Title: Mein Besuch Amerika's im Sommer 1824
Author: Philippe Suchard
Release date: February 2, 2015 [eBook #48140]
Language: German
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Ein Flug
durch die Vereinstaaten
Maryland, Pensylvanien, New-York
zum Niagarafall,
und durch die Staaten
Ohio, Indiana, Kentuky und Virginien
zurück.
Von S. v. N.
Aarau, 1827.
Bei Heinrich Remigius Sauerländer.
»Aber um aller Welt willen, Vetter, warum wollen Sie doch in alle Welt?« riefen mir Vettern, Muhmen, Basen zu, als mein Entschluß bekannt ward.
– Die vereinten Staaten von Nordamerika sind ja nicht alle Welt! – war meine Antwort.
»Wir sehen Sie in diesem Leben nicht wieder.«
– Hm, ich denke, noch vor Weihnachten. Es ist von hier bis Amerika nicht gar weit. Morgen reis' ich ab. In sechs, acht Wochen geh' ich in Amerika schon spazieren.
»Und, Vetterchen, bedenken Sie doch die tausend Gefahren auf dem Meere!«
– Ich sehe da deren nicht mehr, als auf dem Lande; nämlich, allenfalls ums Leben zu kommen. Gut, diese Gefahr ist die einzige, und wir bestehen sie vom Morgen bis zum Morgen alle Tage bei uns auf festem Boden.
»Ach, und Sie sind noch so blutjung.«
– Sieben- bis achtundzwanzig Jahre, glaub' ich. In dem Alter hatte Napoleon schon Italien erobert.
»Nun, warum machen Sie nicht lieber eine Lustreise nach Italien?«
– Erstlich lasse ich mich schlechterdings nicht im Piemontesischen mit meinen Paar Büchern als Transitgut plombiren; zweitens mich in Mailand schlechterdings nicht auf die Polizei schleppen, wenn unglücklicherweise an meiner Weste Carbonari-Farben zu sehen wären; drittens hab' ich einen Abscheu vor Stileten und Dolchen der Weglagerer, die im Kirchenstaat wieder mit der guten, alten Ordnung zurückgekehrt sind.
»Oder meinethalben gehen Sie nach Petersburg, wenn Sie etwa Berlin und Wien gesehen haben.«
– Petersburg ist von hier so weit, als Boston und Philadelphia, und die chinesische Mauer der Paßordnung ist am Fortkommen hinderlicher, als der Ocean. Ich möchte nicht, wegen der versäumten Unterschrift irgend eines Paßschreibers, ein Vierteljahr lang in einem russischen oder polnischen Gränzdorf verweilen.
»Reisen kostet Geld, Vetterchen!«
– Ein Paar tausend Gulden für die Lustfahrt, mehr nicht. Andere verlieren das noch behender und geschmackloser in Lotterien, am Spieltische, beim Weintische, in kaufmännischen Spekulationen, durch lockere Weiber, ungerathene Kinder, niederträchtige Falliten, übelberechnete Baupläne und allerlei Neukäufe.
»Aber welchen Nutzen können Sie von der Reise haben?«
– Der liebe Nutzen ist nicht Alles in der Welt; es gibt auch Anderes und Besseres, wofür man lebt, z. B. das Gute, oder das Schöne, oder das Wissen und Kennen. Dies abgerechnet, ist nicht auch Gesundheit und Lebensgenuß etwas Nützliches? Dafür reisen Engländer und Franzosen in die Schweiz, Deutsche nach Paris, Russen nach Neapel. Ich könnte auch wohl noch einen Nebenzweck beifügen.
»Und der wäre? Eine Handelsspekulation? Unterwegs eine Braut finden? Ihren Oheim in Amerika sehen?«
– Nein, für alle Nothfälle auch gelegentlich zu erfahren, ob Amerika für unser eins einmal zum Vaterlande taugen könnte?
»Behüt' uns der Himmel! Sie denken doch nicht an's Auswandern?«
– Gerade jetzt nicht. Aber nehmen Sie mir nichts übel, es wird mir allgemach ein wenig unheimlich und unfrei hier zu Lande.
»Wie? wo können Sie freier leben, als hier im freien Vaterlande?«
– Wo? das weiß ich eben nicht, drum möcht' ich's gern wissen. Uebrigens räum' ich willig ein, wir sind hier, Gott sei Dank, so frei, als man irgend sein kann, wenn man sich mit Namen, Worten und Liedern begnügt; jeden Rathsherrn sein Nabobchen spielen lassen muß; mit Nationalehre und Nationalunabhängigkeit von Fremden es nicht genau nimmt; und es über sich bringt, dem gesunden Menschenverstande zuweilen ein Auge zuzudrücken. Läg' unser liebes Vaterland nicht in Europa, wäre es gewiß um die Hälfte mehr werth.
»Was geht Sie denn Europa an?«
– Hm! doch etwas. Man lebt nicht blos in seinem Hause, sondern auch im Städtlein mit den Leuten. Und gebildete Menschen leben heutiges Tages nicht blos in ihrem Ländlein, sondern auch im Welttheil, zu dem dasselbe gehört. Wenns in Spanien brennt, fliegen Funken bis Rußland; und wenn man in London spricht, hört mans gut in Berlin und Neapel. Ich gebe zu, Europa ist sehr glücklich für viele, viele seiner vortrefflichen Bewohner; für Geisterseher, Absolutisten, Ultra's, Mönche, Restauratoren, Gebetbuchmacher, Inquisitoren, Wetterhähne, Censoren, Polizeispione, Einnehmer, Zionswächter u. s. w. Leider hab' ich nicht die Ehre, zu einer dieser Zünfte zu gehören. –
Als alles Zureden der lieben Vettern und Bäschen eitel blieb, liessen sie mich gehen. Ich packte ein. Es kostete uns Allen beim Abschiede einige köstliche Thränen. Ich bestieg den Postwagen.
Nichts von meinem Flug durch Frankreich bis Paris. Ich sprach unterwegs den und diesen. – »Seid ihr glücklich, Leutchen?« – Jeder antwortete mit einem zusammengesetzten Gesicht, das meistens etwas in's Süßlichsaure schillerte: »Mais oui. So, so!« und dann gab's zu dem «Mais oui» Anekdoten, Bemerkungen, gar Flüche, die insgesammt wie ein Kommentar zu dem Sprüchwort aussahen: Vom Regen in die Traufe. Einige von den Pfiffigsten hielten mich offenbar für einen Mouchard, oder Agent Provocateur. O die glücklichen Leutchen!
Ich fand meinen Bruder in Paris. Er wollte mich bis Havre begleiten. Am 27. Mai Abends 5 Uhr fuhren wir die Barrieren hinaus ins Freie. Die Natur war von der Hand des Frühlings mit dem höchsten Zauber bekleidet. Von Zeit zu Zeit schimmerte zwischen artigen Landhäusern und kleinen Gehölzen der gekrümmte Strom der Seine. Etwas weiter hin stiegen St. Cloud und Versailles mit den prachtvollen Schlössern empor. Nicht minder mannigfaltig prangten die Gegenden zu unserer Rechten. Die letzten Strahlen der Sonne hüllten die Kirchthürme von St. Denis in Gold. Dann ließ die Nacht ihren halbdurchsichtigen Schleier nach und nach über das schöne, große Bild niedersinken.
Am Morgen schwamm die Stadt Rouen vor uns im Hintergrunde mit ihren Thürmen und Schiffsmasten, halb und halb im Rauch der Schornsteine verloren. Rouen hat viele protestantische Einwohner und vielen Gewerbsfleiß. Dadurch ward es blühend. Man ist jetzt sehr eifrig daran, die Kirchen besser zu bevölkern und durch Missionäre den Glauben zu stärken. Die Fabriken fangen an zu kränkeln und mit dem Glauben will der Kredit nicht wachsen.
Das Land, auch hinter Rouen, als wir von einer Anhöhe niederfuhren, ist herrlich. Die Seine verliert sich in zahllosen und weiten Windungen durch fruchtbare Gefilde in die blaue Ferne. – Vier Uhr Nachmittags sahen wir Havre und das Meer; um sieben Uhr saßen wir im Hotel Bienvenu an guter Tafel.
Ausgeschlafenen Sinnen ist das ganze Weltall frischer, lebendiger, lachender. Alle Müh' und Noth, welche ich mit den Spediteurs und Zollratzen in Havre wegen meines schon dahin vorausgesandten Reisegepäcks hatte, ward mir wieder durch den Genuß versüßt, welchen jeder hat, der zum erstenmal am Gestade eines Meeres steht.
Als wir dahin gingen, kamen wir in ein sonderbares Feldgelager. Alles war mit Männern, Weibern, Kindern in fremden Trachten, alten Leuten mit Bärten, Karren, Kisten und Pferden bedeckt. Gleich den Horden der Nomaden wohnten sie Tag und Nacht im Freien; der Himmel war ihr Dach und die nächtliche Finsterniß der Umhang ihres Bettes. Ich erkannte sie bald für Elsasser und Schweizer. Die Bartmänner mochten zu jenen stillen, gutmüthigen Wiedertäufern gehören, die Keinen beleidigen und so oft der Gegenstand der Bedrängung sind. Man sagte mir, daß auch wohl nach und nach alle jene Wiedertäuferfamilien, welche die wilden Berge des Münster- und St. Imerthals fruchtbar machten, ihre Einsamkeiten verlassen würden, um eine freiere Heimath zu suchen.
Die ganze Schaar, die wir hier sahen, waren Auswanderer nach Amerika. Die Männer hatten mit Geschirr, Wagen und Kasten zu schaffen. Andere schmauchten harmlos ihr Pfeifchen. Berner und Baseler Bäuerinnen, in ihrer Landestracht, hingen Wäsche an Seilen auf zum Trocknen.
Ein so ausserordentliches Schauspiel mochten die Leute von Havre wohl lange nicht gehabt haben. Sie standen zahlreich gaffend da. Ein Haufe muthwilliger, kleiner Buben hatte ein kleines Bernermädchen zwischen sich, das noch, wie in der Heimath gewohnt, die Haare seines Hauptes in zwei langen, mit Bändern durchflochtenen Zöpfen niederhängen ließ, während am Ende der Haarflechten unterwärts die Bänder bis fast zu den Waden niederflatterten. Nun hatte einer der Knaben beide Band-Enden erhascht und ließ das arme Mädchen, wie am Leitseil, bald rechts, bald links trotten. Ich machte dem Auftritt ein Ende.
Als ich von den Auswanderern einige deutsch anredete, riefen sie: »Ach myn Gott, syd'r au ne Schwyzer? Ganget'r au in Amerika?« Ich gab denen, welche wegen der Ueberfahrt noch nichts auf den Schiffen bedungen hatten, den wohlthätigen Rath, ganz unmittelbar mit einem Schiffskapitän den Vertrag selbst abzuschliessen, und keinem jener dienstfertigen Negozianten und Kommissionäre zu trauen, sie möchten Landsleute sein oder nicht. Denn dergleichen Personen kennen selten, ausser ihrem Handels- und Kommissions-Ertrag, etwas Erträglicheres; das Kontobuch ist die wahre Heimath ihres Herzens und Geistes; das Soll und Haben ihr Vaterland und Ausland.
Wir kamen zum Hafen. Die Unermeßlichkeit und Majestät der ersten Erscheinung des uferlosen, lebendigen Meeres überfiel uns mit wunderbaren Schauern. Wir standen unverabredet plötzlich still, wie gebannt, und verloren die Sprache. Unser ganzes Wesen ward Auge; und doch ward mir, als wären meine Augen viel zu klein, das Bild der Unendlichkeit aufzunehmen.
Wir bewanderten nun den Hafen von einem Ende zum andern, indem wir dem Becken folgten, welches drei Viertel der Stadt einfaßt. Von Schritt zu Schritt lag der Weg verrammelt: Seile, Holzbiegen, Kohlhaufen, ungeheure Ankertaue, Steine, Schiffsmasten, Sandhaufen, Fässer, umgekehrte Nachen und Kähne, Kisten von aller Form und Größe, Waarenballen aufeinandergethürmt, Alles durcheinander. In den Zwischenräumen aufqualmendes Gewölk von Theerkesseln. Links und rechts Hämmern und Klopfen von hundert Schlägeln, Beilen, Aexten. Zwischendurch das Geschrei und Rufen der Matrosen am Ufer, wie auf Fahrzeugen, die über den Wellen tanzten.
Wie wir Nachmittags wieder dahin kamen, sahen wir eine überraschende Verwandlung. Das große Wasserbecken war geschlossen; der übrige Theil des Hafens bis zum Meere lag trocken. Mehrere kleine Schiffe ragten aus dem Sand hervor, andere ruhten mit einer Seite auf den beschlammten Steinen.
Anfangs standen wir bei dem unerwarteten Anblick voll Erstaunens da; besannen uns aber bald, dies sei das Werk der Ebbe. In Havre betragen Fluth und Ebbe, vom höchsten zum tiefsten Punkt, 22 Fuß; so wechseln sie binnen 25 Stunden zweimal. Zu Liverpool ist ein Unterschied des tiefsten Ebbe- und höchsten Fluthpunktes von 29 Fuß. In Amerika ist er weit geringer; in Philadelphia z. B. 6 Fuß, in Newyork nur 5 Fuß, in Baltimore nur einen einzigen. Alles hängt davon ab, ob das Meer minder oder mehr eingeschlossen und beengt ist.
Wir befanden uns bald auf dem Mola, der seine Erdzunge weit in die See hinausstreckt. Eine unzählbare Menge Schiffe schwebte in allen Richtungen vor uns über dem dunkeln, beweglichen Wasserspiegel und dem Horizont. Majestätisch, wie Schwäne, zogen Dreimaster durch die Fluthen. Einige Rauchstreifen über fernen Wellen ließen uns Dampfschiffe erkennen.
Folgendes Tags, es war Sonntag, neues Schauspiel. Eine bunte Volksmenge füllte das Ufer des Hafens, beim herrlichsten Wetter. Ein neugebautes, großes Schiff sollte zum erstenmal in sein künftiges Element hinausgeschleudert werden. Wir gelangten zu dem gewaltigen Gebäu. Ein Dampfschiff mit Musik und vielen Neugierigen war bereit, das todte Ungeheuer in den Hafen zu schleppen. Tausend und tausend Menschen drängten sich herbei; ihrer hundert wenigstens stiegen in's zu weihende Fahrzeug. – Das Zeichen ward gegeben und bei zwanzig Mann, mit großen Aexten, schlugen Gerüst- und Sperrwerk ein, welches dem Abrollen des Schiffs entgegenstand. Es hing nur noch schwach mit dem Boden zusammen. Die Lage schien in der Ordnung. Ein zweites Zeichen, und der Balken, welcher den Schiffrumpf noch festhielt, stürzte zu Boden. Der Kiel, in einer Art Trag-Leitung, die wohl mit Seife bestrichen war, glitschte langsam vor, bald mit wachsender Geschwindigkeit, immer schneller, daß ein schwarzer Rauch hinten nachfuhr. – Plötzlich Geschrei um mich her: »Das Schiff stürzt auf die Seite!« Ich stand mit meinem Bruder fünf Schritt von der Bahn. Das Schiff kömmt. Alles schreit im Gewimmel, wo wir waren; alles flieht, stolpert über Seile, Fässer, Holz, fällt, reißt andere fallend mit sich. – Welch' ein Schlachtfeld, welche Niederlage! – Als ich aufstand – die ganze Verwirrung dauerte zwei Sekunden – und mich umsah, schwamm das Schiff schon stolz im Meere hin.
Denselben Abend reisete mein Bruder nach Paris zurück. – Ich hatte mir schon ein Schiff zur Ueberfahrt nach Amerika gefunden und die Bedingungen abgeschlossen.
Es lagen eben drei Schiffe im Hafen segelfertig nach Amerika; der Bayard und die Elisabeth zur Fahrt nach Newyork, der Hyperion nach Baltimore. Ich wählte mir den Hyperion aus, diesen mythischen Vater des Sonnengottes, mein Heil mit ihm zu versuchen. Es kamen noch andere kleine Umstände dazu, die mich zu seinen Gunsten stimmten. Zwar der Bayard war das größte Schiff, aber Hyperion stand ihm an Schönheit nicht nach. Und wie ich an sein Bord ging, mit dem Schiffskapitän, einem Amerikaner, zu unterhandeln, hieß er: Albert de Valengin. – Von Valengin? was? Also eine Art Landsmann? – In der That. Er erzählte mir, sein Vater, von Neuenburg in der Schweiz gebürtig, habe sich nach Amerika begeben gehabt, weil er mehr oder minder Theil an einem Bürgeraufstande genommen hatte, der ihm mehr oder minder gerecht geschienen. Denn in den letzten Jahrhunderten der Eidsgenossenschaft, als diese durch innere Zwiste schwach in sich selbst, daher feige gegen das Ausland, daher friedliebend im Uebermaaß gegen Fremde, aber trotzig, herrisch und unterthansüchtig im eigenen Ländchen geworden, wären der Unruhen und Aufstände so viel geworden, daß man sie eher für etwas Gerechtes als Ungerechtes hätte ansehen mögen.
Was gings mich an? Ich ließ den Mann bei seinem Glauben. Er gefiel mir. Er mochte kein Schweizer sein, blos freier Amerikaner. Er sprach auch nur englisch. Er forderte für die Ueberfahrt nach Baltimore 600 Franken von mir und begnügte sich mit 500, wenn ich für mein Bettgeräthe und den Wein selber sorgen würde.
Die Kajüte war zierlich; alle Vertäfelung darin von Acajou-Holz; ebenso Tisch und Stühle. Ein großer Spiegel, mit breitem Goldrahmen, füllte den Raum zwischen beiden Fenstern im Hintergrund. In der Mitte des Zimmers schwebte ein Kompaß an drei zierlichen Ketten hangend. Die Betten, in Form sauberer Kleiderkisten, befanden sich hinter Umhängen, an den Seiten. Die größte Sauberkeit war über Alles verbreitet. Schloß und metallische Beschläge der Thür waren von glänzendem Messing. Ueber dem Fußboden lag ein großer türkischer Teppich ausgespannt, und ein zweiter, sehr schmaler deckte die Treppe.
Das Gefällige und Reinliche dieser kleinen Wohnung über den Wellen sprach mich gar freundlich an. Das Anmuthige und Schöne gehört zu den ersten Lebensgenüssen, und veredelt Leben und Gemüthsart. Das geistlose Thier hat keine Fähigkeit, vom Schönen gerührt zu werden, eben weil es geistlos ist. Es hat nur Sinn für Fraß und Durststillung. Der rohe, bildungslose Mensch gleicht darin dem Thiere. Er kennt nichts Besseres, als was ihm in Gaumen und Magen wohlthut. Der erste Federschmuck und Nasenring der Wilden ist ein Zeichen vom Erwachen des Höhern. Das weibliche Geschlecht, immer früher reifend, als das männliche, ist auch dasjenige, welches die Völker zuerst und am meisten aus dem Schlamm des Thierthums hervor ins Menschliche heben. Will man Wilde, Halbwilde, Leibeigene und rohe Bauern gesitteter machen, bringe man den jungen Mädchen und Frauen Putzwaaren. Ein Hausirer mit buntem Bänderkram, Halstüchern u. s. w. hat auf die Civilisation eines wüsten Dorfes segensvollern Einfluß, als Pfarrer und Schulmeister. – Das wird freilich manchem Schulmeister unglaublich scheinen.
Alle seefahrende Völker haben ihre eigenthümliche Weise im Bau der Schiffe. Es ist damit, wie mit Nationaltrachten, Sitten, Sprachen. Ein Seekapitän, sobald er irgend ein Schiff nur deutlich erkennen mag, wird auch sogleich sagen, welcher Nation es angehört. Die amerikanischen sind nach einer andern Einrichtung geformt; allgemein anerkannt, daß sie die zierlichsten, und dabei die feinsten Seegler sind. Aber sie haben auch die wenigste Dauerhaftigkeit.
Mir lag jetzt nicht viel an der letztern; desto mehr am Niedlichen und Schnellen. Der Hyperion war eine Brick von 400 Tonnen. »Wie lange können wir damit unterwegs sein?« fragte ich den Herrn von Valengin. – »Ein Schiff,« sagte er, »das keine andere Mittel zum Fliegen hat, als seine Segel, hängt von der Huld der Winde ab. Der Hyperion hat die Ueberfahrt von Charlestown in Amerika nach Amsterdam in Holland auch schon in achtzehn Tagen gemacht.«
Zu den schnellsten Fahrten zählt man diejenige einer amerikanischen Goelette, die von Newyork nach Havre nur vierzehn Tage brauchte; und eines Packbootes, das in dreizehn Tagen von Newyork nach Liverpool kam. Aber das, was bisher in den Jahrbüchern der Seefahrer das Unerhörteste gewesen, erzählte mir in Amerika einige Monate später Herr Gallatin, wie ich ihn zu Geneva besuchte. Als er nämlich zu seinem Gesandtschaftsposten in Paris von Amerika abreisete, machte die Fregatte, welche ihn führte, den Weg bis Havre in vierzehn Tagen.
Uebrigens ist bekannt, man fährt von Europa nach Amerika nicht so geschwind, als umgekehrt. Dazu tragen einerseits die Südwestwinde bei, die das Meer während zwei Drittheilen des Jahrs beherrschen, anderseits die Strömungen, welche vom mexikanischen Golf ausgehen, sich bis zum 45. Grad nordwärts fühlbar machen, und in mancher Gegend des Ozeans zwei bis vier Seemeilen in einer Stunde einbringen. Das Wasser dieser Strömungen ist auch bei sechs Grad wärmer, als das Wasser an den Küsten.
Ich habe zwar nicht die Ehre, Seemann zu sein. Allein im Vertrauen auf das tägliche Fortschreiten menschlicher Wissenschaft und Kunst, darf ich mir, vielleicht mit größerm Recht, als mancher andere, die Ehre erlauben, Prophet zu sein. Schon jetzt ist eine Reise von Europa nach Amerika und wieder zurück nicht kostspieliger, nicht gefährlicher, nicht unbequemer, als die Reise im Kasten einer Postkutsche zu Lande auf halb so langem Wege. Man ist da nicht zum Ueberfluß noch von hungrigen Postillionen, groben Postbeamten, prellenden und schnellenden Wirthen, rohen Mauthknechten, Paßschreibern, Visitatoren, Zoll- und Weggelderforderern und anderm Reise-Ungeziefer geplagt, das von der Polizei- und Finanzkunst des überglücklichen Europa zum Besten der Menschheit erfunden worden ist. Es wird eine Zeit kommen, da, wenn sich der Europäer erholen, zerstreuen, frische Luft schöpfen will, und umhersinnt, wohin eine kleine Lustreise thun? er kurz abbricht und sagt: »Ich will ein wenig nach Amerika, und komme gleich wieder.«
Bis jetzt bewegen sich die Fahrzeuge über das Meer entweder mit Segeln, oder Galeerenrudern, oder Dampfmaschinen. Im Allgemeinen sind die Segel freilich die vortheilhaftesten Schiffsfittige, am wohlfeilsten und raumsparendsten. Nur bei langen Windstillen machen sie traurige Miene. Es wird nicht fehlen, man wird mit der Zeit den Schiffsbau dahin vervollkommnen, daß man zu den Segeln noch die Dampfmaschinen beihilfsweise gesellt, und sie in Fällen spielen läßt, wo der Wind seine Huld versagt.
Ich war am Bord. Mittags den 2. Juni wurden die Anker des Hyperion gelichtet, alle Flaggen und Wimpel aufgezogen. Die im Hafen bleibenden Schiffe erwiederten auf dieselbe Art das Abschiedszeichen. Es blieb nicht bei dieser stummen Sprache: »Hurrah!« brüllten unsere Matrosen; »Hurrah!« scholl es links und rechts von den andern Fahrzeugen zurück.
Das Wetter war angenehm. Ein sanfter Wind strich furchend über die spiegelnde Wasserebene. Mehrere kleinere Fahrzeuge folgten dem unsern. Andere kamen uns entgegen, und zwar mit demselben Winde, und segelten dabei nicht langsamer, manche geschwinder, als wir. Das amerikanische Packboot, die Queen-Maab, kam so eben von New-York her. Mit entfalteter Flagge und dem Hurrah-Gruß der Matrosen, fuhr es zehn Schritte weit an uns vorüber. Das Verdeck desselben war voller Reisenden, deren Aeusseres schon verkündete, wie vergnügt sie waren, am Ziel ihrer Fahrt zu sein. Das Land wich hinter uns zurück. Der Zuschauer-Haufe am Ufer verschwand. Die Küsten schienen sich auf den Wellen zu bewegen, und auf- und niederzusteigen. Endlich wurden sie zu einem schwarzen Striche, der sich zwischen der zitternden Wasser-Ebene und dem Himmel entlang zog.
Ich sah mich nun nach den Reisegefährten um, die mit mir im engen Raum des Hyperion den Abgrund des Ozeans, von einem Welttheil zum andern, überschiffen wollten. Der Kapitän, zwei Lieutenants, zehn Matrosen, ein Stewart, ein Koch, ein Schiffsjunge, bildeten die Bemannung des Fahrzeugs. Ich war der einzige Reisende in der Kajüte und am Tische des Kapitäns. Die übrigen waren Auswanderer von Europa, Männer, Weiber, Kinder, 68 an der Zahl, die unten im übrigen Schiffsraum herbergten und ihre Küche selbst besorgten. Der Kapitän, die beiden Lieutenants und ich speiseten zusammen. Man hält drei Mahlzeiten des Tags. Zum Frühstück gibt's schwarzen Kaffee, Fleischschnitte, Geflügel, kleine Kuchen u. s. w. Mittags speist man um 1 Uhr, Fleisch auf verschiedene Art zubereitet und Gemüse; zum Nachtisch Käse oder Früchte; Bier, Wein, gebrannte Wasser mit natürlichem verdünnt. Sieben Uhr Abends nimmt man den Thee, wieder mit Nebengerichten von Fleisch, Backwerk u. s. w. begleitet. Fast alle Schiffe haben lebendige Schweine, Schafe, Hühner und Enten in Fülle an Bord. Einige Packboote, zwischen Havre und New-York, halten auch der Milch wegen eine Kuh. – Die Matrosen speisen in ihrer Kajüte am andern Ende des Schiffes eine Stunde früher, als der Kapitän.
Dieser hat wenig Langeweile. Er und einer seiner Lieutenants schreiben von Stunde zu Stunde Richtung des Windes, Länge des zurückgelegten Weges, die Höhe, welche man gefunden, die Schiffe, welche man gesehen oder gesprochen hat und hundert andere Beobachtungen und Bemerkungen auf. Zu unbestimmten Zeiten, des Nachts wie des Tags, ging der Kapitän aufs Verdeck und musterte Sachen und Arbeiten.
Das Steuer führt ein Matrose, der alle zwei Stunden abgelöst wird; die Augen stets auf zwei vor ihm befindliche Kompasse geheftet, die des Nachts durch eine Lampe beleuchtet sind. Bei gutem Wetter hatten die Matrosen von vierundzwanzig Stunden nur sechs zur Ruhe; bei bösem Wetter blieb Alles auf den Beinen wach. – In den meisten Reisebeschreibungen wird über die Rohheit der Matrosen geklagt. Man schildert sie, wie einen Auswurf des menschlichen Geschlechts. Ich fand das bei unsern Matrosen nicht. Sie waren insgesammt Amerikaner, sehr gefällig, dienstfertig, sauber gekleidet, sittsam und immer thätigen Gehorsam. Freilich man muß diese braven Leute nicht wie Knechte und Bediente behandeln und ihnen Befehle zuherrschen wollen. Aeusserte ich bittweise nur einen Wunsch, schnell sprangen zwei und mehr, mir zu helfen. In Baltimore begegnete ich nachher einigen von ihnen wieder auf der Gasse. Sie waren aber so zierlich gekleidet, daß ich sie im ersten Augenblick nicht kannte. Einer lud mich sogar zu seinen Eltern ein. Der Empfang überraschte mich durch das Anständige, Feine und Herzliche. Wenn wir in der bürgerlichen Gesellschaft noch brutale, ekelhafte Menschenklassen haben, wahrlich, so sind daran nur die höhern Stände mit ihrer brutalen, ekelhaften Vorbildung schuld. Braucht nur häufig bei den Kriegsleuten und Vaterlandsvertheidigern die Korporal-Fuchtel, in den Schulen den Stock, werft die Juden mit Koth, und kehrt dem Handwerksmann und Landmann hochmüthig den Rücken zu, wenn sie euch gleichgeboren zu sein glauben, so habt ihr bald eine europäische Pariah's-Kaste gebildet. Dann schreibt Bücher über Bücher über Verbesserung der Juden, über Schulwesen, über Volksbildung; dann erlaßt Sitten- und Sonntagsmandate, Gesetze und Dekrete zur Beförderung der Zivilisation! Das wird helfen, wie ein Pflaster auf die Todeswunde des Erschlagenen. – Wie treibt man's aber in jenen Ländern, wo die Barbaren mit Titusköpfen und Fraks nach der neuesten Mode wohnen?
Ueber das spielende, wechselnde, gewaltige, majestätische Element der Wellen, durch die Dienstbarkeit der Winde, wie von unsichtbaren Geistern, hingetragen zu werden, ist ein Hochgenuß ganz eigener Art, besonders eh' die Gewohnheit, die auch den stärksten Wein endlich verwässert, dafür die Sinne stumpf macht. Verwunderung, Grausen und Stolz auf die Gewalt des menschlichen Geistes, bemächtigen sich des ganzen Gemüths.
Leider verstimmte sich dies Hochgefühl bald durch die sogenannte Seekrankheit, von welcher, mit Ausnahme der Kinder unter zwölf Jahren und ganz alter Personen, alle Reisende ergriffen wurden, und ich, wie mirs vorkam, am ärgsten. Es war ein bald widerlicher, bald lächerlicher, Anblick, fünfzig bis sechszig Menschen um sich her die seltsamsten Gesichter schneiden zu sehen, weil ihr Magen in beständiger Insurrektion gegen Anstand und Sitte war. – Ein Paar Tage lang mußten die Auswanderer aller warmen Speisen entbehren, weil das Uebel ihre sämmtlichen Kochkünstler ausser Stand setzte, den Herd zu besorgen.
Das Wetter blieb schön, der Wind günstig, zuweilen verwandelte er sich sogar in sturmartige Stöße; wir befanden uns am vierten Tag der Abfahrt schon weit ausser der Meerenge von Frankreich und England. Allein Lust und Freude gingen im ewigen Uebelsein verloren. Man kann und mag sich mit Niemandem unterhalten, nicht einmal lesen. Der Geist quält sich mit Denken und Träumen. Aus den besten Träumen aber stört auch wieder das beständige Krachen und Girren des vielbewegten Schiffes auf. Es ist einem zu Muthe, als würde man, in einen großen hölzernen Kasten gesperrt, mit Schnelligkeit über und zwischen Steingeröll fortgeschleppt. Man hält zuletzt keinen Gedanken und Wunsch fester, als den, bald Land zu erreichen und ruhigen Boden unter den Sohlen zu haben. Kein Essen erquickt; vielmehr es erneuert nur den Jammer. Ich sehnte mich blos nach Mehlsuppe. Unser schwarzer Schiffskoch aus Afrika machte sie nach meiner Angabe und endlich ziemlich gut. Aber wenn er mich davon essen sah, bezeugte er mir sein herzlichstes Mitleiden und betheuerte, weder in noch zwischen den drei Welttheilen seiner Bekanntschaft je ein elenderes Essen gekocht zu haben.
Die Erhabenheit der unendlichen Wasserwüste, welche uns umgab, und mich anfangs tief erschüttert hatte, ward, ich muß es gestehen, zuletzt mit seiner majestätischen Einfalt mir sehr langweilig. Es wundert mich jetzt gar nicht mehr, wenn die meisten Reisebeschreiber mit dem, wodurch sie sich ihre Langeweile vertreiben, ihren Lesern die größte verursachen, nämlich mit Aufzeichnung des Windes, der geblasen hat. Die einzige Abwechselung in der weiten Einöde des Ozeans bringt entweder ein Schiff, das in der Ferne erscheint, sich nähert und verschwindet; oder von Zeit zu Zeit das Spiel der Fische auf der Oberfläche des ungeheuern Wasserbeckens. Die Delphine bildeten da oft stundenlange Linien, indem sie regelmäßig einer nach dem andern zwei bis drei Schuh über der nassen Fläche hoch sprangen. Die Boniten und Doraden, mit allen Farben des Regenbogens geschmückt, schwammen traulich neben dem Fahrzeug her; während der Haifisch unbeweglich auf dem Wasserspiegel lag und die Beute erwartete, die seinem unersättlichen Rachen zuschwimmen sollte. Der Spritzfisch blieb auch nicht aus, uns seine Künste zu zeigen; und so stellten sich uns immer neue Arten von den Bewohnern des feuchten Abgrundes dar. Eines Abends näherte sich sogar dem Schiffe einer von den Riesen der Tiefe, ein Wallfisch. Dann und wann wieder flatterten Tauben und Meerschwalben über und zwischen den Segeln umher. Die Schwalben wandelten lustig über die Wogen und pickten mit den langen Schnäbeln nach den Stückchen Zwieback, die wir ihnen hineinwarfen.
Der Wiedertäufer Hermann versah bei den Ausgewanderten die Stelle eines Schiffspredigers. Jeden Sonntag verrichtete er ein öffentliches Gebet und hielt aus dem Stegreif über irgend eine Bibelstelle eine Rede, die darin vor mancher Predigt gelehrter Pfarrer den Vorzug hatte, daß sie aus reinem, frommem Gemüth hervorging, und verständig, kunstlos und erbaulich zum Gemüth drang. Den Schluß dieser Andachtsstunde, die gewöhnlich zwei Stunden dauerte, machte ein Psalmengesang. – Dieser Wiedertäufer und seine Frau zeichneten sich unter allen Ausgewanderten durch ihre feinen, geistvollen Gesichtszüge aus.
Ich fand seine Frau eines Tages blaß und leidend sitzend, mit dem Rücken gegen das Schiffsbord gelehnt. Ich bot ihr ein Glas Wermuth-Extract zur Stärkung an. Sie trank es und stieg dann in's Zwischenverdeck hinunter. Kaum zwei Stunden nachher verkündete mir ihr Mann die glückliche Entbindung seiner Frau von einem Töchterlein. Ein Paar Tage später kam sie selbst aufs Verdeck und zeigte mir ihren lieben Säugling. Auf meine Frage, wie es nun um Taufe und Namen des Kindes stehen werde? erwiederte sie: »Wir weihen unser Kind in das Christenthum ein, wenn es die Wichtigkeit und Heiligkeit der Sache begreifen kann. Zu Ehren unsers guten Kapitäns wollen wir es aber nach ihm Albertine heißen. Wäre es ein Knäblein gewesen, würden wir es Hyperion oder Ozean genannt haben.«
Wir waren schon zwanzig Tage auf dem Wasser. Die Hitze der Sonne ward unausstehlich; das süße Trinkwasser in kleinern Portionen vertheilt, daß es oft Streit darum gab. Wir hatten beständige Westwinde uns entgegen; die Azoren südwärts gelassen, ohne sie zu erblicken, und uns der Bank von Terre-neuve genaht. Sobald das Senkblei hier, bei 45 Klafter Tiefe, feinen Sand fand, gab der Kapitän dem Schiffe die Richtung nach Süden. Wir kamen ziemlich nahe bei den Bermuden vorüber.
Es ist auf dieser weiten, einsamen Wasserstraße den Schiffen Bedürfniß, wenn sie einander begegnen, Frage und Antwort zu tauschen. Sie steuern sich gegenseitig zu. Man hisst die Flagge; legt einige Segel bei, und fragt sich durchs Sprachrohr, von wannen? wohin? welche Ladung? u. s. w. Am gewissesten aber ist die Frage nach der Länge und Breite, unter der man sich befindet. Ist zwischen den Berechnungen beider ein Unterschied, so hält man sich gewöhnlich an die, welche auf dem Schiff gemacht ward, das noch die kürzere Zeit unterwegs ist. Es ist noch nicht immer ganz leicht, mit einander zu sprechen, besonders wenn der Wind stark, das Meer unruhig geht; denn man kann sich dann einander nicht wohl gehörig nähern, ohne Gefahr zu laufen.
Schon war es der 6. Juli und seit einigen Tagen die tiefste Windstille. Kein Wimpel spielte. Das weite Meer stand unbeweglich und glatt, wie spiegelndes Eis. Das Schiff schien angefesselt. Die entfalteten Segel hingen schlaff nieder. Wolkenlos glühten Luft und Himmel um und über uns. Die Sonne warf stechende Strahlen. Die Lebensmittel nahmen sichtbar ab. Jeder theilte dem andern nur Furcht und Besorgniß mit. Ein Orkan auf dem Meer ist das Fürchterlichste. Wir aber hätten jetzt lieber einen Orkan bestanden. Die todte Ruhe währte schon acht Tage und das Leben der Segel und Wogen wollte nicht wiederkehren. Ich stieg jeden Morgen sogleich auf den Mastkorb, in Hoffnung, Küsten des Festlandes zu erblicken. Oft rief mich die Ungeduld schon vor Tagesanbruch aufs Verdeck, wenn die Sterne noch, in geheimnißvollen Ordnungen am Himmel, ihr blasses Licht durch das stille Reich der Nacht ausgossen. Ich zitterte hoffend dem Tag entgegen; ich fand mich immer getäuscht, doch immer durch die Herrlichkeit des Sonnenaufgangs für die Täuschungen entschädigt.
Endlich, es war an einem Sonntage, gewann die Natur dieser ewigen Einöden des Ozeans wieder Odem. Die Segeltücher wölbten sich nach und nach, und wir flogen wieder acht bis neun Seemeilen in einer Stunde. Welche Freude lächelte von allen Antlitzen; wie andächtig sprach der Wiedertäufer das sonntägliche Abendgebet mit lauter Stimme, und mit welcher stummen Inbrunst in allen Zügen beteten die Andern vor sich hin! Der glänzende Sonnenball senkte sich den zitternden Wellen der Ferne entgegen. Das Schiff schien ihm in heiterer Sehnsucht tanzend auf den Wogen nachzueilen, und das Tagesgestirn selbst tändelnd seine Bahn und Stätte zu verlassen. Bald verbarg es sich hinter dem Busen des einen, bald des andern Segels; bald durchlief es der ganzen Breite nach die leichten Streifen des aufgespannten Tauwerks und der Seile. Masten, Linnen und Wimpel, Bord und alles Schiffsgeräth tauchten sich in wunderbaren Goldschimmer, von tiefern Schatten begrenzt. Eine breite, blendende Lichtbrücke ging vom Hyperion über das Meer bis zur Sonne, die zu zögern schien, aus diesem Tempel der Schöpfungsherrlichkeit zu scheiden. Still sumsete zwischen Segeln und Seilen der Wind sein Abendlied. Die Wogen brachen sich tönend am Schiff zum Gesang. Die Menschen, in verschiedenen Stellungen, beteten. Der unendliche, schweigende Himmel horchte.
Am 11. Juli sagte Herr Valengin: »Ich denke, wir werden morgen einen Küsten-Lootsen am Bord sehen.« Frohe Botschaft. Wirklich entdeckte man ihn folgendes Tages früh um neun Uhr vermittelst des Fernrohrs. Wir steckten die Flagge auf. Nach zwei Stunden kam das leichte, winzige Fahrzeug bei uns an, worin sieben Mann wie festgenagelt saßen, alles große, wohlgewachsene Leute. Jede Welle schien das gebrechliche, niedrige Boot wie eine Nußschale verschlucken zu wollen. Was doch der Mensch wagt; er der da weiß, was er wagt! Welche Hingebung, zumal in stürmischen Wettern! Schiffe, welche durch einen Windstoß gegen die Küste getrieben, oder auf langen Fahrten irre wurden, sind oft schon durch diese unerschrockenen Männer gerettet worden, die alle Untiefen und heimlichen Gefahren der Seegegend, und jedes Anländeplätzchen des Gestades kennen.
Einer der Lootsen kletterte an einem ihm zugeworfenen Seil zu uns ans Bord hinauf, grüßte uns freundlich, drückte dem Kapitän die Hand und jedem, der ihm nahe kam, und fragte: »Wie stehts? Geht alles gut?« Diese herzliche Frage, so natürlich in dem Verhältniß, und dabei so wohlwollend, hat für den, der nach vielen Wochen wieder den ersten unbekannten Menschen sieht, etwas Erquickendes. Es war die erste, unmittelbare Erscheinung eines Bewohners der neuen Welt, die wir selbst noch nicht sahen.
