Title: Erzgebirgische Christ- und Mettenspiele
Compiler: Max Wenzel
Release date: March 10, 2019 [eBook #59046]
Most recently updated: July 20, 2020
Language: German
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Anmerkungen zur Transkription
Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text ist so ausgezeichnet. Im Original in Antiqua gesetzte Passagen sind so markiert.
Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des Buches.
Ein Versuch
zur Rettung alten Volksgutes
von
Max Wenzel.
1921.
H. Thümmlers Verlag in Chemnitz.
Der
Chemnitzer Volkshochschule
und ihrem verdienten Leiter
Herrn Studienrat Dr. Hans Keller
in Verehrung gewidmet.
Dies Büchlein will nichts, als eine Unzahl Blüten alterzgebirgischer Volkspoesie, die bisher verstreut oder vergessen waren, zu einem kunstlosen Strauße binden.
Volkslied und Volksdichtung sind lange nicht mehr kaum geduldete und mitleidig belächelte Begriffe im deutschen Kunstleben. Das Volkslied erklingt auf allen Wegen und Stegen, daheim und im Konzertsaal; die Volksdichtung hat verständnisvolle Leser und das Volksbühnenspiel durch Haaß-Berkow begeisterte Hörer und Miterleber gefunden. Die sentimental-süßliche für das Volk zurechtgestutzte Volkskunst ist als falsches Gold erkannt und entwertet worden und mit gediegener Eigenprägung wartet die künstlerische Münze unseres Volkes auf.
Durch alle Gegenden des deutschen Landes braust ein voller Chor zum Preise unseres unverfälschten Volkstums, möge das Stimmlein dieses Buches ihn verstärken helfen!
»Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging«, so beginnt die lieblichste aller religiösen Erzählungen. Alle Fragen geschichtlicher Kritik und fordernder Dogmatik schweigen bei dieser Weihnachtsgeschichte und selbst der dem Christentum Abgekehrte läßt die heiligen Märlein gern auf sich wirken und feiert selige Kindheitserinnerungen. Wie ein echtes und rechtes Volkslied mutet dieser Bericht von der Geburt des Heilandes an. Das traute hochheilige Paar im dunklen Stalle, wo der Weltenheiland nackt und arm geboren wird. Aus der Tiefe muß er emporsteigen, der sein Volk zur Höhe führen will. Und den armen und verachteten Hirten naht der himmlische Herold und schickt sie zu dem frierenden göttlichen Kinde. Auch der geheimnisvolle Orient muß vertreten sein, darum erscheinen die drei Weisen aus dem Morgenlande, sogar ein wirklicher Neger ist dabei, und stellen ihre reichen Gaben in den Stall. Gegensätze über Gegensätze, wie sie das Volk liebt.
Darum war es der glücklichste Gedanke der altchristlichen Kirche, die volkstümlichste Erzählung der heiligen[7] Schriften in den Mittelpunkt eines Festes zu stellen, das heute noch seinen Zauber auf Gläubige und Ungläubige ausübt.
Seine ganze Liebe hat das Volk von jeher über dieses Fest ausgegossen. Die Volkssitte umgab es mit einem bunten Kranze von volkstümlichen Sitten und Gebräuchen, die es von jedem anderen Feste unterscheiden. Was an künstlerischer Begeisterung und inbrünstiger Liebe im Volke schlummert, von dem Rauschen der Engelsfittige ward es aufgeweckt und auf allen Kunstgebieten entstanden köstliche Werke naivsten Kunstempfindens. Aus ungefügen Holzklötzen formte sich die Gottesmutter mit dem Kinde, um den Kirchen ein festlicher Schmuck zu sein. Der Winkel der Wohnstube bevölkerte sich mit allerlei buntem Schnitzwerk, das die liebliche Erzählung figürlich darstellte. In süßen Liedern und innigen Versen ward das hochheilige Paar gepriesen. Und die aus der Tiefe des Volks schöpfende Kunst fand einen Schacht voll Gold und Edelsteinen, sodaß sie noch heute der Ausbeute froh wird. Die darstellenden Künste, Tonkunst und Dichtkunst haben gleichen Anteil an der Hebung der Schätze. Ja auch die Anfänge der Schauspielkunst berühren sich mit der volkstümlichen Darstellung der Geburtsgeschichte des liebenswertesten aller Menschen.
Von altersher hat das Volk an dramatischen Vorführungen seine Freude gehabt, sowohl als andächtiger Hörer, wie als eifriger Mitspieler. Die Uranfänge dieser[8] dramatischen Betätigung liegen teils in dem vorchristlich-heidnischen Mythos der Zwölfnächte, in denen, als in der Zeit der wiederkehrenden Sonne, die Götter lohnend und strafend Umzüge halten, teils in den Mysterien der altchristlichen Kirche. Heute noch ziehen zur Weihnachtszeit, wie in den alten Zeiten, in Norddeutschland der Schimmelreiter, der Breithut, Wotans wilde Jagd, Berchta und Holle, mehr nach dem Süden zu in mehr oder weniger christlicher Aufmachung der Pelzmärtel, der Knecht Ruprecht, St. Niklas und andere Göttergestalten umher. Die Kirche, die sich mit ausgezeichnetem Geschick dem alten Volksglauben anzupassen verstand, legte schon das Fest der Geburt des Heilandes in die mit mystischem Geiste erfüllte Zeit der Wintersonnenwende. Die alten Götter mußten sich eine Umtaufe in Gestalten der christlichen Legende gefallen lassen. Götter und Bräuche der Julzeit wurden leicht mit den ansprechenden Verhältnissen und Personen des Weihnachtsevangeliums verquickt. So kam christlich-religiöses in den germanischen Gotteskult, aber umgedreht drang auch liebes Altgewohntes und Schwerzuvergessendes in den christlichen Volksglauben ein.
Die Kirche war bestrebt, dem neuen Feste einen mystischen Zauber zu verleihen, wußte sie doch, daß sie damit die schlichten Naturmenschen unwiderstehlich in ihren Bann zog. Daher wirkte sie durch prächtige Gewänder, Weihrauch, Lichter, durch süße schmeichelnde Gesänge auf die Hörer ein, ja sie verschmähte auch die dramatische Darstellung[9] des Weihnachtsmysteriums in ihren Gotteshäusern nicht. Dies dürften auch die Anfänge der deutschen Schauspielkunst sein. Aber wie das griechische Drama aus dem Geiste der Musik entstanden ist, so wurden auch die ältesten Weihnachtsspiele gesungen und zwar lateinisch. Dies schloß zunächst eine Mitwirkung der Laien an den Spielen vollständig aus. Die Kirche mochte wohl erkennen, welche tiefe Wirkung sie mit diesen Darstellungen auf ihre Gläubigen ausübte und war bemüht, diese Wirkung noch zu vertiefen, dadurch, daß sie die Spiele volkstümlich gestaltete. Nach und nach trat ein Laie nach dem andern in die Darsteller ein. Mehr und mehr erklangen deutsche Laute, ja endlich blieben nur die eigentlichen überirdischen Aussprachen, wie das Gloria der Engel, das Ave Maria lateinisch bestehen. Mit dem Eindringen des Volkes in diese geistlichen Spielergesellschaften traten gewisse Elemente in die Dichtungen selbst, die wohl zunächst von der Kirche nicht beabsichtigt waren, dann stillschweigend geduldet wurden, bis sie endlich eine Gefahr für die ganze Weihe des Ortes und der Handlung bildete. Das Volk drückte seine Gefühle des Wohlwollens mit einzelnen Personen und Verhältnissen anders aus, wie die gelehrte Geistlichkeit es wünschte.
Die in alten Zeiten herrschende Derbheit, ja Rohheit ließ die Spiele nicht unberührt, allerhand Allzuweltliches mischte sich hinein, es entstanden Unzuträglichkeiten, die schließlich den Geistlichen die Teilnahme an den Spielen[10] verboten und diese aus den Gotteshäusern verwies. Die Spiele waren für die große Masse des Volks berechnet und dieses wollte sein Vergnügen haben, darum mengte es Heiliges und Possenhaftes seelenruhig durcheinander. Man ist ehrlich überrascht, wenn man sich in dieses alte Volksgut versenkt. Wunderliche, bunte Klänge umgeben uns, guter echter Volksliederton. Wie nüchtern und einsam kommen uns die paar Weihnachtslieder vor, die unseren Christfeiern geblieben sind.
Ebenso stark ist aber auch eine gewisse Befremdung über den unerhört freien und kecken Ton, in dem hier die heiligen Gestalten und Ereignisse behandelt werden. Die allzu große Intimität und Heimatlichkeit möchte uns fast zweifeln lassen, ob nicht etwa hier schon gespottet wird. Die ganze heilige Geschichte ist eine heimische Angelegenheit geworden. Draußen auf dem Feld am Bergwald hat sich alles zugetragen. Zwischen die Veitel und Stöffel, Matz und Jaköbl platzt auf einmal so ein unerhörtes Geschehnis, wie das Erscheinen eines Engels, hinein. Doch man betrachtet die Sache mit gutem Humor. Es geht so gemütlich zu, daß man das »Fürchtet euch nicht!« des Engels recht unnötig findet. Der Joseph ist ein alter Mann, schon so zittrig, daß er den Brei des Christkindleins verschüttet, er geht ganz krumm und hustet fortgesetzt. Man muß es recht deutlich merken, daß er viel zu alt ist, um der natürliche Vater des Kindleins sein zu können. Und der König Herodes ist doch ein recht[11] dummer Teufel, der sich von den drei Weisen und dem Engel Gabriel nasführen lassen muß. Ueberhaupt, was an biblischen oder dogmatischen Tönen erklingt, mutet fast etwas fremd an. Es klingt, als wenn in das lustige Geplapper der Kinder eingelernte Bibelsprüche und Liederverse aus dem Gesangbuch gemischt werden. Mir erscheint die volkstümliche Behandlung der biblischen Erzählung geradezu charakteristisch für den deutschen Volkshumor. Dieser verbindet gern einen kleinen Scherz, ja sogar einen gutmütigen Spott mit den Gefühlen der Achtung und Ehrfurcht. Ist es bei Gottfried Keller, Wilhelm Raabe und Fritz Reuter nicht ebenso? Auf dem Gebiete der Religion haben wir diesen Humor durch die zeitweilige Einwirkung einer erkältenden Orthodoxie etwas verloren. Gerade dieser Humor ist ja alles andere wie eine Verhöhnung. Nur mit Personen, die seinem Herzen nahe stehen, die es mit Liebe und Wohlwollen betrachtet, erlaubt sich das Volk solch köstlichen Spott.
Die Freude an solchen Spielen war in Deutschland allgemein. Besonders in Schlesien und Süddeutschland waren sie zu Haus. Von hier brachten sie zuziehende Bergleute, die das Gerücht von dem fabelhaften Silberreichtum des Erzgebirges von ihrer Heimat weglockte, in unsere Berge. Nicht gedruckt oder handschriftlich wurden sie mitgebracht. Einer oder der andere hatte zu Haus schon den Joseph, den Wirt oder einen Hirten gespielt. Seine Rolle kannte er genau, die anderen waren ihm zum[12] Teil auch geläufig. Was noch fehlte, konnten andere ergänzen, die ebenfalls zu Haus an solchem Tun teilgenommen hatten. Im Notfall wurde auch ein Verslein hinzugedichtet. So sind jedenfalls die erzgebirgischen Weihnachtsspiele entstanden.
Es erscheint unzweifelhaft, daß sie hauptsächlich aus Schlesien zu uns gekommen sind. In dem grundlegenden Werke »Weihnachts-Spiele und Lieder aus Süddeutschland und Schlesien« von Dr. Karl Weinhold (ordentl. Professor an der Universität Kiel, neue Ausgabe 1875 bei Braumüller in Wien erschienen) treten einige schlesische Spiele auf, die man ohne Zweifel als die Urformen der erzgebirgischen Spiele ansehen kann. Man vergleiche das nachfolgende Christkindlied aus Niederschlesien mit dem Beginn der später in diesem Hefte angeführten Wiesaer Engelschar.
Der Engel tritt ein, weißgekleidet, in der Hand ein Schwert und singt:
Das Christkind tritt ein, bunt gekleidet, in der Hand eine Rute und singt:
Engel.
Christkind.
Engel.
Christkind.
Das Christkind teilt seine Gaben aus, unterdessen singt der Engel:
Der Engel und das Christkind bleiben vor einander stehen und singen:
Im Herausgehen:
An einigen herausgegriffenen Beispielen sollen weiter gewisse Uebereinstimmungen zwischen den schlesischen und erzgebirgischen Spielen festgestellt werden. Dabei wurde in den meisten Fällen die Rechtschreibung des Originals beibehalten, auch gewisse Verballhornungen lateinischer Sentenzen blieben bestehen, z. B. das typische »Landevere« für laudavere.
Niederschlesisches Spiel.[1]
Reichenbacher Dreikönigsspiel.
