnis gelangt. Er teilte einen Wasserbehälter in zwei Hälften durch ein Stück Linoleum, in das er ein Loch hineinschnitt, gerade groß genug, um einen kleinen Hecht darin festzuhalten. Die eine Hälfte des Behälters war weiß und die andere schwarz austapeziert. Wurde nun der Hecht so hineingesetzt, daß sein Kopf sich in der dunklen Hälfte, Körper und Schwanz dagegen in der hellen Hälfte befanden, so blieben die Pigmentstellen entspannt, der ganze Fisch somit dunkel. Sobald man den Versuchsfisch aber herumdrehte und den Kopf in die helle Hälfte versetzte, so war schon nach drei Minuten der ganze Fischkörper bleich, weil sich die dunklen Pigmentzellen zusammengezogen hatten. Das die Färbung beeinflussende Licht wirkt also nicht unmittelbar, sondern durch die Vermittlung des Fischauges.
Häufiger als aktive Giftwaffen (Petermännchen) ist in unserer Fischfauna eine oft nur zeitweise Giftigkeit gewisser Fischteile beim [21] Genuß, selbst wenn wir von dem Fleisch erkrankter oder bereits in Fäulnis übergegangener Fische absehen. So entwickelt das Blut des Aals, sobald es in fremde Blutbahnen gebracht wird, stark giftige Eigenschaften, die allerdings schon durch gelindes Kochen völlig zum Verschwinden gebracht werden. Bei der schmackhaften und sonst so bekömmlichen Barbe hat zur Laichzeit der Genuß des Rogens und (entgegen der Auffassung Blochs, nach einem aus neuester Zeit stammenden Bericht der Pariser Société Zoologique) auch des diesen umgebenden Fleisches bedenkliche Vergiftungserscheinungen im Gefolge, die sich namentlich in heftigem Durchfall und Erbrechen äußern. In noch verstärktem Maße finden wir die gleiche Erscheinung bei den merkwürdigen Kugelfischen (Tétrodon) der japanischen Gewässer, weshalb auch deren Verkauf auf den Fischmärkten streng verboten ist, während andrerseits Kugelfischkaviar eine beliebte Delikatesse der dort aus den verschiedensten Gründen so häufigen Selbstmordkandidaten sein soll. Unsere, eine Länge von 70 cm und ein Gewicht von 10 kg und mehr erreichende Flußbarbe (Bárbus fluviátilis) — der verwandte, in Siebenbürgen und Ungarn heimische, aber auch schon im Oder- und Weichselgebiet vorkommende Semling (Bárbus petényi) bleibt stets beträchtlich kleiner — verdient ihren Namen, denn sie fehlt den stehenden Gewässern ebenso wie dem Meere, während sie zu den charakteristischsten und häufigsten Bewohnern unserer Flüsse und Ströme zählt, soweit diese steinigen oder kiesigen oder wenigstens sandigen Untergrund haben, dem sie sich in ihrer Färbung ebenfalls in weitgehender Weise anzupassen vermag. Während die jungen, erst im vierten Jahre fortpflanzungsfähig werdenden Barben, die sich überhaupt durch eine reizvolle Beweglichkeit und große Spiellust auszeichnen, beständig unter zuckenden Flossenbewegungen umherschwimmen, werden die Alten mehr und mehr zu Nachttieren und Bodenfischen und schließlich zu richtigen Faulpelzen. Erst nach Einbruch der Dunkelheit ziehen sie auf Nahrung aus, indem sie ganz nach Schweineart mit ihrer rüsselförmig verlängerten Schnauze den Boden nach allerlei Genießbarem durchwühlen. Da der nach Karpfenart gebaute, nur wesentlich schlankere Fisch dabei in der Aufnahme von Nahrung ebensowenig wählerisch und ebenso vielseitig ist, wie der grunzende Borstenträger, wird er in manchen Gegenden vom Volke gar nicht übel als »Sauchen« bezeichnet. Auch an Aas und selbst an menschliche [22] Leichname geht die Barbe recht gern, und für Kot aller Art hat sie sogar eine ausgesprochene Vorliebe, mästet sich deshalb am besten da, wo Aborte und Kanäle ihren Inhalt in die Fluten entleeren, und wird aus ähnlichen Gründen auch in der Nähe von Badeanstalten nicht leicht vermißt. Indessen hat diese wenig appetitliche Ernährungsweise ebenso wenig wie der Grätenreichtum ihres sonst vorzüglichen Fleisches oder die Giftigkeit ihres Rogens zu verhindern vermocht, daß sie als Tafelfisch sich einer nicht geringen Wertschätzung erfreut. Der Angler weiß, daß sie am sichersten auf ein Stückchen Schweizerkäse anbeißt. Namentlich als »Bierfische« werden die Barben in manchen Gegenden sehr geschätzt, so daß man sie wegen ihrer verhältnismäßig geringen Vermehrungsfähigkeit sogar schon künstlich zu züchten versucht, dabei aber wegen der großen Klebrigkeit der Eier, die im Freien während der Frühlingsmonate an Steinen abgesetzt werden, keine sonderlich ermutigenden Erfolge erzielt hat. Zur Laichzeit sieht man die Barbenmännchen oft in langen Zügen wie im »Gänsemarsche« hinter den laichfähigen alten Weibchen einherziehen. Gerade die Barben erkranken sehr leicht an der Beulenpest, die durch einen einzelligen Schmarotzer aus der Klasse der Sporentierchen (Nyxobólus pfeífferi) verursacht wird und zu erbsen- bis nußgroßen Geschwülsten auf der Haut der befallenen Tiere führt. Die aus den eiternden Beulen austretenden Keime befallen auch Fische anderer Art, sind vielleicht auch für den badenden Menschen nicht ungefährlich und vermögen so ganze Gewässer zu verpesten. Die Barbenbestände selbst sterben dann fast völlig ab, wie es in den Jahren 1885 und 1886 in der Maas und Mosel der Fall war, wo man allein in Mézières täglich bis zu 2 Zentnern abgestandener Barben auffischen konnte. Ebenso sind krankhafte Farbenabweichungen gerade bei Barben keine besondere Seltenheit; selbst Stücke mit lebhaft goldgelben Schuppen, die stark an Goldfische erinnern, kommen gelegentlich vor. [23]
Als ein gutes Beispiel für die Farbenanpassung an die Pflanzenwelt des Süßwassers wollen wir hier endlich noch den Flußbarsch (Pérca fluviátilis) herausgreifen, dessen Name mit dem Begriff »Borste« zusammenhängen soll, und ein recht borstiger Bursche ist ja dieser stachelbewehrte Räuber tatsächlich in jeder Hinsicht, der im Fischreiche biologisch etwa dieselbe Rolle spielt wie der Sperber in der Vogelwelt. Von Schutzfärbung ist freilich bei ihm zunächst [24] wenig zu merken, denn der Oberkörper ist messingglänzend, und diese Farbe geht auf den Seiten mehr ins Grünliche, auf dem Bauche ins Weißliche über, während quer über den Leib 5-9 mehr oder minder dunkle Zebrabinden verlaufen. Wir müssen aber berücksichtigen, daß der Barsch in der Regel unter einer überhängenden Uferstelle im ruhigen Wasser zwischen Rohrhalmen auf Beute lauert, und hier kommt ihm die den Rohr- und Pflanzenstengeln gleichende Körperzeichnung doch sehr zustatten, zumal sie sich den Belichtungs-und Schattierungsverhältnissen ebenfalls in wundersamer Weise anzupassen vermag. Je klarer und durchsichtiger das Wasser, in desto lebhafterer Färbung pflegt der Barsch zu prahlen. Nun kommt aber noch hinzu, daß auch sein jeweiliger Gemütszustand die Färbung ganz erheblich zu beeinflussen pflegt, wie ja die Fische trotz ihres kalten Bluts überhaupt keineswegs die leidenschaftslosen und »kaltblütigen« Geschöpfe sind, als die sie bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen. Ganz im Gegenteil feiern glühende Liebe, brennender Haß und ungestümer Wanderdrang, kurz, rücksichtslose Leidenschaften aller Art gerade im Fischreiche wahre Orgien, und das kommt auch in der jeweiligen Färbung oft deutlich genug zum Ausdruck. So beweisen die einwandfreien Photographien des schon erwähnten englischen Forschers Ward, daß namentlich der Barsch nicht nur ein durch die verschiedene Flossenstellung vermitteltes, sehr ausdrucksvolles Mienen- und Geberdenspiel hat, sondern daß er auch aus Angst und Furcht oder bei plötzlichem Schreck die Farbe zu verändern, insbesondere bis zur Leichenblässe zu erbleichen vermag. Eben noch liegt der Fisch in behaglicher Ruhe auf dem Grunde, den Körper gestützt auf Schwanz- und Beckenflossen, während die übrigen Flossen sich ihm anschmiegen und die Zebrastreifen fast gar nicht sichtbar sind. Da — eine leise Erschütterung des Glasbehälters, und der Barsch richtet sofort als Zeichen der Beunruhigung die zweite Rückenflosse steil auf. Eine zweite und dritte stärkere Erschütterung — und der nun vollends erschreckte Barsch erhebt sich vom Boden, richtet auch die übrigen Flossen auf, spreizt die Kiemendeckel und — erbleicht plötzlich vor Furcht, so daß die Zebrastreifen scharf und deutlich hervortreten. »Drei Minuten lang verharrte er in dieser Stellung und schwamm dann fort, andauernd seine großen Augen rollend, als ob er nach Gefahr ausschaute.« Gleichzeitig mit dem Erbleichen wird eine besondere Verteidigungsstellung eingenommen, [25] und dabei werden namentlich die scharfen Stacheln der Rückenflossen gespreizt, denn sie sind die natürlichen Abwehrwaffen des Barsches. Doch stehen sie nicht wie beim Stichling in besonderen Sperrgelenken, und deshalb gewähren sie auch nicht einen so weitgehenden Schutz, obschon die größeren Raubfische in der Regel nur bei besonderem Hunger sich an den stacheligen Gesellen machen. Der Hecht z. B. packt den sich nach Kräften Sträubenden mit einer gewissen Vorsicht am Maul und läßt ihn sich nun erst so weit abmatten, bis die dräuend erhobenen Stacheln von selbst herabsinken und so das Opfer verschlungen werden kann. Seinerseits ist aber auch der Barsch ein gar grimmer Räuber, der blindgierig auf alles losschnappt, was er halbwegs bewältigen zu können glaubt, und dabei nicht selten üble Erfahrungen machen muß. In der Jugend zwar begnügt er sich mit Gewürm und Schnecken, im Alter aber wird er zum fast ausschließlichen Fischfresser. Lauernd lugt er dann aus seinem Versteck, und wie ein Sperber stößt er urplötzlich hervor unter das harmlos spielende Proletenvolk der Weißfischchen, die erschreckt auseinander stieben, wohl gar aus dem Wasser hervorschnellen, aber von dem Raubritter in schnellen, ruckweisen Schwimmstößen so lange verfolgt werden, bis einer erhascht ist, falls dies nicht schon auf den ersten Anhieb geschah. Auch der Fischbrut und den kleineren Krebsen tut der Barsch viel Schaden. So las ich erst unlängst, daß ein nur 16 cm langer Barsch nicht weniger als 3 noch frische, weichhäutige Krebse von 5 bis 7-1/2 cm Länge im Magen hatte, der dadurch ganz unförmlich aufgetrieben war. Selbst an kleineren Sängern und Vögeln vergreift sich dieser gierige Räuber, wenn sich ihm Gelegenheit dazu bietet. Da er blind nach allem Genießbaren schnappt, bildet er die Freude des angehenden Anglers, dessen Unerfahrenheit er oft mit einem unverhofften und wegen seines wohlschmeckenden Fleisches hochwillkommenen Erfolge krönt, der allerdings nicht selten mit einer schmerzhaften Verletzung der Hand durch die spitzigen Rückenstacheln bezahlt werden muß. Das gilt freilich nur von jungen und unerfahrenen Barschen, denn die alten sind recht scheu und mißtrauisch, und der Angler darf sich solchen gegenüber keineswegs unvorsichtig benehmen. Wer irgendwelche Barscharten längere Zeit hindurch im Aquarium gepflegt hat, wird mir beipflichten, wenn ich mich erkühne, diese Fische geradezu als nervöse Geschöpfe zu bezeichnen. An Heißblütigkeit und Ungestüm des Temperaments [26] geben sie ihrem würdigen Vertreter in der Vogelwelt, dem Sperber, sicherlich nicht das geringste nach. Ja, ihre Erregung vermag sich wie beim Vogel derart zu steigern, daß sie in krampfhafte Zustände verfallen oder gar plötzlich tot zu Boden sinken. Auch mancher Exotenzüchter vermag von dieser noch wenig bekannten und erforschten Eigenschaft der als kaltblütig verschrieenen Fische ein Lied zu singen. So sind Fälle bekannt, wo Makropoden aus Erregung über die Zerstörung ihres Schaumnestes sofort verendeten; der Pfauenaugenbarsch wechselt aus Angst oder Schreck alle Farben, oder verfällt in Starrkrampf, der Diamantbarsch geberdet sich im Ärger genau so sinnlos wie ein Habicht oder Sperber und sucht sich mit weit abstehenden Kiemen in den Sand einzubohren. Unser Fluß-oder Rohrbarsch, der gewöhnlich 35-40 cm lang und 1 kg schwer wird (kürzlich wurde bei Zürich ein Exemplar von 2-1/4 kg Gewicht gefangen), bewohnt sowohl stehende wie fließende Gewässer, bevorzugt in diesen jedoch die langsam fließenden Stellen mit sandigem, mergeligem oder lehmigem Grunde und gibt immer einem möglichst klaren Wasser den Vorzug. Die Laichzeit fällt in die Frühlingsmonate, und zwar werden die mohnkorngroßen Eier in mehr als meterlangen, schlauchartigen Schnüren netzartig um allerlei feste Gegenstände im Wasser geschlungen. Das Weibchen kriecht bei der Laichabgabe förmlich wie eine Schnecke über die Unterlage und unterstützt durch scharfes Anpressen des Bauches, also durch eine Art Selbstmassage das Austreten der zwar kleinen, aber sehr klebrigen und spezifisch auffallend schweren Eier. Künstliche Besamungsversuche in der Biologischen Versuchsanstalt zu Wien haben gezeigt, daß es sich bei einer bisher rätselhaften Barschform aus dem Donaugebiet um Bastarde zwischen Rohr- und Kaulbarsch handelt, die demgemäß auch in freier Natur vorkommen. Diese Mischlinge sind im allgemeinen mehr kaulbarschähnlich, aber hochrückiger und seitlich stärker zusammengedrückt, während die Zebrabinden nur dann hervortreten, wenn der Rohrbarsch die Mutter war; sie sind träger, aber zählebiger und schnellwüchsiger als beide Stammarten.
Größere wirtschaftliche Bedeutung als der Flußbarsch besitzt sein äußerst wohlschmeckender und dabei grätenarmer größerer Vetter, der Zander oder Schill (Luciopérca sándra), dessen wisschenschaftlicher Name »Hechtbarsch« vortrefflich gewählt erscheint, denn in der Tat vereinigt dieser Fisch äußerlich wie biologisch die Eigenarten [27] beider Familien in sich. Mehr noch als der Flußbarsch ist er auf recht sauerstoffreiches Wasser angewiesen, worauf schon der ungemein zarte Bau seiner Kiemen hindeutet. So findet er sich besonders zahlreich in weiten, aber flachen Wasserbecken, die durch stürmische Winde ab und zu gründlich aufgewühlt und dadurch mit dem Sauerstoff der Luft gesättigt werden, wie dies z. B. beim Kurischen Haff der Fall ist, wo deshalb auch ein sehr lohnender Zanderfang noch heute betrieben wird, wenn auch die Zeiten, wo man die massenhaft erbeuteten wertvollen Zander lediglich zum Trankochen benutzte, dort längst vorüber sind. Ebenso ist der Zander als »Fogosch« ein Charakterfisch des Plattensees und bildet, auf dem Rost gebraten, eine beliebte ungarische Nationalspeise. Die so zahlreich in die Berliner Markthallen gelangenden Zander dagegen entstammen größtenteils dem Wolgagebiet, wo eine besondere Art, der Berschik (Luciopérca volgénsis) auftritt, die neuerdings auch durch das Schwarze Meer ins Donaugebiet einzuwandern beginnt. Auch der Zander ist ein ausgesprochener, überaus freßgieriger Raubfisch, der aber seines engen Schlundes und Magens wegen doch nur kleinere Fische zu bewältigen vermag. Der Angler wird ihm gegenüber nur dann Erfolg haben, wenn er einen lebenden Köder verwendet und auf die große Furchtsamkeit und Leckerhaftigkeit dieses Fisches genügend Rücksicht nimmt. Dann aber bietet gerade das Zanderangeln viel Anregung und hohen sportlichen Genuß. Gleich dem Flußbarsch treibt sich der Zander gern in kleinen Trupps umher, und es ist merkwürdig, wie diese im Wasser oft förmlich exerzieren und wie auf Kommando gemeinsame Schwenkungen vollführen. Die ganz jungen Zander fressen außer tierischen Substanzen auch massenhaft schwebende Algen, und selbst die Alten scheinen Pflanzenkost nicht völlig zu verschmähen. Jedenfalls ist es auffallend, daß die in Zandermägen vorgefundenen Fische fast immer in allerlei Pflanzengrün eingehüllt sind, wobei es einstweilen dahingestellt bleiben muß, ob dieses etwa zur Beförderung der Verdauung mit verschluckt wurde. Von anderweitigen Angehörigen der Barschfamilie, die sich durch das Vorhandensein von zwei selbständigen, stacheligen Rückenflossen kennzeichnet, seien hier noch kurz erwähnt der schlank gebaute Streber (Aspro stréber), der bei uns gleich dem Zingel (Aspro zíngel) auf das Donaugebiet beschränkt ist, und der bisher nur in fließendem Wasser gefundene Schrätzer (Acerína schráetser). Alle diese [28] Arten sind zu klein und treten zu vereinzelt auf, als daß sie wirtschaftliche Bedeutung gewinnen könnten, obschon ihr Fleisch recht gut mundet. Beim Zingel hat Kammerer interessanterweise einen ganz verwickelten Nestbau beobachtet, indem das Tier eine kreisförmige Grube im Sande auswirft, in der Grubenmitte mit der Schnauze Steine zusammenschiebt, und zwischen die Steine mühselig herbeigeholte Algenwatte einklemmt. Durch Hineinarbeiten und Drehen des Körpers gewann diese Algenmasse mützenförmige Gestalt, die durch quergesteckte Reiser klaffend erhalten wurde. Der Schrätzerlaich erscheint zwar ebenfalls wie beim Flußbarsch zu Schnüren angeordnet, aber die Eier liegen nicht in einem gemeinsamen Schlauch, sondern sind nur reihenweise dicht nebeneinander auf dem Boden festgeklebt. Dieser stachelige Fisch, der dem etwas Besseres erhoffenden Angler manche Enttäuschung bereitet und ihm beim Auslösen manchen blutigen Stich beibringt, gilt bei den Donaufischern als ein arger Schädling der Fischbrut, während Streber und Zingel, die man in kleinen Geschwadern ruckweise durchs Wasser schießen sieht, völlig harmlos sind und sich lediglich von Mückenlarven, Wasserasseln, Flohkrebsen und Erbsenmuscheln, namentlich aber von Würmern ernähren. Sie schaufeln diese förmlich aus dem Boden hervor und drehen sich von großen Exemplaren maulgerechte Stücke ab, indem sie sich wie die Molche hin und her werfen und um die eigene Achse wälzen. Neuerdings sind auch zwei nordamerikanische Barscharten ihrer Schnellwüchsigkeit halber mit Erfolg in Deutschland eingebürgert worden, der Schwarzbarsch und der Forellenbarsch, die sich namentlich in kleinen Teichen mit festem Untergrunde recht gut entwickeln und hier die Rolle des Hechts vertreten können. Wichtiger aber als sie alle ist trotz seiner Kleinheit (er bringt es höchstens auf 1/2 kg Körpergewicht) der Kaulbarsch (Acerína cvernua), ein gelbbrauner oder olivengrüner Bursche mit feinen Pünktchen, die das Volk in Süddeutschland für Läuse hält und deshalb den Fisch, der von jeher gern in den Klöstern verspeist wurde, »Pfaffenlaus« getauft hat. Noch furchtbarer als andere Barscharten ist diese mit Stacheln bewehrt, so daß die Fischer von ihr sagen, man dürfe sie nur mit blechernen Handschuhen anfassen, und kenntlich wird der gedrungen gebaute Kaulbarsch sofort daran, daß die beiden Rückenflossen nicht scharf getrennt sind, sondern ineinander übergehen. Er führt eine zigeunerartige und nomadenhafte Lebensweise, [29] erscheint aber zu bestimmten Jahreszeiten in gewissen Gegenden in ganz fabelhafter Menge. Als ich vor einer Reihe von Jahren am Kurischen Haff wohnte, wurden dort nicht selten solche Unmengen von Kaulbarschen gefangen, daß man mit dem Überfluß bisweilen nichts anderes anzufangen wußte, als ihn als Dung auf die Felder zu fahren. Heute wird das wohl auch anders geworden sein, denn Kaulbarsch gibt die leckerste Fischsuppe, die sich nur denken läßt. In den langen und harten Wintern lernte ich damals dort auch eine ganz eigentümliche Fangweise kennen, die besonders dem Kaulbarsch galt. Wenn das weite Kurische Haff zugefroren war, schoben die Fischer mit Stangen nebeneinander 12-15 Stecknetze von je 30 bis 50 m Länge und 1/2 bis 3/4 m Höhe unter das Eis und ließen sie eine Weile stehen, unter Umständen tagelang. Dann wurde in der Nähe eine lange, bis auf den Grund reichende Stange, die an einem Gestelle mehrere eiserne Ringe trug, durch das Eis gestoßen und mit ihr ein möglichst großer Lärm vollführt. Die Folge war, daß sich die Netze dicht mit Kaulbarschen füllten, die nach den Behauptungen der Fischer durch das erzeugte Geräusch angelockt, richtiger vielleicht dadurch zu sinnloser Flucht aufgescheucht wurden.
Dies führt uns zu der interessanten und neuerdings viel erörterten Frage, ob überhaupt und bis zu welchem Grade Fische zu hören vermögen. Um über diese vielumstrittene Frage ins klare zu kommen, soweit dies der heutige Stand der Wissenschaft erlaubt, ist es nötig, daß wir uns zunächst den Bau des Gehörorgans der Fische vergegenwärtigen. Bekanntlich besitzen diese kein äußeres Ohr, und auch von den inneren Teilen fehlt ihnen die sogenannte Schnecke, der Träger des Cortischen Organs, das wir seit Helmholtz als den eigentlichen Sitz des Gehörsinnes kennen. Wohl ist das sogenannte Labyrinth vorhanden und in ihm ein großer und zwei kleine Gehörknöchelchen oder Otolithen, die von kalkiger Struktur sind und deutlich ein Jahreswachstum erkennen lassen, aber diese Gebilde haben mit dem eigentlichen Gehörvermögen nichts mehr zu tun, sondern unterrichten, eingebettet in eine gallertige Masse und in Zusammenhang stehend mit seinen, in Nervenzellen endigenden Härchen, den Fisch lediglich über seine Lage, dienen insbesondere auch zur Erhaltung des so nötigen Gleichgewichts, sind also ein ausgesprochen statisches Organ, weshalb man die Otolithen auch besser und richtiger Statolithen nennen sollte. Fische, die dieses Organs [30] beraubt sind, verlieren das Gleichgewicht und das Orientierungsvermögen und schwimmen auf der Seite oder auf dem Rücken sinnlos im Kreise herum. Um es kurz zusammenzufassen: während das Ohr der höheren Wirbeltiere zugleich als statisches und als Gehörorgan dient, kann seinem ganzen anatomischen und histologischen Bau nach bei den Fischen ausschließlich nur die erstere Funktion in Betracht kommen. Die Fische können also wegen des Fehlens eines vermittelnden Organs nicht hören, d. h. sie sind für Schallwirkungen an sich unempfänglich. Dem wird freilich der in der Praxis geschulte Fischer mit überlegenem Lächeln entgegenhalten, daß die meisten Fische doch sehr wohl auf starke Geräusche reagieren, der Tierfreund wird uns erzählen, daß er bei diesem oder jenem alten Klosterteiche gesehen habe, wie die fetten Mooskarpfen auf ein gegebenes Glockenzeichen, an das sie seit vielen Jahren gewöhnt seien, zur Fütterung herbeigeschwommen kamen, der Weltreisende wird uns versichern, daß das in Japan jedes Kind wisse, weil man in den Gartenteichen die Goldfische durch Pfeifen oder Glockensignale zur Fütterung herbeirufe. Auch der erfahrene Aquarienliebhaber wird uns mit bedenklicher Miene darauf aufmerksam machen, daß die trommelnden Laute der Guramis doch offenbar die Rolle eines geschlechtlichen Reizmittels spielten und demnach auch von dem anderen Teile vernommen werden müßten, wenn sie überhaupt einen Zweck haben sollten. Das ist alles ganz richtig, und doch liegen überall Trugschlüsse vor. Die hungrigen Karpfen hören nicht das Glockenläuten, wohl aber empfinden sie die durch die Schritte des nahenden Futterspenders der Erde mitgeteilte und sich im Wasser fortpflanzende Erschütterung, sehen und kennen vielleicht sogar die Gestalt ihres Wohltäters. Wartet dieser aber erst ruhig ein Stündchen und stellt er sich dann so auf, daß er beim Glockenläuten nicht gesehen werden kann, so kann er noch so lange und noch so schön bimmeln, keiner der faulen Karpfen wird sich die Mühe nehmen, lediglich des Glockentones wegen herbeizuschwimmen. Besonders bezeichnend ist es, daß Fische auf schwache Geräusche außerhalb des Wassers niemals achten, daß sie aber erschreckt zusammenfahren, wenn man unmittelbar neben einem Tümpel einen Gewehrschuß abfeuert oder wenn man über dem Aquarium stark in die Hände klatscht. Daraus dürfen wir ruhig schließen, daß sie nur für solche Töne sich empfänglich zeigen, die stark genug sind, um sich im Wasser als Erschütterungswellen [31] fortzupflanzen, und damit haben wir zugleich des Rätsels Lösung. Nicht die Schallwellen sind es, die der Fisch wahrnimmt, sondern die durch sie im Wasser erzeugten Erschütterungswellen, und nicht oder doch nicht ausschließlich mit dem Ohre nimmt er sie auf, sondern mit seiner gesamten Körperoberfläche, in erster Linie mit der sogenannten Seitenlinie, diesem noch so geheimnisvollen sechsten Sinn. Wir dürfen also diese Art der Wahrnehmung nicht als Gehörsinn bezeichnen, sondern könnten sie etwa Erzitterungs- oder Erschütterungssinn nennen. Gewiß werden die umworbenen Weibchen bestimmter Fischarten die balzenden Knurr- oder Trommeltöne ihrer Verehrer zu würdigen wissen, aber mitgeteilt werden sie ihrem verliebten Hirn nicht durch das lediglich als statisches Organ dienende Ohr, sondern durch die hochempfindlichen Sinnesbecher, die durch die Löcher der Seitenlinie mit der Außenwelt in Verbindung stehen. Im Wasser selbst und bei ganz kurzer Entfernung, wie sie ja in allen solchen Fällen allein in Betracht kommt, brauchen die Töne natürlich durchaus nicht sonderlich laut zu sein, um verstanden zu werden. Nun gibt es allerdings bekanntlich keine Regel ohne Ausnahme, und so will es in der Tat fast scheinen, als ob doch einige wenige Fische den Anfang zu einem echten Hörvermögen besäßen und wenigstens für ganz bestimmte Töne einigermaßen empfänglich wären. So hat Maier von dem nordamerikanischen Zwergwels neuerdings in einer anscheinend einwandfreien Weise festgestellt, daß er recht lebhaft auf Pfiffe reagierte. Seine Versuche sind von zuständiger Seite nachgeprüft und bestätigt worden. Und was dem Zwergwels recht ist, das sollte auch unserem Weller billig sein. Vielleicht haben wir also in der Gruppe der Welse den Beginn des Gehörvermögens bei den Fischen zu suchen. Immerhin könnten bei dieser höchst auffallenden Beobachtung doch Fehlerquellen mit unterlaufen sein, und völlige Gewißheit werden wir über sie erst dann gewinnen, wenn das Gehörvermögen der Welse mit Seziermesser und Mikroskop eingehend untersucht sein wird, was meines Wissens bisher noch nicht geschehen ist. Im Einklang mit den vorausgehenden Ausführungen stehen dagegen die Untersuchungen, die Edinger über das Fischhirn gemacht hat, und aus denen wir wissen, daß bei diesen Tieren das sogenannte Neenkephalon höchstens andeutungsweise zur Entwicklung gelangen kann, während sie im übrigen auf das lediglich Reflexe ermöglichende Paläenkephalon angewiesen sind. Sodann wollen wir [32] nicht vergessen, daß ein Hören von außerhalb des Wassers verursachten Geräuschen für die Fische eigentlich wenig Sinn und Zweck hätte, und daß die schaffende Natur überflüssige Einrichtungen nicht liebt, sondern sich in weiser Sparsamkeit auf das Notwendige beschränkt, dieses aber dafür um so vollkommener auszubilden sucht.