Der Lootse nahm vom Kapitän den Befehl über sämmtliche Matrosen und sagte: wir wären noch ohngefähr 150 Seemeilen (etwa drei derselben bilden eine Wegstunde) entfernt von der Chesapeak-Bai, und wenn der Wind, der gerade günstig und stark blies, tapfer anhielte, würden wir den andern Morgen an Ort und Stelle unsers Wunsches sein.
Und am folgenden Morgen um neun Uhr scholl das Geschrei: Land! Land! – Ein freudiges Schrecken fuhr Allen durch die Glieder. Die Vorufer des jungen Welttheils stiegen aus dem Schoos des Ozeans.
Wir fuhren in die Chesapeak-Bai mit vollen Segeln ein. Links hob sich das Kap Henry, mit einem weißen Thurm, auf welchem allnächtlich den Seefahrern ein Feuer brennt. In größerer Ferne rechts zeigte sich noch ein Leuchtthurm, es war der des Kap Charles.
Das Gewässer der Bai fanden wir mit Holz, Kräutern und Stroh bedeckt. Wir erfuhren, es habe auf dem Lande fünfzehn Tage lang anhaltend geregnet. Noch befanden wir uns sechszig Wegstunden (oder 180 Seemeilen) von Baltimore. Aber der Wind ging stark mit uns. Wir fädelten binnen einer Stunde zehn Knoten ab, das heißt, legten 3½ Wegstunden zurück, und noch dazu gegen die Strömung des Meers.
Es zeigten sich, seit wir Land sahen, der Schiffe immer mehr vor unsern Augen und immer mehr, je näher wir den Ufern der Bai kamen. Schon unterschied man von den Fluren ungeheure Waldungen; bald da und hie angebautes Land mit einzelnen Wohnungen der Menschen. Fröhliches Schauspiel für uns. Eine Viertelstunde fern von uns zog ein Dampfschiff vorbei. Ein schwarzer Rauchstreifen bezeichnete durch die Luft den verlassenen Weg desselben. Silberbrandung umgab die Dampfräder.
Die Nacht kam. Bald unterschied man nichts mehr. Das Schiff flog rasch durch die Wogen. Wir machten eilf Knoten in der Stunde. Ein Matrose, an der Schiffsseite draussen angebunden, warf beständig das Senkblei und rief jedesmal an, wie tief. Das hielt uns, und auch die Freude, spät wach.
Kaum war es Tag, rief mir der Kapitän zu: »Wir sind in der Rhede von Baltimore!« – Ich wagte es kaum zu glauben, und doch stand das Schiff unbeweglich. Ich sprang aus dem Bett und warf mich hastig in die Kleider. Als ich aufs Verdeck kam, lag die Stadt Baltimore vor mir. Durch den lichten Wald der Schiffsmasten unterschieden wir Kirchthürme und die Wipfel hoher Pappeln in allen Theilen der Stadt. Die Thürme sind von weißem Marmor, sehr zierlich; die Häuser von Backsteinen gebaut. Zwischen dem schönen Grün der Pappelbäume, stellten sie sich mit ihrem gelben, röthlichen, bläulichen Anstrich dem Auge gar gefällig hin. Wir sahen zu unserer Rechten Felder mit Korngarben bedeckt. Das Glockengetön der Heerden sang uns vom Ufer an, wo halb sichtbar zwischen Obstbäumen die Kühe in den Wiesen weidend umherirrten. Der Himmel klärte sich auf und die ersten Strahlen der Sonne rötheten alle Höhen und Berge.
Um sieben Uhr Morgens nahte sich uns ein Kanot. Es brachte einen Arzt, der den Gesundheitszustand Aller auf unserm Schiff untersuchen mußte, das den Tag zuvor, mehr als gewöhnlich, gesäubert und gewaschen worden war. Er grüßte uns mit einem »guten Morgen!« ohne dabei den Hut abzuziehen. Es war ein gefälliger, angenehmer Mann; sehr sauber gekleidet. Nachdem er in der Kajüte beim Kapitän ein kleines Frühstück genommen, kam er nach zehn Minuten wieder aufs Verdeck. Der Namensausruf Aller im Schiffe erfolgte. Er beschäftigte sich mit jedem einzeln; untersuchte noch zwei Personen, die unpäßlich in ihren Betten geblieben waren, und schied zufrieden von uns, auf die nämliche Art grüßend, wie er gekommen war.
Ich vermuthete, unsere Quarantäne würde wenigstens noch vierundzwanzig Stunden auf dem Schiffe dauern. Darum rief ich einem Seemann, der auf einem Kanot mit Doppelsegel nicht weit von unserm Hyperion vorbeifuhr, zu, ob er mich nicht zum nächsten Bauerhause fahren wolle, um Milch und einige frische Nahrung einzukaufen. Er kam heran; ich stieg von der Seite des Schiffs, wo man eine Treppe angebracht hatte, hinab zu ihm. Er änderte an den Segeln, und obgleich kein fühlbarer Wind ging, flog doch das kleine Fahrzeug schneidend durch den Wasserspiegel ans Ufer.
Ich sprang ans Land. Mir ward wunderbar zu Muth, da ich den langentbehrten festen Grund unter meinen Füßen fühlte; einen Boden unter meinen Sohlen, den der weite Ozean von meiner Heimath trennte; den der große Columbus die Kühnheit hatte zu suchen und das Glück ihn zu finden; den Jahrhunderte lang die Grausamkeit raubsüchtigen Kriegsgesindels, golddürstiger Kaufleute und herrschlustiger, dummgläubiger Pfaffen mit Menschenblut besudelt hatte, bis Muth und Gefühl der Menschenwürde das Joch zerbrach, welches der europäische Despotismus für unvergänglich hielt.
Von meinen Gedanken und Empfindungen in diesen Augenblicken Rechenschaft zu geben, ist mir unmöglich. Ich kam zu einem artigen Bauerhause. Eine Frau trat mir entgegen. Sie sprach deutsch; sie stammte aus dem Bernerland in der Schweiz. Nun richtete sie hundert und tausend Fragen an mich, daß mir zuletzt bange ward, keine Milch zu bekommen. Sie gab mir endlich, was ich begehrte; ich mußte ihr aber versprechen, sie noch einmal zu besuchen. Als ich zum Schiff zurückgekommen war, und meinen Fährmann fragte: was ich denn schuldig sei? antwortete er: »O durchaus nichts. Es machte mir ein Vergnügen, Sie einen Augenblick ans Land zu führen.« Er lehnte sehr höflich Alles ab.
Wie die Kinder auf dem Hyperion, es waren derer wohl zwanzig, meinen großen Topf voller Milch erblickten, liefen alle auf mich zu. Ich konnte jedem nicht geschwind genug davon geben. Um sie zu sättigen, hätt' ich viermal mehr haben müssen. Aber das war auch eine Schwelgerei für die guten Kleinen, und ein Genuß für mich ihre Freude!
Der Kapitän hatte den Arzt in die Stadt begleitet. Sein Nachen kam Nachmittags zurück, aber ohne ihn; statt seiner ein Briefchen an mich, worin er mir ankündigte, ich könne ans Land gehen, wann ich wolle; der Nachen stehe zu meinem Befehl.
Ich säumte keinen Augenblick.
Die ersten Schritte am Lande, durch die Straßen der Stadt, reichten hin, um mich zu belehren, ich sei in einem fremden Welttheil. Ich konnte nicht müde werden, diese Reihen zierlicher Gebäude, diese Handelsgewölbe und Kaufläden, diese Gruppen von Negern und Mulatten zu sehen.
Baltimore war vor fünfundvierzig Jahren noch ein gar geringes Städtchen, mochte kaum ein halbes hundert Häuser haben, viele noch von Holz. Jetzt steht da, einer Hauptstadt ähnlich, eine regsame Welt. Baltimore zählt schon 75,000 Einwohner. Die Straßen sind gepflastert und mit breiten Trottoirs eingefaßt; reinlich, heiter, angenehm mit Pappelbäumen besetzt, deren Gipfel mit den Kirchthürmen um die Wette in die Lüfte aufstreben. Die Häuser sind meistens von Backsteinen, manche von Marmor gebaut, geschmackvoll und edel ausgeführt, von zwei und drei Stockwerken. Die grünen Fensterläden überall, die Hausthüren von Rothholz und Acajou, die glänzenden Messingbeschläge daran, die hohe Reinlichkeit überall – Alles gibt diesen Wohnungen, diesen breiten, lichten, saubern Straßen, ein gefälliges, freundliches, frisches Ansehen, wie ich mich dessen von keiner europäischen Stadt erinnerte. Während der heißen Sommerzeit werden die Straßen täglich mit Wasser besprengt. Die schönste und längste derselben ist die Baltimorestraße, beinahe eine halbe Stunde lang. In der Mitte derselben steht seitwärts die Douane, ein Gebäu von ausserordentlichem Umfang, aus weißem Marmor aufgeführt. Zwölf mächtige Säulen tragen einen Theil vom Innern des Gebäudes, welches hier von oben herab durch eine sehr hohe Kuppole erleuchtet wird. Links und rechts sind die Amts- und Geschäftzimmer, die Wohnungen der Angestellten u. s. w. Die Beamten selbst, einfach, aber äusserst zierlich gekleidet, zeichnen sich durch ihr zuvorkommendes, gefälliges Betragen aus. –
Mein erster Gang war in einen Gasthof. Man saß eben zum Mittagsessen. Ich brachte eine Eßlust mit, als hätt' ich auf dem Meere vier Wochen gefastet. – Ländlich, sittlich! Ich mußte mich bequemen, um nicht auffallend zu werden, mit dem Messer in der rechten, mit der Gabel stets aber in der linken Hand zu essen, und beide queer über den Teller zu legen, wenn man mir keine Speisen mehr darbieten sollte. Ich war noch nicht halb gesättigt, als meine Tischgenossen schon Feierabend machten. Ueberhaupt bemerkte ich durchgehends nachher auf meinen Reisen im Lande, daß die Amerikaner am Tische sehr mäßig sind. Selten nimmt man beim Frühstück oder Nachmittags mehr, als zwei Tassen Thee oder Kaffee. Aber beim Thee und Kaffee wird jedesmal zugleich Geflügel, Fisch, Backwerk, Brod, Butter u. s. w. aufgetragen. Die Frau des Hauses bedient die Gäste. Bei der Mittagstafel wird Bier zum Trinken gegeben und guter Branntwein mit Wasser verdünnt.
Der Sauberkeit und Zierde der Straßen und des Aeussern der Häuser entspricht überall das Innere der Wohnungen. Man wird wenig Wohnungen finden, wo der Fußboden nicht mit einem schönen türkischen Teppich bedeckt, und von der Hausflur bis zum obersten Gemach des Hauses nicht jede Treppe es ebenfalls wäre.
Von den öffentlichen Denkmälern zeichnete sich das zu Ehren Washingtons, und ein anderes, nicht weit von einem Brunnen, zum Gedächtniß jener Bürger aus, die bei Vertheidigung der Stadt gegen die Engländer im letzten Kriege das Leben fürs Vaterland opferten. Ihre Gebeine ruhen unter dem Denkmale. Ihre Namen alle sind in den Marmor des Fußgestells eingegraben.
Die katholische St. Pauls-Kirche könnte neben den schönsten Tempeln Europens aufgezählt werden. Der Kirchen für die andern christlichen Konfessionen mögen etwa noch achtzehn sein. Zuweilen stehen sie dicht neben einander. Jeder, ohne Groll gegen den Nachbar, geht in das Gotteshaus, wohin ihn sein Herz und sein Glaube rufen. Das ist die Wirkung der wahren Religionsfreiheit, während man in Europa höchstens in den gebildeten Ländern nur die Duldung kennt und sich mit religiöser Toleranz, als wäre sie eine große Tugend, brüstet. – Das ist in Amerika die Wirkung einer weisen, vernünftigen Gesetzgebung. Die Menschen sind sich hier, wie vor dem weltlichen, so vor dem göttlichen Gesetz in ihren Rechten gleich. Die Europäer werden noch lange Zeit große und kleine Bücher über das Verhältniß der Kirche zum Staat schreiben, indem die einen den Staat in die Kirche, als in das Höhere und Allumfassende, hineinstellen, andere die Kirche dem Staat unterordnen, und wieder andere Staat und Kirche, Kaiser und Papst, in gleichen Würden neben einander setzen.
Die Amerikaner haben die Streitfrage der europäischen Staatsmänner und Professoren längst und auf die naturgemäßeste Weise gelöst. Der Staat, diese große Anstalt für Rechtssicherheit und Entwickelung der bürgerlichen Gesellschaft, hat kein Befugniß, über religiöse Ueberzeugungen, über das innere Verhältniß des Menschen zur Gottheit zu entscheiden. Den Bürgern ist es anheimgestellt, in derjenigen Form oder kirchlichen Ordnung ihre gemeinschaftlichen Gottesverehrungen zu veranstalten, die ihren Ueberzeugungen am meisten entspricht. Wie mannigfaltig und verschieden dieselben sein mögen, der Staat hat nicht darüber zu entscheiden, welche Form die bessere, welche Kirche die alleinseligmachende sei. Allein alle Bürger sind Eigenthümer gleicher Rechte; der Staat ist da, um sie alle in den kirchlichen Verhältnissen ihrer Wahl zu schützen. Von der andern Seite aber darf auch keinerlei Kirchenthum zerstörend auf die öffentliche Ordnung des bürgerlichen Lebens einwirken, noch weniger sich, durch priesterschaftlichen Stolz geleitet, weltliches Recht und Ansehen in Staatsverfassung oder Staatsführung anmaßen.
»Lauheit, Indifferentismus!« rufen dabei in Europa unsere geistlichen Herren (denn Herrn wollen sie gern sein!).
Merkwürdig ists, daß eben diese Herren fort und fort über Verfall der Religion, Abnahme der Andacht, schlechten Besuch des Gottesdienstes schreibend und predigend klagen. In Amerika klagt man nicht über Indifferentismus. Hier wetteifern alle christlichen Kirchenparteien auf oft rührende Weise in gottesdienstlicher Frömmigkeit. Hier sind in den größern und kleinern Städten die Kirchen stets von Betern erfüllt, und in den weiten Einsamkeiten junger Pflanzungen sieht man Pflanzerfamilien oft lange Tagreisen bis zur nächsten Kapelle oder Kirche machen. Wenn sich eine Stadt bildet oder ein Dorf – so weit ich gekommen bin –, und alle Hütten noch gebrechlich und hölzern sind, stehen zuerst immer zwei große Gebäude massiv und kostbar aufgeführt da: das Rathhaus und der Tempel.
Den ersten Sonntag, welchen ich auf amerikanischer Erde erlebte, tönte von allen Seiten das Geläut der Kirchenglocken. Es war der 18. Juli. Ich verließ meinen Gasthof und folgte dem ersten Zuge von Menschen, den ich sah, zu einer der Kirchen. Der Prediger war auf der Kanzel; ihm zur Rechten saß der männliche, zur Linken der weibliche Theil der Gemeinde. Man sang die Psalmen mit vieler Harmonie. Dann las der Prediger einen Bibeltext und sprach über die Unerfahrenheit und Ungeduld der Menschen, indem sie ihre Glücks- und Unglücksfälle dem Vertrauen auf eigene Kräfte anheimstellen, ohne die tiefer liegenden Ursachen zu bemerken. Er sprach sehr erwecklich und belehrend. Ich bemerkte, daß ich in einem Tempel der Methodisten war, der sich, wie die Art der öffentlichen Andachtsübung, wenig von der reformirten Form unterschied.
Von da begab ich mich in eine andere Kirche. Es war die der Neger. Auch der Geistliche war ein Neger. Er ereiferte sich sehr gegen die, seinem schwarzen Menschenschlage gewöhnlichen Untugenden. Seine Stimme war sehr stark; seine Bewegung ganz schauspielerhaft. Die Kleidung der Zuhörer und Zuhörerinnen zeichnete sich durch hohe Sauberkeit, Geschmack und Feinheit aus. Die Frauenzimmer trugen sich meistens weiß; doch manche auch in farbigen Kleidern und mit feinen Strohhüten. Aber welche Ueberraschung für einen Europäer, wenn sich eine der schlanken Grazien mit dem Köpfchen wandte, und dem Neugierigen eine ganz schwarze Gestalt wies!
Den folgenden Tag ging ich in eine katholische Kirche. Es wurde hier eben ein ausserordentliches Seelen-Amt wegen dem Tode eines Herrn Moranville gehalten. Bei der ansteckenden Seuche, die im Sommer 1819 zu Baltimore so viele Menschen wegraffte, und durch die Wärme der Luft von 26 bis 28 Grad Reaumur am furchtbarsten geworden war, opferte dieser Herr Moranville Vermögen, Zeit und Kräfte für die leidende Menschheit auf. Er theilte Arzneien aus, er tröstete die Sterbenden, er half die Todten forttragen, so lange die Seuche wüthete. Die meisten Verwüstungen richtete sie in dem Theil der Stadt an, der Fellspoint heißt, und in den niedern Gegenden, während der höher gelegene Theil der Stadt sich gesund bewahrte, obgleich man auch von den Kranken da hinauf verlegt hatte. Herr Moranville fühlte sich zuletzt auch nicht wohl. Er glaubte, das Klima Frankreichs, seines Vaterlandes, werde ihm Besserung geben. Er reisete ab, kam nach Amiens und starb da. Der Hyperion hatte die Nachricht von seinem Tode mitgebracht, den ganz Baltimore mit lauter Stimme beklagte. Die Kirche hatte kaum Raum genug, die ungeheure Menschenmenge zu fassen. Mit welchem kalten Pomp sah ich in Europa oft Menschen begraben, die zu den Höchsten und Bedeutendsten gehörten. Hier weinten tausend und tausend dankbare Augen still vor sich hin. Und als der Prediger vom Leben des Wohlthäters sprach, ward der Schmerz laut.
Man hat jetzt seit Kurzem einen Theil des Hafens ausgetrocknet, wodurch die Luft reiner und gesunder geworden ist. Es sind Flußgraben geöffnet, so, daß die Fahrzeuge in der Nähe der Vorrathshäuser landen können. Diese Kanäle ziehen sich manchmal eine halbe Wegstunde vor bis in die meisten Straßen der Stadt. Neben den Kanälen sind auf beiden Seiten Hochstraßen für Fuhrwerk. Zwischen den Häusern über den Dächern ragen daher die Masten der Schiffe mit ihren flatternden Wimpeln empor. An den Ufern rollen prächtige Lust- und Reisewagen entlang, Karren von Negern gezogen und gestoßen; zierliche Kaufläden sind seitwärts geöffnet, deren Reichthum den europäischen nicht nachsteht. Eine regsame Menschenmenge schwärmt durch die lichten Straßen. Der Großtheil der Wandelnden ist immer in sauberer und geschmackvoller Kleidung. Es hat Alles alle Tage sonntägliches Ansehen.
Jeden Morgen, ehe noch die Thürme im Goldstrahl der Sonne leuchteten, erwacht' ich vom verworrenen Gesang mehrerer Stimmen. Ich ward neugierig, woher diese Klänge, und ging ihnen eines Tages nach. Sie kamen vom Hafen. Ich sah auf einem Schiff acht Neger beschäftigt, es auszuladen. Alle ihre Bewegungen geschahen im strengen Zeitmaß und begleitet von einem Sang, den einer von ihnen angestimmt hatte. Die Töne, mit weniger Abwechselung, erhoben oder senkten sich, je nachdem der Waarenballen mehr oder minder schwer war, der bewegt wurde. Ich fand diese Art melodisch zu arbeiten nachher noch öfter bei den Negern. Man sagte mir, daß diese Unglücklichen sich in den ersten Monaten ihrer Gefangenschaft einer solchen Schwermuth überliessen, daß sie zuletzt gegen die Mahnungen ihrer Herren, selbst gegen Schläge ganz unempfindlich würden. Nichts könnte sie dann erheitern, als ihr Gesang. Man nöthige sie, zu Allem zu singen. So singen sie nachher zu aller Arbeit und bewahren dadurch ihre Munterkeit.
Um mehr in der Mitte der Stadt zu sein, wohin ich von meinem Gasthof wohl eine halbe Stunde Wegs hatte, wählte ich einige Tage nach meiner Ankunft den Gasthof zur Indian Queen. Im ersten hatte ich wöchentlich, bei täglichen drei Mahlzeiten, 4 Dollars (ungefähr 1 Louisd'or) bezahlt; in diesem war der Preis täglich 1¼ Dollar. Die Reisenden wurden durch sechs Neger und Mulatten bedient; dreimal des Tages war die Tafel gedeckt, mit ausgewählten Speisen besetzt und die Gesellschaft am Tisch zahlreicher. Es waren mit mir etwa achtzig Reisende da und sehr wenig Europäer unter denselben. Der Wirth hält ein Buch, worin der Name seiner Fremden eingetragen ist. Das aber ist keine Polizeimaßregel, wie in Europa, sondern Uebung. Die Polizei drängt sich hier nicht in Alles ein. Man setzt voraus, die Mehrheit der Reisenden bestehe aus rechtlichen Menschen, und unterwirft diese nicht den demüthigenden und beleidigenden Verfügungen, die man einiger Schelmen willen erfunden hat. Man reiset durch alle Staaten Amerika's, ohne auch nur eines Passes zu bedürfen, und sich damit beim Thor jedes Städtleins und jeder Polizeibehörde ausweisen, verzögern und oft plump genug behandelt sehen zu müssen.
Kömmt ein Reisender ans amerikanische Ufer, muß er erst seinem Schiffskapitän den Werth seiner Waaren genau angeben, dann hernach beim Zollamt den Werth des Verkauften. Ein jährlich vom Kongreß bestimmter Tarif bezeichnet, was davon zu entrichten ist. Uebersteigt die Abgabe fünfzig Piaster, gewährt man Zahlungsfristen von sechs, neun und zwölf Monaten. Man hält sich an das gegebene Wort. Und Alles geht ganz gut dabei. – Es ist dies allerdings merkwürdig. Werden denn die Leute ehrlicher und rechtlicher, wenn sie amerikanische Luft athmen? – Ich möchte beinahe glauben, es würden die Unterthanen der europäischen Regierungen viel besser werden oder sein, wenn die Regierungen ihnen mehr Redlichkeit zutrauten. Man verkrüppelt Völker nicht nur, wie in der Türkei, durch rohe, gesetzlose Härte und Grausamkeit zu sklavischen Wesen, die mit den Lastern des Sklaventhums behaftet stehen, sondern auch durch unbesonnene Gesetzgebungen, in denen kein Glaube an die menschliche Tugend, keine Achtung des jedem Menschen eigenthümlichen Ehrgefühls, keine Schonung der Würde des Menschen, auch im Aermsten, vorherrscht. Mustert die Gesetzgebungen der meisten Länder: sie scheinen für Botany-Bai-Leute geschaffen zu sein.
Die heitere, freie, anständige Bewegung der Einwohner Baltimore's auf Straßen, öffentlichen Plätzen u. s. w. fand ich im Innern der Familien wieder. Ich ward einigemal in die Abendgesellschaften eines der ersten Häuser, bei Herrn G...., eingeladen. Die Frauenzimmer machten nach dem Thee Musik mit Gesangbegleitung; man plauderte, scherzte, spielte. Es war hier Alles ohngefähr wie bei uns in ähnlichen guten Gesellschaften; nur weniger gezwängt, steif und gesucht, viel heiterer und jeder mehr sich hingebend.
Noch muß ich doch auch ein Wort von meinen europäischen Reisegefährten, den Auswanderern, sagen. Den Tag nach der Ankunft im Hafen, gingen die Auswanderer ebenfalls ans Land und schickten sich an, in die westlichen Gegenden der Vereinstaaten zu reisen, meistens in kleinen Caravanen von acht bis zehn Personen. Manche waren schon ganz von Geld entblößt. Sie wandten sich an eine sehr achtungswürdige Gesellschaft in Baltimore, und die beiden ärmsten Familien, die eilf Personen stark waren, erhielten ein Pferd für sich und 40 Piaster. Sie zogen, wie der größte Theil solcher Ankömmlinge, den Ufern des Ohiostroms zu.
Auch das amerikanische Schiff Elisabeth war in New-York, und früher, als der Hyperion, mit mehr denn vierzig Reisenden angekommen, wie ich erfuhr. Diese, meistens Schweizer, zogen an den Ufern des Hudson aufwärts und folgten dem großen Kanal bis zum Erie-See. Das Schiff Boston kam fast gleichzeitig mit 120 Kolonisten, Elsassern und Schweizern, größtentheils Wiedertäufern, in Alexandria in Virginien an. Auch diese wanderten vom Ufer des Potomak zum Ohio. Eben so andere Auswanderer, die einige Wochen später auf zwei Schiffen von Havre ankamen. – Jährlich strömt aus Europa eine unglaubliche Menge arbeitsamer, gewerbfleißiger Familien nach Amerika. Und doch – wie große Strecken Landes entbehren in Europa noch des Pfluges und des Kunstfleißes!
Wie schon gesagt, sind in jedem Fall die amerikanischen Schiffe allen andern zur Ueberfahrt vorzuziehen. Sie brauchen gewöhnlich von Europa nach dem neuen Welttheil nicht mehr, als zwanzig bis vierzig Tage, und zur Rückfahrt nach Europa etwa zwanzig bis dreißig. Zwölf Schiffe, die den Namen Packboote tragen, machen zwischen Havre und New-York den regelmäßigen Dienst; zwölf andere eben so von Grenok nach New-York; zwölf von London und sechszehn von Liverpool eben dahin. Jedes dieser Schiffe macht die Hin- und Herfahrt dreimal im Jahre. In jedem derselben ist der Preis für einen Platz in der Kajüte zu dreißig Guineen (ohngefähr dreißig Louisd'or) oder 140 Dollars. Man hat dafür täglich drei wohlgewählte Mahlzeiten nebst dem Wein; zum Nachtisch Madera; Sonntags Champagner.
Diejenigen, welche weniger Bequemlichkeit verlangen und unterwegs sparen wollen, finden beim Kapitän eines Kauffahrteischiffes leicht den Platz zu zwanzig Louisd'or. Die Auswanderer auf dem Hyperion zahlten für die Person nur ohngefähr sechs Louisd'or; beköstigten sich aber selbst; schliefen im Zwischenverdeck, hatten aber Holz zum Kochen und süßes Wasser frei. Matratzen, Fleisch, Wein, Schiffszwieback, hatten sie von Havre mitgenommen, und auf die Person für vier Louisd'or Lebensmittel berechnet.
Noch vor wenigen Jahren war die Ueberfahrt kostspieliger und bei der Unerfahrenheit der damaligen Schiffskapitäne langsamer. Sie gebrauchten dazu oft sechszig bis achtzig Tage, manchmal sogar drei bis fünf Monate. Viele der Auswanderer waren sodann ausser Stand zu zahlen; hatten ihr Geld oft schon beim langen Aufenthalt im Hafen verzehrt. Dann pflegten sie sich, um die Ueberfahrt zu zahlen, dem Kapitän auf längere oder kürzere Zeit in Arbeit zu verdingen, und dieser verkaufte sie, oder vielmehr ihre Arbeitsverpflichtung, wenn er nach Amerika kam, an Andere, die das Meiste boten.
Die Regierung von Amerika hat diesen schändlichen Handel durch ein Gesetz verboten, und alle dergleichen Verträge zwischen Kapitänen und Reisenden aufgehoben. Seitdem nimmt kein Kapitän mehr Ueberfahrende an, ohne das Frachtgeld vorher baar erhalten zu haben.
Viele von den Ankömmlingen, die ich nachmals in verschiedenen Gegenden Amerika's sprach, und welche die Ueberfahrt auf Schiffen anderer Stationen gemacht hatten, erzählten mir von seltsamen Meer-Abentheuern, denen ich kaum Glauben schenken konnte. Ein Aargauer, der im Jahr 1817 mit 450 Würtembergern und Schweizern die Ueberfahrt von Holland aus gemacht hatte, erzählte: daß man nach sechs Wochen auf dem Meere endlich die Portionen Lebensmittel habe auf ein Drittel einschränken müssen; daß sich deswegen viele dem Kapitän verkauft hätten; daß bei 150 Menschen durch Hunger und Krankheit auf dem Meer umgekommen wären, und erst nach einem Vierteljahre New-York erreicht hätten. Gewiß ist, daß einige, die ihre Ueberfahrt bezahlt hatten, nachher ihre Klage gegen den Kapitän aufsetzten und sie Regierungsgliedern überreichten. Der Kapitän wurde vor den Richter berufen, und da er sich nicht ganz rechtfertigen konnte, zu einjähriger Gefangenschaft und zum Verlust seines Schiffes verurtheilt. Die Reisenden wurden von den eingegangenen Verträgen frei gemacht. Und seit dieser Zeit ists auch, daß jenes Gesetz erschien, um alle Mißbräuche dieser Art abzuschaffen.
»Wie weit ists von hier bis zur Hauptstadt Pensylvaniens?« fragte ich.
»Vormals ziemlich weit,« war die Antwort; »man mußte mehrere Tage unterwegs zubringen. Jetzt aber können Sie bei uns in Baltimore frühstücken und in Philadelphia zu Abend speisen. Die beiden Städte sind einander sehr nahe gerückt worden. Es sind, von Baltimore dahin, dreiunddreißig Stunden.«
In der That, wohin man bald gelangen kann, das ist nicht sehr entfernt. Je mehr sich die Vereinstaaten beleben, mit Kunststraßen, Kanälen und Schifferflüssen durchschnitten werden, Eilwagen und Dampfboote sich vervielfältigen und vervollkommnen, je kleiner wird dies ungeheure Gebiet, in welches man ziemlich bequem den größten Theil Europas hineinlegen kann.
Ich bestieg an einem schönen Morgen um fünf Uhr das Dampfschiff Richmond, welches, mit der Kraft von siebenzig Pferden, regelmäßig die Fahrt von New-York nach Albany macht. Ob ich gleich manches Dampfboot schon gesehen hatte, überraschte mich doch dieses durch seine Sauberkeit, innere Schönheit und die Pracht der Zimmergeräthe und Verzierungen. Der Dampf hörte auf zu zischen; das Räderwerk gerieth in Bewegung, und mit wunderbarer Geschicklichkeit flog das Boot mitten durch die Menge der Fahrzeuge, welche das Gewässer des Hafens bedeckten. Kaum von der Rhede etwas entfernt, kam uns das Dampfschiff the Maryland entgegen, das von Charlestown und Norfolk nach Baltimore gehend, uns einen Reisenden abgab, welcher nach New-York wollte.
Wenn man aus dem Hafen kömmt, mag die Chesapeakbay eine starke Viertelstunde breit sein und nimmt dann den Namen Susquehanna von dem Fluß an, der aus den Alleghanybergen in zwei verschiedenen Strömen kömmt. Diese Ströme vereinigen sich zu Sunbury ehe sie in die Chesapeakbay fallen.
Um acht Uhr wurde zum Morgenmahl geläutet. Jedermann setzte sich zum Tisch, wie ihm gefiel. Es waren der Reisenden ohngefähr sechszig Personen. Das Frühstück war, wie gewöhnlich, in üppiger Fülle aufgetischt; Kaffee, Rindfleisch, Geflügel, Fisch, auf mancherlei Weise bereitet; Backwerk, Butter und die sweah patatoes, oder süße Erdäpfel nicht zu vergessen, vom feinsten Geschmack, welche mein Lieblingsbissen blieben, so lange ich in Amerika war.
Das Schiff ging rasch; in einer Stunde stromaufwärts zwei Wegstunden. Beide Ufer, die sich einander allmälig näherten, waren mit artigen Landhäusern und wohlgebauten Feldern geschmückt. Im Hintergrunde unendlicher Wald.
Um eilf Uhr hielt das Schiff an. Wir mußten ans Land. Jeder Reisende erhielt eine Karte, welche die Nummer eines Wagens trug, in dem jeder nun vom Ufer der Susquehanna zum Delavarefluß fahren sollte, wo uns ein anderes Dampfschiff erwartete.
Sechs schöne Wagen, jeder mit vier kräftigen zierlich geschirrten Rossen bespannt, brachten uns in vierthalb Stunden von Newcastle ans Delavare-Ufer in den Delavarestaat. Es ist dies ein Weg von ohngefähr neun Stunden Länge. Man saß im Wagen bequem, obgleich immer drei Personen nebeneinander.
Wir hörten schon in der Ferne, ehe wir das Dampfboot sahen, den Dampf pfeifen. Eilfertig, als wäre Alles auf der Flucht begriffen, stieg man aus ins Schiff; das Gepäck kam sogleich mit, und wir flogen den Delavarestrom aufwärts. Die Ufer desselben sind so lieblich, wie die der Susquehanna. Wälder, durchschnitten von schönen Pflanzstätten, saubere Häuser von Back- und Felssteinen, mit Gärten, verkündeten freudigen Wohlstand und noch Raum genug für manchen Ansiedler. – Zwischen Gehölzen, Maisfeldern und üppigen Wiesen sahen wir auch zwei kleine Städte an uns vorüberschweben: Chester und Wilmington. Sie hatten freundliches Aeusseres; die Häuser mit vielem Geschmack erbaut, aus Steinen, Backsteinen und getünchtem Holz. Rechts lag uns der Staat Jersey, weniger volkreich, als Pensylvania zu unserer Linken.
Eine Menge Schiffe, Sloops und anderer Fahrzeuge begegneten uns, oder folgte uns. Ueberall Leben und Verkehr. Aber kein Schiff konnte mit unserm Boot gleichen Lauf halten; es legte in einer Stunde, gegen den Strom, über 2¼ Wegstunden zurück.
Es war sechs Uhr Abends vorbei, als wir schon den Wald von Schiffsmasten sahen, welcher den Hafen von Philadelphia besäumt. Bald erblickten wir am Ufer des Flusses, beim Eingang des Hafens, ein ungeheures steinernes Bauwerk, breit und schwerfällig. Es war die Veste Mifflins.
Am Landplatz lagen schon fünf andere Dampfboote. Wir befanden uns dem Marktplatz gegenüber. Eine Menge schaulustiger Menschen standen am Ufer. Neger erboten sich, mein Gepäck zu tragen. Nur 200 Schritte vom Hafen ist der Gasthof Brandson, wo ich einkehrte, und für einen Dollar täglich mich ganz wohl befand.
So war ich nun in der Stiftung des unsterblichen und ewig ehrwürdigen William Penn; in der Stadt, welche bis zum Jahre 1800 die Stadt des Kongresses gewesen, der dann nach Washington im Columbiastaat verlegt wurde.
General Lafayette kannte sein Amerika, für dessen Unabhängigkeit er einst als Jüngling gefochten hatte, nicht wieder, da er zum letztenmale dessen Gast ward. Und jeder Reisende, der nur einige Jahre später kömmt, als der frühere, findet Verwandlungen über Verwandlungen, neue Kolonien im Innern, wo sonst Einöden, neue Städte, wo sonst einzelne Bauerhöfe lagen, und kleine Ortschaften in Gewerbs-, Handels- und Prachtstädte verwandelt.
Laut der letzten Zählung steigt die Bevölkerung jetzt auf 12,508,000 Einwohner in den gesammten achtundzwanzig Staaten des Bundes. Ich will hier die Uebersicht von gegenwärtiger Bevölkerung der Vereinstaaten, nebst den Jahren ihrer Kolonisation und Aufnahme in den Bund, als selbstständige Republiken, beifügen.
Man sieht daraus, daß bei uns zu Lande die Geographien, welche erst vor einigen Jahren gedruckt sind, wo sie von den Vereinstaaten reden, durch die Riesenschritte, welche Bevölkerung und Anbau dort thun, unvollständig geworden sind.
Noch ein Vierteljahrhundert, und die Vereinstaaten sind durch ihre Lage, durch ihre Bevölkerung, durch ihren Reichthum, durch ihre vortrefflichen Einrichtungen, durch ihre weisen Gesetzgebungen eine Riesenmacht, die des gesammten Europens Trotz spotten kann, und auf unsern Welttheil mehr Einfluß haben wird, als er auf sie. Da, wo jeder Bürger für sein Vaterland das Gewehr trägt, wo beinahe eine Million Milizen in den Waffen geübt werden, wo Freiheitsgefühl, Nationalstolz und Mißachtung der alteuropäischen Einrichtungen begeistern, ist schon jetzt nichts mehr von schweren Anfechtungen aus Amerika zu fürchten, obgleich die gesammten achtundzwanzig Republiken nicht mehr, als kaum 6000 Soldaten, das heißt in Sold und Lohn stehendes Kriegsvolk, unterhalten. Daß die Amerikaner ihr Glück fühlen im Verhältniß zu den Europäern, muß uns gar nicht wundern. Denn ungerechnet die natürliche Liebe der Eingebornen zu ihrer Heimath, bringen die jährlichen Einwanderer und neuen Ansiedler wenig Lobreden auf den alten Welttheil mit, welche die Neigung für Europa erhöhen könnten; und dann erfahren sie wöchentlich aus zahllosen Zeitungen nur zu viel vom Bunterlei unserer Schick- und Drangsale.
Philadelphia trägt wohl seinen Namen mit Recht. Der Großtheil ihrer Bewohner besteht aus Personen, die zur Kirchpartei, oder wie sie es nennen, zur Gesellschaft der Freunde gehören, die man gemeinlich mit dem Spottnamen der Quakers und Zitterer bezeichnet.
Es war mir gleich anfangs, da ich durch die Stadt ging, auffallend, welche anständige, ich möchte sagen sonntägliche Stille in den volkreichen Gassen Philadelphia's herrschte, einer Stadt von ohngefähr 120,000 Seelen. Und doch durchkreuzte sich das Volk in lebendigem Verkehr nach allen Richtungen. Der Markt war voll Getümmels, von einem Ende zum andern mit Gartenfrüchten und Gemüsen jeder Art, wohlgeordnet besetzt; seitwärts mit ganzen Reihen von Bauerwagen und wohlgenährten Rossen; die Wagen waren mit Fleischwaaren, gerupftem und in saubere Leinwand eingeschlagenem Geflügel u. s. w. angefüllt, von Käufern und Käuferinnen umringt.
Jene Stille, die mich überraschte, hatte die nämliche Wirkung auf einen englischen Schriftsteller hervorgebracht, der sich darüber so ausdrückt: »Was mir, nicht nur zu Philadelphia, sondern in allen Städten der Vereinstaaten, ungewohnt entgegentrat, war das anständige, besonnene Wesen der Bürger. Da ist in den Straßen kein Lärmens, Schreiens, Zankens; und doch bezeichnet dieser Mangel des Lärmens so wenig einen Mangel an Lebhaftigkeit, als das Nichtdasein von Grausamkeit die fehlende Tapferkeit andeutet. Wer daran zweifelt, besuche den nordamerikanischen Bundesstaat.«
Am Sonntage ward die Luft von allen Seiten durch das Geläut der Glocken bewegt. Ich ging in die erste Kirche, die ich antraf; sie war sehr groß und doch schon von Personen beiderlei Geschlechts angefüllt. Ich bemerkte an den aufrecht stehenden Rockkragen der Männer, an den feinen aber blumen- und federlosen Strohhüten der Frauenzimmer, an der mangelnden Kanzel, die ich vergebens mit den Augen suchte, daß ich in einem Tempel der Gesellschaft der Freunde war.
Die Kirchenglocken schwiegen. Im weiten Raum des der Andacht geweihten Gebäudes entstand eine tiefe, anhaltende Stille. Alles schien in fromme Betrachtung untergegangen. Ich wartete geduldig anderthalb Stunden, und es änderte sich nichts. Ich war schon im Begriff fortzugehen, als eine gute alte Frau vom Sitz aufstand, und mit zitternder doch vernehmlicher Stimme das Schweigen brach, indem sie ein Gebet sprach. Dies mochte wohl eine Viertelstunde dauern; dann bedeckte sie sich das Gesicht mit beiden Händen und saß wieder nieder. Ich verweilte noch ein halbes Stündchen. Als niemand aber das Wort nahm, ging ich wieder und besuchte eine andere Kirche.