Reichenbacher Dreikönigsspiel.[2]
Laban:
Ernstthaler Spiel.[3]
Thalheimer Spiel.[4]
Kriegsknecht:
Löwenheiner Spiel.[5]
Im Schlaupitzer Spiel (Weinhold Seite 106) spricht Joseph:
Im Wiesaer Spiel bricht der große Ruprecht los:
Fast übereinstimmend schließen unsere erzgebirgischen Spiele mit dem Gesang der Liedstrophe:
Dieses Lied führt Weinhold (Seite 124 Anmerkung) in einer ganz köstlichen Verballhornung an:
Daß aber auch süddeutsche Klänge, wie halbverloren, in unsere Spiele hineintönen, zeigt die Uebereinstimmung des Anfangs des Ernstthaler Spiels mit dem eines Paradeisspiels, das Weinhold (Seite 302) aus Vordernberg in Obersteier mitteilt. Dort heißt es:
Naturgemäß waren auch die zugewanderten Bergleute die ersten Regisseure und Darsteller der Spiele. Man darf wohl annehmen, daß zunächst die religiöse Begeisterung[17] die Triebfeder des ganzen Tuns gewesen ist. Dies spricht dafür, daß zunächst das Gotteshaus als Schauplatz der Aufführungen in Frage kam. Diese im Gotteshause aufgeführten Spiele sind die Christmetten, Ueberbleibsel jener alten geistlichen Mysterien. Die Christmetten waren in ganz Sachsen verbreitet.
Sie wurden in den Kirchen mit aller Pracht gefeiert. Die heilige Erzählung wandelte man, in ihren einzelnen Abschnitten, dramatisch um. Anfangs waren nur die Geistlichen die Darsteller, später gingen die Rollen nach und nach in den Besitz von Leuten aus dem Volke über. Die schon angedeuteten Uebelstände führten endlich dazu, sie durch Reskripte der Landesregierung aus der Kirche zu verbannen. Die bei den Landtagen im Jahre 1805 und 1811 von den Landständen »in Consistorialibus angebrachten Anliegen und Beschwerden« betreffen auch die »sogen. Christmetten.« 1805 beantragten Ritterschaft und Städte, »die Christmetten wegen des dabei gewöhnlichen Unfugs durch ein Landesgesetz abzustellen.« Der König[6] war zunächst nicht für eine völlige Beseitigung der alten Sitte, er ordnete nur an, daß bei fernerer Beibehaltung der Metten allem Unfug auf wirksame Weise gesteuert werden möchte. Es wurden nun Berichte von den Superindenturen des Landes eingezogen, um über die Art und Weise der Kirchenspiele Klarheit zu erhalten. Nach den gewonnenen Unterlagen konnte das Konsistorium zu Leipzig[18] am 27. November 1811 an den König berichten, »daß die Christmetten weniger als eine religiöse Feier und Vorbereitung auf das Weihnachtsfest anzusehen seien, vielmehr als eine Art Volksbelustigung, weshalb die Christmetten ohne allen Nachteil abgeschafft werden können.«
Der König entschied jedoch mittels Reskriptes vom 21. August 1812, »daß an denjenigen Orten, wo Christmetten seither stattgefunden haben, selbige auch noch fernerhin beibehalten werden mögen, hingegen an denjenigen Orten, wo sie abgeschafft worden sind, es bei deren Abstellung bewenden solle.«[7]
Trotzdem ließen sich die althergebrachten Feiern nicht aus den Kirchen verdrängen. Viele Gemeinden hielten zäh daran fest. Dies gab u. a. Veranlassung zu einem heftigen Artikel eines anonymen Verfassers, im »Gemeinnützigen Erzgebirgischen Anzeiger für alle Stände« (3. Stück, Schneeberg, den 14. Januar 1815, Seite 15).
Nachdem erst die weise Verordnung des »Kirchenrathes«, die Christmettenfeier betreffend, gepriesen worden ist, heißt es weiter: »Man hätte nun glauben sollen, daß der zeitherige Mettenunfug die Farcen mit den als Engel und Hirten verkleideten Kindern wie durch einen Zauberschlag vernichtet sein würden. Aber nein! Dieser Unfug dauert in vielen Ortschaften des Erzgebirges und Vogtlandes[19] noch immer fort. Engel im weißen bebänderten Gewande, mit Sonnen und Welten tragenden Kronen, das flammende Schwert in der Rechten haltend und Hirten mit Tasche und Stab machen ihre mystischen Herumzüge in der Kirche, singen von der Kanzel und Altar ihre Lieder, leiern ihre Weihnachtssprüche ab und machen ihre englischen Tänze um den Altar herum. Bald erblickt man sie auf der obersten Emporkirche bald an den Stufen des Altars. Auch sogar ein Wiegenlied wird gesungen. Die dem Volke so gefälligen Schulmeister halten die Kirchenuhren zurück, damit die Feier durch die Finsternis der Nacht begünstigt wird. Alles dieses und die volle Erleuchtung der Kirche verbreitet einen so mystischen und magischen Zauber, daß das tollsinnliche Volk ganz entzückt ist. Zwei Stunden läuft es in der Nacht, um nur die lieben Engelchen zu sehen und zu hören. Man trägt die Säuglinge auf den Armen in die Kirche. Jede Familie kommt mit ihren Kinderchen gezogen. Auf die Predigt hört niemand. Das Getöse der großen Volksmenge, das durch das Aufschreien der vielen Kinderchen noch vermehrt wird, läßt auch nichts davon vernehmen. So saugen schon kleine Kinder durch die Anschauung die grobkörperlichsten Vorstellungen vom Geisterreiche ein, die bei dem gemeinen Manne das ganze Leben hindurch nicht wieder zu vertilgen sind.«
Der Verfasser war wohl in den Reihen der Geistlichen zu suchen, die in dem ganzen Treiben eine Konkurrenz des Predigtgottesdienstes erblickten. Auch dem[20] obersten Kirchenrat zu Dresden war eine anonyme Zuschrift zugegangen. Dies veranlaßte einen neuen Befehl am 25. Januar 1815 an die Superintendenturen zu Zwickau, Annaberg, Plauen und Oelsnitz, Erkundigungen einzuziehen, welche Bewandtnis es mit der Darstellung der Engel und Hirten überhaupt habe und inwiefern die Geistlichen und Schullehrer beteiligt seien. Die nun erfolgten Berichte sind nicht uninteressant. In Grünhain und Breitenbrunn waren zwar die Schulmädchen mit weißen Kleidern und Kränzen auf dem Kopfe erschienen; jede andere Verkleidung war unterblieben, weshalb die Pfarrherrn keinerlei Grund gehabt hätten, die Feier zu verbieten.
Das Programm der Metten in Bernsbach war allerdings reichhaltiger. Die Gemeinde hatte zum Eingang das Lied »Vom Himmel hoch« gesungen. Dann kam eine Kirchenmusik, nach der das sogenannte Quem pastores landavere von den Schulknaben gesungen worden war. Dann hatte ein Knabe unter Orgelbegleitung die Weissagung des Jesaias von der Kanzel gesungen. Dieser Knabe war weiß gekleidet und trug eine Krone auf dem Kopf. Hierauf hatte der Ortspfarrer gepredigt. Zum Schluß versammelten sich die Knaben in den Sonntagsanzügen und die Mädchen in weißen Kleidern auf dem Altarplatz, hier haben sie Reden, Gespräche und Gesänge gehalten, die die heilge Geburtsgeschichte zum Inhalt hatten. Pfarrer, Schulchor und Gerichte versehen ausdrücklich, daß der ganze Gottesdienst nichts Unziemliches[21] enthalten habe. Prachtvoller wurden die Christmetten in Beyerfeld gefeiert.
1. Ein Weihnachtslied mit Pauken und Trompeten[8].
2. Das Quem pastores landavere mit abwechselnden Chören von den Kindern allein gesungen mit Begleitung blasender Instrumente.
3. Die Weissagung des Jesaias unter musikalischer Begleitung durch einen Knaben von der Kanzel gesungen.
4. Weihnachtslied 5. Predigt. 6. Musik. 7. Die Unterhaltung der Kinder am Altar oder der sogenannte Auftritt, d. i. Gespräche der Kinder mit Gesängen über die Geburt Jesu nach Anleitung der heiligen Schrift.
8. Dankgebet, von 4 Knaben kniend nach der Reihe verrichtet. 9. Kollekte, Szene und Schlußgesang.
Allegorische Verkleidungen der Kinder hatten stattgefunden, die Knaben bemittelter Eltern haben grüne oder blaue Jacken, weiße Beinkleider, Schuhe und Strümpfe und grüne Hüte oder Kappen auf dem Kopfe und Stäbe in den Händen gehabt, die Mädchen aber sind weiß gekleidet gewesen, mit grünen Kränzen auf dem Kopfe und Stäben in den Händen. Der Knabe, der die Weissagung gesungen, hat, hergebrachter Gewohnheit nach, ein weißes Gewand mit einem Bande gebunden und eine Krone oder Kranz auf dem Kopf gehabt, aber dieses Gewand auch sogleich nach Beendigung seines Gesanges abgelegt. Vor[22] dem Altar ist dann noch ein sogenanntes Theater, eine kleine Erhöhung mit Schranken von Stangen, errichtet worden, weil der Platz zu eng sei und damit die Kinder vor jedem Gedränge in Sicherheit wären und das Volk die Kinder besser sehen könnten. Zu ihrer Entschuldigung bringen der Pfarrer August Friedrich Blüher und der Schulmeister Christian Gottlob Tag vor, daß keinerlei Ungebührnis oder Unordnung vorgefallen sey, daß die Feier der Christmetten in diesem Orte seit den ältesten Zeiten stattgefunden habe, daß zwar der höchste Befehl vom 21. August 1812 anstößigen und zu Spöttereien Veranlassung gebende Ceremonien untersage, die vorerwähnte Feier aber ihnen nicht anstößig erschien, auch niemals Anstoß erregt, sondern zur Erbauung gedient hätte und daß es bei der Gemeinde großen Verdruß erregt hätte, wäre die Feier unterblieben. Der Kirchenpatron Freiherr v. Müller auf Sachsenfeld und die Gerichte zu Sachsenfeld, Beyerfeld und Wildenau bestätigen dies durchaus. – Der Pfarrer zu Lauter glaubt auch, daß er bei der Beibehaltung jener Ceremonien nichts getan habe, was der erwähnten Verordnung entgegen sei. In Oberschlema war der Pfarrer gerade neu ins Amt gekommen und hatte, um nicht gleich den Haß der ganzen Gemeinde auf sich zu lenken, die Ceremonien geduldet.
Der Zwickauer Superintendent fügt seinem Berichte noch hinzu: »Ich muß selbst bezeugen, daß die Gemeinen an den Ceremonien des Engels in den Christmetten noch[23] sehr hängen und die Pastores, die eine Aenderung machen wollen, bei mir hart anklagen.«
Auf Grund dieses Berichtes ergeht am 16. Juni 1815 an den Zwickauer Superintendenten Lorenz der königliche Befehl:
»Friedrich August usw. Wie es nun bei der unterm 11. August 1812 ergangenen Verordnung, nach welcher die Feier der Christmetten, wo dergleichen noch gewöhnlich sind, auf eine dem Geiste des Christentums und dem Zwecke religiöser Erbauung angemessenen Weise eingerichtet und mit einer Predigt oder Betstunde begangen, Ceremonien und Gebräuche aber, welche mit der Absicht einer religiösen Feierlichkeit sich nicht vereinbaren lassen oder zu Gespötte und Aberglauben Veranlassung geben, dabei schlechterdings nicht gestattet werden sollen, bewendet, also ergeht hiermit an euch unter Zurücksendung des beigefügten Aktenstückes Unser gnädigster Befehl, Ihr wollet zukünftig Vorkehrung treffen, daß die Christmetten, wo sie noch stattfinden, nur in dem vorgeschriebenen Maße gehalten werden und daher die Geistlichen und Schullehrer an obengedachten Orten wegen der von ihnen nachgesehenen beiden Christmetten des vorigen Jahres vorschriftswidrig stattgefundenen Ceremonien nicht nur rectificieren, sondern auch dieselben anweisen, daß sie künftig weder den Anfang der Christmetten vor 6 Uhr des Morgens zulassen, noch den Knaben, den zwar zweckmäßigere Gesänge zu singen nachgelassen bleibt, eine besonders sich auszeichnende Kleidung oder[24] Kronen sich zu bedienen, Engel und Hirten vorzustellen und dergleichen Figuren dabei zu gebrauchen oder wohl gar die Kanzeln zu betreten, verstatten.«
Die Gemüter der einzelnen Gemeinden beruhigten sich natürlich damit nicht. Mag. Lorenz, der Zwickauer Superus muß am 11. Dezember 1815 an den König berichten: »die Gemeinden beruhigen sich schwer bei den Abänderungen, die ihren Metten eine andere Gestalt geben sollen und die Pastores müssen schon in hohem Ansehen stehen, wenn die Vorstellungen, die sie dagegen machen, noch gemäßigt und bescheiden sind.«
Eine solche Vorstellung oder Beschwerde war auch von der Gemeinde Lauter bei dem Superintendenten eingereicht worden. Zwei Deputierte dieser Gemeinde erschienen auf der Superintendentur und unterstützten diese Vorstellung noch durch mündlich angebrachte Gründe. Sie waren nicht einverstanden, daß die Metten nicht früher als 6 Uhr beginnen sollten. Früher, wenn ihre Kinder aus den Metten kämen und durch die Feierlichkeit besonders für Jesum Christum gestimmt wären, hätten sie ihnen ihren heiligen Christ bescheren können, was auf sie einen recht guten Eindruck gemacht habe. Alles dies müsse nun wegfallen, sobald keine Zeit zwischen den Metten und dem Hauptgottesdienst übrig bleibe. Ferner sei ihre Christmettenfeierlichkeit auch keine sogenannte Komödie, sondern eine erhebende, fromme Gefühle erregende und tiefe Eindrücke zurücklassende Feier der Geburt Christi.