Es dürfte angebracht sein, bei dieser Gelegenheit auch noch der schon erwähnten Seitenlinie der Fische einige Worte zu widmen. Daß sie ein Sinnesorgan ist und ihrem ganzen Bau nach nichts anderes sein kann, wissen wir, aber über die Art und Weise ihrer Wirksamkeit können wir uns eigentlich nur mehr oder minder gut begründeten Mutmaßungen hingeben. Schon Leydig erkannte 1851 die Seitenlinie als Sitz eines sechsten Sinnes, aber erst durch Hofers eingehende Untersuchungen sind wir über dessen Funktion einigermaßen klar geworden. Bald glaubte man, daß die Seitenlinie dem Fischkörper die Wellenbewegungen des Wassers mitteile, bald sollte sie ihm den Wasserdruck angeben oder ihn über die jeweilige Höhe und Tiefe orientieren, bald sah man in ihr ein Gleichgewichtsorgan, bald einen Wahrnehmungsapparat für leichte Erschütterungen, bald einen Regulator für die Gasproduktion, und sogar mit dem Fortpflanzungsgeschäft hat man sie in Beziehungen bringen wollen. Jedenfalls ist sie kein eigentlicher Gefühls- oder Tastsinn, der beim Fische vielmehr durch die ganze Hautoberfläche und insbesondere durch die wulstigen Lippen sowie die oft vorhandenen Bartfäden oder sonstige Anhängsel vermittelt wird, übrigens in sehr verschieden hohem Grade ausgebildet ist. Soviel scheint jedoch festzustehen, daß die Fische eine auffallend geringe Schmerzempfindung besitzen, was ja auch mit den beim Angelsport gemachten Erfahrungen übereinstimmt, indem oft ein eben erst auf das empfindlichste durch den Angelhaken verletzter Fisch sofort wieder anbeißt, als ob nichts geschehen wäre. Die von tierschützerischer Seite so oft gegen das Angeln erhobenen Vorwürfe entbehren daher der physiologischen Begründung. Am wahrscheinlichsten und teilweise auch schon auf experimentellem Wege erwiesen ist es wohl, daß der Seitenlinie die Aufgabe zufällt, den Fisch über die jeweiligen Strömungen des Wassers und damit indirekt auch über seinem Weg entgegenstehende Hindernisse zu unterrichten. Diese Aufgabe ist wichtig genug, denn ohne ein derartiges Organ würde namentlich der in dunkler Tiefe lebende Fisch sich überhaupt nicht zurechtfinden können (deshalb ist auch die [33] Seitenlinie bei Tiefseefischen besonders gut entwickelt), der Süßwasserfisch würde unweigerlich ins Meer geschwemmt werden, weil er sich nicht über die Strömung unterrichten könnte, er vermöchte auch nicht die einmündenden Bäche und Flüsse aufzufinden, auf seinen Wanderungen nicht die zu überwindenden Hindernisse wahrzunehmen und abzuschätzen. Gewöhnlich verläuft die Seitenlinie unter der Hautoberfläche und steht nur durch die durchbohrten Schuppen mit der Außenwelt in Verbindung, bisweilen (so bei den Seekatzen) liegt sie aber auch frei in einem häutigen, tief eingesenkten Kanal. Die knospenförmigen, eigentlichen Sinneszellen in ihr wechseln mit stark entwickelten Schleimzellen ab, weshalb man vor dem Auftreten Leydigs die ganze Anlage lediglich für ein Schleim absonderndes Organ hielt. Meist ist die Seitenlinie schon äußerlich gut zu erkennen, und zwar verläuft sie in der Regel in gerader oder sanft geschwungener Linie von den Kiemen über die ganze Körperseite bis zur Schwanzflosse. Indessen erleidet diese Regel viele Ausnahmen, und in solchen Fällen gibt die abweichende Gestaltung der Seitenlinie oft ein gutes Unterscheidungsmerkmal für nahestehende Arten ab. So ist das Organ nicht selten nur teilweise ausgebildet, wie z. B. beim Moderlieschen (Leucáspius delineátus), das von allen ähnlichen Fischchen sich sofort dadurch unterscheidet, daß die Seitenlinie schon dicht hinter dem Kopfe endigt.
Das gestreckt gebaute, aber in der Gestalt sehr wandelbare niedliche Tierchen mit dem steil nach oben gerichteten Mäulchen, der [34] tief ausgeschnittenen Schwanzflosse, den großen Augen und den stark silberglänzenden Seiten, über dessen Verbreitungsbezirk wir noch keineswegs hinreichend unterrichtet sind, das aber im Osten entschieden häufiger ist, als im Westen, gehört zu unseren anspruchslosesten Fischen. Es findet sich nicht nur in Flüssen aller Art, sondern gar nicht selten in Torfausschachtungen und lehmigen Heidetümpeln. Interessant ist die Brutpflege des Moderlieschens. Das Männchen bewacht und verteidigt nämlich eifrig den Laich, der vom Weibchen manschettenförmig um die Stengel des Froschlöffels herumgelegt wird. Zugleich bemüht sich das wackere Männchen auch, die Eier dadurch vor Verpilzung zu schützen, daß es durch fortwährende Schwanzschläge den sie tragenden Pflanzenstengel in Bewegung erhält. Einen ganz eigenartigen, in unserer Fischwelt einzig dastehenden Verlauf nimmt die Seitenlinie bei dem durch stark zusammengedrückten Leibesbau, hervorgewölbten Bauch und lebhaften Silberglanz ausgezeichneten Sichling (Pélecus cultrátus), auch Messerkarpfen, Zicke und Dünnbauch genannt. Sie biegt bei ihm gleich am Kopfe in flachem Bogen nach unten, geht dann fast senkrecht bis nahe zur Bauchkante, schwingt sich von hier in mäßigem Bogen bis zum unteren Körperdrittel empor, senkt sich hierauf zwischen Bauch- und Afterflosse wieder nach unten und steigt zuletzt in flachem Bogen aufwärts, um am Schwanz in der Körpermitte zu endigen. Dieser Fisch hat auch sonst mancherlei Merkwürdiges an sich. So ist schon seine Verbreitung auffallend genug, denn er findet sich einerseits in der Ostsee mit allen ihren Verzweigungen und Zuflüssen und andrerseits ebenso im Gebiete des Schwarzen Meeres, ohne doch irgendwo sonderlich häufig zu sein. Ja, im Donaugebiet erscheint er nach der Meinung der Fischer nur alle sieben Jahre, weshalb sie ihn als Unglücksfisch und Pestbringer betrachten, ähnlich wie die Vogelkundigen früherer Zeiten den Seidenschwanz. Von seiner Lebensweise wissen wir eigentlich nicht viel mehr, als daß er ein gesellig lebender Oberflächenfisch ist und zwischen Salz-, Brack- und Süßwasser kaum irgendwelchen Unterschied macht, sondern sich allenthalben gleich wohl zu fühlen scheint. Obgleich man ihm hier und da (so im Kurischen Haff) mit Netzen nachstellt und er immerhin bis zu 1 kg schwer wird, hat er doch kaum irgendwelche wirtschaftliche Bedeutung, da er nirgends in Massen auftritt und überdies sein weichliches Fleisch sehr grätig ist. [35]
Es dürfte angezeigt sein, im Anschluß an die Betrachtung der Seitenlinie gleich auch noch den sonstigen Sinnesfähigkeiten der Fische einige Worte zu widmen. Über Geschmacks- und Geruchssinn war man insofern lange im Unklaren, als man beide nicht recht auseinanderzuhalten vermochte. Lange Zeit hat man fast allgemein geglaubt, daß die Fische überhaupt nicht zu wittern vermögen, sondern daß bei ihnen der Geruch durch den stark entwickelten Geschmack ersetzt werde, obschon das Witterungsvermögen nicht von vornherein ausgeschlossen schien, da ja Gase bekanntlich auch im Wasser löslich sind und die meisten Fische paarige Nasenlöcher haben (nur das tiefstehende Lanzettfischchen und die Rundmäuler haben ein einziges Nasenloch), die mit einer strahlenförmig gefalteten und durch besondere Nerven mit dem Gehirn verbundenen Schleimhaut ausgekleidet sind. Bei den Haien und Rochen liegen diese Geruchsorgane merkwürdigerweise auf der Unterseite des Kopfes. Zur vorderen Öffnung strömt das Wasser herein, zur hinteren heraus, nachdem es mit den in der Schleimhaut enthaltenen Sinneszellen in Berührung gekommen ist, und es liegt auf der Hand, daß diese Strömung beim schwimmenden Fisch ungleich lebhafter sein muß, als beim ruhenden, daß demgemäß jener auch weit besser wittert, falls er dazu überhaupt imstande ist. Und dies ist nach den Untersuchungen des amerikanischen Zoologen Parker am Katzenwels wohl unzweifelhaft der Fall. Hängte der Genannte undurchsichtige Leinwandbeutel ins Aquarium, die teils leer, teils mit zerschnittenen Regenwürmern gefüllt waren, so kamen die Fische schon aus ziemlicher Entfernung auf letztere zugeschwommen, während erstere völlig unbeachtet blieben. Wurde dann auf experimentellem Wege das Geruchsorgan ausgeschaltet, so fanden auch die gefüllten Beutelchen keine Beachtung mehr. Der Einwand, daß dieses Geruchsvermögen vielleicht nur auf den Katzenwels oder auf die ja überhaupt manche Besonderheiten aufweisende Gruppe der Welse beschränkt sei, ist auch schon zum Teil hinfällig geworden, indem man bei Zahnkarpfen und anderen Fischen ganz dieselben Versuche mit dem gleichen Erfolge wiederholt hat. Im Einklange damit stehen ja auch die praktischen Erfahrungen der Seeleute, die übereinstimmend versichern, daß Haie ins Wasser geworfene Fleischbrocken auf große Entfernung hin zu wittern vermögen. Natürlich wird der Geruchssinn bei den einzelnen Fischgruppen in sehr verschieden hohem Maße entwickelt sein, worüber nähere Untersuchungen [36] noch ausstehen, und das gleiche gilt auch von dem Geschmackssinn. Raubfische, die ihre Beute unzerkleinert verschlingen, werden einen weit geringeren Geschmackssinn haben als pflanzenfressende Fische, die ihre Nahrung ordentlich kauen. Wir können ja an jedem fressenden Karpfen sehen, wie er ihm nicht Zusagendes sofort wieder ausspuckt. Bei diesen Fischen ist der Geschmack anscheinend in einem am Gaumen sitzenden Paket von Sinneszellen konzentriert, während die harte und gewöhnlich mit Zähnen besetzte Zunge sich nur wenig zum Träger von Geschmacksempfindungen eignet. Wohl aber finden wir recht empfindliche Geschmackszellen an den wulstigen Lippen, an den Barteln und sonstigen Anhängseln, ja an Flossenstrahlen und überhaupt am ganzen Körper, namentlich auch an dessen Seiten. So erklärt es sich auch, daß ein Fisch begierig auch dann nach dem Köder schnappt, wenn dieser nicht seinen Mund, sondern nur seine seitliche Körperfläche berührt. Interessant ist es ferner, daß Maulbrüter, denen ihr Pfleger einmal einen ihnen unbekannten Wurm verfüttern wollte, zunächst freßlustig darauf zuschwammen, aber in 2 cm Entfernung blitzschnell umdrehten und dem Bissen mit allen Zeichen des Abscheus den Rücken kehrten, ohne daß genau festgestellt werden konnte, ob hier der Geruch- oder der Geschmacksinn der maßgebende Faktor war. Andere Versuche haben gezeigt, daß Fische gegen salzige, süße oder saure Flüssigkeiten sehr deutlich mit der gesamten Körperfläche reagierten.
Das mehr ellipsoid wie kugelig gestaltete Fischauge ist in hohem Grade kurzsichtig und etwa auf eine Entfernung von nur 1 m eingestellt. Durch die Akkommodation vermittels »Sichelfortsatz« und »Glöckchen« kann aber die Linse derart verschoben werden, daß der Fisch noch auf Entfernungen von 10-12 m einigermaßen deutlich zu sehen vermag. Eine noch weitergehende Fernsichtigkeit aber hätte für ihn keinen Zweck, da ja auch das klarste und reinste Wasser durch treibende Organismen und Stoffe immer derart getrübt ist, daß ein Sehen über 15 m hinaus überhaupt kaum möglich ist. Alles über einen solchen Umkreis Hinausreichende wird also dem Fisch wie in tiefe Dunkelheit gehüllt erscheinen. Dagegen ist nicht einzusehen, warum es dem nahe der Oberfläche schwimmenden Fisch nicht möglich sein sollte, auch einen Blick in die Welt jenseits der Wasserfläche zu werfen, obschon diese Möglichkeit von guten Fischkennern oft bestritten worden ist. Freilich wird diese Welt sich im Fischauge in [37] einer uns recht ungewohnt und seltsam anmutenden Weise widerspiegeln. Sehr hinderlich beim Sehen vom Wasser in die Luft ist nämlich der Umstand, daß jeder Lichtstrahl, der den Wasserspiegel in einem Winkel von mehr als etwa 48-1/2° trifft, nicht in die Luft übergehen kann, sondern ins Wasser zurückgeworfen, also »total reflektiert« wird. Infolgedessen wird der Fisch immer nur einen beschränkten, kreisförmigen Ausschnitt aus der Luftwelt überblicken können, dessen Grundfläche der eines Kegels von zweimal 48° entspricht und an Größe zu-, aber an Deutlichkeit abnimmt mit der Tiefe, in der sich das Fischauge befindet. Wood hat in sehr sinnreicher Weise auf photographischem Wege zu zeigen versucht, wie sich so wohl die Welt in einem Fischauge gestalten mag, wobei natürlich immer eine ruhige und spiegelglatte Wasserfläche vorausgesetzt wird, da schon eine geringe Wellenkräuselung die entstandenen Bilder bis zur Unkenntlichkeit zu verzerren vermag. So erhielt Wood mit seiner »Wasserkamera« an der Kreuzung von 3 Straßen, die sich in rechtem Winkel trafen, eine Ansicht längs jeder der drei Straßen, und gleichzeitig hatten sich der Boden und der Himmel vom Horizont bis zum Zenith abgebildet. In einem Zimmer wurde ein Bild gewonnen, auf dem drei Wände, die ganze Decke und der Fußboden sichtbar waren. Eine gerade Reihe von neun Männern auf einem geraden Gartenweg erschien im Halbkreis gebogen. Solche wunderbare Bilder von der Außenwelt muß also in ruhigem und klarem Wasser auch das Fischauge auf seiner Netzhaut empfangen. Im allgemeinen dürfen wir wohl annehmen, daß der Fisch von der Oberwelt den Eindruck hat, als ob die ganze Wasserfläche oben mit einem undurchsichtigen Dach verdeckt wäre, in das ein rundes Fenster eingeschnitten ist. Auch werden ihm die einzelnen Gegenstände stets etwas höher erscheinen, ein auf dem Erdboden gehender Mensch also etwa so, als ob er in der Luft schwebte. Es gibt sogar eine Zahnkarpfenart (Anableps tetrophthálmus), die es zu richtigen Doppelaugen gebracht hat, indem Hornhaut und Sehlöcher durch Zweiteilung je ein Luft- und ein Wasserauge entwickelten. Der Fisch schwimmt unmittelbar an der Oberfläche so, daß die Luftaugen aus dem Wasser heraussehen und ihrer Aufgabe ebensogut gerecht werden können, wie die tiefer liegenden Wasseraugen im feuchten Elemente selbst.
Besonders gut entwickelte Augen gehen in der Regel parallel mit wenig entwickelten Tastorganen oder Seitenlinien, so daß wir bei [38] den Fischen ähnlich unterscheiden können wie bei den Säugern, wo wir mit einer gewissen Berechtigung von Augen- und Nasentieren sprechen. Solche Fische, die in größeren Tiefen leben, in denen nur mattes Dämmerungslicht herrscht, haben oft ganz riesenhaft entwickelte Augen, um die wenigen sich nach dort verirrenden Lichtstrahlen sicher auffangen zu können. Dies ist auch die Region, in der man Fische mit Teleskop- oder beweglichen Stielaugen antrifft, und überhaupt hat gerade hier die Natur ihre ganze Erfindungsgabe und Schöpferkraft aufgeboten, um auch unter den ungünstigsten Bedingungen noch ein gewisses Sehen zu verschaffen, scheinbar Unmögliches möglich zu machen. So haben gewisse Teleskopfische in dem über den Kopf hervorragenden Abschnitt der Augenröhre ein Fenster in der Farbstoffschicht, das die Rolle eines »Spion«-Spiegels spielt und das Gesichtsfeld des Tieres nicht unwesentlich erweitert. Noch raffinierter ist die Art und Weise, wie bei manchen Tiefseefischen Leuchtorgane und Augen zusammenwirken. So wirft bei der Gattung Argyropélecus ein neben dem Teleskopauge sitzendes Leuchtorgan sein Licht unmittelbar ins Auge hinein, während es nach außen durch eine Farbstoffschicht abgeblendet ist. In noch größerer Tiefe, wo ewige Dunkelheit herrscht, werden die Augen schließlich überflüssig und verkümmern deshalb mehr und mehr. Ähnliche Verhältnisse treffen wir bei den Höhlenfischen an, und wir können sie in geringerem Maße auch künstlich erzielen, wenn wir Fische jahrelang im Dunkeln halten. Ebenso haben Fischlarven oft nur rudimentäre Augen. Viel umstritten worden ist auch die Frage, ob die Fische farbenempfindlich sind oder nicht. Heß ist bei seinen Untersuchungen mit dem Spektrum zu der Überzeugung gelangt, daß die Fische vollständig farbenblind sind, daß sie also nicht verschiedene Farben, sondern lediglich verschiedene Helligkeitsgrade ein und derselben grauen Grundfarbe zu unterscheiden vermögen. Wenn sich das bewahrheiten würde, wäre es auch für die Fischerei von der größten Bedeutung. Aber wie so oft, steht auch hier wieder einmal die praktische Erfahrung den Ergebnissen des Laboratoriumsversuches schnurstracks entgegen. Obwohl die Versuche des berühmten Würzburger Ophtalmologen selbstverständlich in einer Fehlerquellen nach menschlichem Ermessen ausschließenden Weise ausgeführt sind, vermag ich mich mit dem Ergebnis doch nicht zu befreunden, da es feststeht, daß beim Angeln mit der künstlichen Fliege deren [39] Färbung eine recht wesentliche Rolle spielt, und da sonst auch das prächtig schimmernde Hochzeitskleid so vieler Fischarten, das doch ersichtlich einen erregenden Reiz auf die Weibchen ausübt, gar keinen Sinn und Zweck hätte. Und die Geschichte der Zoologie hat ja schon recht häufig gezeigt, daß solche praktische Erfahrungen sich als zuverlässiger erwiesen haben als das gekünstelte Experiment und früher oder später auch in einer wissenschaftlich einwandfreien Weise begründet werden konnten. Jedenfalls möchte ich keinem Sportangler raten, nun auf Grund der Heßschen Untersuchungen etwa sein Petriheil lediglich mit hell- oder dunkelgrauen Kunstfliegen versuchen zu wollen, obschon solche Fangarten wissenschaftlich recht interessant wären. Auch ist der Heßschen Hypothese gegenüber zu bedenken, daß ja dann die so überraschenden und zahlreichen Fälle von Farbanpassung bei den Fischen jeder Erklärung entbehren würden, und daß bei anderen Versuchen z. B. Raubfische sehr wohl zu unterscheiden verstanden, wenn man ihre Beutetiere in verschiedener Weise färbte. Mir scheint aus den Spektrumsversuchen lediglich hervorzugehen, daß die verwendeten Fische sich am liebsten in den am besten belichteten Wasserschichten aufhalten, nicht aber, daß sie gänzlich farbenblind sind.
Daß, wie eben erwähnt wurde, manche Fische zur Laichzeit ein farbenschimmerndes Hochzeitskleid anlegen, wird uns nicht weiter in Erstaunen setzen, nachdem wir bereits am Rohrbarsch gesehen haben, wie stark seelische Erregung die Färbung der Fische zu beeinflussen vermag, und nachdem wir wissen, daß die Allgewalt der Liebe auch bei den kaltblütigen Fischen nichts von ihrer Macht eingebüßt hat, sie vielmehr zu gewissen Zeiten mit einer so rückhaltlosen Leidenschaft beherrscht, daß ihr gegenüber selbst die Forderungen des ewig heißhungrigen Magens wochenlang völlig in den Hintergrund treten. Es ist nicht poetische Übertreibung, sondern es ist nackte Wahrheit, wenn man sagt: die Fische erglühen während der Fortpflanzungsperiode unter dem heißen Hauch der Liebe. Ein prächtiges Beispiel dafür bietet unser kleinster Karpfenfisch, der nur 6-7 cm (in der Nahe fand Geysenheimer eine Riesenform von 10 cm Länge) lang werdende, flinke und anmutige, ewig spiel-und necklustige Bitterling (Rhodéus amárus) oder Schneiderkarpfen, der den Namen nach seinem bitteren und ungenießbaren Fleische hat. Außerhalb der Laichzeit weicht das zierliche Fischlein, [40] das sich am liebsten scharenweise in toten, üppig bewachsenen Flußarmen aufhält und hier schlecht und recht von Gewürm und Pflanzenkost allerlei Art ernährt, nicht sonderlich von der üblichen Färbung anderer Kleinfische ab: blaugrün auf dem Rücken, silberglänzend an den Seiten, ein tiefgrüner Streif von der Körpermitte bis zur Schwanzwurzel. Aber mit Beginn der Laichzeit erstrahlt das sich dann sehr aufgeregt geberdende Männchen, das dann auch einen eigenartigen kreideweißen Warzenwulst an der Oberlippe bekommt, in herrlich schimmernden Regenbogenfarben. Prachtvoll smaragdgrün schillert dann der Streifen, glühend orangerot die Bauchseite, wunderbar stahlblau und violett der Rücken, während schwarze Säume das prächtige Rot der After- und Rückenflosse noch schärfer hervorheben, so daß das Tierchen in seiner feurigen Farbenglut der schönsten Goldfische und der buntesten Exoten spotten kann. Namentlich in Augenblicken geschlechtlicher Erregung scheint es förmlich aufzuleuchten, während unmittelbar nach der Milchabgabe die schönen Farben wieder für einige Zeit verblassen. Das Weibchen behält zwar seine schlichte Färbung bei, entwickelt aber dafür am After eine mehrere Zentimeter lange Legeröhre von rotgelber Färbung, die trotz ihrer Auffälligkeit erst 1857 durch Krauß beschrieben wurde, während ihre Bedeutung und Funktion erst 1869 durch Noll richtig erkannt wurde. Der Bitterling lebt nämlich in einer hochinteressanten [41] Symbiose[1] mit der Malermuschel und benötigt die Legeröhre dazu, seine gelblichen Eierchen durch deren Ausfuhröffnung in das Innere der Muschel einzuführen, worauf dann das vor Erregung zitternd im Wasser stehende Männchen seine Milch über dem Atemschlitz der Muschel ergießt. Da die Samenfäden eine starke Eigenbewegung besitzen, werden sie nicht wie Nahrungspartikelchen zum Munde der Muschel fortgestrudelt, sondern bohren sich zwischen ihren Flimmerhärchen hindurch, bis sie in den inneren Kiemenfächern mit den inzwischen gleichfalls dorthin gelangten Eiern zusammentreffen, um sie hier zu befruchten. Hat ein Bitterlingspärchen erst einmal eine geeignete Muschel ausfindig gemacht, so sucht es sie wiederholt heim, um ihr seine Liebesbürde anzuvertrauen, da das Weibchen jedesmal nur 1-2 Eier austreten läßt, wobei sich die Legeröhre gewaltig steift, um gleich danach wieder zusammenzufallen und am Schluß der Laichperiode gänzlich einzuschrumpfen. Die Fischchen sind in ihrem Fortpflanzungsgeschäft gänzlich auf die Muschel angewiesen, denn die Jungen entschlüpfen den Eiern in einem so unreifen Zustande, daß sie außerhalb der schützenden und stets einen frischen Wasserstrom unterhaltenden Kiemen gar nicht zu leben vermöchten. Sie nähren sich aber nicht etwa von den Körpersäften ihres Wirtstieres, sondern sind vielmehr lediglich Raumparasiten, die der Muschel weiter keinen Schaden zufügen. Trotzdem mögen die ungebetenen Gäste dieser unbequem genug sein, und sie versucht auch, sich ihrer durch krampfhafte Bewegungen zu entledigen, was aber in der Regel nur großen und alten Muscheln gelingt. Erschwert wird das noch dadurch, daß sich bei den Jungfischen hinter dem Kopfe ein Querwulst mit zwei kegelförmigen Fortsätzen entwickelt, der es ihnen erlaubt, sich in der Kiemenkammer sehr solid zu verankern. Übrigens sind die Fischchen schon nach 14 Tagen so weit, durch den Kloakensipho ihrer Stiefmutter in ihr eigentliches Element auswandern zu können. Und die Muschel vergilt später Gleiches mit Gleichem. Die von ihr ausgestoßenen Larven sinken nämlich zu Boden, lassen aber ihren langen klebrigen Byssusfaden nach oben spielen, bis sich Gelegenheit bietet, ihn einem vorüberschwimmenden Fisch anzuheften (und das ist meist wieder ein Bitterling), worauf die Jungmuschel ihre mit Haken versehene [42] Schale in die Haut des Fisches einschlägt. Dies gibt zu einer starken Wucherung Veranlassung, innerhalb derer die Muschellarve gemächlich und sicher 2-10 Wochen lang von den Säften des Fisches lebt, um erst als ausgebildete, wenn auch kaum größer gewordene Muschel die gastliche Stätte zu verlassen. Wahrlich, eine der wechselvollsten und anziehendsten Symbiosen, die die einheimische Natur uns zu bieten vermag und deren Beobachtung im Aquarium viel Freude bereitet.