Es ist in der Art und Weise dieser Gesellschaft der Freunde viel Eigenes, Hartes, Schwärmerisches und Ueberspanntes. Wer könnte das ganz läugnen? Aber doch muß ich bekennen, keine von allen christlichen Kirchenpartheien hat dabei so viel Milde, Menschenfreundlichkeit, Selbstverläugnung, Selbstaufopferung und Wahrhaftigkeit, als eben diese. Sie leben freundlich unter allen Menschen, ohne deren wilde Thorheiten und Leidenschaften anzunehmen. Sie wenden die Vorschriften des Christenthums streng, ja buchstäblich auf das wirkliche Leben an, und werden dadurch auffallend, sonderlingsartig in den Augen derer, die eine andere Erziehung genossen haben, sogar lächerlich. Sie zanken nicht, wie andere Christen, um Formen und Dogmen; ihr Glaube liegt mehr sprechend in ihren Handlungsweisen. Das stammt schon von erster Erziehung her, die ihnen nachher das Gewohnte zum lieben Bedürfniß macht. Diese Erziehung weicht freilich von der gewöhnlichen ab; ist vielleicht in Manchem zu ängstlich. Aber vielleicht ist eben diese Aengstlichkeit das beste Verwahrungsmittel gegen die spätere Leichtigkeit, mit dem, was unehrbar und lasterhaft ist, in Unterhandlung zu treten. Tanz, Musik, Jagd, Hazardspiel und Theater sind untersagt. Die erzieherische Gesetzgebung William Penns scheint mir unendlich edler, in sich selbst weiser und in ihren Wirkungen nicht minder bewundernswürdig, als die vielbewunderte des Lykurg. Wer dies bezweifelt oder nicht begreift, müßte Pensylvanien, müßte die entlegensten Einsamkeiten Amerika's besuchen. Hier ist nicht Heuchelei, auf den Schein gemachte Frömmigkeit, verlarvter Stolz, wie bei manchen ähnlichen Sekten in Europa, sondern Ueberzeugung, die ins Leben durch die That tritt, und durch Erziehung und Gewohnheit Bedürfniß wird.
Es scheint mir, daß die Einfalt, Wahrhaftigkeit, Anspruchlosigkeit und Rechtlichkeit der Gesellschaft der Freunde, auf Denkart und Ton, Gesetzgebung und Verfassung der Amerikaner in den Vereinstaaten einen sehr bedeutenden Einfluß gehabt habe und noch immer übe. Ueberall bin ich den Spuren ihrer Gesinnungen begegnet. Auch geniessen sie allgemeine und wohlverdiente Achtung.
Unter ihnen herrscht vollkommene Gleichheit der Rechte; Reichthum und Armuth geben darin keinen Unterschied. Die Häupter ihrer Versammlungen beziehen keine Besoldungen, empfangen keine besondere Ehrenbezeugungen, und finden für ihre Meinungen kein Uebergewicht bei den Andern. Das weibliche Geschlecht hat, wie bei allen andern Kirchenpartheien, dieselbe Stellung, und genießt derselben Achtung und Ehrfurcht. Die liebenswürdige Bescheidenheit, Einfachheit, häusliche Ordnungsliebe und feine Verständigkeit der Frauenzimmer macht, daß diese auch von den achtbarsten Familien anderer Sekten gesucht werden. – Erfüllt einer von ihnen nicht seine Pflichten gewissenhaft, wird er von einem seiner nächsten Verwandten oder vertrautesten Freunde im Stillen gewarnt; ist dies fruchtlos, geschieht es von mehrern Seiten; zeigt sich alle Mühe eitel, ihn zu seinen Pflichten zurückzuführen, wird er aus der Gesellschaft der Freunde ausgeschlossen. Das Alles geschieht ohne Aufsehn im Stillen.
Die Verbesserung der Strafanstalten, die Versittlichung der Verbrecher, die Verhütung des Verarmens und der aus Armuth entspringenden Uebelthaten, die Verbreitung des Christenthums unter den Heiden, die menschlichere Behandlung der Indianerstämme, die Abschaffung des Negerhandels und der Sklaverei hat dieser Kirchpartei mehr, als allen andern in der Christenheit, zu danken. – Wenn man die Genossen derselben auch nicht schon an ihrer äussern, einfachen Tracht erkennen würde, die Männer an ihren breitkrämpigen schwarzen oder weißen Hüten, und schwarzen, braunen, dunkelfarbigen Röcken; die Frauenzimmer an der Abwesenheit aller bloßen Schmucksachen, der Ohrgehänge, Ringe, Armbänder, Federn, Kunstblumen u. s. w. – Trauer um die Todten legen sie nie an – so würde man sie an der strengen Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit im Handel und Wandel erkennen; an ihrer Treue im gegebenen Wort, an der Verschmähung jeder Art Betrugs und Ueberlistung.
Die Stadt Philadelphia hat etwas ungemein Gefälliges im Aeussern. Die Straßen sind geräumig und breit, manche achtzig bis hundert Schuh; alle sauber mit Plattsteinen gepflastert. In der Mitte stehen Hallen, oder zum Marktverkauf bestimmte, überdeckte Plätze, wo die Landleute, die ihre Erzeugnisse bringen, gegen das Wetter geschirmt stehen. Manche dieser Hallen sind über eine Viertelstunde lang. Die Fußgänge an den Seiten sind von Zeltdächern beschattet, viele der Kaufläden und Gewölbe gleichen an Fülle und Schönheit der Verzierung den schönsten in Paris.
Penn selbst hat den Riß zur Stadt der Freunde im Jahr 1682 entworfen. Sie ist wohl eine Wegstunde lang. Es ziehen vierundzwanzig breite, schnurgrade, oft seitwärts mit Fußgängen versehene Straßen neben einander hin, die von zwanzig andern ähnlichen im rechten Winkel durchschnitten sind. Die Häuser haben meistens weißen, gelblichen oder röthlichen Anstrich. Die Begräbnißplätze sind hier noch, wie in allen amerikanischen Städten, bei den Kirchen. Es fehlt nicht an vielen Sehenswürdigkeiten. Ich darf nur an das herrliche Museum erinnern, wo auch das vor einigen Jahren zu Bigbone in Kentuky, ohnweit Cincinnati gefundene Mammuthskelet aufbewahrt wird, das 18 Schuh lange, 11½ Schuh hohe Riesenthier der Vorwelt.
Neben allen schönen Gebäuden der Stadt zeichnen sich immer die Kirchen durch ihre Pracht und Majestät aus. Und ihrer sind nicht wenige. Und alle sind doch nur auf Kosten der verschiedenen Kirchpartheien gebaut. Denn, wie gesagt, hier ist keine herrschende, sogenannte Landesreligion. Der Staat hat den weisen und wohlthätigen, und Religiosität befördernden Grundsatz vollkommener Glaubensfreiheit anerkannt. Er zwingt niemanden zum Kirchenbesuch, und doch sind alle Tempel stets beim öffentlichen Gottesdienst angefüllt, während in Europa die Pfarrer über Verfall der öffentlichen Andacht und die Leerheit der Gotteshäuser häufig jammern. Der Staat gibt kein Geld zum Kirchenbau, besoldet keinen Geistlichen, und doch gibt es kaum ein Land, wo so viel Kirchen sind. Im Jahr 1817 hatte die Stadt Philadelphia bei ohngefähr 100,000 Einwohnern achtundvierzig Kirchen; Boston, damals bei etwa 40,000 Seelen dreiundzwanzig Kirchen; New-York, bei damals etwa 120,000 Einw., dreiundfünfzig Kirchen. Und heute sind überall, nach Maßgabe der gestiegenen Bevölkerung, auch der Tempel mehr geworden. – Worauf deutet das?
Weil der Staat ohne Unterschied jeder christlichen Glaubensgenossenschaft gleiches Recht und gleichen Schutz gewährt, hört man auch nichts von den ekelhaften Religionszänkereien, mit denen sich die Europäer ermüden und quälen. Es herrscht gegenseitige Achtung und Schonung. Man spricht nicht gern über Glaubensverschiedenheit. Man ist so verständig, zu begreifen, daß man keine fremde Glaubenslehre tadeln und beschimpfen könne, ohne die eigene dem Tadel und der Beschimpfung preis zu geben. Noch weniger darf sich das Kirchliche irgendwo in die Politik mengen, da beide durch die Grundgesetze des Staates so scharf und fest von einander geschieden stehen.
Unter den Sehenswürdigkeiten, die erst seit Kurzem ihr Dasein empfangen haben, zog mich ganz besonders das Kunstwerk am Shuykillstrom, eine Stunde von Philadelphia, an, durch welches die ganze Stadt mit Wasser versehen wird. Auf dem Wege dahin sah ich eben an einem neuen Zucht- und Besserungshause arbeiten. Ein weiter Platz war dazu geebnet und der ganze, große Raum mit einer mächtigen Mauer umgeben. Man sollte meinen, hier werde an einem Festungswerk gebaut: so schwer und stark ist alles aufgeführt. Das Thor ist eine mächtige Arbeit, und soll mit eisernen Gitterthüren geschlossen werden, die wohl mehr, als eines Mannes Arm vonnöthen haben dürften, um sich in ihren Angeln zu bewegen.
Eine halbe Stunde von da ist am Shuykill die Wassermaschine. Ein Vorbau drängt das Wasser des Flusses vom Ufer ab. Räder von 16 Schuh Durchmesser bewegen eine Pumpe mit doppeltem Stempel, wodurch das Wasser 120 Schuh hoch gehoben in ein ungeheures Becken gegossen wird. Die Pumpe liefert binnen vierundzwanzig Stunden bei 500,000 Gallonen Wasser. Sie steht erst seit zwei Jahren. Vorher hatte man eine durch Dampf getriebene, die man aber nun nicht mehr gebraucht.
Durch eine Menge Röhren und Kanäle fließt das Wasser aus dem ersten Behälter nach allen Stadtvierteln, ja fast in jedes Haus, wo man mit einem angebrachten Hahn so viel abzapft, als man will. In jeder Straße sind mehrere Brunnen, die man, im Fall einer Feuersbrunst, nach Belieben laufen läßt. Man legt nur den Schlauch der Feuerspritze an, die dann zweimal mehr Wasser schleudert, als die sonst übliche.
Wie gern hätte ich noch in Philadelphia verweilen mögen! Ich mußte mich immer recht ernsthaft daran erinnern, daß ich nur zum Besuch in Amerika sei und versprochen habe, vor Weihnachten wieder in meiner Heimath zu sein. Wie viel hatte ich noch zu sehen! New-York, der Hauptplatz des nordamerikanischen Handelsverkehrs, ist nur zweiunddreißig Stunden von Philadelphia entlegen. Kleinigkeit! Ich konnte also Abends dort sein.
Um halb sechs Uhr Morgens stieg ich ins Dampfboot, das an Bequemlichkeit und Zier allen frühern nicht wich. Der Reisenden waren ohngefähr achtzig auf dem Boot; Herren und Frauenzimmer; alle, ohne Ausnahme, sehr sauber und mit Sorgfalt gekleidet, als wären sie nicht zur Reise, sondern zu einem geselligen Vergnügen zusammengekommen. Auch, als man sich um sieben Uhr zum Frühstück setzte, am reich mit allerlei Speisen beladenen Tisch, glich die Reisegesellschaft einer freundlichen Vereinigung eingeladener Gäste.
Wir fuhren den Delaware aufwärts und erblickten nach einer halben Stunde die Schiffswerfte von Philadelphia, auf welcher neun große Fahrzeuge bereit lagen, ins Wasser gelassen zu werden. Die pensylvanische Küste bot uns aller Orten das Schauspiel fleißigen Anbaus dar. Zwischen zerstreuten Wäldchen und lichtstehenden Pappeln lachten uns freundliche Landhäuser an. Nicht so große Mannigfaltigkeit zeigte das zum Staat Jersey gehörige Ufer.
Das Dampfboot lief in einer Stunde zwei Wegstunden stroman. Schon um neun Uhr kamen wir an Burlington vorüber, wo Reisende von uns gingen, andere zu uns kamen. In Bristol, sechs bis sieben Stunden von Philadelphia, stiegen wir ans Land, wo neun Wagen warteten, um uns weiter zu bringen. Jeder suchte den seinigen nach der Nummer der empfangenen Karte. Der lange Zug unserer zierlichen Reisewagen machte sich sehr artig und rollte, wie durch einen weiten Garten, von Zeit zu Zeit neben hübschen Landhäusern und Bauerhöfen vorüber, die, gut unterhalten, einen behaglichen Wohlstand zu verrathen schienen.
Nach zwei Stunden hielt man in Trenton an, um die Rosse zu erfrischen, was man jedesmal alle zwei Stunden beobachtete. Die Stadt – bekanntlich ist sie die Hauptstadt von Jersey – macht den Augen ein ganz angenehmes Bild. Die Häuser stehen nicht in strenger Regelmäßigkeit, sind aber meistens in gutem Geschmack gebaut. Besonders ist die bedeckte Brücke, welche über die Delaware führt, von besonderer Schönheit.
Zu Princetown, wo die Pferde gewechselt wurden, begegneten uns zehn volle Reisewagen, die von New-York kamen, um das Dampfboot zu erreichen, welches wir verlassen hatten; dagegen wir in Brunswik ein anderes finden sollten, von dem sie herkamen. Immer und immer überraschte mich täglich die Menge der Reisenden. Hier schien mir fast Alles unterwegs zu sein. Die Gasthöfe hatten der Reisenden oft so viel zu beherbergen, wie etwa in Europa sonst nur große Badeanstalten. Welch ein Verkehr und Leben auf diesen noch vor vierzig bis fünfzig Jahren halböden Küsten!
Auch Princetown schien mir eine sehr artige Stadt. Ich konnte sie nicht näher besichtigen. Noch vor wenigen Jahren war hier aber die berühmteste Hochschule der Vereinstaaten. – Ueber Kingstown gelangten wir endlich nach der Stadt New-Brunswik, anmuthig am Rariton gelegen, über welchen eine 400 Schuh lange Brücke führt, die, wie gewöhnlich, auf den Seiten Fußgänge und in der Mitte zwei Fahrwege hatte.
Die Hitze war sehr stark gewesen. Unsere lange Wagenreihe hatte dicke Staubwolken aufgetrieben, und wir alle, wie wir zum Dampfboot kamen, trugen mehr oder weniger die Spuren dieser Wolken. Allein jetzt erschienen sogleich einige Mulatten und Neger, mit Bürsten, Handtüchern, Wasserbecken, und luden jeden, der ihre Dienste verlangte, in ein Zimmer ein, um sich da wieder entstäuben und schön machen zu lassen. Auch einige Barbierer waren mit ihren Waffen bereit, die Männer zu verjüngen. Fast alle Reisende unterwarfen sich dieser Purification, die weniger ängstlich, als die spanische unter dem Scheermesser der Apostolischen ist. – In Europa, selbst in England und Holland, kennt man diesen hohen Grad der Reinlichkeitsliebe nicht. Sie ist ein Beweis der gegenseitigen Achtung, welche sich selbst Fremde untereinander im geselligen Leben schuldig sind, und die bei uns oft tölpisch genug vernachlässigt zu werden pflegt. Ich halte mich bei diesem kleinen Umstand gern auf, der selbst im Unbedeutenden auf ein regeres, sittliches Feingefühl hindeutet.
So lange man in der Nähe von New-Brunswik ist, zeigt sich die Landschaft wohlbevölkert in malerischer Abwechselung. Je weiter hin, werden die Ufer flach, und von Ebb' und Fluth verschwemmt, die sich bis Brunswik fühlbar macht. – Links lagerte Perth-Amboy seine niedliche Häuserreihen vor uns auseinander; besonders stellte sich der Sommersitz der Familie Brun von New-York, Brightonhouse, anmuthig dar. Es liegt schloßähnlich auf einer kleinen Anhöhe und schaut von da weit durch die Ebenen. Rechts hatten wir Staaten-Island oder Richmond, welches uns im Vorüberfluge nichts Ausgezeichnetes in seinen Ländereien darbot, aber gegen New-York zu an Bevölkerung reicher zu werden schien. Nachdem wir noch am linken Rariton-Ufer, bei Elisabeth-Town, einige Reisende aufgenommen hatten, fuhren wir gegen sechs Uhr Abends, beim lieblichsten Wetter, in die Bai von New-York ein.
Da stieg plötzlich in der Tiefe des Hintergrundes vor uns eine, ich möchte sagen von tausend Schiffsmasten halbverschleierte Stadt aus den Wellen. Nur die Zinnen der Häuser, die Thürme, die Pappeln-Reihen, welche auf die Richtungen der Straßen deuteten, liessen sich über den Wimpeln wahrnehmen. Wie wir näher rückten, hatten wir die sogenannte Batterie vor uns. Es ist dies ein öffentlicher Lustplatz, von Linden und Pappeln überschattet, deren Zwischenräume am Boden wohlunterhaltenes Rasengrün deckt. Alles wimmelte von Lustwandelnden. Die schöne Welt war im schönsten Sommerschmuck dort versammelt. Am äussersten Ende, ohngefähr hundert Schritte vorwärts in der Bai, hat man ein niedliches, kreisförmiges Pavillon aufgeführt. Es ist zwei Stockwerke hoch; das Dach mit einer Gallerie umgeben. Man hat von diesem Belvedere in der That, wie ich nachher sie selbst genoß, eine wunderliebliche Aussicht. Ueber dem Bau erhebt sich ein dreißig Schuh hoher Mastbaum, mit der Flagge der Vereinstaaten. Der Hafen von New-York ist voll ewiger Bewegung. Täglich, stündlich laufen Schiffe ein, segeln andere ab. Bei dreißig Dampfschiffe schwärmen ab und zu, von den verschiedensten Formen und Bestimmungen. Flüchtige Rauchsäulen, die sich bald in den Lüften zerstreuen, schweben des Tags über ihnen; Nachts sind eben so viel Feuersäulen, gleich jenen, die in der Wüste den Kindern Israels leuchteten.
Als wir um sieben Uhr ans Land traten, boten Weiße, Mulatten und Schwarze ihren Dienst an, unser Reisegepäcke in die Stadt zu tragen; aber nicht mit jener frechen oder plumpen Zudringlichkeit, deren man von Leuten dieser Klassen in Europa gewohnt ist. Längs dem Quai stand eine lange Reihe eleganter Kutschen und Halbwagen, die wahrlich mit den Fiacren oder Lohnkutschen von Paris oder Wien wenig Aehnlichkeit, dennoch die nämliche Bestimmung, hatten. Sie sind geschmackvoll gestaltet, meistens gondelförmig. Die Lohnkutscher, wie alle Personen aus der arbeitenden Klasse, sind mit vieler Sorgfalt angekleidet, in ihrem Betragen gefällig, zuvorkommend, ohne jenes knechtisch-höfliche Wesen, welches bei uns die Würde des Mannes so oft entweiht.
Ein Sprung vom europäischen Ufer über den Ozean, ans amerikanische, macht, beim schnellen Wechsel der Welttheile, jenen Gegensatz der Sitte und Lebensweise ungemein fühlbar. Andern vielleicht scheint eine Beobachtung dieser Art unbedeutend; mir bedeutsamer aber, als die Beschreibung von Bildergallerien, Kunstkabineten und Bibliotheken, die wir Reisende gern besuchen. Es ist in den amerikanischen Städten durch alle Volksklassen eine gewisse Sittenfeinheit, ein Gefühl für das Anständige und Edle verbreitet, welches nicht aus Tanzmeisterlektionen, sondern aus dem Bewußtsein des eigenen Rechtes und der Achtung für fremdes stammt. Selbst die Einwanderer schleifen nach und nach die rohen Seiten ihres Betragens ab, welches sie von dem Stande oder der Kaste noch mitbrachten, der sie im andern Welttheil eingebürgert waren; das grobe Hochfahren des Adelmanns und Beamten, die stolze Leutseligkeit des Vornehmen gegen den Geringen, die Rang-Seligkeiten des spießbürgerischen Kleinstädters, die unbehilfliche Steifheit des Handwerkers, die unterthänige Kriecherei und patzige Frechheit der Herrendiener. Wo der Mensch als Mensch gilt, ist ächter Adel – Menschenadel daheim. Wer Freiheit und Recht hat, wie jeder, ehrt beides gern im Andern, um beides geehrt in sich zu bewahren.
Ein Mulatte, mit einem Nummerschild am Rocke, trug mein Gepäck in die Beaver-Street, wo ich bei einer Privatperson einkehren mußte, der ich schon durch einen Freund in Philadelphia empfohlen war. Die Gastlichkeit der Familie bedrückte mich fast. Eine Woche lang mußte ich bei ihr verweilen; dann aber bezog ich den schönen Gasthof Columbian-House.
Vor etwa 200 Jahren schickten die Holländer Ansiedler hieher, die bauten am Zusammenfluß des Hudson- und Ostflusses am Meere, auf der äussersten Morgenseite der Insel Manhattan, ihre Niederlassung New-Amsterdam; später empfing die Pflanzstätte den Namen New-Stockholm; und seit sie in Besitz der Engländer kam, hieß sie New-York. Die Insel ist etwa vier Wegstunden lang und eine halbe breit. Jetzt steht hier eine reiche blühende Stadt von 130,000 Einwohnern, die nach allen Welttheilen Handel treibt, für Wissenschaften und Künste mehr Anstalten, Gesellschaften, Sammlungen, Bibliotheken u. s. w. hat, als der Mehrtheil königlicher Hauptstädte in andern Welttheilen, und daneben eine ausserordentliche Menge Fabriken in thätiger Bewegung sieht.
Von der Batterie, deren ich schon erwähnte, hat man die Aussicht auf mehrere Inseln. Die größten sind Richmond oder Staaten-Island rechts und Long-Island links. Governor-, Ellis- und Gill-Island, worauf Vesten zur Vertheidigung der Bai angelegt sind, haben geringen Umfang. – In der Ferne, doch etwa nur einer Stunde, sieht man die Stadt Jersey, Hauptort vom Staate dieses Namens; noch eine schwedische Gründung. Die Höhen alle herum sind da mit Windmühlen bepflanzt, die ihre luftigen Flügel rührig herumtreiben.
Das Innere von New-York hat keinen so regelmäßigen Straßenbau, als Philadelphia. Die bald breiten, bald engen Kreuz- und Quer-Gassen europäern ein wenig. Doch eine Straße, wie der Broadway zu New-York, von solcher Breite, eine volle Stunde Wegs lang, die Fußgänge an den Seiten mit Pappelbäumen eingefaßt, links und rechts schöne Gebäude, prachtvolle und reiche Kaufmannsgewölbe – findet man in Europa nicht leicht. Das schönste Gebäu aber steht in der Mitte des Broadway, ganz von weißem Marmor, in großen, riesenhaften Parthien. Es ist das Rathhaus. Davor liegt ein öffentlicher Lustplatz, mit Geländern eingefaßt. Er heißt der Park, ist aber nur ein weitläuftiger, mit Gängen durchschnittener und von einigen Bäumen leichtbeschatteter Rasenplatz. Verschiedene Häuser haben Ebendächer und Balkone, die an lieblichen Sommerabenden gern benutzt werden, um der Aussicht auf den Hafen zu geniessen, der drei Viertel der ganzen Stadt begrenzt, und wohl der größte der Vereinstaaten ist. Ueberhaupt liegt New-York in einer äusserst anmuthigen Landschaft.
Man sieht hier nur wenige Neger, und die man sieht, sind frei. Zahlreicher werden sie in den südlichern Staaten gefunden, und wiewohl man sie auch dort schon sehr menschlich behandelt, rückt doch schon der bloße Gedanke an ihr Sklaventhum diese Unglücklichen zur dienstbaren Thierklasse nieder. Dieser Stand der Neger ist noch ein Nachlaß, eine Hefe von der Herrschaft der christlichen Europäer. Ach, man sollte sich doch bei uns zu Lande nicht brüsten mit Zivilisation und Christenthum, sollte nicht die Grausamkeit der Araber, Türken, Mauren, nicht die Barbareien des Orients stolz verdammen, so lange man noch nicht auf europäischen Schiffen den verruchten Menschenhandel abgethan hat! – In den Vereinstaaten ist jetzt wahrer Wetteifer, das Loos der Schwarzen zu verbessern, ihnen allmälig die volle Freiheit zu geben und sie zu vermenschlichen. Man weiß, die ersten wurden im Jahr 1503 in die neue Welt aus Afrika hinübergeschleppt. Jahrhunderte lang wurden diese beklagenswürdigen Mitmenschen wie Hausthiere behandelt; oft schlechter. Wie lange wird es dauern, ehe die moralischen Narben der Sklavenkette ganz verwachsen sind?
Die in Amerika gebornen Neger sind weniger schwarz, als die, welche unmittelbar aus Afrika kommen. Man behauptete mir, das Schwarz vermindere sich von Geschlechtsfolge zu Geschlechtsfolge.
Es ist möglich. Denn auch die Europäer in Amerika scheinen mir mit den Jahrhunderten ihre Farbe allmälig zu ändern. Ich glaubte ziemlich gut eingeborne Amerikaner von neuen Ansiedlern schon an Farbe, Bau und im ganzen Wesen unterscheiden zu können. Sie sind im Allgemeinen wohl geformt. Selten erblickt man einen Mißwuchs, wie man wohl in Europa oft genug sieht. Aber die Farbe ihres Gesichts hat nicht das Leben und die Frische, wie bei uns; die Stadtbewohner haben eine, ich möchte sagen kränklichblasse Haut; die Landbewohner sind freilich brauner, ohne darum frischer und farbiger zu sein. Die Gesichter sind gewöhnlich mehr länglich, als rund; und die Züge derselben, die meistens zusammengesetzter, als bei uns, sind, verrathen so wenig, als das übrige Aeussere der Gestalt, Gewerb und Beruf, die man in Europa so leicht bei den verschiedenen Volksklassen unterscheiden kann.
Eine zuvorkommende, edle Gastfreundlichkeit ist wohl die herrschendste Tugend unter den Amerikanern. Sie sind im Umgange gefällig, fein und offen. Man muß sie nicht nach dem rohen, leidenschaftlichen Ton ihrer zahllosen Zeitungen beurtheilen. Da treibt der politische Parteigeist sein freies und derbes Spiel. Aber das schadet niemandem; denn man kennt das Geklätsch und Treiben der Publizisten, und weiß, daß die, welche die zarten Verfädelungen der Diplomatik und Politik auseinanderschlichten wollen, dazu gern die gröbsten Finger gebrauchen.
Diese Sonderbarkeit dort ist, wie bei unsern europäischen Gelehrten, einheimisch. Bei uns zwar nicht überall in der Politik, aber doch in andern Fächern. Welche Klasse von Schriftstellern pudelt sich ungezogener und ungeschliffener vor dem Publikum herum, als die der Jugenderzieher, der Pädagogen und Philologen? Wer zeigt weniger die Wirkungen der Humanität, als die Klasse derer, die Humaniora treiben? Wer handelt wüthender und unchristlicher wider fremde Meinungen, als die Lehrer der Religion der Liebe? Wer schreibt besser über Landwirthschaft, als wer dadurch ökonomisch zu Grunde ging? Wer hat unphilosophischern Stolz, als die Philosophen?
Zwölf Stunden von New-York, am linken Hudson-Ufer, wohnte ein Oheim von mir, der sich schon vor vielen Jahren dort niedergelassen hatte. Ich nahm mir vor, ihn zu besuchen, und bestieg ein Fahrzeug von der Größe unserer größten Schiffe auf Seen und Flüssen, mit zwei Segeln, das heißt, einen Sloop. Dies Fahrzeug hatte ein Verdeck, wie andere Schiffe, und eine niedliche Cajüte. Meine Reisegefährten waren meistens Weiber und Mädchen, die zur Stadt gekommen waren, einzukaufen oder zu verkaufen. Obgleich in Amerika geboren, sprachen sie doch noch das Holländische, ihre Stamm-Landessprache, untereinander. Mehrere rauchten Tabak aus kurzen, irdenen Pfeifen. Das wunderliche Schauspiel dieser Schmaucherinnen, und der ernsthaften, nachdenklichen Geberden, die sie dazu machten, fing an mich zu belustigen.
Ein Landmann erklärte mir, das sei so Brauch bei den Holländerinnen; indessen bei den Mädchen käme jetzt das Rauchen ganz ab. Gegen Abend langten die Weiber ihre Körbe vor mit Speisevorrath gefüllt, und machten Thee. Eine der Frauen trank ihre Tasse voll aus, füllte sie dann wieder und bot sie mir. Ich mußte annehmen. Jede der Andern reichte mir nun noch von ihrem Vorrath, eingemachte Pfirsiche, Brödchen, Honig, Butter, Käse.
Nun gings ans Fragen: »Ißt man bei Euch in Europa auch dergleichen? Wie sind dort die Weiber? Ist das, was Ihr tragt, bei Euch Landestracht? Sehen die Männer alle so munter bei Euch aus? Wie kleiden sich die Frauen?« – Eine sagte: »Ihr seid ein kräftiger, starker Mann, und werdet ein guter Landbauer werden.« Nach dieser Bemerkung über mein Körperliches rückte sie stockend mit der zarttastenden Neugier aus: ob ich verheirathet sei? – Als ich mit Nein antwortete, war sie ausser sich vor Erstaunen; »Was?« rief sie lebhaft: »Muß man denn bei Euch so spät heirathen?«
Wir kamen spät nach Tapan. Der Oheim wohnte noch eine Stunde Wegs weiter. Ein hablicher Landmann, der desselben Wegs fuhr, erbot sich, mich in seinem Wagen mit dahin zu nehmen. Ich setzte mich in seinen »Gig«, den zwei brave Rosse zogen, und ein schwarzer Diener führte. – Unterwegs gaukelten die Flämmlein unzähliger Irrwische zu allen Seiten, über vermuthlich sumpfigen Wiesen, als wollten sie mit den Gestirnen des Himmels über sich wetteifern.
Der Oheim war sehr überrascht, plötzlich einen europäischen Neffen um Mitternacht erscheinen zu sehen. Er erquickte diesen indessen gastfreundlich mit Speis' und Trank und gutem Nachtlager und sparte die Fragen einer verzeihlichen Neugier dem folgenden Tage auf.
Der Aufenthalt hier war für mich, wenn gleich kurz, doch belehrend, und, einen Unfall abgerechnet, angenehm. Ich wurde in die Bekanntschaft aller Nachbarn eingeführt; auch in die Familie dessen, der mich von Tapan hierher gebracht hatte. Als wir diesem einen Besuch machen wollten, gab man mir ein Reitpferd. Ich hatte es aber kaum bestiegen, gebehrdete es sich so wild, schlug aus, bäumte sich, daß ich zehn Schritte weit aus dem Sattel flog und drei Stunden ohne Besinnung, doch ohne weitern Schaden, blieb, als daß ich einige Tage lang Rippenschmerz fühlte. Ich machte nun meine Besuche zu Fuß.
Als ich zu meinem obenerwähnten nächtlichen Fuhrmann kam, stellte er mir seine Frau, seine Mutter und seine Großmutter und seine Urgroßmutter vor. Letztere mochte etwa hundert Jahre alt sein, und sprach, als geborne Holländerin, nur holländisch. Vater und Sohn waren in dieser Familie die einzigen männlichen Geschlechts. Bei Tische setzten sich die beiden alten Frauen. Die beiden jüngern standen hinter den Stühlen ihrer Mütter, um sie zu bedienen. Das feinste Tischzeug von schneeweißem Linnen und glänzendes Silbergeschirr deckte die Tafel.
Ich fühlte mich in dieser patriarchalischen Familie sehr glücklich. Der größte Theil des Tages verfloß unter Gesprächen über den Unterschied der alten und neuen Welt.
Es wird gewöhnlich den Amerikanern schwer zu fassen, daß wir Europäer das Vernünftige, Naturgemäße und Volksbeglückende ihrer Verfassungen, Gesetze und Einrichtungen anerkennen, und doch bei uns an das Beengende und Zwängende des oft zweckwidrigen, verderblichen Herkommens und Erbes aus den Zeiten mittelalterischer Barbarei festhalten. Europa, wenn es sich plötzlich der alten Einrichtungen und Gewohnheiten entledigen wollte, würde in ein hundertjähriges, namenloses Elend versinken und sich doch nicht der tausendjährigen Banden ganz entstricken können. Eine allgemeine, gewaltsame Umgestaltung der Verfassungen, Gesetze und Sitten würde eine allgemeine, gewaltsame Verheerung alles öffentlichen und häuslichen Glücks, eine Hemmung des ruhigen Fortschreitens zur Vollendung, ja eine Verwilderung der Sitten und Lebensansichten werden, und doch zuletzt, nach Erschöpfung aller Kräfte, von zweifelhaftem Ausgang sein. Wer kennt die Wege der Leidenschaften? – Sie lassen sich nicht vorher berechnen, gleich den Wegen der Vernunft.
Nordamerika dankt seine Vorzüge der gesellschaftlichen Ordnung eigentlich keiner Revolution. Die sogenannte amerikanische Revolution war ein Kampf für Unabhängigkeit gegen drückende Ministerialwillkühren, Regierungsunbesonnenheiten und Handelsdespotismus, und half nachher zur Gestaltung des Bessern als erleichterndes Mittel. Amerika dankt jene Vorzüge der Eigenthümlichkeit seines Werdens. Hier schuf kein altes Volk sich einen neuen Staat; nein, hier entsprang in weiten, fruchtbaren Einsamkeiten ein neues Volk, das sich den Staat und die Gesetzgebung, bereichert mit den Gedanken der Weisen des achtzehnten Jahrhunderts und aller Jahrhunderte, getrieben vom tiefgefühlten Bedürfniß des Zeitalters, unbeengt durch bestehende positive Rechte Anderer, nach Einsichten und Umständen beliebig bilden konnte. Es würde vielmehr ein ewiger Schimpf für den Verstand der Amerikaner geblieben sein, wenn sie ohne alle Noth das bei sich aufgenommen hätten, was sie bei alten Völkern Verwerfliches gefunden.
Nun ist es zwar richtig, daß unter den gebildeten Nationen Europens die Erkenntniß und das Bedürfniß dessen, was und wie es sein sollte, im Widerspruch steht mit dem, was wirklich vorhanden ist und gilt. Dieser Widerspruch erregt Mißmuth und Kampf. Aber das scheint mir eben der richtige, naturgemäße Gang der Menschheit zu ihrer Veredelung. Vernunft und Leidenschaft begegnen sich feindselig. Im Streit um Verbesserungen der bürgerlichen Gesellschaft mag die Partei derer, die aus Unwissenheit, oder Schüchternheit, oder Eigennutz das Schlechtere festhalten, durch Macht, Reichthum, Stellung und Volksvorurtheil die überwiegende sein; aber sie wird unmerklich geschwächt und besiegt, weil sie, eben durch ihren Kampf, wider Willen, die Erkenntniß des Bessern ausbreiten hilft. So schreitet die europäische Menschheit allmälig zum Bessern vor, ohne es zu ahnen. Hundert Wahrheiten, sonst als Ketzereien verdammt, sind jetzt Alltagsgedanken der Priester und Edelleute, und sie selbst erstaunen über die Verkehrtheit und Unmenschlichkeit der Alten, die das Gegentheil behaupten konnten.
Da ich nach Newyork zurückgekehrt war, hatte sich unterdessen in dieser Stadt die Gesandtschaft von sechs indianischen Stämmen eingefunden, die an den Quellen des Missisippi und an den Westküsten Amerika's wohnen. Die Gesandtschaft bestand aus vierundzwanzig Häuptern der Stämme, nebst vier Weibern und zwei kleinen Kindern. Sie waren, nur um bis zur Vereinigung des Ohio mit dem Missisippi zu gelangen, sechs Monate unterwegs gewesen. Dort hatte man sie in Dampfboote aufgenommen und wieder stromaufwärts bis Pittsburg geführt. Von Pittsburg waren sie in Wagen nach Washington gebracht, wo sie vom Präsidenten der Vereinstaaten mit Auszeichnung empfangen wurden. Mit Hilfe von vier Dollmetschern, die unter ihnen gewohnt hatten, ward mit ihnen ein Bundesvertrag abgeschlossen. Um ihnen eine Vorstellung von höherer Landesgesittung zu geben, ließ der Präsident diese Männer der Wildniß, begleitet von zwei Gliedern der Regierung, durch die vornehmsten Städte des Landes reisen. Sie kamen durch Baltimore und Philadelphia nach Newyork.
Hier gab man ihnen auf der Batterie ein Fest. An Wein, Branntewein und Leckereien durft' es nicht fehlen. Eine ausgewählte Musik spielte den ganzen Abend. Ein Feuerwerk beschloß das Tagwerk.
Ich begegnete ihnen unter einem Haufen Neugieriger beim Eintritt des Lustgangs der Batterie. In demselben Augenblick liessen sich die ersten Töne der Musik hören. Auf der Stelle erhoben diese Gesandten ihrerseits einen Fest- oder Kriegsgesang, mit solcher Macht, daß sie fast den Odem darüber verloren. Sie begannen und endeten ihr Geheul immer mit einem Laut, der wie Hu! oder Kohu! klang, daß den Hörern in der Nähe davon die Ohren gellten. Der Gesang selbst hatte eine Art Melodie. In verschiedenen Zeiträumen fuhren sich die Sänger dabei, und alle zugleich, mit der Hand über den Mund. Ihr Gebrüll hatte etwas Furchtbares. Dabei waren ihre Geberden und Leibesbewegungen mit den Streitäxten in den Fäusten so drohend und schrecklich, daß Jeder, der diese ihre Artigkeiten zum ersten Mal sah, jeden Augenblick fürchtete, die Erde mit Blut und verstümmelten Menschen bedeckt zu sehen.
Um einen Schelling erhielt ich Erlaubniß, in die Batterie einzutreten. Da war ein runder Tisch, rings mit Stühlen, für sie bereitet. Vier- bis fünfhundert neugieriger Zuschauer bildeten einen Kreis.
Als sich die Wilden gesetzt hatten, war ihr erstes Geschäft, die brennenden Kerzen auszulöschen. Man bat sie, es nicht zu thun; reichte ihnen gefüllte Gläser zum Trinken, und bot nun dem Obersten der Gesandtschaft eine von den Schüsseln dar, sich selber davon zu bedienen. Er legte den Schurz, den er um die Hüften trug, über die Knie auseinander, leerte die Schüssel darein aus und gab sie wieder zurück. Von nun an hütete man sich wohl, Jedem die gefüllte Schüssel darzubieten, sondern gab jedem Einzelnen seinen Theil davon. Die Gäste hörten essend immer der Musik aufmerksam zu. Als nach dem Schluß derselben alle Zuschauer freudig mit den Händen Beifall klatschten, wurden die Indianer gleich beim ersten Klatschen unruhig, sahen sich unter einander an und fuhren mit den Fäusten nach den Streitäxten. Ihre Furcht verlor sich, als die Musik wieder begann; und da sie schloß, erhoben sie zum Zeichen ihrer Zufriedenheit ein gar entsetzliches Geschrei.
Man ließ endlich das Feuerwerk aufsteigen, was ihnen eine angenehme Verwunderung zu erregen schien, und um acht Uhr zogen sie sich zurück. Beim Heimgehen war ich dem Zuge dieser Gesandten sehr nahe gekommen. Einer dieser Naturmenschen, neben welchem ich zufällig ging, betrachtete mich seitwärts so neugierig, wie ich ihn. Ich bot ihm lächelnd die Hand dar; er schüttelte sie mir treuherzig. Sein Haupthaar war, wie meistens auch bei den übrigen, zur Hälfte weggeschoren, und der Schopfbüschel mit buntfarbigen Federn ausgeschmückt; andere trugen die Haare lang, bis auf die Achseln niederfallend; in der Nase Metallringe; die Arme und den ganzen Oberleib unbedeckt, eben so die Beine. Einigen hing ein Wildthierfell von der Schulter herab.
Es waren wohlgebaute, starkgemuskelte Leute, ungefähr sechs Schuh groß, von schmutzig rother Hautfarbe, die durch das Beschmieren mit Fett und rother Erdfarbe noch schmutziger geworden war. Einige von ihnen hatten Tatowirungen. Ihr Gang war ganz eigen. Es kam mir vor, als hätten sie ihn bei den Wanderungen auf dem Boden ihrer Urwälder zur Gewohnheit angenommen. Stets haben sie die Augen vor sich nieder auf die Erde geheftet; so gehen sie, ohne rechts noch links umherzuschauen. Die Weiber, etwas kleiner und in Felle gehüllt, schienen sehr furchtsam zu sein. In der ihnen angewiesenen Wohnung wollten sie sich nie von einander trennen lassen. Sie schliefen alle beisammen.
