The Project Gutenberg eBook of Raubwild und Dickhäuter in Deutsch-Ostafrika

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Title: Raubwild und Dickhäuter in Deutsch-Ostafrika

Author: Hans Besser

Release date: April 6, 2025 [eBook #75805]

Language: German

Original publication: Stuttgart: Frankh'sche Verlagshandlung, 1915

Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK RAUBWILD UND DICKHÄUTER IN DEUTSCH-OSTAFRIKA ***

Anmerkungen zur Transkription

Das Original ist in Fraktur gesetzt. Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurde übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler sind stillschweigend korrigiert worden.

Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt.

Worte in Antiquaschrift sind "kursiv" dargestellt

.

deckblatt

Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde, Stuttgart

Die Gesellschaft Kosmos bezweckt die Kenntnis der Naturwissenschaften und damit die Freude an der Natur und das Verständnis ihrer Erscheinungen in den weitesten Kreisen unseres Volkes zu verbreiten. — Dieses Ziel sucht die Gesellschaft durch Verbreitung guter naturwissenschaftlicher Literatur zu erreichen durch den

Kosmos, Handweiser für Naturfreunde


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ferner durch Herausgabe neuer, von ersten Autoren verfaßter, im guten Sinne gemeinverständlicher Werke naturwissenschaftlichen Inhalts. Es erscheinen im Vereinsjahr 1916 (Änderungen vorbehalten):


Wilh. Bölsche, Der Stammbaum der Insekten.

Reich illustriert. Geheftet M 1.—

Dr. Kurt Floericke, Reisen in Bulgarien.

Reich illustriert. Geheftet M 1.—

Dr. Hermann Dekker, Heilen und Helfen.

Reich illustriert. Geheftet M 1.—

Hans Besser, Affen, Antilopen und Schlangen Deutsch-Ostafrikas.

Reich illustriert. Geh. M 1.—

Prof. Dr. Karl Weule, Die Sprache.

Reich illustriert. Geh. M 1.—


Diese Veröffentlichungen sind durch alle Buchhandlungen zu beziehen; daselbst werden Beitrittserklärungen (Jahresbeitrag nur M 4.80) zum Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde (auch nachträglich noch für die Jahre 1904/15 unter den gleichen günstigen Bedingungen), entgegengenommen. (Satzung, Bestellkarte, Verzeichnis der erschienenen Werke usw. siehe am Schlusse dieses Werkes.) Der Kosmos kann während des Krieges auch 1/2jährlich zum Preise von M 2.40 mit Buchbeilagen bezogen werden.

Geschäftsstelle des Kosmos: Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart.



Raubwild und Dickhäuter
in Deutsch-Ostafrika


Von


Hans Besser


Mit zahlreichen Abbildungen nach Original-
aufnahmen des Verfassers, nach Zeichnungen von
Prof. Wagner und R. Oeffinger, einem Kärtchen und
einem farbigen Umschlagbild, gez. von M. Zimmer.


signet

Stuttgart

Kosmos: Gesellschaft der Naturfreunde
Geschäftsstelle: Franckh'sche Verlagshandlung

1915


Alle Rechte, besonders das Uebersetzungsrecht, vorbehalten.


Copyright 1915 by
Franckh'sche Verlagshandlung
Stuttgart


STUTTGARTER SETZMASCHINEN-DRUCKEREI
HOLZINGER & Co., STUTTGART



Inhaltsverzeichnis.

Seite
Vorwort 7
Raubwild 8
Löwen 8-23
Leoparden 23-31
Gefleckte Hyänen 32-35
Schabrackenschakale 35-39
Wilde Hunde (Hyänenhunde) 39-46
Dickhäuter 47-82
Durch ein Dickhäuter-Eldorado 48-66
Flußpferde 66-82
a) Die Jagd der Eingeborenen auf Flußpferde auf dem Njassasee 68-73
b) Flußpferde im Rikwasee 73-78
c) Der alte Gomerobulle 78-82
Auf Elefantenfährte 82-92

[S. 7]

Vorwort.

Auf Wanderungen durch unsere zoologischen Gärten sieht man das Wild stets auf engem Raum eingepfercht, man kann sich daher auch keinen rechten Begriff davon machen, wie es sich in der Natur verhält. Bahnbrechend hat Hagenbeck in Stellingen sich bemüht, einzelne Wildarten durch getreue Nachbildung der Natur in ihrer eigentlichen Umgebung zu zeigen, und viele Tiergärten folgen seitdem seinem Beispiel in dankenswertester Weise.

Ist dadurch auch ein großer Schritt vorwärts getan, dem Beschauer die Wirklichkeit nahezuführen, so verhalten sich naturgemäß die Tiere, die an den Umgang mit Menschen gewöhnt wurden, wesentlich anders als in ihrer Heimat, wo sie, sei es auf dem Weidegang oder der Jagd nach Beute, ihrem Instinkt folgend, Eigenschaften entwickeln, die in der Gefangenschaft nutzlos sind und darum verkümmern oder nicht ausgebildet werden.

Durch vierzehnjährigen Aufenthalt in Deutsch-Ostafrika war es mir vergönnt, das Wild in seiner natürlichen Lebensweise zu beobachten. Kamera und Büchse begleiteten mich auf allen meinen Wanderungen. Aus der Fülle des Geschauten und Erlebten sollen nun hier eine Reihe Bilder vorgeführt werden, die zum Verständnis unserer schönen Kolonie auch auf diesem Gebiet beitragen möchten.

Wenn ich in meinen Ausführungen auf das Verhalten der einzelnen Wildarten näher einging, so bitte ich diese Skizzierung nicht als absolute Regel zu betrachten, sondern lediglich als Erfahrung, die ich mit der betreffenden Wildart machte.

Leider sind mir eine große Anzahl Platten, die zur größeren Verständlichmachung hätten dienen können, im Laufe der Zeit verdorben. Bis auf die mir freundlichst zur Verfügung gestellten Bilder, die durch namentliche Bekanntgabe der Hersteller gekennzeichnet sind, sind alle übrigen von mir gefertigte Originalaufnahmen.

Radebeul, im Herbst 1915.

Hans Besser.


[S. 8]


Raubwild.
Löwen (Felis leo somaliensis Noak).

Als »König der Tiere« wird uns der Löwe in der Fabel dargestellt, und dieser Begriff ist uns derart in Fleisch und Blut übergegangen, daß man die gewaltige Katze im Tiergarten oder in der Menagerie stets mit besonderer Andacht bestaunt. Einen ganz anderen Eindruck bekommt man aber, wenn man diesem großen Räuber in der Natur begegnet. Seine außerordentliche Muskelkraft wendet er nur an, um harmlose Opfer aus dem Hinterhalt zu überfallen. Durch Wucht des vorgeschnellten Körpers und das gewaltige Gebiß, unterstützt durch den Schreck des plötzlichen Ansprungs, macht er seine Beute wehrlos. Wird er aber vorher bemerkt, so schleicht er feige davon. So zahlreich die Löwen auch in unserer Kolonie noch sind, ist es doch vielen eingewanderten Weißen nicht vergönnt, ihnen in freier Wildbahn zu begegnen. Es gibt Europäer, die jahrzehntelang im Lande sind und von Löwen weiter nichts zu spüren bekommen, als das nächtliche Gebrüll und die Nachrichten, daß da und dort Menschen geraubt und Vieh den Löwen zum Opfer gefallen sei.

Auch mir ging es anfangs nicht besser. Drei Jahre war ich bereits in Deutsch-Ostafrika, als ich meinen ersten Löwen sah. Es war auf einer Pflanzung in Lindi (s. Abb. 1), wo ich als Gast weilte. Gegen zwölf Uhr mittags wurde ich durch die Pflanzung geführt.[S. 9] Um von einer Stelle einen guten Überblick über die Pflanzung zu haben, erstiegen wir einen kleinen Hügel. Noch waren wir nicht ganz oben, da wurde uns doch etwas beklommen zumute, als von der entgegengesetzten Seite her ein alter Mähnenlöwe auf der Bildfläche erschien und auf dreißig Meter uns gegenüberstand.

Reliefkarte

Erst sah der Löwe recht stattlich und achtunggebietend aus, wie er steifbeinig mit erhobenem Haupt langsam auf uns zuschritt. Sobald er uns aber wahrgenommen hatte, kroch er in sich zusammen, legte sich nieder und ließ nur seine Schwanzquaste kreisen. Immer den Blick auf uns gerichtet, kroch er rückwärts, ganz mit dem Gebaren einer beim Wildern ertappten Hauskatze. Als er mit halbem Körper auf abschüssigem Gelände angelangt war, warf er sich mit[S. 10] gewaltigem Satz herum und ging in langen Fluchten[1] ab, bis er im hohen Grase für unser Auge verschwunden war. Gewehre hatten wir nicht zur Hand, und mein Begleiter versicherte mir, es wäre aussichtslos, die Waffen holen zu lassen und nachzupirschen.

Diese Art, sich zu drücken, habe ich noch häufig bei Löwen angetroffen, wenn ich unbewaffnet auf sie stieß. Auch Eingeborene versicherten mir häufig, solange Löwen keine »Menschenfresser« wären, gingen sie den Menschen aus dem Wege.

Nach einiger Zeit glückte es mir auch, meinen ersten Löwen zu schießen. Eine Rotte Warzenschweine (Phacochoerus africanus Lm.), an die ich mich anpirschte, wühlte harmlos nach Wurzeln. Unweit davon weideten Zebras (Equus quagga boehmi Mtsch.). Plötzlich fingen die Zebras an zu wiehern und marschierten in einer Richtung auf. Ich glaubte mich schon gesehen, merkte aber, daß alle seitwärts an mir vorbeisahen. Lange konnte ich nichts entdecken, bis ich einen Löwen etwa 60 Meter neben mir sah, der offenbar die Warzenschweine beschlich. Gutes Schußfeld hatte ich nicht, da mich niedriges Gestrüpp nur Teile des Löwen sehen ließ. Der Eingeborene, der mich begleitete, riet mir, nicht zu schießen, erst wenn der Löwe ein Warzenschwein geschlagen hätte, wäre der richtige Augenblick dazu. Warzenschwein und Zebra wären diejenigen Leckerbissen, die der Löwe nicht im Stiche ließe. Bald hatte der Löwe den Rand der Lichtung erreicht. Die Zebras schnaubten, und einige stampften einen Schritt näher kommend mit dem Hufe. Zehn Meter vom Löwen auf die Richtung der Schweine zu lag ein entwurzelter Baumstamm, dessen Äste bis auf das starke Stammstück beim letzten Grasbrand verbrannt waren und sich nur durch weiße Aschestreifen abhoben. Durch leichtes Traben überwand der Löwe, den ich jetzt als Löwin erkannte, die Stelle bis zum Wurzelstock des liegenden Baumes, an den er sich anpreßte und zu Boden duckte. Ich war jetzt neugierig, was weiter geschehen würde.

Am Boden liegend, schob sich nun der Löwe dicht am Stamm entlang. Ich sah durchs Glas, wie sich die einzelnen Muskelpartien[S. 11] spannten und wieder in Ruhe übergingen. Als er in der Mitte des Stammes ankommt, löst sich plötzlich mit vernehmbarem Geräusch ein großes Rindenstück des Stammes. Alle Sauen werfen die Köpfe hoch, und ein alter Keiler und eine Sau machten einige Schritte auf das Geräusch zu. Unbeweglich lag die Löwin. Die Sauen fingen wieder an zu wühlen, nur der Keiler trug noch den Kopf aufrecht und suchte durch Schnüffeln in der Luft Wind zu nehmen. Verstohlen nahm ich eine Prise Staub auf und prüfte den Wind. Die Löwin hatte alle Vorteile für sich. Beruhigt fing nun auch der Keiler wieder an, seine Aufmerksamkeit der Äsung zu widmen, und schob sich dabei zwischen den Sauen durch.

Die Löwin war jetzt am Ende des Stammes, und ich erwartete jeden Augenblick den Sprung. Dreißig Meter war sie noch von ihren Opfern getrennt. Jetzt zog sich die Vorderpartie auf die hintere krampfhaft zurück, und pfeilschnell schoß der Löwe in drei bis vier Sätzen dicht über der Erde auf die Schweine. Als er zwischen diesen war, sah das Arbeiten der Vorderpranken genau so aus, als ob eine Katze einen Hund ohrfeigt. Quiekend und grunzend stoben die Warzenschweine auseinander und preschten auf mich zu. Zu gleicher Zeit polterten die Zebras davon. Die Löwin glotzte ihnen dumm nach, sie war erfolglos gewesen. Spitz zu mir stehend, ließ ich nun auf den Stich (die Vertiefung vorn an der Brust zwischen den Schulterblättern) der Löwin fliegen. Ohne einen Laut auszustoßen, brach sie zusammen. Die Schweine, die merkwürdigerweise mit dem Wind liefen, standen nur 20 Meter seitlich von mir. Erst als ich mich aufrichtete, trollten sie weiter. Auf einmal schienen sie Wind von mir oder der Löwin zu haben, und in voller Flucht rasten sie davon, ohne noch einmal zu verhoffen.[2]

Von der königlichen Seite haben sich mir aber die Löwen, wie schon eingangs erwähnt, bis jetzt noch nicht gezeigt, obgleich ich im Laufe von 14 Jahren bereits 16 Stück auf freier Wildbahn zur Strecke gebracht und sehr viele gesehen habe. Wie leicht sie zu vertreiben sind, ist aus folgender Begebenheit ersichtlich. Ich hielt mir seit längerem eine Meute deutscher Doggen. Da ich der Erste im Langenburger Bezirk war, der diese große Hunderasse einführte,[S. 12] erregten meine Hunde bei den Eingeborenen naturgemäß großes Staunen, das sich auch auf ihre Pariahunde ausdehnte, die, sobald meine Hunde auftauchten, mit eingeklemmter Rute und krummem Buckel heulend oder lautlos davonschlichen. Nun mögen wohl in der Übertreibung der Neger meine Hunde noch gewachsen sein (mein größter hatte 86 cm Schulterstandmaß), wenn sie anderen Dorfgenossen davon erzählten.

Eines Tages teilte mir ein durchaus glaubwürdiger Europäer mit, in Mapunga sei eine alte Frau mehrmals von einem Löwen aus ihrer Hütte, die offen stand, gezerrt worden. In der Annahme, es wäre einer meiner sagenhaften Hunde, habe sie dem Löwen mit der Faust ins Gesicht geschlagen, und dieser habe sie darauf losgelassen. Eben in der Hütte angekommen, hätte der Löwe sie zum zweiten Male gepackt und nach einigen Faustschlägen sie wieder losgelassen. Als der Löwe sie zum dritten Male habe packen wollen, wäre auf ihre vorherigen Hilferufe ihr Mann erschienen, habe einen Mörserstempel ergriffen und dem Löwen einen Schlag versetzt. Dieser sei sofort flüchtig geworden und wäre nicht wieder gekommen. Ich suchte nach einigen Wochen die alten Neger auf. Die Frau hatte am linken Oberarm und der Schulter vernarbte Bißwunden, und ihr Arm war skelettartig dünn geworden.

Derselbe Europäer erzählte mir auch, er habe am Tage gesehen, wie drei alte, magere Kühe einen Löwen in die Flucht geschlagen hätten und mit steil hochgerichtetem Wedel hinter dem Löwen hergaloppiert wären.

Ein Australier, der aus Südafrika kam und dem ich den Fall erzählte, behauptete, einer seiner Freunde am Zambesi ließe sich immer, wenn er einen Löwen angeschweißt, d. h. angeschossen hätte und die Folge im hohen Grase für ihn zu gewagt sei, eine Herde Rinder kommen. Die Rinder, auf der Schweißfährte entlang getrieben, verfolgten den Löwen sofort und drückten ihn aus dem Grase heraus, ohne daß er daran dächte, sich zur Wehr zu setzen.

Um es praktisch auszuprobieren, hatte ich keine Gelegenheit. Im allgemeinen fällt der Löwe auf guten Schuß leichter als verschiedene Antilopenarten, und in den wenigen Fällen, wo ich angeschweißte Löwen wegen hohem, dichtem Gestrüpp nicht angehen konnte, waren weder europäische noch eingeborene Viehbesitzer in erreichbarer Nähe, die mir etwa ihre Rinder geliehen hätten.

[S. 13]

Im August 1904 kam ich erstmals nach Irongo in Ussangu, der Residenz des Sultans Kahemere. Die Hütten sind hier in sog. Tembenform gebaut, d. h. Hütte ist von Hütte nur durch eine Zwischenwand getrennt. Die Bedachung ist flach. Die Dachbalkenlage wird mit Schilf, Gras und einer dicken Lehmauflage überdeckt und bietet vortrefflichen Schutz gegen Sonne und Hitze. Starker Regen kann jedoch hindurchdringen, namentlich, wenn der Regen nach einigen trockenen Tagen einsetzt, und der Lehmbelag sich noch nicht voll Wasser gesogen hat.

Die ganze Dorfanlage weist die Form eines Vierecks auf, mit etwa sechshundert Meter langen Seitenwänden. Durch zerfallene Hütten sind überall Zwischenräume vorhanden. Sonst sind in der Anlage nur zwei Eingänge vorgesehen, die abends mit Dornen verbarrikadiert werden. In der Mitte des großen Platzes wohnt in einer besonderen Umzäunung der Sultan mit einem Teil seines Harems. Kahemere besaß einige dreißig Frauen. Morgens und abends hält sich das Vieh, vorwiegend Rinder, im Tembenhofe auf, ehe es auf die Weide geht oder bevor es abends in die Stallungen, die zugleich als Wohnraum dienen, gebracht wird.

Unter einem schattigen Baume dieses Hofes schlug ich mein Zelt auf. Ich saß etwas sehr auf dem Präsentierteller, und jede meiner Hantierungen wurde von zahlreichen Zuschauern männlichen und weiblichen Geschlechts bekrittelt. Um meine Zelttüre ganz zu schließen, war es zu heiß. Fortwährend mußte ich auf den Gruß von Ankommenden »adje, senga« mit »adje« antworten. Da ich die Kissangusprache nicht verstand, fragte ich später einen Missionar, was »adje, senga« eigentlich bedeute. Er antwortete mir kurz »guten Tag, Rindvieh«. Allerdings spielt das Rindvieh dort eine so große, fast geheiligte Rolle, daß das Prädikat »Rindvieh« beim Gruß eine Ehrung bedeutete, auf die nur der Sultan und seine Familienmitglieder Anwartschaft hatten.

Infolge des engen Zusammenwohnens in den Temben, wo jeder seinem Nachbar in die Töpfe gucken konnte und eine etwas laute Unterhaltung, nur für engsten Familienkreis bestimmt, bis in die dritte Hütte hörbar war, stand die Moral dieser Neger nicht auf einer hohen Stufe.

Die Hitze ließ auch in der Nacht nicht nach, und als ich eine Weile bei geschlossenen Zeltwänden gelegen hatte und in Schweiß[S. 14] gebadet war, ließ ich die Wände öffnen, damit die Luft durchziehen konnte. In der zweiten Nacht wurde ich geweckt durch fortwährendes Kläffen und Herumjagen meiner Hunde ums Zelt, wobei dieses fortgesetzt erbebte, da die Jagd über die Spannleinen ging, über die die Hunde stolperten. Da die Hunde sonst guten Appell (Gehorsam) hatten und diesmal auf Pfeifen nicht folgten, stand ich auf und machte Licht. Aus dem Zelt heraustretend, sah ich noch einige Schatten in der Dunkelheit verschwinden, hinter denen meine Hunde herjagten. Ich dachte mir, es werden gefleckte Hyänen sein, und legte mich beruhigt nieder. An das Herumjagen der Hyänen mit den Hunden war ich gewöhnt, den Hunden geschah dabei nichts, denn es war mehr Spielerei von beiden Seiten. Sättel, Stiefel und sonstiges Lederzeug, das Hyänen gern verschleppen, war durch die Anwesenheit der Hunde gesichert, und ruhig schlief ich bis zum Morgen. Als mir mein Boy den Kakao brachte, sagte er, es sind heute nacht Löwen dagewesen. Richtig! um mein Zelt, das Küchenzelt, und quer über den Tembenhof führten Löwenspuren. Deutlich waren solche von alten und jungen Tieren zu unterscheiden. Brüllen hatte ich ja Löwen an beiden Tagen gehört, aber es ist so etwas Alltägliches, daß man keine Notiz davon nimmt. Ich sprach dann mit dem Sultan Kahemere über die nächtliche Löwenanwesenheit. Mit Gleichmut erzählte er mir: Im Dorfe Mapunga sind in den letzten zwei Monaten 13 Personen von Löwen geholt worden. Die Leute sind dann auf die andere Seite des Flusses verzogen und ließen ihr altes Dorf im Stich, weil es von einem bösen Geist verzaubert wäre, der die Löwen gerufen hätte. Jetzt wären auch hier allnächtliche Löweneinbrüche an der Tagesordnung. Eben habe er Nachricht bekommen, daß heute nacht die Löwen, ehe sie in seine Tembe kamen, unweit eine Kuh aus einer Hütte geholt hätten.

Sofort wollte ich mich bei den Überresten der Kuh ansetzen. Kahemere meinte aber: es waren mehrere Löwen, von der Kuh ist nichts mehr da, vielleicht haben auch Hyänen die Knochenreste verschleppt. Aussicht, die Löwen zu beschießen, wäre aber auf dem Wege nach Utengule, wo sie morgens immer vorbeikämen. Einer seiner Leute, der dort sein Gehöft hätte, sähe sie immer.

Ich fragte den Sultan, ob es nicht möglich wäre, daß mir die Leute nachts Nachricht gäben, wenn die Löwen einbrächen. Er versprach[S. 15] mir, seinen Leuten zu befehlen, daß sie — wegen der Löwengefahr — zu dritt bei einem Einbruch kämen und mich wecken sollten. Kahemere betonte aber nochmals, daß ich am bequemsten auf dem Wege nach Utengule zum Schuß käme, und bezeichnete mir die Stelle, die ich vom Zelt aus wählen sollte.

In der folgenden Nacht schlief ich mit offenen Ohren. Gegen fünf Uhr früh hörte ich Schreien von Eingeborenen. Ich warf mich in die Kleider und war gerade fertig, als Kahemere, mit seinem Gewehr in der Hand, selbst zu mir kommt und mich aufklärt, daß das Schreien der Leute, das ich gehört hätte, die zweite Abwehr eines Einbruchsversuches der Löwen gewesen wäre. Vorher hätten die Leute weiter hinten den Löwen durch Schreien verjagt.

Schnell gingen wir an den Utenguleweg. Es war noch reichlich dunkel und kaum möglich, Ziel zu nehmen. Kaum hockten wir hinter einem kleinen Dornbusch, so kamen die Löwen an. Vornweg eine alte Löwin, dann ein Mähnenlöwe, die anderen konnte ich in der Eile nicht erkennen. Eingedenk der von Europäern und Eingeborenen erhaltenen Warnung, daß stets die Löwin angriffe, wenn der Löwe beschossen würde, der Löwe selbst aber feige sei, gab ich zwei Schüsse auf die vorderste Löwin ab. Sie lag im Feuer (Abb. 2) und hätte wohl am ersten Schusse genug gehabt, aber da ich auf nur dreißig Meter geschossen hatte, schien mir ein Doppelschuß sicherer. Rasch drückte ich zwei Patronen ins Magazin, um dieses wieder voll zu haben. Die Löwen verhofften einen Augenblick, und gerade, als ich das Gewehr wieder anschlug, sprangen alle seitlich ins hohe Gras und waren verschwunden, ehe ich schießen konnte. Neben dem Mähnenlöwen sah ich noch eine alte Löwin und zwei junge, fast ausgewachsene Löwen.

Obwohl ich nicht daran glaubte, daß die Löwen noch einmal wiederkommen könnten, ließ ich mir am Tage Dornenäste bereitlegen und begab mich um drei Uhr morgens wieder an den Utenguleweg, wo ich mich mit zwei Boys in den Dornen einbauen ließ. Wenn es hell wurde, sollten meine Leute wiederkommen und den Dornenkral öffnen. Wir warteten vergeblich auf die Löwen. Es wurde hell, und schon hörten wir die Leute, die uns aus unserer Umzäunung holen sollten, am Ausgange der Tembe sprechen. Plötzlich verstummte das Gespräch. Ein Boy zupfte mich am Rocke, und ich sehe die Löwin etwa fünfzehn Meter vor mir stehen. Die beiden[S. 16] jungen Löwen liefen nach, und nach einer Lücke von hundert Metern folgte der Mähnenlöwe. Die Löwin aufs Ziel nehmend, ließ ich aufs Blatt fliegen; sie brach sofort zusammen. Rasch schlug ich nun auf den Löwen an, er kam in langen Fluchten (Sprüngen) auf mich zu. Gut vorhaltend, gab ich meinen Schuß ab. Der Löwe wirbelte im Kreise herum und biß sich in die Keule, ein Zeichen, daß ihn die Kugel leider dort getroffen hatte. Dadurch, daß ich mein Gewehr an einer anderen Seite durch die Dornenwand schieben mußte, verlor ich einige Augenblicke, und der Löwe war inzwischen seitlich im hohen Grase verschwunden. Eine ganze Zeit mußte ich noch warten, ehe meine Leute kamen. Durch das Schießen war ihnen angst geworden vor den vielleicht nur verletzten Löwen, und wir mußten alle drei rufen und pfeifen, bis sie uns aus unserem Dornenkäfig befreiten.

Bild

Zunächst besah ich mir die Löwin. Der aufs Blatt abgegebene Schuß war ziemlich hoch in den Hals eingedrungen und hatte die[S. 17] Wirbelsäule zertrümmert. Bei einem Haar wäre sie überschossen gewesen. Mein Schuß war also ein glücklicher Zufall insofern, als er etwas links ging. Nun dem Löwen nach. Ich ließ mir erst meine Hunde, die ich nachts angekettet hatte, holen. Es war ein mühsames Suchen, um die Fährte halten zu können. Fußabdrücke waren in dem harten Boden nicht zu sehen, und das Gras war von weidenden Kühen in allen Richtungen mit Gängen versehen, so daß wir uns nur nach den spärlichen Schweißspritzern richten konnten. Gegen acht Uhr mußten wir die Folge aufgeben. Auch die Hunde konnten die Fährte nicht halten.

Im Mai 1909 reiste ich von Kilossa über Iringa nach Langenburg. Am großen Ruaha angekommen, machte ich nach Iringa den ersten Rasttag. Gern hätte ich ein großes Kudu (Strepsiceros strepsiceros Pall.) und ein kleines (St. imberbis Blyth) zur Strecke gebracht. Von dieser Wildart hatte ich im Oktober 1908 mein erstes und einziges erlegt und große Kudus bisher immer vergeblich gepirscht. Um den Rasttag der Träger gut auszunützen — auch Fleisch war uns sehr vonnöten —, brach ich am Morgen vor Tagesanbruch auf. Nicht ein Stück Wild kam mir zu Gesicht, nachdem es heller geworden war. Da sehe ich plötzlich in hundertfünfzig Meter Entfernung eine Löwin mit Jungem auf mich zulaufen. Sie eräugt mich und ändert ihre Richtung. Schnell springe ich etwa fünfzig Meter nach links vor, und sie geht an mir auf hundert Meter vorüber. Einen Augenblick den Atem anhaltend, da meine Lungen ausgepumpt waren und sich die Bewegungen dem Oberkörper mitteilten, ließ ich fliegen. Auf dem Rücken liegend, schlug die Löwin etwas mit den Pranken und miaute ganz leise. Das junge Tier verkroch sich im Gras. Gleich nach meinem Schuß nahm ich schleunigst Rückendeckung, denn mindestens sechs bis acht Löwen und auch einige Leoparden antworteten auf meinen Schuß durch tiefes Rohren und Gebrüll in nächster Nähe. Meine farbigen Begleiter waren alle auf Bäume geklettert. Es kam aber nichts weiter zum Vorschein. Ein Fangschuß ins Rückgrat der nun auf der Seite liegenden Löwin ließ diese sich strecken. Diesmal setzte das Gebrüll nur vereinzelt und entfernt ein. Nach dem Zelte schickend, um Leute zur Abholung der Löwin zu bekommen, setzte ich dann meine Pirsch fort, traf aber kein Stück Wild, geschweige denn Kudus an. Anscheinend hatten die zahlreichen Löwen das Wild für heute vergrämt[S. 18] (verscheucht), und ich mich gerade in der Richtung bewegt, in der die Löwen nachts gejagt hatten. Die Einwohner des kleinen Dörfchens Njukwa empfingen mich bei meiner Rückkehr mit Freudengeheul, da sie unter den Löwen viel zu leiden hatten. Es waren in letzter Zeit Menschen und auch Vieh von den Löwen geholt worden.