[1] So nennt man das engere »Zusammenleben« von Lebewesen verschiedener Art, die einander wechselseitig nützen.
Mit dem Bitterling wetteifert der Stichling (Gasterósteus aculeátus) in der Farbenpracht des Hochzeitskleides, und auch bei ihm kommt ein eigenartiger und hochinteressanter Brutverlauf hinzu. Die gewöhnliche Farbe ist olivgrünlich auf der Ober- und silberweiß auf der Unterseite. Aber zur Laichzeit im Frühjahr wird das Männchen zu einem wahren Prachtkerl, der mit den schönsten Exoten erfolgreich zu wetteifern vermag. Vom satten Schiefergrau über Grün zum tiefsten Blau erstrahlt sein Rücken, während die Bauchseite wie mit Blut übergossen aussieht und das Auge im feurigsten Smaragdgrün schimmert. Mehr noch als bei Barsch und [43] Bitterling wirkt die jeweilige Erregung fördernd auf diese Farbenpracht ein, die geradezu als ein Gradmesser für den Seelenzustand des Fischchens angesehen werden kann. Namentlich bei Zorn und Kampflust leuchtet das Tierchen auf im feurigsten Rot und erscheint in solchen Augenblicken wie mit Röntgenstrahlen durchleuchtet. Denn unser Stechbüttel, wie er vom Volke gewöhnlich genannt wird, ist ein gar zornmütiger Gesell, dessen Raufsucht aller Beschreibung spottet. Die metallisch glänzenden Stacheln, von denen er drei auf dem Rücken und je einen an jeder Bauchseite trägt, bewähren sich selbst weit überlegenen Feinden gegenüber als eine gefährliche Waffe, und das Fischchen ist sich ihrer Furchtbarkeit auch wohl bewußt, scheut deshalb so leicht keinen Gegner, sondern greift jeden, namentlich zur Paarungszeit, mit wahrer Berserkerwut und bewundernswerter Tapferkeit an, wobei ihm seine große Schwimmgewandtheit auch nicht wenig zustatten kommt. Selbst die größeren Raubfische vergreifen sich nicht leicht an dem borstigen Gesellen, dessen Stacheln mit besonderen Sperrgelenken versehen und durch diese ebenso einfache wie sinnreiche und wirkungsvolle Einrichtung denen des Barsches weit über sind. Der Fisch hat also keine Muskelkraft nötig, um die Stacheln aufrecht zu erhalten, was ihn rasch ermüden müßte, sondern er braucht nur die Sperrvorrichtung am Gelenkkopf des Stachels einzuschalten, worauf dieser unverrückbar feststeht, so daß er selbst von einem Menschen nur unter Anwendung erheblicher Kraft und durch Zerbrechen des Sperrgelenkes niedergedrückt werden kann. Dagegen besorgt der Stichling selbst dieses Niederlegen der Stacheln mit Leichtigkeit durch einen einzigen Muskelzug, durch den der Gelenkkopf aus seiner Lage herausgehoben wird. Der russische Fischkundige Thilo ist übrigens der Ansicht, daß namentlich der Bauchstachel nicht nur als Waffe diene, sondern daß sich der Stechbüttel mit ihm durch Einstoßen in den Untergrund auch im reißenden Strome oder in der tosenden Brandung verankern könne und dadurch gleichfalls viel Muskelkraft erspare. Vielleicht halte das Tier auch in ähnlicher Stellung einen Winterschlaf. Die dem Stechbüttel von Natur aus schon jederzeit eigene Unruhe, Rastlosigkeit und Händelsucht steigert sich mit Beginn der Laichperiode zu einer wahrhaft heillosen Nervosität, die sich nicht selten in brutalen Mißhandlungen der schwächeren Weibchen durch ihre gestrengen Eheherren Luft macht. Aber gerade jetzt wird die Beobachtung [44] der jähzornigen Zwerge (nur ausnahmsweise wird der Stichling über 8 cm lang) doppelt unterhaltend, denn der Stichling gehört ja zu denjenigen Fischen, die im Wasser richtige Nester bauen, wie die Vögel im grünen Gezweig. Zunächst höhlt das Männchen in einem recht stillen und traulichen Winkel und am liebsten in Anlehnung an einen stärkeren Wasserpflanzenstengel eine Grube im sandigen Boden aus, die etwa Form und Größe eines halben Hühnereies hat und durch eifriges Fächeln mit den Flossen sauber gereinigt und geglättet wird. Dann geht es mit geradezu rührendem Fleiße an das Herbeischleppen von allerlei Baumaterial, wie es sich im Wasser treibend findet oder mit großer Kraftanstrengung von den Pflanzen abgerissen wird. Hälmchen, Würzelchen, Blätter, Stengel aller Art und selbst Steinchen müssen dazu dienen. Zuerst wird eine solide Unterlage geschaffen und fest zusammengekittet, indem der darüber stehende Fisch aus seiner Afteröffnung tropfenweise ein äußerst klebriges Nierensekret austreten läßt, das ihm also als Mörtel dienen muß. Dann führt der kleine Baukünstler die Seitenwände und schließlich mit besonderer Sorgfalt die obere Wölbung auf, so daß das Ganze Form und Größe einer mäßigen, länglichen Kartoffel erhält. Nach Schaffung der Eingänge erinnert das Gebilde sehr an einen kleinen Muff. Zuletzt wird durch wiederholtes Einbohren mit der Schnauze eine nett gerundete Eingangsöffnung geschaffen. Gar nicht hübsch genug kann der um diese Zeit selbst die Suche nach Nahrung vergessende Stechbüttel seine Hochzeitskammer bekommen. Immer hat er noch daran zu bessern und zu runden und zu glätten, hier ein widerspenstiges Hälmchen zurechtzubiegen, dort noch ein besonders gefallendes Würzelchen einzubauen. Während der ganzen, etwa 2-3 Tage umfassenden Bauzeit befindet sich der kleine Kerl in der leidenschaftlichsten Erregung, vor allem beim Erscheinen eines männlichen Artgenossen, mit dem sofort ein ingrimmiges Duell ausgefochten wird. Auch die Weibchen, die sich etwa neugierig und voreilig dem geheimnisvollen Wasserschloß nähern, werden rücksichtslos weggebissen, solange dieses nicht völlig vollendet ist. Sobald aber das fertige Werk endlich zu seiner Zufriedenheit ausgefallen ist, wird aus dem unverträglichen Neidhammel mit einem Schlage ein galanter, wenn auch sehr stürmischer und leidenschaftlicher Liebhaber. Fast tänzelnd nähert sich das farbenglühende Männchen den verschüchtert in irgendeinem Winkel des Wasserpflanzenwustes zusammengedrängten [45] Weibchen und sucht vor diesen seine Reize unter Aufbietung aller Schwimmkünste zu entfalten, wodurch er ihr Wohlgefallen in solchem Maße erregt, daß schließlich ein Exemplar mit reifem Laich seinen liebenswürdigen Werbungen und Einladungen nicht widerstehen kann, sondern ihm langsam und zögernd unter oftmaligem Ausreißen und Wiedergeholtwerden zu der so schön und sorgsam bereiteten Hochzeitskammer folgt. Zögert es, das kleine Heiligtum durch den engen Eingang zu betreten, so wird von dem seine Herrennatur auch jetzt nicht ganz verleugnenden Männchen durch Schläge mit der Schwanzflosse oder Stoßen mit dem Maule, im Notfalle selbst durch einen scharfen Sporenstich mit dem langen Mittelstachel gehörig nachgeholfen, und wenn die spröde Schöne erst einmal den Kopf ins Innere des Nestes gesteckt hat, legt sich das Männchen trotzig quer vor den Eingang und läßt seine Auserkorene nicht wieder heraus. Sie legt daher einige Eier ab, die eine Minute später von dem nachschwimmenden Männchen befruchtet werden, und bahnt sich dann mit der Schnauze auf der entgegengesetzten Seite einen Ausweg durch die Wandung, so daß also das Nest von diesem Augenblicke an zwei Öffnungen aufzuweisen hat. Nach einer Erholungspause begibt sich das Männchen abermals auf die Brautschau und wiederholt dieses Spiel so lange, bis ihm die Zahl der im Neste aufgespeicherten glashellen und mohnkorngroßen Eier genügend erscheint. Hat es so seinen Zweck erreicht, so wird es sofort wieder zum brutalen Tyrannen und verfolgt jedes sich nähernde Weibchen mit solcher Roheit, daß es nicht selten an den Folgen der erlittenen Mißhandlungen eingeht. Freilich hat der kleine Bosnickel dazu auch einen gewichtigen Grund, denn das Hochzeitsbett hat sich ja jetzt zur Kinderwiege gewandelt, und nun heißt es, Vaterpflichten zu erfüllen. Und die sind gerade im Stechbüttelleben wahrlich nicht leicht, erfordern vielmehr eine beispiellose Aufopferung und Selbstverleugnung. Fortwährend steht der Herr Papa vor seiner Kinderstube auf der Lauer und schießt wie ein schimmernder Pfeil auf jedes Lebewesen los, dem nur irgendwie Appetit auf Kaviar zuzutrauen wäre. Am meisten versessen auf die Eier sind die kannibalischen Stichlingsweibchen selbst, und so erklärt es sich wenigstens, daß der heißblütige Gemahl ihnen gegenüber so rauhe Saiten aufziehen muß. Ist er nicht gerade im Kampfe mit einem wirklichen oder vermeintlichen Feinde oder auf dessen Verfolgung begriffen, so steht er steil [46] über der Eingangsöffnung und erzeugt in dieser durch beständiges Fächeln mit den Flossen und mit einer Ausdauer und Unermüdlichkeit, die uns die größte Achtung abnötigen müssen, einen frischen Wasserstrom kräftigster Art, so daß den Eiern immer genügend Sauerstoff zugeführt wird und sie nicht der Verpilzung anheimfallen können. Sind ihnen nach etwa 5-6 Tagen die winzigen Jungen entschlüpft, so beginnt für den vielgeplagten Vater erst recht eine schwere Zeit, denn er muß sich bemühen, dieses kribbelige hundertköpfige Kindergewimmel in Ordnung zu halten und die unbeholfenen und wehrlosen Kleinen vor einem vorzeitigen Verlassen des schützenden Nestes zu bewahren. Aber das fällt schwer genug, denn schon in diesen Liliputanern kreist das unruhige Stichlingsblut. Hier erwischt der Papa gerade noch einen der leichtsinnigen Ausreißer, verschluckt ihn und speit ihn dann behutsam wieder in das auch fortwährende Ausbesserungen nötig machende Nest zurück, und dort sind dafür schon wieder zwei andere in die fremde Welt hinausgestürmt. Erst wenn die Jungen nach etwa 14 Tagen einigermaßen selbständig geworden sind, erkaltet allmählich die treubesorgte Liebe des Stichlingsmännchens, und bald darauf kümmert es sich gar nicht mehr um seine Nachkommenschaft. Aber seine aufopfernde Brutpflege hat es doch fertig gebracht, daß die meisten Eier zu lebensfähigen Jungen wurden, und so erklärt es sich auch, daß der Stichling mit einer Eierzahl von nur 60-80 pro Jahr und Weibchen sein Auslangen findet, die doch dem Eierreichtum anderer Fische gegenüber verschwindend gering erscheint. Ja, die Vermehrung der Stichlinge ist bisweilen so stark, daß in ihren Wohngewässern Übervölkerung eintritt und dann ein großes Massensterben anhebt, so daß die verwesenden Kadaver von Hunderttausenden von Stechbütteln weithin die Gewässer verpesten. Auch unter Schmarotzern hat der Stichling vielfach zu leiden, und namentlich finden sich in seinem Leibe oft Eingeweidewürmer (Schistocéphalus) von solcher Größe und in solcher Zahl, daß sie ihm den Bauch unförmlich auftreiben und schließlich zum Platzen bringen. Wenn man den Stichling seinem Benehmen nach mit dem Kampfhahn unter den Vögeln vergleichen könnte, so hinsichtlich seiner Ernährungsweise sicherlich mit der Spitzmaus unter den Säugetieren. Mit unersättlicher Raubgier stürzt sich der stachlige Heißsporn auf alles, was er bewältigen zu können glaubt, und er hat ja von seinen eigenen Kräften keine [47] geringe Vorstellung. Besäße er die Größe und Kraft eines Wellers, er würde in wenigen Jahren alle Gewässer der Erde entvölkern. Namentlich in Nord- und Ostdeutschland fehlt er keinem pflanzenreichen Teich, toten Flußarm oder auch nur Wassergraben, aber im ganzen Donaugebiet ist er eine unbekannte Erscheinung. Er gewöhnt sich auch an das Leben im Meerwasser und bildet dann die Panzerplatten an seinen Körperseiten noch stärker aus. Die Systematiker haben aus solchen Abänderungen eigne Arten machen wollen, sind aber dabei entschieden im Unrecht, wie die biologischen Forschungen erwiesen haben, da sich in einem Neste oft verschiedene dieser angeblichen Arten vereinigt finden. So hervorragend interessant und intelligent unser Fischchen dem Auge des Naturfreundes erscheint, so wenig will doch in der Regel der Berufsfischer von ihm wissen, der ihm nachsagt, daß er ein böser Feind des Fischlaiches und der Fischbrut, sowie ein arger und kaum aus dem Felde zu schlagender Nahrungswettbewerber für die wertvollen Speisefische sei. Auch in gesundheitlicher Beziehung bringe sein häufiges Massensterben nicht zu unterschätzende Gefahren mit sich. Das mag alles bis zu einem gewissen Grade seine Richtigkeit haben, aber wir wollen gerade in letzterer Beziehung nicht vergessen, daß eben der Stichling einer der wirksamsten Vertilger der Stechmückenlarven ist, also der Anópheles, die als Trägerin und Verbreiterin der gefürchteten Malaria-Blutparasiten gilt. Als Braten kann der Stechbüttel schon wegen seiner Kleinheit nicht in Betracht kommen, aber er wird doch bisweilen so massenhaft gefangen, daß man ihn als wertvollen Dung auf die Felder hinausfährt oder zum Tranauskochen benutzt. So wird allein im Pillauer Tief und den angrenzenden Gewässern aus Stichlingen alljährlich durchschnittlich für 22000 Mark Tran gewonnen, in manchen Jahren sogar mehr als das Dreifache. Ein Vetter des Stechbüttels, der 7-11 Rückenstacheln führende Zwergstichling (Gasterósteus pungítius) ist unser kleinster Fisch, da er 6 cm Gesamtlänge kaum überschreitet (als winzigster Fisch der Erde gilt der nur 1-1/2 cm lang werdende Luzonfisch der Philippinen). Sein Hochzeitsgewand ist nicht so farbenprächtig wie bei der größeren Art, wirkt aber dafür vornehmer: ein tiefes, gesättigtes Sammetschwarz, aus dem sich die smaragdgrün funkelnden Augen ganz wundersam herausheben. In der Nestanlage unterscheidet er sich insofern, als er seinen Bau stets schwebend an Wasserpflanzen frei befestigt. [48]
Weitaus nicht von der bestechenden Farbenschönheit wie bei Stechbüttel und Bitterling, aber dafür um so merkwürdiger und eigenartiger, jedenfalls viel dauerhafter und nicht fortwährenden Schwankungen und Gemütsaufwallungen unterworfen ist das hochzeitliche Gewand bei der Karpfengruppe. Hier erhalten nämlich die Männchen zu Beginn der Laichzeit am Vorderkörper einen weiß glänzenden Perlausschlag, der später gelblich wird und schließlich von selbst wieder abfällt. Der uns vertrauteste Fisch, der Karpfen (Cyprínus cárpio), darf gewissermaßen als das Urbild der Fischgestalt gelten, sozusagen als der Fisch an sich, und doch ist es gar nicht so leicht, diese zur Weihnachtstafel so hochwillkommene Erscheinung naturgeschichtlich einigermaßen richtig zu kennzeichnen. Das hängt vor allem damit zusammen, daß der Karpfen wie jedes vom Menschen gezüchtete Haustier — und wenigstens als ein halbes Haustier muß er heute wohl bezeichnet werden — im Laufe der Jahrhunderte eine Menge Varietäten ausgebildet hat, die ihrerseits wieder vielfach ineinander übergehen oder miteinander verbastardiert werden. Da gibt es z. B. die hochrückigen und schnellwüchsigen, durch delikates Fleisch ausgezeichneten, aber in der Nahrung wählerischen und auch sonst ziemlich empfindlichen Galizier, als Gegenstück zu ihnen die Lausitzer mit breitem und niedrigem Rücken, geringerem Fleisch, aber besonders stark entwickelten Geschlechtsprodukten, von langsamerem Wachstum, aber anspruchslos und unempfindlich, wie es nur ein Fisch sein kann, und so hat fast jede Karpfengegend ihre besonderen Eigenheiten aufzuweisen, die das geschulte Auge des Kundigen sofort erkennt und danach die Herkunft des Fisches mit erstaunlicher Sicherheit zu bestimmen vermag. In bezug auf die Beschuppung seien als bekannte Rassen genannt der schuppenlose Lederkarpfen und der hochgeschätzte Spiegelkarpfen, bei dem zwar auch größere Teile des Leibes nackt sind, während sich über andere streifenförmig angeordnete plattenförmige Schuppen von außerordentlicher Größe hinziehen, die ersichtlich aus der Verschmelzung mehrerer kleiner Einzelschuppen hervorgegangen sind. Diese Rassen lassen sich aber weder bisher rein durchzüchten, noch sind sie besonderen Gegenden eigentümlich. Auch an krankhaften Abnormitäten fehlt es gerade beim Karpfen keineswegs. So gibt es Zwitter, Gistlinge, Mopsmäuler, Albinismen mit Goldschuppen, schwanzlose Exemplare usw. Der behäbige Karpfen, der so viel sattes Behagen und eine so spießbürgerliche [49] Selbstzufriedenheit zur Schau trägt, hat oft als der deutscheste Fisch gegolten, und doch ist er wahrscheinlich ebensogut ein Fremdling in unseren Gewässern, wie Fasan und Kaninchen in unseren Wäldern und Fluren, wenn er sich auch das Bürgerrecht schon längere Zeit ersessen hat. Zwar will Nehring in jungen, jedoch immerhin vormenschlichen norddeutschen Erdablagerungen versteinerte Karpfenreste gefunden haben, wonach also der Fisch von jeher bei uns ansässig gewesen sein müßte, aber ich möchte doch Marshall beipflichten, wenn er meint, daß hier wohl eine Verwechslung mit der Karausche vorliege, denn die Schuppen, Gräten und Kopfknöchelchen dieser beiden so ähnlichen und sich oft fruchtbar miteinander vermischenden Fische wird wohl auch der scharfsinnigste Gelehrte kaum mit Sicherheit voneinander zu unterscheiden vermögen, noch dazu in versteinertem Zustande. Wahrscheinlicher ist wohl, daß die Urheimat des Karpfens im fernen Orient zu suchen ist, von wo er durch die Römer, die übrigens gerade an diesem Fisch keinen besonderen Geschmack fanden, so lüsterne Fischesser sie sonst auch waren, zuerst nach Südeuropa und erst in karolingischer Zeit nach Deutschland gebracht wurde, während er heute fast in der ganzen Kulturwelt zu finden ist. Viererlei verlangt der Karpfen stets und überall von seinem Aufenthaltsorte, wenn er gedeihen und sich ordentlich fortpflanzen soll: schlammigen Untergrund, intensive Besonnung, weiches und ruhiges Wasser mit genügender Vegetation und zum Laichen geschützte und seichte Stellen. Rasch fließende Gebirgswasser mit sandigem oder kiesigem Untergrund meidet dieser Fisch durchaus. Er gehört zu den sogenannten Friedfischen, ist also kein grimmiger Räuber, sondern ein gemütlicher Allesfresser, der namentlich allerlei kleines Gewürm, aber auch Pflanzenteile verzehrt. Seinen endständigen, mit 4 Barteln versehenen, dicklippigen und sehr beweglichen Mund benutzt der Karpfen zwar nicht zum Küssen, wie Marshall launig bemerkt, obwohl er sich dazu wegen seines großen Nervenreichtums ganz hervorragend eignen würde, wohl aber zum fleißigen Durchwühlen des Bodenschlamms, dem er seine meiste und zusagendste Nahrung entnimmt. Bei seiner faulen Lebensweise schlägt sie ihm auch recht gut an, und so wird der Fisch als »bemoostes Haupt« ein großer Phlegmatiker, dem so leicht nichts seine beschauliche Lebensweise stört. Der Studentenausdruck »bemoostes Haupt« stammt übrigens gerade vom Karpfen her und ist [50] bis zu einem gewissen Grade sogar wörtlich zu nehmen, wenn es auch nicht gerade Moos ist, das den ehrwürdigen Kopf eines solchen Methusalem, dem oft vor Altersschwäche sämtliche Schuppen ausgefallen sind, mit einem grünen Schleier überzieht, sondern lediglich gewisse, an ihm schmarotzende Parasiten. Solche alte Karpfen haben, obschon sie zuletzt kaum noch wachsen, natürlich auch eine entsprechende Länge und ein recht ansehnliches Gewicht, obschon im allgemeinen bereits 40pfündige Karpfen zu den Seltenheiten gehören. Am schmackhaftesten sind sie bei Eintritt der Geschlechtsreife, also im dritten Lebensjahr, weshalb auch drei- und viersömmerige Karpfen im Gewicht von 1-1/2 bis 2 kg die gesuchteste und am besten bezahlte Marktware bilden. In einer Beziehung ist der gern gesellig lebende Karpfen den farbenschönen Fischarten, die vorher geschildert wurden, entschieden über, nämlich in bezug auf Fruchtbarkeit, worauf ja schon sein wissenschaftlicher Name (auch der deutsche dürfte auf eine Verstümmelung desselben zurückzuführen sein) hinweist, der an die zyprische Liebesgöttin als Beschützerin der Fruchtbarkeit erinnert. Es ist in der Tat erstaunlich, welche Unmenge von Eiern so ein Karpfenleib zu produzieren vermag. Während man früher auf 3-600000 Eier beim Rogner schloß, haben neuerdings genaue Schätzungen durch Staff ergeben, daß selbst diese ungeheuerlichen Zahlen noch weitaus zu niedrig gegriffen waren. Es kommen vielmehr auf jedes Kilo Fleischgewicht nahezu 400000 Eier, also auf einen halbwegs erwachsenen Mutterfisch etwa 1,6 bis 1,7 Millionen! Auf einer bayrischen Fischereiausstellung wurden kürzlich einem Karpfen, bei dem infolge Laichverhaltung eine Verflüssigung der Eierstöcke eingetreten war, nicht weniger als 1700 ccm Flüssigkeit abgezapft. Es können also ungezählte Massen davon als Eier oder Jungfischchen zugrunde gehen, ohne den Bestand der Art im geringsten zu gefährden, denn es genügt vollkommen, wenn nur je 10000 Eier einen Fisch liefern. Die stecknadelkopfgroßen Eier werden an Wasserpflanzen angeklebt, und das Laichgeschäft vollzieht sich unter vielem Geplätscher an ganz seichten Stellen. Bei der Beliebtheit, deren sich das zarte Karpfenfleisch heutzutage allenthalben erfreut, und bei der großen Lebenszähigkeit dieses Fisches, die seine Versendung auf weite Entfernungen hin gestattet, wird Karpfenzucht in allen dazu geeigneten Gegenden mit viel Eifer und Erfolg betrieben, und der Karpfen ist der wichtigste Bewohner [51] unserer Fischteiche geworden. Hauptbedingung für eine erfolgreiche Karpfenzucht im großen ist, daß man über verschiedene Arten von Teichen verfügt: kleine, sonnige, pflanzenreiche, flache Zuchtteiche, die erst unmittelbar vor der Laichperiode bespannt werden, um keine Parasiten aufkommen zu lassen, größere Zuwachsteiche mit reichlichem Naturfutter, die in der Mitte eine vertiefte, nie ausfrierende Mulde zum Überwintern der Fische haben müssen, und endlich Kaufgutteiche, in denen die Karpfen vollends die marktfähige Größe erreichen sollen. Um das zu beschleunigen, wird auch noch besonders gefüttert, und es kommt darauf an, Futtermittel zu wählen, die das in ihnen angelegte Geld möglichst rasch in möglichst viel gutes und wertvolles Fischfleisch verwandeln. Namentlich in Schlesien, Böhmen und Galizien befinden sich großartige Karpfenzuchtanstalten dieser Art. Gewonnen wird der weitaus größte Teil des auf den Markt gelangenden Karpfenfleisches durch Ablassen der Teiche, da der träge und alles Verschluckbare vorher vorsichtig betastende Fisch nur schlecht nach der Angel geht und auch seiner bodenständigen Lebensweise halber nicht gut in größerer Menge mit dem Netz zu fangen ist. Vor Weihnachten ist Hochsaison auf dem Karpfenmarkt. Dann tragen ganze, besonders dazu eingerichtete Eisenbahnzüge die schmackhaften Schuppenträger aus Galizien und Schlesien nach Norden, oder eigens für diesen Zweck zusammengestellte Flöße mit eingebauten Fischkästen bringen sie auf der Moldau und Elbe nach unserer Reichshauptstadt. Blau gesotten, gebacken, als Bierfisch oder mit Paprikatunke — kurz, in jeder Form bildet dieser nützliche Fisch eine gesunde und fast allgemein beliebte Speise. Nur ist zwischen Karpfen und Karpfen ein großer Unterschied. Vor allem muß der Fisch ganz frisch sein, was die Hausfrau an den blanken und klaren Augen und daran erkennen kann, daß ein Fingerdruck auf das Rückenfleisch sofort wieder verschwindet. »Frische Fische — gute Fische« sagt sehr richtig das Sprichwort. Leider hat sich bei uns die Karpfenzucht nachgerade fast zu einem Privileg des Großgrundbesitzes herausgebildet. Und doch läßt sich der Fisch selbst in den elendesten Dorfteichen mit großem Erfolg, wenn auch nicht züchten, so doch mästen. In dieser Beziehung geschieht noch viel zu wenig, denn so können sonst fast ertragslose Wasserflächen noch eine schöne Rente abwerfen.