Sie sind nachher mit Dampfschiffen auf dem Hudsonfluß und über die großen Seen in ihre Heimath zurückgekehrt. Als zu Albany eins ihrer Häupter starb, legten sie seinen Leichnam in einen doppelten Kasten und nahmen ihn mit sich.
Die amerikanischen Zeitungen enthielten die Namen dieser Gesandten, mit der Uebersetzung. Ich füge sie hier bei. Sie sind alle bezeichnend: Ganzgift, Wind, hockender Adler, Fuchswach, Wolkenaufgang, Matt-Auge, Sperling im Gehen jagend, Löffel, Büffel, fliegendes Täubchen, Bär brüllend daß Felsen zittern, weißnasiger Fuchs, Fuchssprung linksum, geduckter Fuchs, Sonne, Weißnebel, krausgeschwänzter Fuchs, Starkläufer, Donnerschnell.
Leider mußte ich mich stets daran erinnern, daß ich nur zum Besuch in Amerika sei. Ich hatte noch so viel zu sehen und genoß so angenehme Tage. Ich war durch Empfehlung in eins der ersten Häuser in Newyork eingeführt. Das Haupt der Familie, der Vater, wohnte auf einem Landgut am Ufer des Rariton. Ich ward auch dort mit großem Wohlwollen aufgenommen. Der alte Herr führte mich unter andern in seine Bibliothek und rollte da einen Haufen Pergamente und Karten auf, um mir Titel und Umfang seiner gesammten Länderbesitzungen zu zeigen. Demzufolge besaß er einen ungeheuern Flächenraum Landes, der zusammen beinah soviel an Größe betrug, als etwa ein kleines deutsches Königreich. Er bat mich, wenn ich durch Virginien käme, einige seiner Besitzungen zu besuchen und besonders ihm Schweizer zum Anbau zu verschaffen.
Sein weitläuftiges Wohngebäu auf dem Landgut, eine Viertelstunde von der Amboy-Bay, zählt achtzig Gemächer und beherrscht eine der reizendsten Aussichten. Zwei seiner Söhne führen in Newyork eine der ersten Großhandlungen. Sie besitzen zwei Züge Schiffe, von denen der eine regelmäßig nach Livorno, der andere nach Ostindien die Fahrt macht. Ein dritter Sohn hat sich der Verbreitung des Evangeliums unter den Heiden gewidmet und ist schon seit vielen Jahren Missionär. Er verschmäht den bequemen Genuß eines großen Reichthums und duldet mit apostolischem Muthe die größten Entbehrungen, um durch die unwirthbaren Einöden der Wilden die Saat christlicher Gesittung auszustreuen.
Kein Monarch Europens kann sich rühmen, einen glänzendern und größern Triumphzug gefeiert zu haben, von den Völkern mit höhern Ehren begrüßt worden zu sein – selbst Napoleon nicht, wenn er die bezwungene Welt durchreisete –, als General Lafayette, der Mitstifter amerikanischer Unabhängigkeit, da er das Vaterland seines Ruhmes zum letzten Male sah.
Ungeboten, ja unaufgefordert rüstete sich Alles, den edeln und geliebten Gast zu empfangen. Arm und Reich ward für ihn thätig. Die ganze Nation wollte ihn empfangen, ihn sehen, ihn segnen. Was sind daneben die kalten Feierlichkeiten, mit welchen prunklustigen Großen der andern Welttheile, unter steten Einmischungen der Polizei, geschmeichelt und gehuldigt werden muß! Wie der greise Lafayette diese Reihe von rührenden Auftritten und geräusch- und prachtvollen Festen ohne Zerstörung seiner Gesundheit ertragen konnte, bleibt mir noch immer unbegreiflich.
Und dieser große Edelmann, als er wieder in sein Geburts- und Vaterland Frankreich zurückkehrte, wo er der Gegenstand des Hasses oder Widerwillens des Hofes, der Minister, der Großen und ihrer Diener und Beamten war – wie anders mußte ihm da Alles erscheinen! Ein Welttheil bringt ihm Verwünschungen für dieselben Gesinnungen, derentwillen ihm ein anderer dankbar den unsterblichen Lorbeer reichte. Die Nachwelt wird strenges Gericht über die Menschen unserer Tage halten.
Gern wäre ich Zeuge von Lafayettens Empfang in Newyork gewesen, wo schon große Zubereitungen veranstaltet wurden. Da sich seine Ankunft aber von Tag zu Tag verzögerte, wollte ich nicht länger verweilen und bestieg ein Dampfschiff, welches nach Albany ging.
Täglich fahren drei Dampfboote von Newyork dahin, die auf dem Hudson binnen achtzehn bis vierundzwanzig Stunden die fünfzig Wegstunden lange Strecke bis Albany zurücklegen. Diese Boote, welche zu den größten der Vereinstaaten gehören, gehen nicht über Albany hinaus, sondern werden von minder großen abgelöset, die dann den Hudson hinauf durch den Georgs- und Champlainsee auf dem Lorenzenstrom nach Canada gehen. Der Hudson, oder Northriver, wie er auch heißt, und bei New-York, wo er sich ins Meer ausmündet, drei Viertelstunden, bei Albany beinah noch eine kleine halbe Stunde breit ist, bildet sich eigentlich in seiner Größe erst durch die einfallenden Gewässer des Sacondaga und Mohawk. Seine Ufer sind an einigen Orten sehr schroff, von weißgrauen Kalkfelsen, mit Tannen und Eichen besäumt. Von Zeit zu Zeit erscheinen artige Landhäuser, Bauerhöfe und kleine Ortschaften auf fruchtbarem Gefilde.
Weil ich immer auf dem Verdeck geblieben war, hatte ich nicht bemerkt, wie große Gesellschaft sich mit mir auf dem Boote befand. Es waren hundert und achtzig Reisende. Frauenzimmer und Herren hatten ihre besondern Säle; wer mit jenen speisen wollte, mußte, mit Angabe seines Namens, beim Kapitän um Erlaubniß bitten. Er führte mich also in ihren Saal. Man setzte sich in bunter Reihe an zwei langen Tafeln zum Frühstück, welches mit ausgewählten Platten versorgt war. Auch hier schien weniger eine vom Zufall zusammengeführte Reisegesellschaft, als eine Versammlung eingeladener Gäste beisammen zu sein; so sorgfältig und anständig war der Anzug Aller, so gesellig, fein und ungebunden war die gegenseitige Unterhaltung.
Wir kamen am Städtchen Orange-Town, dreizehn Stunden von Newyork, dann fünf Stunden weiter bei West-Point vorbei, wo das vorzüglichste Kollegium für die Jugend der Vereinstaaten ist. Unter den hiesigen Zöglingen befinden sich auch zweihundert und fünfzig meistens Söhne von Wittwen, oder von Militärpersonen, die den letzten Krieg mitgemacht hatten. Sie werden hier für den Land- und Seedienst der Vereinstaaten auf öffentliche Kosten erzogen.
Der Hudson wimmelt von Sloops und Fahrzeugen, die sich nur mit dem Winde, oder der Fluth und Ebbe fortbewegen, welche noch über dreißig Stunden von der Flußmündung spürbar ist. Man sagte mir, es wären täglich wohl bei zweitausend solcher Sloops auf dem Hudson thätig.
Die drei größten Dampfboote dieses Flusses waren damals der Chancellor Levington von achtzig Pferdestärken, und geräumig genug, um fünfhundert Reisende bequem zu halten; der Richmond zu siebenzig Pferdestärken, für vierhundert Reisende; und der Kent von sechszig Pferdestärken, der dreihundert Reisende aufnehmen konnte. Alle diese Fahrzeuge sind in verschiedene Gemächer getheilt. Das schönste derselben ist für die Frauenzimmer, und zwar als ihr ausschließlich eigenes, bestimmt; das nachschönste ist für sie und für die jungen Männer, denen der Kapitän Zutritt gestattet. Zwei andere, größere Säle sind einzig für Männer. Alle diese Zimmer sind, wie auf andern Schiffen, seitwärts mit Betten versehen, von denen stets eins über ein anderes angebracht und mit Umhängen, einen auswärts gehenden Bogen bildend, verdeckt sind.
In der Schiffsmitte und zur Seite befinden sich noch kleine Gemächer zu besonderm Zweck, z. B. ein Badstübchen, ein Lesezimmer mit den Werken amerikanischer und britischer Schriftsteller; die Küchen, die Gemächer der Schiffsmannschaft, der Mechaniker, Matrosen, Köche, Mägde und Bedienten, deren zusammen etwa zwanzig Personen sind.
Des Nachts verbreiten große Hängeleuchter die möglichste Heiterkeit rings ums Schiff und warnen die Sloops schon von Weitem, auszuweichen. – Die Seitenräder haben zweiunddreißig Schuh im Durchmesser, und geben dem Schiffe die Geschwindigkeit, binnen einer Stunde Zeit stromauf zwei Wegstunden, und stromab drei Wegstunden zurückzulegen.
Das Ausschiffen und Aufnehmen von Reisenden unterwegs raubt wenig Zeit. Die Schiffsglocke ruft an. Ein am Aussenbord hangender Nachen, groß genug, acht Personen zu fassen, wird schnell ins Wasser gelassen. Die Reisenden steigen bequem auf einer eisernen Geländerstiege vom Schiff ein. Zwei Ruderer bringen den Nachen schnell ans Ufer, während der Matrose am Steuer hinten ein Seil, das am Dampfboot befestigt ist, allmälig abrollen läßt. Aus- und Einladen des Nachens am Ufer ist Sache weniger Minuten. Der Pilot gibt dem Dampfschiff ein Zeichen; sogleich setzt sich dort durch den Mechanismus ein Zylinder in Bewegung, der das Seil des Nachens aufrollt und diesen an sich zieht.
Es war an einem schönen Sonntagsmorgen um fünf Uhr (15. Aug.), als wir vor dem Städtchen Hudson anlangten. Es stellt sich dem Auge gar freundlich dar. Es mag drei- bis viertausend Einwohner haben. Von Zeit zu Zeit tönten den ganzen Vormittag die Kirchenglocken über die Landschaft, welche die Bewohner der umherliegenden Höfe zur Andacht riefen. Um eilf Uhr Morgens kamen wir endlich zu Albany an.
Diese Stadt zählt jetzt vierzehntausend Bewohner und ist ganz in Art und Weise der übrigen neuen Städte Amerika's gebaut. Albany's Handelsverkehr ist sehr bedeutend, weil sich hier der Stapelplatz aller Erzeugnisse vom Norden des Newyorker Staates bis Canada befindet, besonders seit dem Bau des herrlichen Kanals, der vom Hudson bei Albany bis zum Erie-See läuft.
Dies Meisterstück der Kunst und des amerikanischen Gemeingeistes verdient gekannt zu sein. Man denke sich, daß dieser Kanal hundert und zehn Stunden lang ist; daß man über demselben fünfhundert und sechsundfünfzig hölzerne Brücken zählt, und siebenundvierzig Schleusen, jede sieben Schuh höher (denn dies ist der Fall vom Eriesee bis zum Hudsonufer); man denke sich, daß mehrere Leitungen angebracht sind, die das Wasser über Sümpfe und kleine Seen führen (die größte bei Rochester, mehr denn sechsundsechszig Stunden von Albany, ganz von Stein, mit einer Seitenstraße für die Rosse, um die Schiffe zu ziehen) – man denke sich diesen großen, festen Bau des Ganzen, und dann – daß das Alles in Zeit von zwei Jahren vollendet ward.
Ich verweilte in Albany nicht lange; begnügte mich mit einer Besichtigung des Innern der Stadt, nahm einen Reisewagen, übernachtete in Skenectady und befand mich andern Morgens in den berühmten Bädern von Saratoga.
Ein junger, gebildeter, sehr unterrichteter Quaker war mein Reisegefährte bis hierher gewesen. Wir gewannen einander lieb und blieben in Saratoga beständig beisammen. Alle Religionen und alle Kirchpartheien haben ihren heiligen Grund und sind wahrlich in ihrem Wesentlichen und Göttlichen nicht so sehr von einander verschieden, als die Menschen in denselben, welche aus Religion und Kirche Werkzeuge ihrer Selbstsucht, ihres Hochmuths, ihrer Milzsüchtigkeit machen und die dummgläubige Unwissenheit Anderer fanatisiren und leiten.
Die Umgegenden von Saratoga schienen mir gar wild. Die Stadt selbst besteht nur aus einer einzigen, sehr breiten aber noch ungepflasterten Straße. Baumstöcke, die hin und wieder mit Wurzelstöcken über einander liegen, deuten an, vor wie weniger Zeit noch der Platz, wo der Ort aufgebaut ist, ein finsterer Wald gewesen, den die Bären bewohnten, die auch jetzt noch oft in der Nachbarschaft sichtbar sind.
Jäger entdeckten vor etwa zehn Jahren zuerst hier die Mineralquellen. Erst seit vier Jahren baute man die prächtigen, pallastartigen Gasthäuser auf, deren nun schon zehn vorhanden sind. Das vornehmste derselben ist ohne Zweifel Congreß-Hall; dann folgen Union-Hall, United-Staten-Hall und der Pavillon. Die Anzahl der Kurgäste, welche sich bei meiner Ankunft hier befand, betrug 1230 Personen, Leute aus allen Staaten des Vereins und Südamerika's, auch einige Europäer.
Der Heilquellen sollen um Saratoga bei zwanzig sein. Begleiter von meinem Freunde, dem Quäker, besucht' ich und kostete ich mehrere. Man bemerkte uns jedesmal, bei welcher die Kur begonnen, bei welcher sie beendet werden müsse. Einige lauwarme Quellen hatten den Geschmack von denen zu Baden im Kanton Aargau; andere glichen dem Selterserwasser; die Quelle von Balston, zwei Stunden von Saratoga, hatte die größte Aehnlichkeit mit der vom Schwarzbrünnli bei Gurnigel im Kanton Bern.
Nur wenige Gäste baden; die meisten begnügen sich mit Trinken des Wassers. Des Morgens sieht man in dieser werdenden Stadt Alles von Gehenden und Kommenden belebt. An jeder Quelle stehen ein paar Kinder, die mit einem Stabe, an dessen Ende drei Gläser in eisernen Reifen oder Käfigen hängen, das Wasser schöpfen und den sie umringenden Trinkern bieten.
Unter den Trinkern befand sich auch der ehemalige König von Spanien, Joseph Bonaparte. Er scheint sich als freier harmloser Bewohner eines Freistaats weit glücklicher zu fühlen, denn vor Zeiten im königlichen Glanz. Er, von etwas mehr als mittlerer Stärke, hat ein volles, ausdrucksreiches Gesicht und angenehmere, freundlichere Züge, als sein Bruder, der große Napoleon.
Noch ist in Saratoga nur Alles erste, rohe Anlage; Sorge für das dringendste Bedürfniß. Noch fehlt es selbst an Lustgängen für die Gäste. Die Umgegend hat indessen viel Anmuth, obgleich sie von Wäldern und kleinen Hügeln umringt ist. Auf einem dieser Hügel, nicht weit vom Orte, hat man eine Aussicht bis zum St. Georgensee.
Dennoch fehlt es in dieser Gegend, wo sonst die Wilden, vom Stamm der Irokesen, hauseten, wo man in den nahen Waldungen noch die Ueberbleibsel ihrer zahlreichen Befestigungen, ihrer Gräber u. s. w. erblickt, nicht an Mitteln des geselligen oder einsamen Genusses. – In einem Lesesaal fand ich die Werke der besten amerikanischen und englischen Gelehrten, und bei hundert verschiedene Zeitungen aus allen Staaten des Vereins. Der Saal war von stillen Lesern angefüllt. Ueber demselben ist ein anderer Saal, in welchem man Liebhabern eine Sammlung von Mineralien und andern Naturmerkwürdigkeiten, oder Kunsterzeugnissen der Indianer vorzeigt, die man in den Umgegenden gefunden hat.
Auch Schauspiel fand sich. Eine Gesellschaft kommt zu gewissen Zeiten von Newyork hierher und giebt ihre Vorstellungen. Ich hatte sie schon in Newyork gesehen und sehr mittelmäßig gefunden. In Congreß-Hall gab es, durch Unterschriften, Abends einen Ball. Man walzt in Amerika wenig; desto mehr sind Quadrillen beliebt und eine Art Hopser.
In Skenectady, wo ich einen Preussen mit seiner Gemahlin fand, der von St. Thomas kam, wo er Consul war, und nach Saratoga reisete, bestieg ich ein langes, bedecktes Schiff, um den großen Kanal hinauf zu fahren. Zwei Jagdhörner gaben das Zeichen zur Abreise; sie waren es auch, welche den Schleusenwächtern die Ankunft des Schiffes verkündeten, so wie den beiden Zugpferden, die alle zwei und eine halbe Stunde gewechselt wurden, da sie in dieser Zeit im scharfen Trott fünf Wegstunden zurückgelegt hatten. – Der Uebergang von einer Schleuse in die andere ist Geschäft von zwei Minuten. In vierundzwanzig Stunden hatten wir vierzig Wegstunden gemacht.
Bei Utica, einem Städtchen von zweitausend Seelen, am Ufer des Mohawkflusses, hielten wir an. Der Kanal geht über diesen sich viel schlängelnden Strom mehrmals hinüber, oft zwanzig Schuh mit der Wasserleitung über der Oberfläche des Flusses. Und immer ist dabei seitwärts doch Raum zu einem Weg für die Rosse gespart, die das Schiff ziehen.
Wir waren unserer sechsunddreißig Reisende auf dem Fahrzeuge. Von der Gegend war selten viel zu sehen, der Kanal schneidet meistens schnurgrade durch Thäler und unermeßliche Waldungen. Hier ist noch der Boden in uralter Wildniß; wenig bevölkert. In der Nähe des kleinen Fleckens Frankfurt hörten wir das Tosen eines Wasserfalles, der ziemlich beträchtlich sein soll.
Aber diese Einöden werden durch die Nähe des Kanals bald lebendig und urbar werden. Schon jetzt wird die Stadt Utica blühend. An einer Seite derselben, wo vor Kurzem noch der finstere Rest eines Waldes verschont stand, ist jetzt ein breites Wasserbecken gebaut, in welchem zierliche Schiffe, beladen mit Waaren und Menschen, landen. Täglich brachten in den Monaten Juli und August, der Zeitung von Utica zu Folge, zwei Schiffe fünfzig bis sechszig Reisende, von denen die mehrsten nach dem Erie- und Ontario-See gingen. Nicht so zahlreich, wie ich nachher aus der Newyorker Zeitung ersah, sind die Reisenden im Spätjahr. Hingegen der Waarenverkehr zeigte sich noch im Oktober 1824 so lebhaft, wie im August, da ich selbst in Utika war.*)
*) Es kann Liebhabern der Statistik vielleicht lieb sein, zu erfahren, welche Arten Waaren vorzüglich nach Utica gebracht wurden. In einem Jahrzehend ist's gewiß anders; aber dann könnte es noch geschichtlich anziehend werden. Ich will also das Verzeichniß der in Utica während der ersten Oktoberwoche 1824 eingeführten Waaren hersetzen, wie ich dasselbe in mein Reisetaschenbuch aus der Newyorker Zeitung damals eintrug.
Die in erwähnter Woche zu Utica eingelaufenen 127 Fahrzeuge führten: 3310 Faß Mehl, das Faß zu 6 Scheffel; 1686 Faß Salz; 315 Faß Lebensmittel; 460 Faß Asche; 6300 Scheffel Getreide; 130 Scheffel Leinsamen; 763 Scheffel Pfirsiche zum Destilliren; 9094 Gallonen Whisky (Kornbranntwein, der Gallon hält 2 Maas); 105,844 Fuß Brett- und Zimmerholz; 10,000 Latten- und Schindelbünde; 158 Zentner Speck und Butter; 323 Tonnen Gyps; 500 Tonnen anderes Material; 27 Tonnen Käse; 30 Tonnen Hopfen; 953 Kisten Glaswaaren; 19 Zentner Sämereien; 91 Tonnen Porzellanthon; 15 Kisten Kleider; 3 Kisten rohe Häute; 3 Tonnen Gänsefedern. Ausserdem viele andere Kleinigkeiten.
Ich stieg mit acht andern Reisenden, die ebenfalls den großen Fall des Niagarastromes besuchen wollten, in die Postkutsche. Denn bei der Fahrt auf dem Schiffe, das Tag und Nacht geht, verlor ich zu viel Gelegenheit, das Land, das ich durchreisete, zu sehen. Die Postkutsche macht täglich zwanzig Stunden Weges, fährt bei Tagesanbruch ab, und kehrt bei nächtlicher Dunkelheit ein. Ein anderer Reisewagen, der eine halbe Stunde nach uns von Utica abging, holte uns zu Oneida ein, wo wir dar Frühstück nahmen.
Kaum waren wir eine Strecke hinter Oneida, ward ich durch etwas überrascht, was in Europa, wo vortreffliche Polizei herrscht, keinen Reisenden überrascht, und schwerlich als Merkwürdigkeit in eine Reisebeschreibung aufgenommen wird. Ich aber will's gern hier eintragen.
So weit ich bisher in Amerika gekommen bin, hatte ich keine Straßenbettler gefunden. Hier liefen uns die ersten Bettelbuben nach. Es waren kleine Indianer. Bald auch kamen wir durch das Dorf der Wilden. Es bestand aus den erbärmlichsten Hütten, die hie und da im Wald, oder auf schlecht angebautem Erdreich herumlagen. Links von unserm Weg sah ich einen artigen grünen Rasenplatz von alten Bäumen überschattet. Dort, sagte man mir, pflegen die Häupter der Wilden ihre Rathsversammlungen zu halten.
Die hiesigen Indianer waren vom Stamm Cayagua, und nicht von der schönen Art. Sie hatten runde Gesichter, langgeschlitzte Augen, dicke Nasen, lange auf die Schultern niederhängende Haare, und elende Lumpen um die Hälfte ihres schmutzigen, gelben Leibes gewickelt. Das waren nicht mehr die kecken, kräftigen Gestalten, die ich in Newyork bewundert hatte.
Das Land wurde, je weiter wir kamen, wilder, und mit Ausnahme einzelner Ortschaften, weniger bevölkert. Selten sah man Häuser von Backsteinen, sondern nur von leichtbehauenen Baumstämmen, sogenannte Blockhäuser. Sie sind leicht und wohlfeil zu erbauen.
Ein junges Ehepaar, das sich als Pflanzer in den neuen Staaten ansiedeln will, hat oft, statt alles Vermögens, nichts als ein oder zwei Rosse, ein wenig Linnenzeug im Bündel und hundert Dollars Münze im Geldbeutel. Damit wandert es in die Einsamkeit und wählt sich eine Gegend, einen Boden, wie er ihm eben zusagt. Es hat an fünfzig Morgen Landes genug; zahlt den Morgen mit einem bis zwei Dollar zum Theil baar, zum Theil verzinset es das Uebrige mit sechs Prozent. Dann werden die nächsten Nachbarn, die oft drei und vier Stunden Wegs entfernt wohnen, besucht und vom Tag benachrichtigt, wenns an Erbauung des Hauses gehen soll. Am bestimmten Tag kommen alle Nachbarn mit ihren Pferden, Ochsen, Aexten, Beilen u. s. w. um Holz zu führen; bringen auch Sämereien mit und Vorräthe von Lebensmitteln zum Geschenk für die neuen Pflanzer. – Dann werden die Baumstämme gefällt, entastet; an ihren beiden Enden mit Einschnitten und Zapfen zum Zusammenfugen versehen, und auf einander gelegt, wie wenns einen großen Käfig geben sollte. Allfällige Lücken zwischen den Balken füllt man mit Steinen, Moos und Erde aus. Ehe der Tag ganz zu Ende ist, steht die Wohnung schon fertig. Dann werden die Eingeladenen noch mit Speise und Trank bewirthet, und ihre Zahl ist immer ziemlich groß; und jeglicher kehrt zu den Seinen zurück, oder wohnt er allzu entfernt, nimmt er unterwegs beim ersten besten Pflanzer dessen Gastfreundschaft in Anspruch, die herzlich gern bewilligt wird.
Ist der junge Pflanzer irgend rührig und arbeitsam auf dem neuen Gute: so ist er am Ende von zwei bis drei Jahren schon im Stande, eine Wohnung von Backsteinen aufzuführen. Auch das wieder ist nicht so gar köstlich. Denn zu dem Behuf gibt es Ziegelbrenner, die von einem Ort zum andern wandern. Auf dem Bauplatz selbst legen sie ihre Werkstatt an, kneten, formen und brennen die Backsteine, die sie zu vier bis sechs Dollars das Tausend liefern. Die neuen Häuser sind dann ein Stockwerk hoch, mit zwei bis vier Fenstern in der Breite. Zu einem Gebäu von drei Fenstern vorn gehören vierzigtausend Steine. In Städten haben diese Steinhäuser auch einen Anstrich von aussen, und die Dachung ist mit Schiefer gedeckt.
Jenseits des indianischen Dorfes sieht man von einer kleinen Höhe den ganzen Oneida-See, und bis zum Ontario-See, der an den Horizont grenzt. Wir kamen durch zwei Städtchen, Manlieus und Odanagua; zwischen beiden dehnte sich zu unserer Rechten ein See aus, acht Stunden lang, ungefähr eine Stunde breit, an dessen gegenüberliegendem Ufer wieder die Häuser von zwei Städtchen hervorschimmerten. Ich fragte, wie sie hießen, und ward von Ehrfurcht durchdrungen, als ich ihre Namen, Rom und Syrakus, hörte.
Durch das niedliche Städtchen Skenektedes, am Ende eines kleinen Sees hingelagert, gelangten wir Abends acht Uhr nach der kleinen Stadt Auburn, etwa einundzwanzig Wegstunden von Utica. Das Wirthshaus, wo wir abstiegen, war schon voller Reisenden, die vom Niagara in zwei Wagen zurückgekommen waren. Ich spürte gemach, daß ich mich in Nordamerika den Grenzen der zivilisirten Welt näherte. Das Wirthshaus hatte nichts Erquickliches. Die Schlafgemächer, worin immer fünf Betten beisammen standen, glichen den Kasernen. Das Städtchen selbst zählte schon eine Bevölkerung von etwa zweitausend Seelen.
Andern Tages ward es nicht besser. Die Landschaften wurden immer einsamer und wilder. Von einer Stadt zur andern fährt man oft vier bis zehn Stunden Weges durch ewige Wälder, in denen man nur dann und wann hölzerne Hütten zwischen weiten Strecken uralter, hoher, dicker Bäume erblickt, die aber alle verdorrt sind und einen traurigen Anblick gewähren. Die Pflanzer nämlich, welche ohnehin der Arbeit in den ersten Jahren genug haben, geben sich nicht die Mühe, die riesenhaften Bäume selbst zu fällen, die sie wegschaffen möchten. Sie schälen nur unterhalb über der Wurzel Rinde und Splint bis aufs Holz ab, lassen den Baum absterben und, wie er fault, vom Wind und Regen umwerfen. Man benutzt aber häufig das Land schon, ehe die Stämme gefallen sind; jätet unter den dürren Aesten, die nichts mehr verschatten, das Gesträuch aus, pflügt den Boden mit einem einzigen Pferde auf, streut den Samen aus und erfreut sich der Aernte, die auf einem an Lebenskraft so reichen Boden nie schlecht sein kann.
Durch das Städtlein Geneva, am nördlichen Ende des Seneca-Sees ungemein anmuthig hingebaut, und durch Canandaigua, wo wir zu Mittag speiseten, kamen wir Abends in das Städtchen Rochester, welches zwar nur erst 1800 Einwohner hat, aber auch erst zehn Jahre alt ist. Wir sahen folgendes Tages unterwegs einzelne Häuser ganz mit Menschen angefüllt, und mit gesattelten Pferden und Wagen umringt. Es war Sonntag. Man hatte sich da zum Gottesdienst versammelt, und manche Familie wohl deswegen eine halbe Tagereise gemacht und mehr. Hier zu Lande sind keine Zwangsanstalten, Beichtzettel, Sonntagsmandate und dergleichen Nothbehelfe erforderlich, um die Kirchen zu füllen und würdige Feier des Tages zu erzwecken. Alles erfolgt von selbst, wo wahre Freiheit daheim ist. Erzwungene Gottesdienstlichkeit ist das sicherste Mittel, die Kirche und ihre Priester verhaßt zu machen, Irreligiosität zu verbreiten und eine geheuchelte, darum eben lästige äussere Ehrbarkeit, statt frommer Sitten, herrschend zu machen. Es ist unglaublich, wie weit man in manchen Ländern Europens noch zurück ist, nach so vielen Erfahrungen und Thatsachen, die einfachsten Sätze des gesunden Verstandes zu begreifen.
Man hört den Sturz des Niagarafalls, wenn der Wind von daher kommt, sechs Stunden Wegs weit. Ich hörte sein Brausen aber erst in einer Entfernung von zwei Stunden, und nur dumpf.
Bei einbrechender Nacht kamen wir nach Lewistown, am Ufer des Niagara. Drei englische Lords und ein ehemaliger britischer Admiral saßen im Wirthshause am Kaminfeuer und sprachen mit andern amerikanischen Reisenden. Sie waren eben vom Wasserfall zurückgekommen. Natürlich, wir, die wir ihn erst schauen wollten, sponnen die Unterhaltung darüber gern fort.
Als mir der Wirth mein Schlafzimmer anwies, machte er mich auf ein anhaltendes Sumsen aufmerksam, welches aber meine Ohren mächtiger schlug, wenn er die Fenster öffnete. Es war das Tosen des ungeheuern Stromfalles, dessen einförmiger Donner aus den weiten Urwäldern wiederhallte, bald näher heranzuwandeln, bald wieder sich zu entfernen schien, je nachdem der Wind das majestätische düstre Rauschen mit sich hintrieb.
Ich stand lange am Fenster und horchte der wunderbaren Natur-Musik. Der Nachthimmel war heiter und hing voller Sterne. Empfindungen, die sich in kein Wort kleiden lassen, bewegten mich. Ich stand da beinahe zweitausend Stunden weit von meiner Heimath, in jenen unermeßlichen Wäldern, die noch vor wenigen Jahren nur von Wilden bewohnt, oder von Abentheurern und verwegenen Reisenden besucht waren, welche für Handelsgewinn oder Kenntnißbereicherung jedes Wagstück bestanden.
Noch lag ich im tiefsten Schlaf, als mich der Wirth schon früh Morgens nach 3 Uhr mit angezündeter Kerze ermunterte, aufzustehen; der Wagen werde sogleich vorfahren. Kaum hatte ich Zeit mich anzukleiden. Der Reisewagen rollte heran. Wir stiegen ein. In kurzer Zeit hatten wir den Fuß eines mäßigen Hügels erreicht. Aber auf der Höhe droben angekommen, faltete sich plötzlich vor unsern trunkenen Blicken eins der reizendsten Schauspiele auseinander. Der Himmel glühte in allen Farben des Morgens; der Erdball schien sich vom Schlummer aufzurichten und verschämt erröthend dem Gott des Tages entgegen zu lächeln. Zu meinen Füßen wallte, wie ein dunkler, stellenweis funkelnder Teppich weithin der Ontario-See. Einzelne Nebelsäulen wandelten über diesen wehenden Teppich wie verspätete Geister der Nacht; sie wandelten und verschwanden. Nordwärts umfaßte den See der breite, schwarze Saum von Canada's unübersehbaren Wäldern; westwärts ein langer blauer Streifen von Gebirgen. Mehr in der Nähe hoben sich bei der Ausmündung des Niagarastroms zwei Vesten, die sich gegenseitig zu bewachen schienen. Drüben am canadischen Ufer die St. Georgs-Veste; hierüben, auf dem Gebiet der Vereinstaaten, die Niagara-Veste. Im Hintergrunde, am jenseitigen Ufer des Ontario-Gestades, glänzten im ersten Sonnenstrahl Kirchthürme und Gebäude aus der Ferne. Ich vernahm vom Postkutscher, es sei das canadische Städtlein York, acht Stunden Wegs von uns. »Sehen Sie auch seitwärts!« setzte er hinzu und wies nach der Mittagsseite. Ich wandte mich dahin und sah eine ungeheure Dampfsäule in der Ferne aus dem Schoos der Erde gegen die Wolken auffahren, wie von einem Vulkan ausgekocht. Dort war der Niagarafall.
Erst nach ungefähr einer Stunde sahen wir von diesem zwischen den Bäumen einige Wassermassen erscheinen und verschwinden. Aber das dumpfe Getöse ward mit jedem Augenblick deutlicher und lauter. Um neun Uhr hielt der Wagen vor einem artigen Wirthshause still, wo wir uns mit gutem Frühstück erquicken konnten, und freundliche Führer zum Wasserfall erhielten.
Wir begaben uns dahin. Auf einer Brücke, die über einen Arm des Flusses geworfen ist, gelangten wir zu einer Insel, Goat-Island, welche den Stromfall in zwei ungleiche Theile trennt. Wir verweilten hier, uns auf der Insel zerstreuend, die ungefähr eine halbe Stunde Umfang hat, bis drei Uhr Nachmittags, um den Wasserfall und seine Pracht in aller Muße zu genießen.
Die Kalklager, von denen die Alleghany-Berge aufgeschichtet sind, bilden oft Berge und Hügel von beträchtlicher Höhe. Ein Zweig dieser Gebirgsverästung, der sich durch Maryland, Pensylvanien und Newyork streckt, durchschneidet den Niagarafluß in die Queere und verursacht den ungeheuern Sturz dieses Gewässers. Der Niagara, einziger Abfluß der großen Seen und des Erie-Sees, bildet bis zu seiner Mündung in das weite Becken des Ontario, einen mächtigen Strom von tausend bis zwölfhundert Schuh Breite und großer Tiefe. Bis zum Chippewaystrom, der zwischen dem Erie- und Ontariosee in ihn hineinstürzt, (vor Zeiten hat hier auch eine Veste gestanden), fließt er langsam und still. Dort aber, enger zwischen Felsen geklemmt, von den Wassern des Chippeway verstärkt, wird er unruhig, sein Fall reissender. Er stürmt schäumend gegen Klippen und Felsen, die ihm den Weg verrammeln. Zwei Inseln spalten ihn in drei Theile. Aber stürmisch vereinigt er sich wieder, nahe dem weit über hundert Schuh tiefen Abgrund, in welchen er hinab muß. Die Felsen haben ihm hier bis auf viertausend Schuh weiten Spielraum gelassen. Es ist ein heulendes Meer, dessen Wogen, unter einander kämpfend ihrem zermalmenden Sturze entgegenrasen.
Der Wasserfall hat die Form eines Hufeisens. Der östliche Theil ist der vollere, gewaltigere, malerischere. Die Masse der niederstürzenden Fluthen, von unten auf angesehen, scheint aus den Himmeln herabzufahren und sich in einen bodenlosen Abgrund vergraben zu wollen. Die Felsenlager, welche unterhalb einige Absätze bilden, drohen unter dem Gewicht der zermalmenden Wassersäulen zu zersplittern und zu verstäuben. Die Erde und der Felsenboden dröhnen und zittern unterm Fuß des Menschen. Man steht in der Mitte eines ewigen, betäubenden Donners, während rings umher die ganze Natur schweigt, wie vom Entsetzen erstarrt. Aus der Tiefe, wo Alles kocht und gährt, silbergraue Staubwolken und Wasserbündel und Strahlen hastig auffliegen, und von nachkommenden wieder ereilt und zerstört werden, heulen in allerlei Tönen zwischen den Klippen die gräßlichen Stimmen des Abgrunds durch das einförmige Tosen der Donner.
Ich begab mich vom amerikanischen Ufer auf Goat-Island; eine lange, schmale Brücke, mit großer Kühnheit über die Strömungen hingebaut, führt zu diesem Eiland. Und auf demselben befindet sich ein artiges Wohnhaus, wo man nicht nur Erfrischungen findet, sondern, was mich verdroß, ich möchte sagen, anekelte – sogar ein Billard! – Pfui! Da, wo vor der Majestät des Schöpfers, vor der erschütternden Herrlichkeit der Natur Alles klein wird, will die erbärmlichste aller menschlichen Leidenschaften, die Spielsucht, noch groß thun und sich auf den Zehen in die Höhe strecken und gelten. Da, wo Alles zur Bewunderung und Andacht ruft, will man noch – gemeine Unterhaltung, um der Langenweile zu entgehen. Ich könnte unmöglich mit einem Reisenden Freundschaft schließen, den ich hier Billard spielen sähe. Ich sähe in ihm das vollendete Zerrbild europäischer Zivilisation; jene sittliche Verkrüppelung, die wieder in stumpfes, gemüthloses, freches Thierthum übergeht. Es gibt Stellen auf Erden, die den Menschen aller Zonen und Religionen durch sich selbst Heiligthümer sind, heiliger, als ihre von Kalk und Steinen gebauten Kirchen und Tempel. Man sollte deren Entweihung nicht dulden.
Das Haupt eines indianischen Stamms hatte, so erzählte man mir, von den Alten gehört, es sei zwischen den Seen ein großes Wunder. Er machte sich auf; begleitet von seinen vornehmsten Kriegern kam er zum Niagarafall. Nachdem er eine Weile mit Erstaunen und Schweigen dagestanden war, nahm er seinen Tamoak, mit Silber belegt, seinen Bogen und die schönsten seiner Zierden, warf sie in den Schlund der Wogen, und sagte zu seinen Gefährten: »Fürwahr! Hier ist ein Haus des großen Geistes!«
Man hat auf der Insel die bequemste Ansicht des Wasserfalls; und wie man auf einen andern Punkt derselben tritt, verwandelt sich dem Auge das nie ermüdende Riesenspiel der Natur zu neuen Erscheinungen. Ich lebte in einer Wunderwelt. Recht anmuthig war es, daß auf dem grünen Teppich der Wiesen einige Hirsche und Rehe zahm und traulich um das Haus gingen und sich uns arglos näherten.
Ein junger Amerikaner war bisher immer mein Gefährte gewesen. Er blieb es auch, als ich bis zum Tiefsten des Wasserfalls niederstieg. Dies geschieht auf hölzernen Leitern, die man am senkrechten Felsen angebracht hat, die aber unter jedem Schritt schwanken. Zwei Männer, schon an diese schwierige Kletterei gewöhnt, trugen unsere Bündel. Denn wir hatten mit uns selbst genug zu schaffen, uns an Gesträuchen, Klippen und was uns unter die Hände kam, festzuklammern. Jeden Augenblick durchnetzte uns ein Stoß und Brast von Wasserstaub, durch den Wind gegen uns getrieben. Das Geheul der Wogen betäubte uns die Ohren.
Unten nahm uns ein kleiner Nachen auf. Einer der Führer stieg zugleich ein und schiffte uns mit Hilfe eines Ruders mitten durch die wüthenden Wellen. Wir brachten über eine halbe Stunde zu, ehe wir das canadische Ufer erreichen konnten.
Während dieser Ueberfahrt genossen wir gemächlich und umfassend das große Bild ewiger Verwandlungen. Die brennenden Farben des Regenbogens umgaukelten uns, bald in der schäumenden Nähe, bald über uns.
So erreichten wir unten am Wasserfall, wo uns beständig dicke Wolken aufsteigenden Wasserstaubes verschlangen, das canadische Ufer. Aber das Erklimmen dieser schroffen Felsen war für uns so gefahrdrohend und mühselig, als es das Herabsteigen am jenseitigen Ufer gewesen war.
Droben erreicht man in einer Viertelstunde ein großes, schönes Wirthshaus. Hier fanden wir Alles belebt. Jeden Augenblick zeigten sich uns andere Gesichter; Reisende kamen, Reisende gingen. Ganze Karavanen durchkreuzten sich. Die Fenster des Speisesaals gingen gegen den Fall hinaus. Man zeigte mir von da den Table-Rock (Tafelfelsen), wo die schönste Ansicht des ganzen Falles sein soll. – Ich begab mich dahin, und sah mich keineswegs getäuscht. Dieser Felsen streckt sich beträchtlich weit in den ungeheuern Schlund vor. In der That, das Auge umfaßt hier mit einem Blick das Ungeheure des großen Schauspiels. Es ist dem Geiste zu groß. Er will Alles umfassen und wird von dem erhabenen Ganzen verschlungen. Er verliert sich. Er schwebt zwischen Grausen und Entzücken.