In der Nacht hatten wir noch ein kleines Nachspiel. Um Mitternacht wurden wir durch angstvolles Geschrei unserer Träger geweckt. Es ist keine Kleinigkeit, wenn fünfundachtzig Menschen in Todesangst losheulen; wir fuhren erschreckt aus den Betten hoch. Unser Zelt wurde halb eingerissen, Lasten, unser Tisch mit Eßgeräten und der Lampe polterten zu Boden, und dazwischen brüllten Löwen. Ich hörte lautes Atmen im Zelt und glaubte für einen Augenblick, der Löwe stünde zwischen unseren Betten. Mit der Hand nach dem Gewehr tastend, erwischte ich die nackte Kehrseite eines Menschen, und ein angstvolles »Ich, Herr« belehrte mich über meinen Irrtum. Einige Träger waren splitternackt unterm Zelte durchkriechend eingedrungen. Als ich mit einigen energischen Worten die Ruhe hergestellt hatte, klärte sich die Lage dahin auf, daß wohl ein Träger wach geworden war und einen Löwen gesehen hatte. Als er seinen Kameraden weckte, verstand dieser die Sache falsch und glaubte, der Löwe habe ihn schon. In seiner Angst fing er an zu brüllen. Alle anderen fuhren aus dem Schlafe hoch und brüllten mit, um dann nach den Zelten zu stürzen und beim Europäer Schutz zu suchen. Die Leute waren vom Stamme der Wanjamwesi, deren hervortretende Eigenschaft nicht der Mut ist. Ich lagerte sie im hellen Mondschein um große Feuer und verbot ihnen, falls der Löwe wirklich käme, durcheinander zu laufen und zu schreien. Einmal sah ich einen Löwen durchs Gebüsch schleichen; da sie aber zu mehreren waren und ich immer nur Teile des Körpers sah, schoß ich nicht. Mein Reittiersoldat meldete mir immer: Jetzt kommen zwei Löwen den Weg aufs Lager zu, jetzt schwimmt einer durch den Ruaha usf. Immer kam ich zu spät, um schießen zu können, geschlafen haben wir aber bis zum Morgen nicht mehr. Ununterbrochen brüllten Löwen in nächster Nähe, so daß ich mindestens sechs bis acht Löwen vermutete. Der Nervendruck, der sich unser bemächtigte, löste sich erst bei Anbruch des Tages, wo auch die Löwen verstummten.

Auf dem Weg vom Lager ins Dorf fand ich reichlich Löwenfährten, und als unsere Karawane etwas im Marsch war, kamen[S. 19] wir an ein paar einsamen Hütten vorüber, an deren einer ein mächtiges, noch blutendes Kudugehörn lehnte. Die Bewohner der Hütte erzählten, sechs Löwen hätten in Sicht der Hütte heute nacht das Kudu verzehrt.

Im Dezember 1910 reiste ich wieder einmal am Rikwasee entlang. Ich befand mich auf dem Heimwege nach Langenburg und hatte vier geangelte Marabus (Leptoptilus crumeniferus Less., siehe Abb. 3), junge Wildkatzen (Felis ocreata Gm.), eine Python-Riesenschlange und noch verschiedene andere Tiere zur Bereicherung meines Tierparkes bei mir. Die Tierkarawane bildete die Spitze, da die Käfige mit Inhalt leichter waren als die übrigen Lasten.

Bild

Meine Träger mußten etwa eine Stunde zurück sein, und wir beschlossen, auf die Karawane zu warten. Der Weg war scheußlich. Infolge der Regenzeit war der See ausgetreten, und das Wasser lief bei jedem Schritt von oben in die Stiefel. Ab und zu trat man auch bis an die Hüften ein, wenn ein unsichtbarer Graben den Weg kreuzte. Auf einer vom Wasser nicht bespülten Stelle machten wir Halt. Nachdem ich die Marabus gefüttert und jungen Servals (Felis serval Schreb., s. Abb. 4) Milch gegeben hatte, frühstückte ich. In der Ferne standen drei Leier-Antilopen (Damaliscus jimela Mtsch., Bubalus jacksoni Thos.) [Jacksons Hartebeest]. Meine Leute meinten, die Karawane hätte nur noch wenig Fleisch, ich möchte doch eins schießen. Da ich gar keine Lust hatte, durchs Wasser und den Schlamm mich an die Leier-Antilopen in offener Steppe anzupirschen, fragte ich meinen Fährtensucher Fardjallah, ob er nicht Lust hätte. Einen Jagdschein hatte er, und das Pulver versprach ich ihm[S. 20] zu ersetzen. Es dauerte dann eine Viertelstunde, bis ich den Dampf aus seinem Vorderlader und zugleich die Antilopen unverletzt flüchten sah.

Serval

Um ein Bedürfnis zu verrichten, ging ich dann etwa hundert Schritt abseits von meinen Leuten, da dort einige Grasbüschel zur Deckung standen. Mit einem Schlage verstummte das lebhafte Schwatzen meiner Leute. Als ich aufsehe, kommen zwei Löwen im Trabe direkt auf mich zu. In Eile befestigte ich meine Kleider, und mein Boy Amri springt mir mit dem Gewehr entgegen. Zwanzig Meter von mir entfernt stutzen die Löwen. Es sind ein alter Mähnenlöwe und eine Löwin, beide im allerbesten Futterzustande. Die Mähne des Löwen war fast schwarz, und ebenso befanden sich an den Gelenken der Vorderpranken dichte, lange, tiefdunkle Haarbüschel. Die Löwen hatten wohl den auf mich zueilenden Boy gesehen und schlugen nun einen Haken, um in gewaltigen Fluchten davonzusetzen. Als ich das Gewehr bekam, waren sie schon im hohen Grase. Ich sah nur noch bei jedem Sprung den Rücken und dann Wassergarben über das Gras spritzen, wenn sie den Boden wieder[S. 21] erreichten. Erst nach etwa vierhundert Metern durchquerten sie ein Gelände mit niedrigem Gras und verhofften einen Augenblick. Es war mir zu weit zum Schuß. In Trab fallend, erreichten die Löwen den Wald und entzogen sich meinen Blicken. Merkwürdig war noch, daß die Löwen an einer Zebraherde vorbeikamen und diese gar keine Notiz von ihnen nahm, als sie zwischen ihnen hindurchgingen. Die Zebras scheinen besondere Anzeichen dafür zu haben, ob ein Löwe auf dem Raubzug ist oder sattgefressen seines Weges zieht. Als nach einer halben Stunde Fardjallah zurückkam, hatte er von den Löwen nichts gesehen. Meine Leute behaupteten, nach Fardjallahs Schuß seien die Löwen aus einem Grasgebüsch, das Fardjallah schon durchschritten hatte, aufgesprungen. Sie hätten wahrscheinlich dort geschlafen und seien durch den Schuß geweckt worden.

Sehr viele Löwen sah und hörte ich auch im Kissakidistrikt, wo ich mich von 1912 bis 1914 aufhielt. Hier gab es jedoch kein Vieh, dem die Löwen gefährlich werden konnten, und Menschenfresser hatten sich nicht gezeigt. Es ist eine ganz besondere Art von Löwen, die wir in Afrika als »Menschenfresser« bezeichnen. Vorwiegend sind es alte Löwen, die kein Wild mehr erjagen können und dann bei irgend einer Gelegenheit an den Menschen geraten sind. Es gibt aber auch jüngere Tiere darunter. Haben Löwen einmal gesehen, welch leichte Mühe sie mit den Menschen haben, so halten sie sich an diese Nahrung und werden dann zur Landplage. Ich erinnere mich, daß in »Kambi uleya«, dem ersten Lager hinter Kilossa auf Iringa zu, fortgesetzt Leute geholt wurden. Viermal kam ich durch diesen Ort, und jedesmal waren wieder Träger gefressen worden. Die Karawanenträger, die zwischen Iringa und Kilossa liefen, schlafen meist auf den Veranden der Dorfbewohner, so daß die Löwen leichte Mühe haben. Trotzdem hatte ich jedesmal Not mit meinen Leuten, wenn ich ihnen befahl, sich ein Dornenverhau herzustellen. Es rechnete jeder damit, daß er nicht der Gefressene sein würde, und sie hätten sich lieber der Möglichkeit eines Löwenangriffs ausgesetzt, als daß sie freiwillig zehn Minuten arbeiteten, um jeder drei bis vier Dornenäste abzuhauen, heranzuschleifen und zur gemeinsamen Sicherheit um das Lager zu legen.

Ich sagte vorher, daß in Kissaki die Löwen keine üblen Neigungen zeigten. Aus diesem Grunde empfahl ich den Eingeborenen,[S. 22] die Löwen zu schonen, und ging selbst mit gutem Beispiel voran, indem ich trotz guter sich bietender Gelegenheiten die Löwen unbeschossen ließ. Es gab nämlich ungeheuer viel Wildschweine, die die Kulturflächen schwer schädigten. Durch die zahlreichen Löwen wurden sie einigermaßen in Schach gehalten und von den Feldern verjagt. Die Löwen gaben sich der Schweinejagd so ohne Störung hin, daß sie durch die Dörfer liefen und häufig Leuten, die zur Arbeit gingen oder von der Arbeit zurückkehrten, begegneten, ohne daß übermäßige Scheu auf beiden Seiten hervorgerufen worden wäre.

Eine Angewohnheit der Löwen muß ich noch hervorheben. Sie schleppen häufig ihre Beute fort, ohne sie vorher zu töten. Sobald sich die Beute nicht zur Wehr setzt, fängt der Löwe an einem sicheren Platze an zu fressen. Mir war schon ein Fall von Tanganjika bekannt, wo ein Pater vom Orden der »Weißen Väter« von Löwen geholt wurde und eine Viertelstunde lang um Hilfe schrie, während der Löwe schon an ihm fraß. Ich entrüstete mich damals, als ich hörte, daß ihn keiner der anderen Brüder befreit hatte, kam aber später selbst in eine Lage, wo das Hilfebringen unmöglich war. — Ein Eingeborener war in einem Dorfe in Ussangu, in dem ich gerade lagerte, im Beisein seiner Angehörigen durch einen Löwen vom Feuer weggeholt worden. Sein Schreien klang schauerlich durch die Nacht. Meine Kerzenlaterne gab solch jämmerliches Licht, daß man nur im nächsten Umkreis sah. Schleunigst ließ ich die Dorfbewohner mit brennenden Holzscheiten und Grasfackeln antreten. Deutlich zeigte die Schleifspur im hohen, regennassen Gras den Weg des Löwen. Der fortgeschleppte Mann schrie unaufhörlich. Ich ging vornweg, dann folgte mein Boy, damals noch ein halbes Kind, mit der Laterne, und dann kamen die Leute mit den Feuerbränden.

Als ich schon den Mann, der fortgetragen worden war, in schwachen Umrissen liegen sah, brach der Löwe fauchend auf uns los. Sofort liefen die Leute mit den Grasbränden davon, und ich las mir meine Laterne vom Boden auf, gerade noch, ehe sie verlöschte. Rückwärts schreitend zog ich mich aus dem Gras zurück, denn helfen konnte ich allein nicht, da es stockfinster war und ich nicht weiter als zwei Meter mit meiner schlechten Laterne sehen konnte. Ich holte die Leute wieder heran und machte ihnen klar, daß, wenn alle mitkämen, der Löwe sich sicher zurückziehen würde. Außerdem könnte ich schießen, wenn ich über den Rücken her Licht bekäme.[S. 23] Der geschlagene Mann wimmerte und stieß ab und zu laute Schreie aus. Kaum war ich wieder in seiner Nähe, rohrte der Löwe auf, und ich stand wieder allein. Als auch der dritte Versuch scheiterte, mußte ich's aufgeben, den Mann zu retten, auch gab der Mann keinen Laut mehr von sich. Am nächsten Morgen fanden wir den Leichnam unversehrt bis auf abgerissenes Fleisch an Waden und Oberschenkel. Keine einzige Verletzung war am übrigen Körper zu entdecken, so daß der Löwe ihn lebend angefressen hatte.

Es ist dies eigentümlich für den Löwen im Gegensatz zu dem Leoparden, der, wenn er in einen Stall eingedrungen ist, so lange herumbeißt und Prankenschläge austeilt, bis sich nichts mehr rührt.

Leoparden (Felis pardus nimr H. E.).

Viel seltener als den Löwen bekommt man den Leoparden (Abb. 5) in freier Wildbahn zu Gesicht. Mir war es sehr selten vergönnt, einem zu begegnen, und wenn es geschah, so war die Begegnung so flüchtig, daß ich meist nicht zum Schuß kam. Im Hochgebirge traf ich am Tage einige Male auf Leoparden. Sie waren aber so rasch im Gebüsch verschwunden, daß ich kaum die Gestalt ordentlich mit dem Auge erfassen konnte.

Einmal, als ich nur mit dem Stock in der Hand meiner Karawane vorauslief — es war in Unyika am Mloboflusse — sah ich erst ein Paar Wildenten im Wasser und dann auf einem überhängenden Stamme am anderen Ufer einen Leoparden liegen, der die Wildenten scharf beobachtete. Es war gegen ein Uhr nachmittags. Wahrgenommen hatte mich der Leopard, denn ich bemerkte deutlich, wie die Spitze seines Schwanzes zitterte, sonst lag er bewegungslos. Ganz langsam drehte ich mich halb zurück, den Leoparden nicht aus dem Auge lassend, um meinen Boy, wenn er sichtbar werden sollte, gleich zuwinken zu können, daß er mir das Gewehr vorsichtig bringe. Einige Zeit hatte ich so gestanden. Gegen die Enten war ich gedeckt, und der Leopard blieb auf seinem Platze. Da sehe ich meinen Boy stehen. Er hat mich bemerkt und beobachtet, daß irgend etwas los war. Vorsichtig kommt er näher. Als er fast bei mir ist, macht der Leopard einen gewaltigen Satz über den Fluß weg an das Ufer, wo ich stand, landete im hohen Grase und war verschwunden.

[S. 24]

Ab und zu traf ich Leoparden im Gras, wenn ich auf anderes Wild pirschte. Ein scharfes Krallen an der Rinde eines Baumes ließ mich aufsehen, und der Leopard hockte am Stamm etwa wie eine Hauskatze, die im ersten Sprung vor Hunden flüchtet. Schneller als es sich beschreiben läßt, war der Leopard wieder im Gras verschwunden. Manchmal fand ich dann unter solchem Baum ein gerissenes Schwein, oft war der Leopard wohl noch selbst auf der Jagd und wollte nur Ausblick haben.

Einen wunderschönen Anblick hatte ich in der Nähe der Ortschaft Mbuiga (Mgunda) zwischen Kissaki und Kidoti. Ich pirschte in einer dicht mit Schilf bewachsenen Niederung auf Büffel. Als ich die Niederung umschreite, um am Rande zu lesen, ob Büffel in das Schilf eingewechselt wären, höre ich plötzlich links von mir einen lauten Ton. Es konnte ein wilder Hund, ein Buschbock gewesen sein, möglicherweise auch ein Elefant, genau ließ sich der Ton nicht einer bestimmten Tierart zuschreiben. Mein Begleiter und ich stehen still. Einen Mann lasse ich auf einen Baum klettern, um zu sehen, ob etwa Elefanten im Schilf wären, da ich auf diese am ehesten schloß. Nichts konnte der Mann sehen. Plötzlich sagt einer meiner Begleiter: »Ein Leopard!« Ich sah mich um und brachte die Sache gar nicht mit dem vorher gehörten Ton in Zusammenhang. Da zeigen alle Leute auf einen etwa dreißig Meter über das Schilf herausragenden Baum, der zurzeit blattlos war, und nun entdeckte ich auch den Leoparden auf der äußersten Spitze eines Astes, in den dürrsten Zweigen zur Kugel geballt, liegen. Er war von mir etwa hundert Meter entfernt. Schießen wollte ich auf keinen Fall, da Büffel das begehrte Ziel waren. Trotz der nicht sehr großen Entfernung und trotzdem der Leopard so ganz frei sichtbar auf dem kahlen Baum saß, hätte ihm wohl kaum einer von uns Beachtung geschenkt. Er sah so der Umgebung angepaßt aus, daß man bei oberflächlichem Sehen weit mehr auf einen Raubvogelhorst im dünnen Gezweig geschlossen hätte.

Rasch hatte ich mein Glas zur Hand. Der Leopard mußte unsere Beobachtung bemerkt haben. Er richtete sich auf, lief vorsichtig über das schwankende Gezweig, dann schnürte[3] er auf einem dickeren Ast bis zur ersten Gabelung des Baumes, machte noch einige[S. 25] schnelle Schritte den Stamm hinunter und war dann mit mächtigem Satze im Schilf verschwunden.

Leopard

Wenn man sich in einer Gegend befindet, wo es Hundsaffen, Meerkatzen und braunrückige Paviane gibt, und diese sind in Deutsch-Ostafrika fast überall, wo Wald und Wasser zu finden ist, so wird der Leopard fast immer von den Affen gemeldet. Er ist ihr schlimmster Feind, und sie folgen seinem Weg auf dem Boden oben im Gezweig unter fortwährendem lautem Geschrei. Durch Affen aufmerksam gemacht, schoß ich meinen ersten Leoparden. Der ganze Wald hallte von dem Geschrei der Affen — es waren Hundsaffen (Cynocephalus (Papio) langheldi Mtsch. (?) oder Papio cynocephalus L. (?) C. ibeanus Thos.) —, die in einer Richtung weiterzogen. Ich schritt zu den Affen parallel vorwärts, bis ich an eine Stelle kam, wo es kein Unterholz und infolge dichten Blätterdachs nur spärlichen Graswuchs gab. Eine ganze Zeit stand ich hier unter einem Baum in Deckung, ohne etwas zu sehen. Plötzlich stand der Leopard mitten auf der kahlen Stelle. Er äugte zu mir herüber, nahm mich aber nicht wahr. Als er seinen Kopf in entgegengesetzter Richtung bewegte, strich ich am Stamme[S. 26] an und kam aufs Blatt ab. Ein fauchendes Miauen, dann ein plötzliches Wenden, und er war dort verschwunden, wo er hergekommen war. Hunde hatte ich nicht bei mir. Ich nahm zwar an, daß ich gut getroffen hatte, wollte aber lieber noch einige Zeit warten, ehe ich ihm nachging. Meine farbigen Begleiter wollten mich ganz davon abhalten, weil ein kranker Leopard »furchtbar böse« sei.

Die Affen tobten inzwischen auf derselben Stelle weiter, der Leopard mußte also noch dort stehen, wo er eingewechselt war. Um ihm Zeit zu geben, drehte ich mir eine Zigarette, die ich bis zu Ende rauchte. Nun ging ich Schritt für Schritt, die Umgebung abspähend, weiter, zunächst zum Anschuß. Ich fand vereinzelte Schnitthaare und dann große Spritzer Schweiß. Zwei Meter davon entfernt fand ich einen ganzen Klumpen Haare, an dem noch Haut festsaß, also der Ausschuß. Nun war mir nicht mehr bange. Zwei Schritt brauchte ich nur ins Gebüsch einzutreten, da schimmerte es mir schwarz-weiß entgegen. Der Leopard lag auf dem Rücken und war schon verendet, wie die verglasten Lichter (Augen) zeigten. Obwohl ich gern den ganzen Leoparden mitgenommen hätte, um ihn zu photographieren, war es doch im Hinblick auf meine beiden nicht sehr kräftigen Begleiter besser, ich schlug ihn an Ort und Stelle aus der Decke und nahm nur diese und den Schädel mit. Es war ein prächtiger alter Kater und der Fang (das Gebiß des Raubzeugs und der Hunde) ganz vollständig. Groß war meine Freude, und mit Sorgfalt weichte ich zu Hause die Decke persönlich in gesättigte Salz- und Alaunlösung ein, knetete sie eine halbe Stunde lang durch und hing sie zum Trocknen auf.

Später, als ich eine große Hundemeute hatte, wurde es mir leichter, Leoparden zu erlegen. Mit meinen Hunden hatte ich insofern Glück gehabt, als die Stammeltern, zwei blutsfremde deutsche Doggen, sehr schneidige Tiere waren. Der Nachwuchs lernte es ohne mein Zutun, mit System, d. h. mit gegenseitiger Unterstützung, zu hetzen und wehrhaftes Raubwild zu stellen.

Wurde mir aus einem Dorfe gemeldet, daß die Leoparden dreist würden und Hunde und Ziegen holten, so brach ich, wenn ich Zeit hatte oder es sich sonst mit meinen Obliegenheiten vereinigen ließ, mit meinen Hunden auf und bezog in dem Dorf Lager.

Nachts verbellten dann meine Hunde den Leoparden. Meine Träger kannten den Rummel schon. Rasch hatte jeder ein paar[S. 27] ordentliche Hände voll trocknes Gras aus den Dächern der Hütten gezogen und sie als Fackeln angebrannt. Kamen wir zu den Hunden, so hatten diese den Leoparden zum Aufbäumen gezwungen, und ich schoß, indem ich einen Mann mit seiner Fackel hinter mich treten ließ. Nach dem Schuß stand ich zwar stets im Finstern, denn die Fackelträger waren ausgerückt. Es schadete aber nichts, denn wenn der Leopard nicht tödlich getroffen war, was bei der nächtlichen Schießerei häufig vorkam, so beschäftigten sich sofort die Hunde mit ihm und hatten ihn, falls er noch konnte, sofort wieder auf einen Baum getrieben. Selten verlor ich dabei einen Hund. Größere Wunden durch Prankenschläge nähte ich, worauf rasch Heilung eintrat. Übler waren kleinere Wunden, wo die Krallen eingeschlagen worden waren und nur ein kleines Stückchen Fleisch heraushing. Diese Wunden heilten äußerlich rasch zu, innen bildete sich aber meist ein langwieriger Eiterprozeß und Zellgewebsentzündung.

Ganz übel benehmen sich Leoparden, wenn es ihnen gelingt, in einen Ziegenstall oder Kral einzubrechen. Solange noch eine Ziege am Leben ist, wird gemordet. Es kommt vor, daß ein Leopard 30-50 Ziegen tötet und keine davon frißt. Die Dreistigkeit der Leoparden ist außerordentlich groß. Ziegen werden am Tage vor den Augen der Hirten, Hunde vor den Türen weggefangen. Dabei läßt der Leopard seinen Raub nicht oder nur sehr schwer im Stich, wenn er auch sofort angegriffen wird. Als Beispiel der Dreistigkeit erwähne ich folgendes kleine Erlebnis.

Auf dem Tanganjikaplateau hatte ich einen Europäer getroffen. Da wir gut bekannt waren, stellten wir unsere Zelte zusammen und brachten in dem einen die Betten unter, während uns das zweite als Eßzimmer diente. Vor dem Abendbrot saßen wir beide auf einem Bett, und mein Bekannter spielte Ziehharmonika. Plötzlich gab es während des Spiels lautes Geheul von meines Bekannten Foxterrier, der unter dem Bett geschlafen hatte. Das Bett wurde unter uns hochgehoben, und ehe wir zur Besinnung kamen, sprang ein Leopard mit dem Terrier zum Zelt hinaus. Draußen war es dunkel, und wir konnten nichts gegen den Leoparden tun. Der Hund war sowieso verloren.

Am nächsten Morgen brachten Eingeborene den angefressenen Hund und behaupteten, der Leopard säße unweit unseres Lagers[S. 28] in einem Gebüsch dürren Grases, das beim letzten Steppenbrand noch zu grün gewesen wäre und deshalb stehen geblieben sei.

Wir besahen uns die Lage. Der Grasfleck war nur etwa drei Hektar groß, aber brennen wollte das Gras von 1,20 Meter Höhe auch heute noch nicht. Es blieb also nur die Möglichkeit eines Durchtriebes. Was wir an Eingeborenen auftreiben konnten, machten wir als Treiber mobil. Zwischen je 10 Mann stellten wir einen Soldaten. Schießen wollten nur wir Europäer, damit kein Unglück geschah. Ich stand auf jener Seite, wo wir vermuteten, daß der Leopard herauskäme, mein Bekannter ging mit den Treibern. Nachdem mehr als die Hälfte des Grases durchgetrieben war, schoß mein Bekannter zum ersten Male, wie er mir zurief, »daneben«. Gleich darauf sprang der Leopard einen Soldaten an, und zwar so, daß er seine Hinterpranken dem Mann in die Oberschenkel schlug und mit den Vorderpranken Lappen in die Kopfhaut riß. Der Mann fiel natürlich hintenüber, aber ehe er lag, war der Leopard schon wieder zurück ins Gras gesprungen. Dieses Manöver wiederholte der Leopard mehrere Male und stets so unverhofft und blitzschnell, daß die mit Stöcken zuspringenden anderen Treiber nicht dazukamen, einen Schlag zu führen. Wir hatten insgesamt sieben Verwundete mit mehr oder minder schweren Verletzungen.

Nur ein ganz schmaler Grasstreifen deckte den Leoparden noch, und ich hoffte, daß er jeden Augenblick flüchten und mir Gelegenheit zum Schusse geben würde. Statt dessen versuchte er immer wieder, die Treiberlinie zu durchbrechen. Jetzt schoß Herr H. zum zweiten Male, und das gleich darauf einsetzende Freudengeheul der Treiber verkündete mir, daß der Schuß tödlich war. Der Leopard hatte die Kugel spitz von vorn erhalten, und sie war durch den ganzen Körper gegangen mit dem Ausschuß neben dem Weidloch (After).

Bei genauerer Betrachtung des toten Leoparden wurde uns auch klar, warum er bei seinem Anspringen der Treiber niemals den Fang gebrauchte. H.s erster Schuß hatte ihm beide Kaumuskeln und die Pfannen der Unterkiefer durchschlagen. Lange haben übrigens unsere Verletzten an ihren Wunden nicht laboriert, sie hatten ausnahmsweise gesundes Blut, was man von den wenigsten Negern behaupten kann.

[S. 29]

In eine recht mißliche Lage brachte mich ein Leopard im August 1908 in Ilongo in Ussangu. Zur Reparatur einer Baumwollspinnerei wohnte ein ehemaliger Fremdenlegionär B. bei mir, der früher Techniker war. Als wir nachts die Löwen brüllen hörten, erzählte er mir, er hätte im Atlas schon Löwen geschossen, und fragte dann, ob ich ihm nicht zu einem Löwen verhelfen könnte, er möchte gern ein Fell als Waffenschmuck haben. Ich stand kurz vor einer Europareise, um mich von einem Gelenkrheumatismus zu erholen, den ich mir im letzten Negeraufstand zugezogen hatte. Vier Monate hatte ich festgelegen, und seit zwei Monaten konnte ich wieder langsam gehen, war also mehr als klapprig, so daß ich eine Suche auf Löwen nicht wagen konnte.