Darauf kommt bald der kurze Entscheid an den Superintendenten zu Zwickau, d. d. 15. Dezember 1815:
»Friedrich August usw. Uns ist geziemend vorgetragen worden, in welcher Weise Carl Friedrich Epperlein und Consorten zu Lauter auf Abänderung des wegen der Christmetten unter dem 16. Juni d. J. an euch ergangen. Wir lassen es jedoch bei dem obenerwähnten Reskripte bewenden.«
Nun – trotz aller Einschränkungen – die Metten blühen noch heut in einzelnen Orten. Man lese in Oskar Seyferts »Dorf und Stadt« die entzückende Schilderung einer solchen Mettenfahrt. Auch Dr. Alfred Müller hat an einem Mettengottesdienst in Steinbach, Bez. Annaberg, teilgenommen und schildert seine Eindrücke in einem sehr ansprechenden Aufsatz »Eine Mettenfahrt« (Glückauf 1900, Seite 2.)
Nach John[9] ist in vielen Orten (Neudorf, Tannenberg, Thum, Wolkenstein, Bärenstein, Schlettau) das Turmsingen üblich. Auch in Schneeberg wird schon früh 4 Uhr vom mächtigen Turm der hochgelegenen Kirche gesungen, wobei die Reihenfolge und Auswahl der Stücke jedes Jahr ein und dieselbe ist.
1. Herr wir singen dir zur Ehre (Melodie: Wachet auf, ruft uns).
2. »Das Ehre«, ein achtstimmiger Chor auf den Text »Ehre sei Gott in der Höhe.«
3. »Das Glückauf!« ein uraltes Bergmannslied von dem Stadtältesten Biel komponiert.
4. Chor: Laut verkündet die Trompete und die Pauke rollt es dir.
5. Choral: Preiset ihn durch Jubellieder (Str. 2 von »Herr, wir singen dir zur Ehre«.)
Schmetternde Trompetenbegleitung verstärkt den feierlichen Eindruck der Gesänge, die von den Chorknaben und freiwilligen Sängern aus der Stadt ausgeführt werden. Beim Verlassen des Turmes schrieb man sich in der Turmwohnung in das dort aufliegende Kantoreibuch ein. Wer 50mal ununterbrochen am Singen teilgenommen hat, erhält eine Pelzmütze und eine Laterne. John berichtet, daß in den 90er Jahren dies letztmalig der Fall war. In anderen Orten singt man einfach einige bekannte Weihnachtslieder oder Choräle vom Turme. In Zwönitz findet das Turmblasen nachts 3 Uhr statt, um 4 Uhr singen die Chorjungen und die Metten nehmen ihren Anfang.
In Geyer wirkt die Stadtkapelle früh 5 Uhr beim Gesang der Choristen mit.
Neben den Christmetten gab es auch noch Berg- und Schulmetten. Nach John (Aberglaube, Sitte und Brauch im Erzgeb.) haben sich die ehemals weitverbreiteten Bergmetten nur auf einzelnen Schneeberger Gruben erhalten. »An einem der Festtage kommen die Bergleute mit Lichtern in der »Hutstube«, wo sonst vor der Einfahrt[27] die Gebete abgehalten werden, zusammen und überreichen dem Obersteiger ein Geschenk. Um 23. Dezember 1907 feierte die Belegschaft (ungefähr 45 Bergleute) des Zinnbergwerkes »Gewerkschaft Alberthütte« in Ehrenfriedersdorf seit etwa 25 Jahren wieder zum ersten Male (so lange hatte der Bergbau geruht) ihre altertümliche Mettenschicht. Von früh 5 Uhr bis zum hellen Tageslicht erglänzte das auf dem Sauberge stehende Triebgebäude, sowie die daneben befindliche Werkschmiede in hellem Lichterglanz. Die Feier dieser Mettenschicht wurde in der Betstube durch Gesang und Gebet abgehalten.«
Die Schulmetten, die z. B. in Buchholz bis in die neueste Zeit hinein abgehalten wurden, nahmen ungefähr folgenden Verlauf. Die Klassen versammelten sich in ihren durch lichterstrahlende Christbäume geschmückten Klassenzimmern. Jedes Kind hatte außerdem ein Lichtlein mitgebracht, das es auf seinen Bankplatz stellte. Eltern und Verwandte wohnten der Feier bei. Mit Gebet, Gesang und einer Ansprache des Lehrers wurde die Zeit ausgefüllt. Oft brachten die größeren Schüler ein kleines Weihnachtsspiel zur Aufführung. In vielen Orten war es üblich, bei dieser Gelegenheit dem Lehrer ein Geschenk zu überweisen. Zuletzt wurde der Christbaumbehang unter die Kinder verteilt. Diese Schulfeiern sind allerdings auch außerhalb unseres Gebirges gang und gäbe, selbst in den Großstädten füllt man den Unterricht am letzten Schultage gern durch eine solche Feier aus.
Die Schulmetten bedeuten bereits eine Verweltlichung der eigentlichen Metten in der Kirche. Noch einen Schritt weiter gehen die Christfahrten. Diese beruhen auf der altgermanischen Sitte, wichtige Festzeiten durch Umzüge zu feiern. Besonders sollen, wie schon Tacitus erwähnt, die für die Fruchtbarkeit der Felder so wichtigen Götter Wotan und Donar segnend über die Felder gezogen sein. Der alte Götterglaube ließ sich nicht ausrotten, die missionierende christliche Kirche war auch klug genug, es auf keinen Zwang ankommen zu lassen, sie setzte nur an Stelle der Götter ihre Heiligen. St. Andreas, Nikolaus, Petrus und Martin sollten nun dem Volke seine Götter ersetzen. Da dies nicht gelingen wollte, verwandelte man die hehren Heidengötter in Schreckgestalten und hoffte, das Volk dadurch völlig von ihnen abzuwenden. So ist der wackere Knecht Ruprecht jedenfalls ins Leben getreten, ja in manchen Gegenden sah man sogar zwei, einen großen und einen kleinen. Zu diesen Personen kam noch der heilge Christ selbst hinzu, der aber hier als Mann auftrat, und – um seinen Hofstaat voll zu machen – begleiteten ihn mehrere Engel. Diese Gruppe heiliger Personen nannte man eine Christfahrt.
Das Volk war nicht allenthalben mit der Christianisierung ihres alten Götterumzugs einverstanden, daher ließ es das Abbild der alten Gottheiten, den rauhen Knecht Ruprecht allein umherziehen, um die Kinder zu schrecken und zu lohnen. Der wackere Weihnachtsmann ist immer[29] eine dem Volke liebe und traute Gestalt gewesen. So ist uns eine Nachricht erhalten, daß am 6. Dezember 1608, dem Nikolaustag, zu Chemnitz ein Leinenwebergeselle Georg Heinrich in einem besonderen »Habitu«, nämlich in einem langen weißen Hemde mit einer Kinderrute in den Händen wohlmeinend ausging, die Nachbarkinder zu besuchen. Einige Schuhknechte neckten, schlugen und stießen ihn. Ein Knabe steckte dem Weihnachtsmann ein Messer zu seiner Verteidigung zu. Ein Schuhknecht ward verwundet und starb am 3. Tage. Der Täter ward flüchtig. Durch ein Reskript des Kurfürsten Johann Georg I. vom 14. September 1615 ward der Uebeltäter aber begnadigt, wahrscheinlich hatte der Fürst volkstümliches Empfinden, das dem erstochenen Schuhknecht die Schuld an seiner Ermordung selbst zuschrieb. (Mitteil. des sächs. Altertumsvereins.)
Die Christspieler zogen in den Häusern umher. Sie führten im Flur oder in der Stube ihr Spiel vor, ermahnten und beschenkten, bez. tadelten und bedrohten hauptsächlich die Kinder. So eine Christfahrt aus dem Jahre 1631 wird von Buchwald in den »Kirchl. Nachrichten aus Zwickau und Umgegend 1890 Nr. 12« veröffentlicht. Sie befindet sich handschriftlich in der umfangreichen Zwickauer Ratsbibliothek und ist von einem gewissen Georg Petzoldt in Lengenfeld aufgezeichnet worden. Nach seinen Angaben ist das Spiel »Anno 1631, den 24. Dezember das erstemal agiret worden zu Lengenfeld.«
Das interessante Stück soll hier folgen:
Eine Komödia[10]
welche am heiligen Weihnachtsabend die Lengefelder Jugend aufführt.
Personen:
Gabriel. Der Heiland. Nikolaus. Raphael. Uriel. Michael.
Der Engel Gabriel.
Hierauf klopft ein anderer Engel oder auch statt des Engels ein Bauer draußen an die Tür und spricht:
Dann tritt der Heiland ein, dem der Engel Michael vorangeht.
Der Heiland.
Beklagen sich die Eltern über ihre Kinder, so spricht der Heiland:
Beklagen sie sich aber nicht, so hebt Uriel an zu klagen:
Darauf der Heiland:
Nikolaus tritt für die Kinder ein und spricht:
Der Heiland.
Nikolaus.
Der Heiland.
Nachdem die Kinder ihre Gebete hergesagt, spricht der Heiland:
Nikolaus.
Der Heiland.
Dann singt man ein Lied und Michael sagt zum Schluß:
Derartige Christfahrten waren eigentliche Bescherungsspiele. Es sind auch im übrigen Sachsen solche Adventsumzüge gang und gäbe gewesen; so berichtet P. Kruschwitz im 1. Bande der »Bunten Bilder aus dem Sachsenlande« von dieser Volkssitte aus dem Eigenschen Kreis (zwischen Herrnhut und Ostritz) und H. v. Opell in Band 5 der Mitteilungen des Vereins für sächs. Volkskunde von ebensolchen »Christkindern« aus Niederfriedersdorf b. Neusalza. Der Inhalt deckt sich vollständig mit den Christfahrten des Erzgebirges, auch lassen einzelne Zeilen und Reime auf einen gemeinsamen Ursprung schließen. Der Schluß des letztgenannten Spiels ist ganz köstlich.
Die beiden »Christkinder« sprechen beim Gehen:
Die Rollen sind in den meisten Spielen die gleichen, nur die Namen der handelnden Personen sind verschieden, z. B. wurde der heilige Martin hier und da durch St. Petrus mit dem Schlüssel ersetzt. Wie schon angedeutet, wurden die Spiele durch die Hinzunahme eines oder zweier Ruprechte recht weltlich, ja oft sogar unflätig. Es wurden nicht nur die Kinder examiniert, sondern auch die »Großen« aus dem Hause. Daß es dabei nicht ohne kräftiges Necken und Spotten abging, erscheint, bei der Neigung der Erzgebirgler zur Satire, als selbstverständlich. Der heilige Charakter der Spiele war in Gefahr und hielt sich nur dadurch, daß man ihm Teile der kirchlichen Mettenspiele anhängte. So fügte man an die Christfahrt zunächst die Hirtenszene an und nannte das Ganze »Engelschar«. Diese zog am 1. Advent bis zu Hohneujahr in den Häusern umher. Dann trat die Königsschar in ihre Rechte, die hauptsächlich die Unterhandlungen der 3 Weisen mit Herodes, die Anbetung und den Kindermord enthielt. Diese »Königsschar« spielte am Epiphanias bis zur Fastnacht. Darin liegt vielleicht auch ihre Neigung zu komischen, ja grotesken Szenen begründet, man hatte einen bequemen Ersatz für die beliebten Fastnachtsspiele. Auch die »Engelschar« und die »Königsschar« erweiterten sich. Zur ersteren kam das Herbergsspiel mit dem Wirt und der Magd[35] hinzu, letzteres vervollständigte sich durch Auftreten des Todes.
Solange in den Privatwohnungen gespielt wurde, nahm das Bescherungsspiel einen ziemlichen Raum ein; als man aber begann, die Spiele in die öffentlichen Säle zu verlegen, beschränkte man die »Christfahrt« und führte andere Szenen und Personen dafür ein. Man war dazu gezwungen, da das Ueberbleibsel doch zu dürftig ausgesehen hätte.
Ueber die Art und Weise des Auftretens der Christspiele sind uns verschiedene Aufzeichnungen erhalten, aus denen man zugleich ersieht, daß die Spiele durchaus nicht die volle Sympathie der Geistlichen und sonstigen Obrigkeitspersonen besaßen.
In dem Wild'schen Buche »Interessante Wanderungen durch das sächsische Obererzgebirge«, 1809 in Freiberg erschienen heißt es darüber:
»Sonst war auch das sogenannte heilige Christspiel gebräuchlich, wo Bergleute und andere gemeine Leute in schön gereimten Burlesken-Versen die Geburt Jesu als Lustspiel aufführten und so von Haus zu Haus zogen. Dabei war immer eine lustige Person, welche allerhand Possen trieb, z. B. dem König Herodes, welcher frisiert, mit goldenem Zepter und Reichsapfel auf einem hölzernen Stuhle saß, Schnupftabak unter die Nase rieb, daß er nießen mußte. Joseph wurde als hektisch vorgestellt und hatte eine Säge in der Hand, Marie sprach oft im schönsten Kontrebaß; denn Frauenzimmer waren bei dieser Truppe[36] nicht; die Engel gingen in langen Hemden, mit vielen Bändern geschmückt und gepudert, und hielten mit einem seidenen Tuche große Husarensäbel in der Hand; die Hirten hatten hohe spitzige Hüte von Zuckerpapier auf und knallten entsetzlich mit den Peitschen, auch bliesen sie auf Nachtwächterhörnern; der Stern war von Pappe und ölgetränktem Papier an einer Stange aufgesteckt und konnte gedreht werden; manchmal brannte er, denn inwendig stak ein brennendes Licht. Das Christkind endlich war nicht himmlischer Abkunft, es sah erbärmlich aus und ward oft sehr übel behandelt. Uebrigens war immer ein Knecht Ruprecht dabei, welchen man im Gebirge Rupperich nennt, mit einer Klingel und einer Ofengabel erschien und mußte die nachlaufenden Kinder abschrecken. – Am sogenannten heiligen drei Königsfeste erschienen dabei gar diese drei Majestäten, wobei eine schwarz war. Doch seit mehreren Jahren hat dieser Unfug aufgehört, welcher eigentlich noch ein Ueberbleibsel des in Sachsen ehedem herrschenden Aberglaubens war.«
Härter noch äußert sich ein ungenannter Gewährsmann, wie man bei Behandlung des Thalheimer Spiels noch erkennen wird.