Nichts widerlicher, als der Uebergang von prachtvollen Naturszenen, aus denen man in der Trunkenheit stiller Begeisterung zurückkehrt, zur Gemeinheit von Wirthshausszenen. Es ist die schmerzlichste Verletzung der Andacht. Es ist mehr, als Kirchenraub.
Ich zauderte auch nicht lange, und ließ anspannen. Es war erst vier Uhr Nachmittags, und ich konnte noch bequem nach dem Städtchen Buffalo, sechs bis sieben Stunden von da, gelangen. Der Weg dahin, auf canadischem Boden, folgt den gekrümmten Ufern des Niagara, der oberhalb Chippeway einen sanften Lauf hat. Als wir beim äussersten Ende des Erie-Sees, bei der Erie-Veste angekommen waren, mußten wir in einem Fahrzeuge über den Fluß setzen. Vor uns lagen in einiger Entfernung zwei Städtchen, Blackrock und Buffalo.
Buffalo liegt an der östlichen Ausspitzung des Erie-Sees und war während des letzten Krieges fast ganz zerstört worden. Am meisten hatte es aber von der Rohheit der Indianer gelitten, deren sich die Engländer hatten gegen die Amerikaner bedienen wollen. Es ist gefährlich, solche Bundesgenossen im Hause zu haben. Jetzt ist Buffalo freilich wieder aus der Asche neu aufgestanden, aber nicht als ein Phönix. Das Städtchen ist nichts weniger als hübsch. Indessen, was nicht ist, kann noch werden; denn der Ort ist zum Waarenverkehr trefflich gelegen. Der große Kanal des Erie-Sees, der mit dem Hudsonfluß verknüpft ist, geht von Buffalo aus, wo Fahrzeuge aus dem Michigan- und Erie-See landen müssen. Auch herrscht hier im Hafen schon viel Thätigkeit und Leben.
Herr L**, dem ich von New-York aus empfohlen war, empfing mich sehr zuvorkommend. Aus einer achtbaren französischen Familie stammend, war er schon vor vierzig Jahren nach Amerika ausgewandert. Während des Krieges zwischen England und Nordamerika hatte er, wie er mir erzählte, Buffalo verlassen und sich mit seiner Frau bei den Wilden zwei Jahre lang aufgehalten, indessen er seine drei Kinder nach Frankreich zurückschickte, um ihnen eine gute Erziehung geben zu lassen.
Sein Leben unter den Wilden, und was er mir davon sagte, hatte für mich viel Anziehendes. Bei mancherlei Entbehrung entbehrlicher Dinge, war er doch bei ihnen sehr glücklich gewesen. Er konnte ihre treue Gastfreundschaft nicht genug rühmen.
In den Umgegenden des Eriesees und gar nicht entfernt von Buffalo trieb sich damals ein zahlreicher Stamm von Indianern herum, der den Namen Seneca führt, und ein Zweig der alten, vielgefürchteten Irokesen ist. Diese Wilden waren damals mit aller Welt rings um in Frieden: Herr L** ermunterte mich, sie zu besuchen. Es gefiel mir gar wohl, etwa einen Tag lang, oder zwei, das einsame Treiben und Wirthschaften dieser Naturkinder zu schauen. Aber wie man ein paar Jahre lang mit ihnen in den Wäldern ganz behaglich hausen könne, wollte mir doch nicht einleuchten. Wir machten uns also auf den Weg.
Schon, wie wir aus Buffalo hervor waren, begegneten uns einige der Senecaner. Ihre Bekleidung schien mir etwas sorgfältiger, als jene der Cayagua-Indianer. Sie hatten auch gar kein ärmliches Aussehen. Die, welche Hüte trugen, hatten sie sogar mit Silberplättchen geziert. Breite Gurte von rothem Tuch hingen um ihre Hüften; andere trugen diese Gürte schärpenartig gebunden. Manchen hing an der Seite ein breites Messer; dabei hielt jeder seinen Tomoak in der muskelstarken Faust.
Der Weg zu ihrem Dorfe führte in die Tiefe einer ungeheuern Waldung. Je weiter wir hineinkamen, je dichter wurde das Gehölz, und von Zeit zu Zeit stand ein Indianer, kommend oder gehend, vor uns, so unerwartet oder unvorhergesehen, als wär er aus der Erde hervorgeschossen. – Ein Greis, dem zwei junge Leute nachfolgten, alle wohlbewaffnet und wohlgekleidet, strich an uns vorüber, ohne uns anzusehen. Ich hielt ihn an und fragte, wie weit es noch bis zur Mitte des Stammes hin sei? Diese Wilden verstanden kein Englisch. Der Alte redete mit den Jünglingen, wie sich zu berathen. Nun versuchten wir die Zeichensprache. Damit gings besser. Wir erhielten die verlangte Auskunft und sahen nach zwei Stunden Wegs im Wald umher zerstreute Hütten.
Das Holz war stellenweis abgeschlagen, und der leergewordene Platz ziemlich nachlässig angepflanzt. Mais, Korn, Erdäpfel und andere Feldfrüchte sahen wir, mehr wie durch Zufall, als durch Menschenhand da hingesetzt. Es sind auch nur die Weiber, die den Landbau treiben. Männer schämen sich noch des, und treiben blos das edle Weidwerk, als geborne Jäger. Das Weib ist noch eine Art Sklavin; trägt auch, während sich der Mann frei bewegt, auf Reisen die Lebensmittelvorräthe in einem Korb auf dem Rücken, an einem breiten Lederriemen, der über die Stirn geht. Eben so tragen sie auch ihre kleinen Kinder, aber auf ein Brett gebunden, bis ans Kinn eingefäscht, mit deren Rücken gegen ihren Rücken.
Der große Stamm der Irokesen, der einst an den Champlain-, Ontario- und Erie-Seen umhertrieb, ist jetzt fast ganz verschwunden. Man sieht nur noch einzelne abgerissene Zweige desselben, wie den der Senecaner. Als sich im Jahre 1610 die ersten christlichen Glaubensboten unter sie wagten, zählten sie noch eine Heeresmacht von mehr denn 20,000 Kriegern. Nach dem nordamerikanischen Unabhängigkeitskriege im Jahr 1780 fanden sich hier nur noch etwa 1500 Krieger vor. Jetzt können sie nicht mehr als 150 bis 200 Streiter aufstellen.
Diese befremdende Verminderung der Indianer mag mancherlei Ursachen haben. Der Wilde zieht sich bei jeder Annäherung der zivilisirten Welt scheu zurück, wenn er sie nicht zerstören kann. Er will mit ihr nichts gemein haben. Er kennt aus den Sagen seiner Väter und Urväter die nie zuverlässige Treue, die List und Hab- und Herrschgier und rastlose Ausbreitungssucht der Europäer. Er kann die Lebensbequemlichkeiten derselben nicht reizend finden, weil er ihrer durchaus nicht bedarf; kann die Genüsse nicht schätzen, welche Wissenschaft und Kunst gewähren mögen, weil sie ihm fremd und verschlossen stehen; kann die feinern Vergnügungen der gebildeten Gesellschaft nicht leben, weil sie zugleich einen äussern Zwang auflegen, der ihm naturwidrig scheinen muß. – Die reine Freiheit des Wilden hat ohnehin ihren eigenthümlichen Zauber, der aus der Einfalt, Rechtlichkeit und ungebundenen Sorglosigkeit hervorgeht. Man hat wenige, oder am Ende gar keine Beispiele, daß Indianer, welche bei Europäern erzogen wurden, nicht gerne wieder aus dem Zwang der Etikette, des Zeremoniels, des Kirchenthums, des Rangwesens, der Polizeiordnungen, der Titulaturen, der gesellschaftlichen Vorurtheile, der Parteimachereien, der unendlichen Lebensmühen, um zum Besitz entbehrlicher Dinge zu gelangen, herausgegangen und in die Stille und Freiheit ihrer Wildnisse, zur einfachen Lebensweise ihrer Stammesgenossen zurückgekehrt und daselbst geblieben wären. Dagegen sind der Beispiele mehrere vorhanden, daß gebildete Europäer, die gewaltsam oder freiwillig unter die Indianer kamen, sobald sie sich nach Jahr und Tag unter ihnen heimisch fühlten, auf das Bittersüß der Zivilisation verzichteten, sich, wie die Familie L** zu Buffalo, sehr glücklich bei ihnen fühlten, und entweder gar nicht mehr, oder doch nicht ohne späteres Heimweh, in die Welt der Gebildeten zurückkehrten.
Eine große Zahl der Irokesen hat sich wirklich von den großen Seen hinweg westwärts in das unbekannte Innere des Welttheils gezogen. Was noch zurückblieb, ward zum Theil wohl in Kriegen, mehr noch durch das Gift der gebrannten Wasser, welches sie von den Europäern kennen lernten, durch Völlerei und Krankheiten, die daher entsprangen, allmälig aufgerieben. Vielweiberei findet in der Regel bei ihnen nicht statt; nur die Stammhäupter und Vornehmsten haben mehrere Frauen.
In der ersten Hütte, in die ich eintrat, fand ich eine Indianerin geschäftig, Mais in einem hölzernen Troge klein zu stoßen, um daraus eine Art Brod zu backen, das sie Hökake heißen. Ich hatte späterhin bei einsamen nordamerikanischen Pflanzern oft genug Anlaß, meinen Gaumen mit dieser Hökake vertraut zu machen.
Fünfzig Schritte weiter, in einer zweiten und viel größern Hütte, die einem Oberhaupt gehörte, lagen fünf junge Weiber auf dem Boden, die unter einander mit bunten Bohnen, auf einer über die Erde gebreiteten Matte, spielten. Zwei derselben rauchten dazu, zwei andere säugten ihre Kinder. Ihre Bekleidung war so spärlich, daß unsere Schönen in europäischen Städten, wenn sie sich in »eleganter« griechischer Tracht halbnackt den Gaffern hinstellen, daneben ganz nonnenhaft vermummt erschienen haben würden. Sie sahen zu uns auf, ohne ihre bequeme Lagerung zu ändern. Ich verlangte ein wenig Milch. Die Jüngste, welche etwas englisch verstand, fragte, wie viel ich dafür geben wollte? Ich reichte ihr ein Sechs-Pencestück hin. Sie brachte mir mehr Milch, als ich trinken konnte.
Ohne die Indianer in ihrer Sprache sprechen zu können, geht man unter ihnen natürlich wie ein Taubstummer umher. Man sieht dies und das, aber möchte Erklärungen dazu, und vermag sie nicht zu fordern. Ich durchirrte das Dorf und wandelte in den Umgebungen mehrerer Hütten, deren kahles Innere keiner Beschreibung bedarf. Ich bemerkte auch von den schauerlichen Siegeszeichen der Wilden, die mit den Haaren bewachsene Schädelhaut von den Köpfen ihrer erschlagenen Feinde. Nun wußte ich ohngefähr, wie es in den Walddörfern und Hütten der alten, tapfern, vielgerühmten Germanen zu Tacitus Zeit ausgesehen haben mag, von denen, ihrem Whisky (oder Meth) ihrem Eichelschmaus (oder Hökake) u. dgl. m. noch jetzt die Rektoren und Professoren an den Schulen in Deutschland ihrer lernbegierigen Jugend gern großes Aufhebens machen.
Man weiß, wie es bei den Wilden mit dem Skalpiren, oder dem Abziehen der Schädelhaut ihrer Feinde, schnell und leicht geht. Aber eins wußte ich nicht und schien mir fast unglaublich. Man versicherte mich, daß man Menschen gekannt habe, die noch viele Jahre nach ihrer Skalpirung munter und gesund gelebt haben; nur daß ihnen die Haare nicht wieder nachwuchsen.
Die Rechtlichkeit und Strenge der amerikanischen Gesetze und der Ernst in deren Vollziehung hat bewirkt, daß sich die Seneca-Indianer sehr ruhig verhalten. Nur die Begierde, etwas zu besitzen, das ihnen an einem Weißen gefällt, hat sie oft zu Unthaten verleitet. Denn das kürzeste Mittel, sich im Besitz des gewünschten Gutes zu sehen, schien ihnen auch das beste zu sein, nämlich den Eigenthümer zu tödten. – Doch auch davon hat man lange nicht gehört.
Mein Plan war gewesen, im Dampfschiff von Buffalo über den ganzen Erie-See bis an dessen entgegengesetztes Ende nach Detroit zu fahren. Aber ich hatte mich in den Tagen verrechnet; das Dampfschiff war schon abgereiset, und acht Tage lang hier auf ein anderes zu warten, taugte zu meinem Zeitvorrath schlecht.
Ich bequemte mich also, wenn gleich etwas ungern, mit in ein Fuhrwerk zu sitzen, das den folgenden Tag von Buffalo nach Pittsburg in Pensylvanien abreisen sollte. Man nannte diesen Wagen, der wie ein Karren aussieht, einen »Vaggon.« Ich werde noch lange an diese Vaggons denken, die eben nicht zu dem bequemsten Reisegeräth gehören, zumal auf Wegen, wie die sind, wo sie gebraucht werden. Zu meiner vorläufigen Beruhigung erzählte man mir, daß zwei Wochen vorher zwei Reisende mit dem wöchentlich abgehenden Vaggon kein Glück gehabt. Der eine wäre vom Vordersitz herab in eine Schlucht geschleudert worden und auf der Stelle todt gewesen; der andere, indem er herausspringen wollte, als der Vaggon eben umstürzte, wäre von diesem zerschmettert worden. Aber das begegne bei einiger Vorsicht nicht alle Tage.
In Gesellschaft anderer Reisenden bestieg ich also den Vaggon. Eine Stunde von Buffalo schon hörte die Straße auf. Man fuhr nun immer längs dem Ufer des Erie-Sees hin. Aber welch ein Weg! – oder vielmehr, es war gar kein Weg da. Bald sanken die armen Rosse bis über die Knie in feinen Schlammsand ein, bald in Morastpfützen und Koth. Es waren vier Pferde, allein sie hatten Arbeit vollauf, den Wagen nur im Schritt fortzubringen. Ich hatte die angenehme Einbildung, das sei eine wüste Stelle; man müsse einige Augenblicke Geduld haben. Der Postknecht belehrte mich aber sehr höflich, die wüste Stelle dauere zehn Stunden Weges lang.
Der See ging ziemlich stürmisch. Trotz dem fuhr unser kühner Phaëton ins Wasser hinein, wenn er entweder aus dem Schlamm sich retten, oder großen Steinen ausweichen wollte. So lange die Räder des Vaggons, die, als eines Strandlaufers, sehr hoch waren, noch festen Boden über sich fühlten, ließ ich die Wasserreise unbetadelt. Aber nun kamen wir an einen Platz, wo sich ein Felsen ziemlich weit in den See hinausstreckte. Der mußte umschifft werden. Der Lenker unserer Schicksale und des Vaggons trieb die Pferde ins Wasser, bis es über sie wegrauschte, und sie wie Hunde schwammen, während die Wogen des kleinen stürmischen Meers den Kasten des edeln Vaggon weidlich zerschlugen. Da ward mirs doch etwas schwül; ich dachte an meine unglücklichen Vaggonsvorfahren und verwünschte diese Art Lustreisen. Meine amerikanischen Reisegefährten verwunderten sich höchlich. Sie fanden die Sache vollkommen in der Ordnung der Dinge. Ich mußte ihnen das allerdings zugestehen; aber, dacht' ich: ländlich, sittlich!
In einem einsamen Hause hart am See ward zu Mittag gespeiset, Roß und Vaggon gewechselt. Dann gings weiter; nicht besser, als des Morgens, aber doch, zur Abwechselung, auch anders. Denn wenn die Pferde, bei der Tiefe und Beweglichkeit des Sandes nicht mehr von der Stelle rücken konnten, fuhr man, statt ins Wasser, in den Wald, der das Seeufer besäumt. Da mußte man nun mit vieler Kunst im Zikzak zwischen den Bäumen und um sie herumkreisen; bald sich durch einen in die Quer hingestürzten alten Stamm, bald durch einen Bach-Hohlweg in witzigen Erfindungen üben lassen, wie man das neue Hinderniß überwinden könne.
Doch, ohne Hals- und Beinbruch, hatten wir das Glück, bei eintretender Nacht an Ort und Stelle nach Fredonia zu gelangen.
Fredonia trägt den Namen einer Stadt (Township). Es ist eine neue Stadt. Aber mache sich niemand gar zu glänzende Vorstellungen von den neuen Städten in Nordamerika. Es hat damit ein ganz eigenes Bewandtniß. Ihre Errichtung hängt nicht blos von Zufälligkeiten ab, durch welche ehemals die Städte Europens, oder auch noch die Küstenstädte Nordamerika's entstanden sind, wo ein Kloster, ein Wallfahrtsort, ein landesherrliches Schloß und dergleichen, mehr Ansiedler, als anderswohin, zusammenlockte; oder wo eine Bucht, ein natürlicher Hafen, die Mündung eines großen Stroms, zur Gründung einer Kolonie einlud. Kluge Vorausberechnungen bestimmen jetzt den Platz, wo eine künftige Stadt im Innern des Landes stehen müsse. Dann wird die Erbauung derselben durch Beschluß angeordnet und begonnen, es sei, wo es wolle.
So steht Fredonia mitten in Wildnissen und Wäldern, die sonst allein vom Geheul der Irokesen und wilden Thieren belebt waren. Da führen noch keine vielbewanderte Wege, keine gebaute, regelmäßige Hochstraßen zu den Thoren. Es sind noch keine Thore, keine Ringmauern vorhanden. Die Stadt ist erst vier Jahre alt. Man sieht ein gutgebautes Gerichtshaus (court-house). Weiterhin stehen wieder zwei Kirchen, aus Backsteinen geschmackvoll aufgeführt; zwei verschiedenen Glaubensparteien angehörend; beide ziemlich nahe beisammen. Dann sieht man noch ein Wirthshaus; einen Kaufladen und Magazin mit Spezerei, Leinwand, Tüchern, gebrannten Wassern und andern kleinen Bedürfnissen; ferner eine Schmiede, und eine Buchdruckerei, aus der wöchentlich eine Zeitung hervorgeht. Dann in gleichem Verhältniß, wie in mehrern europäischen Staaten der augenlose weltliche und geistliche Arm derer, die Gewalt haben, die gegenseitige Mittheilung, Belehrung und Verknüpfung der Geister unter einander vermittelst der unterdrückten Preßfreiheit unterdrücken möchte, suchen die Nordamerikaner durch Begünstigung der Preßfreiheit Gemeinsinn, Theilnahme an vaterländischen Angelegenheiten, Kunst, Kenntniß, Volksbelehrung zu befördern. Um jene sieben, acht Gebäude herum stehen in Fredonia etwa noch zehn einzelne Häuser zerstreut umher. Aber die öffentlichen Plätze, die Märkte, die künftigen Straßen sind schon im Plan vorhanden; sind schon wirklich ausgesteckt. Wer sich da ansiedeln will, ist gehalten, dem angenommenen Plan gemäß zu bauen.
So sieht eine vierjährige Stadt im Innern Nordamerika's aus.
Folgenden Tages gings durch Wald und Wüstenei; der Weg ward nicht gemächlicher, aber doch minder gefahrvoll, als am vorigen Tage. Der Postknecht, welcher die Zeitung von Fredonia auf seiner Reise abzugeben hatte, warf dieselben, wo man in der Nähe von einzelnen Häusern unterwegs vorbeikam, links und rechts aus dem Wagen vor die Thüren. Abends kamen wir noch bei hellem Tage zu Erie an.
Diese Stadt liegt am Südosttheil des Sees, von dem sie benannt ist, auf einer Anhöhe, von der sich eine weitgedehnte Aussicht ergibt, und bis zum jenseitigen See-Ufer. Die Seen Ontario und Erie gleichen kleinen Meeren; jeder von ihnen hat über dritthalbhundert Stunden Umfang und bei sechshundert Geviertmeilen Fläche.
Südwärts der Stadt, die sich mit ihren 150 Häusern und drei Kirchen auf ihrer Höhe gar städtisch ausnimmt, kann man noch Ueberbleibsel einer ältern Niederlassung wahrnehmen. Es hatten sich da vorzeiten französische Pflanzer auf einer Landzunge angebaut, die sie Presqu'isle nannten. Der Boden war sehr gut, das Klima gesund; allein die allzugroße Entfernung von allen andern bewohnten Orten zwang sie, das Land wieder zu verlassen. Kurze Zeit nachher gründeten die Amerikaner die Stadt Erie. Wenn einmal die Ufer des Sees bevölkerter sind, wird diese Stadt sehr bedeutend werden müssen.
Mit Anbruch des folgenden Tages ging die Reise südwärts, nach Pittsburg. Wir kamen abermals an Ueberbleibseln einer französischen Niederlassung, Lebeuf geheißen, etwa fünf Stunden von Erie, vorbei, die das Schicksal von Presqu'isle gehabt hatte. Dagegen sahen wir, zwei gute Stunden weiter hin, die holländische Niederlassung Waterfort in sehr blühendem Zustande. Wir frühstückten hier in einem sehr guten Wirthshause. Zu Meadville, zehn Stunden von da, hielten wir etwas an. Ich traf da mit einem Herrn zusammen, der mit gleicher Leichtigkeit englisch, deutsch und französisch sprach. Seine Unterhaltung war für mich sehr belehrend. Vermuthlich hielt er mich für den Geschäftsführer einiger europäischen Auswanderer-Gesellschaften. Er trug mir Ländereien zum Kauf an, den Acker zu zwei und drei Dollars. Es war ein Herr H**, Agent einer holländischen Kompagnie.
Erst spät Nachts kamen wir in das Städtchen Mercer, welches dem Städtchen Meadville glich. Beide nämlich sind neue Städte. Man wird nun wissen, was darunter zu verstehen ist. Vorzeiten ging der Weg hieher durch die Veste Wenango, die wir weit links gelassen hatten.
Ich war seit den vorigen Tagen, von den Wasserfällen des Niagara weg, durch ungeheure Einsamkeiten fortgeführt worden. Aber sie konnten nicht mit denen verglichen werden, die sich zwischen Mercer und Pittsburg am folgenden Tage auslagerten. Es ist eine Strecke von zwanzig Wegstunden, und wir sahen nur das einzige Städtlein Buttler; fuhren oft fünf bis sechs Stunden, ohne eine Hütte, vergraben im Gebüsch, zu erblicken. Alles ein endloser Wald, dessen finstere, durch einander gewachsene Zweige selten nur einen freundlichen Strahl des Himmels auf uns niederzufallen erlaubten.
Es läßt sich denken, wie es um die Poststraße dieser unbewohnten Welt stand. Wir hatten vier wackere Rosse; wir waren im Wagen unserer nur drei Reisende, und doch kostete es keine geringe Mühe und Noth, vorwärts zu kommen. Beim vorletzten Pferdewechseln liefen wir am Ende noch Gefahr, Hals und Beine zu brechen. Es ging eben einen Hügel steil abwärts. Die Amerikaner pflegen keine Räder zu spannen, sondern lassen die Pferde geschwinder laufen, oft im Galopp bergab. So machte es unser Postknecht. Das Riemenwerk eines der Deichselpferde riß. Mit vieler Geschicklichkeit lenkte er das andere, welches allein noch den Wagen zurückhalten konnte. Aber nun war ein großer Stamm über den Weg gefallen, und doch nicht quer genug, um den Wagen zum Stehen zu bringen. Auf einer Seite liefen die Räder auf dem Stamm entlang; endlich sprang das eine über, das andere schob den Stamm fort. Das Holz rollte. Die erschrockenen Pferde nahmen mit Wagen und Holz Reißaus. Wir tanzten in der Luft, und siehe da – kamen mit heiler Haut glücklich davon.
Auf einer schönen Halbinsel, gebildet von den Strömen Manongahela und Alleghany, beut sich dem Auge die Stadt Pittsburg dar. Jene Ströme rauschen einander aus entgegengesetzten Weltgegenden zu. Der Alleghany kömmt von Norden. Er ist aus verschiedenen Gebirgsbächen und Wassern von den Erie-Ufern entstanden, die sich bei der Wenango-Veste verbinden. Der Manongahela hinwieder kömmt von Süden her, aus den Laurels-Gebirgen, in Obervirginien. Er verschlingt in seinem Laufe viele andere Ströme, und so auch den Youghiogeni, der ziemlich beträchtlich ist. Bei Pittsburg, wo der Alleghany und Manongahela zusammenfallen, empfangen sie nach der Vereinigung den Namen Ohio (man spricht den Namen O-hai-io aus) oder Schön-Fluß. Dieser durchläuft dann eine weite Strecke von 400 Stunden, bis er sich in den Missisippi ausmündet.
Wir fuhren über eine der prächtigsten Bogenbrücke in die Stadt hinein. Sie ist mit Schiefer bedacht, und ruht auf fünf Bogengewölben, jedes fünfundsiebenzig Schritte lang. Eben so schön ist jenseits der Stadt auf ihrer Mittagsseite die andere Brücke. Sie hat die Länge von 532 Schritten; an jeder Seite zweiundfünfzig Fenster, um Heiterkeit zu geben; zwar nur von Holz gebaut, aber auf acht steinernen Pfeilern ruhend, die sieben Bogen bilden. Sowohl für Fuhrwerke, als Fußgänger, sind Doppelwege. Diese trefflichen Arbeiten, welche im Jahr 1816 ein englischer Ingenieur leitete, der auch in Tennesee eine ähnliche Brücke gebaut hat, sind binnen zwei Jahren vollendet worden.
Ich verweilte mit Vergnügen in Pittsburg einige Tage. Die Stadt ist in mehr als einer Hinsicht anziehend für den Beobachter. Man nennt sie das »Manchester der Vereinstaaten.«
Sie ward erst im Jahre 1784 gegründet. Im Jahre 1800 zählte sie 2400 Einwohner; im Jahre 1810 aber 4700 derselben, und gegenwärtig über 14,000. Darunter sind, ausser eingebornen Amerikanern, Engländer, Franzosen, Schotten, viele Deutsche und Schweizer, die sich alle, jetzt wohlzufrieden, veramerikanert haben.
Die Stadt besitzt nicht, wie andere Städte dieses großen Freilandes, das lachende, freundliche Ansehen in seinem Innern. Die Häuser sind vom Rauch der Steinkohlen geschwärzt, die hier allgemein üblich sind. Aber dagegen erblickt man eine rührige Gewerbigkeit, wie nicht leicht anderswo. Alle Häuser sind voll von den verschiedensten Werkstätten. Längs den Ufern lärmen die Dampfmaschinen, welche eine Menge Mehl-, Säge-, Papier-, Oel- und Loh-Mühlen, Gerbereien und Färbereien, Glashütten und Eisenschmelzen u. s. w. in ununterbrochener Bewegung halten. Den westlichen Staaten um hundert und mehr Stunden näher als Philadelphia und Baltimore, versorgt Pittsburg die Pflanzorte in jenen vorzugsweise mit seinen Kunsterzeugnissen. Die Flüsse wimmeln von Fahrzeugen, die Waaren bringen oder fortführen. Mit Ausnahme der Monate August, September und Oktober, kommen täglich Dampfboote an. Von Neu-Orleans, den Missisippi und Ohio herauf, legt ein solches Boot den Weg von mehr denn siebenhundert Stunden binnen achtzehn Tagen zurück; stromabwärts ist die Fahrt in zwölf Tagen vollbracht. Und doch wird unterwegs, mit dem Ausschiffen und Aufnehmen von Waaren und Reisenden in allen Städten längs den Ufern, noch Zeit verbraucht. Die Reise den Strom herauf, von Neu-Orleans bis Pittsburg, kostet 50 Dollars, stromab nur 40. Man hat dafür, wie immer auf amerikanischen Dampfbooten, gute Tafel und sehr saubere Betten.
Bisher hatte mich auf meinen Lustwanderungen durch die neue Welt der freundlichste Himmel begleitet, was von nicht geringem Einfluß auf meine gute Laune und vielleicht auf meine Ansichten und Urtheile gewesen sein konnte. Denn, wir wollen uns nicht täuschen, das Universum sieht an einem sonnenreichen Tage ganz anders aus, als an einem Regentage. Nicht nur Erd' und Himmel ändern bei böser Witterung ihre Physiognomie, sondern auch Thier und Mensch.
Es kam mir daher zur Berichtigung meines Urtheils und meiner Stimmung, die ich vielleicht nur der Heiterkeit der Sommertage zu danken hatte, ganz gelegen, daß bei meiner Abreise aus Pittsburg rauhes, regnerisches Wetter eintrat. Ich hüllte mich ein, setzte mich in einen Vaggon und fuhr dem Ohiostrom entgegen. Indessen lernt' ich dabei nichts Anderes, als daß das Reisen beim schlechten Wetter in Amerika ungefähr eben so langweilig ist, als bei uns. Denn durch den grauen Schleier des Regens sah und erkannt' ich draussen nichts; drinnen im Vaggon hört' ich und lernt' ich nichts Merkwürdiges. Nachts schlief ich in dem kleinen Ort Washington; folgenden Vormittags kam ich zeitig in der kleinen Stadt Wheling an, die am linken Ufer des Ohio, etwa hundert Stunden von Baltimore, liegt.
Das eben genannte Washington ist nicht jene neue, im großen Styl entworfene Hauptstadt der Vereinstaaten, Sitz der höchsten Bundesbehörden. Es gibt der Ortschaften viel, die mit den Namen eines Washington, Franklin, Lafayette u. s. w. geschmückt sind. Man unterscheidet sie dann nach ihren verschiedenen Provinzen und Flüssen durch Beinamen. Die alten und neuen Republiken wußten ihre großen Männer immer auf eine eigenthümliche, aus Geist und Art des Volks hervorgegangene Weise zu ehren. Das kunstsinnige Griechenland errichtete ihnen Bildsäulen. Rom äffte später darin, wie in vielem Andern, nur nach. Die frommen Schweizer stifteten ihnen kirchliche Schlachttagsfeier und Kapellen. Die gewerbigen, im Schirm der errungenen Freiheit sich über einem jungfräulichen Boden ausbreitenden Amerikaner bauen Städte und schmücken sie mit den unsterblichen Namen der Freiheitsstifter.
Das Städtchen Wheling liegt schon im Staat Virginien, in einer angenehmen Gegend und unter einem milden Himmel. Es hat etwa 2000 Einwohner. Wie ich durch die Straßen umherschlenderte, ward ich auf eine sonderbare Weise überrascht. Ich sah da eine Menge Leute, Männer, Weiber, Kinder, alle in Schweizer- und deutscher Bauerntracht. Als ich näher trat, erkannte ich dieselbe Auswanderungs-Karavane wieder, die ich, bei meiner Abreise von Europa, in Havre gesehen hatte. Die ehrlichen Anabaptisten waren nicht wenig erstaunt, als ich sie deutsch anredete. Einige erinnerten sich meiner sogleich wieder. Sie hatten wegen ihrer endlichen Niederlassung noch keine Wahl getroffen, und die Absicht, den Ohio hundert bis zweihundert Stunden weiter abwärts zu gehen. Es waren zusammen alt und jung 119 Personen.
Ich habe schon gesagt, daß auf dem Ohio im Monat August, September und Oktober kein Dampfboot, wegen zu niedrigen Wasserstandes, fährt. Ich miethete also, um rascher fortzukommen, ein sogenanntes Keelboot. Das ist eine Art bedeckten und geschlossenen Fahrzeugs, nur zum Waarentransport bestimmt, welches man den Fluß abwärts sendet, aber nie wieder zurückfährt, weil es für dies Wasser zu groß und schwerfällig ist. Ein kleiner, leichter Nachen mit zwei Rudern ist dem Schiffe angehängt. Dieses Nachens bediente ich mich, zur Verminderung der langen Weile, fleißig. Denn weil ich für meine Beköstigung selbst sorgen mußte, fuhren wir an keinem artigen Bauernhof, an keinem niedlichen Landhause vorüber, wo ich nicht sogleich einkehrte, besonders wenn ich Obstbäume und vor allen Dingen Pfirsiche da erblickte. Die letztern sind ungemein saftig, groß und vom feinsten Geschmack. Oft glich Alles einem kleinen Pfirsichwald, was die ländlichen Wohnungen umgab. Die Eigenthümer bepflanzen damit der Länge nach jeden Bach und Weg und Steg, und nennen sie, recht die amerikanische Gastfreundlichkeit bezeichnend, Pfirsiche für die Reisenden (Traveller-peaches).
Die Ufer des Ohio sind, von Wheling hinweg, sehr stark bewohnt. Das rechte Ufer gehört zum Ohiostaat, das linke zu Virginien. Kein einziger von allen Pflanzern, bei denen ich einkehrte, war im Lande selbst geboren, insgesammt stammten sie frisch aus Deutschland, England, Irland, Holland. Die für Europa so traurigen Noth- und Hungerjahre 1816 und 1817 waren für die hiesigen Ansiedler das wahrhaft goldene Zeitalter gewesen. Nun aber beklagten sie sich bei der wohlfeilen Zeit sehr. Sie wußten nicht, wohin die Früchte ihres Feldes absetzen. Ich tröstete sie mit dem nämlichen Loose der europäischen Landleute, die noch dazu bei dem niedrigen Stand der Getraidepreise oft schwere Abgaben zu zahlen hätten.
Wir kamen am 4. September, an einem Sonnabend, nach Mariette, ohne besondere Abentheuer erlebt zu haben, als etwa, daß wir unterwegs einen schönen Hirsch, der über den Ohio schwimmen wollte, mit Ruderstangen todtschlugen und uns ihn schmecken liessen. Mariette ist eine der ältesten Städte im Ohiostaat. Sie ward gleich, nachdem den Indianern das Gebiet abgekauft war, gegründet. Die Fruchtbarkeit und Wohlfeilheit des Bodens lockte viel Volks her. Die Stadt zählte bald 1200 Einwohner; aber – sie zählt auch jetzt noch nicht mehr. Denn die Luft ist fieberhaft, ungesund, und die Sterblichkeit in manchen Jahrgängen groß. Das schreckt viele Ansiedler ab, während diese sonst vorzugsweise gern den Ohiostaat wählen, weil er einen angenehmen, milden Himmelsstrich, sehr gesunde Luft, äusserst fruchtbaren Boden und vielleicht die beste Landesverfassung von allen Vereinstaaten hat.
In der Umgegend von Mariette sind die zahlreichen alten Befestigungswerke und Gräber der Indianer sehr merkwürdig. Die Ueberbleibsel der Befestigungen, zwar nur von Erde aufgeworfen, dehnen sich zusammenhängend Viertelstunden weit und mehr aus. Die Gräber, oder »Maun's«, wie sie es in der Sprache der Wilden heißen und noch jetzt genannt werden, sind in großer Menge umher zerstreut zu sehen; nicht nur aber bei Mariette, sondern auch in andern Gegenden der Republik Ohio und westlich gelegener Landschaften. Es sind zuckerhutförmige, oben abgestumpfte Hügel, meistens zwölf bis zwanzig Schuh hoch, die unten einen Umfang von dreißig bis sechszig Fuß haben. Noch jetzt haben die Stämme aller Indianer für ihre Todten eine heilige, oder abergläubige Ehrfurcht, wie sonst. Hier pflegten sie die Leichname, in Felle gehüllt, flach auf den Erdboden zu legen, dann dieselben mit einem solchen Erdhügel zu bedecken, daß sie weder durch wilde Thiere, noch Menschen leicht ausgescharrt werden konnten. Die Mauns der Häuptlinge sind höher und breiter. Ich sah deren bei Mariette, welche einen Umfang von hundert Fuß und eine Höhe von dreißig Fuß haben.
Die Witterung war wieder lieblich. Ich hätte mich auch gern unter den Pflanzern dieses Freistaats umgesehen, um bei ihnen etwas zu lernen. Dazu bot sich hier die vortheilhafteste Gelegenheit. Ich konnte eine Familie, die eine Stunde von Pointharms wohnte, mit Grüßen und Nachrichten aus Europa besuchen. So begab ich mich über den Muskingum nach Pointharms, und von da zur mir bezeichneten Kolonie, um meine Aufträge auszurichten. Zwei Tage später begleitete ich von hier die Familie zu ihren Aeltern, auf einer Niederlassung, die noch zwölf bis vierzehn Stunden weiter landeinwärts lag. So kam ich von Pflanzung zu Pflanzung.
Die Familie machte die Reise zum Vaterhause in einem Wäglein. Mir gab man ein Reitpferd. Jede Art zu reisen hatte mir bisher wohlbehagt; nur mit den Pferden in Amerika hatte ich ganz eigenes Mißgeschick. Als zwei Stunden lang Alles in guter Ordnung gegangen war, wurde der Weg so schlecht, daß das Fuhrwerk meiner Freunde mehrmals umzuwerfen drohte, und endlich, über einem Graben hangend, in die gefährlichste Schwebe kam. Ich sprang noch im rechten Augenblick vom Rosse, um den Wagen etwas zu halten und größeres Unheil zu verhüten. Als dieser wieder aufgerichtet stand und ich meine Rosinante suchte, war sie davon und waldeinwärts gelaufen. Nun mußte ich ihr nachsetzen, und sie narrte mich zwei volle Stunden herum. Ich hätte die Bestie ihrem Verhängniß überlassen, wärs mir nicht um meinen Mantel auf dem Sattel leid gewesen. Zum Glück kam mir ein Pflanzer zu Hilfe, der das Roß fing. Als ich aufsitzen wollte, ward es stätisch, wollte nicht mit mir umkehren; alle Beredsamkeit meines Mundes und meiner Peitsche blieben gegen diesen Eigensinn fruchtlos. Um nicht noch mehr Zeit einzubüßen, gab ich dem braven Landmann ein Trinkgeld, ließ ihn den Gaul heimführen, hing den zusammengelegten Mantel an einem Stecken über die Schulter, und wanderte sechs Stunden Wegs zu Fuß, bis zu dem Ort, wo meine Reisegefährten übernachten wollten. Den andern Tag erreichten wir endlich Nachmittags das ersehnte Vaterhaus.
Herr Hauptmann **, Eigenthümer dieser Niederlassung, empfing mich mit zuvorkommender Güte und Gastfreundlichkeit. Ich ward zuletzt bei ihm ganz heimisch. Wir besuchten die Umgegenden, musterten seine landwirthschaftlichen Anstalten, oder gingen mit einander auf die Jagd, die hier sehr reich und mannichfaltig ist, besonders an Truthühnern. Im Winter kann man sie mit Stecken todtschlagen. Der Hauptmann erzählte, er habe bei seiner Wohnung in einem Winter ein ganzes Dutzend getödtet, das Stück achtzehn bis zwanzig Pfund schwer. Noch häufiger ist, und eine wahre Landplage, in diesen Gegenden eine Art Eichhörnchen, die aber viermal größer sind, als die unsrigen in Europa. In einem einzigen Tage können sie mehrere Acker Mais vollkommen verwüsten. Daher wird unaufhörliche Jagd auf sie gemacht; aber sie sind schwer auszurotten, vermehren sich schnell und haben so zähes Leben, daß, wenn man sie nicht beim Schuß durch Herz oder Kopf trifft, sie mit zerschmetterten Gliedmaßen von Ast zu Ast, von Baum zu Baum springen und entwischen. Man ißt ihr Fleisch; es ist angenehm, kräftig und zart. – Man jagt auch Dammhirsche, Fischottern, Opossums, Raukuns und anderes Gewild dieser Art.
Von zahmem Vieh züchtet man vorzüglich Pferde, die 30 bis 40 Dollars kosten; Ochsen, das Paar 30 bis 36 Dollars im Preise; Schweine in Ueberfluß, davon man den Zentner mit 1 bis 1½ Dollars zahlt. Viehhändler, die das Land alle Jahr durchziehen, kaufen ganze Heerden zusammen und führen sie ostwärts den großen Städten, hundert, auch zwei- und dritthalbhundert Stunden weit, zu.