Um B. aber eine Freude zu machen, da er mir die Maschinen rasch und gut in Ordnung brachte und auch ein sächsischer Landsmann von mir war, ließ ich einen Selbstschuß herstellen.

Nach dem Rezept meines Freundes L., eines Schweden, der schon mit Livingstone Afrika durchquert hatte und damals als Zivilkommissionär in Rhodesia amtierte, baute ich eine Schußfalle, die fast nie versagt und in die das Raubwild — und wäre es noch so schlau — leicht hineintappt. L.s System bestand in einem auf zwei eingegrabenen Astgabeln wagrecht gebundenen Gewehr in Blatthöhe über der Erde. Ein dünner, aber fester Bindfaden wird am Abzug befestigt, durch die untere Gewehrriemenöse gezogen, am Gewehr entlang geführt und dann quer über den Weg gespannt, den das Raubwild mutmaßlich durchquert. Man darf den Faden nicht zu fest spannen, da der nächtliche Tau ein Nachspannen besorgt. Mit der Hand drückt man dann den Faden in der Richtung des mutmaßlich vorbeikommenden Tieres. Wird das Gewehr ausgelöst, wenn man den Faden etwa 40 Zentimeter aus seiner Ruhe drückt, so ist die Aufstellung richtig, und man kann die Patrone einschieben.

Über den Weg führen wollte ich den Selbstschuß nicht. Ich benützte für solche Fälle immer ein ausrangiertes Gewehr Mod. 71, und ein solches Geschoß können des Weges kommende Negerbeine nicht gut vertragen. Ein eingeschlagener Pfahl, an den ich ein zwei Monate altes Kalb band, war das Zentrum eines dreiviertel geschlossenen Kreises aus Dornenästen. Quer über die Öffnung war dann das Gewehr gerichtet und der Fadenabzug gespannt. Um das Kalb noch besser zu schützen, ließ ich noch eine Reihe Pfähle mit[S. 30] handbreitem Abstand quer durch den Dornenkreis rammen, so daß der Löwe das Kalb bequem vom Eingang her sehen konnte. Damit er gezwungen war, den Eingang gehend und nicht springend zu durchschreiten, hing ich einige kleine Dornenäste an einer Stange in 1,20 Meter Höhe über den Eingang.

Der Löwe mußte dann den eigentlich nie beachteten Faden mit der Brust abziehen; nahm er ihn doch wahr und versuchte, darunter wegzukriechen, so spannte der daruntergezwängte Rücken den Faden bis zur Lösung des Schusses. Die Hauptsache war, daß das Gewehr richtig eingestellt wurde; dann mußte der Löwe mit Blattschuß liegen. Es geschah nie, daß Löwe oder Leopard bei dieser Art Selbstschuß weiter als zehn Schritt von der Falle verendet lagen. Nur zweimal gerieten mir Servale hinein, die infolge geringerer Körpergröße den Schuß auslösten, ohne getroffen zu werden. Die Hauptsache ist, daß man bei längerem Aufstellen täglich ein anderes Kalb nimmt, das die ganze Nacht infolge der ungewohnten Umgebung nach der Mutter blökt und dadurch die Aufmerksamkeit des Raubwildes auf sich lenkt. Ein zum zweiten Male benütztes Kalb ist die Sache gewöhnt und rührt sich nicht. Vorteilhaft ist es auch, die Falle in Hörweite des Dorfes aufzustellen, in dem die Kuh im Stall steht. Es entwickelt sich dann zwischen Kalb und Kuh ein fortwährendes Blöken, das das Raubwild leicht anlockt.

Nach Einbruch der Dunkelheit erwarteten wir ständig den Selbstschuß zu hören, denn die Löwen brüllten ganz in der Nähe. Wir hatten uns verrechnet, auch die Nacht hindurch fiel der Schuß nicht. In solchem Falle hätten wir gleich hingemußt, da sonst ein zweiter Löwe an das Kalb gekonnt hätte. Am nächsten Morgen, als ich gerade fortgehen wollte, das Gewehr zu entladen, und nur noch auf den Eigentümer des Kalbes wartete, damit es losgebunden wurde und wieder zur Mutter kam, fiel der Schuß. Ein wildes Aufrohren sagte mir, daß ein Löwe getroffen war.

B., ich und zwei Neger machten uns auf den Weg. Als wir unterwegs waren, bemerkte ich, daß sich meine beste und schönste Hündin Lady mitsamt der Kette losgemacht hatte und mir folgte. Ich drohte ihr, sie solle zurückkehren, sie legte sich aber nur und kroch dann mit schlechtem Gewissen hinter mir her. Nun tat sie mir leid, und die Erziehungsgrundsätze vergessend, winkte ich ihr und nahm ihr die Kette ab.

[S. 31]

Mit schußbereitem Gewehr näherten wir uns nun der Falle. Doch nichts Gelbes war zu sehen. Sollte der Löwe entkommen sein? Nun näherte ich mich dem Eingang des Dornenkreises. Da lag statt des erwarteten Löwen ein recht starker Leopard zwischen Abzug und den das Kalb sichernden Pfählen. Der Schweiß tropfte noch aus dem Ausschuß am Hals, tot war er noch nicht. Als er mich sah, zog er die Lefzen hoch und ließ die Zähne sehen. Vier Meter stand ich von ihm entfernt. Ich legte an, um ihm den Fangschuß zu geben — Versager! noch einer und noch einer. Jetzt zog der Leopard die Muskeln zum Sprung an. Mit meinen noch vom Rheuma gelähmten Hüften konnte ich nicht zurückspringen, da landete er auch schon direkt vor mir, volle Kraft hatte er nicht mehr zum Sprunge gehabt.

B., der zehn Meter davon entfernt stand, rief ich zu, doch zu schießen, er tat es nicht. Im Augenblick des Landens sprang meine Hündin Lady vor und packte unglücklicherweise den Leoparden am Oberkiefer. Beide Tiere bissen zu, es krachte und knirschte. Diesmal ging zum Glück der Schuß aus meinem Gewehr, und der Leopard verendete. Mit einem Standhauer hebelte ich dem Leoparden den Fang auf, um meine Hündin loszubekommen. Anfangs glaubte ich, nur der eine Fangzahn hätte Zunge und Weichteile des Unterkiefers durchbohrt, leider mußte ich mich aber bald überzeugen, daß der Unterkiefer in der Naht gebrochen war. B. stand bleich wie eine Wand und zitternd dabei, so daß ich ihm auf den Kopf zusagte, er hätte noch keinen Löwen geschossen; er gestand dann, er wäre nur mit dabei gewesen, wie ein französischer Offizier der Legion Löwen geschossen hätte. Ich hoffte, Lady durchzubringen, und band die Kieferhälften fest. Alles heilte auch sehr schön. Nach vier Wochen ging ich aber nach Europa und gab sie bei einem befreundeten Missionar in Pension. Trotz meiner Anweisung, ihr nur breiige Nahrung zu geben und sie nicht von der Kette zu lassen, damit sie keine Knochen aufnehmen könnte, scheint dagegen gefehlt worden zu sein. Kaum in Deutschland angekommen, erhielt ich einen Brief, der mir meldete, Ladys Kiefer wäre wieder gebrochen, hätte dann geeitert, und sie wäre zu ihren Vätern versammelt. Selten habe ich so um einen Hund getrauert, als wie um dieses treue, schöne Tier.

[S. 32]

Gefleckte Hyänen (Hyaena crocuta Erxl).

Widerliche Gesellen! Diese Empfindung hat jeder unwillkürlich, wenn er mit Hyänen in Berührung kommt. Der dicke Kopf und Nacken mit daranschließendem, stark abfallendem Rücken machen das Tier unschön. Der wiegende Gang nimmt von dieser Vorstellung nichts. Hört man nun gar nachts das Heulen und Lachen der Hyänen, so ist die dauernde Abneigung besiegelt (Abb. 6).

Ahnungslos liegt der Neuling im Lande in seinem Zelt und ist bestürzt, wenn am nächsten Morgen der Sattel oder die Schuhe fehlen. Froh muß er sein, wenn er sie in stark beschädigtem Zustande wiederfindet. Nicht nur Leder, sondern auch Stoffe, die durch Körperausdünstung menschlichen Geruch angenommen haben, sind vor Hyänen nicht sicher. So wurden mehrfach Boten der Relaispost, die im Innern Afrikas, wo es an anderen Verbindungen fehlt, die Briefpost befördern, nachts die Postsäcke verschleppt und häufig nicht wieder gefunden. Der Geruch, der den Säcken durch das Tragen auf dem schwitzenden Negerkopf anhaftet, genügt, um sie Hyänen begehrenswert erscheinen zu lassen.

Hyänen zeigen eine unglaubliche Dreistigkeit. So saß ich eines Abends, ehe die Dunkelheit völlig hereingebrochen war, mit einem anderen Europäer vor dem Zelt im langen Stuhl. Die Unterhaltung war ins Stocken geraten, und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Mit einem leichten Aufschrei fährt mein Gegenüber hoch, und ich sehe eine gefleckte Hyäne sich im Trabe entfernen. Sie hatte den Betreffenden in die schlaff herabhängende Hand gebissen. Obwohl die Wunden nur in einigen Hautabschürfungen bestanden, eiterten sie doch längere Zeit.

In Unyika bezog ich ein neuerbautes Lehmhaus, ehe noch die Türen fertiggestellt waren. Eines Morgens machte mich der weckende Boy darauf aufmerksam, daß Hyänen nachts im Hause gewesen wären. Auf dem noch nicht gestampften und zurzeit staubigen Fußboden zeigten sich deutlich die Fährten von einer oder mehreren Hyänen, die mich auch längere Zeit im Schlafe beobachtet haben mußten, denn die Spuren um die zwei freistehenden Seiten meines Feldbettes waren besonders zahlreich.

Gestreifte Hyänen sind verhältnismäßig selten, dagegen ist die gefleckte Hyäne, die größer und stärker ist, bis auf die Hochgebirge,[S. 33] überall vertreten. Hyänen sind keineswegs nur Aasvertilger. Lämmer und Kälber holen sie sich ziemlich häufig zum Schmaus. Vor erwachsenen Menschen ergreifen Hyänen regelmäßig die Flucht, hingegen sind Kinder vor ihnen nicht sicher. Als ich im Januar 1902 durch den Ort Lindi kam, erzählten mir die dort wirkenden Benediktiner-Mönche, daß gefleckte Hyänen in wiederholten Fällen fünf- bis siebenjährige Eingeborenenkinder von den Veranden ihrer Hütten geholt und verspeist hätten.

Hyänen

Zum Schuß auf Hyänen gelangte ich verhältnismäßig selten. Nur in ganz menschenleeren Steppen läuft die Hyäne in den Tagesstunden, wo die Sonne nicht heiß scheint. In bewohnten Gegenden ist sie ausschließlich Nachttier. Ihr Witterungsvermögen ist außerordentlich stark. Stets, wenn ich geschossenes Wildbret im Lager hatte, war schon gegen 6 Uhr abends das sich nähernde Geheul zu vernehmen.

Im Dezember 1903 lagerte ich mehrere Tage beim Sultan Mkoma in Unyamanga. Zu dieser Zeit besaß ich an Hunden nur[S. 34] drei Foxterriers. In der zweiten Nacht erschienen die Hyänen so aufdringlich, daß ich kaum schlafen konnte. Die Terriers kläfften ununterbrochen, und wenn ich einen Blick aus dem Zelt in die mondhelle Nacht hinauswarf, sah ich, wie entweder die Terriers hinter Hyänen, oder diese hinter den Terriers herjagten. Die Hyänen schienen dieses Jagen als Gesellschaftsspiel zu betrachten, denn ernstlich gingen sie den kleinen Hunden nicht zu Leibe, sonst wären diese rasch geliefert gewesen. Die Jagd ging ums Zelt, über die schlafenden Träger hinweg und um die verglimmenden Lagerfeuer herum. Nachdem ich eine Hyäne geschossen hatte, trieben sie ihr Spiel zwar bis zum Morgen weiter, verschwanden jedoch sofort im hohen Gras, sobald sie mich wahrnahmen.

Aus Ärger über die gestörte Nachtruhe beschloß ich, Rache zu nehmen. Da ich mir sagte, daß die Hyänen den Tod durch eine ehrliche Kugel nicht wert seien, ließ ich meine Doppelfeder »Löwenfalle« in Tätigkeit treten. Diese führte eigentlich ihren Namen zu Unrecht. Anfangs, als es mir nicht gelingen wollte, Löwen in freier Wildbahn zu sichten, stellte ich eifrig meine Löwenfalle auf, sobald sich Löwen irgendwo bemerkbar gemacht hatten. Obwohl ich in meiner Jugend auf Iltis, Marder und Fuchs ein guter Fallensteller war, ging mir niemals ein Löwe in die gut verblendete Falle. Nach einjährigem Gebrauch fing ich damit statt des Löwen einen Hasen, dann noch einen, dem drei Bügeldornen durch die Löffel gegangen waren. Sonst blieb dieses in Afrika nicht sehr häufige Wild, das etwa die Größe eines wilden Karnickels hat, unversehrt am Leben.

Mehrfach hatte ich gelesen, daß Hyänen infolge ihrer feinen Witterung nur sehr schwer in die Falle gehen. Deshalb versuchte ich ein neues Verfahren.

Von einem Ast ließ ich 1-1/2 Meter über dem Boden eine in Zersetzung übergegangene Ziegenkeule herunterhängen und stellte das Eisen ganz frei darunter, ohne es irgendwie zu bedecken oder einzugraben. Dabei rechnete ich, daß sich nähernde Hyänen nach Umkreisung des weitduftenden Schlegels mit erhobener Nase nähern und danach springen würden. Beim Landen müßten sie dann mit den Läufen die Falle zum Abzug bringen.

Meine Mutmaßung erwies sich als richtig. Eine Stunde nach dem ersten Aufstellen war eine Hyäne im Eisen. Mit einer Kugel[S. 35] machte ich ihr ein Ende. Dann unterwies ich einen intelligenten Neger, wie er den Schraubenschlüssel zur Federspannung handhaben müßte, und legte mich schlafen. Meine Terriers hatte ich am Bett angekettet, damit sie mir nicht ins Eisen gingen, und das nächtliche Gekläff unterblieb. Am Morgen waren im ganzen sieben Hyänen zur Strecke gebracht, sechs Stück hatte der Fallenstellende mit Speer und Knüppel erledigt. Bei sämtlichen Hyänen war das Gebiß stark beschädigt, fast alle Zähne waren durch heftiges Beißen ins Eisen ausgebrochen. Die Falle selbst war von einer Hyäne verschleppt. Da der Anker der Falle eine starke Schleifspur hinterließ, fanden wir sie nach zehn Minuten — ohne Hyäne. Der Anker war an einer Wurzel haften geblieben, und die Hyäne hatte so stark mit ihr herumgearbeitet, daß der eine Bügel mit der Niete ausgesprungen war. Andere Jäger bestätigten mir, daß weder Löwe noch Leopard die Fallen so beschädigten wie Hyänen. Das Ausbeißen sämtlicher Zähne soll bei Hyänen typisch sein, während es bei Löwen oder Leoparden als seltene Ausnahme gilt. Ich selbst konnte keine Vergleiche darüber anstellen, da ich mit meiner Falle keine Löwen oder Leoparden fing. Offen gestanden behagt mir auch die Art, mit der Falle zu fangen, nicht recht. Selbstverständlich lasse ich Fälle gelten, wo es sich darum handelt, gefährliche oder schädliche Tiere, die man beseitigen muß und deren man sonst nur schwer habhaft werden kann, zu vernichten. Sonst kommt mir die Fallenjagd nicht recht weidmännisch vor. Wenn es durchaus sein muß, so ziehe ich eher den Selbstschuß vor, den ich bei den Leoparden näher beschrieben habe. Aber auch da empfinde ich immer ein etwas fades Gefühl, im Gegensatz zu der stolzen Befriedigung, die man beim Erfolg seiner geschickt gehandhabten Büchse am erlegten Wild hat.

Schabrackenschakale (Canis [Lupulella] mesomelas Schreb).

Wenn ich im Livingstone-Gebirge (Deutsch-Ostafrika) gegen vier Uhr nachmittags unweit meiner Wohnung einen Spaziergang machte, traf ich stets mehrere Schakale (Abb. 7) an, die auf der Mäusejagd waren. Nur die Farbe unterscheidet sie von ihrem deutschen Vetter, dem Fuchs. Zierlich und graziös sind ihre Bewegungen, und klug ist der Ausdruck, wenn sie einen Menschen eräugend verhoffen. Ihre ganze[S. 36] Lebensweise ist die des Fuchses. Nur bleibt die Zahl ihrer Welpen (Jungen) etwas hinter diesen zurück. Mehr als vier Stück habe ich nie im Bau gefunden.

Reizende Bilder sah ich am Schluß der Regenzeit, wenn in den Abendstunden die geflügelten Termiten aus der Erde aufstiegen und Schakale sie in tollen Sprüngen aus der Luft fingen.

Äußerst schlau sucht die Fehe (Füchsin) den Bau mit Jungen zu verbergen. Überrascht man sie, wenn sie gerade mit einem Huhn im Fang heimkehren will, so zeigt sie sich recht auffallend und absichtlich, um dann, wenn sie über die nächste Anhöhe wechselte, in das Tal hinabzuschnüren und unter dem höheren Gras der Talsohle in entgegengesetzter Richtung davonzulaufen.

Dreist treiben sich die Schakale in der Nähe der Wohnungen herum. Viele schoß ich auf meiner zu ebener Erde gelegenen Veranda, und häufig retteten sich Schakale vor meinen Hunden ins Zimmer.

Hatten sie es einmal zu stark auf meine Hühnerbestände abgesehen, so fing ich einige in einem Tellereisen weg. Ich benutzte dazu die Tage, wo ich ein Rind geschlachtet hatte, da dieser Duft für Schakalnasen die ganze Gegend durchzieht.

Um den Geruchskreis zu erweitern, setzte ich mich aufs Pferd und ritt mit einigen Därmen eine Schleife, die ich bis auf ein Loch in meinem Zaun ausdehnte. Hier zog ich die Därme hindurch und ließ sie dann im Hofe liegen. In das Loch im Zaun stellte ich dann ohne Verblendung und ohne auf Witterung Rücksicht zu nehmen, ein Tellereisen. Sechs bis acht Schakale fing ich dann bis zwölf Uhr nachts, ohne daß sie das eine verwendete Eisen, in dem ihre Vorgänger verendet waren, mieden.

Trotz solcher Unvorsichtigkeit spielt der Schakal in den Erzählungen der Eingeborenen die gleiche schlaue Rolle, wie der Fuchs in unserer Fabel.

In der Aufstandszeit 1905 hielt ich zwei zahme Schakale, die sich immer frei herumtrieben und auf einen Pfiff mit meinen Hunden zugleich im Eiltempo erschienen. Auch auf Reisen und Spaziergängen begleiteten sie mich. Da sie aber immer abseits vom Wege herumstrolchten und mir nicht wie wohlerzogene Hunde auf der Ferse folgten, sondern plötzlich bei mir auftauchten und sich, Liebkosungen heischend, vor mir auf der Erde kollerten, brachten sie[S. 37] mich bei den Eingeborenen in den Ruf eines Zauberers. Ich hatte die Leute öfter verblüfft, wenn ich pfiff und meine beiden grauen Kerlchen angeschossen kamen. Nun stand es fest. Ich hatte Menschen in Schakale verwandelt, die mir alle Nachrichten zutrugen. Da es meinem Ansehen nur nützte, ließ ich die Eingeborenen ruhig bei ihrem Glauben.

Schakal

Auf meinen Zügen gegen die Rebellen konnte ich sie jedoch nicht mitnehmen und gab sie deshalb in Pension. Sie hatten sich da angewöhnt, den Glucken die Kücken wegzufangen, und waren auch, wenn man sie angriff, so bissig geworden, daß ich sie erschießen mußte.

Später, im Jahre 1909, kaufte ich von Eingeborenen einen etwa vierzehn Tage alten Schakal. Dieses liebe kleine Ding schlief stets in einem Hausschuh meiner Frau und blieb auch als erwachsenes Tier zu uns äußerst zärtlich und vertrug sich gut mit meinen Hunden und Hundsaffen. Meine Boys, wie Neger überhaupt, konnte er dagegen nicht ausstehen, vielleicht war er von ihnen heimlich geschlagen worden. »Peterle«, so hieß das Kerlchen, biß die Boys, selbst wenn sie ihm das Futter brachten, von mir hingegen ließ er[S. 38] sich die schönsten Knochen weit hinten aus dem Fang holen. In seiner »Lausbubenzeit« hat er mir allerdings auch einige junge Hühner und Tauben weggefangen, jedenfalls aber nicht mehr, als dies meine jungen Schäferhunde taten, solange sie noch nicht erzogen und unbeobachtet waren.

»Peterle« ließ sich leicht erziehen und wurde bei strafenden Klapsen nicht bösartig, sondern bemühte sich, durch schmeichelndes Herumrollen auf dem Rücken die Sache wieder gutzumachen. Leider fand Peterle ein tragisches Ende. Da er frei herumlief, hielt ihn ein Europäer für einen wilden Schakal und schoß ihn tot.

Merkwürdig ist, daß zahme Schakale nicht wieder mit ihren wilden Genossen Fühlung nehmen. Mehrmals habe ich beobachtet, wie die meinigen wütend auf solche losfuhren und sie in die Flucht schlugen.

Vielfach wird von Europäern die Behauptung aufgestellt, daß die Schakale die getreuen Begleiter des Löwen wären. Es kommt wohl vor, daß Schakale ab und zu an den in Verwesung übergehenden Resten der Beute eines Löwen fressen, es ist dies aber keine Regel. Jedenfalls kann man, wie das vielfach von Eingeborenen erzählt wird, niemals darauf schließen, daß Löwen in der Nähe wären, wenn Schakale heulen. Ich bestreite nach eigener sorgfältiger Beobachtung, daß beide Tierarten in Gemeinschaft leben.

Der Ursprung solcher Mitteilungen ist mir aber sehr erklärlich. Der Neger hat einen großen Fabelschatz, weit größer, als wir ihn in »Reineke Fuchs« haben, und darin spielt der Schakal die Rolle unseres Reineke.

Der nur einige Monate im Lande lebende Europäer kann bei den Negererzählungen nicht unterscheiden, ob er Wahrheit oder Märchen erzählt bekommt, zumal ihm die Erzählungen meist durch seinen Boy verdolmetscht werden, weil er sich nur mit diesem radebrechend unterhalten kann und die Buschneger nicht zum Sprechen zu bringen versteht. Bei Fragen an Neger muß man äußerst geschickt zu Werke gehen und immer versuchen, die Leute selbst zum Erzählen zu bringen. Der Neger merkt sofort, was der Europäer gern hören möchte, und antwortet ihm dementsprechend, wobei dem Europäer dann die haarsträubendsten Sachen aufgebunden werden.

So wurden einem guten, harmlosen Europäer, der für die Neger nach ihrer eigenen Aussage die »melkende Kuh« ist und nur den[S. 39] Fehler hat, daß er über viel Geld verfügt, ohne imstande zu sein, selbst solches zu erwerben, die tollsten Sachen aufgetischt. Dieser gute Mann hat die kleine Eitelkeit, wissenschaftliche Studien zu machen. Dabei war er auch bei ethnographischen Forschungen angelangt. Mit Hilfe seines Boys hatte er herausgefunden, daß einige Stämme Maskentänze veranstalten, ähnlich denen der Totemsverbände in Neuguinea. Sein Ziel war eine solche Maske. Endlich wurde sein Wunsch erfüllt. Für 30 Rupien (40 Mk.) brachte ihm sein Boy eine solche Maske, »uralt, noch aus der Zeit der Portugiesenherrschaft« (also mehr als 200 Jahre) herstammend. Die Maske war eine halbe Kokosschale, ähnlich wie sie in Deutschland als Schaufensterausstattung aus dem Kokosbast geschnitten werden. Als Augen waren Glassplitter einer zerbrochenen Bierflasche eingesetzt, auf dem einen davon war noch ein Buchstabe des Brauereiaufdruckes zu erkennen.

Andere Eingeborene erzählten mir, daß der bewußte Europäer seinem Boy versprochen hätte, ihm alle Schulden zu erlassen, wenn er ihm Leute brächte, die die alten Maskentänze ausführen könnten. Der Boy stellte dies seinem Herrn als äußerst schwierig hin, da die Tänze geheim und verboten seien (warum, ist nicht einzusehen). Der Boy ist aber findig, sein Schuldenregister mag auch groß sein, da er viel Umgang mit schwarzen Weltdamen hat. In einer abgelegenen Gegend läßt er seinem Herrn unbekannte Leute in einer sonst nicht üblichen Tanzart unterrichten. Ob diese wirklich zur Vorführung gelangten, weiß ich nicht; dieser Maskenscherz beruht jedenfalls auf feststehender Wahrheit, und es soll mich nicht wundern, wenn diese neuen »Forschungen« eines Tages veröffentlicht werden.

Wilde Hunde (Lycaon pictus Temm) [auch Hyänenhunde genannt].

In der Ussangu-Steppe, östlich Njam-Njam (Ruaha-Senke in Deutsch-Ostafrika) hatte ich gelagert. Trostlos war die Gegend. Die Wasserstelle, der Mkodje-Fluß, der jetzt im Oktober nur hin und wieder trübe Tümpel bildete, an denen sich riesige Wildscharen zur Tränke einfanden, war fünf Stunden entfernt. Bei meinem Einzug in das Dorf, das aus fünf jämmerlichen Hütten bestand, erhielten[S. 40] meine Leute und ich statt Wasser große grüne Wassermelonen; Wasser käme erst am Abend, wenn das Rindvieh zurückkäme, das heute wie jeden dritten Tag zur Tränke geführt worden sei.

Während meine Leute das Zelt aufschlugen, schnitt ich aus einer Melone einen Deckel heraus und zerhackte mit dem Jagdmesser das Fruchtfleisch, um das sich darin reichlich ansammelnde Wasser zu trinken. Kaum hatte ich die ersten Schlucke getan und hackte von neuem ins Fruchtfleisch, damit weiteres Wasser zuströmen konnte, so hätte ich vor Schreck beinahe meine Melone fallen lassen.

Tauben, Hühner und Ziegen kamen in einer aufgewirbelten Staubwolke auf mich zugeflattert und zugerast. Im ersten Augenblick glaubte ich, irgendein Raubtier habe sie gestört, merkte aber gleich, daß ich, oder vielmehr meine geöffnete Melone den brennenden Anziehungspunkt bildete. Schnell erhob ich mich, um meine Frucht vor den sich und mich stoßenden Ziegen zu retten. Die Tauben und Hühner jedoch hatten sich mir auf Kopf, Schultern und Armen dauernd niedergelassen und suchten sich balgend unter lebhaftem Flügelschlag der Melone zu nähern. Das Abschütteln und Herunterwerfen war zwecklos, sie waren sofort wieder oben, beim Auffliegen mich in neue Staubwolken einhüllend. Arg mußte sie der Durst quälen. Mit Mühe rettete ich mich in eine Hütte, nachdem ich etwas Fruchtfleisch geopfert hatte. Wie mir die Leute sagten, gaben sie den Tieren kein Wasser. Nur die Ziegen kämen jeden sechsten Tag mit den Kühen zur Tränke.