Allerhand Unzuträglichkeiten stellten sich ein. So berichtet Mosen (Seite 21), daß oft in der Stadt »zwei oder drei Engel- oder Königsscharen zusammenkamen, was bisweilen zu Unordnungen Anlaß gab.« So kam es endlich zu Verboten der Spiele. Sie verschwanden aus der Oeffentlichkeit.[37] Im Geheimen lebten sie aber noch lange fort. Zäh hingen die Erzgebirger an dem alten Brauche, die Lokalchroniken bestätigen dies. Von Mund zu Mund erbten sich die Reimlein fort. Schließlich gedachte man ihrer noch als einer alten überlebten Sitte und alte Leute berichteten leuchtenden Auges von der schönen Zeit, da sie noch die Engelschar erlebt oder selbst mit dargestellt hatten. So kam auch mancher volkskundliche Sammler zu solchem Gut und hier und da stieß man in den Zeitungen auf einen Bericht über ein solches Spiel. Leider ward in den seltensten Fällen das ganze Spiel aufgezeichnet, sodaß man wohl eine Menge Bruchstücke, aber wenige vollständige Spiele besitzt. Der Bruder des bekannten Dichters Julius Mosen, der Gymnasiallehrer Gustav Mosen in Zwickau hat das große Verdienst, viele bis zum Jahre 1861 vorhandenen Bruchstücke gesammelt und aufgezeichnet zu haben. Das schlichte Büchlein, das er im Auftrage des Vereins zur Verbreitung guter und wohlfeiler Volksschriften herausgab, ist hier und da noch in Büchereien anzutreffen.
Mosen berichtet von Weihnachtsspielen in folgenden Orten: Gersdorf, Ernstthal, Zschopau, Annaberg und Umgegend, Frohnau, Wiesa, Hermannsdorf, Königswalde, Sehma, Cranzahl, Raschau, Markersbach, Großpöhla, Grünhain, Crottendorf, Aue, Pfannenstiel, Rittersgrün, Jöhstadt, Cunnersdorf, Geyer, Scheibenberg, Schlettau, Bockau, Grumbach, Buchholz, Bärenstein, Wildenau, Neudorf. Merkwürdigerweise sind ihm zwei vollständige Spiele[38] nicht in die Hände gekommen, nämlich das Thalheimer und das Löwenhainer.
Auffallend ist eine gewisse Aehnlichkeit in den Spielen. Im Grunde genommen sind es wohl nur 4 oder 5, alle anderen sind durch die mündliche Weitergabe und durch die Anpassung an dem jeweiligen Ort und die verschiedene Zeit »zerspielt«.
Bis in die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts hinein wurde das Stück regelmäßig in Ernstthal und jedenfalls auch in Gersdorf aufgeführt. Bühnendekoration war unnötig. Mosen fand leider nur noch Bruchstücke vor. Seine Uebereinstimmung mit dem Reichenbacher Spiel (R. in Schlesien) wurde schon erwähnt. Mosen teilt nur den Anfang mit.
Die Spieler singen in der Hausflur den Vers:
Dann geht der Schriftgelehrte ins Zimmer und spricht:
Geliebte in dem Herrn! Wir sind heut hier versammelt, den großen Gedächtnistag unseres Erlösers mit unseren Mitchristen feierlich zu begehen und denselben, wie sichs bei Christis Geburt hat zugetragen,[39] deutlich ans Herz zu legen und vor Augen zu stellen. Denn es ist ein Tag, den der Herr gemacht, sei Lob in alle Welt gebracht. Das laßt uns freuen und fröhlich sein und Gott die Ehre geben. Ja
Dann singen alle Beteiligten den Vers: »Wachet auf, ruft uns die Stimme!« Nun treten die Schäfer auf. Das Stück trug schon zu Mosens Zeiten alle Zeichen des Verfalls, zusammengeflickt und verwirrt muß es gewesen sein, sodaß Mosen auf eine vollständige Wiedergabe verzichtet.
Vollständiger ist das
erhalten, von dem Mosen einige Stücke mitteilt. Dieses Weihnachtsstück führt den Namen »Die Ankunft Jesu«. Es ist von 1861 an des öfteren aufgeführt worden, nachdem es lange Jahre geruht hatte. Eine einfache Bühne wurde mit Hilfe von zwei spanischen Wänden hergestellt, über die der Stern emporgehalten wurde. Der Engel erschien von wirksamen Kolofoniumblitzen begleitet. Das[40] Stück beginnt mit der Herbergsszene. Der Wirt weiß nicht, wie er seine Gäste unterbringen soll. Er spricht:
Knecht.
Wirt.
Der Knecht geht ab.
Der Knecht kommt wieder und spricht:
Wirt.
Der Knecht geht ab.
Joseph und Maria kommen.
Joseph.
Maria.
Wirt.
Maria.
Joseph.
Dies ist der Schluß des ersten der fünf Akte. Der zweite enthält die Hirtenszene, der dritte die Unterredung[42] der Weisen mit dem König Herodes, im vierten beten die Hirten und die Weisen im Stalle das Kind an, im fünften gibt Herodes den Befehl zum Kindermord, der Engel mahnt Joseph zur Flucht und zum Schluß treten noch einmal die drei Weisen und die drei Schäfer auf.
Der 1. Schäfer.
Der 1. Weise.
Der 2. Weise.
Der 2. Schäfer.
Nun wird der Schlußvers gesungen
Diese wurde nach Mosen (Seite 21) auch in Frohnau und Hermannsdorf aufgeführt. Weihnacht 1857 bemühten[43] sich die Frohnauer das Spiel zur Aufführung zu bringen, es wurde ihnen indes die Erlaubnis versagt. Mosen teilt dieses Spiel vollständig mit. In die am Schlusse des Büchleins erfolgte Zusammenstellung ist aus diesem Spiel fast das ganze Vorspiel aufgenommen worden, nur wurde ein kleines Stück, das allzusehr die Bescherungsszene betont, weggelassen. Das Herbergsspiel ist vollständig dem Wiesaer Spiel entnommen. Nach Beendigung der genannten Szene fährt das Spiel fort. (Mosen Seite 29.)
Chor.
Die Hirten gehen während dieses Gesanges in taktmäßigen Schritten im Zimmer auf und ab und zwar so, daß der eine unten ist, während der andere oben ist. Jetzt beginnt in derselben Weise fortschreitend, der große Hirt:
Der kleine Hirt, der jetzt auf der anderen Seite der Stube ist, spricht nach:
Er wiederholt so bei jeder Verszeile die letzten Worte, bei denen sich beide Hirten allemal umwenden und nach der entgegengesetzten Seite gehen.
Der kleine Hirt.
(Der große Hirt wiederholt »Wunderlicht«, wie oben.)
Der große Hirt.
Nun erscheint der Engel und verkündet mit den Worten der heiligen Schrift die Geburt des Christkindes.
Der kleine Hirt.
Chor.
Dann gehen die Hirten zu Maria und Joseph; der große Hirt spricht:
Joseph.
Großer Hirt.
Joseph.
Großer Hirt.
Joseph.
Großer Hirt.
Joseph.
Großer Hirt.
Chor.
Der große Hirt.
Der kleine Hirt.
Nun singt der Chor den Liedvers:
wie im Zschopauer Spiel. Der heilige Christ spricht die Schlußworte:
Mit einem Liedvers schließt das Spiel, während sich die Engelschar entfernt.
Dieses verrät eine Verwandtschaft mit dem vorigen Spiel. Nur die Hirtenszene weist einige Abweichungen auf. Das Wiederholen der Schlußzeilen ist ebenfalls durchgeführt.
Urban.
Stephan.
Urban.
Stephan.
Urban.
Stephan.
Engel singt:
Urban.
Stephan.
Urban.
Stephan.
Engel.
Stephan.
Urban.
Stephan.
Urban.
Die Hirten vor der Krippe.
Urban.
Joseph.
Urban.
Joseph.
Die Anbetung der Hirten geschieht mit denselben Worten wie im Wiesaer Spiel.
Die Erhaltung verdanken wir dem Oberförster Timäus in Unterwiesenthal. Sein Gewährsmann ist der Waldwärter Göbel, der es im Jahre 1900 von einem Schuhmacher Fritz Meyer in Bärenstein, der selbst noch an den Spielen teilgenommen, aufgezeichnet erhielt. Man vergleiche besonders die Bescherungsszene mit der im Wiesaer Spiel. Das Stück ist enthalten in den Mitteilungen des Vereins für Sächsische Volkskunde, Band II, Heft 3.
I.
1. und 2. Engel singen »Vom Himmel hoch«. 1. Vers.
II.
Die ganze Schar singt »Vom Himmel kam der Engel Schar«.
III.
Der heilge Christ singt
IV.
Nikolaus spricht zum Knecht Martin oder Ruprecht.
V.
Gesang: Ich freue mich in dir und heiße dich willkommen usw. 1. Vers.
VI.
Joseph und Maria. Joseph spricht beim Wirt um Herberge an:
Wirt.
Joseph.
Maria spricht den Wirt an. (Die Worte waren dem Ueberlieferer entfallen.)
Wirt (antwortet).
Gesang von Maria und Joseph: Lobt Gott ihr Christen allzugleich. 1. Vers.
VII.
Hirten liegen am Boden schlafend.
Ein Engel verkündigt:
Hirten erwachen und der erste Hirt spricht:
Der zweite Hirt spricht:
Der dritte Hirt spricht:
VIII.
Opferung der Hirten und Schäfer bei Joseph, Maria und neugeborenem Kind im Stalle.
Gesang der Engel: Gloria in exelsis deo, et in der Apacemine was trollenfollendatis.[13]
Lied für die ganze Schar.
Lied der Schäfer.
Dieses, obwohl auch ein Bruchstück eines älteren, ist bis in die neueste Zeit gespielt worden. Herr Gewerbelehrer Martin von der Spielwarenfachschule hat dazu eine anschauliche Zeichnung geliefert, die in Postkartenform weit verbreitet ist. Als Besonderheit führt das Spiel den heiligen Petrus mit dem Schlüssel mit. Die Gesänge sind jedenfalls später eingefügt worden.
Gesang: »Stille Nacht, heilige Nacht«
Knecht Ruprecht.
Gesang: »O du fröhliche, o du selige«
1. Hirt.
2. Hirt.
1. Hirt.
Engel.
Gesang des Engels.
König.
Gesang: »Es ist ein Ros entsprungen«
Der heilge Christ.
Petrus.
Gesang: »Fröhliche Weihnacht überall« oder »Alle Jahre wieder.«
Der heilge Christ.
Mosen (Seite 31) schreibt darüber, daß die meisten Mitglieder dieser Engelschar wegen der Aufführung bestraft worden seien, aber »mit brennendster Begier die Erlaubnis zur Wiederholung ihres Spiels« wünschten. Sämtliche Rollen wurden nur von Männern dargestellt,[57] auch die der Maria. Das Vorspiel gleicht dem Wiesaer, nur die Hirtenszenen sind ausführlicher.
Die Hirten singen beim Auftreten.
Nach der Anbetung im Stalle sangen sie:
Beim Zusammentreffen der drei Könige spricht Melchior:
Sie kommen zu Herodes und sprechen:
Da gerät er in heftigen Zorn:
Die Anbetung der Könige findet sich in der Zusammenstellung am Ende dieses Bandes.
Nachdem der Engel die Weisen gewarnt hat, zu Herodes zurückzukehren, spricht Kasper:
Dann fordert der Engel Joseph zur Flucht auf und dieser spricht zu Maria:
Maria.
Joseph.
Der Chor singt nun den Liedvers: »Wo werd ich Dich nun finden? zu Bethlehem nicht mehr usf.« Die Herodesszene beginnt mit den Worten:
Herodes.
Als er das Gegenteil erfährt, wird er wütend:
Er beschließt den Kindermord:
Diener.
Dann spricht er dreimal den Satz:
Der Chor singt.
Nun tritt der Diener wieder ein und spricht:
Die nächste Szene haben wir uns in Ägypten zu denken. Der Engel verkündet dem Joseph, daß die Feinde gestorben sein. Da spricht Joseph:
Nun singt die ganze Engelschar eine »Arie«, die so beginnt:
Der Sternenengel beschließt das Spiel mit den Worten:
Der Vers: »Heut schleußt er wieder auf die Tür« beschließt auch das Cranzahler Spiel.