Die Staaten von Ohio, Indiana und Ober-Kentuky bieten dem Auge weder den Anblick hoher Gebirge, noch großer Ebenen dar. Es ist ein hügeliges Land, welches, von der Höhe übersehen, einem grünenden, wogenden Meer ähnlich sehen mag. Der Landwirth unterscheidet hier gern dreierlei Erdreich. Das beste ist das schwarze. Es befindet sich am meisten in den Niederungen, und vor seinem Anbau immer mit Wäldern bedeckt, besonders von ungeheuern Kastanien- und Nußbäumen, die zwar nur kleine, aber sehr süße Früchte tragen. Die zweite Gattung Erdreichs ist die rothe; es trägt gern verschiedene Arten schöner Eichen, steht aber im Feldbau an Güte dem schwarzen Grunde nach. Die dritte Gattung Bodens ist gelb, die am mindesten fruchtbare. Im Ohiostaat baut man am meisten Mais, Frucht, Waizen, Gerste, Haber, Erdäpfel u. s. w. an. Die Aernten sind immer äusserst ergiebig. Es ist in diesem Boden eine Fülle üppiger Lebenskraft.
Man darf nur die Wälder betrachten. Sie sind eine Zusammenschaarung von Riesenstämmen, davon man in Europa kaum Aehnliches erblickt. Glatt, ohne Moos und Flechten, kerzengerade schiessen die Stämme auf, die erst an den Gipfeln Zweige und Aeste tragen. Unter denselben ist der Boden mit grünem Rasen bedeckt, ohne jene Menge niedern Strauchwerks, welches in unsern europäischen Forsten zu wuchern pflegt. Weiden längs Bachufern sieht man eben so wenig. – Unter allen Bäumen aber ist der Sycomorenbaum durch seine Dickstämmigkeit am ausgezeichnetsten. Man erzählte mir davon Unglaubliches. Ich aber sah selbst einen, in dessen Innern ein Spezerei-, Material- und Liqueur-Laden gehalten ward, mit Thür und Fenster versehen. Wenn ein Sycomorenbaum anfängt, die Stammdicke von einem Schuh im Durchmesser zu erhalten, beginnt er schon von innen hohl zu werden. Daher macht man auch auf leichte Weise Tonnen daraus. Man durchsägt nur die Stämme, und versieht sie auf zwei Seiten mit einem Boden. Die Sycomoren gedeihen am besten auf dem fetten, frischen Grunde der feuchten Niederungen.
Das Verfahren bei Bereitung des Ahornzuckers ist bekannt genug. Die Pflanzer in den westlichen Staaten bereiten sich von Mitte Märzes bis Mitte Aprils auf diese Art ihren Zuckervorrath. Ein Kind, mit Pferd und Schlitten und Faß darauf, sammelt täglich das aus den angebohrten Bäumen abgeträufelte Wasser und führts nach Hause. Ein Baum mag binnen vierundzwanzig Stunden, unter begünstigender, sonnenheller, kalter Witterung, bis auf zwölf Maas Wasser geben, ohne Schaden für ihn. Ein Pflanzer macht sich für den Jahresbedarf seines Hauses gewöhnlich 150-200 Pfund solches rohen oder Staubzuckers. Andere, die damit Handel treiben, bereiten bei zwanzig Zentner desselben. Der Zentner gilt drei Dollars (das Pfund einen Batzen).
Hier kann's keinem Landmann übel gehen, der fleißig ist, und nur so viel Vermögen hat, sich ein freies Eigenthum zu kaufen, nebst Vieh, Saat und Lebensbedürfnissen für das erste und zweite Jahr. Von da an baut und erzieht er sich alles selbst, was er nöthig hat, und verkauft, gut oder schlecht, noch vom Ueberfluß. Unmerklich wächst mit der Bevölkerung umher, ohne sein Zuthun, der Werth seines Grundeigenthums.
Auffallend war mir hingegen, daß von großen Kolonialanlagen, die man in Europa schon aufs vollkommenste entworfen hatte, in der Wirklichkeit nachher wenige zu dem gediehen, was sie hätten werden sollen. Doch muß ich allerdings die des Hrn. Rapp ausnehmen, welche großentheils aus Deutschen besteht und zehn Stunden von Pittsburg liegt. Hr. Rapp gab ihr den schönen Namen Harmonie.
Nach zwanzig Jahren Arbeit daselbst wurde alles Land als Eigenthum verkauft, und die Kolonie, die ein ganzes Dorf mit mehr als tausend Seelen ausmacht, wohlversehen mit allem, was zur Landwirthschaft gehört, baut nun, übereinstimmend nach dem nämlichen einmal angenommenen Plan, die prächtigen Fluren von Wabasch, auf der äussersten Grenze des Indianastaats. Rapps Söhne, ihres Vaters Nachfolger, sind ausschließlich mit Ankauf und Verkauf alles dessen beauftragt, was für das Bedürfniß der Gemeinde erforderlich ist. Die Kinder müssen bis zum sechszehnten Jahre die Schule besuchen; dann werden sie zur Feldarbeit, zum Handwerk u. s. f. angehalten. Die Niederlassung hat ihre eigene Kirche und Schule; eigene Gemeindsverfassung und Gesetze, welche von den erwählten Aeltesten der Gemeinde vollstreckt werden.
Von allen Auswanderern, die aus Europa kommen, um sich in den Vereinstaaten mit ihren Familien niederzulassen, stehen sich offenbar wohlhabende Ländereikäufer und Handwerker oder Künstler am vortheilhaftesten, weil jene gewiß sind, ihre Kapitalien von Jahrzehend zu Jahrzehend im Werth anschwellen zu sehen; und diese, wenn sie geschickt und fleißig sind, ihre Waare ums Doppelte besser, als in Europa, bezahlt erhalten. Demungeachtet wird es gemeiniglich ankommenden Handwerkern und Künstlern anfangs sehr schwer, sich durchzubringen, und zwar aus ganz einfachen Gründen. Wenige verstehen die englische Sprache, und sind daher dem Zufall überlassen, wo sie Leute finden, um sich mit ihnen zu verständigen. Wenige kennen Einrichtungen, Verhältnisse, Bedürfnisse und Oertlichkeiten des Landes, um sich den für sie tauglichsten Platz zur Ansetzung auszuwählen. Wenige haben Geld genug mitgebracht, um aus eigener Kraft und mit aller Freiheit sich, wo und wie sie wollen, festzusetzen und Werkstätten zu eröffnen.
Alle diese Schwierigkeiten für den Künstler und Handwerker sind es weniger für den bloßen Feldarbeiter. Gewöhnt an Entbehrungen, seiner Leibeskraft und Arbeitslust vertrauend, schließt er sich denen an, die seine Muttersprache verstehen; kauft soviel Land und Wald, als er bedarf und mag, um wenig Geld, in leichten Zahlungsterminen; rodet den Wald aus, spielt ein paar Jahre den Robinson Crusoe in der Einöde, und hat dann ein großes Bauerngut, das ihn und die Seinigen reichlich erhält. Oder er tritt ein schon vorhandenes nur als Pächter an; oder hat er gar kein Vermögen, so dient er als Knecht, und spart seinen Verdienst zusammen.
Am übelsten fahren spekulirende Kaufleute, wenn sie mit europäischen Waaren nach Amerika kommen. Denn die Regierung, um die Gewerbe des Landes zu begünstigen, erhebt von fremden Gewerbsartikeln eine beträchtliche Eingangsgebühr. Ich selbst sah, daß man hier Waaren aus europäischen Manufakturen um dreißig und fünfzig Prozent unter ihrem wahren Werth losschlagen mußte.
Ich habe bei dem Allem unter den Ansiedlern Kaufleute, Künstler, Handwerker und Landleute in Menge gefunden, die sich eines Wohlstandes freuten, dessen sie in der alten Welt nie theilhaft zu werden hoffen konnten. Ich habe keinen im eigentlichen Elend gefunden, und der, wenn er auch keinen Pfennig baar Geld in der Tasche trug, gesagt hätte, er habe Hunger gelitten oder keine Kleider mehr gehabt.
Das Volk der Reisebeschreiber, zu dem ich jetzt, was anfangs gar nicht mein Plan war, selbst gehöre, streut über Zustand, Treiben und Wesen der nordamerikanischen Vereinstaaten die verworrensten, oft geradezu die falschesten Vorstellungen in Europa aus. Ich habe deren viele vor meiner Reise und nachher gelesen. Die meisten beschreiben weniger Amerika, als vielmehr sich selbst in Amerika, woran am Ende wenig gelegen ist. Vielleicht begegnet mir dasselbe, ohne daß ichs weiß und will; aber ich weiß und will auch keine Beschreibung vom jetzigen Zustand jener Gegenden geben, sondern nur guten Freunden erzählen, was ich auf einer Lustfahrt sah und hörte, und bilde mir wenigstens ein, ziemlich unbefangen zu sein.
Unter den Reisebeschreibern mögt' ich den Preis der vollen Unbefangenheit noch immer dem weisen, gründlichen Rochefoucauld-Liancourt geben. Er liefert ein recht treues Bild von dem Amerika seiner Zeit. Aber seine Zeit war beinahe vor dreißig Jahren. Und in Amerika sind, was Fortschritte des Anbaues und der Gesittung betrifft, dreißig Jahre so viel, als in Europa drei halbe Jahrhunderte. Könnte er die Gegenden, die er einst sah, jetzt wieder sehen, er würde die wenigsten wieder erkennen.
Den Preis, welchen er verdient, möchte ich am allerwenigsten einem andern Reisenden ertheilen, von dessen Irrfahrten mir zwei dicke Bände in die Hände gefallen sind. Ich las sie um so neugieriger, weil ich von dem Manne, er heißt Gall, schon an einigen Orten in Amerika wunderliche Sachen gehört hatte. Man lachte da über ihn. Er hatte überall Händel gehabt. Er zankte sich mir den Kaufleuten, wegen Bestellungen; mit den Schiffern, wegen Fuhrlohns; mit den Wirthen, wegen der Zeche; mit den Lastträgern, wegen seines Gepäcks; – beinahe aller Orten, wohin er kam, hatte er Geschäfte vor den Scherifs und Richtern. Und das verschweigt er selbst in seinen zwei Bänden nicht. Er zankt auch da noch fort. Am unanständigsten fällt er gegen das achtbare Haus Le Roy Bayard u. Komp. in New-York aus, womit er freilich dem guten Namen desselben weniger, als seinem eigenen geschadet haben mag. Denn wer glaubt einem solchen Allerweltsmißvergnügten? Ihm gefiel in Amerika wenig oder gar nichts.
Solcher gallsüchtigen Reisenden gibts nun freilich wenige in Amerika; desto mehr gibts der entzückten Lobredner. Ich will diesen zwar ihr Entzücken gönnen; ich kann es mir aus dem grellen Abstich, welchen sie zwischen diesen wahrhaft freien Staaten und ihren europäischen Heimathen fanden, gar leicht erklären und entschuldigen.
Europa ist schon eine ältliche, ehrbare, an ihr Herkommen gewöhnte Matrone; alte Damen machen nicht gern neue Moden mit, wenn sie auch bequemer, einfacher und geschmackvoller sind. Ihre junge Tochter Amerika ist im aufknospenden Blüthenalter des Mädchens. Laßt diese Schöne nur so alt werden, wie ihre Mutter, und sich dann wieder im Spiegel sehen. Ich wette, sie hängt dann auch an verderblichen Gewohnheiten und verrosteten Moden, und beneidet die junge Australia. Schöner, daran zweifle ich nicht, wird sie, als die Mama Europa, denn diese hat auch noch gar zuviel von den barbarischen Zügen ihrer Frau Mutter Asia.
Europa erhielt von ihrer orientalischen Mutter eine gar kärgliche Aussteuer, als sie ihr eigenes Haus zu machen anfing. Späterhin freilich wohl noch einige ehrenwerthe Geschenke, z. B. das Christenthum und den Handelsverkehr. Allein was sie Gutes haben wollte, mußte sie selbst erwerben, erarbeiten, ersinnen. Amerika hingegen ward von dem ganzen Schatz ihres Wissens und Könnens ausgesteuert, und würde des Vorwurfs aller Weltalter werth sein, wenn es sein Hauswesen nicht vernünftiger, bequemer und freier eingerichtet hätte.
Wir wollen, um gerecht gegen die neue Welt zu sein, nicht ungerecht gegen unsere liebe, mürrische Alte werden. Es ist wahr, dort zahlt man keine Abgaben, von denen die europäischen Unterthanen stets niedergedrückt sind; man zahlt keine Zehnten, keine Bodenzinse u. s. w., sondern nur von jedem Acker einen Sol. – Allein man muß nicht vergessen, daß die amerikanische Regierung auch im Besitz von Geldquellen ist, deren in Europa wenige sind. Denn ausser den Zöllen von fremden Waaren, dem Ertrag der Posten und dem Tonnengelde der Schiffsfrachten, treibt sie Handel mit verkaufbaren Ländereien in den unermeßlichen Gebieten. Da hat sie noch auf lange Zeit Waarenvorrath, der ihr ein Jahr ins andere sechs bis sieben Millionen Dollars abwirft.
Ja, rufen die Entzückten, in Amerika sind keine kostspielige Hofhaltungen, keine übermäßig besoldete Minister und Beamte. Da erhält ein Präsident der vereinigten Staaten, der vier Jahre lang in höherer Macht, als ein europäischer Premierminister dasteht, jährlich 25,000 Dollars (125,000 Francs) und muß damit noch alle Ehrenausgaben während der Kongresse gegen die Gesandten der ersten Mächte, alle Gastereien u. s. w. bestreiten. Der Staatssekretair, wie der Schatzkammersekretair hat jährlich nur 4000 Dollars (20,000 Fr.), die amerikanischen Gesandten in Europa haben jeder 1800 Pf. Sterl., mehr nicht. – Wenn man nun damit die europäischen Besoldungen ähnlicher Stellen vergleicht, und gar noch die von England!
Vollkommen richtig. Allein auch mit dem ehrlichsten Willen läßt sich das in Europa nicht so leicht bestellen. In Europa lebt man wie in einer großen Stadt, wo ein gewisser Ton nun einmal herrscht, den Einer allein nicht abschaffen kann; wo man Manches, auch wider Willen, ehrenhalber mitmachen muß. Auf dem Lande lebt man eben, wie man will; kann sparen, ohne sich darum anderer Vortheile zu begeben; legt sich keinen Zwang an. – Nun denn, in Amerika lebt man wie auf dem Lande. Zieht einer in die Stadt Europa, behält er seine Einfachheit ohne Schaden bei, weil man's an ihm einmal gewohnt ist, und weil er – mehr Geld nicht hat.
In Amerika ist freier Handelsverkehr. In Europa wird aller Gewerbsfleiß und Waarenvertrieb im Netz von Mauthen, Zöllen, und Handelsabgaben gelähmt, verstrickt und erwürgt. – Ich gebe es zu, die europäischen Regierungen thun aber in der That nicht anders, als die amerikanische. Auch diese beschwert Einfuhr fremder Artikel mit Abgaben, um den inländischen Gewerbsfleiß zu erhöhen. Der Unterschied ist nur, daß in Europa die selbstherrlichen Gebiete gar zu kleine Landstückchen sind, während der amerikanische Bundesstaat eins ist. In Europa sorgt jeder König und Fürst für sein Ländchen, dessen Interessen verschieden von dem der Nachbarn sind. Daher das heillose Zoll- und Mauth-Netz, welches über den ganzen Welttheil ausgespannt ist. Europa, ein großer, einziger Bundesstaat mit vollkommener Handelsfreiheit, würde ein blühender Welttheil werden. Aber die Aufgabe ist etwas schwer zu lösen, wie man wohl begreifen wird.
Eben so ist's mit den kostspieligen, stehenden Heeren. Die Amerikaner haben nur 6000 Mann stehenden Kriegsvolks zu besolden; aber ausserdem ist jeder Bürger Krieger, wenn Krieg ist; und die Zahl dieser in Waffen geübten Milizen beträgt gegenwärtig volle 900,000 Mann. Wenn nicht alle europäischen Mächte einstimmig und alle zu gleicher Zeit ihre Armeen auflösen und das amerikanische System annehmen, möchte der Versuch dazu wahrlich keiner einzelnen Macht für sich allein zu rathen sein, wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, von einem der christlichen Nachbarn ganz unerwartet, mit Mann und Roß, verschlungen zu werden.
Wie in diesen Stücken, so in vielen, wenn auch nicht allen. Wer in Europa die unläugbaren Vortheile Amerika's einführen will, muß vor allen Dingen erst dafür sorgen, daß er die Verhältnisse der Natur, Oertlichkeit und staatsthümlichen Lage aus den Vereinstaaten über das Weltmeer nach unserm Welttheil bringe. Dann wird sich alles leichter machen. Vor der Hand wollen wir zufrieden sein, wenn man sich nur dem möglichen Bessern allmälig nähert; den Kastenunterschied mildert; den Volksunterricht allgemeiner macht und bessert; im Zoll- und Mauth-Netz einige Maschen erweitert; die Ministerialwillkühr durch gesetzgebende Kammern beschränkt; und den allbelebenden, alles erhebenden, freien Verkehr in der geistigen Welt, nicht durch Posten- und Stämpel-Abgaben der Finanzspekulation und durch Zensur- und Preßzwangsgesetze blödsichtiger, oder furchtsamer Finsterlinge lähme oder tödte.
Fast zu lange schon für den Ueberrest meiner Zeit hatte ich mich in der Kolonie des wackern Hauptmanns verweilt. Ich mußte endlich aufbrechen. Sein trefflicher Sohn wollte mich, was mir sehr angenehm war, noch bis zur Stadt Cincinnati begleiten. Ich miethete ein gutes Pferd, und schon nach zwei Stunden waren wir zu Athen im Ohiostaat.
Dies amerikanische Athens ist eine ganz junge achtjährige Stadt von ohngefähr hundert Häusern. Ich war schon einige Tage früher daselbst zum Besuch gewesen und in einige angenehme Bekanntschaften eingeführt worden. Das Beste hier, und was des Namens der Stadt das Würdigste sein muß, ist die höhere Lehranstalt, oder das Kollegium des Ohiostaates. Das dazu bestimmte große Gebäude ist in einem edeln Styl aufgeführt, und die Zahl der Studirenden schon beträchtlich, so daß dies Athen das Ansehen einer kleinen Universität gewinnt.
Die Regierung der Vereinstaaten, und so hinwieder die Regierungen der einzelnen Freistaaten Nordamerika's, sparen keine Kosten für Erweiterung und Erhebung des öffentlichen Unterrichts. Denn ihnen ist klar, daß, wie der einzelne Mensch sich nur durch höhere Einsicht und Geschicklichkeit gegen Andere in ein Uebergewicht zu setzen im Stande ist, auch nur eine Nation durch allgemeine Bildung und höhere Geistesentwickelung andern Nationen überlegen werden kann, wie es Griechenland einst gegen den Orient, Rom gegen Europa und Afrika war, England jetzt, und noch Frankreich, gegen die neuern Völker ist. Man hat in Amerika nicht blos die gemeinen Anfangs- und Bürgerschulen, oder dann Gymnasien und Universitäten für die, welche sich blos dem gelehrten Stande widmen, sondern eben so viele polytechnische Institute für die, welche sich den Künsten, Gewerben und Fabriken weihen. Denn ein Staat, der leidlich organisirt heißen will, bedarf im Verhältniß seiner Volksmenge bei weitem nicht so viel Juristen, Mediciner, Theologen und Philologen, als Handwerker, Mechaniker, Chemiker, wissenschaftlicher Landökonomen, Fabrikanten, Kaufleute u. s. w.
Auch bemerkt man in Amerika deutlich, daß das Streben nach Bildung, Aufklärung und Kenntnissen im Volk ohne Unterschied der Kirchparteien allgemein ist, und die Katholiken darin den Evangelischen nicht nachstehen, weder von ihren Geistlichen zurückgehalten werden, noch sich zurückhalten lassen. Dadurch wird jener auffallende Unterschied der öffentlichen Bildung und des Wohlstandes zwischen katholischen und evangelischen Gemeinden, Provinzen und Staaten, der in Europa bemerkt wird, in Amerika verhindert. Es ist allgemein bekannt, wie weit in unserm Welttheil, und zwar in dieser Hinsicht, Spanien, Portugal, Sicilien, Irland, und selbst der Großtheil der österreichischen Länder den evangelischen Staaten nachstehen. Man könnte ähnliche Demarkationslinien in Deutschland und der Schweiz ziehen; und Frankreich dankt den ganzen Ruhm seiner Ueberlegenheit nur seiner nordöstlichen Hälfte, die von jeher dem priesterlichen und mönchischen Einfluß mehr, als die südliche Hälfte widerstand.
Wir ritten längs dem linken Ufer des Hokaking hinauf, der von Norden kömmt, und sich bei Troy unterhalb Belpré in den Ohio ergießt. Durch das Städtchen Nelsonville kamen wir von Wald in Wald. Es ward Abend. Wir sahen uns gezwungen, mitten in den Wäldern, in einer einsamen Hütte, ein Nachtlager zu suchen. Dies Bauerhaus, wie es da so vor uns lag, aus übereinander gelegten, unbehauenen Holzstämmen zusammengefugt, deren Zwischenräume, um Luftzug zu meiden, mit Erde und Moos ausgestopft waren, – machte einen traurigen Anblick und unbehaglichen Eindruck. Indessen wir kehrten ein.
Man kann sich mein Erstaunen leicht denken, als ich in's Haus trat, und den Fußboden der Stube mit einem sehr schönen türkischen Teppich bedeckt, Tisch, Stühle und anderes Zimmergeräth von Akajuholz, und uns nachher in Porzellan- und Silbergeschirr bei Tisch bedient sah. Mehr, als das Alles, erregte aber die sehr saubere Kleidung, die Liebenswürdigkeit und Bildung dieser einsamen Pflanzerfamilie meine Theilnahme. Wir hatten einen genußreichen Abend.
Früh andern Morgens machten wir uns auf, um Mittags in Neu-Landcaster zu sein. Es ist dies eine zehnjährige Stadt, von 2000 Einw., die von meistens Deutschen gegründet worden ist, welche sich aus Lancaster in Pensylvanien größern Vortheils willen hierher begeben hatten. Wir machten von hier aus einen Abstecher zu einem Pflanzer, zwei Stunden von da, der schweizerischer Abkunft war, und bei dem wir übernachteten. Dann gingen wir Tags nachher nach Landcaster zurück, und, um es kurz zumachen, über Chilicothe, Bainbridge, Hillsborough, Williamsborough und Batavia nach Cincinnati.
Dies alles sind ganz neue Städte, die höchstens 3000, wenigstens 1200 Einwohner haben. In Chilicothe, am ziemlich beträchtlichen Scioto-Strom, befremdete uns, mehrere Häuser und Kaufläden gänzlich geschlossen zu sehen. Wir erfuhren, daß eben ein bösartiges Fieber herrschte, welches schon viele Leute weggerafft habe. Mit Ausnahme von Neu-Orleans, welches alljährlich zur Zeit der Hitze, im Juli, August, September seine regelmäßige Fieberzeit hat, ist Chilicothe der einzige Ort in den Vereinstaaten gewesen, wo dies Jahr die bleiche Noth eingekehrt ist.
Eine Stadt von der andern, unter den obengenannten, ist acht bis sechszehn Stunden entlegen. Von einer zur andern führt eine äusserst mittelmäßige Landstraße, fast durch immerwährende Waldungen. Nur in Zwischenräumen von vier, fünf, sechs Stunden erblickt man etwa eine einzelne Pflanzerhütte. Und auch diese ärmlichen Hütten sind noch ganz neu, erst von angekommenen Ansiedlern aufgeschlagen, zwischen Wäldern und wilden Wiesen.
Diese Wiesen sind große Savannen; man heißt sie jetzt noch in Amerika Büffel-Wiesen, weil hier die Büffel ehemals ganz einheimisch waren. Nun aber sind diese Thiere seit zehn Jahren aus den Staaten Ohio und Indiana beinahe gänzlich verschwunden. Auf den Wiesen, obgleich sie mit den Wäldern in gleicher Ebene liegen, wächst kein einziger Baum, kein Gebüsch und Gesträuch. Alles ist mit hohem Grase und Kraut dick überwachsen.
Wohldurchnäßt, bei tüchtigem Regenwetter, kamen wir endlich nach Cincinnati, wo wir im zierlichen Gasthof Washington-Hall ohngefähr dreißig Reisende beim Nachtessen fanden, und uns erquickten.
Cincinnati im Ohiostaat, liegt an der Südgrenze von Kentuky, an der Westgrenze von Indiana, sehr vortheilhaft auf dem rechten Ufer des Ohio. Die Stadt wurde im Jahr 1790 gegründet; hatte noch im Jahr 1798 nur hölzerne, grobgezimmerte Häuser, ist jetzt aber sehr hübsch, und nach dem Plan von Philadelphia gebaut, und zählt 14,000 Einwohner. Sie steht 75 Schuh höher, als der mittlere Stand des Ohio. Denn dieser Fluß steigt, wenn der Schnee schmilzt, oder nach starken Regengüssen, über 45 Schuh hoch, und bespült dann sogar den Fuß der ihm nächstgelegenen Häuser. Von solchen ungeheuern Anschwellungen eines Stroms kennt man in Europa nichts Aehnliches.
Eben diese anmuthige und bequeme Lage Cincinnati's bewirkt schnelle Vergrößerung und lebhaften Verkehr der Stadt. Täglich kommen Dampfboote an, oder gehen ab. Es sind von hier bis Neu-Orleans noch 540 Stunden. Ein Dampfboot fährt stromab in acht Tagen dahin. Hingegen von Cincinnati weg stromauf nach Pittsburg sind nur 280 Stunden; das Dampfboot braucht aber zehn Tage dazu.
Man weiß, am Ohio war in der Urwelt eine recht eigentliche Heimath jener verschwundenen riesenhaften Thierart, die den Namen der Mammuth trägt, und Cuviers Forscherblick und Fleiß schon in mehrere Arten getheilt hat. Ich sah zu Cincinnati eine ganz kostbare Sammlung von Ueberresten dieser ungeheuern Gerippe. Ein Zahn, von der Gestalt eines Elephantenzahns, hat die Länge von 6 Schuh, und ist 150 Pfund schwer. Diese Sammlung ist im hiesigen Museum, wo man auch andere Natur- und Kunstseltenheiten Amerika's, eine lebendige Klapperschlange in einem eisernen Käfig, Mineralien, Kleider, Schmuckwerk und Waffen der Indianer, die noch vor einigen Jahren nicht weit von der Stadt wohnten, schöne Oelgemälde von amerikanischen Künstlern u. s. w. aufgestellt findet. In einem anstoßenden Saale versammelt sich täglich Abends sehr zahlreiche Gesellschaft, um die Zeitschriften und Blätter aus allen Gegenden der Vereinstaaten zu lesen. Viermal wöchentlich hält hier Herr Dorfeuil, der die Güte hatte, mich ins Museum einzuführen, ein gelehrter, liebenswürdiger Canadier, öffentliche Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände. Die andern Tage sind Konzerte im Musiksaal, dessen Hintergrund eine sehr reichgebaute Orgel ziert, auf welcher Herr Dorfeuil meisterhaft spielt.
An der Gewerbigkeit einer solchen Stadt wird wohl Niemand zweifeln. Da wohnt ein geselliges Mirmidonenvolk, wovon wenigstens die Hälfte aus Engländern, Deutschen, Italienern, Schweizern und Franzosen besteht, die alle mit Freuden ihren alten Vaterlanden entsagt haben. Fast bei allen Gewerben verrichten Dampfmaschinen ihren Dienst, die auch die Brunnen sämmtlicher Stadtviertel mit Wasser versehen müssen. Die größte Dampfmaschine, deren künstlicher Bau bewundernswürdig, ja einzig in seiner Art gewesen sein soll, war wenige Wochen vor unserer Ankunft abgebrannt. Sie hatte zu gleicher Zeit mehrere Mahl- und Sägemühlen, dann ein Distillirwerk, eine Baumwollenspinnerei und endlich noch eine Wollkrämpelmaschine getrieben.
Mein junger Begleiter und Freund verließ mich in Cincinnati und kehrte zur Kolonie seines Vaters zurück. Ich gab ihm mein Pferd mit, und bestieg ein Dampfboot, den Spartaner, das nach Madison, einem Städtchen in Indiana, ohngefähr fünfunddreißig Stunden zu Wasser von Cincinnati, abfuhr. Ich wollte eigentlich nach Neu-Vevay, das zehn Stunden näher liegt, um dort einige alte, europäische Bekannte und Freunde zu besuchen. Der kleine Umweg verschlug mir nichts. Auf dem Spartaner fand ich ein Dutzend Reisende, die bei meinem Eintritt ins Zimmer alle mit Lesen oder Schreiben beschäftigt waren.
Das Boot flog schwalbenschnell längs den hohen, schroffen Waldufern des Ohio dahin. Von Zeit zu Zeit gingen flüchtig, wie Zauberlaternenbilder, schöne Landhäuser und malerische Pflanzer-Einsiedeleien an uns vorbei. Die Dampfboote auf dem Ohio, obgleich die Bedienung der Gäste, wie überall, vortrefflich ist, sind doch minder groß, als auf dem Hudson, und platter, daher auch in ihrer Mechanik anders eingerichtet. Der Grund davon liegt darin, daß sie beim niedrigen Wasserstande, vom Juli bis November, leichter über die zahlreichen Sandbänke hingleiten können.
Wir waren Mittags von Cincinnati abgefahren, den andern Morgen um sechs Uhr befand ich mich in einer der fruchtbarsten Landschaften am Ohio zu Madison. Nachts ging ein Dampfboot stromauf nach Vevay, das ich benutzte.
Bekanntlich wurde Neu-Vevay im Ohiostaate von den drei Brüdern Dufour, aus dem Kanton Waat, im Jahr 1802 gegründet. Diesen Schweizern folgten noch in demselben Jahr, und in den folgenden, mehrere ihrer arbeits- und freiheitslustigen Landsleute. Anfangs legten sie sich besonders auf den Weinbau, wozu sie die Pflanzen aus ihrem Vaterlande mitgebracht hatten. Diese Reben trieben sogleich ausserordentlich, waren sehr saftvoll, aber plötzlich im August starben sie ab. Eben so fruchtlos blieben spätere Versuche mit den Pflanzen vom Ufer des Genfersees. Jetzt aber haben sie, und mit besserm Erfolg, Reben vom Kap der guten Hoffnung und von der Insel Madera angepflanzt. Sie gedeihen gut, und bei achtzig Jucharten Landes sind schon damit bedeckt. Die Rebstöcke sind in lange Reihen, spalierartig gesetzt, und eine Reihe von der andern ist so weit, daß der Pflug zwischen durch kann, weil man sich dessen hier bedient. Ich fand die Trauben damals schon reif. Die Beeren sind von einer dunkeln Schwärze, groß wie Pflaumen, und haben eine dicke Haut. Ihr Geschmack ist himbeerenartig, ziemlich angenehm. Auch der Wein behält diesen Himbeergeschmack lange. Doch trank ich auch einen hellrothen, sehr alten, der wenig vom rothen Neuenburger in der Schweiz verschieden war.
Jetzt wohnen in Vevay ohngefähr hundert Familien aus der Schweiz, und eben so viele amerikanische. Da die Lage des Orts gewiß angenehm, der Boden ergiebig, das Klima mild ist, sollte er wohl bevölkert sein. Denn weit umher und ringsum ist eine Menge von Landhäusern und Pflanzungen. Man sagte mir aber, die Herrn Dufour, die das Land alles von der Regierung an sich gekauft hatten, wären anfangs, mit dem Preis der Grundstücke, bei deren Wiederverkauf zu theuer gewesen. Sie hätten sogleich daran ein Gutes gewinnen wollen, und blos davon meistens an Amerikaner verkaufen können, von denen nachher die wenigsten im Stand gewesen seien, zu zahlen. Viele Schweizer setzten sich daher in der Nachbarschaft an, wo sie eben so gutes und wohlfeiles Land fanden und sich gegenwärtig sehr gut stehen. Wären alle Höfe derselben in Vevay vereint, würde dies eine der beträchtlichsten Kolonien sein.
Trotz dem, daß Vevay nur aus zwei oder drei leidlichen Straßen besteht, führt es doch den Namen einer Stadt. Die Gassen, die noch künftig werden sollen oder können, die einstigen öffentlichen Plätze, Märkte u. s. w. sind schon vorgezeichnet und vorbehalten.
Denn, wie ich's schon gesagt habe, hier zu Lande entstehen die Städte nicht, wie in der alten Welt, durch eine Reihe von Zufälligkeiten im langsamen Gang der Jahrhunderte, sondern durch einen Regierungsbeschluß, ehe sie noch da sind. Die Regierung der Vereinstaaten läßt nämlich die weitläuftigen Landstriche, welche sie durch Eroberung oder Kaufverträge von den Stämmen der Indianer erworben hat, durch angestellte Sachkundige untersuchen, vermessen und chartiren. Dann wird das Ganze in »Stadtschaften« oder, weil man dies deutsche Wort nicht gebraucht, in Stadtgebiete (Town-Ships) eingetheilt. Jede Stadtschaft besteht aus fünfunddreißig Abschnitten; ein Abschnitt enthält 640 Jucharten Landes, die Juchart zu 36,000 Geviertschuh. Einen oder zwei von den in allen Hinsichten am vortheilhaftesten gelegenen Abschnitten, in der Nähe eines Flusses oder Sees, in angemessener Entfernung von bestehenden Städten, liest man zur Gründung der dereinstigen Stadt aus; entwirft dazu die Anlage der Straßen und öffentlichen Plätze; bestimmt die Stellen, wo die öffentlichen Gebäude stehen sollen, und läßt den übrigen Stadtraum frei, sich zur Anlegung von Wohngebäuden u. dergl. zu verkaufen.
Die dem Stadtraume zunächst gelegenen vier Landabschnitte bleiben jedesmal Staatsgut. Es sind diese drittehalbtausend Juchart von der Regierung zur Unterhaltung einer höhern Schulanstalt, eines Kollegiums, oder anderer Staatseinrichtungen für das Gemeinwesen geweiht.
Die noch übrig gebliebenen andern neunundzwanzig oder dreißig Landabschnitte, die zusammen über 19,000 Jucharten betragen, werden vom Staat an die, welche sich ansiedeln wollen, verkauft, die Juchart zu ein bis fünf Dollars, je nach der Güte des Bodens, oder der Nähe einer Stadt, eines Flusses u. s. w. In Indiana, auch in Illinois, wo die Bevölkerung bis jetzt noch schwach ist, kauft man auch die Juchart sehr gut gelegenen Landes um einen halben Dollar. Die halbe Zahlung wird baar geleistet, die andere Hälfte in langen Fristen.
Seit dem Eintritt der fruchtbaren Jahrgänge nach 1817 ist der Werth der Grundstücke, wie in Europa, auch in Amerika beträchtlich gesunken. Bei Athen z. B. ward noch vor fünf Jahren die Juchart mit fünf Dollars bezahlt; gegenwärtig sind ein und zwei Dollars der laufende Preis. Man bot mir in Vevay ein Landgut an; es hatte zwei Häuser von gezimmertem Holz; beim Wohnhaus einen Garten mit 500 reichtragenden Obstbäumen; 192 Juchart Land, davon sechszig urbar gemacht und zwei Rebland waren. Das Alles bot man mir für 1000 Dollars (225 Luisd'ors) baare Zahlung an. Für eben dies Bauergut zahlte die Familie Gaulay vor zehn Jahren 3000 Dollars, wiewohl davon noch nicht halb so viel Boden zum Anbau aufgebrochen war.
So sind die neuern Staaten des Bundes alle in Stadtschaften oder Townships eingetheilt. Jede Stadtschaft mag also ohngefähr zehn Geviertstunden Flächenraums betragen.
Der Grund und Boden bei Vevay, so wie im größern Theil des benachbarten Indiana, ist sehr fruchtbar. Die Rebengelände liegen alle in der Ebene, nirgends an Hügeln. Zwar eine Viertelstunde von der Stadt erhebt sich der Boden hügelartig; er ist aber leicht und sandig, und der Regen, welcher, wenn er hier fällt, stromweis niederrauscht, würde das gute Erdreich bald hinwegwaschen. Man baut hier übrigens alle Getreidearten, wie in Europa; das Obst gedeiht herrlich, besonders sind die Aepfel von ungemeiner Größe, saftreich und kräftig. Man bereitet deswegen viel Aepfelwein, den man mit Whisky (Branntewein), ein Maß auf zwanzig Maß Cidre, versetzt. Es ist ein vortreffliches Getränk und hat daher sehr großen Absatz. Der hiesige Whisky wird aus Korn und Mais gebrannt. Mais gedeiht im Uebermaß. Ich sah Felder, deren Maispflanzen eine Höhe von fünfzehn bis zwanzig Fuß hatten, jede mit dicken, schuhlangen Aehren belastet.
Alle diese ländlichen Erzeugnisse finden aber ihren besten Preis und Absatz nur in Neu-Orleans. Darum gehen mehrere Einwohner von Vevay regelmäßig alle Winter mit großen Schiffsladungen ihrer Aernten dahin. Gewöhnlich fahren sie Ende Oktobers ab und sind sechs Wochen unterwegs. Der Preis ihrer Waaren wechselt, je nachdem viele oder wenig Fahrzeuge aus dem Innern des Landes in gleicher Absicht angekommen, oder viele oder wenig Schiffe von Mexico und Südamerika erschienen sind, um Einkäufe zu machen. Die Natches-Zeitung gab die Zahl der aus dem Innern nach Neu-Orleans gekommenen, mit Feldfrüchten beladenen Fahrzeuge, während des Winters von 1823 auf 1824, zu 12,400 an. Man kann sich daraus einen Begriff von der Masse der ausserordentlichen Aernten machen, die noch im Lande selbst verbraucht wird.
Die Staaten Ohio, Indiana, Illinois, Virginien und Kentuky insgesammt bringen auf den Markt von Neu-Orleans ohngefähr dieselben Erzeugnisse, nämlich Getraide, Semmelmehl, Whisky, Aepfelwein, gemeine und süße Erdäpfel, eingesalzenes Rind- und Schweinefleisch, gedörrte und gegerbte Häute, Potasche, Fett, lebende Schweine, Schafe und Geflügel. – Die Staaten Tennesee und Alabama hingegen liefern Baumwolle; der Missisippi- und Misouri-Staat Ahorn- und Rohr-Zucker.
Die zahlreichen Wasserstraßen Nordamerika's erleichtern die Verbindung und den Verkehr der entlegenen Gegenden ungemein. Und doch sehe ich, was da ist, nur noch als natürliche, rohe Anfänge an, welche, mit Ausnahme der Dampfboote, die Hand der Kunst bisher noch nicht berührt hat. Es sind nur erst ein Paar Hauptkanäle geschnitten; Spielraum bleibt noch für andere übrig. Eine Menge kleinerer Gewässer lassen sich noch zum Verkehr in Werth setzen. Die vornehmsten, das heißt schiffbaren Ströme, welche sich alle in den Ohio und Missisippi werfen, sind der Kanhaway, der Scioto, der Miami, der Kentuky, der Wabash, der Illinois, der Tennesee, der Cumberland, der Missouri, der Acansas und der rothe Strom.
Alle westlichen Staaten haben demnach nur einen einzigen Hauptmarkt, Neu-Orleans, dem sie ihre Waaren zuführen können. Es geschieht dies auf Fahrzeugen, die alle von gleicher Bauart, achtzig Schuh lang, sechszehn breit, und mit zwei Verdecken versehen sind. Man heißt sie Flatboats (Flachboote). Beladen gehen sie 3½ Schuh tief in's Wasser, und ragen eben so weit hervor. Ein Mann mit dem Ruder am Vordertheil, ein anderer hinten am Steuer, lenken das Schiff beständig in die Mitte der Flußströmung. Wo die letztere stark ist, legt man in einer Stunde anderthalb Wegstunden zurück, wo sie gering ist, nur die Hälfte. Nachts wird das Flatboat irgend an einen Baum festgebunden, und stillgehalten. Flußaufwärts wird es nie wieder gebracht, sondern, angelangt an seinem Bestimmungsort, verkauft mans um Spottgeld. Was auf dem Bauplatz 100 bis 120 Dollars gekostet hat, schlägt man um zehn Dollars mit Vergnügen los; die mit solchen Schiffen gekommenen Personen kehren dann auf Dampfbooten wieder in ihre Heimathen zurück.
Leider erfährt man noch jedes Jahr von Unglücksfällen auf diesen gewaltigen Flüssen. Alle Schifffahrtskunst hilft dagegen nicht. Die Strombetten ändern häufig; entwurzelte, riesenartige Bäume lagern sich quer ein. Sandbänke und selbst Inseln treten hervor, wo sonst keine waren. Ein Schweizer, der auf die Art in einem Jahr zwei befrachtete Fahrzeuge verloren hatte, erzählte mir, daß er, nach seinem Unglück, erst vernommen, es hätten wenige Tage zuvor zwölf Fahrzeuge das nämliche Schicksal in der nämlichen Gegend erfahren.