Auf meine Frage, warum denn das Dorf so weit vom Fluß läge, wurde mir erklärt, daß der Mkodje die Steppe in der Regenzeit bis kurz an die Hütten überschwemmte. Verpflegung konnte ich für meine Leute auch nicht erhalten, die Vorräte der Leute waren so gering, daß ich fragte, wie die Leute denn überhaupt ihr Leben fristen könnten und warum sie mit ihrem Vieh in solch elender Gegend wohnten und nicht mehr Getreide anbauten. Ich erfuhr darauf, daß die Rinder dem Sultan Merere gehörten und nur hier gehütet wurden, weil das Wild gut gediehe, von was, war mir allerdings fraglich, denn ich hatte auf meinem Marsche nur bis auf 3 cm abgeweidete Grasstummel gesehen. Von Getreidearten wüchse nur recht spärliche Sandhirse. Zwei kleine Fleckchen bebautes Land von zusammen etwa 200 Quadratmeter mußten für die 18 Kopf starke Einwohnerschaft genügen. Die Ernährungsfrage der Leute[S. 41] wurde mir immer rätselhafter. Endlich rückten sie mit der Sprache heraus. In der Regenzeit gebe es durch die Überschwemmung so viel Welse, daß sie im seichten Wasser bloß aufgelesen zu werden brauchten. Und jetzt? Nun, in der Trockenzeit paßten die Viehhüter immer auf, wo früh die Geier kreisten, dort hätten Löwen Wild geschlagen, und es wäre häufig so viel übrig, daß sie Vorrat dörren könnten. Manchmal allerdings, wenn mehr Löwen dagewesen wären, oder wenn die Löwen schon am Abend Beute gemacht und den Riß nach der Sättigung verlassen hätten, um zur Tränke zu gehen, so daß das gerissene Wild für die Hyänen frei werde, seien nur ein paar Knochen übrig.

Hyänenhund

Meine Bemerkung: »Na, ihr helft wohl manchmal den Löwen etwas nach und holt euch selber ein Zebra,« löste verlegenes Grinsen aus, das mir genug Bestätigung war. Vorderlader waren ja reichlich vorhanden und Pulver auch — »zur Abwehr der Löwen vom Vieh« — wie mir eifrigst versichert wurde.

Am nächsten Morgen, als es eben dämmerte und ich mich gerade mit dem Viertelliter Wasser wusch, den ich für diesen Zweck aufhob, ehe ich ihn meinen Hunden geben wollte, verstummte plötzlich das Murmeln der sich für die Reise zurechtmachenden Träger.

[S. 42]

Etwas blöde, weil ich gerade mein Gesicht mit dem Handtuche bearbeite, spähe ich nach der Ursache. Da kommt auch schon eine Schwarzfersenricke (Aepyceros suara Mtsch.) direkt auf mich zu, mitten durch die Träger durch, stolpert über meine Zeltstricke, rennt ins Dorf und bleibt darin stehen. Während ich noch diesem Tier zusehe und nicht weiß, was ich aus dem Vorfall machen soll, kommt eine zweite Antilope fast durchs Zelt und stellt sich zur ersten.

Nun machten mich die Leute aufmerksam auf zwei wilde Hunde (Abb. 8), die sich außerhalb der Träger hingesetzt hatten. Ich zeige die Wildhunde meinen vier Doggen und hetze diese. Kein Gedanke, daß sie die Wildhunde einholten. Als meine Hunde auf einen Pfiff mutlos zurückkehren, folgen ihnen die beiden Wildhunde. Eine abermalige Hetze war so erfolglos wie die erste. Nun nehme ich mein Gewehr zur Hand, schieße aber zu kurz, wie ich am Hochsprung des Hundes auf allen Vieren sehe, ein zweiter Schuß hat dasselbe Ergebnis. Nun trollen sich die Wildhunde hinter Dornengebüsch und sind für mich unsichtbar.

Ich gehe dann zu den Antilopen, die mit zitternden, weitgeöffneten Nüstern und schlagenden Flanken im Dorf stehen und sich anfassen lassen. Die Leute erzählten mir, sie hätten die Hetzjagd der Wildhunde schon eine ganze Weile beobachtet, in der Steppe wäre es immer im Kreise herum gegangen. Sehr scharf sei das Tempo der Hunde nicht gewesen. Durchaus wollten die Leute die Antilopen töten und verspeisen. Mir taten diese geängstigten Tiere leid, und ich ließ alle Leute zurücktreten, damit sich die Antilopen — Muttertier und fast ausgewachsenes Kitz — erholen und nach Belieben entfernen konnten.

Dies war meine erste Begegnung mit wilden Hunden. Noch häufig traf ich diesen Schrecken des armen Wildes an. Einmal, als ich gerade Wildbret für meine Tafel brauchte und bei Morgenlicht im Wildgebiet eintraf, galoppierte ein Wasserbock (Cobus ellipsiprymnus Ogilb.) auf mich zu. Ich nahm an, daß er mich früher wahrgenommen hatte und mir auf seiner Flucht wieder in den Weg lief, weil ich durch Gebüsch gedeckt war. In hohen Fluchten quittierte er auf meinen Blattschuß. Der erst spärlichen, dann reicher werdenden Schweißfährte folgend, fanden wir ihn, nach etwa 1000 Meter Suche, verendet in einem Dickicht.

[S. 43]

Einen Augenblick bei dem zur Strecke gebrachten Bock ausruhend, hörte ich plötzlich den Schreckton eines Buschbockes (Tragelaphus roualeyini Gord. Cumm.). Da das Fleischbedürfnis meiner europäischen Nachbarn groß war, wollte ich auch diesen strecken. Vorsichtig schiebe ich mich aus der Dickung heraus und habe vor mir: sechs Wildhunde. Auf vier Meter Entfernung bleiben sie ruhig vor mir sitzen, indem sie mich anäugen. Sie müssen meine Anwesenheit schon vorher bemerkt haben und waren höchstwahrscheinlich auch schon vorher hinter meiner Beute her. Den Vordersten schoß ich spitz von vorn. Er fiel ohne einen Laut. Die anderen machten nun einen Luftsprung, dann saßen sie wieder. Einer steht auf und nimmt Witterung an seinem toten Kameraden, aber nur einen Augenblick. Hastig faßt er ihn dann mit den Zähnen, und im Nu bilden die übrigen vier mit ihm einen Knäuel. Sie reißen große Fetzen aus dem Geschossenen und würgen die Bissen ohne Kauen hinunter. In kurzer Zeit ist auch kein Knochen oder Haarbüschel von ihm übrig. Als ich den zweiten schoß und nach seinem Fall gleich auf die Wildhunde zuging, zogen sie sich knurrend zurück und verschwanden dann. Eine halbe Stunde danach hörte ich, wie sie mit einem Löwen stritten. Als ich mir durch das Dickicht einen Weg nach dem Kampfgetöse zu gebahnt hatte, waren alle Beteiligten verschwunden. Nur das niedergetretene Gras gab Zeugnis von einer Balgerei.

Wer den kürzern gezogen hatte, ließ sich nicht ermitteln. Ich glaube aber der Löwe. Selbst habe ich es zwar noch nicht mit angesehen, aber mir bei verschiedenen eingeborenen Jägerstämmen erzählen lassen, daß der Löwe deshalb eine so große Furcht vor meinen Doggen hätte, weil er sie für wilde Hunde hielte, die ihm stets so arg zusetzten, daß er das Weite suchte. Käme es zu einem Kampf, so stürzten alle zugleich auf den Löwen und bissen ihn überall, wobei immer ein Stück Fell und Fleisch in ihrem Fang bliebe. Der Löwe selbst wäre nicht flink genug, sich so vieler Angreifer zu erwehren. Etwas Wahres muß daran sein, denn stets brachten meine Hunde den Löwen zur Flucht und konnten ihn nur dann stellen, wenn ich mehr als zwei bei mir hatte.

Wie das Wild die Wildhunde fürchtet, sah ich häufig daran, daß Gebiete, die dicht mit Wild bevölkert waren, plötzlich wie ausgestorben dalagen und nur einige Buschböcke und Ducker (Sylvicapra[S. 44] grimmia L.) (kleine Antilopen, die durch Ducken sich vorzüglich verbergen), die ihren Standort schwer wechseln, übrig waren. Wasser- oder Futtermangel war nicht eingetreten. Stets ergab es sich dann, daß Wildhunde dort gehetzt hatten. Rudel bis zu dreißig Stück waren keine Seltenheit. Eine solche Panik unter dem Wild ruft kein Löwe hervor. Wohl zeigt das Wild bei Löwenanwesenheit Unruhe, ich sah aber mehrfach weit auseinandergezogen äsende Wasserböcke und Hartebeeste, die von einem Löwen, der mitten durch die Herde lief, kaum Notiz nehmen.

Strichweise bewegen sich die Wildhunde durchs Land und steigen auch in hügeliges Gelände auf. 1910 traf ich sie auf 1200 Meter Höhe nahe Langenburg, wo sie die weidenden Viehbestände schwer schädigten.

Nach meinen Erfahrungen bevorzugen sie alles Hornwild mit Ausnahme des Büffels, der ihnen wohl zu wehrhaft ist. Warzen- und Wildschweine verschmähen sie nach meinen Beobachtungen gänzlich. Übrigens nahmen auch meine Hunde (Doggen und deutsche Schäferhunde) Schweinefleisch nur ungern auf. Bei Zebras und Giraffen fürchten sie Schläge mit dem harten Huf. Überall bestätigten mir die Eingeborenen, daß diese beiden Tiere von Wildhunden verschont würden, wenn es sich nicht um ein junges Stück handelte, das sich von der Herde entfernt hatte und den Anschluß nicht mehr erreichen konnte.

Erstaunlich ist die Muskelkraft der Kieferpartie der Wildhunde. Einer meiner Bekannten in Langenburg zog zwei junge Hyänenhunde auf. Sie liefen frei herum und kamen auf Ruf zum Futter. Als sie ein Vierteljahr alt waren, hatten sie das Bestreben, nicht unter Beobachtung zu fressen. Sie nahmen deshalb die Blechbüchse, die ihr Futter — Reis und gekochtes Fleisch — enthielt, in den Fang, und einer trug den für beide bestimmten Teil, der mit Büchse mehr als sein Körpergewicht betrug, wagrecht davon, ohne daß dem Tier eine Anstrengung anzumerken war.

Übrigens waren die Tiere trotz ihrer Gefräßigkeit äußerst mager. Nur der dicke Kopf, der durch die sehr großen, aufrechten Lauscher (Ohren) noch größer erschien, fiel auf, so daß der übrige Körper dagegen ganz zurücktrat.

Im Gegensatz zu anderen vierfüßigen Raubtieren sind Wildhunde ausgesprochene Tagestiere. Nase, Gehör und Gesicht sind außerordentlich scharf.

[S. 45]

Deutsche Schäferhunde, die nach meinem Dafürhalten unter allen Hunderassen das beste Gesicht haben, erkannten auf 200 Meter Entfernung sich schwer vom Gelände abhebende, sehr ruhig weidende Esel nicht, d. h. sie nahmen sie nicht wahr. Die beiden jungen Wildhunde verfolgten die Esel aber ständig mit dem Auge. Keine laufende Ratte entging ihrer Aufmerksamkeit, und zwar auf viel größere Entfernung, als wie ich dies bei meinen sonst sehr regen Hunden beobachtete.

Die Farbe der von mir erlegten Wildhunde war verschieden. Niemals fand ich sie rein einfarbig, sondern immer in zwei Farben unregelmäßig gefleckt. Im Südosten der Kolonie fand ich vorwiegend Dunkelbraun bis Schwarz als Grundfarbe mit weißen oder gelben Flecken. Im Westen war die Grundfarbe heller. Mehrmals schoß ich ganz fahlgelbe Exemplare mit weißen Flecken. Einmal brachte ich einen Wildhund zur Strecke von schmutziggelber Grundfarbe und schwarzen Flecken.

Meist beherbergt das Fell zahlreiches Ungeziefer, vorwiegend Flöhe, Zecken und Sarcoptes-Milben. Auch den Eingeborenen ist die Vorliebe des Ungeziefers für den Wildhund als Wirtstier bekannt, und gerade aus diesem Grunde ist das Fell eines Wildhundes den Eingeborenenärzten oder Medizinmännern eine begehrte Sache, aus der sich Kapital schlagen läßt.

Sehr stark ist nämlich die Nachfrage nach Amuletten, die Liebe und Zuneigung erwecken sollen. Ein alter Medizinmann, mit dem ich Freundschaft unterhielt, um mich über die Art seines Wirkens zu unterrichten, gab mir im Laufe der Jahre interessante Aufschlüsse über seine Praxis.

Vieles ist Hokuspokus, ohne jeden Wert, einem großen Teil der angewandten Mittel liegt aber eine gute Kenntnis heilkräftiger Kräuter zugrunde. Es ist dieselbe Art des Wirkens, wie sie bei uns im Mittelalter üblich war und heute noch von Schäfern und Wunderdoktoren ausgeübt wird. Früher standen diese Leute im höchsten Ansehen, es schwindet aber immer mehr, je mehr europäische Ärzte ins Land kommen. Es bricht sich allmählich Bahn, daß diese denn doch etwas mehr vom Heilen verstehen, als die eigenen Ärzte. Außerdem sind sie billiger, d. h. der Eingeborene wird vorwiegend kostenlos behandelt, während der eingeborene Arzt seine Kranken gehörig schröpft und diese bis auf wenig Ausnahmen,[S. 46] wenn überhaupt, so aus Autosuggestion, ihre Gesundheit wiedererlangen. Der europäische Arzt ist diejenige Person, die am leichtesten den Weg zum Herzen der Neger findet, sofern er einigermaßen umgänglich ist. Das Gefühl der Dankbarkeit geht zwar dem Neger völlig ab, dafür erkennt er aber den Vorteil einer mit Erfolg geführten ärztlichen Behandlung voll an. Für ihn sind ja die Wirkungen der Schutzimpfung gegen Pocken und die Salvarsanbehandlung bei Frambösie[4] die reinen Wunder.

Doch ich sprach von der Verwendung des Felles der Wildhunde durch Medizinmänner. Mein alter Freund verwendete deshalb bei der Herstellung von Liebesamuletten stets einige Haare vom Wildhund, weil diese starke Anziehungskraft ausübten, wie ja schon daraus zu ersehen wäre, daß sich alles Ungeziefer zum Wildhund hingezogen fühlte.

Von Eingeborenen wird der Wildhund nur selten erlegt. Einesteils ist es nicht häufig, daß Wildhunde sich weidendes Vieh holen; es fehlt der Anreiz der notwendigen Abwehr. Andernteils flößt der in Herden jagende Wildhund den Negern Achtung ein. Ob diese berechtigt ist oder nicht, hatte ich nie Gelegenheit festzustellen. Es wird zwar vielfach behauptet, daß ab und zu Menschen von Wildhunden angegriffen würden, etwas Bestimmtes scheint aber nicht dahinter zu stecken. Wenigstens konnte ich nicht einen einzigen Fall dieser Art ermitteln.

So wie ich den Neger kenne, wirkt schon das dreiste Verhalten der Wildhunde, die nicht sofort die Flucht ergreifen, wenn einer oder mehrere ihrer Genossen getötet werden, auf sie abschreckend.


[S. 47]

Fußnoten:

[1] Die in diesem Bändchen mehrfach vorkommenden weidmännischen Ausdrücke bedürfen wohl meistens keiner besonderen Erklärung, da sich ihr Sinn aus dem Zusammenhang, in dem sie gebraucht werden, von selbst ergibt. Wo es uns aber dennoch nötig schien, haben wir eine entsprechende Erklärung als Fußnote gebracht.

[2] D. h. in den Bewegungen innezuhalten (beim Wahrnehmen einer Gefahr oder eines Feindes).

[3] D. h. bei Raubwild eine »Spur« (Tritt) vor die andere setzen.

[4] Die Frambösie ist eine eigenartige Hautkrankheit, die sich nur in den Tropenländern vorfindet und durch das Auftreten kleiner weißer Pusteln auf geröteter und entzündeter Haut, sowie daraus entstehender Geschwüre und schwammiger Auswüchse von Form und Größe einer Himbeere (franz. framboise) zu erkennen gibt.


Bild

Dickhäuter.

Gewaltig ist der Reichtum an Dickhäutern in Deutsch-Ostafrika, die allerdings die großen Heerstraßen, auf denen Europäer oder ihre Karawanen entlang ziehen, verlassen haben. Bedingung für alle ist das Vorhandensein reichlichen Wassers. Frisches Gras, Schilf und Laubwerk ist ihre Hauptnahrung, und namentlich in der Trockenzeit sind diese Genüsse an fließendes oder stehendes Wasser gebunden. Allerdings treten die Dickhäuter zeitweise auch große Wanderungen an, so daß man sie in Gebieten antrifft, in denen sie ihre Lebensbedingungen auf die Dauer nicht finden. Stets halten sie sich aber dort nur vorübergehend auf, seien es Nashörner und Flußpferde, z. B. wenn sie nach einem anderen Weidegrund Umschau halten, oder Elefanten, wenn ihre Naschlust sie treibt, Borassuspalmen oder Bäume in der Zeit der Fruchtreife abzuernten.

Plump und unbeholfen scheint uns ihr massiger Körper, der in der Natur eine ganz andere Größe erreicht als bei noch so sorgfältigster Pflege und reichlichster Nahrung in der Gefangenschaft.

Jedoch mit welcher Behendigkeit entgegen dem täuschenden Anblick durchqueren sie die für kleineres Wild und Mensch kaum gangbaren Dickichte, die diesen nur auf ihren Pfaden ein Vorwärtskommen gestatten! Dornendickichte und üppig wuchernde Schlingpflanzen, die die Gebüsche förmlich verfilzen mit ihren frischen und[S. 48] abgestorbenen Ranken, durchschreiten sie wie weiches Gras. Wenn auch lautes Gekrach und Geprassel damit verbunden ist, den Kolossen selbst ist eine Anstrengung nicht anzumerken.

Durch ein Dickhäuter-Eldorado.

Im Oktober 1912 reiste ich im Morogoro-Bezirk in Deutsch-Ostafrika. Am Schnittpunkt der Morogoro-Mahengestraße mit dem Ruahafluß angekommen, sagte ich mir, daß es für mich wenig Zweck hätte, auf den bisher bekannten Wegen mein Reiseziel Kissaki zu erreichen, und ich beschloß, den Ruahafluß abwärts zu gehen bis zum Zusammenfluß mit dem Rufidji. Auf der Karte war der Ruaha auf dieser Strecke nur durch punktierte Linien angedeutet, eine Routenaufnahme längs des Flusses war mir also vorbehalten.

In den Ortschaften Kidatu und Kidoti versuchte ich, Eingeborene zu finden, die vielleicht die in Luftlinie etwa 180 km lange Strecke schon zurückgelegt hätten. Keiner war beim Fischen nach den im Ruaha lebenden enorm großen Welsen weiter als 40 km gekommen. Europäer hatten den Weg noch nicht gemacht. Nur der mit Schomburgk Elefanten jagende Engländer Kapitän Hemming war im Oktober 1908 dreißig Kilometer weit flußabwärts gelangt.

Auf der Missionsstation Widunda, die von meinem Lager nur zwei Stunden entfernt lag, und wo ich bei Mönch Lamberti gastfreieste Aufnahme fand, suchte ich mich weiter zu orientieren. Andere Auskunft als die, daß weder Europäer noch Eingeborene diese menschenleere Gegend durchquert hätten, bekam ich auch hier nicht. In gemeinsamer Beratung nahmen wir an, daß der Weg bis zu den ersten Ortschaften vor dem Rufidji in vier Tagen zu machen sei.

Da man beim Reisen in Afrika mit allen möglichen Zufällen rechnen muß, nahm ich für meine zwanzig Träger Verpflegung für sechs Tage mit, in der Voraussicht, unterwegs die Nahrungsmittel noch durch erlegtes Wild und gefangene Fische zu ergänzen. Ich warb in Kidoti noch vier Mann an, die die erste vierzig Kilometer lange Strecke kannten, zum Tragen des Mehlvorrates, den meine Träger nicht mehr auf ihre Traglasten schnüren konnten. Am ersten Tage legten wir fünfunddreißig Kilometer zurück. Der Weg war prächtig, da die Grasbrände von den von uns verlassenen[S. 49] Ortschaften sich bis hierher ausgedehnt und die ersten leichten Niederschläge der kleinen Regenzeit einen üppigen niedrigen Grasteppich hervorgezaubert hatten. Das Schweifen des Auges ins Grüne weiß nur der richtig zu würdigen, der den trostlosen afrikanischen Winter, die Trockenzeit, kennt, in der alles gelb, starr und tot ist, und wo das Auge nur zwei bis drei Meter vor sich Ausblick auf den schmalen Fußweg hat, den die eigenen Träger oder eine frühere Karawane getreten haben.

Wunderbare Flußszenerien boten sich dem Auge dar. Das Flußbett war stellenweise dreihundert Meter und mehr breit, und da wenig Wasser floß, bildete der Fluß nur Rinnsale innerhalb eines Gewirrs von Sandbänken, die dicht mit aller Art Enten und Nilgänsen bedeckt waren.

Im Schlick wateten fischende Marabus (Leptoptilus crumeniferus Less.) und Löffelgänse (Platalea leucerodia Linn.). Ibisse steckten ihre gebogenen Schnäbel in den Schlamm, und wo im Fluß ein abgestorbener Baumstamm lag, dort wimmelten unter seinen in die Luft starrenden Ästen Madenhacker (Buphaga), Kuhreiher (Bubulcus lucidus Rafin.), unter denen einzelne Edelreiher (Herodias alba Linn.) saßen und sich in der Reichsadlerstellung sonnende Kormorane (Phalacrocorax carbo Linn.).

Hoch in der Luft zogen Seeschreiadler ihre Kreise und erfüllten sie mit ihrem hellen, klaren Schrei. Einzeln oder zu mehreren hielten Krokodile auf den Sandbänken Siesta in der Sonne, um beim langsamen Näherkommen behäbig ins Wasser zu rutschen, oder, falls sie überrascht wurden, in eilig grotesker Stellung dem Wasser zuzuwatscheln und mit starkem Schwanzschlag Wassergarben aufzuwerfen, so daß auf der Stelle, wo sie eingetaucht waren, noch einen Augenblick die Regenbogenfarben standen.

Von Haarwild waren mir nur Wasserböcke (Cobus ellipsiprymnus Ogilb. und Cobus defassa Rüpp.) zu Gesicht gekommen. Da niemand in dieser Gegend jagte, waren sie recht wenig scheu und trotteten mir nur gemächlich aus dem Winde. Dabei fiel mir auf, daß sie wohl unter einer Seuche leiden mußten, denn ihre Behaarung war ruppig und glanzlos, und die Rippen traten deutlich hervor. Später gemachte Blutpräparate kamen mir leider abhanden, so daß ich nach meiner Heimkehr nicht mehr feststellen konnte, ob es sich um Tsetse (Nagana) oder einen anderen Erreger handelte. Obwohl[S. 50] Tsetsefliegen (Glossina fusca und morsitans) in übergroßer Menge uns belästigten, möchte ich doch nicht auf Nagana schließen, da mein mitgeführter Reitesel gesund blieb und erst ein Jahr später sich an Nagana infizierte und einging, die Fliegen am Ruaha also wohl nicht infiziert waren.

Schießen wollte ich erst kurz vor dem Lager, um keine Schwierigkeit mit dem Fleischtransport zu haben.

Die linke Flußseite war bisher ziemlich frei von Wald, die gegenüberliegende trug abwechselnd dichtesten Uferbusch und Hochwald, aus dem ab und zu einige Borassuspalmen lugten, die sich hier und da in kleinen Inseln als Palmenbusch vereinigten (Abb. 9).

Die rechte Seite des Ruaha bildete von meinem Ausgangspunkt bis hinunter zum Rufidji die Grenze des großen Jagdreservates des Bezirkes Mahenge und war bekannt wegen ihres Reichtums an Dickhäutern. In allen wildreichen Bezirken Deutsch-Ostafrikas finden sich nämlich ein oder mehrere Reservate, die von der Regierung geschaffen werden, um dem Wilde Schutz und Schonung angedeihen zu lassen. Es herrscht eine scharfe Kontrolle, daß von Durchreisenden kein Schuß, und sei es auf Raubtiere, darin abgegeben wird.

Gegen zwei Uhr fing auch auf meiner Seite ein zunächst lichter Uferwald an, der den Fluß in zweihundert bis dreihundert Meter Breite begleitete und sich bis an die das Flußtal umsäumenden Hügel erstreckte. Das sonst aus abgebrannten Wiesenflächen wieder frisch gesprossene Gras hatte hier aufgehört, und wir mußten von nun alte Elefantenwechsel benutzen, die überall längs des Flusses kreuz und quer führten. Da meine Leute erschöpft waren, machte ich gegen halb vier Uhr Lager. Ich machte mir eine Stelle aus, wo ich freien Überblick nach dem Fluß und auch nach der Landseite zu eine Lichtung hatte, und baute das Zelt in niedrigem Busch ein, um nach Möglichkeit die Tierwelt beobachten zu können. Meine Leute plagten mich um Fleisch, und nach vier Uhr machte ich einen kleinen Gang ums Lager, mehr um mich zu orientieren, als mit der Absicht, Wild zu erlegen. Nur für alle Fälle nahm ich einen Mann mit, der, wenn nötig, das rituelle Schächten besorgen sollte, da alle meine Leute Mohammedaner waren, die nicht durch Kehlschnitt getötetes Wildbret verschmähen. Unmittelbar nachdem das Wild durch den Schuß auf der Decke liegt, muß der Schnitt unter Gebeten ausgeführt werden, solange das Blut der Halsschlagader noch fließt.

[S. 51]

Wir schlenderten also zunächst fünfhundert Meter am Flußufer hin. Man kann da im weichen, feuchten Ufersand am besten lesen, was alles zur Tränke kommt. Besonders zahlreich waren die Fährten von Wasserböcken, daneben lag Losung (Exkremente), die noch nicht ganz erkaltet war; die Tiere mußten also vom Zeltaufschlagen flüchtig geworden sein. Einige Warzenschweine waren auch zur Tränke gegangen.

Landschaft

Ein kleines Bachbett, das zurzeit trocken war, hatte Flußpferden zum Ausstieg an das höhere Flußufer gedient; der Wechsel war aber schon älteren Datums und die Losung prasseldürr. Wir folgten dem Bachbett aufwärts und sahen etwa dreißig Stück nur männliche Wasserböcke. Um sie dem Lager noch näher zu treiben, gingen wir, bis sie Wind bekamen. Es war mehr eine Spielerei von mir, aber der Versuch glückte. Durch langsames Nachgehen trieben wir sie bis auf hundert Meter aufs Lager zu. Plötzlich stutzten sie vor den Brennholz holenden Negern, und ich nahm auf neunzig Meter den stärksten Bock aufs Korn und ließ fliegen. Mit gesenktem Äser (Maul) ging er noch einige taumelnde Schritte näher zum Zelt und lag dann mit gutem Lungenschuß. Leider war er genau so mager,[S. 52] als die tagsüber gesichteten. Den Negern ist das ja ganz gleichgültig, meinen Appetit schärfte das kränkliche Aussehen jedoch nicht, und ich verzichtete auf den Genuß.

Nun, da die Leute ihren Willen, d. h. Fleisch zu ihrer Polenta hatten, gab ich mich der Ruhe hin. Schöner lockerer Sand am Ufer lockte zum Niederlegen, und die am Uferrand stehenden wilden Feigenbäume dämpften das noch immer grelle Sonnenlicht. Einige meiner Leute kamen zum Wasser, das einen klaren Tümpel von etwa Hektargröße bildete, und spülten die Därme des Wasserbockes, um sich diese Delikatesse mundgerecht zu machen. Wäre kein Wasser in der Nähe gewesen, so wäre es auch gegangen, indem die Därme einfach umgedreht und mit der Hand abgestreift worden wären.