Gerade bei dem langsam durch die Fluten ziehenden Karpfen [52] lassen sich sehr gut die Schwimmbewegungen des Fisches beobachten und studieren. Bei aufmerksamer Betrachtung werden wir sehen, daß es nicht eigentlich die Flossen, oder diese doch nur in geringem Grade sind, die den Fisch fortbewegen. Das hauptsächliche Fortbewegungsorgan ist vielmehr der Schwanz, überhaupt die ganze hintere Körperhälfte. Sie ist mit zwei Reihen starker Muskelzüge ausgestattet, durch deren Zusammenziehen kräftige Schläge gegen das Wasser geführt werden, und zwar in einer derartigen Richtung, daß sie den Fisch vorwärts treiben müssen. Abwechselnde Biegungen der Schwanzflossenzipfel können allerdings auch nach Art einer Schiffsschraube wirken und den Fisch langsam vorwärts bringen. Die paarigen Flossen aber wirken lediglich regulierend und steuernd, während After- und Rückenflosse die Körperfläche vergrößern und ein Hin- und Hergeworfenwerden des Fisches bei den heftigen und wechselnden Schwanzschlägen verhindern. Experimentatoren haben nachgewiesen, daß ein der Rückenflosse beraubter Fisch im Zickzack schwimmt, daß er sich bei einseitiger Entfernung der das Gleichgewicht haltenden Brust- und Bauchflossen auf die Seite legt, daß bei Entfernung beider Brustflossen das Vorderende tief sinkt und daß nach Abschneiden sämtlicher paariger Flossen der Fisch auf dem Rücken schwimmt. Ein Vorwärtsschlagen der Brustflossen ermöglicht ein langsames Rückwärtsschwimmen. Der französische Gelehrte Houssay hat übrigens durch vergleichende Experimente mit einer großen Zahl künstlicher Modelle festgestellt, daß der Fischkörper, der ja auch für die menschliche Schiffstechnik vorbildlich und maßgebend gewesen ist, gerade in bezug auf die leichte Überwindung des Wasserwiderstandes heute von unseren Schiffsmodellen bereits überholt ist, daß er aber in bezug auf Stabilität, also das Vermögen, die richtige Lage im Wasser beizubehalten, noch unerreicht dasteht. In dieser Beziehung sind namentlich die paarigen Fischflossen ein ganz unübertreffliches Werkzeug. Weitere Versuche von Alliaud und Vles mit elektrisierten Fischen haben gezeigt, daß die Fische eine stete Muskelanstrengung aufwenden müssen, um sich in den Fluten ihre gewöhnliche Lage zu erhalten. Setzt man diese Muskelkraft durch den elektrischen Strom außer Tätigkeit, so dreht sich der Fisch sofort um und treibt hilflos auf dem Rücken. Er gleicht also nicht einem Schiff, sondern einem Radfahrer, der sich ja auch mit fortwährender Muskelarbeit im Gleichgewicht erhalten muß. Ein anderer französischer [53] Gelehrter, Regnard, hat auf sinnreiche Weise Untersuchungen über die Schnelligkeit der schwimmenden Fische angestellt. Er ließ kreisförmige Wasserrinnen herstellen, die durch einen elektrischen Motor gedreht wurden, worauf die eingesetzten Versuchsfische gegen den Strom zu schwimmen suchten. Wenn sie dann trotz aller Anstrengungen auf der gleichen Stelle stehen blieben, mußte ihre Geschwindigkeit gleich der Drehungsgeschwindigkeit des Apparates sein. Es ergab sich, daß die Schwimmgeschwindigkeit von Karpfen und Weißfischen etwa das Zehnfache ihrer Körperlänge in der Sekunde beträgt, daß aber ihre Ausdauer bei solch höchster Kraftanspannung nur gering ist, und bald Ermüdung eintritt. Die Schwimmgeschwindigkeit verminderte sich sofort auf ein Drittel, wenn man die Schwanzflosse abschnitt, während die Entfernung von Brust- oder Bauchflossen nur dann einen größeren Einfluß ausübte, wenn sie lediglich auf einer Seite geschah. Von der so ermittelten Schnelligkeit ist natürlich diejenige verschieden, die die Fische beim Rauben oder auf ihren Wanderungen entwickeln. Den Rekord soll die Forelle mit 35 km in der Stunde halten; der Hecht soll 23-27, die Barbe 18, Karpfen, Schleie und Aal 12 km in der Stunde zurücklegen können. In Siam veranstaltet man in langen Aquarien sogar besondere Wettrennen zwischen verschiedenen Fischarten, und der auch in Europa wohlbekannte verstorbene König Chulalongkorn soll bei einem solchen Rennen einmal eine seiner Frauen verwettet haben.
Im Zusammenhange mit diesen Betrachtungen seien auch gleich noch der für die Fische vielfach so kennzeichnenden Schwimmblase und ihrer biologischen Bedeutung einige Worte gewidmet. Sie fehlt als zwecklos den echten Grundfischen, die keinen Druckschwankungen ausgesetzt sind, aber auch manchen guten Schwimmern, wie dem Hai und der Makrele, ohne daß wir bisher wissen, warum, und wodurch sie ihnen ersetzt wird. Sie ist ein aus luftdichten Häuten bestehender Sack zwischen Darm und Nieren, der sich oft durch die ganze Leibeshöhle erstreckt, aber nach Form und Ausdehnung sehr verschieden gestaltet ist. Beim Karpfen ist sie durch eine Einschnürung in zwei Teile zerlegt, die Flughähne haben zwei nebeneinander liegende Blasen, der Schlammbeißer eine in eine Knochenkapsel eingehüllte.
Im embryonalen Zustande hat die auf eine Darmausstülpung zurückzuführende Schwimmblase stets einen zu ihrer Füllung dienenden [54] Luftgang, der z. B. den Ganoidfischen auch im Alter verbleibt, während er bei der Mehrzahl der erwachsenen Fische verschwunden ist. Das Organ dient einmal dazu, das spezifische Gewicht des Fisches durch Ausdehnung oder Zusammenziehung zu regeln und ihm damit ein leichtes Auf- oder Niedersteigen zu ermöglichen. Diese Zusammenziehungen geschehen in der Hauptsache passiv durch den Wasserdruck und nur zum geringen Teile aktiv durch die ziemlich schwach entwickelte Blasenmuskulatur, die mehr zur Verlegung des Schwerpunktes dient und besonders bei plötzlichem Höhenwechsel in Tätigkeit tritt. Die endgültige und für längere Zeit wirksame Einstellung der Schwimmblase auf ein bestimmtes Höhenniveau aber erfolgt unter Ersparung von Muskelkraft lediglich durch Abscheidung von Sauerstoff in ihren leeren Raum oder durch das Einsaugen von solchem aus ihm. Schon Moreau hat 1876 erkannt, daß das die Schwimmblase füllende Gas in der Hauptsache reiner Sauerstoff ist, aber erst 1903 hat uns Jäger-Gießen darüber aufgeklärt, wo und wie dessen Abscheidung geschieht. Er entdeckte an der unteren Wand der Schwimmblase eine sehr verschieden starke (bei Süßwasserfischen nur 2-4, bei Seewasserfischen 20 und mehr Schichten) Anhäufung eigentümlicher Drüsenzellen, die durch eine vergiftende Tätigkeit die roten Blutkörperchen vernichten, wodurch der Sauerstoff frei wird, sich verdichtet und in das Innere der Schwimmblase strömt. Er nannte dieses Organ den »roten Körper«. Will der Fisch sich in einem höheren Niveau aufhalten, so muß das Gegenteil geschehen, der Sauerstoff muß wieder aus der Blase entweichen können. Diese Zurückleitung des Sauerstoffes in das Blut besorgt das im oberen Teile der Schwimmblase gelegene, durch Muskelwirkung zu öffnende oder zu schließende »Oval«, das auffallenderweise allen denjenigen Fischen fehlt, die einen Luftgang besitzen. Eingeleitet werden alle diese Vorgänge durch Nervenreizungen, und Thilo hat nachgewiesen, daß ein Druck auf die Schwimmblase Hebel in Bewegung setzt, die auf eine Platte im Rückenmark wirken, so daß Druckschwankungen den Fischen unmittelbar zum Bewußtsein gelangen. Man könnte also die Schwimmblase fast auch als ein Sinnesorgan ansehen, und jedenfalls erspart sie dem Fische sehr viel Muskelarbeit. — Obwohl die Fische bei ihrem ständigen Aufenthalt in einem flüssigen Medium ein wirkliches Durstgefühl kaum kennen werden, verschlucken sie doch schon rein zufällig eine Menge Wasser, und es ist auch kaum [55] anzunehmen, daß dieses für den Aufbau ihres Körpers entbehrt werden könnte. Wenigstens haben Versuche mit gefärbtem Wasser, die die biologische Anstalt in Friedrichshafen anstellte, unzweifelhaft ergeben, daß die Fische Wasser auch in den Magen aufnehmen. Dadurch erklärt es sich auch, daß man bisweilen sogar betrunkene Fische findet, die die tollsten Kapriolen vollführen, nämlich da, wo Hefenfabriken den als Nebenprodukt bei der Hefenfabrikation gewonnenen Spiritus der Steuerersparnis halber einfach ins Wasser laufen lassen. Dann gibt es billige Hefe, aber dafür betrunkene Fische.
Ein großer Teil unserer heimischen Fische gehört zur Verwandtschaft des Karpfens. Da ist zunächst die kleinköpfige und dünnlippige, selten mehr als 3/4 kg schwer werdende Karausche (Carássius carássius), die oft von Aquarienfreunden, die schon Hunderte wertvoller Exoten gezüchtet haben, mit dem Karpfen verwechselt wird, obschon bei aller Ähnlichkeit des Körperbaus ein einziger Blick auf den kleinen Mund genügt zur sofortigen Unterscheidung, indem der Karpfen stets Barteln besitzt, die Karausche aber niemals. Sie vermischt sich auch fruchtbar mit dem Karpfen [56] und wird deshalb in Zuchtteichen nicht gern gesehen, da sie mit ihrem minderwertigen, grätigen Fleisch die ganze Nachzucht zu verderben vermag. Auch im schmutzigsten und modrigsten Wasser hält dieser zähe und anspruchslose Fisch aus, denn überall findet er seine unreinliche Nahrung. Die ältesten Tierzüchter der Welt, Chinesen und Japaner, haben aus der Karausche schon vor uralten Zeiten einen farbenschönen Sportfisch herangezüchtet, der fast eine ähnliche Rolle spielt, wie der allverbreitete Kanarienvogel, und der als Goldfisch einen einzig dastehenden Siegeszug auch durch ganz Europa angetreten hat. Mancherlei absonderliche Spielarten, wie Teleskopfische und Schleierschwänze, sind dann weiter aus ihm hervorgegangen. Was den Goldfisch dem Laien so sehr empfiehlt, ist außer seiner bestechenden Farbenschönheit namentlich seine geradezu rührende Anspruchslosigkeit, die auch die ärgste Vernachlässigung und die naturwidrigste Behandlung geduldig hinnimmt, aber der echte Tierfreund wird an diesem Kunstprodukt doch nur wenig Gefallen finden; dazu ist der Goldfisch zu langweilig und zu stumpfsinnig. Ein ganz ausgesprochener Bodenfisch, der sich bei Gefahr geradezu in den Schlamm einzuwühlen pflegt und dadurch vielen Nachstellungen entgeht, ist die grünliche Schleie (Tínca tínca). Ihre unglaubliche Genügsamkeit und sehr geringes Sauerstoffbedürfnis ermöglichen ihr das Dasein selbst in den verjauchtesten Tümpeln. Ihr fettes und zartes Fleisch gereicht der vornehmsten Tafel zur Zierde, wenn man nur die Vorsicht übte, den Fisch vor dem Schlachten einige Wochen in fließendem Wasser zu halten, damit er den ihm meist anhaftenden Modergeschmack verlieren konnte. Um die Teichwirtschaft macht sich der träge Fisch durch fleißiges Vertilgen der schädlichen Fischegel verdient, wenn er auch andrerseits als Wettbewerber um die Nahrung der wertvolleren Karpfen von den Fischzüchtern nur widerwillig in den Teichen geduldet wird. Auch von dieser Form ist eine prachtvolle Spielart als Goldschleie bekannt. Interessanter als diese langweiligen Gesellen ist der kleinere, gestreckter gebaute und mit zwei Bartfäden versehene Gründling oder Greßling (Góbio góbio). Dieser sehr gesellige Fisch, dem man eine besondere Vorliebe für das Aas nachsagt, bevorzugt klares, fließendes Wasser mit sandigem oder kiesigem Untergrunde, findet sich aber auch an anderen Örtlichkeiten, selbst in unterirdischen Gewässern, so in der berühmten Adelsberger Grotte. Die bläulichen Eier werden im Kiesgeröll ganz seichter Bäche [57] abgesetzt, worauf dann die Greßlinge wieder in ihre tieferen Wohngewässer zurückkehren. Beim Ablaichen reibt das vom Männchen an eine entsprechende Stelle getriebene Weibchen seine Bauchfläche am Kiese, wobei der Kopf und der ganze Rücken für 1/2-3/4 Minuten aus dem Wasser hervorsehen. Die Jungen schlüpfen bei genügender Wärme schon nach drei Tagen aus und hängen dann noch mehrere Tage wie kleine graue Kommas an Steinen und Pflanzen umher, ehe sie die ersten unbeholfenen Schwimmversuche beginnen. Auch im Aquarium, für das sich dieser bescheidene Fisch überhaupt gut eignet, ist er schon gezüchtet worden, und soll dabei, wie ein russischer Beobachter mitteilt, sich zum Laichen eine besondere Grube hergerichtet haben. Trotz seiner geringen Größe findet der Gründling auch für die Küche gern Verwendung, da sein zartes Fleisch von hervorragendem Wohlgeschmack ist. Im Donaugebiet wird unsere Art durch den Steingreßling (Góbio uranóscopus) mit spitzerem Kopfe und längeren Bartfäden vertreten. Beide Fische, die gewöhnlich am Boden auf Beute lauern, bewegen sich zwar ruckweise, aber nicht mit übermäßiger Schnelligkeit fort. Da ist die niedliche und anmutige, stets zum Jagen und Spielen aufgelegte Elritze (Phoxínus laévis) ein weit flinker Ding. Sie ist äußerst beweglich, namentlich sehr springfähig, aber dabei im Freien schüchtern und schreckhaft. Wenn sich im Sommer das Wasser zu sehr erwärmt, wandern die [58] Elritzen oft in dichtgedrängten Scharen in die kühleren Gebirgswässer aus und überspringen dabei Hindernisse, die in gar keinem Verhältnis zu ihrer winzigen Körpergröße stehen. Bei solchen Gelegenheiten werden viele von ihnen gefangen und mariniert als »Pfrillen« oder »Rümpchen« trotz ihres etwas bitterlichen Geschmacks in manchen Gegenden sehr gern gegessen. Leider müssen bei dieser Fangart auch zahlreiche Junge der wertvollsten Speisefische mit dran glauben und sich als Rümpchen verzehren lassen. Der rundliche, unverhältnismäßig großköpfige Döbel (Leucíscus céphalus), mit dem breiten Maule und dem blaßrot schimmernden Bauch hält sich in seiner Jugend massenhaft in kleinen kiesigen Bächen auf, während er im Alter mehr in die Flüsse und Seen der Ebene hinabzieht. Er ist pfeilschnell und räuberischer veranlagt als andere Karpfenfische. Selbst Mäusen soll er nachstellen und deshalb in manchen Gegenden geradezu »Mäusefresser« genannt werden. Bei solch reichlicher Kost erreicht er denn auch ein Gewicht von 4 kg und darüber. Diesen Angaben stehen nun freilich die Magenuntersuchungen Sustas schnurstracks gegenüber, der den Döbel für einen echten und sich hauptsächlich an grobes Gras haltenden Grünweidefisch erklärt. Dieser Widerspruch erscheint noch völlig ungeklärt, denn es ist doch kaum denkbar, daß ein und dieselbe Art vielleicht an verschiedenen Örtlichkeiten so grundverschiedene Ernährungsweisen zeigen könnte. Eher möchte ich glauben, daß die betreffenden Fische von diesem oder jenem Forscher falsch bestimmt wurden. Auffallend ist die Vorliebe des Döbels für Stromschnellen, Mühlwehre, Brückenpfeiler und ähnliche Örtlichkeiten. Seiner vielen Gräten wegen ist er höchstens als Backfisch und auch dies nur in ganz frischem Zustande zu verwerten. Angler versichern, daß der Döbel auch an Beeren und süße Früchte geht, und im Aquarium sah man jüngere Exemplare sowohl animalische wie vegetabilische Kost zu sich nehmen. Die Angler haben von jeher eine gewisse Vorliebe für diesen jetzt sichtlich seltener werdenden Fisch gehabt, weil er auf alles anbeißt, so daß die Köderwahl geradezu zur Qual werden kann, und weil sich mit seiner stattlichen Größe prahlen läßt. Die süd- und ostdeutschen Angler bezeichnen den ziemlich proletenhaft anmutenden Fisch als Räuber, und die Rhein- und Elbefischer erklären ihn für den friedfertigsten Gesellen der Welt. Das Wahrscheinlichste ist wohl, daß Genosse Dickkopf Allesfresser geworden ist und seine Speisekarte um eine Reihe von [59] Gerichten bereichert hat, die er früher nicht kannte und verschmähte. Ein unzweifelhafter Grünweidefisch ist dagegen der durch die kleine und schief aufwärts gerichtete Mundöffnung gekennzeichnete Aland (Leucíscus ídus), auch Silberorfe genannt. Eine besonders schöne Abart wird als Goldorfe gern in warmen Teichen gezogen, und sie eignet sich als Zierfisch namentlich auch insofern gut, als sie sich beim Schwimmen beständig an der Oberfläche hält und so ihre Schönheit auch zur Geltung zu bringen weiß. Die wilde Stammform beansprucht reines, kaltes, tiefes, und schnellfließendes Wasser, ist auch selbst ein recht flinker Schwimmer. Der etwas dickköpfig aussehende Fisch, der bis 3 kg schwer wird, hat ein zwar grätiges, aber doch recht wohlschmeckendes, rötlich aussehendes Fleisch, und wird deshalb gern geangelt. Unter dem Sammelnamen »Weißfisch« faßt der Naturfreund eine Anzahl karpfenähnlicher Fische zusammen, deren Jugendformen oft selbst der Fachmann nur schwer auseinanderhalten kann, und deren erwachsene Stücke wenigstens der Laie sehr häufig verwechselt. Es sind die Proleten unserer Fischwelt, die nach Handwerksburschenmanier in zahlreichen Trupps alle Wasserstraßen bevölkern. Hierher gehören z. B. zwei durch hübsch rote Flossenfarbe ausgezeichnete Fische, die Plötze (Leucíscus rútilus) und das Rotauge. Will man sie mit voller Sicherheit bestimmen, so muß man schon zu den ein untrügliches Unterscheidungsmerkmal abgebenden Schlundzähnen seine Zuflucht nehmen, die bei der Plötze in einfacher Reihe stehen, links 6 oder 5, rechts stets 5, während sie beim Rotauge in zwei Reihen zu 3 und 5 angeordnet sind. Die Plötze ist wohl der gemeinste deutsche Fisch und wird deshalb auch vielfach gefangen, obwohl ihr stark mit Gräten durchsetztes Fleisch eigentlich nicht viel wert ist. Immerhin gibt sie frisch noch einen leidlichen Backfisch ab. Während sie bei uns kaum schwerer als 1-1/2 kg wird, werden im Kaspischen Meere noch heute bisweilen wahre Riesenplötzen gefangen. Beide Arten sind lebhafte und scheue, aber nicht eben sonderlich kluge Grünweidefische und laichen unter vielem Geplätscher gesellig, nachdem sie in dichtgedrängten Scharen hierzu geeignete Plätze aufgesucht haben. Beim Rotauge (Leucíscus erythrophthálmus), auch Rotfeder genannt, fällt außer dem roten Auge namentlich die ungewöhnlich harte und scharfe Beschuppung der Bauchgegend auf. Der stark messingglänzende Fisch, der seine beiden deutschen Namen vollauf rechtfertigt, ist eigentlich eine recht schöne Erscheinung und verdiente [60] es, daß ihm die Aquarianer größere Beachtung als bisher zuwenden würden. Zwischen beiden Arten kommen auch Mischlinge vor, wie ja überhaupt bei dem geselligen Laichgeschäft der Karpfenfische oft genug ein zwar unbeabsichtigtes, aber fruchtbares Durcheinander entsteht, das der systematischen Forschung schon manche Schwierigkeiten in den Weg gestellt hat. Für die Küche taugt das Rotauge noch weniger als sein Vetter, und man verwertet sie deshalb am besten als Schweinefutter. Wichtiger für den menschlichen Haushalt ist der hochgebaute Blei oder Brassen (Abramis bráma), da er ein Gewicht bis zu 6 kg erreicht und sein Fleisch zwar auch ziemlich grätig, aber doch recht wohlschmeckend ist. Zur Laichzeit, bei der es sehr lebhaft zugeht, die großen Fische oft weit aus dem Wasser herausspringen und sich auch durch Beobachtung in unmittelbarer Nähe nicht stören lassen, nimmt der Blei eine fast hochgelbe Farbe an, und die Männchen sehen infolge des starken Hautausschlages wie zerkratzt und blutig zerschunden aus. Der stattliche Fisch mit dem schiefgestellten Mund bewohnt größere Ströme und tiefere Seen mit lehmigem Grund, den er beim geselligen Grasen oft derart aufwühlt, daß er weithin das Wasser trübt. Bei dieser schweineartigen Tätigkeit kommt ihm seine rüsselförmig ausgebildete Schnauze sehr zustatten. Die Blikke oder der Güster (Blícca björkna) hat einen ähnlich hochrückigen Leibesbau wie die Abramisarten, und ein solcher darf in gewissem Sinne auch als eine Schutzmaßregel gelten, da die Raubfische sich nur ungern an so unbequem zu verschluckende Beute machen. Der Name dieses Fisches dürfte mit »blinken« zusammenhängen, ebenso wie »Pleinzen«[2] mit »blinzeln«. Die höchstens 1 kg schwer werdende Blikke ist einer unserer gemeinsten Fische und bevorzugt langsam fließendes Wasser mit sandigem Untergrund. Sonst scheu und vorsichtig, gibt sie sich doch dem Laichgeschäft im Spätfrühling mit so rückhaltloser Inbrunst hin, daß man sie dabei geradezu mit Händen greifen kann. Auch sie ist ein ausgesprochener Friedfisch, aber dabei so gefräßig, daß sie sich leicht angeln läßt, was allerdings ihres schlechten und grätenreichen Fleisches halber kaum der Mühe verlohnt. Als ein halber Raubfisch muß dagegen der schon durch sein großes Maul gekennzeichnete Rapfen (Aspius áspius) bezeichnet werden. Den kleinen Weißfischen stellt er mit [61] solcher Gier nach, daß er dabei öfters versehentlich auf den Strand schießt und dann elend umkommen muß. In stillen Nächten betreibt er seine Jagden mit weithin vernehmbarem Geräusch, indem sowohl Verfolgte wie Verfolger dabei öfters hoch aus dem Wasser herausspringen. Trotzdem verrät der Rapfen immer eine gewisse Ungeschicklichkeit in der Ausübung seines räuberischen Handwerks und stößt viel öfters fehl als die echten Raubfische. Er ist ein Oberflächenfisch und bewohnt am liebsten langsam fließendes, aber reines Wasser. Da er 6 kg schwer wird, könnte er für die Küche eine Rolle spielen, wenn sein an sich fettes und wohlschmeckendes Fleisch nicht so grätig wäre und beim Kochen nicht so leicht zerfiele. Wenn auch das Fleisch des niedlichen Uckelei (Albúrnus albúrnus) ganz ähnliche Eigenschaften aufweist und dieses glitzernde Fischchen schon wegen seiner geringen Größe (es wird nur 15-20 cm lang) noch weniger für die Küche in Betracht kommen kann, so beschäftigt es doch in anderer Beziehung eine ganze Industrie und wird deshalb in gewissen Gegenden Norddeutschlands, so namentlich am Frischen Haff, während der Wintermonate in großen Zugnetzen massenhaft gefangen. Aus seinen stark silberglänzenden, gegen jede unsanfte Berührung sehr empfindlichen Schuppen, gewinnt man nämlich die sogenannte Perlenessenz (Essence de l'Orient, deren Zusammensetzung und Herkunft früher ängstlich geheim gehalten wurde und die von einem französischen Rosenkranzfabrikanten entdeckt worden sein soll) zur Herstellung künstlicher Perlen. Die gefangenen und ans Land gebrachten Fische werden sofort geschuppt, und die gereinigten Schuppen in Kisten nach Paris oder Wien, neuerdings aber auch vielfach nach Thüringen verschickt. In der Fabrik werden die Schuppen zunächst 24 Stunden lang in Salzwasser gewässert, mit leinenen Lappen abgerieben, schwach gepreßt, für ein Stündchen in Alkohol gebadet und wieder getrocknet. Hierauf kommen sie in Ammoniak, in dem sich die anderen Bestandteile leicht lösen, während die den herrlichen Silberschimmer bedingenden Plättchen als kleine Kristalle sich am Boden niederschlagen. Nach einigen Stunden kann die wässerige Lösung behutsam abgegossen werden, und es bleibt nur ein silberiges, dickes Öl übrig — die Perlenessenz. Sie wird in hohle und dann mit Wachs zu verschließende Glasperlen gefüllt, die dadurch einen prachtvollen, matten Perlenglanz erhalten. Die besten Sorten dieser künstlichen Perlen sind den echten derart ähnlich, [62] daß nur eine genaue Prüfung durch einen Sachverständigen die Imitation nachzuweisen vermag. Übermäßig billig sind sie freilich auch nicht gerade, was erklärlich wird, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß etwa 20000 Fischlein nötig sind, um nur 1/2 kg Perlenessenz anzufertigen. Man gewinnt aus den Uckeleischuppen wie aus denen verwandter Arten weiter auch noch die in der Malerei eine große Rolle spielende und ebenfalls teuer bezahlte Silbertinktur. Aber auch im Leben ist der sich hauptsächlich von Insekten und deren Larven ernährende Uckelei ein höchst anziehender und unterhaltender Fisch, der sich dem am Flußufer lustwandelnden Spaziergänger mehr bemerkbar macht, als irgendein anderer, da er häufig seinen silberglitzernden Leib aus dem Wasser herausschnellt, um eine über diesem tanzende Mücke oder Eintagsfliege zu erhaschen, und da er sich überhaupt gewöhnlich scharenweise dicht unter der Oberfläche herumtreibt und hier seine lustigen Spiele vollführt, überhaupt viel Frohsinn und Lebenslust bekundet, obgleich gerade er nicht nur den Raubfischen, sondern auch den Wasservögeln besonders häufig zur Beute fällt. Ängstliche Schüchternheit einerseits und eine unbezähmbare Neugier andrerseits sind seine hervorstechendsten Charaktereigenschaften. Gleich dem Uckelei gehören zur Gruppe der durch das schief nach oben gerichtete Maul ausgezeichneten Lauben noch die bei uns auf die klaren und tiefen Gebirgsseen Oberbayerns beschränkte Mairenke (Albúrnus ménto) und die fließendes Wasser bevorzugende Alandblecke (Albúrnus bipunctátus). Letztere heißt im Volksmunde gewöhnlich »Schneider«, da ein zu beiden Seiten der Seitenlinie verlaufender Streifen schwarzer Pigmentpunkte wie eine Naht aussieht. Im Aquarium gemachten Beobachtungen zufolge soll sie eine Art Brutpflege ausüben, indem eines der Elterntiere den Laich bis kurz vor dem Ausschlüpfen bewacht und verteidigt und durch beständiges Flossenfächeln mit frischem, sauerstoffreichem Wasser umspült. An der sonderbar knorpeligen Schnauze, dem überragenden Oberkiefer und den harten, schneidenden Lippen ist die höchstens 1/2 m lang werdende Nase (Chondóstroma násus) sofort von anderen Süßwasserfischen zu unterscheiden. Auch biologisch hat sie mancherlei Eigentümlichkeiten aufzuweisen. Ihre scharfen Kiefernränder dienen dazu, den Algenüberzug von Steinen und dergleichen abzuweiden. Charakteristisch für sie ist, daß sie sich im seichten Wasser gern um sich selbst wälzt, so daß für Augenblicke die lichte [63] Unterseite zum Vorschein kommt. Zur Laichzeit gewinnt ihr dunkler Rücken ein streifiges Ansehen, und an den Mundwinkeln zeigt sich ein lebhaftes Orangerot.