Aus dem
teilt Mosen nur einige Verse des Wirtes mit, die in unserem Schlußspiel am Anfang des Krippenspiels, Nr. 5, gesprochen werden.
Im Jahre 1860 lernte Gustav Mosen bei seinen Forschungen nach Christspielen in Neudorf einen 90jährigen Greis kennen, einen gewissen Oeser, der das ganze Neudorfer Spiel im Gedächtnis hatte. Kantor Türke in Neudorf hat Mosen das Spiel aufgeschrieben, und – was noch bedeutsamer ist – auch die Weisen der Lieder mit, sodaß auf diese Weise einige köstliche Gesänge überliefert worden sind. Das Spiel enthält einige Szenen, die in den Resten der anderen Engelscharen nicht erkennbar sind. Zunächst singt der Chor in der Hausflur den 1. Vers des Liedes: »Vom Himmel kam der Engel Schar.« Während dieses Gesanges kniet der Engel Gabriel auf der Türschwelle. Hierauf erhebt er sich, tritt mit feierlichen Schritten in das Zimmer und spricht:
Die Schar kommt herein und Joseph spricht:
Er legt seinen Kopf auf den Tisch, als ob er schliefe. Jetzt tritt der Engel Gabriel zu ihm und sagt:
Joseph (erwachend).
Maria.
Im Chore werden nun zwei Strophen des Liedes: »Fürstensohn aus Davids Stamm« gesungen. Der nächste Teil, das Herbergsspiel, entspricht ganz dem Wiesaer. Dann folgt das reizende Lied: »Bethlehem uns wundert alle«, das auch in unserer Zusammenstellung aufgenommen worden ist. Nun folgt das Hirtenspiel:
1. Hirt.
2. Hirt.
1. Hirt.
2. Hirt.
1. Hirt.
2. Hirt.
Der Engel erscheint. Nach seiner Verkündigung singt die ganze Schar:
1. Hirt.
Der zweite Hirt stimmt bei. Die nächste Szene, die Anbetung der Hirten, ist in unser Schlußspiel aufgenommen, ebenso das überaus liebliche Wiegenlied »Kommet her zu dieser Krippe.«
Merkwürdigerweise folgt nun das Bescherungsspiel. Der heilige Christ fragt nach dem Wohlverhalten der Kinder. Raphael und Nikolaus klagen sie an, Petrus bittet für die Kinder.
Knecht Ruprecht poltert:
Nach dem Gesang des alten Liedes: »Da Christus geboren war« ermahnt nun der heilige Christ die Kinder und Petrus stellt das Examen an. Der Vers: »Heut schleußt er wieder auf die Tür« und eine Ansprache des heiligen Christ beschließen auch dieses Spiel.
Beim Hinausgehen spricht Ruprecht noch:
Im Anschluß an die Wiedergabe des Spiels gedenkt Mosen noch des »alten Oeser«, der nicht allein die Niederschrift der Neudorfer Engelschar ermöglichte, sondern durch seine Erzählungen den Gelehrten überhaupt veranlaßte, im Erzgebirge nach solchen Spielen zu suchen. Die Frucht dieser Studien, das fortwährend erwähnte Mosensche Buch, ist die hauptsächlichste Fundgrube für dies alte Volksgut, deshalb möchten alle, die überhaupt an solcher Volksdichtung Freude haben, sich des »alten Oeser« und des liebenswürdigen Gustav Mosen gern erinnern.
Das Mosensche Buch hat vielleicht auch den, um die Erforschung des geistigen Lebens unserer Erzgebirgler, hochverdienten Dr. Alfred Müller in Auerbach zu seinen Forschungen veranlaßt. Die hauptsächlichste Frucht seiner Studien ist meiner Meinung nach die Aufzeichnung des sogenannten Lengefelder Spiels, das auch in Marienberg zu Haus gewesen sein soll. Es ist zuerst veröffentlicht in dem Aufsatze »Ein altertümlicher Christumzug« von Dr. Alfred Müller in Nr. 12, Jahrgang 19 des Glückauf. Hier treten außer den gewohnten Personen auch noch Moses und der Tod auf. Den Beginn bildet das Hirtenspiel.
Die beiden Hirten klagen über die große Kälte und ihre erbärmliche Lage:
wollte sich Märten eine neue Pelzmütze kaufen, und Daniel klagt gar über den Geiz seiner Frau. In diese sehr profanen Erörterungen tritt plötzlich ein Engel:
Nun wird eine Choralstrophe gesungen, z. B. »Vom Himmel hoch.« Nun setzt sich der heilge Christ auf einen Stuhl und die Schar ordnet sich um ihn. Links stehen die drei »Hellen«, d. i. die drei Engel und der Tod, rechts stehen die drei »Schwarzen«, Moses, Andreas und Petrus, die einen schwarzen Talar tragen. Petrus trägt einen[68] Schlüssel, Andreas ein kleines Szepter, Moses eine Gesetztafel. Der Ruprecht oder Ruppas trägt als besonderen Schmuck eine Maske, an deren Stirn sich ein langes Horn befindet; vielleicht eine Erinnerung an den Teufel, sodaß in dem Spiel tatsächlich der Tod und der Teufel auftreten. Der Ruprecht ist auch hier grob:
Die Engel weisen ihn zurecht:
Den Streit endet der heilge Christ:
Andreas will nicht, die Englein seien besser informiert, doch bekennt er:
Der Erzengel Michael wird noch deutlicher:
Da nimmt der Tod das Wort. Er ist sehr überlegen und temperamentvoll. Seine Worte stehen in unserem Schlußspiel in der Kindermordszene.
Nach ihm kommt Moses:
1. Engel.
Moses.
1. Engel.
Moses.
Jedes Gebot wird durch ein kurzes Reimchen erläutert; zum Teil in recht passender Weise:
oder:
Zuletzt fragt der heilge Christ den Tod:
Der unerbittliche Tod sagt unter Beifallsbezeugungen Ruprechts:
usw. bis zum Schluß,
Das betrübt den heiligen Christ:
Doch fordert er noch den Moses auf, zu examinieren. Dies geschieht, und das Ergebnis ist so, daß Moses den Herrn bittet:
Trotz des Protestes Ruprechts gibt der heilge Christ dieser Fürbitte nach:
Auch hier schließt der Liedvers: »Heut schleußt er wieder auf die Tür« das Spiel. Der erste Engel spricht aber noch folgenden Epilog:
Mit diesen Worten sind auch die Schatten, die der Tod über das Spiel warf, verscheucht.
Im Hauptstaatsarchiv zu Dresden befindet sich unter III, 100 Fol. 1e sub + ein im Jahre 1873 vom Stollberger Amtsgericht eingeliefertes Aktenstück aus dem Jahre 1805 ff, welches die Bezeichnung trägt: »Die von einigen Bergleuten und Strumpfwürkern zu Thalheim begangene strafwürdige Handlung bey Darstellung der Geschichte der[74] Geburt Jesu unter der Benennung des heil. Drey Königen- oder Engelscharspiel betr.«
Die Veranlassung der Einleitung der Untersuchung gab ein Manuskript unter der Ueberschrift: »Traurige Begebenheit zur Sittengeschichte unserer Zeiten.« Dieses war beim Schneeberger Wochenblatt eingegangen, man hatte aber Bedenken getragen, es abzudrucken, da der Verfasser sich nicht nennen wollte. Durch Vermittlung des Schneeberger Amts-Physikus ging es aber schließlich an das Stollberger Amt, das für Thalheim zuständig war, und das die Angelegenheit aufgriff.
Was war nun eigentlich geschehen? Lassen wir das interessante Schriftstück folgen:
»Traurige Beyträge zur Sittengeschichte unserer Zeiten: Thalheim bei Stollberg i. Erzgeb. Mit welchem Vergnügen liest man in Sachsen die so schönen öfters herauskommenden Landes-Befehle, welche alle die Hoffnungen erwecken, daß durch diese, jene Ueberbleibsel roher Zeiten, jene Finsternis, aus unserem Vaterlande verschwinden müssen. Welcher Wunsch könnte nun von einem Jeden, dem Vaterlandswohl am Herzen liegt, herzlicher und inniger seyn, als: daß nun auch über diese Befehle gewacht, auf Befolgung derselben gehalten werden möchte; welches aber leider! nicht immer der Fall ist. Von vielen Polizey-Aufsehern kann man wohl eigentlich sagen: ein gut Theil schlafen – oder mit sehenden Augen sehen sie nicht – mit hörenden Ohren hören sie nicht – denn ich fand[75] diese Wahrheit in Thalheim mehr als begründet; da beinahe jede gesetzwidrige Handlung, jede Thorheit, von den dasigen Polizey-Aufsehern gebilliget wird. Ich theile Ihnen, Freunde des Vaterlandes, hier eine solche schädliche und abgeschmackte Thorheit mit, welche ich bey einer Durchreise durch Thalheim kennen lernte. Was mir zuerst auffiel, da ich den Ort betrat, war eine Frau, die sich Brod und Erdäpfel erbettelte. Da ich mich bey ihr erkundigte, ob viel Arme hier wären, versetzte sie: »Kein Dorf im ganzen Gebirge kann mehr Hilfsbedürftige zählen, als Thalheim; beinahe jede Hütte ist eine Wohnung der Armuth und des Elends, wo die mehrsten Menschen mit bleichen, halbhungrigen und halbbekleideten Körpern, hinter dem Wollrade nach Hülfe und Brod seufzen.« Von dieser Erzählung ganz bewegt und in tiefes Mitleid gegen die Armen dieses Ortes versunken, ging ich, ohne auf etwas zu sehen und zu hören, weiter. Allein, da ich in die Mitte des Dorfes kam, wurde ich von dem Wohlstande Thalheims ganz anders belehrt. Hier sah ich eine Schar zusammengelaufener Narren, die mit Goldpapier und Flittergold behangen und beklebt waren und ein noch größerer Trupp Müßiggänger machte den Beschluß, daß man in Gefahr kam, erdrückt zu werden. Ein ziemlich bejahrter Mann, dem ich begegnete, der mir diesen tumultarischen Aufzug erklärte, was er zu bedeuten habe, sagte: Diese zusammengelaufene Rotte wären theils leichte Strumpfwirker, die nicht arbeiten wollten und theils einige Bergleute,[76] die in der Weihnachts- und Neujahrszeit in hiesiger Gegend, in ärgerlicher und läppischer Verkleidung umherzögen, stellten den Kasper, Melchior und Balthasar, den Joseph, die Maria, die Hirten, Engel, Herodes pp. vor, sangen Lieder plumper Versart, und führten in den Häusern eine Art von Komödie auf, von der Geburt des Menschenerlösers und anderen religiösen Gegenständen, die sie nur schändeten und lächerlich machten, in denen sie vor der Puppe, welche die sogenannte Maria bei sich führte, niederfielen und wunderliche Vorstellungen machten.« Um über die schöne Art der Poesie urtheilen zu können, folgt hier ein Pröbchen davon, so viel ich aus der Erzählung des alten Mannes gemerkt habe:
Marie singt z. B.
Joseph antwortet:
Mitleidig dacht ich bey mir, wie weit ist diese Classe von Menschen von dem wolthuenden Lichte der Aufklärung zurück! Ich fragte nach dem Prediger des Ortes, ob er mit diesem Unfug zufrieden sey: »o nein!« sagte[77] der Alte, »dieser hat zu verschiedenen Malen öffentlich diesen Müßiggängern ihre schändliche und abgeschmackte Bettelei vorgehalten. Unser Polizey-Aufseher, der Lehnrichter, ließ doch trotz der Rüge des Herrn Pastors nicht blos im Dorfe –, sondern sogar zu verschiedenen Malen dieses Gaukelspiel bei sich – in seinem Zechenhause aufführen –!«
Mit einem nochmaligen Händedruck und einem Seufzer über seines Ortes Obrigkeit, schied der Mann von mir und ich verließ das Dorf mit einem Herzen voll Mitleid. Auf meiner Rückreise nahm ich den Weg wieder durch Thalheim und erkundigte mich noch einmal nach diesem Gesindel, ob es noch immer ihre erbauliche Arlequinade so unverschämt, unter den Augen eines hochlöblichen Amts fortspielen dürfe[14]. Aber leider: nicht ein heiliger Weihnachtsabend – nicht der 1. Feiertag – kein Sonnabend noch Sonntag ist verschont worden. Das Schauspiel hatte sich vielmehr fast auf alle hiesige benachbarte Orte verbreitet, nur Jahnsdorf und Gornsdorf sollen sich rühmlichst ausgezeichnet haben; besonders am ersteren Ort haben sie diese Obskuranten in Verhaft nehmen wollen. Auch von den Einwohnern zu Thalheim bewies der größte Theil an diesem lächerlichen Schauspiel seinen größten Mißfallen; nur Wenige nahmen an diesem Unfug Antheil.
Dem Urtheile eines jeden Unbefangenen sey es anheimgestellt, ob dergleichen Aufzüge, ich will nicht sagen unseren Zeiten angemessen; sondern überhaupt einer wahren Religiosität beförderlich sind? Der Pöbel belustigt sich freilich an dergleichen Spektakel-Scenen: aber zu seiner sittlichen Besserung tragen sie nichts bey; sie schaden vielmehr der Guten Sache und geben den Leichtsinnigen Gelegenheit zu Spottungen über die Religion selbst.«
Die einzelnen Beteiligten wurden vernommen. Man ersieht aus den Akten, daß der Hauptbeteiligte ein gewisser Unger war, der das Spiel auswendig kannte und seinen Mitspielern diktierte. Der ganze Prozeß hat die eine segensreiche Folge gehabt, daß das ganze Spiel zu den Akten genommen wurde und uns auf diese Weise erhalten geblieben ist.