Während ich den Leuten so zusehe, fällt mir auf dem Wasserspiegel in der Nähe der Spülstelle auf, daß kleine, aus dem Wasser ragende Zweige hin und her schwimmen, untertauchen und wiederkommen, so daß ein mechanisches Bewegen durchs Wasser ausgeschlossen erscheint. Ich rufe die Leute an, was das wäre, und erhalte die Antwort: cambale mingi sana — sehr viele Welse.

Na gut! Fisch hatten wir längere Zeit nicht gehabt, und wenn sie so gierig waren, wie die vor uns, so versprach das einen leichten Fang. Von einer Wasserbockkeule ließ ich das Fleisch abschneiden, band dann den Knochen an einen Strick, diesen an eine Baumwurzel und schnitzte mir dann einen Stiel zu meiner Hechtgabel, die ich noch aus meiner Jugendzeit besitze.

So, nun noch einen Nagel durchgetrieben, daß die Öse fest am Stock sitzt, und die Sache kann losgehen. Schon von weitem sehe ich, daß der Köder gut angenommen war. Der Strick wurde hin und her gezerrt, und einzelne Rücken schoben sich aus dem plätschernden Wasser. Vorsichtig ging ich näher. Es waren mächtige Kerle dabei, deren Bart über Bleistiftstärke Dicke hatte. Ich suchte mir einen mittleren von 1 Meter Länge aus und hatte ihn an der Gabel, die ich aber fest an den Grund drücken mußte, damit er sich nicht losriß. Ich schickte einen Mann ins Wasser, der untergreifen mußte, und mit gleichzeitigem Schwunge lag der Wels hilflos im losen Sande. Die anderen Welse nahmen keine Notiz von uns, sie mußten im Tümpel wohl nicht mehr allzuviel finden und waren deshalb so gierig, daß sie auf nichts mehr acht gaben. Die Gabel kam nun noch ein paarmal zur Anwendung, dann nahmen der mir[S. 53] helfende Mann und dazugekommene andere Träger einfach die Hände und warfen Fisch auf Fisch in den Sand, bis ich sagte: »Jetzt sind's genug!« Bald waren alle Fische kopflos und wegen ihrer Dicke der Länge nach halbiert; auf Stäbe gespießt und ums Feuer gesteckt, begannen sie ihren Räucher- oder vielmehr Dörrprozeß, für meine Nase allerdings kein idealer Genuß. Ist man aber erst über ein Jahrzehnt in Afrika, d. h. wirklich darin und nicht nur an der Küste und in Orten der Bahnlinie, dann ist die Nase auch an mancherlei Düfte gewöhnt, ohne ihrem Träger Übelkeit und Brechreiz zu verursachen, wie so oft im Anfang. Am nächsten Morgen waren so viele getrocknete Fische vorhanden, daß, nachdem sich jeder Träger die Menge auf seine Last geschnürt hatte, die er noch gerade zu tragen vermochte, neben dem Rest des Wasserbockfleisches noch zwei Traglasten übrig blieben, die die in Kidoti mitgenommenen Mehlträger auf ihrem Rückwege mit nach Hause nehmen wollten; sie verschnürten sie deshalb sorgsam in Borassusblätter und hingen sie zum Schutze gegen Hyänen drei Meter über der Erde an einem Baum auf.

Frisch und fröhlich marschierte die Karawane dann an dem noch kühlen Morgen weiter. Viel Gelände gewannen wir nicht auf unserem Wege, denn Gestrüpp und hohes Gras zwangen uns, nur Elefantenwechsel zu benutzen, die außerdem nicht gerade in der gewünschten Richtung führen. Man muß daher oft Leute nach rechts gehen lassen, um festzustellen, ob wir uns auch parallel am Fluß halten. Diese Wechsel sind zwar, wenn weniger benutzt, am Boden in achtzig Zentimeter- bis Meterbreite gut glattgetreten, aber von der Seite ragen Dornenzweige herein, und von oben hängen armdicke Schlingpflanzen herunter, um die sich der Elefant zwar wenig kümmert, da er sie einfach beiseite drückt oder zerreißt, die aber den Trägern mit der Last auf dem Kopfe äußerst hinderlich sind, namentlich wenn die Last sperrig ist, wie das beim Zelttisch, dem Feldbett und den Zeltlasten der Fall ist. Mühsam müssen die Vordermänner dann mit dem Buschmesser Luft schaffen, was die Leute recht ermüdet. Damit ich zu allererst die Natur immer frisch vorgesetzt bekomme, gehe ich mit meinem Boy Saleh und einem alten Jagdbegleiter — Mohamadi Kungulio — der früher berufsmäßiger Elefantenjäger war, fünfhundert Meter voraus.

Wir warten nun und wollen die Karawane aufmarschieren lassen und dann den Leuten etwas Rast gönnen. Wir warten, warten,[S. 54] warten — nichts kommt. Endlich wird mir's zu bunt, und ich lasse Saleh laut rufen. Nach dem zweiten »Huiiiii« zupft mich Mohamadi Kungulio am Ärmel — tembo kule, na kule, na kule — Elefanten dort und dort und dort, die Richtung mit dem zur Schnute geformten Mund angebend. Da höre ich auch schon meine Leute hinter mir aufschreien und für eine halbe Minute kracht's und prasselt's im Wald und Gebüsch, als ob ein Zyklon hindurchbrauste. Ich selbst sah für kurze Augenblicke vier Elefanten, die mit den Ohren schlugen und im Laufen den Rüssel nach allen Richtungen in die Luft warfen, um zu winden. Zwei kamen auf uns zu, zwanzig Meter in der Breite getrennt; wir blieben ruhig stehen, ohne uns zu rühren, und sie schlürften weiter auf die Karawane zu, ohne Notiz von uns zu nehmen. Wir steckten rasch das trockene Gras in Brand, um sie durch den Brandgeruch weiterzuvertreiben, und gingen dann zurück zu den Trägern. Hier lagen meine Lasten am Boden, von den Leuten keine Spur; erst nach mehrmaligem Rufen kommen einige zaghaft hinter Stämmen hervor oder von Bäumen herunter. Zu Schaden ist keiner gekommen, nur meine Lasten werden durchs Hinwerfen etwas beschädigt sein. Nun lachen die Leute sich gegenseitig aus wegen der überstandenen Angst. Die vordersten hatten drei Elefanten schlafend stehen sehen; nach der Beschreibung der Leute mußten wir auf sechs Meter an ihnen vorbeigegangen sein, hatten aber nichts gemerkt. In Angst hatten sich die Leute nicht weiter vorgewagt, sondern waren mit der Last auf dem Kopfe stehen geblieben und hatten erst nach dem »Huiiiii« die Lasten weggeworfen und waren ausgerückt, als einer der aus der Ruhe gestörten Elefanten die Richtung auf sie zu nahm. Es mögen insgesamt etwa dreißig Elefanten gewesen sein, die sich lang auseinandergezogen zur Ruhe untergestellt hatten.

Daß wir vorbeigingen, ohne die drei Elefanten zu bemerken, ist nichts Verwunderliches. Im dichten Blätter- und Astgewirr, aus dem nur Teile der Tiere sichtbar sind, läuft man sehr leicht vorbei; die Säulen (Beine) dieser großen Dickhäuter sehen Baumstämmen täuschend ähnlich, und oft hat die vorzügliche Mimikry (Anpassung an die Umgebung) meine nicht gerade schlechten Jägeraugen getäuscht, wenn ich auf frischer Elefantenfährte pirschte, und nicht, wie heute, Routen aufnehmend und nur beobachtend meines Weges zog.

[S. 55]

Erzählte doch ein Spaßvogel, er habe einen Büffel vor sich gehabt, und zum sicheren Schuß an einem Stamme angestrichen[5]; nach dem Schuß wäre der Büffel davongelaufen, sein Stamm aber auch, und erst jetzt habe er gemerkt, daß er eine Elefantensäule für einen Stamm angesprochen habe.

Ist dies auch etwas toll geflunkert, so habe ich, wie viele Elefantenjäger, doch oft über eine Viertelstunde neben einem Elefanten gestanden, auf den ich achtlos gelaufen war, weil ich einen anderen, entfernteren schießen wollte, der nicht günstig stand. Solange der Elefant nicht Wind bekommt, reagiert er nur schwach durchs Gesicht und achtet auf Geräusche, die durch Gehen oder Brechen im Busch verursacht werden, recht wenig.

Nach dem überstandenen Schrecken ging es wieder weiter. Um ähnlichen Überraschungen vorzubeugen, zündete ich immer vorn das Gras an, womit ich gleichzeitig meinen folgenden Trägern das Zeichen gab, wie weit ich voraus sei, da sie an der Ausbreitung des Feuers merken konnten, wie lange es schon brannte.

Wir überschritten jetzt ständig Flußpferdpfade, die alle frisch begangen waren. Einem Pfad, auf dem die Losung noch so frisch war, daß sie noch Luftbläschen enthielt, folgte ich bis zum Wasser. Schon nach hundert Metern stand ich vor dem Ruaha, der sich hier durch eingelagerte Felsbänke seenartig erweiterte, d. h. er füllte trotz der Trockenheit das ganze Flußbett aus. Ein wunderbares Bild hatte ich, als ich den Wasserspiegel überblicken konnte. Mir gegenüber in fünfzig Meter Entfernung lagerten im seichten Wasser mehrere Flußpferde (Hippopotamus amphibius L., s. Abb. 10). Einzelne stiegen auf den Steinklippen umher, den ganzen Körper außerhalb des Wassers, und balanzierten trotz des massigen Körpers geschickt auf den schmalen Stützpunkten herum. Andere jagten sich im neckischen Spiel im Wasser, und zwei junge Bullen probierten gegenseitig ihre Stoßzähne, indem sie Lippen gegen Lippen stießen. Fast sah es so aus, als ob diese massigen Mäuler sich zum Kusse berührten. Man hörte aber deutlich das Aneinanderklirren der Stoßzähne, die im Maul verborgen lagen, und konnte sich einen Begriff davon machen, wie es später im blutigen Ernst zuginge. Ein auf einer Sandbank[S. 56] liegender alter Bulle ließ deutlich erkennen, daß auch die dickste Schwarte Risse bekommen kann; in allen Richtungen war seine Rückenpartie vom Kampfe zerhackt, teils alt und weißlich verharscht, teils neueren Datums, an der rosigen Farbe erkennbar. Insgesamt mochten es mehr als vierzig Flußpferde gewesen sein, die da beisammen waren. Sie nahmen kaum Notiz von mir. Auf mein lautes Händeklatschen antwortete nur der alte Bulle durch tiefes Rohren, bemühte sich jedoch nicht aus seiner bequemen Lage. Von der anderen Gesellschaft hoben nur einige die Köpfe, schüttelten die kleinen Lauscher und pflegten dann weiter der Ruhe. Lange konnte ich mich nicht von dem Bilde trennen, aber ich war noch nicht am Ende meines heutigen Marschzieles. Drei Stunden wenigstens wollte ich noch weiter gehen.

Alle Viertelstunden stießen wir jetzt am Lande auf schlafende Flußpferde, die wir hoch machten, damit sie unter der nachfolgenden Karawane keine Verwirrung anrichten konnten. Eilig trotteten sie dem Flusse zu. Auf einen jungen Bullen waren wir bis auf 1 Meter aufgelaufen, ohne ihn im Grase zu sehen. Schießen wollte ich nicht, da ich mir nur einen alten Bullenschädel mitnehmen wollte und die Tiere hier fern von allen Anpflanzungen keinen Schaden anrichten können. Anfangs glaubte ich, er schliefe. Als ich aber eine kleine Seitenwendung machte, bewegte er seine Lauscher und drehte seine Lichter so nach mir, daß ich den blutunterlaufenen Augapfel sah. Ich winkte meinen beiden Leuten mit den Augen und wollte mich vorsichtig zurückziehen und ihn erst dann hoch machen. Ganz sympathisch war mir seine große Nähe nicht. Sowie ich den linken Fuß hinten aufgesetzt hatte und den Körper nachzog, sprang er auf, warf sich nach mir herum, und mit knapper Not entging ich durch einen Seitensprung einem nach mir geführten Stoß; dann raste er auf meine beiden Begleiter zu, ohne jedoch Notiz von ihnen zu nehmen, als sie durch einen hastigen Satz aus seiner Fahrtrichtung flüchteten. Saleh wollte mir und Mohamadi Kungulio die Hand schütteln zur Beglückwünschung nach überstandener Gefahr. Mohamadi als alter Elefantenjäger lachte ihn aber aus und meinte wegwerfend: »Hm, ein Flußpferd ist kein Nashorn,« womit er ja schließlich recht hat im zweifachen Sinne seiner Worte.

Wir kamen jetzt an einen versumpften Flußlauf, der von links auf den Ruaha zu führte. Dicht war der Sumpf mit Nymphazeen[S. 57] bewachsen, auf deren schwimmenden Blättern braune und schwarze Blätterhühnchen (Phyllopezus africanus Gmel.) trippelten. Bei unserer Annäherung fingen sie an zu gurren, und dieser gurrende Ton setzte sich über den ganzen Sumpf fort. Zahlreiche Dickhäuter mußten hindurchgewechselt sein, denn nach allen Richtungen konnte man die Linien der im Gehen umgewendeten Nymphazeen sehen, deren rotbraune Unterseite sich deutlich vom übrigen Grün abhob. Hellgrüne Flecken bildeten die Fanna-Rosetten dazwischen. In der Mitte standen zwei Nimmersatte (Pseudotantalus ibis Linn.) auf einem Ständer und putzten sich das Gefieder. Weiter unten nach dem Fluß zu sah ich einige weiße Vögel, konnte aber auch durchs Glas nicht bestimmen, ob ich Reiher oder Löffelgänse vor mir hatte.

Um die Fährten am Rande des Sumpfes zu lesen, beschloß ich, ihn zu umgehen. Ich hatte dabei die Nebenabsicht, falls die weißen Vögel Reiher wären und Schmuckfedern trügen, einen bis zwei zu erlegen.

An Fährten stellte ich fest: drei afrikanische (Spitz-)Nashörner (Diceros bicornis L., s. Abb. 12), dann Flußpferde, Elefanten, Wasserböcke und Zebras sowie einen starken Löwen. Es waren wirklich Reiher (Herodias alba Linn.), wie ich auf hundertfünfzig Meter ausmachen konnte. Beim Näherkommen sah ich durchs Glas, daß nur einer gute Federn hatte, d. h. diese ragten über den Stoß als vom Wasser zusammengeklebtes Schwänzchen. Auf einem Flußpferdwechsel, der durchs Gebüsch führte, kam ich ungefähr auf vierzig Meter heran und holte mir den Federträger mit einem Schuß meines kleinen 6 mm-Bayardkarabiners, der, rauchlos beschossen, nur sehr schwach knallt. Mein Vogel schwamm sofort auf dem Wasser, und die anderen lüfteten nur etwas die Flügel. Mit dieser Beute war ich sehr zufrieden. Die Federn waren zwar durch das Schleifen im Schlamm an den Spitzen braungrau gebeizt, bei den trockenen Federn war aber nichts davon zu merken.

Ich stieß wieder zu meiner Karawane, die sich inzwischen ausgeruht hatte, und wir setzten den Weitermarsch fort. Bei Durchquerung eines Dickichts, das wenig Ausblick gewährte, schreckte uns plötzlich ein in allernächster Nähe ausgestoßener fauchender Grunzton. »Mbuisi«, wilde Hunde (Hyänenhunde), sagte Mohamadi. Ich bückte mich möglichst tief und sah zwei Löwen von merkwürdig dunkler, ins Braune gehender Farbe, mit dunkelbraunem Kopf,[S. 58] mähnenlos und nur halb so groß als ausgewachsene Löwen, weshalb ich sie für junge Tiere hielt. Mohamadi und Saleh hatten sechs Stück gezählt, und jener erklärte mir, daß es sich um »Buschlöwen« handelte, die nicht größer würden und stets in Rudeln jagten. Sie griffen Menschen niemals aus freien Stücken an, kämen auch niemals in die Nähe der Dörfer. Sobald jedoch einer von ihnen angeschossen wäre, gingen alle solidarisch zum Angriff über.

Vor sechs Monaten hatte mir Pater Jäckel von der Missionsstation Tununguo, ein sehr eifriger Jäger, erzählt, daß er einen solchen kleinen Löwen geschossen hätte, drei andere seien darauf geflüchtet. Ich hielt damals Pater Jäckels Beute für einen jungen Löwen, da ich mir einbildete, alles größere deutsch-ostafrikanische Wild aus eigener Anschauung zu kennen, und sah nun, daß ich mich getäuscht hatte. Leider habe ich auch späterhin keinen dieser kleinen, kaum bekannten und bisher unbeschriebenen Löwenart wieder zu Gesicht oder gar zum Schuß bekommen.

Die überall im Grase liegenden Flußpferde wurden uns bald äußerst lästig; da sie in so großer Anzahl herumlagen, erlosch mein Interesse für sie. Einige Male folgte ich noch ihren Pfaden bis zum Wasser und sah dann stets Flußufer und Sandbänke von ihnen bevölkert. Ich habe auf dieser Reise mindestens tausend Stück gesehen; da ich nur ab und zu Ausblick auf den Fluß hatte und dort stets eine größere Anzahl — zwanzig bis vierzig — sichtete, muß die wirkliche Menge ganz gewaltig sein. Kein Mensch hatte sie hier gestört, und andere Feinde gibt es wohl kaum für sie, da sie mit ihren Mitbewohnern des Wassers, den Krokodilen, friedlich auszukommen scheinen. Es mag höchstens ab und zu einmal ein Löwe ein junges Flußpferd schlagen.

Auf einer Insel, die zurzeit mit der Landseite trockene Verbindung hatte, schlug ich das Lager auf. Ich hatte von hier aus Ausblick auf stark benutzte Tränkstellen an beiden Flußufern. Der Ruaha floß hier in nur vierzig Meter breiter Rinne in reinem Sandbett. Außer einigen großen Bäumen, die mir Schatten gewährten, war die Hälfte der Insel mit dichtem, hohem Schilfrohr bestanden. In dem trockenen Teil des Flußbetts waren zahlreiche, zum Teil tiefe Tümpel, die von sehr mannigfacher Vogelwelt bevölkert waren. Ich sah hier die ersten jungen Nilgänse (Alopochen aegyptiacus Linn.), die noch nicht flügge waren.

[S. 59]

Gern hätte ich mir einige davon gefangen, da sie im Geflügelhof ganz zahm werden und auch späterhin nicht fortfliegen. Wir plagten uns aber bis Sonnenuntergang vergeblich. Sie hielten sich immer in der Nähe des Wassers und ließen sich durch keine List davon abschneiden. Auf dem Wasser aber war alle Mühe aussichtslos; sie tauchten so geschickt und kamen zwischen schwimmenden Blättern und Ästen unbemerkt wieder an die Oberfläche, wo man sie erst nach längerem Umherstreifen wieder entdeckte.

Als ich noch bei Tageslicht — um die durch das Lampenlicht herbeigelockten Insekten nicht ständig aus Suppe und Fleischtunke herauslesen zu müssen — meine Mahlzeit einnahm, die sich, wie stets auf Reisen, aus vereinigtem Mittags- und Abendbrot zusammensetzte, sah ich auf der rechten Flußseite (dem Jagdreservat) zwei Elefanten langsam auf den Fluß zu wechseln. Sie kamen bis auf einige Meter an den Fluß heran, knieten dort nieder und schaufelten mit den recht langen Stoßzähnen — an der schlanken Form der Stoßzähne erkannte ich sie als alte Kühe — den Sand auf. Dann erhoben sie sich wieder und halfen mit den Vordersäulen nach, um die Vertiefung größer zu machen. Sie warteten eine kleine Weile, sogen sich mehrmals hintereinander die Rüssel voll und entleerten sie in ihr Maul, dann wurden einige Rüssel voll über den Rücken und die riesenhaften, lebhaft hin und her bewegten Ohrmuscheln gespritzt (Der deutsch-ostafrikanische Elefant (Loxodonta africana knochenhaueri Mtsch., s. Abb. 18) hat im Gegensatz zu Elephas maximus L. [E. indicus] riesenhafte Ohren. Auch seine Stoßzähne sind erheblich größer und erreichen ein Gewicht von 300 Pfund und eine Länge von 2,8 Metern.), bis sie in steinerner Ruhe dastanden, in der hereinbrechenden Dunkelheit immer verschwommener und gewaltiger erschienen und sich schließlich ihre Schatten meinem Auge ganz auflösten. Leider erschien der Mond erst gegen vier Uhr morgens als letztes Viertel.

Von allen Seiten hörte ich in dieser Nacht Elefanten trompeten und beim Laubäsen in den Ästen brechen. Ab und zu gurgelte in dem lautlos fließenden Ruaha das Wasser, wenn Flußpferde heraus oder hinein wechselten. Dazwischen schreckten Buschböcke mit ihrem tiefen Bellton. Einmal erwachend, hörte ich ein Flußpferd ganz dicht bei meinem Zelt Schilf äsen. Ganz gleichmäßig wechselten das Rupfen und die Kaugeräusche ab, so daß ich bald wieder einschlief.[S. 60] Es ist eine weihevolle Stimmung, die einen beherrscht, wenn man in der von frevelnder Menschenhand noch nicht berührten Natur das Leben dieser Urriesen auf sich einwirken lassen kann.

Am Morgen erwacht, ging ich im Schlafanzug aus dem Zelt, und mein erster Blick galt der Stelle, wo gestern abend die Elefanten gestanden hatten. Sie war natürlich leer, aber ein größeres dunkles Etwas lag am Boden, dessen Natur ich mit dem Glas nicht ausmachen konnte. Mohamadi Kungulio, als Monfidyi (Bewohner des Rufidjideltas) an Wasser mit Krokodilen gewöhnt, schwamm hinüber und fand — die Nachgeburt eines Elefanten. Hätte ich von diesem nächtlichen Vorgang eine Ahnung gehabt, so hätte ich mich sicher hinübergepirscht, um diesen Vorgang, der wohl selten eines Menschen Auge geboten wird, zu belauschen. Frisch gekalbte Elefanten hatte ich früher am Njassa häufig gesehen, sie waren aber immer einige Tage alt, da ich sie nur dadurch zu Gesicht bekommen hatte, daß mir gemeldet wurde, der Elefant, der immer dort und dort zur Tränke zieht oder nachts die Zuckerrohrpflanzungen abweidet, hat jetzt ein Junges.

Der Weitermarsch bot gegen die Vortage nichts Neues. Flußpferde, Flußpferde, Flußpferde und ab und zu einige Wasserböcke, sonst sahen wir nichts.

Vom Lager wagte ich es, im Fluß zu schwimmen. Hundertfünfzig Meter von mir entfernt lagen mehrere Flußpferde ruhig im Wasser. Durch unseren Lärm aufmerksam gemacht, schwamm eins langsam auf uns zu. Es war wohl mehr Neugierde als Angriffslust. Als es gähnend den Rachen aufriß, sah ich prachtvolles Elfenbein schimmern (Abb. 10). Ich machte meinen oben vom Zelt uns zuschauenden Leuten die Geste des Schießens, und mein Boy Saleh brachte mir gleich mein schwerstes Gewehr, die 11,2 Elefantenbüchse mit 5,5 g rauchlosem Pulver. Auf etwa 30 Meter ließ ich den Bullen herankommen, dann ließ ich, auf das rechte Auge abkommend, fliegen. Ein gewaltiges Plätschern, das mir die Wellen bis an die Brust spülen ließ — ich stand bis etwas über die Hüfte nackt im Wasser —, und der Bulle lag tot auf dem Wasser, ohne unterzusinken. Auf den Schuß antworteten flußauf und -ab die anderen Flußpferde durch tiefes Rohren.

Um einem Abschwimmen in dem zwar langsam abfließenden Wasser entgegenzuarbeiten, rief ich gleich nach Stricken und Leuten,[S. 61] und bald bewegte sich der Koloß, von Schwimmern gezogen, aufs Ufer zu, während einer auf den Kadaver geklettert war und Umschau hielt, ob kein Krokodil oder Flußpferd in der Nähe sichtbar würde. Plötzlich angstvolles Schreien aller Leute, mein Flußpferd war im Stich gelassen, und alles strebte dem Ufer zu. Ein zweites Flußpferd erschien dicht hinter dem erlegten und gab dem toten Tier gewaltige Stöße. Da mir meine Munition zu kostbar war, rief ich meinem Soldaten beim Zelt zu, einen Schreckschuß abzugeben. Er gab deren zwei ab, die wirkungslos blieben. Na, dann meinetwegen! Ich hatte zwar an einem Schädel genug, aber diesen einen wollte ich auch sicher haben.

Flußpferd

Gerade als das Flußpferd den Kopf etwas aus dem Wasser hob und steil nach unten senkte, trug ich ihm meinen Schuß durch die Lichter an. Lautlos versank es, nur der dumpfe Ton der einschlagenden Kugel war weit hörbar. Mit Mühe bekam ich meine Leute so weit, daß sie sich wieder vorspannten. Als die Schwimmer Grund hatten, ging die Sache rasch vor sich. Im knietiefen Wasser wollte es aber nicht weiter gehen, trotzdem zwölf Mann an den[S. 62] Stricken zogen und zehn hinten drückten. Da die Sonne schon untergegangen war, ließ ich den Kopf vom Rumpfe trennen. Vier Mann hatten schwer daran zu tragen. Der Schädel sollte bis zum Morgen durch Entfernen aller Fleischstücke leichter gemacht werden, und drei Mann, die sich immer ablösen mußten, ließ ich unter Aufsicht eines Soldaten ans Werk gehen. Schrilles Trompeten der Elefanten, Rohren der Flußpferde und das Heulen einiger Hyänen, die der Fleischgeruch lockte, machten unser Nachtkonzert. Am Morgen rief ich durchs Zelt, daß zwei Mann nachsehen sollten, ob der Kadaver des zweiten Flußpferdes, das gestern gleich gesunken war, an den Stromschnellen, die weiter unten waren, angeschwemmt sei oder so auf dem Wasser treibe.

Sie kamen zurück mit der Botschaft, daß nicht nur von dem zweiten Flußpferd nichts zu sehen sei, sondern auch der kopflose Kadaver, den wir nur mit Mühe im knietiefen Wasser fortbewegt und nicht einmal bis ans Ufer gebracht hatten, verschwunden sei. Wir nahmen an, daß es Krokodile gewesen waren, die den unverletzten Körper angeschnitten und dadurch am Auftrieb verhindert und ebenso den kopflosen Kadaver erst durch Abreißen von Stücken leichter gemacht und dann ins tiefere Wasser gezerrt hätten. Am Rikwasee hatte ich häufig die Beobachtung gemacht, daß auf den Grund gesunkene Flußpferde von Krokodilen angeschnitten wurden, ehe sich die Auftriebsgase entwickeln konnten.

Flußpferdschädel

Nun, dann hilft weiter nichts, wir mußten weiter. Zwei Mann tragen den jetzt nur noch etwa hundert Pfund schweren Schädel an einer Stange. Das Gebiß ist prächtig (Abb. 11). Die Stoßzähne sind handgelenkstark, und die beiden unteren Hauer reichten mir, als ich sie später herausnehmen konnte, um den Leib, wenn man Wurzel und Spitze zum Ring zusammenlegte.