[2] Es ist dies der Zobel (Abramis sáha) des Donaugebiets.
Außer der Verfärbung zum Hochzeitskleid tritt mit Beginn der Laichfähigkeit bei vielen Fischen noch eine andere wunderbare Erscheinung auf: ihre mehr oder minder mit dem Fortpflanzungsgeschäft in Zusammenhang stehenden, durch rücksichtslose Kühnheit und erstaunliche Zähigkeit ausgezeichneten Wanderungen, die an geheimnisvollen Rätseln dem Vogelzug kaum nachstehen. Sehr oft sind ja die besten und sichersten Nährgründe nicht auch zugleich zum Absetzen des Laiches geeignet, und der Fisch ist deshalb gezwungen, eine weitgehende Ortsveränderung vorzunehmen, wenn er sich seiner Bürde entledigen und den Weiterbestand seiner Art sicher stellen will. Häufig kommt es vor, daß gewöhnlich im Meer lebende Fische zum Laichen hoch in die Flüsse hinaufsteigen oder umgekehrt das Süßwasser zum Laichen mit dem Meer vertauschen. Zu diesen gehört beispielsweise der Aal, zu jenen der Lachs. Wenn wir diese echten Wanderer etwa mit den Zugvögeln vergleichen können, so gibt es andrerseits auch noch eine Reihe beschränkter Wanderer, die den Strichvögeln entsprechen und nur im gleichen Stromsystem oder Meere hin und her ziehen, wobei Wärme- und Ernährungsverhältnisse, Salzgehalt des Wassers und Laichgelegenheiten als die maßgebenden Faktoren anzusehen sind. Hierher gehören z. B. von Süßwasserfischen die Forelle und von Seefischen die Flunder, die zwar Hunderte von Kilometern weit reist, nicht aber aus der Nordsee in die Ostsee zieht oder umgekehrt. Während man früher sich um die Fischwanderungen wenig gekümmert hat, ist ihnen in neuerer Zeit eine sehr eingehende und sorgfältige Beachtung zugewendet worden, und zwar nicht nur aus rein wissenschaftlichen, sondern namentlich auch aus praktischen und volkswirtschaftlichen Gründen. Nirgends und zu keiner Zeit drängen sich ja die Fische in solchen Massen zusammen wie auf ihren Wanderungen von und zu den Laichplätzen, und niemals sind sie so mühelos und in so lohnender Menge zu fangen wie bei solchen Gelegenheiten. Mit Sehnsucht warten ganze Dörfer und Städte auf das seit Jahrhunderten gewohnte Erscheinen der riesigen Fischheere, die reichen Verdienst mit sich bringen, und die Trauer und die Enttäuschung sind groß, wenn die geschuppten Geschwader einmal aus irgendwelchen Gründen ausbleiben, denn das [64] bedeutet Elend und Verarmung. Da aber plötzliche Verlegungen der altbekannten Heeresstraßen gerade in den letzten Jahrzehnten öfters vorgekommen sind und dadurch mehrfach wirtschaftliche Katastrophen hervorgerufen wurden, während andrerseits unvermutet unendliche Fischzüge an ungewohnten Plätzen erschienen, wo sie nicht genügend verwertet werden konnten, und oft genug als Dung auf die Felder gefahren werden mußten, so liegt es auf der Hand, welch hohe praktische Bedeutung der Erforschung solcher Erscheinungen und dem Studium der Fischwanderungen überhaupt zukommt. So ist es zunächst sehr wichtig, zu wissen, was wohl die Fische auf ihren Wanderungen leitet. Da man in wissenschaftlichen Kreisen dem »stumpfsinnigen« Fisch irgendwelche an geistige Fähigkeiten anstreifende Handlungsweise nicht zutraute, so sollte auch die Wanderung ein rein reflektorischer Vorgang sein, der natürlich durch gewisse Reize ausgelöst werden mußte. Man dachte da namentlich an die sogenannte Phototaxis, d. h. an das Reagieren des Organismus gegen veränderte Belichtungs- und Bestrahlungsverhältnisse. Nun hat aber jüngst erst Franz in einer Reihe sehr eingehender Studien nachgewiesen, daß die durch gekünstelte Experimente gewonnene Vorstellung von der Phototaxis lediglich ein reiner Laboratoriumsbegriff ist, wenigstens soweit die Fische in Betracht kommen. Sie ist in Wirklichkeit nichts als ein unter ungünstigen Daseinsveränderungen und insbesondere bei anscheinender Gefahr ausgelöster Fluchtreflex, der bei Oberflächenfischen sich als »positiv«, bei Grundfischen dagegen als »negativ« erweisen wird, da diese bei Bedrohung ja instinktmäßig ins Dunkel flüchten. Will man von dem durch den Wechsel zwischen Tag und Nacht bedingten Aufsteigen und Niedersinken gewisser Meeresfische und ihrer Larven absehen, so gibt es eine Phototaxis bei erwachsenen Fischen in freier Natur überhaupt nicht, bei ihren Larven nur in ganz beschränktem, kaum angedeutetem Umfang. Deshalb kann die Phototaxis auch auf die Wanderungen der Fische nicht den allergeringsten Einfluß ausüben, sondern es müssen andere Faktoren zu ihrer Erklärung herangezogen werden. Einen solchen glaubt Franz zunächst einmal in dem Ortssinn und in dem Ortsgedächtnis der Fische gefunden zu haben, die er sorgsam auf ihre Leistungsfähigkeit hin geprüft und weit höher entwickelt gefunden hat, als sich dies unsere Schulweisheit bisher träumen ließ. Danach scheinen doch auch schon die Fische teilweise [65] wenigstens keine absoluten Reflexmaschinen mehr zu sein, vielmehr bei ihnen schon wenigstens schüchterne Ansätze sich geltend zu machen zum Verwerten erlebter Erfahrungen und zum Verknüpfen von Assoziationen, so sehr man sich andrerseits vor Vermenschlichungen bei dieser immerhin tiefstehenden Tierklasse hüten muß, deren Lebensäußerungen zumeist durch mehr oder minder verwickelte und sich kreuzende Instinkte und Reflexe unschwer sich werden erklären lassen. Wie immer dem sei, jedenfalls beweisen schon die einfachsten Experimente, daß die Fische tatsächlich einigermaßen gemachte Erfahrungen zu ihrem Besten zu verwerten wissen. So stutzten Barsche, denen man als Futterfische Sardinen gab, als man einige derselben rot färbte, machten aber schließlich einen Versuch und verzehrten dann gefärbte und ungefärbte ohne Unterschied. Ähnlich ging es, als man noch einige blau gefärbte Sardinen dazu setzte. Als dann aber kleine Stücke von Seenesseln an den blauen Sardinen befestigt wurden und die Barsche sich beim Zugreifen tüchtig stachen, fuhren sie erschrocken zurück und mieden von da ab die blauen Sardinen. Freilich hielt in diesem Falle ihr Gedächtnis nur bis zum nächsten Tage vor; dann scheinen aber die Barsche besonders vergeßliche Bursche zu sein, denn vom Karpfen ist nachgewiesen, daß er mindestens vier Monate lang für Örtlichkeitsverhältnisse Gedächtnis hat, und bei anderen Fischen verhält es sich ähnlich. Dieser Auffassung steht nun allerdings die Tatsache entgegen, daß geangelte und dabei entkommene oder wieder ausgesetzte Fische oft schon nach kurzer Zeit sich zum zweiten oder dritten Male fangen lassen, also die gemachte böse Erfahrung anscheinend sehr rasch vergessen haben. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, daß einerseits die dem Fische beim Angeln zugefügte Schmerzempfindung aller Wahrscheinlichkeit nach eine nach menschlichem Maßstabe überraschend geringe, und daß andrerseits der Zuschnappreflex, wenn der Ausdruck statthaft ist, ein sehr stark entwickelter ist und eben in solchen Fällen den Sieg über die geringe Lernfähigkeit davonträgt. Edinger kommt auf Grund umfassender Untersuchungen geradezu zu dem Schlusse, daß der Fisch nicht zubeißt, weil er zubeißen will, sondern weil er zubeißen muß. Er schaltet also einen selbständigen Willen des Tieres dabei vollständig aus, und die praktischen Erfahrungen der Angler, die in England das Sprichwort haben »Wenn du der Forelle die rechte Fliege zur rechten Zeit gibst, fängst du sie [66] sicher«, scheinen ihm darin nicht unrecht zu geben. Edinger glaubt demnach, daß infolge sich gegenseitig auslösender Reflexe ein hungriger Fisch unter bestimmten Umständen anbeißen muß, wenn die Nahrung ihm genau in der Weise zukommt, wie die naturgemäße, und störende Nebenumstände (Sichtbarkeit der Schnur, Schatten des Anglers usw.) vermieden werden. Die ganze Geschicklichkeit des Anglers bestehe deshalb lediglich darin, diesen richtigen Augenblick ausfindig zu machen. Übrigens gehen intelligentere Fische wie der Schill doch nicht leicht zum zweiten Male an die Angel, wenn sie schwer gereizt wurden. Wenn nun auch die Lernfähigkeit der Fische jedenfalls nur eine geringe ist, so ist das Ortsgedächtnis doch in nicht unerheblichem, wenn auch sehr verschieden hohem Grade vorhanden, und am besten ist es jedenfalls bei den Wanderfischen entwickelt. So hat man festgestellt, daß zwar Stichlinge ihr Nest nur auf 10 m Entfernung wieder fanden, Forellen dagegen trotz zwischengelegter Hindernisse aus 6 km Entfernung zu ihrem Standplatze zurückfanden. Ein derart gutes Ortsgedächtnis muß den Fischen natürlich auch auf ihren Wanderungen in hohem Maße zustatten kommen, und man könnte sich auch recht wohl vorstellen, daß die Kenntnis bestimmter Heeresstraßen sich ähnlich wie bei den Vögeln durch Tausende von Generationen vererbt habe, dadurch fixiert und zu einem bloßen Instinkt geworden sei. Aber dann hat ja der Fisch auch noch eine Seitenlinie, die ihn so genau über den jeweiligen Verlauf der Strömung unterrichtet, und es muß deshalb für ihn eine Kleinigkeit sein, sich in Strömen oder Flüssen zurechtzufinden, sei es nun, daß er abwärts ins Meer oder aufwärts ins Quellgebiet zu gelangen wünscht. Diese Faktoren reichen also wohl aus, um reine Süßwasserwanderungen zu erklären, aber ganz anders und viel geheimnisvoller gestaltet sich das Bild, wenn wir etwa an die Einwanderung der jungen Aale aus dem Meere in die Ströme denken. Man denke sich diese Fischchen, die noch nie eine Reise gemacht haben, in der unendlich einförmigen, in ewige Finsternis gehüllten Wassermasse, wo das Fischauge keine festen Anhaltspunkte gewinnen kann, sondern eine unbestimmte nebelige Ferne vor sich hat. Hier kann natürlich von irgendwelchem Ortsgedächtnis keine Rede sein. Franz ist der Meinung, daß es der abweichende Salzgehalt der verschiedenen Wasserschichten und Meeresteile ist, der den Tieren als Führer aus dieser Wüstenei dient. Wasserschichten verschiedenen [67] Salzgehalts zeigen ja auch abweichende Temperaturen, und diese wiederum zeitigen Strömungserscheinungen. Freilich werden solche ganz gering sein und erst nach Zurücklegung weiterer Strecken sich deutlich bemerkbar machen, aber es ist wohl mit Recht anzunehmen, daß die gesteigerte nervöse Erregbarkeit der Fische zur Brunst- oder Wanderungszeit auch die Feinfühligkeit ihrer Sinnesorgane und namentlich der Seitenlinie erhöht. Und so ließe sich auch hier schließlich folgern, daß die Wanderung der Meeresfische mehr eine Art Zwangsbewegung darstellt. Vielleicht bringen die Markierungsversuche, die seit einigen Jahren von zahlreichen biologischen Stationen gemacht werden, allmählich mehr Licht in diese einstweilen noch ziemlich dunkle Seite des Fischlebens.
Betrachten wir nun zunächst einmal als Beispiel für die ersterwähnte Art der Wanderung den Aal (Anguílla vulgáris), bei dem ja gerade seine ausgedehnten Reisen sein ganzes Leben mit einem schier undurchdringlichen Schleier des Rätselhaften und Geheimnisvollen umhüllt haben, den zu lüften emsiger Forschung erst in jüngster Zeit gelungen ist. Fortpflanzung und Wanderung sind hier nicht nur in der innigsten, sondern auch in der seltsamsten Weise miteinander verknüpft. Lange tappte man diesbezüglich im dunkeln und erzählte sich mehr oder minder unsinnige Märchen nach, und daß die Forschung das große Aalproblem jetzt in seinen Hauptzügen, wenn freilich auch noch lange nicht erschöpfend gelöst hat, darf als einer der glänzendsten Triumphe der biologischen Wissenschaft angesehen werden. Viel hat zu der jahrhundertelangen Verwirrung der Umstand beigetragen, daß es lange nicht gelingen wollte, Geschlechtsorgane bei unseren Süßwasseraalen aufzufinden, so unzählige man auch dieserhalb untersuchte. Da kann es nicht Wunder nehmen, daß das uralte Märchen von der Urzeugung gerade beim Aal überraschend lange in Geltung blieb, um später durch die ebenso falsche Auffassung abgelöst zu werden, daß der Aal lebendige Junge gebäre. Wahrscheinlich wurde sie hervorgerufen durch die Auffindung von massenhaft im Leibe des Aals schmarotzenden Spulwürmern (Ascaris), die bei oberflächlicher Betrachtung wohl als Jungaale gelten konnten. Noch in den 70er Jahren ist ein strebsamer Naturgeschichtsprofessor auf eine ihm von einem Fischer gebrachte »Aalmutter« hereingefallen (es ist dies ein ganz anderer Fisch, Zoarces vivipara, der schon seit Jahrhunderten als lebendig gebärend bekannt ist) und [68] hat einen sehr langen, sehr gelehrten und schön illustrierten Aufsatz darüber in der »Gartenlaube« veröffentlicht, um dadurch das Lebendgebären beim Aale zu beweisen. Auch über einen vermutlichen Generationswechsel bei diesem merkwürdigen Fische hat man viel gefabelt. In Wirklichkeit verhält sich aber die Sache so, daß alle in unseren Süßwassern lebenden Aale überhaupt noch nicht geschlechtsreif sind. Denn als man endlich mit Hilfe der gesteigerten Mikroskoptechnik die Geschlechtsorgane auffand, die in Fettmassen verborgen liegen, da stellte es sich heraus, daß sie noch völlig unentwickelt waren. Hatten doch die Eier in den weiblichen Geschlechtsteilen kaum einen Durchmesser von 0,1 mm, waren also mit bloßem Auge gar nicht sichtbar. Da man schon längst wußte, daß ein Teil unserer Aale im Herbst ins Meer wandert, lag die Folgerung nahe, daß die Tiere erst dort ihre volle Geschlechtsreife erlangen und zum Laichen schreiten. Von da an befand sich die Forschung auf dem richtigen Weg, und es ist namentlich das Verdienst des Italieners Grassi und des Dänen Schmidt, daß heute das Aalproblem den Nimbus des Unerklärlichen verloren hat. Weitere Untersuchungen haben gezeigt, daß fast alle die großen Aale unserer Binnengewässer Weibchen, also Aaljungfern sind und sich durch silbergrauen Bauch auszeichnen, während die viel kleineren, gelb- oder braunbäuchigen Aale an den Strommündungen und Haffen fast nur aus Männchen bestehen. Im Alter von 3-7 Jahren — je nach dem Ernährungszustand — wird die Aaljungfrau, deren ganzes Dasein bis dahin lediglich aus Fressen und Schlafen bestand, von einer unüberwindlichen Sehnsucht nach dem fernen Meere gepackt, in dessen tiefsten Gründen einst ihre Kinderwiege stand. Sie begibt sich auf die Reise und findet unterwegs eine sich ständig vermehrende Zahl von Gefährtinnen, die die gleiche Sehnsucht vorwärts treibt. Die Wanderung vollzieht sich namentlich in recht dunklen, stürmischen und unfreundlichen Nächten, in denen etwa je 15 km zurückgelegt werden, wird aber öfters durch Rast- und Erholungstage unterbrochen, so daß es geraume Zeit dauert, bis man am Ziele angelangt ist. Unzählige gehen unterwegs an der Tücke des Menschen oder an anderen Unbilden zugrunde, aber dafür treffen die Überlebenden in den Strommündungen mit den Männchen zusammen, so daß nun beide Geschlechter in traulichem Verein die Reise fortsetzen können, die noch gar weit ins Innere des Weltenmeeres hineinführt. Inzwischen haben die Eierchen, deren [69] jedes Weibchen 1 bis 1-1/2 Millionen bergen soll, schon um das 2 bis 2-1/2fache an Größe zugenommen, aber erst durch die Berührung mit dem fruchtbringenden Meer entwickeln sich nun beider Geschlechter Organe zu derjenigen Vollkommenheit, die zur Ausübung des Laichaktes notwendig ist. Gleichzeitig wird der Aal zum Tiefseefisch, von Farbe dunkler und metallglänzend, mit spitzerem Kopf und weit größeren, 1 cm im Durchmesser haltenden Augen. An seine Laichplätze stellt er ganz besondere, sehr spezifizierte Forderungen. Sie sollen in ungefähr 1000 m Meerestiefe liegen, einen Salzgehalt von 3,52 Proz. und eine Durchschnittstemperatur von etwa 9° haben, was bei solch erheblicher Meerestiefe von vornherein nur in der Nähe des wärmenden Golfstroms möglich ist. Der Aal findet derartige Plätze erst weit draußen im offenen Atlantik, in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von den Faröern zur Küste Spaniens erstreckt. Hier wird also Hochzeit gefeiert in für das menschliche Auge undurchdringlichen Tiefen: die Binnengewässer sind [70] des jungen Aales Tummelplatz, die Meerfahrt ist seine Brautfahrt, die Tiefe des Atlantik sein Hochzeitsbette und wahrscheinlich auch sein Grab. Wenigstens hat man keinen der so stürmisch zu den Freuden der Minne nach dem Meere strebenden Aale jemals wieder in die Ströme zurückkehren sehen. Vielleicht führen sie nach der Laichzeit noch ein unbeachtetes Dasein im grenzenlosen Ozean, wahrscheinlicher aber gehören sie zum Stamme jener Asra, »die da sterben, wenn sie lieben,« ähnlich wie die Neunaugen, deren Lebenslauf ja überhaupt manche Ähnlichkeit mit dem des Aales aufweist. Ihr Dasein hat ja auch keinen rechten Zweck mehr, denn für die Erhaltung ihrer Art haben sie überreichlich gesorgt. Die Myriaden kleiner Krebstierchen in der Tiefsee werden sich gierig über die Leichname herstürzen und diese nicht nur gründlich, sondern auch so rasch vertilgen, daß sie erst gar keine Zeit haben, durch Leichengase aufzuschwellen und an die Oberfläche emporzukommen. Da sich also die wichtigsten Lebensvorgänge des Aales im Meere abspielen, muß er unbedingt als ein Meeresfisch bezeichnet werden, der erst in zweiter Linie und nebenbei auch zum Süßwasserbewohner geworden ist. Beim Lachs verhält es sich gerade umgekehrt. Auch die abgelegten, auffällig kleinen Eier bleiben in der Tiefe, da ihnen ein flottierendes Element in Gestalt von beigegebenen Öltröpfchen, wie es viele andre Fischeier haben, fehlt, und dies ist ein Grund mehr dafür, daß sie so schwer und so selten aufgefunden werden. Ihnen entschlüpfen nun aber keineswegs fertige Jungaale, sondern gar seltsame Wesen, die eine Larvenform darstellen und wenigstens äußerlich so stark vom Aaltypus abweichen, daß man sie früher unter dem Namen Leptocéphalus breviróstris als eine eigene Art beschrieb, ohne ihren nahen Zusammenhang mit der heiß umstrittenen Fortpflanzungsgeschichte des Aales zu ahnen. Diese Wesen sind 6-8 cm lang, haben die flache Form eines Weidenblatts, dazu einen winzigen Kopf und eine kleine Schwanzflosse und bestehen im übrigen fast ganz aus mächtigen Muskelzügen. Ihr Blut ist farblos, das ganze Geschöpf wasserhell und durchsichtig wie Glas, so daß man durch seinen Leib hindurch sogar lesen kann. Die Tierchen kommen später bei Nacht an die Oberfläche des Meeres, während sie sich bei Tage in Tiefen von 100-150 m aufhalten. Allmählich wandeln sie sich zum Aal, wobei verschiedene Zwischenstadien durchlaufen werden. Der Leib wird dicker und runder, die Flossen bilden sich aus, und schließlich [71] ist ein Geschöpf von echtem Aaltypus fertig, das aber etwas kürzer erscheint als die Larve (da diese zuletzt keine Nahrung zu sich nimmt) und zunächst auch noch glashell ist. Diese »Glasaale« begeben sich nun auf die Wanderschaft und suchen in dicht gedrängten Zügen Strommündungen zu erreichen. Zu Milliarden finden sie sich an geeigneten Plätzen ein, eine Erscheinung, die die Franzosen als »montée«, die Italiener als »montada« bezeichnen. Der Bristolkanal, der Ärmelkanal und der Busen von Biskaya sind ihre bevorzugten Einfallspforten. Wie riesenhafte Schlangen von 1-3 m Breite und entsprechender Dicke wälzen sich diese Züge dicht an den Ufern der Ströme entlang, getreulich alle Windungen und Krümmungen des Flußbettes mitmachend. Hier machen sie zum ersten Male unwillkommene Bekanntschaft mit dem Menschen, der nur mit dem Kätscher aus diesem lebenden Strome zu schöpfen braucht, um Millionen junger Fischleben zu vernichten und sich selbst einen flüchtigen Gaumenkitzel zu bereiten, indem er die zarten Dinger mit Eiern zu recht wohlschmeckenden Omeletten verbäckt. Von der fabelhaften Menge, in der die Glasaale bei solchen Gelegenheiten auftreten, kann man sich einen ungefähren Begriff machen, wenn man hört, daß z. B. im Severnfluß pro Fischer und Nacht nicht selten [72] 500 Pfund und mehr gefangen werden, wobei man etwa 1000 Jungaale auf das Pfund rechnen kann. Die Tierchen haben sich während der langen Reise auch schon etwas weiter entwickelt und sind jetzt namentlich stärker pigmentiert, und bald nach dem Eintritt in die Flüsse schwindet die Glasfarbe ganz. Der Entwicklungszustand, in dem die ihren Namen jetzt kaum noch verdienenden Glasaale in die Flüsse eintreten, ist naturgemäß ein sehr verschiedener, je nach der Entfernung, die sie vom Geburtsplatze aus bis dahin zurücklegen mußten und je nach der darüber vergangenen Zeit. Die zur Ostsee und deren Zuflüssen wandernden Jungaale sind naturgemäß schon sehr viel weiter in ihrer Entwicklung vorgeschritten. Meist treffen die Jungaale im Frühjahr an den Küsten ein, nachdem ihre Verwandlung aus dem Leptocéphalus zum Glasaal etwa ein Jahr beansprucht hat. Die große Mehrzahl der Männchen bleibt in den Brackwässern und Strommündungen zurück, während die Weibchen weiter ziehen. Vielleicht verhält sich die Sache aber auch so, daß die Geschlechter bei den Glasaalen überhaupt noch nicht differenziert sind, sondern sich erst infolge der verschiedenen Ernährungsverhältnisse später herausbilden, wonach also die größeren Weibchen auf bessere Nahrungsverhältnisse hindeuten würden. In den Flüssen strebt die ganze Masse geschlossen vorwärts, aber bei jedem einmündenden Nebengewässer zweigt sich ein Teil ab, so daß die Hauptschar immer geringer wird und schließlich das ganze Heer sich verteilt wie der Blutstrom in den Adern eines Körpers. Entgegenstehende Hindernisse in Form von Wasserfällen oder Wehren überwinden die kaum bindfadendicken, schwächlichen Fischchen mit staunenswerter Rücksichtslosigkeit und Tatkraft. Mögen Tausende und Zehntausende dabei zugrunde gehen — ihre feuchten und schlüpfrigen Leiber bilden dafür die Brücke, die den andern den Übergang ermöglicht. Selbst der gewaltige Rheinfall von Schaffhausen, den die muskelstarken Lachse nicht zu nehmen vermögen, wird von diesen zähen Fischchen überwunden, und so erklärt es sich, daß auch im Bodensee Aale vorkommen. Da die Anwohner der Flüsse und Binnenseen die Einwanderung der geschätzten Fische natürlich sehr gern sehen, bemüht man sich vielfach, den Aalen entgegenzukommen und ihnen den Aufstieg über schwer zu überwindende Hindernisse zu erleichtern, indem man sogenannte Aalleitern anbringt. Es sind dies im Zickzack verlaufende, feucht zu haltende Holzrinnen, die durch Moos- oder Sandbelag [73] Halt gewähren, oft auch mit Rippen und Querwänden versehen sind. Auf diese Weise hat man es den Aalen z. B. neuerdings möglich gemacht, die großen schwedischen Gewässer oberhalb der Trollhättafälle zu besiedeln, über die sie früher nicht hinwegzukommen vermochten. In besonders raffinierter und geschickter Weise aber haben schon seit alten Zeiten italienische Fischer in dem im südlichen Podelta gelegenen Lagunenstädtchen Comacchio die eigenartige Naturgeschichte des Aales praktisch zu nutzen verstanden, sozusagen instinktiv, ohne doch jene zu kennen. Man hat dort in den ausgedehnten Lagunen ein großartiges System von Schleusen und Kanälen angelegt, derart, daß die eintretende »montada« durch Beeinflussung mit Licht usw. in die Becken gelockt wird, worauf man den Rückweg absperrt. Die jungen Aale entwickeln sich nun unter sorgfältiger Hege während der nächsten Jahre, aber wenn sie dann der Wandertrieb ergreift und sie zum Meere herabziehen wollen, geraten sie in die Sammelbecken, wo sie herausgenommen und geschlachtet werden. 500 Beamte beansprucht die Verwaltung dieses berühmten Aalstaates von Comacchio, liefert dafür aber auch jahraus jahrein durchschnittlich 5 Millionen Pfund vorzüglichsten Aalfleisches. Nicht nur die italienischen Großstädte werden von hier aus versorgt, sondern ein guter Teil der gefangenen Aale wandert sogar in die Räuchereien Norddeutschlands. Denn hier wird der schmackhafte Fisch leider immer seltener, besonders im Ostseegebiet, was ja erklärlich erscheint, wenn man berücksichtigt, welch unzählige Fährlichkeiten die vielverfolgten Aale auf den weiten Reisen von und nach den entlegenen Brutplätzen zu bestehen haben. Überdies ist man gerade in Westpreußen vielfach so töricht gewesen, die Abflüsse der Seen durch Dämme zu sperren und so den Aalen die Rückwanderung unmöglich zu machen, und sie sind dann dort natürlich ausgestorben. Unter diesen Umständen ist es mit großer Freude zu begrüßen, daß die preußische Regierung neuerdings Millionen von Glasaalen aus dem Bristolkanal lebend nach norddeutschen Gewässern überführen ließ, wobei freilich anfangs tüchtig Lehrgeld gezählt werden mußte. Nach all dem Gesagten ist es wohl klar, daß eingeborene Aale nur in solchen Gewässern vorkommen können, die in einer wenn auch noch so weitläufigen und verzweigten Verbindung mit dem Meere stehen. Der oft gehörte Einwand, daß auch in völlig abgeschlossenen Teichen Aale gefunden wurden, läßt sich leicht entkräften [74] durch die Erfahrungstatsache, daß häufig junge Fischchen durch Wasservögel im Gefieder oder an den Rudern in fremde Gewässer verschleppt werden. Sie müssen dort aber ebenso wie künstlicher Einsatz wieder aussterben, falls nicht rechtzeitig für frische Zufuhr gesorgt wird. Die in solchen Gewässern eingesperrten oder auf der Reise verirrten Aale werden schließlich zu alten Jungfern mit verkümmerten Geschlechtsorganen, erreichen dafür aber eine riesenhafte Größe und ein Gewicht von 15 und mehr Kilogramm, während es sonst bei 3/4-1-1/2 m Körperlänge nicht leicht über 5 kg beträgt und die Männchen kaum länger als 45 cm werden, also für Küchenzwecke wenig in Betracht kommen. Das weiße Fleisch des Aals ist zwar nicht leicht verdaulich, aber sehr fett und äußerst wohlschmeckend, und wird sowohl in frischem Zustande wie geräuchert oder mariniert allenthalben hoch geschätzt. An seinen Wohnplätzen im Binnenlande führt der Aal ein recht beschauliches Leben und nimmt bei seiner Gefräßigkeit rasch zu. Am liebsten sind ihm etwas tiefere Gewässer mit weichem Untergrund, in den er sich bei Tage tief einwühlt. Doch kommt er auch an allen möglichen anderen Örtlichkeiten vor. So fand ich ihn auf Teneriffa in ganz kleinen Rinnsalen zwischen felsigem Gestein, wo man ihn mit der Hand greifen konnte, nachdem der Hund sein Versteck gemeldet hatte. Auch am Bristolkanal jagt man bei Ebbe die im Meeresschlick zurückbleibenden Aale mit Hilfe von besonders darauf dressierten Terriers. Bei uns ist die üblichste und ergiebigste Fangart für Aale diejenige mit Reusen. Der Aal ist ein ausgesprochenes Nachttier, verläßt also erst mit Einbruch der Dunkelheit seinen Schlupfwinkel, um Nahrung aufzusuchen. Wegen seines kleinen Maules kann er zwar große Bissen nicht bewältigen, hält sich aber dafür durch die Menge des Verzehrten schadlos. Auf Fischlaich ist er sehr erpicht und pfropft sich damit, wenn er ihn haben kann, bis zum Platzen voll, ist deshalb in Zuchtteichen ein sehr ungern gesehener Gast. Ebenso haben die frisch gehäuteten, also weichen Krebse in ihm einen bösen Feind, und er vermag die schmackhaften Kruster durch fortgesetzte Verfolgung noch gründlicher auszurotten als die gefürchtete Krebspest, zumal er sich mit seinem geschmeidigen Schlangenleib durch unglaublich enge Spalten und Ritzen hindurchzuzwängen, ja gewissermaßen hindurchzubohren vermag. Seine ungemein schlüpfrige und schleimige Haut, in der die kleinen Schuppen ganz versteckt [75] sitzen, und die ihm bei Gefahr manchmal das Leben retten mag, kommt ihm dabei auch sehr zustatten. Daß er eine erstaunliche Lebenszähigkeit besitzt, hat wohl schon jede Köchin zu ihrem Leidwesen erfahren. Recht gern geht er auch an Aas. Immer und immer wieder liest oder hört man, daß die Aale in feuchten Nächten Spaziergänge auf die den Teichen benachbarten Felder unternehmen sollen, um sich an den Erbsen gütlich zu tun. Die moderne Wissenschaft erklärt das kurzweg für ein Märchen, aber es ist insofern etwas Richtiges daran, als der Aal in der Tat infolge besonderer Schutzvorrichtungen an den Kiemen (sie stehen nur durch 1-2 schmale Seitenspalten mit der Außenwelt in Verbindung, sind also nicht so leicht dem Austrocknen preisgegeben) ziemlich lange außerhalb des Wassers auszuhalten vermag, und dieses auch manchmal freiwillig verläßt, wenn ihm der Aufenthalt in dem feuchten Elemente aus irgendwelchen Gründen ungemütlich wird. Dies ist z. B. bei elektrischen Entladungen der Fall, gegen die alle niedrig stehenden Fische eine außerordentlich große Empfindlichkeit an den Tag legen. Merkwürdig ist weiter die große Lichtscheu des Aales. Durch grelle Beleuchtung kann man ihn an jeden beliebigen Platz scheuchen, und hierauf beruht auch der Vorschlag des genannten dänischen Forschers Schmidt, alle zum Meer wandernden Aale in den Ostseeländern mit Hilfe von Scheinwerfern abzufangen und dafür alljährlich frische Glasaale einzusetzen, ein Vorschlag, der glücklicherweise selbst der beteiligten Fischereibevölkerung zu radikal erschienen ist. Interessant wie alles am Aale ist endlich auch noch seine Verbreitung. Sie ist eine sehr große, aber in allen zum Kaspi oder zum Schwarzen Meere abwälzenden Stromsystemen (Donau!) fehlt er völlig. Es ist das auch ohne weiteres erklärlich, da der isolierte Kaspi viel zu seicht ist, als daß er den Aalen geeignete Laichplätze bieten könnte, und da das Schwarze Meer schon in einer Tiefe von 2-300 m derart mit Schwefelwasserstoffgas gesättigt ist, daß die Larven darin gar nicht zu leben vermöchten. Allerdings hat man Jungaale mit Erfolg in der Donau eingebürgert, und es mögen auch einige durch die künstlichen Wasserstraßen vom Maingebiet her einwandern oder vom Mittelländischen Meere aus durch den Bosporus in die Donaumündung gelangen.