Es mag hier folgen:
Kleiner Engel.
(Im weißen Hemde, an den Armen und am Körper mit rotseidenen Bändern geschmückt, auf dem Kopfe eine Papierkrone, in der Hand ein hölzernes, mit Silberpapier beklebtes Schwert tragend.)
(gehet ab).
Joseph (im grauen Rock, mit Schurzfell angetan, einen Zimmermann darstellend, eigentümlich hustend) kommt zum Wirt:
Wirt:
Joseph:
Wirt:
Maria:
Der 1. König.
Der 1. Schäfer (im weißen Gewand in gelben Hosen, runder Mütze, wie ein Schachthut geformt, die mit Goldpapier besetzt war und mit einem grünen Stab in der Hand):
Der 2. Schäfer.
Der 1. Schäfer.
Der kleine Engel.
Der 1. Schäfer.
Der 2. Schäfer.
Alle drei Schäfer singen:
Der 1. König.
Der 2. König.
Der Mohrenkönig (grüne Jacke, rotes mit Goldpapier besetztes Schurzfell, einen Degen an der Seite und eine Krone auf dem Haupt):
Der 4. Schäfer.
Der 3. Schäfer.
Alle Schäfer singen:
Der 1. Schäfer.
Der 2. Schäfer.
Der 1. Schäfer.
Der 2. Schäfer.
Alle Schäfer singend ab:
Der 2. König.
Die drei Könige singen:
Der Mohrenkönig kommt zum König Herodes:
König Herodes.
Der Mohrenkönig.
König Herodes.
Der Kriegsknecht.
(geht nach einem Winkel wo der Schriftgelehrte steht)
Schriftgelehrter (mit einer großen Brille nebst einem Buch, die Bibel vorstellend, die er hin und her wirft, schwarz gekleidet):
Kriegsknecht:
Schriftgelehrter (kommt zu Herodes).
König Herodes.
Schriftgelehrter:
König Herodes.
Der 1. König.
König Herodes.
Der 2. König.
Die drei Könige singen:
(Sie kommen zu Joseph und fallen vor der Krippe nieder.)
Der 1. König.
Der 2. König.
Der Mohrenkönig.
Joseph.
Der 1. König.
Maria singt:
Joseph.
Der 1. König.
Der 2. König.
Der Mohrenkönig.
Der kleine Engel.
Der Mohrenkönig.
Die Könige singen und gehen alsbald ab:
Der kleine Engel kommt zu Joseph:
Joseph.
König Herodes.
Kriegsknecht.
Die ganze Schaar, 13 an der Zahl, singen:
Kriegsknecht.
König Herodes.
Gesang: Wunderkind wie deine Kinder etc.
Der größere Engel.
Gesang: Heut schleußt er wieder auf die Thür.
[8. Vers von Lobt Gott ihr Christen etc.]
Die ganze Verhandlung läßt erkennen, daß jedenfalls der Ortsgeistliche der Urheber des Schriftstückes gewesen ist. Der Lehnrichter Siegel hatte die Aufführung in seinem Saale verboten, da ging man kurzerhand ins Zechenhaus. Dies untersagte das Bergamt zu Geyer. Das Konsistorium in Dresden ließ die Sache bis zum Kurfürsten[15] gelangen, aus dessen Kabinett ein Befehl an den Amtmann zu Stollberg erging, die Uebeltäter zu bestrafen und zwar mit 2 Tagen Gefängnis und Tragung der nicht unerheblichen Kosten. Das Amt zu Stollberg verfügte demgemäß. Man versteht heutzutage die Maßnahmen der Geistlichen kaum, denn dem hohen Konsistorium zu liebe, wurde schließlich doch das Urteil gefällt. Es zeigt von einer Beschränktheit und Volksfremdheit, die durchaus nicht etwa die Stimmung der Bevölkerung im kirchenfreundlichen Sinne beeinflußte. Spieler und Hörer glaubten bei der Ausübung der alten Sitte ein christliches Werk zu tun. Der Vorwurf, die heilige Geschichte lächerlich gemacht zu haben, lehnten sie entschieden ab.
Das Thalheimer Spiel ist jedenfalls weitverbreitet gewesen. Der Bergmann Unger will es auch in Breitenbrunn mitgespielt haben.
In der Wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung vom 23. Dezember 1902 berichtet Karl Freyboth über ein »Heilige drey König Spiehl«, welches ihm in einer Niederschrift vom 15. Februar 1805 vorlag. Ein Johann August Hermann in Raschau hat es aufgeschrieben. Es wurde auch in Schwarzenberg und Grünhain aufgeführt und ähnelt fast vollständig dem vorher mitgeteilten Thalheimer Spiel. Die Bruchstücke lassen aber erkennen, daß die Königs- und Hirtenszenen besser geordnet sind, wie dies auch im Wiesenthaler Spiel der Fall ist. Der Epilog, vom Engel gesprochen, weicht auch vom Thalheimer Spiel ab:
Er entschuldigt die arme Handlung, die armseligen Verse, die mangelhaften Reime. Zum Abschied spricht er:
Den Schluß bildet der Vers: »Heut schleußt er wieder auf die Tür.«
Ein ganz hervorragendes Spiel teilt E. Giersner, Dresden, im 5. Heft des 2. Bandes der Mitteilungen des Vereins für Sächsische Volkskunde mit. Das Original befindet sich in den Händen des Herrn Zimmerhäckel in Löwenhain und trägt die Aufschrift »Johann Gottlieb Streller, Löwenhain 1823.« Giersner hat sich das schwer lesbare Manuskript von einem damals noch lebenden Sohne des Streller ergänzen lassen. Es unterscheidet sich in verschiedenen Punkten von den anderen erzgebirgischen Spielen, so fehlt z. B. die Herbergsszene. Auch ist eine komische Figur, der Gardeson, eingefügt, der wohl dem Hofnarren entspricht. Es ist außerdem ausschließlich ein Königspiel. Seine Verwandtschaft mit dem Thalheimer Spiel kann es nicht verleugnen. Man sehe sich die Hirtenszenen in beiden Spielen darauf an. Das Spiel mag hier folgen:
Der Sternträger fängt an zu singen:
Der Engel spricht:
Urbian, der 1. Hirte, spricht:
Dulcian, der 2. Hirte, spricht:
Der Engel bei die Hirten hin und spricht:
Nun singen sie alle mit die Engel:
Der große Hirte Urbian spricht:
Der kleine Hirte Dulcian spricht:
Nun kommen die Hirten allebeite gesungen:
Sie bethen es mit den Worten an:
Nun gehen sie wieder zurück und singen:
Die nun folgende Szene zwischen Gardeson, Laban und Herodes findet sich unserem Schlußspiel. Ebenso ein großer Teil des Königsspiels. Nachdem sich die Könige entschlossen haben, zum Kinde zu ziehen, fährt das Löwenhainer Spiel fort.
Die 3 Könige gehen 3 mal hintereinander rum, nach dem mit einem Compliment zum Könige Herodes hin. – Nach diesen fängt der 1. König an:
Der König Herodes spricht:
Der König:
Der König Herodes:
Die Könige gehen ab.
Der König Herodes spricht:
Der Kammerdiener:
Der König Herodes.
Der Kammerdiener zu den Schriftgelehrten:
Der Gardeson zu den König Herodes spricht:
Der König Herodes:
Der Schriftgelehrte zu den König Herodes spricht:
Der König Herodes zu den Schriftgelehrten:
Der Schriftgelehrte mit einem Buche:
»Und du Bethlehem im Jüdischen lande bist mit nichten die kleinste unter den Fürsten Juda, denn aus dier soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel Herr sei.«
Schlägt das Buch zu.
Gardeson:
Herodes spricht:
Kammerdiener:
Kammerdiener (zu den Weisen hin):
Die drei Könige vor Herodes:
Der 1. König:
Der 2. König:
Der 3. König:
Herodes:
Der 1. König:
Der 2. König:
Der 3. König:
Der Gardeson:
Der 1. König:
Der 2. König:
Der 3. König:
Der 1. König giebt das geschenke ab und spricht:
Der 2. König:
Der 3. König.
Der Joseph:
Die 3 Könige gehen ab, und der Engel geth hin und spricht zu den Königen:
Die Mutter Maria:
Der Joseph spricht:
Der Engel zu Joseph und spricht:
Joseph spricht zu Maria:
Maria steth auf und spricht:
Der eine Hirte stößt in das Horn und die ganze Cumun fängt an zu singen:
Der König Herodes spricht ganz traurich:
Der Gardeson antwordet edwas zornig:
Herodes Andwordet ganz zornig:
Der Kammerdiener spricht und zieth den Säbel geth naus ins Haus:
Der Gardeson:
Der Kammerdiener tritt wieder rein, bei die Stubenthüre, nimmt den Degen ab und spricht:
Herodes steth auf von den Stuhle:
Gardeson:
Wen sie zur thüre nausgehen, da wird gesungen:
Dieses ist 1910 von Pastor Böhme aufgezeichnet worden und wird zuerst im »Glück auf«, Jahrgang 1910, Seite 183 ff, veröffentlicht. Im nächsten Jahrgang (1911, Seite 39) bringt Schuldirektor O. Borges in Leipzig einige Berichtigungen und Ergänzungen. Wir stellen die beiden Bearbeitungen nebeneinander. Die alte Fassung (Borges) scheint die volkstümlich wertvollere zu sein.
Personen:
Maria, Josef, Hohenpriester, Diener Laban, 3 Könige, 3 Bediente, Wirt, Herodes, Engel, 2 Hirten.
Gesang: Vom Himmel hoch.
Alte Fassung.
Hohenpriester.
(Geht ab.)
Neue Fassung.
Hohenpriester.
(Geht ab.)
In beiden Fassungen.
Wirt:
(Maria und Josef kommen von rechts.)
Josef.
Wirt.
Josef spricht zu Maria:
oder
Alte Fassung.
Maria.
Wirt.
Josef.
Maria.
Josef.
Engel.
Neue Fassung.
Maria.
Wirt.
Josef.
Engel.
Die beiden Hirten um ein Lagerfeuer ruhend.
Alte Fassung.
1. Hirt.
2. Hirt.
1. Hirt.
2. Hirt.
1. Hirt.
2. Hirt.
Neue Fassung.
1. Hirt.
2. Hirt.
1. Hirt.
In beiden Fassungen.
2. Engel.
1. Hirt.
2. Hirt.
1. Hirt.
Engel.
1. Hirt.
2. Hirt.
(Josef kommt von links.)
Alte Fassung.
1. Hirt.
Josef.
Hirt.
Josef.
Hirt.
Josef.
Hirt betet an.
Darnach:
Neue Fassung.
Hirt.
Josef.
Hirt.
Die Hirten singen:
Hirt.
Hirten nach rechts ab. Der Vorhang fällt.
Die Weisen kommen von rechts.
Melchior (sieht sich erstaunt um).
Caspar.
Melchior.
Caspar.
Balthasar.
Melchior.
Balthasar.
Caspar.
(Diener kommt von links.)
Balthasar.
Caspar.
Alte Fassung.
Balthasar.
Neue Fassung.
Balthasar.
Diener.
(Die drei Könige ab nach rechts.)
Herodes kommt von links und setzt sich auf den Thron.
Diener.
Herodes.
Diener (zu den drei Weisen).
Melchior.
(Die drei Könige treten vor den König.)
Herodes.
Melchior.
Herodes.
(Die Weisen gehen nach rechts ab.)
Herodes (zum Diener.)
Diener.
Herodes.
Diener zum Hohenpriester.
Hohenpriester.
(tritt ein und verbeugt sich vor dem König)
Herodes.
Hohenpriester (sinnt und spricht)
Herodes.
(Hohenpriester ab.)
Herodes zum Diener.
Diener.
Herodes.
Diener zu den drei Weisen.
Melchior.
(sie treten vor den König)
Herodes.
Melchior.
(Die drei Weisen ziehen dreimal um den König herum und treten ab.)
Vorhang fällt.
Die Weisen von rechts wandernd, Geschenke tragend.
Melchior.
(sie knien nieder und beten an.)
Melchior.
Caspar.
Balthasar.
Nachdem die drei Weisen ihre Gaben dargebracht, erheben sie sich und singen gemeinsam: »Ich freue mich in dir«, nach dem Gesange legen sie sich schlafen.
Engel.
(Engel ab.)
Melchior zu Balthasar.
Balthasar.
Caspar.
Melchior.
(Könige ab.)
Herodes zum Diener.
Diener.
Herodes.
Diener.
Herodes.
Diener.
(Diener ab mit blankgezogener Waffe.)
Gesang.
(Nach dem Gesang kehrt der Diener zurück, steckt sein Schwert in die Scheide und spricht zu Herodes):
Herodes.
Gesang.
Schluß.
»Christus ward heut geboren!« Ein altes Mettenspiel aus der Kirchgemeinde Steinbach i. Erzgeb. Angeblich von einem 1859 daselbst gestorbenen Kantor Hermann verfaßt. Im 1. Heft des III. Bandes der Mitteilungen des[126] Vereins für sächsische Volkskunde mitgeteilt von Pfarrer Köhler und Kantor Bachmann zu Steinbach. Auch Dr. Alfred Müller hat das Spiel in seinem schönen Aufsatze: »Eine Mettenfahrt« (Glück auf 1900, Seite 2) beschrieben. Dieses Spiel ist bis auf die Gegenwart in der Steinbacher (bei Annaberg) Kirche aufgeführt worden. Das Spiel unterscheidet sich wesentlich von den volkstümlichen Spielen. Schon die Sprache ist nicht eigentlich volkstümlich. Der Anfang des Eröffnungsgedichtes lautet:
In diesem Stile geht es weiter. Im Hirtengespräch sagt:
Ruben.