Gegen zehn Uhr wurde hinten bei den letzten Trägern ein Nashorn (Diceros bicornis L., Abb. 12) hoch. Geräuschvoll wie eine[S. 63] Dampfmaschine pustend, jagte es an der Karawane entlang, lief auf uns bis auf vierzig Meter zu und schwenkte dann links ab, in der Hügellandschaft im hohen Grase verschwindend. Natürlich lagen wieder sämtliche Lasten auf der Erde. Wegen seiner Angriffslust ist es das von den Negern am meisten gefürchtete Tier. Man sieht es dem ruhig weidenden, plumpen Tier gar nicht an, welch behende Geschwindigkeit es entwickeln kann.

Nashorn

Die Hügellandschaft trat jetzt etwas mehr zurück, und das Gras wurde niedriger, so daß das verbreiterte Flußufer Salzsteppencharakter annahm. Gnus (Connochaetes taurinus Burch.), Hartebeeste und Zebras traten in kleinen Herden auf, und Rudel von Schwarzfersenantilopen äugten auf uns aus der Ferne. So blieb das Bild einige Tage, die Elefantenwechsel wurden spärlicher, und nur die Flußpferde blieben zahlreich wie zuvor. Ein heftiger Kopfschmerz hatte sich bei mir bemerkbar gemacht, und ein Ziehen im Kreuz und in den Beinen gab mir Gewißheit, daß sich Malaria eingestellt hatte. Unsere Vorräte waren aufgezehrt, wir waren schon am siebenten Tage unterwegs, statt, wie gerechnet, am fünften bis sechsten auf eine Ortschaft zu stoßen. Mein Kaffee war auch zu Ende, ebenso[S. 64] der Brot- und Mehlvorrat, und selbst das Petroleum zu meiner Reiselampe. Nur Reis war für mich noch für eine Mahlzeit vorhanden. Nachmittags nahm ich ein Gramm Chinin und abends ein zweites. Das Fieber ging nicht herunter und blieb auf neununddreißig Grad stehen, ab und zu etwas über vierzig steigend. Nachts erwache ich und nehme halb im Fieberwahn ein drittes Gramm Chinin. Das war auch für meine Pferdenatur etwas zu viel, und am Morgen sah ich die Bescherung, ich hatte mir ein Schwarzwasserfieber zugezogen, das zweite in Afrika, allerdings mit einem Zwischenraum von elf Jahren. Ich versuchte, auf dem Esel zu reiten, nach einer Stunde ging's nicht mehr. Nun heißt zwar bei Schwarzwasserfieber die erste Pflicht, ruhig liegen bleiben, ganz gleich, wo. Meine und meiner Leute Nahrungsmittelverhältnisse zwangen uns aber weiter. Ein paar Schritte machte ich, auf meinen Boy Saleh gestützt — es ging nicht mehr. Meine Soldaten machten aus meiner Zeltbodendecke eine Hängematte und trugen mich persönlich. Es ging so lange gut, bis das schon mürbe Segeltuch riß. Nun banden sie ihre Schlafdecken als Hängematte an eine Stange, aber bald löste sich auch dort das Gewebe auf, und es blieb nichts anderes übrig, als daß ich mehrere Strickpartien mir um Decke und Stange in kleinen Abständen legen ließ. Fest wie ein Bündel lag ich nun an die Stange angeschnürt. Das durch die Decke gemilderte Einschneiden der Stricke war noch zu ertragen, aber ich konnte mich nicht bewegen und die Tsetsefliegen nicht verjagen, die sich saugend auf Kopf und Gesicht niedergelassen hatten. Ich verlor bei dieser Tour mehrere Plomben aus den Vorderzähnen, wenn ich in Schmerz und Wut in die Decke biß.

Essen mochte ich im Lager nichts. Es gab nur gedörrtes Wasserbockfleisch und abgekochtes lauwarmes Ruahawasser. Von diesem zwang ich so viel in mich hinein, als mir ohne Brechreiz möglich war, um die mit Blut verstopften Nieren wieder zu spülen und arbeiten zu lassen. Einen Mann sandte ich voraus, um mir aus der unmöglich weit entfernten Ortschaft eine Papay (Baummelone) zu holen, koste es was es wolle. Spät am Abend kam er ergebnislos zurück, er brachte aber einen Fischer mit, den er mit zwei anderen Leuten getroffen hatte.

Nun konnte ich mich wenigstens über die Gegend orientieren. Die Ortschaften flußabwärts waren mehrere Tage entfernt, die auf[S. 65] der Karte angegebenen existierten nicht mehr. Ihre Bewohner waren flußabwärts gezogen, weil sie infolge der zahlreichen Elefanten, Nashörner und Flußpferde nie eine ordentliche Ernte einbringen konnten, sondern nur auf Fischfang angewiesen waren, um dann mit der geräucherten Ware spärliche Lebensmittel eintauschen zu können. Viel braucht der Neger nicht, aber dies war ihnen doch zu primitiv, und sie verließen diese Gegend schon lange, wie ich zu meinem Leidwesen hörte.

Die drei Fischer konnten uns keine Lebensmittel ablassen, denn sie hatten selber nichts außer Dörrfischen. Uns war es um Mehl oder Reis zu tun, da Fleisch und Fisch allein den Verdauungsapparat zu sehr anstrengt und auf die Dauer Darmkrankheiten hervorruft. Einer meiner Leute hatte einen wilden Bienenschwarm entdeckt, es war aber nur eine kleine Honigwabe drin von halber Handgröße, die anderen Waben enthielten Brut oder waren so wenig angefüllt, daß der Honig noch nicht herausfloß.

Am nächsten Tage bei den Fischern angekommen, bogen wir vom Ruaha links ab auf das Dorf Hobola zu. Nach sechsstündigem Marsche erreichten wir drei ganz primitive Hütten. Hier erhielt ich einige Stücke Maniok, den ich erst rösten ließ und heißhungrig verzehrte. Endlich am neunten Tage erreichten wir Hobola. Schon von dem Anblick der hübschen Hütten, zwischen denen zahlreiches Federvieh herumlief, kam ich wieder zu Kräften. Bald hatten die Leute gehört, daß wir ein paar Tage gehungert hatten und daß ich schwer krank sei. Sie schleppten in großen Mengen Süßkartoffeln, Maniok, Kürbisse, Zuckerrohr und Eier herbei, und es begann ein Schmausen meiner Leute bis zum nächsten Morgen. Ich selbst leistete auch darin Erhebliches und hielt meinen Koch bis elf Uhr nachts in Atem. Erst ließ ich mir Kürbissuppe machen, dann Süßkartoffeln rösten, dann solche kochen. Zwei große Portionen Rührei genoß ich in den Pausen und kaute dann noch eine Stange Zuckerrohr. Jedenfalls futterte ich mich in dieser einen Nacht völlig zu Kräften.

Neu gestärkt und wie zu neuem Leben erwacht ging es am nächsten Morgen vor Tagesanbruch weiter. Gegen elf Uhr erreichten wir das Dorf Kirengwe an der Straße Kissaki-Mahenge. Hier hatte ich mein Rad stehen lassen, und mit dem Gefühl »nur nach Hause«[S. 66] ließ ich meine Leute Lager machen und setzte mich selbst aufs Rad, um gegen einhalb ein Uhr in Kissaki zu sein.

Jedenfalls war ich der erste Europäer, der diese gänzlich unberührte Gegend durchquert hatte. Unser rasches Vorwärtskommen auf dieser unbewohnten Strecke verdanke ich meinen gut eingeübten Trägern, die mich schon monatelang auf Reisen begleiteten. Heute sind alle Mühseligkeiten vergessen, und gern erinnere ich mich dieser Reise, die mir so reichen Einblick in dieses Stück erhaltenen Dorados der Riesen aus der Urzeit gewährte.

Flußpferde (Hippopotamus amphibius L.).

Viele Reisende berichten aus Afrika, daß Flußpferde harmlose Tiere wären, die niemand etwas zuleide täten und den Menschen aus dem Wege gingen. Sie verurteilen auch die Jagd auf Flußpferde, erklären den Abschuß für unweidmännisch und möchten die Flußpferde von der Liste der zur Jagd erlaubten Tiere gestrichen wissen.

Ohne Zweifel haben sie teilweise recht. Es gab Leute, die sich Jäger nennen, sich an einen Wassertümpel setzten, in dem sich Flußpferde befanden, und die dann auf eins schossen, worauf die übrigen untertauchten. Vorsichtig kommt wieder ein Kopf aus dem Wasser, um Luft zu schöpfen; puff, wird auch er beschossen, das erste könnte ja nicht tödlich getroffen sein, und so geht's weiter. Am nächsten Morgen schwimmen dann zwanzig und mehr Leichen auf dem Wasser, der Rest ist ausgewandert. Ich spreche hier von häufig vorgekommenen Tatsachen. Solche »Jäger« haben aber gewöhnlich in Afrika zum erstenmal ein Gewehr in der Hand gehabt und halten sich nun für geübt, wenn sie eine Kugel aus dem Lauf lösen und einigermaßen richtig ans Ziel bringen können; Liebe und Interesse für Wild fehlt ihnen; die Natur selbst ist ihnen fremd. Sie gleichen den Engländern, die das Tontaubenschießen von Monaco und Ostende auf das Wild übertragen und mit ihrer Rekordwut die Kreatur zugrunde richten. Durch das neue Jagdgesetz, das für einzelne Bezirke eine Einschränkung vorsah, ist ihnen das Handwerk gelegt worden. —

[S. 67]

Die Erlegung von Flußpferden kann dem Jäger aber auch reine weidmännische Freuden bescheren. In den Gebieten, wo sich dieses riesige Wasserschwein mit der Kultur trifft und seines Feldschadens wegen häufig verfolgt wird, werden auch namentlich die älteren Bullen äußerst angriffslustig. Wer an der Wehrhaftigkeit zweifelt, braucht sich nur einmal einen alten Bullenschädel mit seinen gewaltigen Stoßzähnen und Hauern im Unterkiefer genau anzusehen (s. Abb. 11). Wie mancher Neger hat im Rufidji schon seinen Tod gefunden, weil ein bösartiger Bulle ein harmloses Kanu umstieß oder zerbiß. Mancher mir bekannte Europäer geriet durch Flußpferde, ohne daß er sie beschoß, infolge Kenterns seines Bootes in die Gefahr des Ertrinkens oder des Todes durch den Angriff eines Krokodils und wurde nur mit Mühe gerettet.

Aber nicht nur im Wasser können Flußpferde unangenehm werden, wie aus folgendem hervorgeht. Im März 1912 kehrten in Kissaki eines Abends zwei Neger von der Arbeit zurück. Es war gegen neun Uhr und ziemlich dunkel, wie meist in der Regenzeit. Kurz vor ihrem Dorfe sahen sie ein großes schwarzes Tier an der Straße stehen. Der eine der Männer klopft mit dem Stiele seiner Hacke an einen Baum, und im Augenblick werden beide angegriffen. Der eine entkommt, der zweite fällt auf dem schlüpfrigen Boden hin und streckt die Beine in die Luft. Schon hat ihn das Flußpferd erreicht und zermalmt ihm gänzlich den Unterschenkel. Es wurde erst durch das Geschrei der Dorfbewohner vertrieben. Da alle Wege tief voll Wasser standen, war eine Verfolgung durch Aufnahme der Fährte am nächsten Morgen ausgeschlossen.

Beim zweiten Falle erschien im Juli desselben Jahres ein alter Bulle mittags um 12 Uhr in einem Dorfe. Die Leute hörten das Laufen und glaubten, ein Europäer sei geritten gekommen. Als sie zu seiner Begrüßung aus ihren Hütten heraustraten, sahen sie ein Flußpferd laufen. Eine alte, schwerfällige Frau lief ihm in den Weg und erhielt einen solchen Hieb mit den Hauern, daß die Rippenpartie der linken Seite samt den Rippenknochen aufgerissen wurde.

Da ich dringend verreisen mußte, hatte ich selbst keine Zeit, die Verfolgung aufzunehmen, und schickte deshalb fünf Leute mit Gewehren ab, um das bösartige Tier, das sich seit längerem eine halbe Stunde abseits des Flusses in den Maisfeldern aufhielt, deren Hüter angriff und nur schwer zu verjagen war, unschädlich machen[S. 68] zu lassen. Angeblich hatten es die Leute beschossen. Es habe auch schwer vom Blatt geschweißt, trotzdem sei es entkommen. Den Mgetafluß habe es durchschwommen und sich stets auf dem trocknen Lande in Sicherheit zu bringen gesucht. Ich konnte diese Behauptungen wegen meiner dazwischenliegenden Abwesenheit nicht nachprüfen. Einige Zeit später, als das Flußpferd wieder gemeldet wurde, brachte es der Baumeister S., der die Station Kissaki baute, zur Strecke.

a. Die Jagd der Eingeborenen auf Flußpferde auf dem Njassasee.

Häufig hatte ich am Njassastrand in den frühen Morgenstunden oder auch am Tage, wenn der See wellenlos lag, die Umrisse der der Flußpferdjagd obliegenden Wakissi beobachtet. In Kanus, die sechs bis acht Leute fassen, stand am Bug der Harpunier mit der Harpune, die stets auf dem nach oben ausgestreckten Arm wagerecht gehalten wird. Immer folgte ein Kanu ohne Harpunier. Nie waren es aber mehr als zwei Kanus, die gemeinsam fuhren. Vom Land aus gelang es mir nicht, den Augenblick des Harpunierens zu erspähen, wohl aber sah ich mehrmals die Leute mit ihrer Beute im Schlepptau heimkehren und diese im seichten Wasser zerlegen.

Ende des Jahres 1902 konnte ich die Angst des Wakissihäuptlings Mandemera, daß mir ein Unfall zustieße und er dann dafür verantwortlich gemacht würde, besiegen und ihn breitschlagen, mich auf solche eigentümliche Jagd mitzunehmen.

Zunächst will ich kurz die Ausrüstung beschreiben. Die beiden Kanus boten Platz für vier bis sechs Personen, trugen aber im Notfall das Doppelte. Es waren ausgehöhlte Baumstämme, deren Öffnung oben breit genug war, daß ich, ohne mich seitwärts zu drehen, im Niedersitzen meine Hüften hineinbrachte.

Zu jedem Boot gehörten vier Mann mit dem am Njassa gebräuchlichen kurzstieligen Paddelruder (s. Abb. 13, rechts) mit lanzettlichem Blatt, das, ohne am Bootsrand aufgelegt zu werden, mit beiden Armen gehandhabt wird. Die Ruderer sitzen am Boden des Bootes mit vorgestreckten Beinen und bewegen nur den Oberkörper beim Rudern.

Die Harpune (s. Abb. 13, links) ist ein am Blatte oval geschmiedetes und haarscharf geschliffenes Eisen von 6 cm Länge und 4 cm[S. 69] Breite. Oberhalb des Blattes steht als Widerhaken ein eiserner Dorn von der Dicke und Länge eines kleinen Fingers, dann folgt eine mit einer Öse versehene Lasche. In dieser ist eine aus Hanffaser festgeflochtene Leine gut verknüpft. In die Lasche wird locker ein aus hartem, zähem Holz gearbeiteter, fünf Meter langer Schaft gesteckt, an dem die Harpune durch die an der Öse befestigte Leine festgezogen wird. Bei Lockerung der Leine trennt sich die Harpune sofort vom Schaft. Der Schaft von Handgelenkstärke wird durch monatelanges Liegen im Schlamm mit mehrmaligem Erhitzen über Feuer besonders schwer und wuchtig gemacht und wiegt dann gebrauchsfähig fünfunddreißig bis vierzig Pfund. Man muß die Harpunenführer bewundern, daß sie stundenlang dieses Gewicht auf dem erhobenen Arm balanzieren können. Die oben erwähnte Leine ist sechzig bis siebzig Meter lang und liegt sauber aufgerollt hinter dem Harpunenträger. Eine zweite ist zur Reserve vorhanden. Dann kommen auf jedes Boot noch zwei Dutzend starke Speere mit 30 Zentimeter langem, dreieinhalb bis vier Zentimeter breitem Blatt. Die Speere sind mit Blatt etwa 1,6 m lang.

Paddel und Harpune

An einem windstillen Morgen fuhren wir bei der ersten Dämmerung ab. Östlich von uns sah und hörte man schwach einige Flußpferde, die, aus der Lufiriomündung kommend, langsam in den offenen See zogen. Ich befand mich im Boot beim Harpunenträger — dem Häuptling Mandemera selbst — und hatte, weil ich von dieser Art Jagd noch nichts verstand und daher sonst passiv bleiben wollte, die Beaufsichtigung der Leine übernommen, um möglichst genau vom Bug aus beobachten zu können. Ich hatte bis auf Hut, Hemd und Hose alles abgelegt, um gegebenenfalls im Schwimmen nicht behindert zu sein, falls das Boot zum Kentern kam, was häufig vorkommen sollte. Außer uns beiden trug das Boot vier Ruderer. Das zweite Boot war ebenfalls mit vier Ruderern bemannt und[S. 70] trug noch einen Mann und einen Jungen. Jener sollte speeren, der Junge ihm Ersatzspeere reichen.

Klar grün schimmerte das Njassawasser. Es war so durchsichtig, daß man am Bug, ohne verzerrte Bilder zu bekommen, auf dem Sandboden jedes Steinchen schimmern und jeden Fisch schwimmen sah. Der See mochte fünf Meter tief sein, wie ich mich belehren ließ. Mandemera bestimmte die Tiefe nach der Farbe des Wassers. In einem Kilometer Abstand von den Flußpferden fuhren wir zunächst zu diesen parallel. Dann wurde ein Bogen geschlagen, der die Tiere zwischen uns und das Land brachte. Da sich auch die Flußpferde gleichzeitig vom Ufer entfernten, waren wir etwa 6 Kilometer weit draußen im See. Nun warteten wir mit eingezogenen Rudern. Oft war von den Flußpferden nichts zu sehen. Sie schwammen unter Wasser; näher und näher kamen sie. Erst sah man eine Fontäne zerstäubten Wassers aufsteigen, dann erst hörte man den prustenden Ton, der durch das Ausstoßen der Luft verursacht wird. Auf 150 Meter waren sie jetzt an uns herangekommen. Es war 7 Uhr morgens. Nun suchten sie seitlich auszubiegen, da sie wohl die feindliche Absicht witterten. Unsere Ruderer traten in Tätigkeit, und Mandemera stellte sich in Positur, wie ich sie so häufig vom Land aus beobachtet hatte. Das zweite Boot fuhr in drei Meter Abstand eine halbe Bootslänge hinter uns. Nun waren wir heran. Zehn Meter vor uns tauchte der Wassersprudel auf. Dann hob sich das Tier mit halbem Körper aus dem Wasser und versank lautlos. Es waren vier Flußpferde. Mandemera hatte es auf das letzte abgesehen. Er schien es unter Wasser genau im Auge zu haben, ich konnte nichts sehen, da ich saß. Da tauchte vor uns in fünf Meter Entfernung die Nase auf und war auch schon wieder unter Wasser.

Flusspferdjagd

Jetzt sah auch ich das Tier unter Wasser. Ganz rosig durchscheinend schimmert seine Haut, ganz verschieden von dem sonstigen bräunlichen Ton. Nun tauchte es zwei Meter seitwärts vor uns auf, sofort wendeten unsere Boote. Wieder schwamm es unter uns. Es schien mir greifbar nahe. Mandemera sagte, ohne seine Stellung zu verändern, es schwimmt zu tief. Wohl eine Stunde folgten wir dem Flußpferd und bewegten uns kreuz und quer fahrend dem Lande zu. Wir waren nur noch etwa vier Kilometer vom Strand entfernt und die anderen Flußpferde weit draußen im See. Mandemera sagte mir, ich stoße nur, wenn es nach[S. 71] oben schwimmt, um Luft zu holen. Dies geschah alle drei bis fünf Minuten. Wie mir schien, verpaßte der Häuptling gute Momente. Plötzlich sah ich, wie Mandemera die Spitze der Harpune langsam senkte. »Gib auf die Leine acht!« rief er mir zu. Das Flußpferd tauchte auf, wieder hatte er nicht gestoßen, und ich fing an, ungeduldig zu werden. Jetzt erhob er sich auf den Zehen, und die Harpune mit beiden Händen fassend stieß er zu (Abb. 14). Ich spähte über den Rand und sah, wie sich das Flußpferd im Wasser überschlug. Indem ich hastig die Leine abwarf, sah ich, wie Mandemera jetzt den harpunenlosen Schaft in der Rechten hielt und durch die Linke die Leine gleiten ließ. Halb links waren wir über das Flußpferd hinweggefahren.[S. 72] Jetzt tauchte es auf, etwa 10 Meter rechts von uns, seine Wasserfontäne war hellrot vom Schweiß. Rückwärts fahrend hatte Mandemera den Harpunenschaft abgelegt und ließ sich von mir einen Speer reichen. Ungefähr zwei Drittel der Leine waren abgelassen. Mandemera faßte sie jetzt straff und sagte zu mir »festhalten«; schon merkte ich das Reißen des flüchtenden Tieres. Ich spreizte meine Knie, um fest im Boot zu sitzen, und ließ die Leine am Bootsschnabel aufliegen. Tief neigte sich dieser nach dem Wasser; obwohl die Ruderer Gegengewicht gaben, nahmen wir doch Wasser über, das ein Mann eilig mit einem halben Flaschenkürbis ausschöpfte. Vierhundert Meter hatten wir so in schneller Fahrt, vom Flußpferd gezogen, zurückgelegt, das zweite Kanu hielt sich an unserem Boote fest. Mandemera und ich hatten scharf zu halten, weil wir die Last beider Boote schleppten.

Plötzlich wird die Leine schlaff und, den ganzen Kopf außer Wasser, kommt das Flußpferd laut brüllend auf uns zu. Mir wurde beklommen zumute. Mandemera ging wieder an die Spitze des Bootes, und die Ruderer ruderten mit Kraft rückwärts. Jetzt ist das Tier so nahe, daß ich im Geiste schon unser Boot splittern sehe. Da hat es Mandemeras Speer im Rachen, es schüttelt wütend den Kopf und beißt zu, der Speerschaft zersplittert. Rasch reiche ich Mandemera den bereitgehaltenen zweiten Speer. Er kommt aber nicht mehr zum Stoßen, denn das zweite Kanu kam heran, und blitzschnell hatte sein Speerträger zweimal zugestoßen. Das Flußpferd warf sich hintenüber, etwa wie der Stier den Kopf hochwirft, auf den Schmerz reagierend, wenn er die erhoben gehaltenen Banderillos in den Nacken empfängt, so daß der Torero Zeit hat, zu entfliehen. Schon ist es wieder an der Oberfläche. Die Ruderer leisten Fabelhaftes im schnellen Wenden und Vor- und Rückwärtsfahren. Blutiger Schaum breitet sich auf dem Wasser. Mehrmals noch haben die Speerhalter beider Boote Gelegenheit, zuzustechen, die Bewegungen des Tieres werden matter, die Speerstiche bei jedem Auftauchen häufiger und tiefer. Jetzt ist das Flußpferd wieder oben, es liegt halb auf der Seite. Mandemera sticht so heftig zu hinters Blatt, daß er ins Wasser springen muß, der Speer bleibt stecken. Noch einmal bäumt das Tier auf, uns mit flockigem Schweiß übersprühend, dann sinkt es langsam weg. An der Leine wird es bis an die Oberfläche geholt und noch ein Strick an sein Bein gebunden. Dann werden beide Stricke am Boot[S. 73] festgemacht. Das andere Boot legt sich uns vor. Mandemera und ich halten es mit den Händen fest und, das Flußpferd im Schlepptau, geht's dem Lande zu. Gegen elf Uhr hatten wir wieder Boden unter den Füßen. Die Beute lag drei Meter vom Strand entfernt im See, weil wir sie im seichten Wasser nicht weiterziehen konnten. Es war ein junger Bulle. Das ganze Dorf hatte sich schon versammelt mit Messern und Körben, um das Fleisch abzuholen. Ich sah mir zunächst die Speerstiche an, die zehn Zentimeter breit waren. Vergeblich versuchte ich, einen Speer durch die Haut zu stoßen. Sie federte wie Gummi, und zum Schluß hatte ich das Blatt ganz verbogen. Es scheint bei der Anwendung dieser Waffe, die ich in ihrer Weichheit mit den Händen fast wieder gerade biegen konnte, mehr Geschicklichkeit als Kraft nötig zu sein. Dann ließ ich mir die Harpune herausschneiden, um zu sehen, wie sie saß. Fünfzig Zentimeter weit war sie seitlich in den Nacken gedrungen und hing mit dem Widerhaken am Kehlkopf. Vor dem Zerlegen ging ich nach Hause. Meine Nerven erschlafften stark nach der aufregenden Anspannung, und ich habe auch keine weitere Mitwirkung an derartiger Jagd angestrebt, obwohl sich mir späterhin mehrfach Gelegenheit bot, d. h. die Leute keine Angst mehr hatten, mich mitzunehmen, da diesmal die Sache gut abgelaufen war. Ein Gewehr hatte ich deshalb nicht mit ins Boot genommen, weil ich zu damaliger Zeit nur eine gute Waffe besaß, die ich nicht verlieren wollte, falls das Boot kenterte, wie mir vorher ausgemalt wurde. Sonst hätte ich dem Tier bald den Fangschuß gegeben, nachdem es an der Harpune saß — es hat eben nicht jeder eine Negernatur —, Gelegenheit hätte ich dazu gehabt.

b. Flußpferde im Rikwasee.

Gegen Ende des Jahres 1907 hielt ich mich einige Wochen am Rikwasee (Abb. 1) auf. Die Gegend ist recht spärlich bewohnt, wegen der sehr geringen Regenfälle unfruchtbar und sehr, sehr heiß. Groß ist dagegen der Wildreichtum, und in den Mittagsstunden ist stellenweise nichts zu sehen vor dem Staub der sich wälzenden Zebras und der herumgaloppierenden Hartebeeste, denen das Brackwasser des Sees und das Gras der Salzsteppen so vorzüglich bekommt, daß ich nie wieder Tiere in solchem Ernährungszustande sah wie dort. Das Wasser ist belebt von Scharen von Watvögeln. Rosa und weißen[S. 74] Wolken gleich fliegen unzählige Flamingos und Pelikane über das Wasser, das großen Fischreichtum — allerdings vorwiegend wenig schmackhafte Welse — beherbergt und außerordentlich viel Schildkröten und Krokodilen zum Aufenthalt dient.

Flußpferde sind im Verhältnis zu anderem Wild nur wenige vorhanden, Nashörner wechseln ganz selten vorbei, und Elefanten durchschreiten den See nur alle Jubeljahre einmal. Nur einmal sah ich drei Elefanten mitten im See stehen. Ich hielt sie erst für Flußpferde, da sie nur etwa eineinhalb Meter über dem Wasserspiegel sichtbar waren, und dann betrug auch die Entfernung einige Kilometer.

Nach Westen zu ist der See in der Trockenzeit für Fußgänger durchschreitbar, südlich ist das Wasser so flach, daß man nach sechshundert Metern vom Ufer nur bis an die Knie im Wasser steht. Im Osten sind die Ufer versumpft durch den einmündenden Songwefluß, und nur im Norden fallen die Ufer steil ab.