Herr Morero in Neu-Vevay erzählte mir, er sei im Februar 1823 auf dem damals größten Dampfschiff, genannt der »Tennesee«, den Missisippi heraufgefahren. Wie das Fahrzeug in der Höhe der Natches war, schoß es gegen einen Baum, der noch fest an den Wurzeln hangend, mitten im Wasser lag, und mit seinem Wipfelende den Kiel des Schiffs durchbohrte. Es war neun Uhr Abends, finstre Nacht, bei kaltem Regenwetter. Die Piloten und Mechaniker machten sogleich Lärmen. Die Reisenden auf dem Verdeck, ihrer ohngefähr neunzig Personen, hatten den Stoß gespürt und die Gefahr blieb ihnen kein Geheimniß. Der Kapitain, schon im Bett, sprang auf, lief umher zu den Reisenden, die zum Theil auch schon in den Betten im Zwischenverdeck waren, kündigte ihnen die Gefahr an und mahnte sie, an ihre Rettung zu denken. Während er noch redete, ging er zur Thür, die zur Dampfmaschine führt; indem er sie öffnete, um hineinzutreten, stürzte durch die Erschütterung des Fahrzeugs eine Holzbiege in der Nähe zusammen und verrammelte die Thür. In demselben Augenblick ging auch das Schiff unter, um nie wieder zu erscheinen. Alle spätere Nachforschungen, es zu finden, sind fruchtlos geblieben. Die Personen, die zwischen den Verdecken waren, hatten indessen das, was sie in ihren Reisekisten vom Besten besaßen, genommen und sich damit ins Wasser gestürzt, um schwimmend ein Ufer zu erreichen. Da blieben sie, ungewiß ihres Looses, die lange, finstere, regnerische Winternacht, vor sich die brüllende Fluth, hinter sich Felsen, mit den Füßen noch tief im Wasser. Von etwa 150 Personen, die überhaupt auf dem Dampfboot gewesen waren, hatten nur achtzig das Leben davon gebracht. Der junge Morin, der nun seine Reise zu Lande fortsetzte, kam erst Ende Aprils in Vevay an, wo man ihn schon zu den Todten gerechnet hatte.
Auch in Vevay wird die englische Sprache, wie überall in den Vereinstaaten, nach und nach die herrschende Landessprache werden, obgleich mehr als die Hälfte der Einwohner nur die deutsche und französische aus Europa mitbrachten. Schon jetzt werden die Sitzungen des Gerichts, in denen ein Herr Dufour erster Richter ist, in englischer Sprache gehalten. Derselbe Fall ist in den öffentlichen Schulen und bei den gottesdienstlichen Versammlungen. Diese Uebung waltet in allen Umgegenden von Vevay, tief ins Gebiet von Kentuky hinein, obgleich auch dort die Hälfte der Bevölkerung aus Deutschen und Franzosen zusammengesetzt ist. Man findet da nicht einen einzigen Geistlichen, der in diesen beiden Sprachen predigt.
Man läßt sich diese anfangs peinliche Unbequemlichkeit, eine neue Sprache zu lernen, gern gefallen, weil sie zweckmäßig ist. Zudem sind die Vortheile zu groß, Bürger dieses neuen und väterlichen Vaterlandes zu sein. Bürger ist man nach fünfjährigem Aufenthalt in demselben, wenn man den Eid der Treue geleistet und geschworen hat, nicht in Dienst, Amt, Gehalt irgend einer europäischen Regierung zu stehen. Dann hat man an allen Rechten des Staatsbürgers Theil, wählt in den Versammlungen die Obrigkeiten und läßt sich wählen, sei es unmittelbar durchs Volk oder von den durchs Volk ernannten Wahlherrn. Dabei ist jeder waffenfähige junge Mann von zwanzig Jahren, zur Zeit des Kriegs, Streiter fürs Vaterland. Er übt sich in Waffen. Jährlich etwa ein dutzendmal werden Kriegsübungen vorgenommen.
Als sich die Schweizer von Vevay das erstemal zu diesen Waffenübungen stellen mußten, es war einige Tage vor dem »vierten Juli«, dem Denktag und Fest der amerikanischen Unabhängigkeit, verlangten sie dem Artillerie-Corps einverleibt zu werden, weil ihrer die meisten schon in der Schweiz in dieser Waffengattung gedient hatten. Die Regierung schickte ihnen darauf sogleich eine Achtpfünderkanone zu, die von einer Feste des Illinois-Staates genommen war. Dies Geschütz, nebst allem Zubehör, ward den amerikanischen Schweizern mit Feierlichkeit und ermunternden Wünschen übergeben. Sie übten sich sogleich wieder freudig ein, und zehn Tage nachher erschienen mit ihrer Kanone, zum mächtigen Erstaunen der Altamerikaner, die in ihrem Leben keine Uniformen gesehen hatten, fünfundzwanzig Mann in blauer Kriegstracht mit rothen Aufschlägen und Bärenmützen. Noch mehr verwunderte man sich über die Gewandtheit dieser Schützen, und über die Schnelligkeit ihrer hintereinander folgenden Schüsse. Beim Gastmahl, das dem Waffenfeste den Schluß gab, erhielten alle diese Schweizer Offiziersrang.
Noch hatte ich einen ansehnlichen Reisestrich vor mir durch die stillen, unbevölkerten Wildnisse von Kentuky und Virginien, um wieder in die angebautern Landschaften der östlichen Staaten zu gelangen. Die Jahreszeit war vorgerückt, die Witterung schon unzuverlässig. Ich wünschte, der weite Raum von Wäldern, Strömen, Ebenen und Hügeln zwischen dem Ohio und dem freundlichen Baltimore läge schon hinter mir.
Darum zauderte ich nicht länger, überwand mich, sagte meinen lieben Bekannten im amerikanischen Vevay Lebewohl, und setzte in einer Fähre (Ferryboat) über den Fluß, die da immer zur Ueberfahrt von Menschen und Vieh bereit liegt. Jetzt stand ich auf dem Boden des Kentukygebiets. In einer Stunde war ich zu Gand, einem kleinen Flecken, der gegen Vevay über liegt. Ich hatte versprochen, hier noch den Herrn Agnel zu besuchen, der auf seiner Niederlassung eine schöne Weinrebenpflanzung unter Aufsicht des Herrn Oboussier von Lausanne hat.
Da und in den Umgebungen sah ich zum erstenmale Neger-Sklaven auf dem Felde arbeiten. Der Anblick war mir widerlich. Noch inmitten der großen, schönen Freistätten des Menschenrechts auf Erden Sauerteig aus dem zivilisirten Europa! – O dies gelehrte, feinsittige, philosophische, glaubensstrenge, schönrednerische, bücherreiche, heldenmüthige, christliche Europa, wie ist es doch mit seinen Verfassungen, Gesetzen, Kasten, mit seinen Timurlengs und Dschengiskhanen, mit seinen Confutsen und Zoroastern, Sadi's und Bidhay's, mit seinen Lama's, Braminen und Suder's so auffallend der Großmutter Asia Zug um Zug verwandt!
Indessen die Negersklaverei wird nun in Nordamerika gänzlich abgethan; und schon gegenwärtig ist das Loos der Schwarzen sehr mild.
Den Sonntag vor meiner Ankunft hatte eine Negerin des Herrn Agnel Hochzeit mit einem Schwarzen aus einer andern Niederlassung gehabt. Das ist ein hoher Tag für diese Kinder Afrika's, denn, ausser allen andern Genüssen, wird ihnen auch für diesen Tag, aber nur für diesen, die Freiheit, wie ein flüchtiges, süßes Naschwerk, gelassen. Es ist Sitte, daß an solchem Tage der Herr der Pflanzung und seine Familie das Haus verlassen. Die verlobte Negerin ladet aus der Nachbarschaft so viele ihrer Freundinnen ein, als sie will; der schwarze Bräutigam thut desgleichen.
Zeitig erscheinen die Gäste insgesammt Morgens, aufs Beste ausgeschmückt, größtentheils zu Pferde oder in leichten Reisewagen. Eine kleine Negerin an der Hausthür meldet die Ankommenden, wie sie nacheinander erscheinen, mit ihrem Namen (am meisten sind Dschin und Jak) und dem Familiennamen des Pflanzers, welchem sie angehören. Sie legen nun in ihre Begrüßungen, in ihre Gespräche und Unterhaltungen die möglichste Artigkeit. Alles nennt einander Herr, Frau, Fräulein (Gentleman, Lady etc.). Da ist nicht das Rohe, Plumpe, Steife, wie allenfalls bei Leibeigenen in Europa oder an Bauernhochzeiten. – Die Mahlzeit, die im Einzelnen und Ganzen wohlgewählt und wohlgeordnet ist, dauert gemeinlich bis gegen Abend, dann beginnt die Lust der Tänze durch die Nacht bis zum Morgen, wo jeder in seine Pflanzung heimkehrt, um im Schlaf die Maske der Freiheit wieder abzulegen, die er für einen Tag getragen hatte.
Die Pflanzer begünstigen dergleichen Heirathen gern. Verheirathete Neger, weil sie einander anhangen, arbeiten fleißiger, betragen sich anständiger, aus Furcht, von ihren Herren verkauft und von der Geliebten getrennt zu werden. Der verheirathete Neger wohnt oft drei bis vier Stunden Wegs von seiner Frau. Alle Woche einmal besucht er sie und seine Kinder, denen er mit voller Seele gehört.
Es gilt, wie bei den Sklaven oder Leibeigenen Europens, auch hier die Uebung des barbarischen Mittelalters: partus sequitur ventrem. Nämlich die Kinder aus diesen Ehen gehören demjenigen Pflanzer, dem die Mutter angehört. Und sind die Kinder erwachsen, hat er für seinen Bedarf zu viel Neger, kann er sie anderswohin verkaufen. Nicht nur Neger, auch Mulatten (von Europäern und Negerinnen), und Quarterons (von Europäern und Mulattinnen oder Mestizinnen, Töchtern eines Europäers und einer Indianerin) sind unter den Sklaven.
Drittehalb Stunden Wegs von der Niederlassung des Hrn. Agnel, nicht weit von Frederiksburg, fand ich mitten in Wildniß und Wald vier einsame Schweizerfamilien aus dem Neuenburgerlande angesiedelt. Sie wohnten hier ganz behaglich nun schon seit sechs Jahren, aber im vollsten Sinn des Wortes, geschieden von der übrigen Welt der Lebendigen, sich selbst ihre Welt bildend. Es waren die Familien Guinand, Vater und Sohn, Persot und Rochat. Sie hatten keine Sehnsucht nach dem Treiben draussen. Sie schienen in ihrer Einsiedelei ganz zufrieden. Warum hätten sie es nicht sein sollen? Der dankbare Boden, den sie bauten, die kleinen Heerden ihres Hausviehs, die nahe Jagd umher, stillten ihre einfachen Bedürfnisse im Ueberfluß, und ihre Wohnungen gewährten ihnen jede Bequemlichkeit, die sie fordern mochten. Sie nahmen mich mit Herzlichkeit bei sich auf.
Ich aber wollte eigentlich noch die Gruben von Bigbone sehen, die nicht gar entfernt sein sollten, und wo die vielen Mammuthsgebeine gefunden werden. Ich machte den Weg zu Fuß, weil ich nur dem Ufer des Flusses nachzugehen hatte, um eins der Dampfboote ansichtig zu werden, die alltäglich den Ohio herauffahren.
Indem ich also durch Wald und Wilde sinnend hinwanderte, mit den Gedanken noch die Einsiedelei der vier Familien umschwebend, sah ich plötzlich, zwischen den Bäumen hervor, als wäre ein Umhang weggezogen, eine unerwartete Erscheinung. Auf einem prächtigen Rosse saß in fremder aber kostbarer Tracht ein junges, schöngewachsenes Frauenzimmer, mir entgegenreitend, und von zwei andern, ebenfalls zu Pferde, gefolgt, als wären es Dienerinnen. Die eine von diesen schien hiesigen Landes zu sein. Die reizende Gebieterin voran trug ein bläuliches, nettes Jagdkleid, reichverziert, zu schmuckvoll für diese Einöden; dazu einen feinen, breiten Strohhut, von welchem seitwärts ein grüner Schleier herabfloß.
In Wielands, Ariostos und Tassos Gedichten kann man wohl solchen Feengestalten oder irrenden Damen mitten in unbekannten Wildnissen begegnen. Aber in einem der amerikanischen Urwälder, wo kaum der Weg recht erkennbar war, wo weit umher Todesschweigen herrschte, welches das Wellengeräusch des Ohio nur feierlicher machte, wo ich für solche Tracht und Pracht kein Schloß, keine große Stadt in der Nähe wußte, glaubte ich dergleichen nie erwarten zu können. Ich war auch in der That so überrascht, ich muß sagen, verblüfft, daß ich, ohne an diese neue Diana ein Wort zu richten, sie nur anstaunte. Ich konnte mich nicht erwehren, sogar meinen Hut, ganz gegen Landessitte, höflich vor ihr abzuziehen. Sie erwiederte mit einem artigen Gegengruß und verschwand hinter mir zwischen den Bäumen. Es verdrießt mich noch jetzt, daß ich die Geistesgegenwart in dem Grade verlor, sie nicht einmal anzureden.
Ich wanderte weiter. Der Weg war übel. Von Zeit zu Zeit ging er mir unter den Füßen gänzlich aus, und ich behielt nur die Sonne zur Gehülfin, meine Richtung zu wählen. Länger, als ich vermuthet hatte, mußte ich in der Einöde dahin pilgern. Nach viertehalb Stunden kam ich endlich zu einem einsamen Weiler, der Sugarcreek hieß. Meine Ermüdung machte mich zufrieden, nur ein Obdach und Menschen zu sehen.
Freundlich ward ich von den gutmüthigen Pflanzern in ihrer saubern Wohnung empfangen. Es war ein junges Ehepaar, welches aus Massachusets sich hierher begeben und angesiedelt hatte. Die Leutchen wohnten erst seit zwei Jahren in Sugarcreek und schienen mit ihrem Aufenthalt wohl vergnügt. Ich verlangte etwas zu essen. Man bediente mich nicht nur sehr reinlich, sondern auch mit ausgewählten, wohlbereiteten Speisen, wie ich gerade hier nicht zu erblicken gedacht hatte.
Jetzt erfuhr ich, daß ich bis nach Bigbone noch sieben Stunden Wegs zu machen habe, und mich ohne Pferd und ohne Wegweiser kaum dahin finden würde. Da sagte ich in meinem Herzen den Mammuths-Gräbern Valet, und beschloß, bei meinen freundlichen Wirthen zu übernachten, um von da auf einem Dampfboot geradeswegs nach Cincinnati zurückzukehren. – Schon Abends hörte man zwei Kanonenschüsse vom Ohio, die von den weiten Wäldern umher den Gegengruß in sekundenlangem Wiederhall zurück empfingen. Die Zeichen kamen von zwei Dampfbooten, General Pike und Ostrich, welche den Fluß hinab gen Laurencebourg fuhren, und in der Morgenfrühe wiederkehren mußten.
Der Abend verfloß in traulicher Unterhaltung. Wie viel läßt sich aus den Gesprächen einfacher Menschen lernen, die in gleichweiter Entfernung von der Thierheit des Wildenthums und der Thierheit des verkünstelten, überfeinen Städterwesens, groß, bescheiden, frei und wahrhaft, wie die Natur sind! Als ich zu meinem Nachtlager ging, war der reine Himmel schwer von Sternen. Der aufgegangene Mond zitterte hinter den Wipfeln riesenhafter Bäume, die er schon seit Jahrhunderten beschienen. Ein weites Schweigen waltete um die Pflanzerwohnung in den Wäldern und längs dem Ufer des Ohio. Es war aber das alte Schweigen der Einöden, welches auch der Tag selbst nicht stört, es sei denn, daß ein Sturm durch die endlosen Forsten zieht.
Morgens sechs Uhr kam das Dampfboot General Pike schon wieder den Fluß aufwärts. Ich hörte das Zischen der Dämpfe schon aus der Ferne. Auf ein Zeichen, das ich vom Ufer gab, erschien ein Kanot, das mich zum Schiffe brachte. Abends fünf Uhr stieg ich schon in Cincinnati ans Land. Einer meiner neuerworbenen Freunde, Herr Perret, nahm mich sogleich mit sich in ein Konzert, das zu Ehren Lafayettes gegeben wurde. Dieser Anlaß, diese Töne, und die Gesänge hatten auf mein Gemüth tiefen Eindruck. Es wurden die Namen Wilhelm Tells und Lafayettes und Washingtons gefeiert. Es ist doch das Göttliche in der Brust der Sterblichen, zu allen Zeiten, unter allen Himmelsstrichen, das hoch Vorwaltende, und das, was immerdar am innigsten ergreift. Die Welttheile und die Jahrtausende erkennen keine andere Heroen, als die Heroen der Menschheit und ihres ewigen Rechts. Was weiß man doch nach Jahrtausenden von unsern Tags- und Schlachthelden, den Massenas und Moreaus, den Wellingtons und Blüchers und wie sie heißen mögen? Höchstens beschäftigt sich mit ihnen ein müßiger Geschichtsklitterer, oder der Knabe schleppt sie mit hundert ähnlichen im dürren Kompendium zur Schule, um sie wieder zu vergessen.
Es war mir darum zu thun, die französische Kolonie Gallipolis zu sehen. Man rieth mir, das linke Ufer des Ohio zu verfolgen bis ins Gebiet von Virginien, und dann bei Bigsandi wieder über den Fluß zurückzugehen, um nach Gallipolis zu kommen. Ich kaufte mir zu dem Ende ein braves Reitpferd, ließ mich damit von Cincinnati auf einer Fähre nach Neu-Port im Staat Kentuky über den Ohio setzen, und reisete so dem linken Stromufer nach, ohne besondern Merkwürdigkeiten oder Abentheuern zu begegnen. Am dritten Tag Abends war ich neunundzwanzig Stunden von Cincinnati in einem geringen Städtchen, Namens Washington.
Hier vernahm ich vom Wirth, der von Straßburg gebürtig war, aber nicht drei Worte mehr deutsch verstand, daß ich ganz irre gefahren sei. Ich gerieth in nicht geringe aber keineswegs angenehme Verwunderung, als ich hörte, ich müsse wieder eine gute Strecke zurück, und habe einen Umweg von zwölf bis dreizehn Stunden gemacht. Man muß es gar nicht übel deuten, wenn die Leute in diesem neuen Lande die vaterländische Geographie schlecht inne haben. Sie lernen sie nur aus dem Munde der Reisenden, und pflanzen sie überlieferungsweise fort.
Also kehrte ich den andern Tag, in mein Schicksal ergeben, geduldig um, wandte mich gerade gegen den Ohio, setzte zu Maysville, vier Stunden oberhalb Augusta, über den Fluß, und kam dann, nach sechs Wegstunden, in West-Union, auf der Landstraße nach Cincinnati gelegen, an.
In den meisten Pflanzungen und Niederlassungen, durch die ich während der letzten vier Tage im Gebiet von Kentuky gekommen war, wurden zahlreiche Sklaven gehalten, welche zur schweren Landarbeit gebraucht werden. Der Anblick dieser Unglücklichen, in welchem Menschen, die sich veredelter halten, die heilige Würde, die ewigen Rechtsame der menschlichen Natur entweihen und verletzen, gab mir jedesmal eine üble Stimmung. Saß ich zu Tisch, stand beständig eine Negerin hinter mir, um mich zu bedienen; etwas Unbehagliches für den, der nicht gewohnt ist, sich von Sklaven aufwarten zu lassen. Die Negerinnen verrichten die häuslichen Dienste. Immer auf jede Bewegung des Herrn oder der Gebieterin aufmerksam, können diese keinen Blick thun, den die Negerin nicht versteht, und augenblicklich als Befehl betrachtet und vollstreckt.
Was müssen sich die armen Geschöpfe doch Alles gefallen lassen! Die amerikanischen Zeitungen vom vergangenen Monat erzählten, die Gemahlin des Augustin Iturbide, des bekannten Kaisers von Mexico, sei so kaiserlich-vornehm oder bequem gewesen, daß wenn eine Mücke auf ihrer Hand saß, sie eine ihrer Sklavinnen rief, sie fortzublasen. In mehreren Häusern hörte ich die Hausfrauen stets über ihre Negerinnen klagen, wenn etwas im Hause nicht war, wie es sein sollte. Fehlte etwas an der rechten Bereitung der Speisen, hatte das Linnenzeug nicht die gehörige Weiße u. s. w. – immer waren die Negerinnen schuld. Nicht nur die Kaiserinnen, sondern selbst die gemeinen Pflanzerinnen werden durch das Sklavenbesitzen unglaublich bequem.
In den Ansiedelungen von Kentuky gehen die Kinder der Sklaven ganz nackt, bis zum zehnten Jahr, ohne Unterschied des Geschlechts. Es ist oft ein possirliches Schauspiel, vor einer Hütte ein ganzes Nest voll Negerchen spielen und sich im Staube herumrollen zu sehen. Die Erwachsenen, alle barfuß, haben keine andere Bekleidung, als ein sehr grobes, um den Leib zusammengebundenes Hemd.
Ich blieb nicht in West-Union, sondern übernachtete zwei Stunden Wegs von da, in einem Bauernhause. Als ich meinen Bewirther fragte, wes Landes er sei, antwortete er gar treuherzig: »I have the misfortune to be an Irishman.« (Ich bin so unglücklich, Irländer zu sein.) Die Irländer sind nämlich in den Vereinstaaten am wenigsten geachtet. Unter sämmtlichen Ankömmlingen aus Europa gelten sie für die verderbtesten. Schweizer und Deutsche sind in Nordamerika, als gute Landarbeiter, zum Sprüchwort geworden; der Engländer gilt als Spekulant; der Franzose macht sich zum Jäger und klagt über Langeweile. Der Irländer aber, erstaunt über die Wohlfeilheit des Whisky, ergibt sich dem Trunk und den Folgen desselben.
Ueber meinen Irländer hatte ich, soviel mich betraf, keine Klage zu führen. Er war eine gute Haut. Mein Roß hingegen hätte mehr Grund zur Unzufriedenheit gehabt, denn es mußte die ganze Nacht, da der Himmel den Regen stromweis herabschüttete, im Freien stehen. Obwohl mein Wirth ein Dutzend Kühe, fünf bis sechs Pferde, über hundert Schafe und eine Heerde von Gänsen, Welschhühnern, Enten und Hühnern besaß, hatte er doch keinen Stall. Indeß schien das Pferd dieser amerikanischen Sitteneinfalt ganz gewohnt zu sein; denn ich fand es am Morgen ganz frisch und lustig.
Die aufeinanderfolgenden Regenschauer erlaubten mir erst gegen Mittag, mich auf den Weg zu machen. Ich hatte noch vierzehn Wegstunden bis Portsmouth zurückzulegen. Ein kleiner Strom, Namens Turkycreek, mußte mir anfangs lange Zeit als Führer dienen. Mehrmals war ich genöthigt, durch ihn bald an sein linkes bald an sein rechtes Ufer zu reiten, um vorwärts zu kommen. Er war vom anhaltenden Regen mächtig angeschwollen. Das Pferd verlor oft den Grund unter seinen Füßen, und wir mußten es beide mit Schwimmen versuchen. Ich bewunderte die Geduld des guten Thiers, das sich gar nicht abschrecken ließ, aus einem Schlammloch ins andere, und von einer Seite des Wassers zur andern überzusetzen.
Es ist, bei naßkaltem, trübem Wetter, selbst im Paradiese kein anmuthiges Reisen; um so weniger, wenn man ohne Weg und Steg durch ein unbekanntes, einsames Land hinabentheuert. Ich machte mich immer dabei noch auf das Zusammentreffen mit einem Bären gefaßt; denn mein irländischer Wirth hatte mir des Morgens den Rath gegeben, meine Pistolen gut zu laden, weil sich mir vielleicht dergleichen Reisegefährten durch den Wald aufdringen könnten. Sie seien gar nicht selten. Allein es zeigte sich keiner. Doch am Aussenende des wilden Forstes sah ich wenigstens eine frische, blutige Bärenhaut. Ein Jäger spannte sie zum Trocknen auf.
Noch ziemlich zeitig traf ich endlich in Portsmouth ein, von Müdigkeit und Hunger erschöpft. Zwei Aepfel waren binnen vierundzwanzig Stunden meine Nahrung gewesen. Aber ein artiges Wirthshaus, gefällige Wirthe, ein treffliches Nachtmahl, ein gutes Bett ließen mich bald alle Entbehrungen wieder vergessen.
Ich hatte jetzt noch bis Gallipolis vierundzwanzig Wegstunden vor mir, und nur bis zum nächsten Ort, wo ich übernachten konnte, vierzehn Stunden. Drum begab ich mich andern Morgens früh genug auf die Reise. In einem Bauernhause, vier Stunden von Portsmouth, hielt ich an, um mich und mein Pferd gehörig vorzubereiten, zehn Stunden lang keine menschliche Wohnung zu erblicken.
Wirklich gings von da ununterbrochen durch ewigen Wald, so hoch, so dicht, daß auch die Sonnenstrahlen nur selten durch die verwachsenen Wipfel der Bäume brachen. Landstraße war keine, man mußte auf die halbverwischten Tapsen der Vorgänger genau achten. Hinwieder nahm ich Schnitte und Einkerbungen in den Stämmen links und rechts wahr, die dem Wanderer eine Richtung andeuteten, welche er zu nehmen hatte.
So verging der Tag in steter Beschäftigung, die Spuren der Vorangegangenen oder die Zeichen an Bäumen zu entdecken und zu verfolgen, um mir als Wegweiser zu dienen. Das brave Roß lief beständig seinen Trab, als wüßte es, wie weit noch seine Krippe wäre. Aber Abends, schon war es fünf Uhr, stieß ich plötzlich auf zwei Fußwege, von denen einer links, der andere rechts zog. Ich zauderte lange unentschlossen, wog alle Für und Wider gegen einander ab, und schlug zuletzt rechts ein.
Ich war kaum eine Viertelstunde fortgetrottet, sah ich plötzlich, nur noch fünf Schritte von mir, eine dicke Schlange am Boden liegen. Sie hatte sich kreisförmig zusammengerollt, und streckte den Kopf auf, mit der Zunge mir entgegenspielend. Es war, der Farbe nach, die hier Landes bekannte »Coppersnake« oder Kupferschlange. Sie hatte die Dicke eines mittelmäßigen Mannsarmes und eine Leibeslänge von ohngefähr fünf bis sechs Schuh. Sie richtete sich im gleichen Augenblick weiter auf. Die Bewegungen ihres Kopfes und Halses dabei waren sehr schnell.
Unangenehm überrascht gab ich meinem Pferd den Sporn in die Rippen, seitwärts lenkend. Das Roß aber, erschrockener noch als ich, nahm einen gewaltigen Satz und jagte davon. Ich behielt immer das Gesicht, wie Bürgers wilder Jäger, im Nacken, um zu gewahren, ob uns das Unthier verfolge. Ich verlor es aber bald aus den Augen.
Man erzählte mir nachher, daß die Kupferschlange, an ihrer Dicke und grünröthlichen Farbe leicht kennbar, das gefährlichste Thier in diesen Gegenden sei. Sie ist sehr gefräßig und nimmt es mit den größten Thieren auf. Ihr giftiger Biß wird nach einigen Stunden tödtlich, nachdem der Körper vorher zu einer ungeheuern Dicke angeschwollen ist. Indeß vermindert sich diese wüste Brut überall in gleichem Verhältniß, wie sich die Ansiedelungen der Menschen vermehren. Am meisten wirkt dazu das Halten der Schweine. Es gibt keinen Pflanzer, der nicht eine Zucht dieser nützlichen Hausthiere hätte, die sich ohne seine Sorge vermehren und beköstigen. Ein einziger besitzt deren oft hundert und zweihundert Stück. Sie laufen fast beständig im Wald umher und nähren sich da von Pflanzen, Wurzeln und Gewürmen aller Art. Sie greifen sowohl die Kupfer- als die Klapperschlangen an, und verschmausen dieselben, ohne von deren giftigem Biß Schaden zu leiden. Denn weil der nie tief geht, dringt er nur in den Speck und trifft wohl nur selten ein Blutgefäß.
Unterdessen nahte sich die Nacht. Es wurde um mich her immer dunkler und der Wald immer dichter. Mein Fußweg lief noch immer in seiner alten Richtung rechts, abweichend von meiner frühern. Ich tröstete mich damit, daß ich auf die Art dem Ohio aufwärts gelangte. Denn wieder umzukehren spürte ich in mir auch nicht die mindeste Lust.
Weil mir aber mit dem erlöschenden Tageslicht auch die Hoffnung erlosch, irgend eine Menschenwohnung zu erreichen, und mir es schien, daß ich schon eine lange Strecke Wegs mehr gemacht hätte, als erforderlich gewesen, um der mir zum Uebernachten bestimmte Pflanzerei zu begegnen, fügte ich mich in mein Verhängniß. Ich musterte im Vorbereiten links und rechts die Plätze, wo ich Nachtherberge nehmen könnte. Ich besaß allenfalls gegen Kälte einen guten Mantel; konnte auch Feuer anschlagen und hatte meine geladene Doppelpistole bei mir. Nur mit der Küche zum Nachtessen bliebs übel bestellt. Ich hatte Dammhirsche, Welschhühner und anderes Geflügel unterwegs erblickt, aber weder Jagd darauf machen wollen, noch mit meinem kurzen Feuergewehr machen können.
In diesen trübseligen Ueberlegungen einer verzweifelnden Verzichtung auf alles Heil, verdünnerte und öffnete sich mit einemmale vor mir der Wald, und vor meinen Augen lag ein Bauerhof. Freudiger, als ein abentheuernder Ritter nach langen Irrfahrten einem Feenschlosse, trabte ich dem bescheidenen Holzpalaste entgegen und hielt vor demselben, als mein eigener Herold, mit lauter Stimme rufend: »Holla! kann hier ein Reisender über Nacht bleiben?«
Eine ältliche Frau, begleitet von zwei jungen Frauen, trat hervor. Sie bedauerten, mich nicht empfangen zu können, weil sie allein, und ihre Männer abwesend wären. Sie beruhigten mich inzwischen damit, daß ich, den Weg fortsetzend, in einer guten halben Stunde eine andere Pflanzerwohnung antreffen würde. Nebenbei erfuhr ich auch noch, daß ich wirklich irre geritten sei, und beinahe zwei Stunden lang einen Querweg durch die Waldung verfolgt habe.
Wie unlieb mir auch alle diese Erklärungen, Fingerzeige und Nachrichten lauteten, wollte ich doch nicht zudringlich werden. Ich trabte also frischerdings wieder in die Nacht der vor mir gelegenen Wälder hinein, auf einem Pfad, den mir die Frauen angewiesen hatten. Im schlimmsten Fall blieb mir doch das nun einmal gesehene Haus und die Rückkehr dahin.
Es ward mir jedoch mit jedem Augenblick unheimlicher, je tiefer ich ins Gehölz eindrang und je stärker die Finsterniß wurde. Ich mußte vom Pferde steigen, und von Baum zu Baum die Einkerbungen der Stämme mit den Fingern ertasten. – Welche Seligkeit aber, als mir nach einer halben Stunde, durch die Säulen der Waldung spielend, röthliches Licht entgegenschien. Ich verdoppelte den Schritt, und stand bald vor der roh aus Baumstämmen gezimmerten Hütte eines Pflanzers. Auf meinen Anruf erschien ein Mann. Auf die gewöhnliche Anfrage öffnete er mit dem freundlichen Wort: Walk in, Sir! (treten Sie ein, Herr!) den Pfahlhag, mit dem jede Hütte eines amerikanischen Ansiedlers umgürtet zu sein pflegt. Ich trat ein. Beim Feuer saß eine Frau. Sie stand auf, bot mir ihren Sessel und sagte: Sit down, Sir! (setzen Sie sich, Herr.) Diese beiden Redensarten, Walk in und Sit down, sind in Amerika beim Empfang eines Fremden, ohne alle andere Höflichkeitsbezeugungen, die gebräuchlichen, man mag zum schlichten Bauer oder zum reichsten und vornehmsten Manne der Vereinstaaten kommen.
Ich habe meinen Ritt durch die Wildniß etwas umständlich erzählt, nicht eben weil er so gar merkwürdig wäre, sondern um doch eine Vorstellung zu geben, wie man in unangebauten Gegenden des Innern dieses Welttheils reiset, wo ohne Zweifel, bevor ein Jahrhundert verfließt, Städte, Dörfer, Paläste und Landgüter durch die besten Kunststraßen verbunden sein und die Erzählungen von heut fast mährchenhaft scheinen werden.
Man muß mehrere Tage sich selbst überlassen, ich möchte sagen, verlassen, durch unwirthbare Einöden, in Unruhe für das Entkommen aus verirrlichen Waldlabyrinthen, oft nicht ohne Sorge für das arme Leben selbst, die Reise gemacht haben, um die Wollust zu verstehen, die man fühlt, wenn man sich endlich in einer engen, sichern Hütte unter freundlichen Menschengesichtern erblickt.
Wie ich mich recht umsah und mit der Familie nähere Bekanntschaft machte, zählte ich zehn Kinder; das älteste mochte fünfzehn Jahre haben, das jüngste lag am Busen der Mutter. Die gute Frau fragte mich, ob ich zum Nachtessen Kaffee oder Thee verlange und welche Gattung Geflügels? Sie machte kleine Brödchen in einer Tortenpfanne, kochte feine Schinkenschnitte und röstete sie in heißzerlassener Butter. Es gab dazu Fricassee von Geflügel, rothe Rüben als Salat, frische Butter, eingemachte Pfirsiche und statt des Brodes – Hoekake. Ich schildere die Bestandtheile meines Abendmahls nicht darum, damit man wisse, was eine einsame Pflanzerhütte dem unverhofften Gaste leisten könne, sondern um zu sagen, daß dies ohngefähr die Gerichte sind, mit denen man überall im Innern der Vereinstaaten Abends bewirthet zu werden pflegt. Das Frühstück ist meistens aus denselben Platten zusammengesetzt.
Das Tischzeug bestand auch hier, wie immer, aus sauberm Linnen; das Tafelgeschirr, Teller, Schüsseln, aus englischer Erde. Nur die Hausfrau, sehr reinlich gekleidet, sitzt mit zu Tisch, um den Gast bedienen zu können. Sie beginnt ganz gewöhnlich mit der Frage: »Lieben Sie Milch und Zucker zum Thee?« damit ist die Mahlzeit eröffnet. Von den Speisen nimmt sich nachher der Gast nach Belieben selber. Die Wirthin aber ermuntert fleißig mit dem Zuspruch: Help your self! (bedienen Sie sich selbst.) Erst wenn der Fremde gegessen hat, sitzen Vater und Kinder zu Tisch. Die Kinder betiteln ihre Aeltern aber nicht mit Vater- und Mutternamen, sondern auch in der Bauerhütte mit Sir und Maam.
Das Zimmer, welches erst Küche, dann Speisesaal geworden, ward dann Unterhaltungszimmer. Es überraschte mich jedesmal in den Vereinstaaten und auch diesmal, einen schlichten Landmann über die Politik, über die Staatsverfassungen und Nationalverschiedenheiten Europens so unterrichtet und verständig reden zu hören. Viel trägt zu diesen Kenntnissen, die in Amerika eine Hauptstütze der Vaterlandsliebe werden, ohne Zweifel das allgemein verbreitete Lesen der öffentlichen Blätter und Zeitschriften bei. In Europa, wo der Landmann, oft der Städter, wenig vom Ausland, noch weniger vom Inland erfahren darf, weil man es zu hindern wünscht und zu hindern weiß, wo sich die Regierungen durch besoldete Schreiber und durch Zensoren die Vormundschaft über den Volksverstand anmaßen, erzeugt sich eine stinkende Selbstsucht, die nur für das eigene Haus, nicht für das Allgemeine, nicht für Thron und Vaterland, Interesse hat, und, wie das Thier, nur sein Futter und seinen Stall kennt. Es ist wahr, bei der in Amerika bestehenden Preßfreiheit wird auch das unsinnigste Zeug, das leidenschaftlichste, gehässigste Geschwätz gedruckt und verbreitet. Die Feinheit und Artigkeit der Amerikaner im persönlichen Umgang wird häufig in ihren Zeitschriften durch ekelhafte Derbheit, Rohheit und Gemeinheit ganz verdrängt. Aber gerade die unter dem Segen der Preßfreiheit mannigfaltiger gewordene Kenntniß der Menschen, ihrer Leidenschaften und Umtriebe, und die reifere Entwickelung der Verstandesthätigkeit macht die Versuche der schriftstellerischen Bosheit, Unvernunft und Parteisucht kraftlos, die Plumpheit der Blättchenschmierer verächtlich; – während der in kindische Unmündigkeit ängstlich zurückgehaltene Verstand des gemeinen Mannes in Europa sich an Geschmacklosigkeiten am innigsten ergötzt, das Alberne und Unglaubliche am leichtgläubigsten aufnimmt, und der verleumderischen Bosheit in seiner Unerfahrenheit das Ohr am liebsten entgegenspitzt.
Nachdem ich mit meinem Pflanzer einige Stunden in die Nacht hinein geplaudert hatte, verwandelte sich das Sprachzimmer in das allgemeine Schlafgemach. Wir waren unserer vierzehn Personen. Es wurden drei Betten gemacht; das beste mir mit den reinlichsten Ueberzügen. Den Kindern breitete man baumwollene Decken am Boden aus. Die offenen Fugen der Balken von den Zimmerwänden liessen der frischen Luft freien Umlauf.
Ich verließ die zahlreiche Familie schon vor Sonnenaufgang. Der Pflanzer gab mir noch Empfehlung an einen andern Pflanzer mit, bei dem ich unterwegs einkehren konnte. Es war dies ein Herr Thevenot, der fünf Stunden von da entfernt und nur noch zwei Stunden von Gallipolis wohnte. Ich fand ihn und nahm mein Frühstück bei ihm.
Dieser Mann war aus Frankreich, mit einigen tausend seiner Landsleute, zur Zeit der Revolution nach Amerika ausgewandert. Er gehörte ehemals zur französischen Niederlassung von Gallipolis, wo man Land mit Geldtiteln und Schriften kaufte, die nachher in Frankreich allen Werth verloren, als man sie in Münze umsetzen wollte. Man bezahlte die Juchart zu jener Zeit mit fünf Dollars. Gleich zu Anfang ihrer Ansiedelung hatten die Franzosen da mit den Indianern einen Krieg zu bestehen, der ihnen mehrerer Menschen Leben kostete. Zehn Jahre später fing man gegen sie einen Rechtsstreit über ihr Eigenthum an, weil die Titel, womit sie gezahlt hatten, meistens ungültig geworden waren und sie auch selbst noch nicht über ihre Grundstücke die Kaufbriefe urkundlich in Händen hatten. Sie mußten oder sollten zum Theil noch einmal Zahlung leisten. Die Regierung aber nahm doch Rücksicht auf ihren unverschuldeten Verlust, und bewilligte denen, welche nicht kaufen konnten, einen Landstrich, etwa dreizehn Stunden Weges von Gallipolis entlegen, unter dem Namen »French-grant« (französische Einräumung). Auch die Franzosen, welche einst den Unabhängigkeitskrieg mitgemacht, und seitdem kein Glück gehabt hatten, erhielten dort Ländereien. Aber diese Niederlassungen wollten nicht gedeihen.
Auch Gallipolis, wohin ich zeitig ankam, obgleich gar vortheilhaft am rechten Ufer des Ohio hingebaut, ist nur eine kleine Stadt von höchstens hundert Häusern. Die einzigen öffentlichen Gebäude sind ein Kollegium, ein Mettinghouse (Versammlungshaus zum Gottesdienst) und ein Gemeinds- oder Rathhaus. Dampfboote und andere Schiffe halten hier regelmäßig an. Ich hatte mehr von dem Ort erwartet, machte zwar einige werthe Bekanntschaften mit Hrn. Monod, Burcau etc., denen ich empfohlen worden, hielt mich aber doch nicht auf, sondern setzte, eine Stunde weiter aufwärts am Fluß, in einer Fähre über den Ohio und übernachtete zu Point-Pleasant in Virginien. Der Ort liegt am Zusammenfluß des Kanhaway, eines beträchtlichen, schiffbaren Stroms, mit dem Ohio. Große Fahrzeuge gehen noch den Kanhaway hinauf bis zu den Salzwerken von Charlestown, ohngefähr zweiundzwanzig Stunden von Point-Pleasant.