Ein gutes Gegenstück zum Aale in bezug auf Wanderung und Laichgeschäft ist der gleichfalls so hoch geschätzte Lachs (Sálmo sálar). [76] Wenn im zeitigen Frühjahr unsere Küsten eisfrei werden, erscheinen daselbst aus tieferen und mehr nördlich gelegenen Meeresteilen fortpflanzungsfähige Lachse in Trupps zu 30-40 und halten sich zunächst noch längere Zeit an den Strommündungen und in den Haffen, überhaupt möglichst im Brackwasser auf, um sich an den Übergang aus dem Salz- ins Süßwasser allmählich zu gewöhnen, da ein zu plötzlicher Wechsel ihrem Organismus nicht zuträglich ist, vielmehr oft ihren Tod zur Folge hat, wie auch durch Versuche nachgewiesen wurde. Nach dieser Übergangszeit aber steigen sie in den Flüssen selbst aufwärts als wohlgenährte, kraftstrotzende und lebensfrohe Tiere mit schiefergrauem Rücken, silberigen Seiten und weiß schimmerndem Bauch. In diesem Zustande heißen sie bei den Fischern Salme und werden besonders geschätzt, deshalb auch eifrig weggefangen. Manche bleiben auch ein ganzes Jahr im unteren Teil der Ströme, überspringen also eine Laichperiode und bekommen dann als sogenannte Winterlachse ein besonders zartes, schön rot gefärbtes Fleisch. Die große Mehrzahl aber wandert gleich weiter und legt nun unterwegs das Hochzeitskleid an, das bei ganz alten Milchnern in den herrlichsten Farben prangt: der Rücken wird tief schwarz mit Sammetglanz, die Flanken erscheinen übersät mit lose hingetupften, brennendroten, bisweilen zu Zickzacklinien verfließenden Flecken, der Bauch prangt in lebhaftem Orangerot, über die Seiten huschen grünliche Lichter, und die Flossen werden teilweise wunderbar chromgelb. Übrigens ändert die Gesamtfärbung bei allen lachsartigen Fischen ganz außerordentlich ab, wodurch ihre genaue Beschreibung sehr erschwert wird und dem Systematiker viele Verdrießlichkeiten erwachsen, zumal auch schon in freier Natur zahlreiche Verbastardierungen vorkommen, so daß bezüglich einer strengen Scheidung der einzelnen Arten auch heute noch vielfach Unklarheiten herrschen. Alter, Geschlecht, Jahreszeit, Ernährungsverhältnisse, Klima, Beschaffenheit des Wassers und des Untergrundes scheinen die dabei maßgebenden Faktoren zu sein. Selbst Skelett, Flossenstrahlen und Bezahnung, also Körperteile, die bei anderen Fischen als unverrückbar feststehend gelten, und deshalb sichere Artkennzeichen abgeben, sind mannigfachen Veränderungen unterworfen. Gleichzeitig mit dem Auftreten der prangenden Hochzeitsfarben verdickt sich beim männlichen Lachse die Oberkopf- und Nackenhaut schwartenartig, so daß die kleinen Schuppen völlig darin verschwinden, [77] die Schnauze streckt sich, und der Unterkiefer wächst sich zu einem eberzahnartig nach oben gebogenen Haken aus, der 6 cm lang werden und dann das Schließen des Maules unmöglich machen kann (Hakenlachs). Die bedeutsamsten Veränderungen gehen aber im Inneren des Körpers selbst vor, indem nach und nach die Geschlechtsorgane zu einer fabelhaften Mächtigkeit entwickelt werden. Machten sie vorher nur 1/2 Proz. des Körpergewichtes aus, so jetzt 25 Proz. und mehr! Diese einseitige Bereicherung erfolgt ganz auf Kosten der feisten Rumpf- und namentlich Seitenmuskulatur, die förmlich zusammenschrumpft, und so wird aus dem wohlgenährten Salm in kurzer Zeit ein zwar bunter, aber klapperdürrer Geselle. Während bisher die Reise nur langsam und zögernd, im gemächlichen Bummeltempo vor sich ging, ergreift nun die von reifen Geschlechtsprodukten strotzenden Fische ein schier unbändiger Wandertrieb, der sie alle Hindernisse überwinden und rücksichtslos das Leben aufs Spiel setzen läßt, um das Ziel ihrer Sehnsucht baldmöglichst zu erreichen. Zur leichteren Überwindung des Wasserwiderstandes ordnen sie sich wie Kraniche oder Wildgänse zu keilförmigem Zuge, wobei das älteste und stärkste Exemplar die Spitze nimmt. Stellt sich ein Wehr oder Wasserfall entgegen, so schwimmen die Fische bis unmittelbar an seinen Fuß heran, stützen sich mit der Schwanzflosse auf einen Stein und schnellen sich dann durch einen gewaltigen Muskeldruck [78] mit halbmondförmig gekrümmtem Körper aus dem Wasser heraus und über das Hindernis hinweg, wobei sie Sprünge von 3-4 m Höhe und 5-6 m Weite im Bogen vollführen. Mißlingt der erste, so wird er unzählige Male wiederholt, bis das Wagnis endlich doch glückt oder der Lachs mit zerschundenem Leibe sterbend auf dem trockenen Felsen liegt. Nur sehr bedeutende Wasserfälle, wie der Schaffhausener, können vom Lachse nicht überwunden werden, der deshalb auch dem Bodensee fehlt. Das Allermerkwürdigste bei dieser harten und entbehrungsreichen Brautfahrt ist aber der Umstand, daß die Lachse während ihrer ganzen, sich über 4-6, ja selbst 10-12 Monate erstreckenden Dauer anscheinend keinerlei Nahrung zu sich nehmen, sich also förmlich als Hungerkünstler produzieren. Wenigstens hat man in ihrem Leibe noch niemals Nahrungsreste irgendwelcher Art gefunden, vielmehr die Beobachtung gemacht, daß Magen und Darm eintrocknen, keine Ausscheidungen mehr liefern und selbst das Gebiß durch Nichtgebrauch verkümmert. Und daß Lachse tatsächlich ein volles Jahr zu fasten vermögen, beweist ein von Paton 12 Monate lang gefangen gehaltenes, nur 5pfündiges Exemplar, das in dieser Zeit niemals gefüttert, wohl aber zweimal zum Befruchten von Rogen abgestrichen wurde. Unser Wanderfisch ohnegleichen, der sich allen Hindernissen zum Trotz im Kampf gegen Wehre, Schleusen und Stromschnellen den Weg vom Meer zum Fels bahnt, ist also auch ein Hungerkünstler, der Succi und Genossen weit übertrifft. Es handelt sich hier um eines der größten und interessantesten Fastenexperimente, das die Physiologie kennt. Bis in die kleinsten Gebirgsbäche hinauf wird die Reise ausgedehnt, und nicht selten erreicht der Lachs dabei Meereshöhen von 1000 m und mehr. Wo reines, sauerstoffreiches Wasser flach über kiesigen Untergrund strömt, da erscheint den weitgereisten Wanderern endlich die Gelegenheit günstig, sich ihrer sie belastenden Geschlechtsprodukte zu entledigen. In der Regel steht ein Rogner mit einem alten und mehreren jungen Milchnern zusammen. Durch energisches Fegen mit der Schwanzflosse schafft sich das Weibchen eine Laichgrube und setzt in diese nach und nach seine 10-30000 rotbraunen Eier ab, die von dem daneben liegenden oder etwas oberhalb im Wasser stehenden Männchen sofort besamt und dann mit Sand oder Kies oberflächlich wieder verdeckt werden. Die Tiere gehen in ihrer Buhlschaft, die sich 8-14 Tage hinziehen kann, völlig auf, haben für [79] nichts anderes mehr Sinn und lassen sich an seichten Plätzen sogar mit Händen greifen. Das alte Lachsmännchen ist während dieser Zeit eifersüchtig wie ein Türke, nimmt jede Störung furchtbar übel und schießt wie ein böser Bullenbeißer auf alles los, das seinen Unwillen erregt. Mit Geschlechtsgenossen der eigenen Art setzt es dann erbitterte Kämpfe ab, bei denen das Blut fließt und nicht selten einer der beiden Duellanten tot auf dem Platze bleibt, während die jungen »Spetzker« die günstige Gelegenheit benutzen, auch von den Freuden der Minne zu kosten, so daß wir hier ähnliche Verhältnisse vor uns haben, wie zwischen Platzhirsch und Spießer. Bei solchen Raufereien kommen dann Schwartenpanzer und Eberzahn zu ihrem Recht. Das anstrengende Laichgeschäft erschöpft die letzten Kräfte der vielgeprüften Fische. Zum Skelett abgemagert, todesmatt, mißfarbig treten sie den Rückweg zum fernen Meere an, lassen sich vielmehr fast ohne eigenes Zutun von der Strömung dorthin treiben, und nicht wenige gehen dabei vor Erschöpfung zugrunde. Das Fleisch solcher Lachse ist fad und weichlich geworden und durchaus kein Leckerbissen mehr, gilt vielmehr als nahezu ungenießbar. Wieder im nahrungsreichen Meere angekommen, erholen sie sich aber rasch, fressen nun tüchtig und nehmen dadurch in einer Weise zu, die selbst im Reich der Fische einzig dasteht. So wurde ein im Februar 1908 in England gefangener 8pfündiger Lachs gezeichnet, und nach genau einem Jahre als fetter 20pfündiger Bursche wieder gefangen. Der in den Gebirgswassern abgesetzte Laich braucht geraume Zeit bis zum Ausschlüpfen, nämlich je nach den Temperaturverhältnissen des Wassers 3-5 Monate. Die jungen Lachse leben dann im allgemeinen etwa zwei Jahre an ihrem Geburtsorte oder in dessen Nähe, bis sie gegen 40 cm lang geworden sind und den schönen Silberglanz bekommen, worauf sie langsam die Wanderung nach dem Meere antreten, um sich hier tüchtig an Krebstieren, Gewürm, Muscheln und kleinen Fischen zu mästen und die Geschlechtsreife zu erhalten, worauf sie sich dann zum ersten Male auf die beschwerliche Brautfahrt begeben. Unbedingt notwendig ist übrigens für die Lachse der hier geschilderte fortwährende Wechsel zwischen Salz- und Süßwasser nicht, denn es gibt auch Lachse in völlig abgeschlossenen Wasserbecken, wo sie dann lediglich die seichte Uferzone zum Laichen aufsuchen. Über verschiedene andere mit der Wanderung zusammenhängende Fragen gibt am besten der Fisch selbst Auskunft, und zwar durch das Tagebuch, [80] das er auf seine Schuppen schreibt. Wir wissen ja, daß die Schuppen der Fische sogenannte Jahresringe aufweisen, nämlich regelmäßig abwechselnde Zonen schnelleren und langsameren Wachstums, die reichlichen oder spärlichen Ernährungsperioden entsprechen und sich mit den bekannteren Jahresringen der Bäume vergleichen lassen, wie man auch nach ihnen gerade wie bei diesen das Alter der Fische mit annähernder Sicherheit bestimmen kann. Hutton hat nun herausgefunden, daß der frisch ins Meer eingewanderte Junglachs auf der Schuppe deutlich zwei Zonen mit eng zusammengedrängten konzentrischen Linien erkennen läßt. Sie entsprechen je einem Winteraufenthalt im Süßwasser mit seiner knappen Ernährung. Später schließt sich dann eine Zone an, in der die Linien ganz auffallend weit auseinander stehen: der Fisch ist sehr rasch gewachsen, denn das Meer bot ihm seinen Nahrungsreichtum dar. Aber auch dieser wird im Winter spärlicher oder nicht in gleichem Maße ausgenutzt, und so markiert sich jeder im Meer zugebrachte Winter wieder durch eine Zone eng beisammen liegender Linien. Dadurch wird es ermöglicht, genau festzustellen, wie viel Winter, bzw. Jahre der Lachs im Meere verbringt, ehe er erstmals zum Laichen in die Flüsse emporsteigt, und es hat sich herausgestellt, daß die in die Flußmündungen eintretenden kleinsten Lachse 1-3 Winterringe auf den Schuppen tragen. Die lange Fastenzeit im Süßwasser wird dadurch zum Ausdruck gebracht, daß die Schuppen sich auffasern und aussehen, als seien sie schadhaft geworden. Diese abgeriebene Zone bleibt stets erkennbar, auch wenn sich wieder neue Linien angesetzt haben, und es hat sich so ergeben, daß der Lachs seine entbehrungsreiche Brautfahrt nicht alljährlich unternimmt, sondern sich bisweilen ein Jahr der Ruhe und Kräftigung im Meere vergönnt. Zu seinem Wohlbefinden beansprucht der Lachs vor allem eins: reines, ungetrübtes Wasser, und er ist deshalb aus unseren durch die Industrie verseuchten Gewässern leider so leicht zu vertreiben wie kaum ein anderer Fisch. Fast wie eine Sage mutet es uns an, daß einst in Hamburg, Pommern, West- und Ostpreußen die Dienstboten sich verbaten, mehr als zweimal wöchentlich Lachsfleisch vorgesetzt zu erhalten, denn inzwischen ist der Lachsfang bei uns ganz gewaltig zurückgegangen und auch das Aussetzen künstlich erzielter Brut hat das köstliche Lachsfleisch, das in nordischen Ländern noch heute vielfach Volksnahrungsmittel ist, noch nicht wieder verbilligen können. [81] Immerhin liefert der Lachsfang an der ostpreußischen Küste und der Salmfang am Niederrhein auch jetzt noch recht schöne Erträge. Im Norden ist der wertvolle Fisch, dessen Verbreitungsgebiet auch nach der Neuen Welt hinübergreift, weit zahlreicher als bei uns, fehlt dagegen südlich der Alpen, kommt also in allen sich ins Mittelmeer ergießenden Strömen nicht vor. Es ist wohl anzunehmen, daß die heutige Verbreitung der lachsartigen Fische auf die Einflüsse der letzten Eiszeit zurückzuführen ist. Ursprünglich im hohen Norden heimisch und an ein kaltes Klima gewöhnt, wanderten die Salmoniden mit den vorrückenden Gletschern nach Mitteleuropa, und als die Gletscher wieder wichen, blieb ein Teil der Einwanderer in den kühleren Gewässern zurück, und die dadurch entstehende Isolierung begünstigte die Entwicklung zahlreicher nahe verwandter Formen, während andere zu Wanderfischen wurden. So ist der Lachs und seine Sippschaft ein köstliches Geschenk, das uns die Eiszeit beschert hat. Der Fang des Lachses wird auf die verschiedenste Weise betrieben. Besonders aufregend und unterhaltend ist das Speeren bei Fackelschein. In England hat sich das Lachsangeln zu einem aristokratischen Sport herausgebildet, der geradezu fanatische, vor keinem Opfer zurückschreckende Anhänger zählt. Allenthalben in der nordischen Welt trifft man diese englischen Lachsangler an. »Hoch oben in der Nähe des Nordkaps habe ich sie sitzen sehen, diese unverwüstlichen Fischer, mit einem aus Mücken gebildeten Heiligenschein umgeben, eingehüllt in dichte Schleier, um sich vor den blutgierigen Kerfen wenigstens einigermaßen zu schützen. In der Nähe ansprechender Stromschnellen hatten sie Zelte aufgeschlagen, inmitten der Birkenwaldungen auf Wochen mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen sich versehen, und standhaft wie Helden ertrugen sie Wind und Wetter, Einsamkeit und Mücken, schmale Kost und Mangel an Gesellschaft, zahlten auch ohne Widerrede den Besitzern eine Pacht von Tausenden von Mark für das Recht, sechs Wochen lang hier fischen zu dürfen, und gaben außerdem noch den größten Teil ihrer Beute unentgeltlich den Besitzern der benachbarten Höfe ab.« (Brehm.)