Das Spiel mag, in der Kirche aufgeführt, eine tiefgehende Wirkung haben, es ist aber doch wohl nicht ein eigentliches Volksspiel. Auch die Musik ist etwas konventionell, etwa in der Art wie die Kantaten des alten Plauener Kirchenmusikdirektors F. M. Gast. Es ist im Graserschen Verlag erschienen.
In den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen, III. Jahrgang 1865, Seite 115 teilt Joseph Stocklöw Teile eines Spieles mit, das in der Nähe von Schmiedeberg aufgeführt ward und den Namen des »boren Kinnel« führte. Hier finden wir unser »Bornkinnel« wieder. Das Spiel enthält nichts wesentlich Besonderes. Nur ist eine gesungene Verkündigung durch die Engel an Maria dabei. Auch sonst wird im Spiel, der böhmischen Sangesfreude entsprechend, viel gesungen.
Außer den angeführten Spielen haben sich noch viele Reste erhalten, die man an verschiedenen Orten »Weihnachtslieder« nannte. So teilt John (Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge Seite 176) ein Bruchstück solcher Spiele aus Olbernhau mit. Das unbegreifliche[128] Verbot der Spiele hat verheerend gewirkt. Trotz aller behördlichen und geistlichen Maßnahmen ging aber das Volk nicht davon ab. Im geheimen wurde weiter gespielt. Auf originelle Weise umging ein Einwohner von Raschau das Polizeiverbot: er führte seine Engelschar im Puppentheater auf und fand enormen Zuspruch. So kam man schließlich darauf, für die Spiele eine der Polizei genehmere Form zu wählen. Die Geistlichen nahmen die Sache in die Hand und es entstanden eine größere Anzahl von sogenannten Weihnachtsstücken oder -spielen, z. B. die an den Pfarrern Steiniger (Lößnitz), Seidel (Lichtenstein), Lehmann (Freiberg), Müller (Zwickau), Bauer (Berthelsdorf), Löscher (Zwönitz) u. a. Das beste dieser Art hat unstreitig der oft erwähnte Gustav Mosen geschaffen. Er bringt in seinem mehrmals erwähnten Buche zunächst eine größere Anzahl der alten Spiele und meint zuletzt, daß man die Spiele, da sie meist Bruchstücke seien, nicht als abendfüllende Aufführung anwenden könne und dichtet aus dem Geist der Spiele heraus ein neues ganz treffliches Spiel. Es ist im Graserschen Verlag erschienen in einer Neubearbeitung Alfred Müllers.
Der Verfasser dieses Buches möchte aber doch den alten Spielen das Wort reden. Wenn sie auch nicht glatt und fein sind.
Den Weihnachtsspielen erging es wie den Volksliedern. Durch ihre mündliche Weitergabe änderte sich ihre Originalform. Das Volk geht mit seinen Dichtungen[129] nicht sehr säuberlich um. Es läßt weg oder verändert, was ihm mißfällt, wiederholt gern nochmals, was ihm zusagt. Ort und Zeit sind unwesentliche Dinge, die man dem Gebrauche anpassen kann, die Lieder zersingt das Volk, die Spiele zerspielt es. Aber sie sind Geist vom Geiste des Volkes, den zu stärken man sich keine Mühe verdrießen lassen sollte.
Nehmen wir an, irgend ein Ort findet in den vorerwähnten Spielen seine »Engelschar« wieder. Er würde sie am 1. Feiertag von einem Verein oder von Schulkindern gern aufführen aber das Spiel ist zu kurz, zu unvollkommen. Da stelle man das eigene Spiel in den Mittelpunkt und entnehme anderen Spielen das Fehlende. Das Ganze rundet sich ab. Auch sorge man für reichlichen Gesang zwischen den Szenen, und ein Stück echtes Volksgut ist gerettet. In der Zeit, wo ein Haaß-Berkow durch seine wunderbare Kunst die Kraft der alten deutschen Volksspiele beweist, dürfte man einen solchen Versuch wohl wagen.
Die Chemnitzer Volkshochschule hat diesen Vorschlag des Verfassers aufgegriffen und sucht durch Aufführungen für den Gedanken zu werben. Es lag nahe, ein Stück zu schreiben, in dem in eine erzgebirgische Stube die Engelschar tritt, ähnlich, wie es Hermann Löscher in seinem »Bornkindel« tut. Dankbar sei anerkannt, daß er damit auf das alte Volksgut eindruckvollst hinweist. Wir wollen aber doch mehr, als nur Theater. Wie[130] die Christspieler in die größte Stube des Dorfes kamen, so kommen sie jetzt in den Saal; in banger Erwartung der Engelschar sitzen die Hörer, da – da ertönt Gesang, die Engelschar kommt zu ihnen, nicht zu den Personen eines Bühnenstückes. Wir wollen nicht Zuschauer, sondern Miterleber haben.
Nun muß mit dem Publikum gerechnet werden. Ein Moment fehlt unseren Spielen fast völlig: das der Spannung. Den Hörern sind die Vorgänge alle vertraut. Das »Was« wird sie darum weniger interessieren, als das »Wie«. Dabei darf man das Kostümliche nicht zu gering achten. Alle Volkskunst, sie mag sein, welche sie will, braucht die Farbe, ohne sie ist die Volkskunst unfroh, ledern. Darum sei man nicht zu ängstlich mit der Kleidung der Spielenden, wenn sie sich recht sehr dem Historischen nähern, ist es durchaus kein Fehler.
Für die Ausgestaltung der Bühne gibt es verschiedene Möglichkeiten. Daß sie so einfach wie möglich sein möchte, ist ein Gebot der Notwendigkeit. Am eindrucksvollsten wirkt die einfache Vorhangbühne. Dunkle Gardinen geben den besten Hintergrund für die farbenfrohen Gestalten des Spiels. Der Stall fällt weg, es genügt eine einfache Krippe. Die Krippenszene sei nur von der Stallaterne Josefs erleuchtet.
Eine andere Auffassung ging dahin, die Bühne mehr dekorativ auszugestalten. Vorbild dafür waren die Weihnachtskrippen unserer Gebirgsstuben. Ein großer Prospekt[131] mit Aussicht auf Jerusalem oder Bethlehem schließt die Bühne nach hinten ab. Vor diesem spielen sich die Szenen ab, die im Freien spielen. Der Felsen des Engels kann durch eine mit geknittertem Packpapier benagelte Kiste leicht hergestellt werden.
Für die Stallszenen wird aus Latten und Brettern ein Gerüst errichtet; nicht zu groß, nur eine Hinterwand, eine Seitenwand, ein Dach mit Stroh bedeckt. Die eine Seitenwand bleibt weg, wegen der verschiedenen Anbetungen des Kindleins. Die Wände werden nicht völlig vernagelt, sodaß überall zu Lücken und Spalten Engel hineinsehen können.
Die Mitte der Bühne wird durch einen Vorhang abgeteilt. Vor diesem spielen sich alle Innenszenen ab, so die Verkündigung an Maria und die Herodesszenen. Die Vorderbühne wird durch den Hauptvorhang abgeschlossen.
Unter allen Umständen lasse man sowohl die Engelschar, als auch die Königschar durch den Saal nach der Bühne ziehen, vor die ein Treppenaufgang gebaut wird. Die Vorhänge möchten geteilt sein.
Die Spieler sollen natürlich sprechen, zu viel Pathos schädigt; vom Erhabenen zum Lächerlichen ist bekanntlich nur ein Schritt.
Wesentlich ist der Anteil der
Musik.
Harmoniumspiel verbindet Gesänge und Szenen. Für die Gesänge benutze man möglichst alte erzgebirgische Weisen. Man findet solche im »Musikalischen Anhang« zum Mosenschen Weihnachtsfestspiel, Grasers Verlag, in »Lied und Spiel zum Preise des Christkindes« von Bernhard Schneider (Dresden, Huhle), sowie auch in Dosts Weihnachtsliedern aus dem Erzgebirge. Die bei den Aufführungen der Chemnitzer Volkshochschule benutzten Gesänge waren von Johannes Halke vierstimmig gesetzt worden. Beim Einzug der Spieler spielte ein kleines Orchester aus Lauten, Violinen und Clarinetten zusammengesetzt.
Wir bringen am Schlusse als Beispiel der Verwendbarkeit der alten Spiele eine Zusammenstellung, die in vielen Aufführungen bereits erprobt ist. Es lag dem Bearbeiter daran, die einzelnen Stücke nicht zu zerreißen,[133] darum erscheinen aus den verschiedenen Spielen immer geschlossene Szenen.
Alte, erstorbene Volksbräuche und Sitten wiederbeleben zu wollen, würde ein vergebliches und unersprießliches Beginnen sein. Man soll nicht einen Leichnam ausgraben und ihn buntgeschmückt zur Schau stellen. Das Vergangene kehrt nicht wieder, wenn es auch lange noch zurückleuchtet. Wir freuen uns alter Sitten und Gebräuche, hören voll Behagen von allerlei Aber- und Zuvielglauben – aber, Gott sei dank, das sind alles überwundene Dinge.
So wäre die ganze Wissenschaft der Volkskunde nur eine forschende, eine historisch betrachtende?
Dies ist nicht der Fall. Wohl muß die Volkskunde die Vergangenheit des Volkes kennen, muß den geheimsten Regungen der Volksseele nachspüren. Dabei darf sie aber nicht stehen bleiben. Wie eine Zeit die andere ablöst, wie Geschlechter kommen und gehen, so wandeln sich auch Sitten und Gebräuche mit den Zeiten um. Dabei sieht man aber mit Betrübnis, daß die neue Sitte, die die alte ablöste, selten einen Fortschritt bedeutet, im Gegenteil, gute alte Sitten sind vergangen, schlimmere sind dafür eingezogen. Nun hat die Volkskunde die Aufgabe, zu wirken, das, was an altem Volksbrauch lebensfähig ist, zu erhalten, auf gutem Alten wertvolles Neue aufzubauen.
Man hat gesagt, die erzgebirgischen Christspiele seien tot, es würde dem Geiste unserer Zeit nicht entsprechen, Wiederbelebungsversuche vorzunehmen. Dem ist zu[134] widersprechen. Wohl hat eine volksfremde Geistlichkeit, eine dem Volksempfinden so fern wie möglich stehende Regierung eine Zeit lang die Spiele unterdrücken können. Sie lebten aber immer wieder auf. Man schränkte die kirchlichen Mettenspiele ein, man verbot sie und nahm damit dem Volke ein gut Teil Poesie aus seinem armseligen Leben. Man trieb die Heiligenchristspieler von der Straße, ja sperrte sie ein, wie im Jahr 1805 zu Thalheim geschehen ist – aber immer erbten sich die Reime weiter.
Wie wollen wir nun die Spiele zu neuem Leben erwecken? Zunächst ist es wünschenswert, daß alle Orte, die noch Metten und dergleichen besitzen, sich dieselben nicht nehmen lassen. Wo noch kein Mettengottesdienst besteht, oder wo er nur rein kirchlich beschaffen ist, lasse man dies eine Mal im Jahr das Volk hinzu und gestalte den Gottesdienst entsprechend aus. Aber auch die außerkirchlichen Spiele führe man wieder auf. Eine große Zahl von Weihnachtsstücken sind geschrieben, die wohl die Weihnachtsgeschichte dramatisch darstellen, aber doch mehr oder weniger Theaterstücke sind. Das sollen sie nicht sein. Wir wollen die schlichten, alten Volksspiele wieder haben.
Aus den vielen Zuschriften, die wir erhielten, ersehen wir mit Freuden, wie man allerorts unseren Gedanken aufgegriffen hat. Wenn uns auf unserem Wege die Wiederbelebung dieses Stückes alter Volkskunst gelingen sollte, würden wir herzlich zufrieden sein.
Einleitung.
Chor:
Schneeberger Weihnachtslied
(Auf Tochter Zion schmücke dich!)
1. Die Engelschar.
(Wiesaer Spiel.)
Der heilige Christ. – St. Martin. – St. Nikolaus. – Die Engel. – Die Hirten. – Die Ruprechte. – Der Sternträger.
Beim Aufzug der Schar wird ein altes böhm. Krippenlied gespielt.
2. Die Verkündigung an Maria.
Maria. – Der Engel Gabriel.
Gesang: Altes geistliches Volkslied.
3. Das Herbergsspiel.
(Wiesaer Spiel.)
Chor: O Bethlehem, du edle Stadt
alter Klostergesang.
Maria. – Joseph. – Der Wirt.
4. Das Hirtenspiel.
(Thalheimer Spiel.)
Chor: Quem pastores laudavere.
3 Hirten. – Der Engel.
Die Hirten singen ein Gottesgaber Krippenlied.
5. Das Krippenspiel.
(Neudorfer Engelschar.)
Maria. – Joseph. – Der Wirt. – Die Hirten. – Die Engel.
Maria und Joseph singen ein Wiegenlied nach einer alten Volksweise. Die Hirten singen ein Hirtenlied aus der Neudorfer Engelschar. Die Engel singen ein altes Weihnachtslied.