Der Menge von Schiffen nach zu urtheilen, die man, mit Salzfässern befrachtet, überall auf den Flüssen sieht, müssen die Charlestowner Salzwerke sehr ergiebig sein. Der Zentner Salz kostet einen halben Dollar. In den Kaufläden, wo man damit Kleinhandel treibt, zahlt man fürs Pfund zwei Kreuzer. In den Vereinstaaten sind alle und jede Salzwerke Partikulareigenthum, und Staat und Volk stehen sich ganz natürlich besser dabei, als wenn sie Monopol, das heißt, Auflage fürs Volk, in den Händen der Regierung gewesen wären, wie bei den Europäern. Partikularen beuten sorgfältiger aus, und liefern, um gegen die Nebenbuhler zu bestehen, bessere Waare und in wohlfeilerm Preis, als Regierungen; können auch wohlfeiler liefern, weil sie dafür keine Schaar von Intendanten, Direktoren, Ober- und Unterspektoren, Faktoren, Auswägern u. s. w. zu besolden und wohl gar zu pensioniren haben. Es sind in Europa wenig Völker, die nicht unter der Last von Abgaben seufzen, während doch die Regierungen davon nur einen sehr mäßigen Theil empfangen und ihrerseits ebenfalls in beständiger Geldverlegenheit seufzen. Der Schwarm der Beamten, die Summe der Erhebungs- und Einzugskosten verschlingt den vierten oder dritten Theil der gesammten Abgaben. Trotz unserer gelehrten Professoren und dicken Bücher über Finanzwesen, herrschen bei uns daheim noch unglaubliche, starrsinnige Vorurtheile. Man künstelt und vermindert das Naturgemäße, nämlich die höchste Vereinfachung der Geschäfte. Aber man will diese nicht, um immer Gelegenheit zu behalten, guten Freunden oder Verwandten ein Aemtchen zu verschaffen, oder sich einen Troß abhängiger Kreaturen zu machen, oder auch, weil man nicht weiß, was mit der Schaar dadurch brodlos werdender Angestellten zu beginnen sei? Am bequemsten, man läßt diese Leute vom Schweiß des fleißigen Volks mitzehren.
Ich verweilte gern ein paar Tage in Point-Pleasant. Ein Hr. Smith daselbst, dem ich Briefe vom Hause Bruen in New-York brachte, hatte viele Güte für mich. Ich mußte auch einen Theil der weitläuftigen Besitzungen des Hrn. Bruen in jenen Gegenden sehen. Mit seinem Sohn und einem seiner Nachbarn fuhr ich folgenden Tags den Kanhaway zehn Stunden weit aufwärts, wo wir ohnweit Potalia übernachteten, dann andern Morgens ans linke Ufer des Kanhaway überstießen. Wir durchirrten hier die großen, meist noch unurbaren Ländereien des Hrn. Bruen, für welche er sich Ankäufer und Ansiedler wünscht. Erst einen Tag später kamen wir nach Point-Pleasant zurück.
Noch war der ganze weitläuftige Landstrich, den ich jetzt gesehen hatte, Wald und Wildniß, von einzelnen Bauernhöfen unterbrochen. Der Boden, wenn gleich nicht von erster Güte, ist im Durchschnitt doch nicht schlecht, oder ganz mittelmäßig, und natürlich längs Flußufern am vortheilhaftesten.
Die Zeit, welche ich der Besichtigung dieser Landschaft gegeben, sparte ich in den nächsten Tagen wieder ein. Ich reisete den 18. Oktober an einem Montag von Point-Pleasant ab, und eilte in vier Tagen über Mariette, Newport, Fischingcreek, Elisabethtown nach Whelling, eine Strecke von dreiundfünfzig Stunden Wegs, bald am linken, bald am rechten Ufer des Ohio. Die Amerikaner setzen, bei niedrigem Wasserstande, häufig zu Pferde über diesen Fluß, wenn sie sich auf des Rosses Gebein verlassen können.
Man hatte mir unterwegs an vielen Orten von einer Ansiedelung gesprochen, die man für eine der schönsten des Landes hielt, und durch welche mich der Weg führen würde. Als ich mich derselben wirklich endlich näherte, sah ich innerhalb einer wahrhaften Waldung von üppigen und reichtragenden Fruchtbäumen einige Wohnhäuser von sehr gefälligem Aeussern. Vor einem derselben stand ein großer, starker Mann mit langem, grauen Bart, der ein Schurzfell vor hatte. Der Beschreibung nach, die man mir gegeben, konnte dies kein anderer, als der Eigenthümer des Gebäudes, Master Homelong, der Wiedertäufer, sein.
Also fragte ich ihn auf deutsch, ob er mir ein wenig Haber für das Pferd spenden könne. Da verklärte sich sein ganzes Antlitz: »Grüß Gott,« rief er, »bist du a Landsmann?« Und ohne meine Antwort setzte er hinzu: »Walk in, Sir!« holte seinen Sohn, der das Roß nehmen mußte, führte mich ins Haus, und richtete nun in seiner Sprache, halb englisch halb deutsch, wie die Deutschen Amerika's immer zu reden pflegen, tausend Fragen an mich. Ich mußte diesem guten Einsiedler von Allem erzählen, von der alten Welt, von meiner Fahrt übers Meer, von der Reise durch die Vereinstaaten u. s. w. Sein Erstaunen war so groß, daß ich mehrmals wiederholen mußte, was ich schon gesagt hatte, und was er mir kaum glauben konnte. »Min Gott, ist denn das möglich! to be shure that's wonderfull journey!« schrie er einmal ums andere. Er setzte mir Kuchen und den köstlichsten Aepfelwein vor, den ich in Amerika getrunken; ich mußte bei ihm zu Mittag speisen. Er war seines Gewerbes ein Schuhmacher, baute daneben seine herrliche Pflanzung mit Einsicht und Fleiß und galt bei seiner Kirchparthei als ein guter Prediger. Als ein kleiner Knabe war er mit seinen Aeltern vor sechszig Jahren von den Ufern des Rheines zu den Ufern des Ohio gekommen, wo man wegen kirchlicher Ansichten, Lehren und Gebräuche keine Mitchristen und redliche, arbeitsame Leute gehässig verfolgt. Die Schnelligkeit meines Reisens erregte seine Verwunderung mehr denn alles Uebrige. Denn er und seine Aeltern hatten zur Ueberfahrt von Europa auf dem Meere fünf Monate zugebracht, und ein Jahr gebraucht, um von der Küste bis zu diesem Platz ihrer Niederlassung zu gelangen.
In einer andern Ansiedelung, wo ich übernachtete, wohnte eine erst vor Kurzem aus England hier ansäßig gewordene Familie. Das Haus war von Backsteinen erbaut; das Innere köstlich, mit zierlichem Haus- und Zimmergeräth versehen. Zwei hölzerne Hütten neben den Stallungen waren der Aufenthalt zahlreicher Negersklaven. Ohnweit dieser Pflanzung war es, wo mir die unheilbringende Paradiesesfrucht einen übeln Streich spielte. Aepfel, von ungeheurer Größe in einem Baumgarten hinter einem Pfahlhag, verlockten mich zur Neugier und Lüsternheit. Durch einen Fall gewann ich dabei eine schmerzvolle Verrenkung, von deren Plage ich erst nach fünf Monaten in Europa durch Mitleid und Kenntniß einer liebenswürdigen Person vollständig befreit werden konnte. Das mag meinen Lesern sehr gleichgültig sein, aber ein wenig dankbar zu sein, ist mir nicht gleichgültig.
Von Whelling hinweg kam ich zum erstenmal auf einen sogenannten »Turnpikeroad« oder Meilenstein-Weg. Eine kunstmäßige Hochstraße ist für den Wanderer das erste Zeichen von der Zivilisation, die in einem Staate herrscht, und der Maßstab ihrer Stufe. Nach wochenlangem Umherfahren in Wäldern und Wildnissen that mir dies sich freundliche Verkünden einer bewohnten und angebauten Welt unendlich wohl. Es gibt dieser Turnpikeroads jetzt mehrere mir bekannt gewordene. Die drei vorzüglichsten sind die von Philadelphia, die von Baltimore und die von New-York. Alle drei gehen in der Richtung von Osten nach Westen, und laufen also über die weitläuftige Verkettung der Alleghanygebirge hin.
Jede dieser Hochstraßen hat fünfundzwanzig Schuh Breite, und die Länge von 100 bis 130 Wegstunden. Von einer Drittelstunde (mile) zur andern ist ein Meilenstein, der die Entfernung desselben von den beiden Städten anzeigt, welche an den Aussenenden der Hochstraßen liegen.
Auch das ist eine mir bemerkenswerth scheinende Eigenthümlichkeit der Vereinstaaten, daß der Bau der Hochstraßen, schiffbaren Kanäle und der Brücken keine Regierungsangelegenheit ist. Unsere europäischen Staatsmänner mögen dazu lächelnd den Kopf schütteln. Aber das Volk des amerikanischen Freilandes befindet sich dabei gar wohl. Es empfängt sehr gute Straßen; die Gemeinden haben darum keine Plagerei von fetten oder fettwerdenwollenden Beamten, von Frohndiensten u. s. w. zu erdulden, und was die Hauptsache ist, die Kosten sind ungleich geringer, schon auch weil kein Brücken-, Straßen- und Bau-Departement, mit seinen Inspektoren, Kommissären, Kassaführern, Controlleurs, Archivaren, Sekretären und Kopisten zu besolden ist.
Es bildet sich für jede Unternehmung eines Brücken- oder Straßen- oder Kanalbaus eine Gesellschaft von Aktienbesitzern. Diese setzt einen Preis für den besten Plan zu ihrem Werk aus. Gewöhnlich sind die Eigenthümer der Güter und Ländereien, welche dem künftigen Kanal, oder der künftigen Hochstraße zunächst wohnen, meistens selbst Annehmer von Aktien, weil die Erleichterung des Waarenverkehrs den Werth ihrer landwirthschaftlichen Erzeugnisse im Preise steigen muß und somit auch den Werth ihrer Grundstücke. – Nach Vollendung der Arbeit wird die ausführliche Rechnung nebst allen Belegen, über die gehabten Unkosten, der Regierung vorgelegt, und diese bewilligt dann, nach einer annähernden Berechnung, den Aktien-Inhabern die Erhebung eines Weggeldes, gemeinlich streckenweis von ohngefähr drei Stunden zu drei Stunden des Wegs.
Die Kosten der Straße von Whelling nach Baltimore sollen ausserordentlich groß gewesen sein. Aber man sieht da auch eine Menge sehr schöner, starker, steinerner Brücken, und der Straßenzug über die Gebirge ist meisterhaft. Dieser läßt sich etwa mit der schönen Simplonstraße in Europa vergleichen, nur daß in den Alleghanybergen die durch Felsen gehauenen Gewölbwege nicht vorhanden sind.
Ueber Braunville, einer Stadt mit zahlreichen Fabriken am Manongehalaflusse, und durch Uniontown kam ich, auf einer Nebenstraße, in vier Stunden nach Geneva.
Das Städtchen Geneva gehört zum Theil noch dem Herrn Gallatin, demselben, der, nach der Wiederkehr der Bourbonen auf den französischen Thron, als Gesandter Nordamerika's acht Jahre lang in Paris lebte.
Ich fand den Herrn Gallatin und seine Familie auf seinem Landgute, eine volle halbe Stunde von der Stadt entfernt. Seine Wohnung, einfach und geschmackvoll, hat in der Bauart etwas Großartiges. Ich wurde bei ihm auf gewohnte, amerikanische Weise eingeführt; er empfing mich mit vieler Güte. Er saß eben bei einem guten Kaminfeuer. Um ihn her lag ein Haufe amerikanischer, englischer und französischer Zeitungen. Unser Gespräch gewann bald eine anziehende Richtung. Seine Gemahlin, eine sehr gebildete und liebenswürdige Frau, setzte sich zu uns an die wohlthuenden, zur Geselligkeit lockenden Flammen und nahm an der Unterhaltung Theil.
Herr von Gallatin ist, wie ich erfuhr, ursprünglich ein Genfer. Er erzählte mir, wie er dazu gekommen, sich dem Handel zu widmen, den er nachher siebenundzwanzig Jahre lang mit gutem Erfolg betrieb. Anfangs in Boston sich aufhaltend, um dort seinen gewerbigen Verkehr mit neuer Kraft zu beginnen, ließ er sich nachher in New York nieder. Hier brachte ihn der Zufall mit zwei Deutschen in Bekanntschaft, die ihn versicherten, sie hätten jenseits der Alleghanyberge alle Materialien entdeckt, um große Glashütten anzulegen, und Glas von jeder Art zu liefern. Er reisete mit ihnen dahin und fand Alles, wie sie gesagt hatten. Der Ort war damals ganz unbewohnt, inmitten einer weiten Wildniß und Oede. Der Plan ward entworfen. Er bildete mit den beiden Deutschen eine Gesellschaft, kaufte das Land an, und gab die nöthigen Gelder her. Die Unternehmung glückte vollkommen. Das Glas stand damals noch in sehr hohem Preise. Man hatte noch keine Glasfabriken in den Vereinstaaten, und mußte die Waaren dieser Gattung aus Europa kommen lassen. Der Absatz vermehrte sich von Jahr zu Jahr zugleich mit der Güte der Artikel und in gleichem Verhältniß wuchs der Gewinn. Als sich Herr Gallatin endlich von dieser Fabrikation zurückzog und seine Rechnung abschloß, ergab sich für ihn ein durchschnittlicher reiner Nutzen von 8000 Dollars alle Jahre. Er hatte sich in die öffentlichen Geschäfte ziehen lassen, und späterhin die Gesandtschaft in Paris am Hofe Ludwigs XVIII angenommen. Nach achtjährigem Aufenthalt in Europa kehrte er in sein freies, beglücktes Vaterland zurück. Hier wählte er die anmuthige Stille seines Landgutes bei Geneva, wo er noch jetzt lebt.
Ich darf nicht erst sagen, wie unterrichtend die Gespräche mit einem so welterfahrnen Manne für mich waren. Er kannte Europa, die Höfe, die am Ruder stehenden Männer, und sah die verderbenschwere Rückwirkung unfreier, Geist, Leben und Gewerbsfleiß der Völker dämpfenden, mönchshaften Bestrebungen der Machthaber voraus. Er ist in Amerika durchgängig geschätzt und geliebt. Er ward auch, gerade in diesem Jahr, da es um die Wahl eines neuen Präsidenten der Vereinstaaten zu thun war, neben den Herren Jakson, Clay, Crawfort und Quincy-Adams mit in die Wahl gezogen. Er aber, vielleicht weil er bemerkte, daß sich die Mehrheit der Stimmen nicht für ihn vereinigen würde, verbat sich in einem Marylander Blatte öffentlich, und mit Dank gegen seine Freunde, die Ehre, in die Wahl gebracht zu werden. Bekanntlich wurde Quincy-Adams nachher zum Präsidenten ernannt.
Herr Gallatin ist jetzt ein Mann von ohngefähr sechszig Jahren, von mittlerer Größe, und geistvollem, ausdruckreichem Gesicht. Wie gerne wäre ich länger in dieser trefflichen Familie verweilt (sein Sohn Albert ist ein hoffnungsvoller Jüngling); allein für mich war kein Rastens mehr in Amerika, der Wintermond schon vorhanden, und die Weihnachten wollte ich ja in der europäischen Heimath feiern.
Selbst die Einladung, nur bis zum folgenden Tage zu bleiben, mußte ich ablehnen. Nach dem Mittagsessen beurlaubte ich mich, schlief Nachts schon zu Smithfield und erreichte folgendes Tages die Gebirgshöhe der Alleghanykette, über die ich ging. Hier, auf dem Laurel-Hill, dem erhabensten Uebergangspunkt, hat man freilich bei gutem Wetter eine weite Aussicht. Allein mir ward der frostige Genuß zu Theil, ein paar Stunden lang beschneit zu werden.
Ich eilte durch das Fort Cumberland, im Marylander Staat, nach Oldtown oder Cumberland, einer artigen Stadt am Ufer des Potomak; von da nach Hamsktown, Midletown und Frederiktown. Alle diese letztern Städte sind größtentheils von Deutschen bevölkert, ziemlich ansehnlich, und dem Anschein nach wohlhabend.
Am 4. November war ich wieder in Baltimore. An Unterhaltung hätte es mir auf der langen Meilenstraße, die ich von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende zurückgelegt hatte, durchaus nicht fehlen können, wenn ich zuletzt auch nur die Menge der Wagen zum Zeitvertreib gezählt hätte, die mir entweder begegneten, oder die ich einholte und hinter mir ließ. Diese Fuhrwerke, wie Frachtwagen, mit Tuch überspannt, und von vier bis sechs Rossen gezogen, waren häufig mit Ankömmlingen aus Europa und ihrem Gepäck beladen, die insgesammt dem milden Himmelsstrich des Ohiolandes entgegenzogen. Andere dieser Wagen, die in derselben Richtung von Osten her kamen, führten dem Innern des Freilandes die Fabrikate und Waaren der Küstenstädte in Fülle zu; so wie hingegen die, welche von Westen her den Meeresgestaden entgegenreiseten, mit Getreide und andern Erzeugnissen des fruchtbaren Bodens der westlichen Staaten befrachtet erschienen.
Wohl über tausend solcher Karren zählte ich auf der hundert Stunden langen Strecke Wegs. Auch haben sich längs der Straße die Gasthöfe und Herbergen sehr vervielfältigt und sie sind insgesammt stark besucht. Eben so sieht man von Zeit zu Zeit ungeheure Heerden von Rindvieh und Schweinen auf dieser Straße, die ostwärts den großen Küstenstädten zugetrieben werden, um sowohl diese als die Schiffe mit Fleisch zu versorgen. Eine solche Heerde gebraucht zwei Monate Zeit, um aus der Mitte des Ohiolandes bis Baltimore zu kommen. Und hier wird dann das Vieh lebendig zu vier bis fünf Dollars der Zentner verkauft, was im Ankauf ein bis zwei Dollar gekostet hatte.
Um Abschied zu nehmen bei meinen Bekannten, ihre Bestellungen und Aufträge nach Europa zu empfangen, blieb ich zwei Tage in Baltimore, dann eben so lange in Philadelphia und auch in New-York. Hier erfuhr ich, daß das amerikanische Paketboot »Desdemona«, ein Dreimaster von 400 Tonnen, ganz neu gebaut, am 15. Nov. nach Europa und zwar nach Havre absegeln würde. Mir konnte nichts willkommener sein. Ich ward mit dem Kapitän alsbald des Preises einig, obwohl ich dem Schiffe gern einen glückweissagendern Namen gewünscht hätte, als den der beklagenswürdigen Gemahlin von Shakespears Othello.
Freunde begleiteten mich noch bis zum Hafen. Ich schied mit verhehlter Trauer von dem Lande, das mir lieb geworden war. »Auf Wiedersehen!« rief ich. Mein Fuß riß sich vom Boden der neuen Welt los. Ich stand im Nachen und fuhr der schönen Desdemona und der alten Welt entgegen. Bald nach mir kam auch der Befehliger des Schiffs, Kapitän Naghel, an Bord.
Ich saß auf einer der äussern Bänke der Kajüte und sah dem gefährlichen Treiben der Matrosen zu, welche an Seilen und Masten umherkletterten, Stangen und Segel und Tauwerke zu ordnen und zu ändern. Es wandelte mich ein Grausen an bei diesem Schauspiel, wo die Menschen, gleich Spinnen, auf Fäden liefen. In demselben Augenblick fiel einer der Matrosen, der sich droben nicht fest genug gehalten haben mochte, aus der Höhe herab. Doch durch die Bewegung, welche eben vom Schiff gemacht ward, glaubte ich ihn gerettet; denn er fiel nicht ins Fahrzeug, sondern ins Meer. Unglücklicherweise aber befand sich da noch das Kanot, auf dem der Kapitän gekommen war. Der Matrose stürzte hinein, durchbrach den Boden. Zwei andere Matrosen mit Seilen stürzten sich ihm sogleich ins Wasser nach und brachten ihn endlich aufs Verdeck. Er war ohne Bewußtsein und schien ganz zerschmettert.
Ein Gegenwind, der jede Minute an Stärke wuchs, machte die Ausfahrt vom New-Yorker Hafen schwierig. Der Kapitän fürchtete die Untiefen, Sandbänke und Klippen, und ließ umwenden. Wir kehrten in den Hafen zurück und warfen Anker. Unterdessen war der unglückliche Matrose wieder zu sich selbst gekommen. Er jammerte und schrie erbärmlich. Der Kapitän ließ ihn auf einem Nachen zur Stadt und dann ins Hospital bringen. Ja, weil der Gegenwind nicht aufhörte, ging Hr. Naghel selbst in die Stadt, den bedauernswerthen Kranken zu versorgen und dessen Stelle durch einen andern zu ersetzen.
Als er folgendes Morgens wieder aufs Schiff kam, vernahm ich, daß der Matrose eine sehr böse Nacht gehabt habe. Der Kapitän meinte, das sei ein übles Vorzeichen für unsere Reise. Der Name der schönen Desdemona deutete auch auf nichts Besseres.
Aber das focht mich wenig an. Ich befand mich hier auf dem Paketboot weit bequemer, als auf dem Hyperion, mit dem ich nach Amerika gekommen war. Bei den besten Einrichtungen der Desdemona für ihre Reisenden waren wir doch nur unserer zwei Reisende, um acht Zimmer mit zwei Betten einzunehmen. Dazu kam mir freilich die Jahreszeit zu statten. In jeder andern Zeit sind bei vierzig Personen an der ersten Tafel, für die der unveränderliche Preis auf dreißig Louisd'or festgesetzt ist; so wie fünfzehn Louisd'or für Reisende am zweiten Tisch, mit Wohnung im Zwischenverdeck; und sieben Louisd'or für Tisch und Wohnung gemein mit den Matrosen.
Die Bemannung der Desdemona bestand aus dem Kapitän, zwei Lieutenants, vierzehn Matrosen, zwei Stewards und einem Koch. Der Grund einer so zahlreichen Schiffsmannschaft, während nur zwei Reisende waren, lag ebenfalls wieder in der Jahreszeit, welche die reichste an Stürmen zu sein pflegt. Das Schiff bedarf größerer Sorgfalt und die Reisenden scheuen sich, mit einem schlechtbemannten Fahrzeug zu gehen. Auch steht um solche Zeit die Prime der Schiffsversicherung, wegen möglicher Unfälle in Orkanen, beträchtlich höher. Die diesmalige Ladung der Desdemona übrigens bestand aus Kolonialwaaren, besonders Tabak.
Die Paketboote haben ihren regelmäßigen Dienst zwischen Amerika und Europa, der von Jahr zu Jahr bestimmt wird. Zwischen New-York und Havre waren in jenem Jahr zwölf dergleichen Fahrzeuge thätig, nämlich: Cadmus, Eduard Quesnel, Lewis, Desdemona, Eduard Bonaffe, die Königin Mab, Don Quixotte, Howard, Heinrich, Montano und Stephania.
Der Herbst ist eigentlich für Amerika die schöne Jahreszeit. Die Amerikaner nennen ihn daher den »Indianer-Sommer«, oft auch nur den »Blätterfall.« In der That, bis zum 15. Nov. lachte über uns herab der herrlichste Himmel; aber am 16. Nov., eben am Tag unserer Abreise von New-York, überzog er sich mit Gewölken; das Wetter wurde unangenehm und drohend. Wir gebrauchten vier Stunden, um aus dem Hafen zu kommen; mußten beim Gegenwind uns langsam drehen und wenden, um Sandbänken und Klippen auszuweichen, und traten erst zu Mittag ins offene Meer.
In den ersten paar Tagen war der Wind uns ziemlich günstig und erträglich; dann aber wuchs seine Gewalt; jeden Tag, jede Stunde kam ein anderer Stoß und Luftstrom. Wir machten dabei viel Weg in kurzer Zeit, aber nicht auf die angenehmste Art. Das Meer gewährte einen finstern, wilden, gährenden Anblick mit seinen lärmenden Wogen.
Das erste Unwetter, das wir zu bestehen hatten, kam uns aus Norden her, und daher also, rücksichtlich unserer Fahrt und Richtung, gar nicht ungelegen. Der Sturm dauerte zwölf Stunden. Alle Segel waren beigelegt, bis auf zwei, die man auch nur zur Hälfte öffnete. In einer Stunde flogen wir über drei Wegstunden oder zehn Seemeilen. Mich unterhielt das Gewirr und Spiel der gewaltigen Wellen, wie sie sich, weiß, wie Schnee, aufbäumten in langen Reihen, und weite, dunkle Furchen zwischen sich ließen. Es waren bewegliche Gletscherketten durch finstere, lange Thäler geschieden. Wenn das Schiff an einem Wasserberg aufstieg, dann und weit hastiger in ein Wellenthal niederfuhr und einer neu heranrauschenden, sich thürmenden Wassermasse mit mächtigem Stoß begegnete, schien das erbitterte Meer wüthend aufzufahren, um das gebrechliche Fahrzeug zu verschlucken. Es war ein prachtreiches, aber zugleich grausenhaftes Schauspiel.
Der zweite Sturm erschien uns wenige Tage nachher, ebenfalls von Norden her; aber widerwärtig für unsere Richtung. Er drängte uns volle zwei Grad südwärts. Die Wogen kamen von der Seite, und schlugen so gewaltig gegen die Rippen des Schiffes, daß sie des Nachts wie Kanonendonner andröhnten. Das Fahrzeug krachte jedesmal in allen Fugen, als bräche es auseinander. Von Zeit zu Zeit fuhren die Wellen leckend über das Verdeck hin.
Der dritte und letzte Sturm – sonst sollen nur der guten Dinge drei sein – überfiel uns auf der Höhe vom Cap Finisterre, am Eingang der Meerenge von Calais. Das was mehr als Sturm, es war Orkan. Der grimmige Ozean glich sich gar nicht mehr; hatte seine ganze Farbe verändert; sah schauderhaft grauschwarz aus. Ein schmutziges Grauschwarz bedeckte über uns den Himmel, und ein falbes Wölkchen öffnete sich nur hin und wieder hell, um jene Grabesfarbe recht deutlich zu zeigen.
Der Kapitän ließ schnell alle Segel einziehen. Aber ehe man noch damit zu Ende war, fuhren, wie Blitze, Windstöße um Windstöße mit einer Macht daher, die Alles wegzureissen schienen. Der Wasserstaub hochaufsprudelnder Wogen wehte über Verdeck und Bord. Das Schiff legte sich taumelnd bald auf die eine, bald auf die andere Seite. Der Kapitän konnte sich im Geheul und Gelärm der Wellen, dem Zischen und Pfeifen des Windes in Seilen, Tauen und Masten, den Matrosen durchaus nicht verständlich machen. Er lief von einem zum andern, that endlich einen bösen Fall, verlor die Besinnung und mußte in die Kajüte getragen werden.
Als er wieder einigermaßen zu sich selbst gekommen war, nahm er die Charte und Magnetnadel. Ich trat zu ihm, als er mit dem Zirkel maß. Ich wagte nicht, ihm eine Frage zu thun, denn seine Unruhe malte sich zu deutlich im Gesicht.
Gegen eilf Uhr Nachts meldete der Lieutenant, er habe Licht von den Leuchtthürmen an der Küste gesehen. Der Wind trieb uns gegen die Küste zu. Ich ging aufs Verdeck. Nacht, Graus, donnerndes Brüllen der Elemente; unter uns, über uns, um uns Alles Bewegung; Alles Aufruhr; nichts Festes mehr; Weltuntergang. – Nun wußte ich, was Orkan auf dem Meere sei; ich hatte sonst manchmal davon gelesen. Aber es war und blieb ein großes Schauspiel. Ich sah in diesen Augenblicken nur die grauenvolle Majestät der mir unbekannten Erscheinungen; die Furcht ums arme Leben plagte mich nicht, kam eigentlich erst hintennach, da sie gar nicht mehr nöthig war. Mein Herz schlug ruhig. Meine Brust ward nur vom Erstaunen bewegt.
Nach Mitternacht, um zwei Uhr, kamen wir der Küste schon so nahe, daß ich ganz deutlich den rothen Laternenblitz der Leuchtthürme sah. Es donnerten fort und fort Wind und Wogen; die Menschen aber wurden stumm. Die Matrosen ließen sich nicht mehr hören. Menschliche Kunst und Kraft standen an den Grenzen ihres Gebiets. Rettung mußte von der Hand des Weltenregierers erwartet werden.
Eine hangende Lampe erhellte das Zimmer der Kajüte mit bleichem, ungewissem Schein. Ich stand da beim Kapitän. Er erzählte mir nun vom Schiffbruch des amerikanischen Paketboots, »der Paris«, Kapitän Robinson, das damals seine zweite Reise machte. Zu allem Ueberfluß holte er noch die Abbildung von jenem unglücklichen und schönen Fahrzeug hervor, und zeigte mir sie. Merkwürdiger war mir die Aehnlichkeit aller Umstände zwischen jenem Schiffe und dem unsrigen; man denke nur, dieselben Stürme von nämlicher Seite her, und dieselben Küsten, wo es scheiterte.
Ich hörte ihn ruhig erzählen, als gingen uns diese Dinge nichts an. Wir sind in Gottes Gewalt und Liebe, ob ein Abendlüftchen wollüstig seufze oder ein Sturm brülle. Hätte ich nur die Zaubermacht des Seemalers Horaz Vernet gehabt; hätte ich nur die gräuelvolle Weltempörung um mich her, die sich aufbäumenden Wassermassen, den zischenden Schaumschwall, die schwarzen Abgründe dazwischen, Flug und Bewegung aller Dinge, die Umwandlung der schauerlichen Erscheinungen von Augenblick zu Augenblick malen können! Ich ging um drei Uhr wieder hinaus, die ungeheure Verwirrung der Dinge, der Auflösung eines Weltballs ähnlich, zu schauen. Ich mochte mir nicht die Einbildung mit Erzählungen von Noth und Jammer quälen lassen. Der Anblick der Natur in ihren schreckenvollen Werken ist erhabener, als jedes Bild der gemärterten Phantasie, und selbst die Gefahr vor dem Auge hat etwas Feierliches, Edles, was die Furcht, in der Vorstellung von ihr, nicht wiedergibt.
Immer noch, als ich wieder in die Kajüte zurückkam, stand der Kapitän mit Zirkel und Charte da und maß und rechnete. Nun erzählte er mir wieder eine ganze Reihe von Schiffbrüchen seiner zeitgenössischen Kapitäne, seit ohngefähr fünfzig Jahren.
Plötzlich unterbrach uns ein eigenes Geschrei der Matrosen. Des Kapitäns Gesicht legte sich sogleich in zufriedenere Falten. Er ging und sagte: »Jetzt änderts!« – Die zwei Worte thaten mir, nach der langen Historie von den gescheiterten Schiffen, herzlich wohl. Ich möchte es nicht läugnen.
Ich ging hinaus, das Rufen und Schreien der Matrosen dauerte fort. Ich sah, man rollte die Segel auf. Jetzt völlig beruhigt, legte ich mich schlafen. Bei Tagesanbruch kam der Kapitän und sagte, wir wären in der Nähe von den Inseln Jersei und Guernesei. – Ich wollte die Freude auch sehen, und sah im Wasser umher Trümmer von Schiffen. Wir erfuhren späterhin, es wären zwei Küstenfahrer untergegangen.
Endlich und endlich Morgens zehn Uhr am 11. Dezember hatten wir einen Piloten am Bord, und Nachmittags um halb vier Uhr waren wir im Hafen von Havre de Grace.
Was bleibt mir noch zu erzählen? – Ich war Weihnachten bei meinen Lieben in der lieben Heimath. Ich hatte Wort gehalten. Meine Reise ging wie ein Traum aus.
That ich recht, auch Andern, wie meinen Lieben, davon zu erzählen? – Wahrlich, ich weiß es nicht. Uebrigens kömmt die Frage nun hintennach zu spät. Ich hätte sie voran thun sollen. Es tröstet mich, daß jeder das Recht hat, seine Ohren zu schließen, der nicht zuhören mag. So bin ich auf jeden Fall Niemandem mit meiner Plauderei beschwerlich. – Mein Besuch der neuen Welt hat mir hohen Genuß gewährt und freut mich in den Bildern der Erinnerung noch heut.
Im Verlag von Heinr. Rem. Sauerländer in Aarau erscheinen folgende neue Schriften:
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Unterhaltungsblätter für Welt- und Menschenkunde für 1827. | 12 fl. – 8 Thlr. |
Seite | 18 | Z. 1 u. 2 v. u. l. »von Charl[e]stown nach Amsterdam«, statt von Amsterdam nach Charl[e]stown. |
– | 21 | Z. 10 l. »Mittags«, st. Mitternachts. |
– | – | Z. 1 v. u. l. »Queen-Maab«, st. Queen-Maal. |
– | 58 | Z. 9 l. »the Maryland«, st. Lac Maryland. |
– | 59 | Z. 1 l. »sweah patatoes[sic]«, st. Sweat-Patators. |
– | 61 | Z. 1 v. u. l. »12,508,000 Einwohner«, st. fünfzehn Millionen [Seelen]. |
– | 71 | Z. 1 v. u. l. »Brighton«, st. Bigbone. [Anm.: Namen hier vertauscht] |
– | 78 | Z. 12 l. »Rariton«, st. Bariton. |
– | 113 | Z. 10 l. »Mohawkfluß«, st. Mohanokfluß. |
– | 119 | Z. 11 l. »Manlieus«, st. Mansieu. |
– | – | Z. 20 l. »Skenektedes«, st. Kenektedes. |
– | 132 | Z. 9 l. »Blackrock«, st. Blakwek. |
– | 176 | Z. 10 v. u. l. »Athens«, st. Athen. |
– | 180 | Z. 15 l. »Scioto-Strom«, st. Scioko-Strom. |
– | 193 | Z. 14 l. »Flatboat«, st. Flazboat. [und Z. 5 v. u.] |
– | 194 | Z. 17 l. »Morero«, st. Morin. |
– | 202 | Z. 11 l. »aus dem Neuenburgerlande«, st. aus dem Waatlande. |
– | 202 | Z. 15 l. »Guinand«, st. Guinaud. |
– | 204 | Z. 3 v. u. und Seite 205 [Z. 6] v. o. l. »Sugarcreek«, st. Sugaroreak. |
– | 212 | Z. 7 l. »Turkycreek«, st. Turbynek. |
– | 221 | Z. 18 l. »Help your self«, st. Help you self. |
– | 228 | Z. 7 l. »Potalia«, st. Potalin. |
– | 230 | Z. 13 l. »wonderfull«, st. wondertull. |
– | 238 | Z. 10 l. »Laurel-Hill«, st. Samuel-Hill. |
Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt. In dieser Transkription werden gesperrt gesetzte Schrift sowie Textanteile in Antiqua-Schrift hervorgehoben.
Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, einschließlich uneinheitlicher Schreibweisen wie beispielsweise "Bai" – "Bay", "Cajüte" – "Kajüte", "Delavare" – "Delaware", "Feste" (Festung) – "Veste", "Getraide" – "Getreide", "gibt" – "giebt", "hieher" – "hierher", "Kapitain" – "Kapitän", "New York" – "New-York" – "Newyork", "ohngefähr" – "ungefähr", "Partei" – "Parthei", "Tamoak" – "Tomoak", "Utica" – "Utika",
mit folgenden Ausnahmen,
Seite 7:
"hiel-" geändert in "hielten"
(Einige von den Pfiffigsten hielten mich offenbar)
Seite 12:
"Große" geändert in "Größe"
(Kisten von aller Form und Größe, Waarenballen)
Seite 12:
"Wassenbecken" geändert in "Wasserbecken"
(Das große Wasserbecken war geschlossen)
Seite 15:
"Schiffkapitän" geändert in "Schiffskapitän"
(mit dem Schiffskapitän, einem Amerikaner)
Seite 20:
"nnd" geändert in "und"
(prellenden und schnellenden Wirthen)
Seite 29:
"Gemuth" geändert in "Gemüth"
(daß sie aus reinem, frommem Gemüth hervorging)
Seite 47:
"Meranville" geändert in "Moranville"
(wegen dem Tode eines Herrn Moranville gehalten)
Seite 56:
"Vorträgen" geändert in "Verträgen"
(wurden von den eingegangenen Verträgen frei gemacht)
Seite 60:
"Slops" geändert in "Sloops"
(Eine Menge Schiffe, Sloops und anderer Fahrzeuge begegneten uns)
Seite 72:
Halbsatz ganz gestrichen, weil auf Seite 73 doppelt vorhanden
(New-York bei damals etwa 120,000 Einw. dreiundfünfzig Kirchen;)
Seite 80:
"Bariton-Ufer" geändert in "Rariton-Ufer" entspr. Druckfehler-Verzeichnis
(Nachdem wir noch am linken Rariton-Ufer)
Seite 84:
"Governor-Ellis" geändert in "Governor-, Ellis-"
(Governor-, Ellis- und Gill-Island, worauf Vesten zur Vertheidigung)
Seite 100:
"Bariton" geändert in "Rariton" entspr. Druckfehler-Verzeichnis
(wohnte auf einem Landgut am Ufer des Rariton)
Seite 103:
"Champlansee" geändert in "Champlainsee"
(den Hudson hinauf durch den Georgs- und Champlainsee)
Seite 104:
"Orange-Towa" geändert in "Orange-Town"
(am Städtchen Orange-Town, dreizehn Stunden von Newyork)
Seite 108:
"Skenestady" geändert in "Skenectady"
(nahm einen Reisewagen, übernachtete in Skenectady)
Seite 112:
"Skenetady" geändert in "Skenectady"
(In Skenectady, wo ich einen Preussen)
Seite 114/115:
"Whisby" geändert in "Whisky"
(9094 Gallonen Whisky)
Seite 114/115:
"Bret-" geändert in "Brett-"
(Brett- und Zimmerholz)
Seite 125:
"Alleghanij" geändert in "Alleghany"
(von denen die Alleghany-Berge aufgeschichtet sind)
Seite 138:
"äugten" geändert in "säugten"
(zwei andere säugten ihre Kinder)
Seite 139/140:
"Whisk" geändert in "Whisky"
(ihrem Whisky (oder Meth))
Seite 145:
"Irokosen" geändert in "Irokesen"
(sonst allein vom Geheul der Irokesen)
Seite 146:
"an- ansiedeln" geändert in "ansiedeln"
(Wer sich da ansiedeln will, ist gehalten)
Seite 152:
"N u-Orleans" geändert in "Neu-Orleans"
(Von Neu-Orleans, den Missisippi und Ohio herauf)
Seite 155/156:
"fahrt" geändert in "fährt"
(kein Dampfboot, wegen zu niedrigen Wasserstandes, fährt)
Seite 157:
"insgsammt" geändert in "insgesammt"
(insgesammt stammten sie frisch aus Deutschland, England)
Seite 172:
"Millonen" geändert in "Millionen"
(ein Jahr ins andere sechs bis sieben Millionen Dollars abwirft)
Seite 173:
"Schazkammersekretair" geändert in "Schatzkammersekretair"
(der Schatzkammersekretair hat jährlich nur)
Seite 175:
"Nachbaren" geändert in "Nachbarn"
(von einem der christlichen Nachbarn ganz unerwartet)
Seite 183:
"pielt" geändert in "spielt"
(auf welcher Herr Dorfeuil meisterhaft spielt)
Seite 185:
"Cicinnati" geändert in "Cincinnati"
(Wir waren Mittags von Cincinnati abgefahren)
Seite 193:
"Flußaufwarts" geändert in "Flußaufwärts"
(Flußaufwärts wird es nie wieder gebracht)
Seite 210:
"." eingefügt
(immer waren die Negerinnen schuld.)
Seite 211:
"Irrländer" geändert in "Irländer"
(Ueber meinen Irländer hatte ich, soviel mich betraf)
Seite 212:
"Portsmuth" geändert in "Portsmouth"
(noch vierzehn Wegstunden bis Portsmouth zurückzulegen)