Eine nahe Verwandte des Lachses ist das wertvollste Kleinod unserer Gebirgswässer, die vielgerühmte Forelle (Trútta fário). Sie ist aber im Gegensatz zu ihm Standfisch oder wandert doch nur zur Laichzeit ein wenig flußaufwärts, wobei sich beide Geschlechter [82] getrennt halten, sich schließlich aber doch wieder mit Sicherheit zusammenfinden. Erfahrene Fischer wollen sogar eine gewisse Zuneigung der einzelnen Individuen zu ganz bestimmten Artgenossen festgestellt haben und behaupten, daß die Paare innig zusammenhalten und die Laichgrube gegen fremde Eindringlinge gemeinsam auf das wütendste verteidigen. Bei diesen Eifersuchtskämpfen, die mit dem scharfen Gebiß ausgefochten werden, gibt es Wunden und Schrammen genug, und man findet deshalb nach Beendigung der Laichzeit selten eine ganz unverletzte Forelle. Eingeleitet wird der Laichakt durch reizende Schwimmspiele, wobei sich die Tiere in eleganten Wendungen gegenseitig umschwimmen, zart aneinander reiben und durch die gewagtesten Drehungen ihre schöne Färbung zur Geltung zu bringen suchen. Der Laichakt selbst vollzieht sich in ganz ähnlicher Weise wie beim Hecht. Das Weibchen bereitet das Laichbett, indem es sich rasch von einer Seite auf die andere wirft, durch kräftige Schwanzbewegungen die Kiesel beiseite fegt oder solche wohl auch mit dem Maule entfernt. Sind die orangefarbenen Eier abgelegt und befruchtet, so werden von beiden Gatten gemeinsam mit aller Kraft Kieselsteinchen auf das Laichbett geschleudert, die sich oft zu einem kleinen Hügel auftürmen. Die Gesamtzahl der Eier beträgt nur etwa 1000, und sie werden in größeren Zwischenräumen abgelegt, so daß sich das Laichgeschäft, das meist in die Wintermonate fällt, über eine volle Woche hinzieht. Erst nach frühestens zwei Monaten entschlüpfen die anfangs recht unbehilflichen und durch den großen Dottersack in ihren Bewegungen sehr behinderten Jungen. Da, wo klares, sauerstoffreiches Wasser über Moos, Kiesel und Felstrümmer rasch dahinströmt, dazwischen ruhigere Stellen mit tieferem Wasser sich finden, überhängende Uferränder gute Schlupfwinkel abgeben und am Rande stehende Bäume die Oberfläche beschatten, fühlt sich die Forelle am wohlsten, und sie steigt an solchen Örtlichkeiten selbst bis zur Schneegrenze aufwärts, bleibt dann allerdings wegen der knappen Nahrung stets auffällig klein. Doch vermag sie sich auch allen möglichen anderen Verhältnissen anzupassen, wenn nur durch lebhaften Wellenschlag für eine genügende Anreicherung des Wassers mit Sauerstoff gesorgt ist. So gedeiht sie recht gut in entsprechenden Teichen, die von kalten Quellen gespeist werden. Unsere Forellenbestände sind durch schonungslose Überfischerei und durch Vergiftung der Bäche mit Fabrikabwässern [83] leider schon so stark zurückgegangen, daß der wohlschmeckende Fisch, für den namentlich in »modernen« Touristengegenden oft ganz märchenhafte Preise bezahlt werden müssen, heute nur noch die Tafel der Reichen schmückt. Ehemals war das ganz anders, und im östlichen Montenegro z. B. lernte ich die Forelle auch jetzt noch als ein billiges Volksnahrungsmittel kennen. Nebenbei gesagt, war in den betreffenden Gegenden auch die Wasseramsel überaus häufig, die von unseren Fischzüchtern so vielfach als die schlimmste Feindin der Forelle hingestellt wird. Wenige Fische sind so menschenscheu und vorsichtig wie die Forelle. Nur wenn ringsum alles ganz ruhig ist, kommt sie aus ihrem Versteck zwischen Baumwurzeln oder Steinen heraus und stellt sich mit dem Kopfe gegen die Strömung, indem sie sich durch richtig abgemessene Schläge der Brustflossen und schraubenartige Bewegungen der Schwanzflosse stundenlang auf der gleichen Stelle erhält und geduldig darauf lauert, ob nicht ein günstiger Zufall ein Beutetier vorüberführen oder ein Insekt ins Wasser wehen wird. Nach über dem Wasser tanzenden Mücken oder Eintagsfliegen springt der Fisch auch aus seinem Elemente heraus und erhascht die Ahnungslosen mit geschickter Wendung. Bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr aber schießt die Forelle pfeilschnell ihrem Schlupfwinkel zu, tauscht diesen gleich darauf mit einem anderen und ist so gar nicht leicht ausfindig zu machen, obgleich sie als ein überaus zäher Standfisch bei Tage aus einem Gebiet von etwa 20 m Bachlänge kaum herausgeht. Bei Nacht schweift sie auf der Nahrungssuche weiter umher und zeigt sich dann als ein tüchtiger Räuber, der selbst der eigenen Nachkommenschaft nicht schont. Wie gefräßig die Forellen sind, geht daraus hervor, daß man schon Stücke gefangen hat, denen noch das Schwanzende einer erst halb verdauten Ringelnatter zum Maule heraushing, da die verzehrte Schlange doppelt so lang war als der Fisch. Im allgemeinen gelten bei uns mehr als halbmeterlange Forellen als eine Seltenheit. Doch sind auch schon mehr als meterlange Exemplare mit entsprechendem Gewicht vorgekommen. Der Feinschmecker wird ihnen stets die kleinen Portionsforellen vorziehen. Die ansprechende Färbung mit der hübschen Tüpfelzeichnung wechselt fast in noch höherem Maße als beim Lachs, und diese Verschiedenheit erstreckt sich sogar auf das Aussehen des Fleisches, das alle Zwischenstufen vom reinsten Weiß bis zum schönen Lachsrot durchlaufen kann. Die englischen Sportfischer behaupten, [84] daß das Fleisch um so röter werde, je mehr phosphorhaltige Nahrungsmittel der Fisch vertilge. Auch sollen die am schönsten gefärbten und am lebhaftesten gefleckten Forellen das weißeste Fleisch haben und umgekehrt, Teichforellen ein röteres als die in steinigen Bächen lebenden. In Torfgewässern trifft man fast schwarze Forellen, in unterirdischen Wasserläufen, so in von einem Bach durchströmten Tunneldurchschlägen, nicht eben selten Albinos oder auch blinde Exemplare, in kleinen Gebirgsbächen die am hübschesten gezeichneten. In seiner Jugend hat unser Fisch, dessen Farbstoffe auch in die Flossen eintreten, Bänderzeichnung aufzuweisen. Nach den Untersuchungen Wagners unterscheiden sich diese Jugendbänder ihrer Pigmentierung nach nicht quantitativ, sondern nur qualitativ von den übrigen Partien der Oberhaut; sie sind also nicht aus einer größeren Anzahl von Chromatophoren (Farbstoffzellen in der Haut) zusammengesetzt, sondern diese befinden sich in einem anderen Zustande der Ausdehnung, können unabhängig von denjenigen des übrigen Körpers tätig sein und werden auf besondere Art mit Nervenfasern versorgt. Das Plasma der orangeroten Zellen ist von einer ölartigen Masse erfüllt, die dem Dottersacköl der Embryonen sehr nahe steht, vielleicht sogar mit ihm gleichbedeutend ist. Sie bilden in ihrem Inneren die später außenzelligen Liptochromtröpfchen, die die roten Tupfen der älteren Forellen zusammensetzen. Zur Laichzeit werden diese auf dem Bauch mehr oder minder schwärzlich und besitzen jederzeit ein ziemlich starkes Farbanpassungsvermögen. Bei uns darf die Forelle (sie hieß früher »Fohre«, im Bayrischen jetzt noch »Föhrchen«, und in Mitteldeutschland wird ihr moderner Name vielfach noch auf der ersten Silbe betont) wohl als der beliebteste Angelfisch gelten, da sie in ihrer Raubgier gut auf den Insektenköder oder auf die künstliche Fliege geht. Ihr zartes, von den Alten merkwürdigerweise nicht gewürdigtes, fein nußartig schmeckendes Fleisch wird in Deutschland in der Regel blau gesotten, in Oesterreich dagegen meist gebacken — in meinen Augen eine Barbarei. In jüngster Zeit sind die Forellenbestände mancher Gegenden durch die eigenartige Taumelkrankheit arg mitgenommen und gefährdet worden. Verursacht wird diese Seuche durch einen in den inneren Geweben, besonders aber im Gehirn schmarotzenden, winzigen Algenpilz, den Ichthyophonus hoferi, wie er zu Ehren Hofers heißt, der die Taumelkrankheit 1893 erstmalig beschrieb. Merkwürdig ist, daß die Fische immer nur [85] in einem gewissen Lebensalter von der sich zuerst durch Dunkelfärbung des Schwanzendes kenntlich machenden Krankheit ergriffen werden.
Glücklicherweise ist gerade die Forelle in hohem Maße für die künstliche Fischzucht geeignet. Hat diese auch nicht all die überschwenglichen Hoffnungen erfüllt, die man in der ersten Begeisterung auf sie gründete, so darf sie doch schon heute als ein volkswirtschaftlich nicht unbedeutender Faktor und als ein geeignetes und wirksames Mittel gelten, der drohenden Verödung unserer Gewässer entgegenzuwirken. Obwohl bereits zur Zeit des 7jährigen Krieges der Mathematiker, Landwirt und Landeshauptmann Jacobi im Lippeschen die Grundzüge der künstlichen Fischzucht und ihre Bedeutung richtig erkannte, geriet seine Entdeckung doch wieder in Vergessenheit, da die Zeiten zu bewegt, eine Presse zur raschen und allgemeinen Verbreitung gemeinnütziger Ideen kaum vorhanden war, und da es vor allem noch keinen Mangel an Fischen gab. Erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts kamen zwei einfache französische Fischer, Remy und Gehin, erneut auf den guten Gedanken, der nun in dem Pariser Professor Coste einen begeisterten Propheten und in Napoleon III. einen verständnisvollen Förderer fand. Sein etwas voreiliges Versprechen, in wenigen Jahren ganz Frankreich mit Edelfischen zu bevölkern und jedem Franzosen eine stattliche Forelle auf den Sonntagstisch zu zaubern, vermochte Coste freilich nicht einzulösen, wie überhaupt die ganze Sache in Deutschland bald kräftiger und praktischer entwickelt wurde. In sehr hoher Blüte steht sie heute in der Schweiz, wo 180 Brutanstalten in Betrieb sind und jährlich einige 50 Millionen Jungfische verschiedener Art liefern. Früher brachte man Rogen und Milch, die durch sanftes Streichen an der Bauchseite der Tiere gewonnen werden, im Wasser zur Berührung, wobei sich eine Befruchtung von etwa 50 Proz. ergab, immerhin ein großer Fortschritt gegen die natürlichen Verhältnisse, wo nicht viel mehr als 10 Proz. der Eier wirklich befruchtet werden. Seit man aber dazu übergegangen ist, die Geschlechtsprodukte ohne Wasserzusatz trocken mit einer Gänsefeder zu verrühren und die Eier zunächst in ein Sieb zu entleeren, aus dem der mit ausfließende und sie schädigende Harn abfließen kann, hat man das sehr befriedigende Ergebnis von 90 Proz. Befruchtung erzielt. Die Eier quellen nämlich im Wasser rasch [86] auf und sind dann für die Samenfäden nicht mehr zugänglich. Bei der ganzen Manipulation muß man fix verfahren, denn die Samenfäden der Fische haben nur eine sehr kurze Lebensdauer und Bewegungsfähigkeit. Sie soll bei der Forelle nur 40, beim Lachs nur 45 Sekunden betragen, beim Karpfen und Barsch größer sein und beim Hecht sich gar über vier Minuten erstrecken. Nachdem die Eier mit Wasser übergossen wurden (unbefruchtet gebliebene verraten sich bald durch weiße Farbe), kommen sie in die Brutkästen, die fortwährend von frischem, schlammfreiem und sauerstoffreichem Wasser durchspült werden, das ständig auf gleicher Temperatur zu halten ist. Vor Erschütterungen sind die Eier sorgsam zu bewahren, auch ab und zu abzubrausen, um eine Verschleimung zu verhüten, und täglich müssen abgestorbene oder verpilzte Eier ausgelesen und entfernt werden. Sobald dann erst die Augenpunkte der Embryonen sichtbar werden, sind die Eier weniger empfindlich. Die Milch eines Männchens genügt, um die Eier mehrerer Rogner zu befruchten. Trotzdem scheinen in freier Natur, wie überhaupt bei den meisten Fischen, mehr Männchen als Weibchen vorhanden zu sein, und man hat daraus schließen wollen, daß die Fische in Polyandrie (Vielmännerei) leben, soweit von einer solchen bei einer nur äußerlichen Vereinigung der Geschlechtsprodukte überhaupt die Rede sein kann. Bezüglich des Geschlechts der Nachzucht soll nach den Erfahrungen der Aquarienfreunde an ausländischen Zierfischen die Temperatur maßgebend sein, in der die Elterntiere gehalten wurden. Bei warmer Temperatur soll der Laich mehr Weibchen liefern, bei kalter mehr Männchen. Von der gerade bei Fischen leicht durchzuführenden Bastardzucht, von der man sich vor einigen Jahrzehnten wahre Wunder versprach, ist man jetzt so ziemlich wieder abgekommen. Sie hat im allgemeinen mehr geschadet als genützt, und in der Regel hat die freie Natur die Produkte allzu eifriger Züchter bald wieder fortgefegt. Ebenso sind die Gefahren der Inzucht bei der Fischzucht nicht gering anzuschlagen. Mit dem Schwanze voran, entschlüpfen die jungen Forellen nun endlich der Eihülle und müssen nach Aufzehrung ihres umfangreichen Dottersackes mit Daphnien, Mückenlarven, Eigelb, Quark, Kalbshirn und dergl. ernährt werden, worauf sie in die Streckteiche kommen, wo sie bei Fütterung mit Schellfischfleisch, Leber, [87] mit Mehl oder Kleie verknetetem Blut rasch wachsen. Einjährig werden sie endlich in die freien Teiche oder Bachläufe eingesetzt und können dann schon [88] nach 6-8 Monaten das Marktgewicht erreichen, ohne noch viel von ihren natürlichen Feinden, die ihnen ja im zarten Alter am gefährlichsten sind, leiden zu müssen. Gerade in Forellenbrutanstalten kann man sehr gut die Entwicklung des Fisches im Ei beobachten. Die Furchung ist eine partielle, indem nur der Bildungsdotter eine Teilung erfährt, und die von der Seite her erfolgende Einstülpung bleibt unvollkommen: der dem Nahrungsdotter dann scheibenförmig aufliegende Keim wird zur zweischichtigen »Scheibengastrula«. Im weiteren Verlauf der Entwicklung bildet sich die Körperform immer deutlicher aus, indem die Keimscheibe durch Einrollung nach unten die Form eines umgekehrten Kahnes annimmt. Das Vorderende mit den stark hervortretenden Augen charakterisiert sich durch seine Dicke bald als Kopf, das Hinterende durch seine Schlankheit als Schwanz. Das Ganze umwächst den Nahrungsdotter, streckt sich in die Länge und hebt sich von seiner Unterlage ab. Augen und Schwanz vollführen zuckende Bewegungen, und letzterer bereitet dadurch das Ausschlüpfen vor. Die zwei ursprünglichen Keimhäute bilden nach unten offene Röhren, das Haut- und das Darmrohr, und als drittes kommt das Nervenrohr hinzu, das durch Einstülpung vom Rücken her mit nachfolgender Abschnürung entsteht und das spätere Rückenmark vorstellt. Von der inneren Keimhaut aus bildet sich die Grundlage der späteren Wirbelsäule, und ein sich neu einschiebendes drittes Keimblatt liefert die Stoffe zum Aufbau der Knochen und Muskeln. Sehr früh macht sich das mit roten Blutkörperchen erfüllte Herz bemerkbar. Am Halse zeigen sich Kiemenspalten und dazwischen Kiemenbögen, und außen setzen sich als einfache Stümpfe die Flossen an.
I.Ei mit Keimscheibe, k fixierte Randstelle derselben, Hinterende des Embryo. II. Ausbreitung der Keimscheibe mit Embryonal- oder Primitivwulst, k fixierte Stelle. III. Stadium mit stark nach vorn verlängerter und vortretender Embryonalanlage der Rückenteile. IV. und V. Weitere Stadien, der Dotter ist ganz von den Keimscheiben umwachsen, Kopf und Schwanz heben sich ab, letzterer wächst nach hinten in die Länge. VI. Junger Fisch mit Dottersack, in diesem die Blutgefäße und Fetttropfen.
Die Gruppe der lachsartigen Fische, die sich durch edlen Körperbau, das Vorhandensein einer kleinen, strahlenlosen Fettflosse zwischen Schwanz- und Rückenflosse, kleine Beschuppung und grätenarmes Fleisch auszeichnet, umfaßt noch eine ganze Reihe wirtschaftlich wichtiger Speisefische. Der Huchen oder Donaulachs (Sálmo húcho) war früher wohl auch Wanderer, ist aber notgedrungen zum Standfisch geworden, da das Schwarze Meer, auf das er angewiesen wäre, wegen seines Schwefelwasserstoffgehaltes keine geeigneten Tiefen bietet. Er bummelt aber doch gerne — schon der Ernährungsverhältnisse wegen — ein wenig in der Welt herum, indem er sich im Hauptstrome oder in den Nebenflüssen sachte und allmählich nach aufwärts [89] schiebt. Doch herrscht über die Wanderungen dieses stattlichen, 2 m lang und 25 kg schwer werdenden Fisches noch viel Unklarheit, was auch im wirtschaftlichen Interesse sehr zu bedauern ist, da er ein besonders wohlschmeckendes weißes Fleisch hat und die Ausübung des Angelsports auf ihn mancherlei interessante Momente und Erlebnisse zu zeitigen pflegt. Seiner Größe entsprechend ist der Huchen ein gewaltiger Räuber, der oft wie ein Windhund hinter seiner Beute dreinjagt und sich dabei als ein sehr gewandter Schwimmer zeigt, und der selbst Wasserratten und Wassergeflügel nicht verschont. Gewöhnlich steht er im tiefen, stark strömenden Wasser, und nur zur Laichzeit sucht er flache und kiesige Stellen auf. Diese fällt übrigens bei ihm im Gegensatz zu anderen Salmoniden in die Frühjahrsmonate. Ein Charaktertier der stillen und kalten Gebirgsseen unserer Alpen ist der Saibling (Sálmo salvelínus), der von allen unsren Fischen das köstlichste Fleisch liefern soll und deshalb sehr teuer bezahlt wird, obschon sein durchschnittliches Gewicht nur 1/2 kg beträgt. Da er willig künstliches Futter annimmt und sich überhaupt recht widerstandsfähig zeigt, eignet er sich auch gut zur Mast. Gewöhnlich hält sich dieser ausgesprochene Standfisch scharenweise in größeren Tiefen seiner Wohngewässer auf und steigt nur abends zum Mückenfang an die Oberfläche empor. Den in den Seen des Salzkammergutes und namentlich im Gosausee lebenden Schwarzreiter möchte ich für eine Kümmerform des Saiblings halten. Die Meer- oder Lachsforelle (Sálmo trútta) verbringt den größten Teil ihres Daseins im Salzwasser unserer Küsten und vollführt von da aus des Laichgeschäftes halber ähnliche Wanderungen wie der Lachs, wird aber nicht so hoch geschätzt wie dieser. Als eine durch ständigen Aufenthalt im Süßwasser seßhaft gewordene Abart von ihr ist die Schwebe- oder Seeforelle (Sálmo lacústris) aufzufassen, die eine ähnliche Verbreitung hat, wie der Saibling, aber in etwas abgeänderter Form auch in den Seen Skandinaviens und Schottlands vorkommt. Zum Laichen steigt der stattliche, sich sonst in beträchtlicher Tiefe aufhaltende und hier fleißig auf Lauben und Renken jagende Fisch in den einmündenden Flüssen während des Winters aufwärts. Die von den alten Weibchen angelegten Laichgruben sind so umfangreich, daß sie bequem einen liegenden Mann aufnehmen können. Interessant ist, daß dieser wirtschaftlich wichtige Fisch in zwei verschiedenen [90] Formen auftritt, die namentlich im Bodensee scharf differenziert sind. Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß bei allen Salmoniden gewisse Individuen sich geschlechtlich nicht zur Reife entwickeln und auch äußerlich zeitlebens von den normalen Exemplaren verschieden bleiben. Wenigstens ist der berühmte Fischforscher v. Siebold der Ansicht, daß diese Unfruchtbarkeit für das ganze Leben anhalte und in den meisten Fällen auf die Abgeschlossenheit in zuflußlosen Seen zurückzuführen sei, während Widegren die Sterilität nur für eine vorübergehende Erscheinung hält, da die Fische in einer späteren oder auch sehr viel späteren Periode doch noch geschlechtlich vollreif würden. Vielleicht bringen die seit 1907 angestellten Markierungsversuche Klarheit in diese einstweilen noch recht dunkle Frage. Jedenfalls ist im Bodensee die behäbige, stumpfschnauzige, dunkle, geschlechtsreif werdende Form als »Grundforelle« ganz verschieden von der schlanken, spitzschnauzigen, silberigen, nur sehr spärlich gefleckten und stets kleiner bleibenden »Mai-«, »Silber-« oder »Schwebeforelle«, so daß der den ansässigen Fischern längst bekannte Unterschied beider auch dem Laien sofort auffällt. Ihrer Schnellwüchsigkeit und des dadurch bedingten wirtschaftlichen Wertes halber sind aus Nordamerika der Bachsaibling (Sálmo fontinális) und die Regenbogenforelle (Sálmo iridéus) bei uns eingebürgert worden. Ein nur 15-30 cm lang werdendes, stark silberglänzendes Fischchen mit tief gespaltenem Maul ist der sehr variable Stint (Osmérus eperlánus), seines üblen Geruches halber auch »Stinkfisch« benannt. Namentlich in den Haffen der Ostsee tritt er zu gewissen Jahreszeiten in wahren Unmassen auf, so daß ein sehr lohnender Fang betrieben wird. Hat man sich einmal an den zum mindesten recht eigenartigen Geruch gewöhnt, so wird man das Stintfleisch und besonders die aus ihm bereitete delikate Suppe hoch zu schätzen wissen. Gewöhnlich wissen die Fischer mit dem übergroßen Stintsegen allerdings nichts anderes anzufangen, als ihn in die Schweinetröge zu schütten oder als Dung auf die Felder zu fahren, bestenfalls ihn zur Tranbereitung einzukochen. Die flüchtige, ungemein bewegliche, höchstens 1-1/2 kg schwer werdende Äsche (Thymállus vulgáris) mit der prachtvoll purpurroten, durch schwarze Fleckenbinden noch gehobenen Rückenflosse darf wohl als einer der schönsten und anmutigsten deutschen Fische bezeichnet werden. Sie bevorzugt ähnliche Örtlichkeiten wie die [91] Forelle, siedelt sich jedoch in der Regel etwas unterhalb der Forellenregion an. In bezug auf Reinheit und Sauerstoffgehalt des Wassers ist die Äsche noch anspruchsvoller als die Forelle, schweift auch mehr herum als diese und lebt geselliger. Neben Insekten verzehrt sie hauptsächlich Schnecken und kleine Muscheln und produziert ein das Entzücken aller Feinschmecker bildendes Fleisch, das angeblich nach Thymian riechen soll, wovon ich allerdings noch nichts wahrzunehmen vermochte. Die nur kleine oder mittelgroße Arten umfassende Gattung Coregonus zeichnet sich durch größere Schuppen und mehr weißfischartigen Körperbau vor den echten Lachsen aus. Zu ihr gehört die große Maräne (Coregónus lavarétus), die gleich ihren Verwandten in beträchtlichen Tiefen ein lichtscheues Dasein führt und nur zur Laichzeit in flacheres Wasser kommt. Ihre teilweise Isolierung in abgeschlossenen Binnenseen hat die Bildung zahlreicher Lokalformen begünstigt, von denen hier Wander-, Madü- und Edelmaräne genannt seien, denen sich die in alpinen Seen lebende Bodenrenke zugesellt. Alle Maränen, die für den Fang allerdings fast nur zur Laichzeit zugänglich sind, gelten ebenso wie die übrigen Angehörigen dieser Gruppe für äußerst wohlschmeckend. Besonders wichtig sind alle verschiedenen Renkenformen für die Stromfischerei Sibiriens, wo der Fang auf sie im großartigsten Maßstabe betrieben wird. Die in den Seen Norddeutschlands heimische Zwergmaräne (Coregónus álbula), die nicht leicht über 35 cm lang wird, nährt sich hauptsächlich von kleinen Krustern und zeigt sich in warmen Sommernächten unter vielem Geplätscher auch an der Oberfläche. In geräuchertem Zustande bildet sie eine hochgeschätzte Delikatesse und geht als solche in alle Welt hinaus. Das Blaufelchen (Coregónus wartmánni) ist der bekannteste Speisefisch des Bodensees und kommt in etwas abgeänderter Form (Traunseemaräne, Pfäffikonmaräne usw.) auch in anderen Alpenseen vor. In tiefen und kühlen Wasserschichten führen diese sehr geselligen Fische ein unstetes Wanderleben, indem sie den frei im Wasser schwebenden Kleintieren folgen. Zur Laichzeit drängen sie sich an geeigneten Stellen derart zusammen, daß sie sich gegenseitig den das Hochzeitskleid bildenden Körnerausschlag abreiben, der dann weithin den Wasserspiegel bedeckt. Nach dem Zeugnisse Vogts sollen sie beim Laichakt paarweise meterhoch aus dem Wasser herausspringen und dabei, Bauch gegen Bauch gekehrt, gleichzeitig Milch und Rogen fahren lassen. Der sehr lohnende Fang [92] der Blaufelchen, die 1886 mit Erfolg auch im Laacher See eingebürgert wurden und sich dort schon stark umgebildet haben, erfolgt zur Laichzeit in großen Zugnetzen, sonst mit tiefgehenden Angelschnüren. In der Hauptsache auf Boden- und Ammersee beschränkt ist das kleinere, durch kurzen Leibesbau und deutlich gebogenen Rücken ausgezeichnete Kropffelchen (Coregónus hiemális) oder der Kilch. Von allen Renken ist diese Art der ausgesprochenste Tiefenfisch, so daß er bei raschem Heraufholen »trommelsüchtig« wird, indem die Schwimmblase sich infolge des plötzlich verminderten Atmosphärendrucks jäh ausdehnt, dadurch den Leib unförmlich auftreibt, die Eingeweide verschiebt und schließlich wohl gar den Leib mit lautem Knall zum Platzen bringt. Da der Kilch nur zur Laichzeit für wenige Tage in die Ufergewässer kommt, wissen wir über seine Naturgeschichte noch recht wenig, und auch sein Fang ist aus dem gleichen Grunde schwierig und wenig lohnend. Ganz das Gegenteil gilt vom Schnäpel (Coregónus oxyrhynchus), einem sehr wanderlustigen Gesellen, der wie der Lachs zum Laichen aus der Nord- und Ostsee truppweise in die Flüsse steigt, hier allerdings seine Wanderungen nicht so weit ausdehnt, wie jener. Dafür beginnt die junge Schnäpelbrut schon dem Meere zuzustreben, wenn sie kaum erst den Dottersack aufgezehrt hat.