Mir war neben anderen Nahrungsmitteln Butter und Fett ausgegangen. Von den Fettschwanzschafen hatte ich nur noch eins, dessen »Fettschwanz« leider seine Rasse Lügen strafte und nur als schlaffer Hautlappen herunterhing. Meine Mahlzeiten wurden täglich miserabler. Der Koch gestand sein Unvermögen, ohne Fettstoffe Abwechslung in die Küche zu bringen, und ich mußte ihm in dieser Beziehung recht geben. Ein Pumpversuch bei den Mönchen der »Weißen Väter« in Galula zeitigte eine Flasche Erdnußöl, mehr konnten sie wegen eigener Ebbe nicht entbehren. Was sollte ich mit diesem »Tropfen auf den heißen Stein« anfangen? Da fiel mir ein, daß ich im Kolonialkochbuch gelesen hatte, »der Speck des Flußpferdes ist sehr wohlschmeckend und in den Tropen bekömmlicher als Schweinespeck,« es standen da allerdings auch noch andere Sachen drin, wie »Affenrücken zuzubereiten« — brrr, mich schüttelte es, — aber versuchen konnte man es immerhin. Ich lagerte in Kadabula und hatte sowohl an die Süd- wie an die Ostseite zwei gute Wegstunden bis zum See. Rasch ließ ich Pferd und Maskatesel satteln und machte mich in Begleitung meines Pferdejungen auf den Weg. Die Südseite, die ich für die aussichtsloseste hielt, entsprach meinen Erwartungen. Mit dem Glas sah ich im Osten des Sees mehrere Flußpferde im Wasser spielen. Also gut, nach Osten. Zwei Kilometer vor dem See mußte ich Pferd und Esel zurücklassen, da das Gelände sumpfig[S. 75] wurde. Zahlreiche Moorantilopen, die Ricken in Sprüngen, die älteren Böcke einzeln, sprangen knätschend im Sumpfboden ab. An Wildbret lag mir nichts, meine Trophäen wiesen gute Stücke auf,[S. 76] und aus diesem Grunde schoß ich nicht; sodann wollte ich mir auch die Flußpferde nicht vergrämen.

Eine filzige Rasendecke bedeckte den Sumpf. Wie auf Eiern lief ich vorwärts. Bei jedem Stehenbleiben spülte Wasser um meine Schuhe, und die Rasendecke zitterte bei jedem Schritt mehrere Meter im Umkreis. Einigemal trat ich durch und zog den Fuß bis übers Knie mit grauem Schlamm bekleistert wieder heraus. Als ich erst ordentlich eingeschlammt war, kam ein Gefühl der Gleichgültigkeit dagegen auf. Eine dünne Binsenlinie versperrte mir noch den Ausblick auf den See. Endlich hatte ich sie überschritten, aber wo waren die Flußpferde? Mehr als sechshundert Meter draußen im See. Überall standen Krokodilköpfe auf dem Wasser, und ab und zu schwamm ein Krokodil vorbei, den zackigen Rücken und Schwanz außer Wasser. Sollte ich weiter ins Wasser hineingehen? Die Krokodile sind hier sehr friedlich, da sie überreich Fischnahrung haben und von Menschen wenig belästigt werden. Ich versuchte es, aber nach dreißig Metern ging mir das Wasser schon bis an die Hüfte, und ganz vertrauenerweckend war mir die Nähe der Krokodile doch nicht. Unverrichteter Sache kehrte ich wieder um, denn ich sagte mir: Schieße ich wirklich ein Flußpferd, wer holt es mir heraus? Da ich das Fett für den Tisch verwerten wollte, mußte es wenigstens frisch geborgen werden, ehe Zersetzungsgase den Auftrieb besorgten.

Sultan und sein Minister

Zu Haus fragte ich den Sultan Mwen Iwunga (Abb. 15), ob er mir nicht sein großes Kanu zur Verfügung stellen könnte. Er behauptete aber, das Befahren des Sees wäre nur in der Regenzeit möglich, wenn der Songwe hoch sei, jetzt wäre durch die verschilfte Mündung nicht durchzukommen. Wenn ich Flußpferde schießen wollte, müßte ich abends gehen oder zeitig vor Tagesanbruch, da wären sie an Land. Früher, wo er noch rüstig gewesen sei, hätte er es immer so gemacht und Erfolg gehabt. Also ritt ich abends wieder hin und fand die Flußpferde genau so weit draußen, wie am folgenden Morgen. Sie mußten erst spät in der Nacht aussteigen und nicht sehr lange äsen. Der Mond war aber noch zu klein, um nachts schießen zu können.

Gekochtes Wildfleisch und Reis, das ich früh, mittags und abends vorgesetzt bekam, konnte ich aber kaum mehr sehen und riechen.

Nach fünf Tagen hatten wir endlich Vollmond. Elf Uhr nachts war ich wieder an Ort und Stelle und zitterte förmlich vor Aufregung,[S. 77] daß die Flußpferde vielleicht an einer entfernteren Stelle aussteigen könnten. Ich nahm meinen Fährtensucher mit, um jemand bei mir zu haben. Kaum waren wir am Wasser angekommen, so hörten wir ein Rauschen; es wurde still, dann rauschte es wieder. Nun können wir auch sehen. Drei Flußpferde kommen aufs Land zu. Sie haben schon Grund und den halben Leib außer Wasser. Alle paar Schritt bleiben sie stehen. Jetzt sind sie nur noch hundert Meter entfernt, jetzt noch vierzig. Wir wollen sie erst aussteigen lassen, und ich will dann möglichst nahe herankriechen, da ich trotz des hellen Mondes schlecht zielen kann.

Flußpferd

Kaum liegen wir hinter einem ausgesuchten Grasbüschel, so legen die Flußpferde die letzten vierzig Meter in ziemlichem Eiltempo, das Wasser aufrauschen lassend, zurück und sind am Land. Sie sinken bis an den Bauch im Sumpf ein und fangen sofort lebhaft, fast gierig an zu äsen. Silbern glänzen die feuchten Leiber im Mondlicht. Vorsichtig schiebe ich mich zwischen den Binsen entlang. Ich war schon zu weit gekrochen, nur ein Meter trennte mich vom mittleren Tier. Indem ich mich seitlich zurückschob, hoffte ich, daß das Flußpferd bald durch eine kleine Lichtung in den Binsen hindurchkommen würde. Nun erschien der Schädel, und nun der[S. 78] Körper. Zwei Meter war ich von ihm entfernt und ließ fliegen, aufs Blatt abkommend. Im Augenblick war ich auch aufgesprungen und von dem an mir vorbeirasenden Tier wieder hingeworfen worden. Als ich hoch kam, sah ich es bereits zusammenbrechen. Da pustete das letzte Flußpferd heran. Ich trug ihm einen Schuß an und lief dann in vier Meter Abstand neben ihm her und feuerte im Laufen noch dreimal. Es hat das Wasser erreicht; nun taumelt es und tut sich noch hart am Ufer nieder (Abb. 16). Das Nebenherlaufen war übrigens gar nicht so einfach. Bei jedem Schritt trat ich tief in den Sumpf, und es muß ein komisches Bild gewesen sein, wie ich meine Sätze machte und immer den hinteren Fuß aus dem Sumpf ziehen mußte. Dem Flußpferd ging es aber auch nicht besser. Am nächsten Morgen bezeichnete eine tiefe Rinne die Schleifspur seines Bauches; zu beiden Seiten standen die Löcher voll Wasser, wo es tief eingetreten war.

Die Moskitos hatten mich ganz eklig zugerichtet, und meine Augenlider waren von den Stichen dick verschwollen. Einen jungen Bullen und eine sehr alte Kuh hatte ich zur Strecke gebracht. Speck hatte der Bulle gar keinen und die Kuh nur ganz wenig. Mit dem Bauchfett zusammen schmolz mein Koch nur etwa vierzig Pfund daraus. Geschmeckt hat's übrigens ganz leidlich, ich war aber auch lange genug für den Genuß vorbereitet und hätte auch übleren Sachen einen guten Geschmack abgewonnen.

c. Der alte Gomerobulle.

Ich hatte durch nächtliches Arbeiten meine Nerven etwas überanstrengt und konnte wieder einmal nicht einschlafen. Um nicht schlaflos im Bett liegen und naß zu schwitzen, lief ich auf meiner Veranda auf und ab und rauchte dann im Dunkeln im Klubsessel liegend noch eine Zigarette. Fortwährend hörte ich vom Gomeroflusse her das Schrecken von Buschböcken, und ich beschloß, mich am künftigen Tage, da ich gerade den Strich unter eine größere Arbeit gemacht hatte, selbst zu belohnen und auf einer kleinen Streife am Gomero, der nur zwei Kilometer entfernt war, durch körperliche Anstrengung die Nerven wieder in das richtige Gleichgewicht zu bringen. Buschböcke sah ich zwar keine, dafür aber eine außerordentlich starke Flußpferdfährte. Nach zwei Stunden Folge durch[S. 79] übles Dickicht verlor ich die Fährte und kehrte mit zerrissenem Anzug und auch nicht ganz heiler Haut heim.

Heisse Wasserquellen

Öfter, wenn ich in der Richtung auf die heißen Quellen (Abb. 17) den Gomero überschritt, um für meine Küche einen Wasserbock oder ein Hartebeest zu holen, traf ich diese alte Fährte wieder, so daß ich zu der Überzeugung kam, der alte Einzelgänger hat dort sein Standquartier. Ideal genug dazu war ja die Gegend. Dichtestes Phönixpalmengebüsch und schwerer Busch, der dicht mit Lianen bewachsen war, gab selbst bei heißester Sonne kühle Verstecke. Grünes Gras war am und im Gomero das ganze Jahr hindurch vorhanden. So zog ich denn eines Tages aus, um ausschließlich auf den alten Burschen zu pirschen. Leicht stieß ich auf die Morgenfährte, folgte ihr zum Flußbett und fand, daß mein Freund nur Wasser eingenommen hatte, indem er sich nur einen halben Meter ins Wasser begab. Schon früher hatte ich festgestellt, daß er seinem Namen wenig Ehre machte und das feste Land gegen das feuchte Element bevorzugte. Bald begann eine üble Kriecherei im dichtesten Gebüsch. Zahlreiche Phönixstacheln waren schon in meiner Haut abgebrochen, und der Schweiß badete mich förmlich. Ich trug mein Gewehr selbst, da mir mein Boy Raschid, den ich an Stelle des erprobten Saleh mitgenommen hatte, nicht zuverlässig genug war. Immer mußte ich auf diesen Rangen von Boy warten, da er wegen der Dornen[S. 80] für seine Haut überängstlich besorgt war. Jetzt finde ich Urin, der noch im Schaum steht, etwas weiter Losung, die noch tropft; da geht auch schon ein Getöse los, das mich schleunigst das Gewehr entsichern läßt. Ehe ich es aber noch auf den für einen Augenblick sichtbaren Hautfleck in Anschlag bringen kann, bricht der Bulle durchs Dickicht und reißt ganze Wände Lianen mit sich, die mir das Gesichtsfeld versperren und mir Arme und Gewehr nach unten drücken. So schnell wie möglich ging ich ihm nach; das Brechen entfernte sich immer weiter von mir.

Es wird freier, und ich hoffe, bei besserem Ausblick den Bullen irgendwo verhoffend zu sehen. Statt dessen wechselt er im Gelände mit grobem Kies, wo er auch nicht die geringste Fährte hinterläßt. Einen Bogen schlage ich noch, als ich auch dann nichts finde, gehe ich mißmutig heim.

Häufig wiederholen sich die Pirschen, die ich auf den alten Bullen unternahm, aber stets mit gleichem Erfolg. Niemals traf ich ihn noch äsend, und stets hatte er sich in undurchdringlichem Dickicht niedergelassen und nach Art alter schlauer Büffel vor dem Niedertun einen Haken geschlagen, war parallel neben dem Wechsel zurückgekehrt und hatte sich ganz knapp an der Fährte in guter Deckung niedergetan. Er mußte also stets rechtzeitig durch Wind und Geräusch gewarnt werden.

So oft ich es auch versuchte, ich kam nie zum Schuß. Weidlich wurde ich mit »meinem« schlauen Bullen geneckt, ein ganzes Jahr lang konnte ich seiner nicht habhaft werden.

Doch auch ihn ereilte schließlich sein Schicksal. Von Hobola kommend, nahm ich eines Tages im Januar 1914 meinen Weg durch Busch und Steppe, da ich einesteils den Fußweg so oft gegangen war, daß ich ihn langweilig fand. Andernteils macht frisches niederes Gras und ein in der Nacht gefallener Regen den Boden so geeignet zum Fährtenlesen wie ein Neuschnee in Europa. Ich wurde auch reichlich belohnt und wußte bald, welche Wildarten und in welcher Zahl sie sich in diesem Gebiet aufhielten. Beim Durchschreiten des trockenen Oberlaufes des Gomeroflusses flogen seitlich erst zwei Schattenvögel (Scopus umbretta Gmel.) und dann einige Ibisse auf. Wie! Jetzt hier Wasser! denke ich und folge dem Flußbett. Richtig, eine ganze Strecke lang steht Wasser in dem lehmigen Bett. Fährten von Elefanten mit Kälbern und Rhinozerossen zeugten von[S. 81] häufigem Besuch der Wasserstelle, und da, was sehe ich, auch die unverkennbaren Fußabdrücke meines langgesuchten Flußpferdbullen.

Da das Flußbett einen Bogen macht, den ich im Bett stehend nicht übersehen kann, klettere ich am Ufer hoch und komme auf einen mit dem Fluß parallel laufenden Elefantenwechsel, dem ich folge. Als sich mir der nächste Ausblick auf das Wasser bietet, sehe ich endlich den Langgesuchten im seichten Wasser ruhen. Kreuz und quer ist sein mächtiger Rücken von vielen tiefen Narben bedeckt, die davon Zeugnis ablegen, daß er zahlreiche Kämpfe mit seinesgleichen im Werben um das Weibchen bestanden hat. Leichtere Narben deuten darauf hin, daß bei seiner Vorliebe für das Leben auf dem Land in kaum durchdringbaren Dickichten beim Eindringen in diese mit ungestümer, machtvoller Kraft seine Haut von zersplitternden Ästen ganz durchpflügt wurde. Ganz versunken in seinen Anblick stehe ich da und sehe vom hohen Ufer in sechs Meter Entfernung auf ihn herab. Das Wasser muß ziemlich seicht sein, denn er scheint zu liegen, und der Rücken ist mehr als einen Meter außerhalb sichtbar. Nun fangen seine Lauscher an zu spielen, und das blutunterlaufene Weiße in den Lichtern wird sichtbar. Langsam erst schiebt er sich vorwärts, nun springt er auf und rast davon, daß das Wasser hoch aufwirbelt. In seine Fluchtrichtung kann ich nicht schießen, da dichtes Zweiggewirr hinderlich ist. Also zurück auf den Elefantenwechsel, auf dem ich in eiligem Lauf vorwärts stürme, um ihm weiter oberhalb den Weg abschneiden zu können. Mein Boy Saleh, der zehn Meter vor mir lief, ruft mir zu: »Hierher, Herr — ein Ausstieg, er muß gleich da sein.« In ein paar Sätzen bin ich dort, springe auf den alten, tiefausgetretenen Wechsel, der von zur Tränke ziehenden Elefanten getreten war, hinab, schlage an, für einen Augenblick den Atem aussetzend wegen der Bewegung der hastig arbeitenden Lungen, die sich dem Körper mitteilt, und trage dem Bullen einen Schuß in den Nacken an. Für Sekunden ist er vom Anprall des 11,2-Geschosses betäubt; ich stehe jetzt einen Meter vom Wasser entfernt. Da faßt er auch schon am Ufer Fuß; eine Gewehrlänge trennt uns. Gerade als er den Körper krümmt, um sich hinten kräftig abzustoßen, damit er ganz aufs Land kommt, wobei er den Schädel tief senkt, gebe ich ihm, fast mit dem Gewehr sein Auge berührend, den zweiten Schuß. Ich taumle einen Schritt rückwärts, da ich schlecht Fuß gefaßt hatte und der Rückstoß von 5,5[S. 82] Gramm Blättchenpulver ziemlich bedeutend ist, und sehe meinen Bullen langsam ins Wasser zurücksinken. Kurz ist sein Todeskampf, und die Beine rudern langsam im Schlamm.

Zur Erinnerung mache ich eine photographische Aufnahme. Mein Boy Saleh plagt mich, auch mit dem Flußpferd photographiert zu werden, da er so oft vergeblich auf seiner Fährte mitgelaufen sei, und ich willfahre ihm.

Den Schädel nehme ich als Trophäe mit, um ihn später in meinem Jagdzimmer in Deutschland aufstellen zu können. Rasch lasse ich die Fleischteile zur Erleichterung des Transportes herunterschneiden. Leider essen meine Leute als Mohammedaner das Fleisch nicht; ich schicke deshalb Nachricht auf eine Pflanzung, wo Wangonis aus dem Ssongeabezirk arbeiten; bald kommen sie auch in Scharen an, um sich diesen seltenen Leckerbissen zu holen.

Doppelt freute ich mich über meinen Erfolg, da ich häufig vorher mit meinem sagenhaften Bullen geneckt worden war, und nun den Beweis erbrachte, daß Ausdauer und Festhalten am erstrebten Ziel auch auf der Jagd zum Schluß reichlich für die gehabte Mühe entschädigt.

Auf Elefantenfährte.

In früheren Jahren, als das berufsmäßige Elefantenjagen in Deutsch-Ostafrika noch gestattet war, hielten sich stets mehrere Jäger im Kissakigebiet auf, da dort besonders starke Bullen aus den früher errichteten Jagdschutzreservaten Mohorro und Mahenge herüberwechselten. Durch das Jagdgesetz von 1911, nach dem die Erlaubnis zur Elefantenjagd an den Besitz eines großen Jagdscheines gebunden war, mit dem nur zwei Bullen mit einem Einzelzahngewicht von über fünfzehn Kilogramm erlegt werden durften, hörte das unsinnige gewerbsmäßige Schießen auf diese Denkmäler der Urzeit auf. Nur Leute, die aus Lust an der Jagd und nicht aus schnöder Geldgier diesen gewaltigen Dickhäutern zuleibe rückten, kamen zu ihrem Recht.

Zeitweilig kamen die Elefanten (Abb. 18) so zahlreich, daß sie ernsten Schaden in den Feldern der Eingeborenen anrichteten. Namentlich wenn die Hirse zu reifen begann, weideten sie so viel ab und zertraten noch mehr, daß die Eingeborenen die ganze Nacht in den Feldern saßen, Feuer unterhielten und auf Blechen rasselten; aber[S. 83] auch der Elefant gewöhnt sich schließlich an alles. Ich versprach dann den Eingeborenen, ihnen beizustehen; sie möchten mich nachts wecken, wenn Elefanten aus ihren Feldern nicht zu vertreiben wären.

Elefant

Schon in der folgenden Nacht ließ mich der alte Häuptling Nderange rufen. Ich setzte mich bei klarem Mondschein mit der Elefantenbüchse aufs Rad und fuhr bis an das heimgesuchte Feld. Nderange empfing mich an seinem Felde, und beim Stillstehen hörten wir die Elefanten deutlich an verschiedenen Stellen in der Hirse brechen. Klarer Vollmondschein überflutete die Landschaft, so daß man dabei lesen konnte. Probeweise zielte ich und konnte bei bestimmter Beleuchtung des Silberkorns gut Ziel nehmen. Nun kam auch mein Boy Saleh nach, der es sich als »Hans Dampf in allen Gassen« nicht nehmen lassen wollte, mit dabei zu sein; auch einer meiner Aufseher, »Kofia mbaya«, ein Soldat a. D. der Schutztruppe, fand sich noch ein. Nderange trug einen alten Vorderlader, den er, wie er mir versicherte, mit Elefantenladung versehen hatte, d. h. er hatte so viel Schwarzpulver eingestopft, daß der sonst mit der Mündung gleich lange Ladestock um vier gespreizte Finger herausstand. Ich bat ihn, wenigstens nicht in meiner allzugroßen Nähe seine Donnerbüchse loszulassen. Gern war er damit einverstanden, seinen Schuß aufzuheben für den Fall, daß ich einmal nicht kommen könnte.

[S. 84]

Nderange führte, dann folgte ich, dann Saleh, und den Schluß machte Kofia mbaya, dem ich zu meiner eventuellen Unterstützung meine 9,3-Büchse anvertraut hatte. Kaum ein paar Schritt in der Hirse war es so dunkel, daß man nicht weiter als drei Meter sehen konnte. Vorsichtig gingen wir weiter auf die Brechgeräusche zu und vermieden ängstlich, die 5½-6 Meter hohen, über daumenstarken Hirsehalme zu knicken, da sie laut prasseln, etwa wie trockenes Schilf beim Brechen.

Bald konnten wir drei getrennt brechende Elefantengruppen unterscheiden und gingen, jetzt ich mit der Büchse vornweg, auf das uns zunächstliegende Geräusch zu. Ich hatte die Absicht, einen Elefanten zur Strecke zu bringen, um dadurch die anderen bis zur Hirseernte zu vergrämen. Ich mußte mein Vorhaben nachts ausführen, da die Elefanten tagsüber nicht in die Felder kamen und sie nur auf diesen vom Eigentümer des Feldes oder von ihm beauftragten Dritten zur Schadenverhütung erlegt werden durften. Das Elfenbein fiel dabei dem Fiskus zu, falls der Schütze nicht über einen großen Jagdschein verfügte oder die beiden erlaubten Elefanten schon erlegt hatte. Nun waren wir nur noch etwa dreißig Meter entfernt und hörten deutlich nach jedem Rupfen die Kaugeräusche und dann wieder ein kurzes Brechen, das besagte, daß der Elefant — wir hatten vermutet, daß uns nur einer gegenüberstand — den Körper wendete oder einen Schritt vorwärts ging. Durch Zeichen bedeutete ich meinen Begleitern, mehrere Schritt Abstand zu nehmen, um uns beim Ausweichen, wenn der Elefant nach dem Schusse die Richtung auf uns zu nehmen sollte, nicht gegenseitig anzurempeln und zu hindern. Ich vermied jedes Geräusch und pirschte mich auf etwa zehn Meter heran. Vom Elefanten war nichts zu sehen. Deutlich hörte ich, wie er sich löste und kaute. Eine halbe Stunde verharrte ich in dieser Stellung, ohne daß eine Änderung eintrat, die mir einen Schuß gestattet hätte. Es wäre leichtsinnig gewesen, näher heranzugehen, da ich im Halmgewirr der Hirse nicht hätte ausweichen können. Nderange schlich sich an mich heran und sagte mit Tränen im Auge: »Meine Hirse, meine Hirse, schieß doch, Herr!«

Ich winkte Kofia mbaya und ließ mich von ihm hochheben, indem er seinen Kopf zwischen meine Beine steckte. Auch jetzt sah ich nur hin und wieder vom Elefanten bewegte Halme, von ihm selbst[S. 85] nichts. Als ich wieder stand und mir sagte: »Bäume, die einen Überblick gewähren, sind nicht in der Nähe,« blieben mir nur zwei Möglichkeiten — unverrichteter Sache umzukehren oder aufs Geratewohl zu schießen.

Mit Rücksicht auf Nderange tat ich das letztere. In der Richtung der Kaugeräusche schlug ich an und rechnete dabei auf 3-1/2 bis 4 Meter Höhe. Das Silberkorn konnte ich nicht von der Laufschiene, die schwach glänzte, unterscheiden. Deutlich hörte ich einen harten Kugelaufschlag und dann ein prasselndes Getöse des gegen den Wind losbrechenden Tieres, dem sich die uns entfernt stehenden Elefanten schrill trompetend anschlossen. Die Fährte belehrte uns nach ihrer Größe von sechsundvierzig Zentimetern Durchmesser der Vordersäulen, daß wir einen mittleren Bullen vor uns gehabt hatten. Wie aber sah der Teil des Feldes aus, auf den wir jetzt hinaustraten? Auf fünfzig Meter im Geviert war alles niedergetrampelt. Wir folgten der Fährte des Bullen, bis er sich mit den anderen vereinigt hatte. Aus der Ferne hörten wir die Flüchtlinge noch zweimal trompeten. Im Mondlicht war jedoch nirgends Schweiß zu entdecken. Daß er bei dem von mir verwendeten 11,2-Geschoß mit Antrieb von 5,5 Gramm rauchlosem Pulver nur gering sein konnte, wußte ich, da sich die fettunterlegte Schwarte wie Gummi wieder zusammenschiebt und nur knappen Schweiß austreten läßt. Es machte sich bei mir die Überzeugung geltend, daß der von uns gehörte Kugelaufschlag ebensogut durch Hirsehalme hervorgerufen worden sein könnte. Eine weitere nächtliche Folge war zwecklos, und so befahl ich Kofia mbaya, am nächsten Morgen einmal nach Schweiß zu sehen und zwei bis drei Stunden der Fährte zu folgen, wenn er aus den sich ergebenden Umständen ein Krankschießen vermutete. Als Mhehe-Neger (Wahehe) verfügte er über gute Jägerinstinkte, hatte auch als Kind seinen Vater häufig auf Elefantenjagd begleitet.

Die Löwen machten ein recht lautes Konzert. Ich wollte Saleh nicht allein gehen lassen und ließ ihn deshalb mein Rad schieben. Wir machten uns zu Fuß auf den Heimweg. Gegen 1 Uhr waren wir wieder daheim.

Als wir am nächsten Morgen wegen des nächtlichen Intermezzos etwas später beim Frühstückstisch saßen, kommt schon von weitem rufend Kofia Mbaya und bringt — einen Zahn des beschossenen Elefanten. Umringt von einer großen Schar Neugieriger, teilt er[S. 86] mir mit, daß er der Fährte kaum hundert Schritt gefolgt sei. Vom Tau noch feucht habe er ganz kleine Schweißspritzer gesichtet und plötzlich den Zahn gefunden. Der Zahn war in der Hälfte des Nervs durchschossen und wohl vom Elefanten im Schmerz mit dem Rüssel aus dem Zahnfleisch herausgerissen worden. Ich lieferte ihn mit Bericht an das Bezirksamt Morogoro als dem Fiskus gehörig ab und wurde viel wegen dieser merkwürdigen Sache angeulkt, wobei erörtert wurde, ob ich nicht berechtigt gewesen wäre, den Zahn zu behalten, da der Elefant ja noch lebe. Ich erzähle dieses nächtliche Ereignis, das ich Ende Juni 1913 erlebte, weil es später noch ein Nachspiel fand.

Im Oktober des gleichen Jahres teilt mir Stabsarzt J. mit, daß er nach Kissaki käme. Er hätte nur noch einige Tage auf seinen Jagdschein Zeit und würde gern den ihm darauf noch zustehenden Elefanten auf die Schwarte legen, ob ich ihm einen ausmachen könnte. Da ich außer dem persönlichen Interesse an der Jagd noch den Doppelzweck verfolgte, die immer dreister werdenden Elefanten durch gelegentlichen Abschuß zu vergrämen und zum Rückzug aus dem Kulturgebiet mehr in die Jagdreservate zu zwingen, war ich äußerst gern bereit, seinem Wunsche zu entsprechen.

Im Laufe der Zeit hatte ich mir die Neigung der sonst sich Europäern gegenüber recht passiv verhaltenden Eingeborenen des Kreises Kissaki erworben. Ich machte nun bekannt, daß ich am soundsovielten früh einen frischen Elefantenwechsel in der Nähe Kissakis wissen und zum Beleg der Botschaft frische Losung und durch Kerbschnitt in einem Stäbchen das Ausmaß der Fährte haben möchte. Am Morgen des bestimmten Tages, es war gegen 5 Uhr und eben der Himmel am Horizont im Osten mit einem helleren Strich versehen, weckte mich die Wache und führt mir meinen ehemaligen Arbeiter Bilingi zu, der frische Losung bringt. Er wollte gerade wieder Arbeit bei mir nehmen und hatte auf dem Wege von Mafumbo nach Kissaki eine halbe Stunde von hier die Elefanten gesehen, die auf dem Wege standen. Die Fährte konnte er der Dunkelheit wegen nicht messen.