Kurze Pause.
6. Das Königsspiel.
(Thalheimer u. Löwenhainer Spiel)
Chor: Die heiligen drei Könige mit ihrem Stern (alte Weise).
Kaspar. – Melchior. – Balthasar. – Herodes. – Laban. – Gardeson. – Der Schriftgelehrte.
Chor: Dein König Zion kommt zu dir. (Schneeberger Mettenlied).
7. Die Anbetung der Könige.
(Thalheimer Spiel.)
Maria. – Joseph. – Die 3 Könige. – Der Engel.
Das Wiegenlied ist der Neudorfer Engelschar entnommen.
8. Das Spiel vom Kindermord.
(Thalheimer u. Lengefelder Spiel.)
Herodes. – Laban. – Der Tod. – Der Engel.
Beschluß (Cranzahler Spiel.)
Maria. – Joseph. – Der Engel.
Allgemeiner Gesang:
Nach alten Volksüberlieferungen
zusammengestellt von Max Wenzel
Bei geschlossenem Vorhange singt der Chor:
(Schneeberger Weihnachtslied.)
Der dritte Hirte tritt auf.
(Wiesaer Spiel.)
Er geht ab.
Hinter der Szene leises Harmoniumspiel (Vom Himmel hoch, da komm ich her). Zwei Engel, ein großer und ein kleiner, treten ein.
Der große Engel.
(Ruprecht läßt hinter der Szene seine Schellen klingen.)
Die Engel stellen sich rechts und links vor die Rampe, sie bilden den Abschluß der im Halbkreis aufgestellten Engelschar. Die Engelschar tritt unter den Klängen der böhmischen Kinderweise gemessenen Schrittes ein. Sie umwandelt einmal die Bühne und stellt sich dann, im Mittelpunkt der heilige Christ, im Halbkreis auf.
Der heilge Christ.
Martin.
Der heilge Christ.
Nikolaus.
Der heilge Christ.
Der große Ruprecht.
Der kleine Engel.
Der große Ruprecht.
Der heilge Christ.
Der große Ruprecht.
Der kleine Ruprecht.
Der große Ruprecht.
Während des Streites der beiden haben die andern Glieder der Engelschar behaglich schmunzelnd zugehört. – Der heilge Christ winkt jetzt dem kleinen Engel, den großen Ruprecht unterbrechend.
Der kleine Engel.
(Thalheimer Spiel.)
Die Musik setzt mit der böhmischen Hirtenweise ein. Die Engelschar marschiert ab. – Das Harmonium nimmt die böhmische Weise auf und leitet sehr leise über zum Ave Maria.
Der Vorhang fällt.
(Alte Weise.)
Gabriel. Maria. – Vordere Bühne.
Maria in Andacht versunken.
Gabriel.
Maria.
Gabriel.
Maria.
Gabriel.
Maria.
Vorhang.
Musikalische Ueberleitung zum Chor (Altkirchliche Weise):
(Wiesaer Spiel)
Hintere Bühne. Links (vom Zuschauer) das Wirtshaus mit charakteristischem Wirtshauszeichen (Stern, Roß, Bär, Traube oder dergl.). Möglichst einige Versatzstücke (Palme, Brunnen). – Der Wirt steht vor der Tür. Maria und Joseph treten auf.
Joseph.
Wirt.
Joseph.
Wirt.
Joseph.
Wirt.
Joseph.
Wirt.
Joseph.
Wirt.
Joseph.
Maria.
Wirt.
Maria.
Wirt.
(Ab ins Haus.)
Joseph.
(Sie gehen hinter das Haus ab.)
(Thalheimer Spiel.)
Freudige Orgeleinleitung; überleitend zum
Chor: Quem pastores laudavere.
Hintere Bühne. Freies Feld, im Hintergrund Bethlehem. Links ein Felsen, auf dem der Engel erscheint. 3 Hirten. Der 1. Hirt steht, auf seinem Stab gestützt, als Wachender, der 2. Hirt sitzt am Boden, der 3. Hirt liegt und schläft.
Der 1. Hirt.
Der 2. Hirt.
(Die Orgel beginnt sehr leise zu spielen: Vom Himmel hoch da …)
Der 1. Hirt (weckt den 3.)
Der kleine Engel, auf dem Felsen stehend.
(Die Hirten, in malerischen Stellungen, starren erschrocken zu ihm auf.)
Chor der Engel (hinter der Szene.)
Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!
(Während des Gesanges verschwindet der Engel.)
Der 1. Hirt.
Der 2. Hirt.
Der 1. Hirt.
Der 3. Hirt.
Die Hirten und Chor mit Begleitung
(Gottesgaber Krippenlied.)
Die Hirten.
Der Wirt tritt vor dem vordersten Vorhang.
(Mildenauer Engelschar.)
[Ab.]
Das Harmonium setzt mit dem Vorspiel zum Kindelwiegenlied ein. Der Vorhang geht auf.
Der Stall. Maria und Joseph, in der Krippe das Kind.
Die Szene wird nur durch Josephs Stallaterne beleuchtet.
Maria (singt.)
Joseph.
Beide.
Chor der Engel (hinter der Szene.)
Die Hirten (draußen.). (Neudorfer Engelschar.)
Joseph.
(Die Hirten treten ein.)
Der erste Hirt.
Joseph.
Der 2. Hirt.
Maria.
Der 3. Hirt.
Die drei Hirten (singen.)[19]
Lebendes Bild. Das Harmonium leitet über zu dem Chor:
Vom Himmel hoch, ihr Engel kommt!
Während des Gesanges füllt sich der Hintergrund mit großen und kleinen Engeln, die sich malerisch um den Stall gruppieren.
Der Vorhang fällt.
Während der letzten Strophen des folgenden Liedes zieht die Königschar ein. Ordnung: Sternträger, die drei Könige, Herodes mit seinem Hofstaat, in einiger Entfernung der Tod.
Chor (hinter der Szene.)
Kasper. (Thalheimer Spiel.)
(Er zeigt hinauf.)
Melchior.
(Er zeigt hinauf.)
Balthasar.
(Er zeigt hinauf.)
Kasper (Löwenhainer Spiel.)
Melchior.
Balthasar.
Kasper.
Melchior.
Balthasar.
(Sie ziehen ab.)
Vorhang zu.
Die Orgel, bezw. die Musik spielt eine Strophe des heilgen Drei-König-Liedes.
Vordere Bühne. Thronsessel. Gardeson[20] und Laban.
Gardeson.
Laban.
Gardeson
(fährt ihm mit einem Tuch über den Mund.)
Laban.
Gardeson.
Herodes (tritt auf.)
Gardeson (verneigt sich vor ihm.)
Herodes.
Gardeson.
Herodes.
Gardeson.
Herodes.
Gardeson.
Die Könige treten auf.
(Thalheimer Spiel.)
Balthasar.
Herodes.
Balthasar.
Herodes.
Laban.
Geht an die Seite und ruft hinaus:
Schriftgelehrter.
(Mit großer Brille, Buch, schwarz gekleidet, jüdisch.)
Laban.
Schriftgelehrter.
Herodes.
Schriftgelehrter.
Herodes (zu den Königen.)
Kasper.
Herodes.
Melchior.
Kasper (verneigt sich.)
Melchior (verneigt sich.)
Balthasar.
Die Könige ab.
Gardeson (Löwenheiner Spiel.)
Vorhang zu.
Chor (hinter der Szene.)
Dein König, Zion (Schneeberger Mettenlied.)
Hintere Bühne. Stall. (Thalheimer Spiel.)
Maria.
Joseph.
Die drei Könige.
(Cranzahler Spiel.)
Kasper.
Joseph.
Kasper (anbetend.)
Balthasar.
Melchior.
Joseph.
Alle singen. Wiegenlied aus der Neudorfer Engelschar.[21]
Kasper. (Thalheimer Spiel.)
(Setzt sich nieder.)
Melchior.
Balthasar.
Der Engel (zu den Königen.)
(verschwindet.)
Balthasar (erwachend.)
(Die Könige gehen ab.)
Der Engel (zu Joseph.)
Joseph (erwachend.)
(Maria und Joseph rüsten sich zur Abreise.)
Vorhang zu.
Kurze musikalische Ueberleitung.
Vordere Bühne. Thronsessel. Herodes.
Herodes.
Laban.
(Ab.)
Herodes ist auf seinen Sessel gesunken. Die Bühne wird finster.
Der Chor singt hinter der Szene.
Die Bühne wird hell.
Laban (tritt wieder auf.)
(schaudernd)
(Ab.)
Herodes.
(Der Tod ist eingetreten.)
Der Tod (mit Sense und Stundenglas.)
(Lengefelder Spiel.)
Indem der Tod auf Herodes zugeht, schließt sich der Vorhang.
Kurze Ueberleitung der Musik zu freundlichen Tönen.
Hintere Bühne (ohne Stall.)
Joseph und Maria mit dem Kind unter einem Baum ruhend.
Der Engel.
(Ab.)
Joseph.
Der Vorhang schließt sich.
Der Engel tritt vor denselben hinaus.
(Cranzahler Spiel.)
Schlußgesang (Allgemein.)
(Melodie: Lobt Gott, ihr Christen allzugleich.)
[1] Weinhold, Seite 34.
[2] Weinhold, Seite 122.
[3] Mosen, Seite 17.
[4] Nach Akt. d. Sächs. Hauptstaatsarchivs.
[5] E. Griesner, in den Mitteil. des Vereins für Sächs. Volkskunde.
[6] Friedrich August, genannt der Gerechte.
[7] A. d. Mitteilungen für sächsische Volkskunde, Band 2.
Lehrer Alwin Bergmann in Dresden. Beiträge zur Geschichte der Christmetten in Sachsen.
[8] Bergmann, Beilage zur Geschichte der Christmetten in Sachsen. Mitteilung des Vereins für sächsische Volkskunde. Band 2, Heft 10.
[9] John, Aberglaube, Sitte und Brauch im sächs. Erzgebirge.
[10] Glückauf, Dezember 1890, Seite 128 und 129.
[11] Mosen, Seite 17.
[12] Mosen, Seite 17.
[13] Ein niedliches Beispiel, wie sich das Volk die lateinische Sprache für seinen Mund zurechtmacht. Der Wortlaut der Vulgata ist: Gloria in exelsis deo et in terra pax in hominibus bonae voluntatis.
[14] Der Herr Amtmann von Grünhain und Stollberg, worunter auch Thalheim gehört, wohnt etwas entfernt –, sonst wäre diesen Bettlern wahrscheinlich ein anderer Platz als Wohnung angewiesen worden.
[15] Friedrich August, der spätere König.
[16] Die mündliche Ueberlieferung: »… bereitet ist – Von Ewigkeit zu Ewigkeit« ist zwar inhaltlich besser, aber formell bedenklich.
[17] mündl.; schriftlich: »Zu dieser frist.«
[18] Bei Aufführungen vor Kindern.
[19] Musikalischer Anhang zu Mosens Weihnachtsspiel.
[20] Der Hofnarr.
[21] Musikalischer Anhang zu Mosens Weihnachtsfestspiele.
Dr. K. Weinhold, Weihnachtsspiele und -lieder aus Süddeutschland und Schlesien, 1875
Mosen, Weihnachtsspiele im sächsischen Erzgebirge, 1861
Mitteilungen des Vereins für sächsische Volkskunde
»Glück auf«, Zeitschrift des Erzgebirgsvereins
Bergmann, Beiträge zur Geschichte der Christmetten in Sachsen
John, Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge
Seyffert, Dorf und Stadt
Alfred Müller, Eine Mettenfahrt (Glück auf)
Mitteilungen des sächsischen Altertumsvereins
Akten des Hauptstaatsarchivs
Kirchliche Nachrichten aus Zwickau und Umgegend 1890
Bunte Bilder aus dem Sachsenlande
Wild, Interessante Wanderungen durch das sächs. Erzgebirge, 1809
Mündliche Mitteilungen aus den verschiedensten Orten
Alfred Müller, Ein altertümlicher Christumzug (Glück auf)
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung, 1902
E. Giersner, Ein Königsspiel (Mitteil. d. Ver. f. sächs. Volkskunde)
Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 1865
Löscher, Bornkinnel
Bonns, Deutsche Weihnacht
Gerstmann, Eine kurtze Comedien von der Geburt des Herrn Christi
Nick, Die Hof- und Volksnarren, 1861
Ostwein, Deutsche Weihnachten
Wuttke, Sächsische Volkskunde
Meyer, Deutsche Volkskunde
Mogk, Die deutschen Sitten und Bräuche (Meyer, Deutsches Volkstum)
Spieß, Aberglaube, Sitten und Gebräuche des Obererzgebirges
Grohmann, Das Obererzgebirge und seine Städte
Pailler, Krippenspiele aus Oberösterreich und Tirol
Hartmann, Weihnachtslied und Weihnachtsspiel in Oberbayern
Arnim und Brentano, Des Knaben Wunderhorn
Pröhle, Weltliche und geistliche Volksschauspiele
Vierteljahresschrift für Literaturgeschichte
Buchdruckerei Hesse & Kaufmann, Chemnitz.
Weitere Anmerkungen zur Transkription
Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Inkonsistente und fehlerhafte Schreibweisen in den überlieferten Texten wurden weitestgehend beibehalten.
Korrekturen:
S. 67: Ehrenthron → Ehrenkron
drauf soll er sich setzen mit seiner Ehrenkron