Als den Wolf in unserer heimischen Fischwelt könnte man den Hecht (Esox lúcius) bezeichnen. Wie jenes grimmige Säugetier ist auch er von einer unbändigen Raublust beseelt, wie jener erscheint er beständig vom Hunger geplagt und wagt sich dann an größere Geschöpfe, wie jener ist er der Schrecken aller friedliebenden Tiere in seiner Umgebung. Der langgestreckte, walzenförmige Leib mit der weit nach hinten gestellten, der Afterflosse gerade gegenüber befindlichen Rückenflosse, der charakteristische Alligatorkopf mit der entenschnabelähnlichen Schnauze und den niederträchtig blickenden, starren Augen, das Überwiegen der grünen Farbe auf dem Oberkörper, das ungewöhnlich scharf abgesetzte Schwanzende mit der tief gegabelten Flosse machen den Hecht sofort kenntlich. Während die große Mehrzahl der Hechte bei uns nur meterlang wird, werden doch nicht allzu selten auch Stücke von doppelter Länge und bis zu 35 kg Gewicht gefangen. Ja, es scheinen gerade bei diesem Fische wahre Goliaths vorzukommen. So berichteten die Tageszeitungen, daß im Juni 1908 im Ammersee durch den Wellenschlag eines Dampfers ein Hecht an den Strand geworfen worden sei, der nicht weniger als [93] 60 kg gewogen habe und ganz von Moos überzogen gewesen sei. Eine freilich nicht genügend verbürgte Überlieferung erzählt, daß ein im Jahre 1250 von Kaiser Friedrich II. eigenhändig bei Kaiserslautern ausgesetzter und gezeichneter Hecht im Alter von 267 Jahren wieder gefangen worden sei und dann 175 kg (?!) gewogen habe. Jedenfalls steht soviel fest, daß Wachstum und Gewicht beim Hechte außerordentlich verschieden sind, je nach der Ergiebigkeit seiner Jagdgründe. Erscheinen ihm diese nicht reichhaltig genug, so entschließt er sich oft zur Auswanderung und scheut sich dabei nicht, kleinere Hindernisse nach Lachsart zu überspringen. Seine Raubgier ist unermeßlich, sein Heißhunger unersättlich, seine Tollkühnheit verblüffend, seine Kraft und Schnelligkeit bewundernswert, seinem ganzen Wesen haftet etwas von der brutalen Gewalt verschollener Zeiten an. Man hat berechnet, daß er zu seiner Erhaltung wöchentlich so viel Fischfleisch benötigt, als er selbst wiegt, und daß er, um 1 kg Gewichtszunahme zu erzielen, 25 kg Fische verzehren muß. Wer selbst einmal Junghechte im Aquarium gehalten hat, dem werden diese Zahlen eher noch zu niedrig gegriffen erscheinen. So verzehrte ein nur 30 cm langer Hecht im Aquarium täglich 15 Weißfischchen. Die Jagdweise des Hechtes ist ein heimliches Heranschleichen und plötzliches Losschnellen. Oder er liegt stundenlang fast bewegungslos auf der Lauer. Dabei gewährt sein gleichzeitig kühner und hinterlistiger Gesichtsausdruck dem Beobachter einen hohen Reiz. Jede Gemütsregung des Fisches verrät sich in seinen Stellungen, seinem Augen- und Flossenspiel. Sehr hübsche Beobachtungen hierüber hat der mehrfach erwähnte Ward gemacht. Bewegungslos liegt der Hecht im Rohrbett, mit dem Körper gerade auf dem Boden, gestützt auf die Flossen, alle Muskeln sind schlaff, nur die Rückenlinie zeigt schwache Bewegung, aber die flach anliegende Rückenflosse offenbart die seelische Ruhe des Tieres. Nur der gierige Blick des Auges verrät, daß der Hecht trotz alledem ständig auf dem Posten ist. Plötzlich, als ein sicheres Zeichen von Erregung, richtet sich die Rückenflosse auf und entfaltet sich, ohne daß jedoch die übrigen Flossen und der Rumpf in Tätigkeit treten. Augenscheinlich hat der Fisch in einiger Entfernung einen Lichtstreif entdeckt, als ein Weißfisch sich zur Seite wandte und so seine Gegenwart verriet. In dem Maße, wie er sich nähert, wächst die Erregung des Hechtes, was sich deutlich an weiteren Bewegungen der Rückenflosse erkennen läßt, die herüber [94] und hinüber schwankt, sich öffnet und schließt wie ein Fächer. Endlich entschließt sich der Hecht zum Angriff und nimmt sogleich eine Haltung an, die deutlich seine Absicht erkennen läßt: er erhebt sich auf den Flossen, alle Muskeln spannen sich, und die Rückenlinie wird infolgedessen gerade wie ein Pfeil. Diese Angriffsstellung ist im Augenblicke unveränderlich, kann aber nur einige Sekunden oder höchstens Minuten beibehalten werden. Verschwindet nun der Weißfisch wieder, so entspannen sich des Hechtes Muskeln, und die Rückenflosse sinkt allmählich herab. Wenn aber das Opfer auch noch weiterhin sich nähert, so schnellt der Hecht, durch eine schraubenartige Bewegung seiner Schwanzflosse getrieben, hervor und gleitet nun langsam vorwärts, indem er hinterlistig jeder Bewegung des Beutefisches folgt. Schöpft der Weißfisch Argwohn, so hält der Hecht inne, und »hängt« bewegungslos im Wasser, zitternd vor Unruhe. Ist aber endlich die richtige Entfernung erreicht, so schnellt der Hecht plötzlich vor und packt den Weißfisch in der Mitte des Körpers. Nur ein kleiner Wirbel auf dem Wasserspiegel gibt der Außenwelt Kunde von dem Drama, das sich soeben abgespielt hat. Mit einer ruckweisen Bewegung der Kinnbacken wirft der Räuber sein Opfer herum und verspeist es mit dem Kopfe voran. Manchmal sieht der Hecht beim Belauern oder Nachschleichen aber etwas, das ihm mißfällt. Dann überkommt ihn der Zweifel: seine Muskeln werden schlaff, der Rücken biegt sich, und der Fisch hängt bewegungslos im Wasser, unausgesetzt den Gegenstand seines Argwohns betrachtend. Fühlt er sich wieder sicher, so wird er abermals steif und schnellt zum Angriff vor, will sich aber sein Argwohn nicht zerstreuen, so schleicht er sich sachte fort. Ist der Angriff etwa fehlgeschlagen, so verändert sich das Bild abermals völlig: mit gebogenem Rücken und zornig schnappendem Rachen sinkt der Hecht enttäuscht zu Boden. Was er einmal mit seinen nach hinten gerichteten Hechelzähnen (der aus Westdeutschland stammende Name Hecht dürfte mit dem Zeitwort »hecheln« zusammenhängen) gepackt hat, das läßt er so leicht nicht wieder aus. Manchmal kann ihm aber gerade die Art seiner Bezahnung zum Verhängnis werden, indem er einen in der Gier gefaßten, allzu großen Bissen nicht loszuwerden vermag und nun elend ersticken muß. Raublustig ist er auch bei vollem Magen, und selbst wenn ihm das Schwanzende des zuletzt verschluckten Fisches noch unverdaut aus dem Maule ragt, schnappt er schon wieder nach [95] neuer Beute, wie die Erfahrungen der Angler sattsam beweisen. Alles ist ihm recht, nur vor dem Stichling hat er einigen Respekt, aber sonst schont er nicht einmal jüngere und kleinere Angehörige der eigenen Art, ist vielmehr ein ausgesprochener Kannibale. Bilden auch Fische der verschiedensten Art seine Hauptnahrung, so erjagt er doch auch im Wasser sich tummelnde Säuger, Frösche, sich badende oder trinkende Vögel, junge Enten und Wasserhühner, wo immer sich ihm Gelegenheit bietet. Nagender Heißhunger verleitet ihn bisweilen zu den unglaublichsten Taten und zu ganz zwecklosen Angriffen. So berichtet Wagener aus Irland, daß ein am Flusse trinkendes Kalb plötzlich laut aufschrie, und als man hinzueilte, fand sichs, daß ihm ein größerer Hecht an der Nase hing, den das erschreckte Tier 50 Schritte weit mit forttrug, worauf ein wohlgezielter Steinwurf den Räuber zur Strecke brachte. Verbürgte Fälle sind bekannt, daß Schwäne von Hechten am Halse gepackt, unter Wasser gezogen und ertränkt wurden. Am Badestrand zu Rossatz in der Wachau verspürte unlängst ein junges Mädchen einen heftigen und schmerzhaften Anprall an der Hüfte. Es zeigte sich, daß sie einen tief eindringenden Biß davongetragen hatte, der aus einer ziemlichen Anzahl nadelstichartiger, im Halbkreis angeordneter Wunden bestand, so daß kaum ein Zweifel obwalten konnte, daß ein gewaltiger Donauhecht der Angreifer gewesen war. Dieses Exemplar scheint also eine Vorliebe für »Backfische« besessen zu haben. Über einen ganz unglaublichen Vorfall berichtete kürzlich die Wiesbadener Zeitung: aus einem See bei Wollstein suchte ein neunjähriger Knabe Hechte zu fangen, wozu er ein Loch in die Eisdecke schlug. In demselben Augenblicke schnellte ein 16pfündiger Hecht empor und verbiß sich in dem Arm des Knaben. Dieser wurde später samt dem Hecht erfroren auf dem Eise aufgefunden (?). Fischzüchter pflegen Hechte in die mit älteren Karpfen bevölkerten Teichen einzusetzen, damit sie Leben in diese faule Gesellschaft bringen und die als Nahrungsmitbewerber auftretenden Weißfische wegfangen sollen. Doch ist dabei immer eine gewisse Vorsicht am Platze, und man darf die Hechte keinesfalls zu groß werden lassen, damit sie sich nicht als »Wolf im Schafstall« entpuppen. Seine schrankenlose Freßgier verurteilt den Hecht zur Einsamkeit, und nur zur Laichzeit sucht er seinesgleichen auf. Schon ganz zeitig im Frühjahr, wenn noch Eisstücke auf den Wassern schwimmen, schreitet er zur Fortpflanzung und begibt sich [96] dann an die seichtesten Stellen, selbst in kleine Gräben und auf überschwemmte Wiesen, wobei er nicht selten seine Lust mit dem Leben büßen muß. Hier kann er sogar mit Pfeil und Bogen oder mit der Schrotflinte erlegt oder mit der Hechtgabel gestochen werden, was namentlich nachts bei Fackelschein recht lohnend ist, und wobei nicht selten beide Gatten gleichzeitig durchbohrt werden. Eigentlich ist diese Fangart verpönt, wird aber doch in Norddeutschland vielfach ausgeübt. Auch der Angler hat am Hecht seine Freude, da er in seiner blinden Raubgier fast jeden Köder annimmt. Obgleich das Hechtfleisch etwas trocken und ziemlich grätig ist, findet es doch viele Liebhaber, ja begeisterte Lobredner. Aus eigener Erfahrung kann ich versichern, daß die jungen »Grashechte«, wenn man sie oberflächlich in der glimmenden Asche des Lagerfeuers röstet, eine treffliche Mahlzeit abgeben, aber bezüglich der Riesenhechte halte ich es mit Marshall, der den Genuß eines solchen mit demjenigen eines wohlgespickten Nadelkissens vergleicht. Mittelgroße Hechte munden am besten, wenn sie wie Hasenbraten gespickt und gebraten und mit saurer Sahnensauce begossen werden.
Der Riese unter unseren Süßwasserfischen ist der massige, ungeschlachte, dickköpfige, breitmäulige, mit zwei langen und zwei kurzen Barteln versehene Wels (Silúrus glánis) oder Waller, dessen Rückenflosse auffallend kurz, dessen Afterflosse dagegen ungewöhnlich umfangreich ist und dessen glatter und schlüpfriger Haut die Schuppen vollständig fehlen. Während der Bauch weißlich ist, hat der Rücken eine düstere Schlammfarbe, die in Anpassung an die Verstecke des mächtigen Tieres zwischen dem Wurzelwerk überhängender Ufer öfters in eigentümlich zerrissener Weise marmoriert erscheint. Hier liegt der Wels, der sich am liebsten in langsam fließendem Wasser mit reichem Pflanzenwuchs und morastigem Untergrunde aufhält, tagsüber in träger Ruhe und läßt lediglich seine Bartfäden spielen, um nach den dadurch angelockten Fischen zu schnappen. Er ist überwiegend Nachttier und ein ganz gewaltiger Räuber dazu. Bei seiner Größe (er wird über 3 m lang und bis zu 250 kg schwer) vermag er recht umfangreiche Bissen, wie Gänse, hinunterzuwürgen, und es ist durchaus keine Fabel, wenn man behauptet, daß sogar badende Kinder ernstlich durch ihn gefährdet werden können. Bei uns in Deutschland sind so große Welse freilich eine Seltenheit, zahlreich aber habe ich sie am Kaspi gesehen. Dort kamen die Fische [97] Anfang April (alle mir zugänglichen Lehrbücher geben fälschlich Mai und Juni an) massenhaft zum Laichen in die flachen, rohrbewachsenen Uferbuchten, wo die Rogner ihre verhältnismäßig sehr kleinen und auch nicht übermäßig zahlreichen (etwa 20000) Eier, aus denen ein minderwertiger Kaviar gewonnen wird, an den Rohrstengeln abstrichen. Die fast wie Kaulquappen aussehenden Jungen schlüpfen schon nach acht Tagen aus. Während ich von dem für den Kaspi überall angegebenen Grundangelbetrieb nirgends etwas gesehen habe, sperrten die Fischer solche Buchten und Flußmündungen nach dem Eintreten der Welse mit großen und starken Netzen ab und trieben die Tiere durch Vorrücken derselben schließlich in einem Winkel zusammen. Auf kleinem Raum waren dann viele Tausende der mächtigen Fischleiber zusammengedrängt, und zwischen diesem wallenden Gewimmel fuhren die Tataren wagehalsig auf kleinen, schwanken Booten herum und harpunierten mit großen Stoßlanzen einen der gewichtigen Fische nach dem anderen heraus, um ihn dann mit gewaltigem Schwung an Bord des von Armeniern besetzten Fischkutters zu werfen. Oft mußten zwei oder drei Mann zugreifen, um die schweren Fische zu heben, und nicht selten geschah es dabei, daß sie trotzdem insgesamt das Übergewicht bekamen und in das aufspritzende Wasser mitten zwischen die geängstigten Fischriesen stürzten. Dazu der glührote Fackelschein, das Geschrei der aufgeregten Männer, das betäubende Gekreisch der unzähligen großen Möwen, die sich um die fortgeworfenen Eingeweide zankten, der gespenstige Anblick, den die auf dem Meer schaukelnden, abgeschnittenen und im unsicheren Mondeslicht wie Menschenhäupter aussehenden Welsköpfe boten — das alles vereinigte sich zu einem so eigenartigen Bilde, daß ich es nie vergessen kann. Einmal habe ich auch selbst am lichten Tage einen in der Nähe des Ufers schwimmenden Wels mit Vogeldunst erlegt, der auf den Schuß hin sofort die weiße Bauchseite nach oben kehrte. Das weiße, fette Welsfleisch, auf das ich dort vielfach zu meiner Ernährung angewiesen war, habe ich besser befunden, als seinen Ruf, und nur bei sehr alten Stücken schmeckt es etwas tranig, ist dann auch für einen verwöhnten Gaumen zu zäh. Eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit dem Wels besitzt die freilich nur 60 cm lang und höchstens 8 kg schwer werdende, äußerst räuberisch veranlagte Quappe (Lóta lóta), auch Aalraupe oder Trüsche genannt. Walzenförmiger Leib, dicker Kopf, kleine Beschuppung und kurze Kinnbarteln [98] bilden ihre hervorstechendsten Merkmale. Mit dem Wels hat sie an und für sich nichts zu tun, gehört vielmehr in die Verwandtschaft der weichstrahligen Schellfische, hat aber doch in der Lebensweise viel Gemeinsames mit dem Waller. Wie dieser ist sie ein ausgesprochener Nacht- und Bodenfisch, hält auch ähnliche Standorte ein, obschon sie mehr Wert auf reine Beschaffenheit des Wassers legt und deshalb hoch in den Gebirgsflüssen emporsteigt, wo dann Forellenbrut ihre Lieblingsnahrung bildet. Den geschmeidigen Leib schiebt sie mehr kriechend als schwimmend über den Boden hin, schießt aber blitzschnell durchs Wasser, wenn man sie durch Aufheben eines Steines aus ihrem Schlupfwinkel aufstöberte. Sonst sehr ungeselliger Natur vereinigt sie sich doch während der in die kälteste Jahreszeit fallenden Laichperiode zu wahren Knäueln. Steinbuch will beobachtet haben, daß während des Laichaktes eine innige Vereinigung beider Geschlechter stattfinde, die dabei durch ein von ausgeschiedenem Milchsaft gebildetes Band fest zusammengehalten würden, doch hat diese höchst auffällige Entdeckung eine spätere und einwandsfreie Bestätigung von anderer Seite meines Wissens bisher nicht erfahren. Die Quappenleber fand früher in der Arzneikunde Verwendung, und aus der Haut der zählebigen Tiere bereitet man in Sibirien nicht nur Kleidungsstücke, sondern sogar — Fensterscheiben. Das Fleisch wird sehr verschieden beurteilt, im allgemeinen aber wenig gewürdigt. Mit Unrecht! Es ist zart, fett, grätenarm und von eigenartigem Wohlgeschmack. Wer es richtig schätzen lernen will, der lasse sich von seiner Eheliebsten einmal die Nationalspeise der ostpreußischen Haffischer »bunte Fische«, bereiten. Verschiedene Lagen zerschnittener Kartoffeln wechseln mit ebensoviel Schichten Fischfleisch ab. Je mehr, desto besser! Wichtig ist, daß die unterste Schicht durch einen recht fetten Fisch gebildet wird, und dazu eignet sich die Quappe mehr als jeder andere, wenn sie auch im Notfall durch Aal ersetzt werden kann. Nach Beigabe des nötigen Wassers und unter Zufügung der üblichen Gewürze, schraubt man dann den Topf zu und läßt das Ganze nach Art des Pichelsteiner Fleisches dünsten, wobei sich der köstliche Fischgeschmack in die zerfallenden Kartoffeln zieht. Probatum est! Ab und zu wird in unseren Gewässern auch einmal ein Angehöriger der zu den Schmelzschuppern gehörigen Familie der Störe (Acipénser) gefangen, die durch ihren köstlichen Kaviar weltberühmt geworden sind, indessen betrachten wir diese [99] eigenartige, mehr im Osten beheimatete Gruppe wohl besser erst im nächstjährigen Kosmosbändchen, das von den ausländischen Fischen handeln soll.
Sehr tiefstehende, aber in mehr als einer Beziehung hochinteressante Fische — wenn man sie überhaupt noch zu den Fischen zählen darf — sind die wurmförmig gestalteten, als »Rundmäuler« eine besondere Ordnung bildenden Neunaugen. Ihren Namen haben sie davon, daß man die sieben Kiemenspalten jederseits und das unpaare Nasenloch als »Augen« mitgezählt hat. Das Auffallendste an diesen, der paarigen Flossen entbehrenden Geschöpfen ist der rüsselförmig vorgestreckte Mund mit seiner kreisrunden Saugscheibe, von deren Gestaltung unsere Abbildung eine gute Vorstellung gibt. Will sich das Tier damit irgendwo ansaugen, so braucht es bloß den Zungenstöpsel zu heben, dadurch einen luft- bezgl. wasserleeren Raum zu schaffen und die Saugscheibe fest gegen den erwählten Gegenstand zu drücken. Es haftet dann so fest, daß man z. B. eine dreipfündige Makrele samt einem zehnpfündigen Stein, an den sie sich angesogen hat, aus dem Wasser heben kann. Die Neunaugen machen von dieser Fähigkeit namentlich auch während des Laichgeschäftes Gebrauch, indem sie oberhalb der Laichstelle ziemlich große Steine ansaugen, sich mühsam mit ihnen erheben und sich dann langsam und absatzweise von der Strömung bis zu dem Hochzeitslager treiben lassen. Beide Geschlechter beteiligen sich fleißig an dieser beschwerlichen Arbeit, und unsere größte Art, die Lamprete (Petromyzon marínus) schleppt dabei mehrpfündige Steine mit der Geschicklichkeit eines Ingenieurs fort, um sie schließlich zu einem Haufen von Armeslänge und 60 bis 80 cm Höhe aufzutürmen, in den dann das Weibchen seine Eier hineinlegt, während die ausschlüpfenden Jungen in den engen Zwischenräumen zwischen den Steinen und in deren Spalten selbst geeignete Schlupfwinkel finden. Beim Bachneunauge oder der Zwergbricke (Petromyzon pláneri) hat ein Aquarienfreund auch gesehen, daß sie sich im Bodensand aus Steinen förmliche Wohnröhren baute, in denen das lichtscheue Geschöpf tagsüber verborgen lag. Weiter dient die Saugscheibe den Neunaugen aber auch noch zum Nahrungserwerb. [100] Bei der Lamprete und bei dem Flußneunauge oder der Pricke (Petromyzon fluviátilis) wenigstens ist es zweifellos festgestellt, daß sie eine teilweise parasitäre Lebensweise führen, indem sie größere Fische ansaugen, ihnen mit den Raspelzähnen ihrer Zunge Haut und Fleisch durchsägen und sich den Nahrungsbrei einpumpen, während bezüglich der kleineren und harmloseren Zwergbricke die Untersuchungen über diesen Punkt noch nicht abgeschlossen sind. Man hat schon Fische gefunden, die von Neunaugen buchstäblich in zwei Stücke zersägt waren. So vermögen sie zu furchtbaren Quälern und Feinden anderer Fische zu werden, zumal sie auch viel Fischlaich verzehren, der neben allerlei Gewürm ihre bevorzugte Speise auszumachen scheint. Gar nicht unwahrscheinlich ist es, daß sie sich von ihren beschuppten Reitpferden auch auf ihren Wanderungen gern ein Stück Weges tragen lassen, da sie selbst mit ihren schlängelnden Bewegungen nur mühsam größere Strecken zurücklegen können. Auf diese Weise dürfte auch das vereinzelte Vorkommen von Lampreten in Gegenden zu erklären sein, die sie sonst nicht aufsuchen, so im Oberrhein, wohin sie wahrscheinlich durch Lachse verschleppt wurden. Interessant ist die Entwicklung der Neunaugen, die ein Gegenstück zu derjenigen des Aales darstellt. Denn wie bei diesem entschlüpft dem Ei nicht das fertige Tier, sondern eine unfertige Zwischenform, eine Art Larve, die unter dem Namen »Querder« schon lange bekannt ist, aber früher für eine besondere Fischart gehalten wurde. Zeitweise findet man nur solche Querder in den Gewässern, da die alten Neunaugen bald nach Beendigung des Laichgeschäftes absterben. Der wurmförmige Querder ist blind, von schmutzig gelblicher Farbe, ohne Metallglanz, ohne getrennte Flossen, ohne richtige Saugscheibe und ohne Geschlechtsorgane. Im Schlamm und Moder, den er freiwillig kaum verläßt und von dessen verwesenden Bestandteilen er sich nährt, führt er ein höchst stumpfsinniges Dasein. Nur ganz allmählich und langsam geht die tiefgreifende, mehrere Jahre beanspruchende Verwandlung zum geschlechtsreifen Neunauge vor sich. Während die Zwergbricke das Süßwasser zeitlebens nicht verläßt, sucht es die sonst im Meer hausende Lamprete nur zur Laichzeit auf, und die Pricke pendelt zwischen beiden hin und her, scheint sich aber am liebsten im Brackwasser aufzuhalten. Sicherlich sind alle drei Formen aus einem gemeinsamen Grundtypus in Anpassung an diese verschiedenen Wohnorte hervorgegangen. Am zahlreichsten treten die [101] beiden größeren Formen an unserem Ostseestrande und in den dort einmündenden Strömen auf, so namentlich bei Elbing, bei Memel und in den sich ins Kurische Haff ergießenden Strömen, und nur in diesen Gegenden hat ihr Fang in besonderen Brickensäcken wirtschaftliche Bedeutung zu erlangen vermocht. Die Feinschmecker in den genannten Städten warten aber mit großer Sehnsucht auf das Eintreffen der ersten Brickenfänger im Frühherbst. Ich erinnere mich, daß in Memel dieses frohe Ereignis durch einen Böllerschuß und das Aufziehen einer roten Flagge auf einer kleinen Strandkneipe urbi et orbi verkündigt wurde. Dann eilten alle Leckermäuler dorthin und ließen sich die im eigenen Fett frisch auf dem Rost gebratenen Neunaugen trefflich schmecken. Man darf aber des Guten nicht zu viel tun, da sie schwer verdaulich sind, und handelt weise, wenn man einen Kümmel draufsetzt. Leider lassen sich so geröstete Bricken nicht verschicken, und der Binnenländer, der sie nur als marinierte Fische kennt, hat keine Ahnung von ihrem köstlichen Wohlgeschmack. Leider nehmen diese Schmarotzerfische rasch ab, und ihre ganze Organisation weist ja schon darauf hin, daß sie eigentlich in ein früheres Zeitalter hineingehören. Gegenwärtig sollen jährlich nur noch etwa 5-6000 Schock in Ost- und Westpreußen gefangen werden, und demgemäß ist auch der Preis gestiegen. Leider ist es noch nicht gelungen, Neunaugen zu züchten und uns so vielleicht einen Weg zu zeigen, auf dem wir unseren Feinschmeckern diesen sonderbaren »Fisch«, dieses Wirbeltier ohne Wirbelsäule, wenigstens künstlich erhalten könnten. Hier läge eine ebenso lohnende wie wissenschaftlich interessante Aufgabe für biologische Versuchsanstalten vor.
Der Maifisch oder die Alse (Clúpea alósa) mit dem tief gespaltenen Maul und den beiden merkwürdigen Flügelschuppen vor der Schwanzflosse kann uns zu der wirtschaftlich so hochwichtigen Gruppe der Heringe hinüberleiten, denn er läßt sich recht gut als der Hering des Süßwassers charakterisieren, und auch seine kleinere und etwas später erscheinende Abart, die Finte, verrät selbst dem Laien sofort ihre Zugehörigkeit zur großen Heringsfamilie. Auch der Maifisch verbringt den größten Teil seines Daseins im Meer und wandert nur zur Laichzeit in den Flüssen aufwärts, indem er sich mit seltener Pünktlichkeit an ihren Mündungen einstellt und dann in großen Scharen dicht unter der Oberfläche und mit vielem Gelärm, das durch fortwährende Schwanzschläge verursacht wird, sich aber wie [102] Schweinegrunzen anhören soll, flußaufwärts zieht. So werden seine Wanderungen sehr auffällig und sind denn auch von jeher von den Fischern weidlich ausgenutzt worden. Zum Überspringen von Hindernissen entschließt sich dieser behäbige und phlegmatische Fisch aber nicht leicht, macht deshalb auch nur selten von den angelegten Fischleitern Gebrauch und fehlt daher heute schon vielfach wegen der vielen Wehre in Gewässern, wo er früher eine regelmäßige und gern gesehene Erscheinung war, wie im Main. Man sagt auch ihm nach, daß er während der ganzen Reise fasten soll, und jedenfalls sind die wenigen Maifische, die den Zähnen der Raubfische und den Netzen der Menschen entgingen und nach beendigtem Laichgeschäft wieder zum Meere zurückkehren, jämmerlich abgemagert und völlig erschöpft, so daß auch der sie mit Verachtung straft, dem im Frühjahr der feiste Fisch trotz seiner vielen Gräten als ein köstlicher Leckerbissen erschien. Dagegen soll der im Meere lebende Maifisch auch nichts wert sein, und es scheint, daß er erst eine Zeitlang Süßwasser kneipen müsse, um der menschlichen Tafel würdig zu werden. Bei der Rückkehr, die nach dem stolzen und geräuschvollen Frühlingseinzug anmutet wie die Rückkehr der großen Armee aus den Schneefeldern Rußlands, sterben viele vor Ermattung, und man sieht dann ihre Leichname oft massenhaft stromabwärts treiben. Leider wird auch dieser Fisch, der einst bei Speyer zu Tausenden mit Schaufeln dem Rhein entnommen werden konnte, bei uns immer seltener, wozu namentlich die Raubfischerei der Holländer beitragen mag, die die Rheinarme mit einer mehrfachen Netzwand ihrer ganzen Breite nach abzusperren pflegen, so daß der weitaus größte Teil der wandernden Fische schon hier ein frühzeitiges Ende findet.
In richtiger Erkenntnis von der steigenden wirtschaftlichen Bedeutung unserer Süßwasserfischerei, die durch die Verunreinigung der Gewässer vielfach zurückgegangen war, sich neuerdings aber mit Hilfe der künstlichen Fischzucht wieder gehoben hat, haben die Regierungen während der letzten Jahre die gesetzlichen Vorschriften zu ihrer Erhaltung beträchtlich ausgebaut und erweitert, die auf Fischfrevel gesetzten Strafen bedeutend verschärft. So begrüßenswert das ist, muß doch der Naturfreund bedauern, daß man dabei im Übereifer vielfach über das Ziel hinausgeschossen ist und insbesondere der systematischen Vernichtung der Fischfeinde eine ganz übertriebene Bedeutung beigelegt hat. Wohin soll es z. B. führen, [103] wenn, wie der neue preußische Fischereigesetzentwurf vorsieht, künftig der Fischer das Recht haben soll, ohne Rücksicht auf den Jagdinhaber fischfressende Vögel zu vertilgen und sogar ihre Nester zu zerstören? Dann wären wir auch die letzten Reste von Reiherkolonien u. dgl. bald los, für Eisvogel und Wasseramsel hätte die Todesstunde geschlagen, und die traurige Verödung unserer einst so reichen Natur wäre wieder um einen Riesenschritt weiter. Nein, gerade der Fischer, der den unerschöpflichen Reichtum des Wassers kennt, wie kein anderer, sollte auch die Wahrheit des alten Spruches erkennen: Raum für alle hat die Erde!
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