Im Schlafanzug suchte ich Stabsarzt J. in seinem Zelt auf und weckte ihn mit der frohen Botschaft. Bald nach Tagesanbruch waren wir marschbereit und gingen dem Wechsel zu. Kurz nach Ssadumas Dorf überschritten wir den Mgetafluß und waren bald[S. 87] an der Fährte. Ich wußte, daß die Elefanten, wenn sie an dieser Stelle waren, nicht gar so weit gingen, und so ließen wir an einer schönen schattigen Stelle am Mgeta die Zelte aufschlagen und besichtigten dann die Fährte. Nebst einigen Kühen war ein ganz annehmbarer Bulle in der Herde. Bald führte die Fährte durch den Mgeta an die linke Flußseite. Dort zerstreuten sich die Einzelfährten. Die Elefanten hatten überall Schilf geäst, und es dauerte fast eine Stunde, bis wir aus dem Kreuz und Quer der Spuren, die sich kaum sichtbar von den teilweise alten Wechseln abhoben, den weiteren Ausweg fanden. Endlich hatten wir ihn, und als wir eine halbe Stunde gefolgt waren, so daß eine bestimmte Richtung zu erkennen war, konnte ich aus innerster Überzeugung J. versichern, »zu Gesicht bekommen wir die Elefanten heute auf alle Fälle«. Sie hatten sich einem Winkel zugewandt, den der Wiguberg durch steilen Abfall mit dem Mgetafluß bildet. Diese Gegend war mir wie meine Tasche bekannt. Sie enthielt eine Menge dichtester Dickichte, wie sie der Elefant zum Unterstellen von 10-3 Uhr während der heißesten Sonne liebt. Wir kamen an eine Stelle, wo die Steppe über Nacht gebrannt hatte, und konnten in der Asche die Fährten noch einmal genau auf ihre Stärke prüfen. Nun brauchten wir nur den Daumen zu halten, damit wir beim Annähern guten Wind hatten. Auf diesen allein war unser erhoffter Erfolg gestellt, und es hat gar nichts zu sagen, ob die allgemeine Windrichtung gut ist. Eine Übersicht des Geländes ist in den Dickichten ja gänzlich ausgeschlossen, und da die Elefanten wie vieles andere Wild zu ihrer Sicherung häufig Bogen schlagen, geschieht es öfters, daß man in ihren Wind gerät, ohne daß man sie zu Gesicht bekommt, und nur am Brechen sein Mißgeschick hört. Schön klar und deutlich können wir die Fährte halten. Die Elefanten waren längere Zeit nicht hier gewesen und die ehemaligen Wechsel so alt, daß man sofort die frische Fährte unterscheiden konnte, was sonst manchmal recht schwierig wird, wenn Fährten des Vortages oder der Nacht mitgeprüft werden müssen.

Vergnügt schreiten wir weiter, von der Sonne nicht allzusehr belästigt, da das Blätterdach guten Schutz gewährt. Nun biegt die Fährte wieder links aus der Richtung ab, und als wir ihr eine halbe Stunde gefolgt sind, sinkt uns das Herz in die Stiefel, wir durchschneiden eine schon vorher durchquerte Stelle; die Fährte hat eine[S. 88] Schleife gemacht. Beklommen holen wir Atem und fragen uns, haben die Elefanten beim Überschreiten ihres Wechsels von unserer Folge Witterung genommen? Denn übersehen können wir die Fährte unmöglich haben. Wir unterhandeln mit unsern Begleitern. Senikambi, Salim und Saleh, unsere Fährtensucher, von mir langerprobte gute Jäger, bestreiten aufs entschiedenste, daß bei unserm Durchqueren der verfolgte Wechsel schon von den Elefanten überschritten war. Unmittelbar auf den alten Wechsel ist keine neue Fährte über die alte gesetzt, sondern von allen Tieren überschritten worden. Mit recht gemischten Gefühlen folgen wir weiter. Die Jagdlust und -freude sinkt gleich um 50 Prozent, wenn sich eine Aussicht wie durch diesen Fall verringert, und man merkt plötzlich, daß die Körperfrische einer Ermüdung Platz macht. Gegen 12 Uhr beschließen wir, etwas zu ruhen. Wir verzehrten ein mitgenommenes kleines Frühstück, tranken einen Schluck kalten Kaffee dazu und legten uns lang, die Beine etwas erhöht, da diese Lage die Schwere in den Füßen am raschesten beseitigt. J. schlief ein, und ich döste vor mich hin. J.s Boy schien Verdauungsbeschwerden zu haben, denn es kollerte von Zeit zu Zeit in seinem Bauch. Ich fragte ihn, ob ihm was fehle, er verneinte. Kurz vor 1 Uhr weckte ich J., und wir zogen weiter. Noch keine hundert Schritte waren wir gegangen, da hörte ich es wieder in dem Leib von J.s Boy kollern, doch nein, das ist stärker, kommt aus anderer Richtung. Ich bleibe stehen, wende mich zurück und lege die Finger auf die Lippen. Da streckt auch schon Senikambi den Arm aus und deutet die Richtung an; es sind die Elefanten. Ich freue mich innerlich, daß ich trotz meiner leichten Schwerhörigkeit schon bei der Ruhepause als einziger das Geräusch bemerkt hatte, das die Elefanten mit den Ohren hervorbringen, indem sie mit der pappdeckelartigen Knorpelmasse durch Bewegung knattern; ich hatte es zwar in des Boys Leib verlegt, aber doch wahrgenommen, obwohl kein anderer etwas gehört hatte.

Die Elefanten stehen links von uns, der Wechsel führt noch in gerader Richtung weiter. Am aufgenommenen Staub prüfen wir den Wind. O weh, sie müssen halben Wind von uns bekommen, und richtig, schon knackt's und prasselt's für einige Sekunden, dann ist alles still, und nur hin und wieder rauscht leise ein Busch, den die flüchtenden Elefanten streiften. Schnell folgen wir dem Wechsel.[S. 89] Es ist nicht zu befürchten, daß sie schon wieder stehen. Nach fünf Minuten lauschen wir wieder; nichts ist zu hören.

Elefantenbulle

Vorsichtiger gehen wir weiter, wieder von links das Geräusch. Alle Nerven gespannt, spähen wir in den dichten Busch. Dichtes Lianengewirr im Blätterdach hat im Unterholz jeden Laubwuchs unterdrückt. Da hebt sich durch eine Bewegung mit den Ohren in dem dämmrigen Dunkel der Kopf eines Elefanten ab, der auf uns gerichtet ist. J., der etwas weiter rechts steht, bittet mich durch Gesten, mit anzuschlagen. Fast gleichzeitig hallen unsere beiden Schüsse, der Kugeleinschlag dröhnt, wie nur aus einer Büchse herrührend. Gut bin ich auf die Grube zwischen Licht und Gehör abgekommen, sie ist eine der wenigen Stellen, die direkt zum Gehirn führen.

Ein gewaltiges, wütendes Trompeten hebt an, und im Dickicht kracht es. Man denkt, ein Tornado habe eingesetzt. Da, ein schwerer Fall. Das Hurra bleibt noch in der Kehle stecken, denn häufig wird der umgelegte Elefant wieder hoch und läuft kilometerweit, so daß[S. 90] man ihn zuguterletzt noch verlieren kann. Vorsichtig gehe ich von links, Stabsarzt J. von rechts vor. Nach zehn Schritt liegt der Elefant auf acht Meter mit dem Rücken auf mich zu (Abb. 19). Kantig hebt sich das Rückgrat mit der Schwarte vom anderen Körper ab. Kurz entschlossen setze ich eine Kugel zwischen die Wirbel, und der Elefant streckt sich. Diese Art von Fangschüssen wird wohl bei europäischen Jägern Mißfallen erregen. Bei dem zählebigen größeren afrikanischen Wild bildet sie aber die einzige Sicherung gegen ein Hochwerden, da sofort die hintere Partie gelähmt ist. J. schüttelte mir die Hand. Wir ließen das Gestrüpp freihauen, um die Zähne besichtigen zu können. Doch, der Elefant hat nur einen Stoßzahn, der rechte fehlt völlig! Zwei Handbreiten unter dem rechten Auge ist eine pfenniggroße eiternde Wunde. Ich drücke daran, und es quillt dicker Eiter. Mir dämmert's. Sollte das nicht mein Elefant aus dem Hirsefeld des Nderange sein? Ich mache J. darauf aufmerksam, und gemeinsam untersuchen wir die Wunde mit einem Hölzchen. Es ist eine tiefe Wunde, und auch J. glaubt sicher an einen Schußkanal. Als auch die Eingeborenen merken, was wir da ausprobieren, sind sie sofort der Meinung, daß wir den im Juli nächtlich beschossenen Elefanten zur Strecke gebracht hätten. Vorausschicken will ich hier, daß Stabsarzt J. später Gelegenheit hatte, auf einer Versteigerung den von mir ausgeschossenen Stoßzahn zu erstehen, der in Dicke und Form genau zu dem des erlegten Elefanten paßte.

Zwei Leute schickten wir zum Lager zurück, um unsere photographischen Apparate nebst etwas Kaffee und ein paar Bananen zu holen. Zwanzig Mann sollen mit Messern und Äxten kommen, um dem Elefanten die Stiefel (d. h. die Haut der Säulen) auszuziehen (aus denen sich J. Papierkörbe und Bowlen machen lassen will) und den Zahn herauszuhauen. Wir machen es uns inzwischen im Schatten bequem, und als sich die übrigen Leute etwas ausgeruht haben, lassen wir durch Niederschlagen des Busches den Kadaver freilegen, um Licht zum Photographieren zu haben. Nach eineinhalb Stunden sind die Leute schon zurück. Nur zehn Minuten von uns liegt der Mgeta, und hart an diesem am jenseitigen Ufer der Weg Kissaki-Mafumbo. Bald sind die Säulen abgeschnitten und der Zahn herausgehauen. Schon finden sich Scharen von Weibern, Kindern und alten Männern ein, die fleischhungrig sind. Es sind[S. 91] nichtislamitische Wapungas, denen Elefantenfleisch einen Hochgenuß bedeutet.

Wir überlassen es ihnen gern, da wir keine Verwendung dafür haben; nur einige Zentner behalte ich für mich als Dörrfleisch für meine Hunde. Fest überzeugt, daß am nächsten Morgen von dem wandelnden Fleischberg nur noch einige Knochen übrig sind, treten wir dann den Rückweg zum Zelt an. Hier entfaltet sich noch einmal rege Tätigkeit; es ist gar keine Kleinigkeit, die Haut von den Säulen zu lösen. Der Beinknochen wird mit einem Strick fest an einen Ast gebunden, und nachdem alle vier Säulen baumeln, mühen sich an jedem Fuß vier Mann zwei Stunden lang. Dann wird mit dem Messer noch etwas nachgekratzt und jede Fußhaut voll Holzasche, die inzwischen bereitet worden war, gefüllt, damit nicht Haut auf Haut zu liegen kommt und der Gerbungsprozeß sich selbsttätig vollziehen kann.

Recht müde gingen wir dann nach dem Abendbrot zu Bett, aber ganz ungestört sollte ich die wohlverdiente Nachtruhe nicht genießen. Ich erwachte nach einigen Stunden durch ein Zwicken an verschiedenen Körperstellen. Leider hatte ich abends vergessen, meine elektrische Lampe mit unters Moskitonetz zu nehmen, und lüftete es nun, um nach den Streichhölzern zu tasten und die Lampe anzuzünden. Was hatte ich dadurch angerichtet! Siafus! — Wanderameisen waren in meinem Zelt. Der Boden, die Decke und die Außenseite meines Moskitonetzes wimmelten von diesen schwarzen Gesellen. Zu mir waren vorher nur die kleinen Tiere gekommen, die durch die Maschen des Moskitonetzes durchschlüpfen konnten. Ich heftete schnell die Zeltwand auf, rief den Boy und stürzte fluchend ins Freie, indem ich mir den Schlafanzug vom Leibe riß und die einzelnen Tiere ablas, die ihre Zangen fest in meine Haut eingebohrt hatten. J. erwachte von meinem Fluchen, als ich splitternackt in seinem Zelt, das, obwohl es nur sechs Meter von dem meinigen stand, von dem Zuge verschont blieb, Zuflucht suchte. Saleh hatte inzwischen Träger mobil gemacht, und diese machten rings um mein Zelt Feuer und kehrten die Ameisen hinein. Ein durch Streuen von heißer Holzasche ums Zelt gezogener Kreis lenkte den Wanderzug ab, und nach einer halben Stunde konnte ich mich wieder niederlegen.

[S. 92]

Mein Boy behauptete zwar, er hätte nun alle Siafus aus meinem Bett herausgeschüttelt und aufgelesen. Ich wurde aber doch noch reichlich gezwickt. Nach dem vorherigen Massenüberfall nahm ich es jedoch mit den einzelnen nicht mehr so genau und schlief bald wieder ein. Der Mensch gewöhnt sich eben an alles, und Afrika erzieht seine Leute so, daß sie in keiner Lebenslage den Humor verlieren.

Unwillkürlich findet das Großwild Ostafrikas, das Raubwild und die Dickhäuter, in der Allgemeinheit die meiste Beachtung, obwohl man damit den anderen, weniger stark ins Auge fallenden Wildarten eigentlich unrecht tut, denn auch sie bieten dem aufmerksamen, sachkundigen Beschauer eine Fülle des Interessanten.

Häufig veranlaßt die Handlungsweise des Wildes den Beobachter, wie es z. B. Dr. Th. Zell in seinem vortrefflichen Kosmosbändchen (gleichen Titels) tat, die Frage zu stellen: »Ist das Tier unvernünftig?« Folgt es durch Generationen anerzogenen Instinkten, deren Ausbildung ihm seine Umgebung im Kampfe ums Dasein aufzwang, oder lassen sich in seinen Handlungen verstandesmäßige Tätigkeiten feststellen?

Die Anschauungen, ob man dem Wilde, wie dem Tiere überhaupt eine Seele zuerkennen darf, die es zu verstandesmäßigen Tätigkeiten befähigt, oder ob Naturgesetze, ihnen selbst unbewußt, ihre für den jeweiligen Fall einzig richtige Handlungsweise vorschreiben, sind sehr geteilt. Ich möchte mit einer strikten Behauptung weder nach der einen, noch der anderen Seite hervortreten, sondern hoffe, dem Leser, der meinen Aufzeichnungen bis hierher gefolgt ist, vielleicht in einem folgenden Kosmosbändchen Gelegenheit geben zu können, auch mit den anderen Wildarten unserer Kolonie bekannt zu werden und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, durch meine Beobachtungen eine Bereicherung des eigenen Urteils zu gewinnen.


Fußnote:

[5] d. h. durch seitliches Anlehnen des Laufes an den Stamm dem Gewehr eine Stütze gegeben.



Naturwissenschaftliche Bildung
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Zum Beitritt in den »Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde«, laden wir

alle Naturfreunde

jeden Standes, sowie alle Schulen, Volksbüchereien, Vereine usw. ein. – Außer dem geringen

Halbjahresbeitrag von nur M 2.40

(Beim Bezug durch den Buchhandel 10 Pf. Bestellgeld, durch die Post Porto besonders)

erwachsen dem Mitglied keinerlei Verpflichtungen, dagegen werden ihm folgende große Vorteile geboten:

Die Mitglieder erhalten laut § 5 als Gegenleistung für ihren Jahresbeitrag im Jahre 1916 kostenlos:

I. Die Monatschrift Kosmos, Handweiser für Naturfreunde.

Reich illustriert. Preis für Nichtmitglieder M. 2.80.

II. Die ordentlichen Veröffentlichungen.

Nichtmitglieder zahlen den Einzelpreis von M 1.– pro Band.

Wilhelm Bölsche, Stammbaum der Insekten.

Dr. Kurt Floericke, Meine Reise in Bulgarien.

Dr. Hermann Dekker, Heilen und Helfen.

Hans Besser, Affen, Antilopen u. Schlangen Deutsch-Ostafrikas.

Prof. Dr. Karl Weule, Die Sprache.

Änderungen vorbehalten. (Näheres wird im Kosmos-Handweiser bekanntgegeben.)

III. Vergünstigungen beim Bezuge von hervorragenden naturwissenschaftlichen Werken

(siehe Seite 2 des Prospektes).

Jedermann kann jederzeit Mitglied werden.

Bereits Erschienenes wird nachgeliefert.

==== Satzung ====

§ 1. Die Gesellschaft Kosmos (eine freie Vereinigung der Naturfreunde auf geschäftlicher Grundlage) will in erster Linie die Kenntnis der Naturwissenschaften und damit die Freude an der Natur und das Verständnis ihrer Erscheinungen in den weitesten Kreisen unseres Volkes verbreiten.

§ 2. Dieses Ziel sucht die Gesellschaft zu erreichen: durch die Herausgabe eines den Mitgliedern kostenlos zur Verfügung gestellten naturwissenschaftlichen Handweisers (§ 5); durch Herausgabe neuer, von hervorragenden Autoren verfaßter, im guten Sinne gemeinverständlicher Werke naturwissenschaftlichen Inhalts, die sie ihren Mitgliedern unentgeltlich oder zu einem besonders billigen Preise zugänglich macht, usw.

§ 3. Die Gründer der Gesellschaft bilden den geschäftsführenden Ausschuß, den Vorstand usw.

§ 4. Mitglied kann jeder werden, der sich zu einem Jahresbeitrag von M 4.80 (exkl. Porto) verpflichtet. Andere Verpflichtungen und Rechte, als in dieser Satzung angegeben sind, erwachsen den Mitgliedern nicht. Der Eintritt kann jederzeit erfolgen; bereits Erschienenes wird nachgeliefert. Der Austritt ist gegebenenfalls bis 1. Oktober des Jahres anzuzeigen, womit alle weiteren Ansprüche an die Gesellschaft erlöschen.

§ 5. Siehe vorige Seite.

§ 6. Die Geschäftsstelle befindet sich bei der Franckh'schen Verlagshandlung, Stuttgart, Pfizerstraße 5. Alle Zuschriften, Sendungen und Zahlungen (vgl. § 5) sind, soweit sie nicht durch eine Buchhandlung Erledigung finden konnten, dahin zu richten.

Kosmos

Handweiser für Naturfreunde

Erscheint jährlich zwölfmal — 2 bis 3 Bogen stark —
und enthält:

Originalaufsätze von allgemeinem Interesse aus sämtlichen Gebieten der Naturwissenschaften. Reich illustriert.

Regelmäßig orientierende Berichte über Fortschritte und neue Forschungen auf allen Gebieten der Naturwissenschaft.

AuskunftsstelleInteressante kleine Mitteilungen.

Mitteilungen über Naturbeobachtungen, Vorschläge und Anfragen aus dem Leserkreise.

Bibliographische Notizen über bemerkenswerte neue Erscheinungen der deutschen naturwissenschaftlichen Literatur.

Die Mitglieder des Kosmos haben bekanntlich nach Paragraph 5 III das Recht, außerordentliche Veröffentlichungen und die den Mitgliedern angebotenen Bücher zu einem Ausnahmepreis zu beziehen. Es befinden sich u. a. darunter folgende Werke:

Preis f. Nicht­mitgl. Mit­glieder­preis
Altpeter, ABC der Chemie 2.40 1.–
Bergmiller, Erfahr. a. d. Gebiete d. hoh. Jagd. Geb. 4.50 3.50
Bölsche, W., Der Sieg des Lebens. Fein gebunden 1.80 1.50
Diezels Erfahrungen a. d. Gebiete d. Niederjagd. Geb. 4.50 2.90
Ewald, Mutter Natur erzählt. Gebunden 4.80 3.60
Ewald, Der Zweifüssler. Gebunden 4.80 3.60
Ewald, Vier feine Freunde. Gebunden 4.80 3.60
Fabre. J. H., Sternhimmel. Gebunden 4.80 3.60
Fabre, J. H., Bilder a. d. Insektenwelt. I/II, III/IV. 2 Bde. geb. je 4.50 3.40
Fabre, J. H., Blick ins Käferleben. Broschiert 1.– –.50
Floericke, Dr. Kurt, Deutsches Vogelbuch. Gebunden 10.– 8.40
Floericke, Dr. Kurt, Taschenbuch zum Vogelbestimmen. Geb. 3.80 2.90
Fruwirth, Die Pflanzen der Feldwirtschaft. Geb. 3.80 2.90
Gräbner, Taschenbuch zum Pflanzenbestimmen. Geb. 3.80 2.90
Hepner, Cl., 100 neue Tiergeschichten. Gebunden 3.60 2.80
Jaeger, Prof. Dr. Gust., Das Leben im Wasser. Kart. 4.50 1.70
Kuhlmann, Wunderwelt des Wassertropfens. Brosch. 1.– –.50
Lange, Der Garten und seine Bepflanzung. Geb. 4.50 3.50
Leben der Pflanze. Bd. I, II, III, IV, V, VI, VII, VIII, geb. je 15.– 13.50
Lindemann, Die Erde. Bd. I. Gebunden 9.– 8.–
Lindemann, Die Erde. Bd. II. Gebunden 9.– 8.–
Meyer, Dr. M. Wilh., Die ägyptische Finsternis. Geb. 3.– 1.90
Monographien unserer Haustiere: Bd. I Schumann, Kaninchen; Bd. II Schuster, Hauskatze; Bd. III Morgan, Hund; Bd. IV Schwind, Haushuhn à 1.40 1.05
Sauer, Prof. Dr. A., Mineralkunde. Gebunden 13.60 12.20
Schrader, Liebesleben der Tiere. Broschiert 1.40 1.10
Schroeder-Rothe, Handbuch f. Naturfreunde. Bd. I geb. 4.20 3.60
Schroeder-Rothe, Handbuch f. Naturfreunde. Bd. II geb. 3.80 3.30
Schwind-Gemen, Rosenbüchlein. Gebunden 1.50 1.25
Stevens, Frank, Ausflüge ins Ameisenreich. Geb. 2.50 1.85
Stevens, Frank, Die Reise ins Bienenland. Geb. 2.50 1.85
Strandbüchlein. Gebunden 1.25 1.–
Stridde, Allgemeine Zoologie. Gebunden 7.– 6.20
Thompson, E. S., Bingo u. a. Tiergeschichten. Geb. 4.80 3.60
Thompson, E. S., Prärietiere und ihre Schicksale. Fein geb. 4.80 3.60
Thompson, E. S., Tierhelden. Fein gebunden 4.80 3.60
Wurm, Waldgeheimnisse. Gebunden 4.80 3.60

und zahlreiche andere Werke mehr.

== Die ordentlichen Veröffentlichungen ==

früherer Jahre erhalten Mitglieder, solange vorrätig, zu Ausnahmepreisen:

:1904:

(Handweiser vergriffen) zusammen für M 4.– (Preis für Nichtmitglieder M 5.–), geb. für M 6.20 (für Nichtmitglieder M 8.40):

Bölsche. W., Abstammung des Menschen.

Meyer, Dr. M. Wilh. (Urania-Meyer), Weltuntergang.

Zell, Dr. Th., Ist das Tier unvernünftig? (Doppelband)

Meyer, Dr. M. Wilh., Weltschöpfung.

:1905:

:1906:

(Handweiser vergriffen) je für M 4.– (Preis für Nichtmitglieder M 5.–), geb. für M 6.75 (für Nichtmitgl. M 9.–):

Bölsche, W., Stammbaum der Tiere.

Welten, Die Sinne der Pflanzen.

Zell, Dr. Th., Tierfabeln.

Teichmann, Dr. E., Leben und Tod.

Meyer (Urania), Sonne und Sterne.

Welten, Wie die Pflanzen lieben.

Meyer, Dr. M. Wilh., Rätsel d. Erdpole.

Zell, Dr. Th., Streifzüge durch d. Tierwelt.

Bölsche, Wilh., Im Steinkohlenwald.

Ament, Dr. W., Die Seele des Kindes.

:1907:

ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 8.40 (für Nichtmitglieder M 13.–):

Kuhlmann, Aus der Wunderwelt des Wassertropfens.

Zell, Dr. Th., Straußenpolitik.

Meyer, Dr. M. W., Kometen u. Meteore.

Teichmann, Dr. E., Fortpflanzung und Zeugung.

Floericke, Dr. K., Die Vögel des deutschen Waldes.

:1908:

ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 8.40 (für Nichtmitglieder M 13.–):

Meyer, Dr. M. W., Erdbeben u. Vulkane.

Teichmann, Dr. E., Die Vererbung.

Sajó, Krieg u. Frieden im Ameisenstaat.

Dekker, Naturgeschichte des Kindes.

Floericke, Dr. K., Säugetiere des deutschen Waldes.

:1909:

ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 8.40 (für Nichtmitglieder M 13.–):

Unruh, Leben mit Tieren.

Meyer, Dr. M. Wilh., Der Mond.

Sajó, Prof. K., Die Honigbiene.

Floericke, Kriechtiere u. Lurche Deutschl.

Bölsche, Wilh., Der Mensch in der Tertiärzeit und im Diluvium.

:1910:

ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 8.40 (für Nichtmitglieder M 13.–):

Koelsch, Pflanzen zwisch. Dorf u. Trift.

Dekker, Fühlen und Hören.

Meyer, Welt der Planeten.

Floericke, Säugetiere fremder Länder.

Weule, Kultur der Kulturlosen.

:1911:

ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 8.40 (für Nichtmitglieder M 13.–):

Koelsch, Durch Heide und Moor.

Dekker, Sehen, Riechen und Schmecken.

Bölsche, Der Mensch der Pfahlbauzeit.

Floericke, Vögel fremder Länder.

Weule, Kulturelemente der Menschheit.

:1912:

ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 8.40 (für Nichtmitglieder M 13.–):

Gibson-Günther, Was ist Elektrizität?

Dannemann, Wie uns. Weltbild entstand.

Floericke, Fremde Kriechtiere u. Lurche.

Weule, Die Urgesellschaft und ihre Lebensfürsorge.

Koelsch, Würger im Pflanzenreich.

:1913:

ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 8.40 (für Nichtmitglieder M 13.–):

Bölsche, Festländer und Meere.

Floericke, Einheimische Fische.

Koelsch, Der blühende See.

Zart, Bausteine des Weltalls.

Dekker, Vom sieghaften Zellenstaat.

:1914:

:1915:

ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 8.40 (für Nichtmitglieder M 13.–):

Bölsche, Wilhelm, Tierwanderungen i. d. Urwelt.

Floericke, Dr. Kurt, Meeresfische.

Lipschütz, Dr. A., Warum wir sterben.

Kahn, Dr. Fritz, Die Milchstraße.

Nagel, Dr. Osk., Romantik der Chemie.

Bölsche, Wilh., Der Mensch der Zukunft.

Floericke, Dr. K., Gepanzerte Ritter.

Weule, Prof. Dr. K., V. Kerbstock z. Alphab.

Müller, Alfr. Leop., Gedächtn. u. s. Pflege.

Besser, H., Raubw. u. Dickhäut. i. D.-Ostaf.

Allen Jahrgängen außer 1904–1906 werden die 12 Hefte des betr. Handweiser-Jahrg. beigefügt.

Sämtl. noch vorhand. Jahrgänge der Kosmos-Veröffentlichungen (s. obige Zusammenstellung) liefern wir an Mitgl.: geh. für M 46.– (Preis für Nichtmitgl. 85.20), geb. (auch Handw.) für M 73.- (Preis für Nichtmitgl. 143.40) auch gegen kleine monatl. Ratenzahlungen.


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