Title: Französisch-slavische Kämpfe in der Bocca di Cattaro 1806-1814.
Author: Nikolaj Velimirović
Release date: May 24, 2005 [eBook #15891]
Most recently updated: December 14, 2020
Language: German
Credits: Produced by Zoran Stefanovic, Ralph Janke and Proofreaders
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Der «Austerlitzblick», der den grossen englischen Staatsmann William Pitt frühzeitig ins Grab gebracht hatte, hielt die übrigen zwei an der furchtbaren Katastrophe unmittelbar beteiligten Verbündeten, Russland und Oesterreich in monatelangen Todesängsten. Das rührte aber den Sieger von Austerlitz wenig. Zielbewusst und rücksichtslos, wie er immer verfuhr, diktierte Napoleon nun den Vertrag von Pressburg, am 26. Dezember 1805. Umsonst hatte Talleyrand ihm in der Demütigung Oesterreichs Mässigung angeraten.[1] Er forderte und bekam alles, was er wollte. Alles, was Oesterreich ehemals durch den Vertrag von Campo Formio gewonnen hatte, musste es jetzt den Franzosen geben. Beinahe drei Millionen seiner Untertanen musste Oesterreich der Herrschaft Napoleons ausliefern. Neben Venedig gingen ihm auch Istrien (ohne Triest) und Dalmatien (ohne das Litorale) mit der Bocca di Cattaro verloren. Die einzige Verpflichtung, die Napoleon auf sich nahm, war die sofortige Entfernung der französischen Truppen von dem österreichischen Boden. Dieser Pressburger Friede war in der Tat für Oesterreich so ungünstig, dass Graf Stadion mit Recht denselben «Capitulation» Oesterreichs nennen konnte.
Napoleon hegte damals böse Pläne gegen die Türkei, obwohl sie sein Verbündeter war. Diese seine Tendenz lässt sich klar aus dem Pressburger Vertrag erkennen; insbesondere aber zeugt dafür seine spätere Haltung. Durch den Vertrag liess er sich Dalmatien abtreten, wobei die Uebergabe der Bocca di Cattaro in erster Linie betont wurde. Den österreichischen Boden wollte er nicht nur nicht räumen, sondern verstärkte im geheimen die sich auf demselben noch befindlichen französischen Truppen. Das Städtchen Braunau, das ebenso geräumt werden sollte, blieb auch weiterhin unter französischer Besatzung. Und noch mehr: Napoleon forderte den Durchzug seiner italienischen Truppen von Venedig nach Dalmatien über österreichischen Boden, über Monfalcone, wo früher der venezianischen Armee der Durchzug stets gestattet wurde. Ja, Napoleon forderte sogar energisch von Oesterreich die Sperrung seiner Häfen für die englische und russische Flotte.
Graf Stadion seinerseits versuchte alles mögliche, um die Beziehungen zu Frankreich nicht zu verwickeln und zu verschärfen. In dieser Absicht sandte er auch Vincent nach Paris, um die Vorurteile Napoleons gegen ihn zu zerstreuen. Napoleons Antwort war die denkbar schroffste. Er sandte Andréossy zu Stadion mit der Forderung, sofort und unverzüglich den Durchzug der französischen Armee durch das österreichische Gebiet zu bewilligen. Zu Vincent sagte Napoleon bei der ersten Audienz: «Man muss mir den Durchzug gestatten, andernfalls werde ich euch mit Krieg überziehen».[2] Stadion bemühte sich, die Sache irgendwie zu mildern. Darum machte er dem französischen Botschafter in Wien, Larochefoucauld, mancherlei Vorstellungen; aber alles war vergeblich. Dieser verlangte binnen 24 Stunden eine bestimmte Antwort und Ernennung einer Persönlichkeit, die mit Andréossy Verhandlungen eingehen könnte.
Nun, zu dieser schwierigen Frage gesellte sich eine andere, für Oesterreich unvergleichlich schwierigere und für Napoleon desto willkommenere: Die Abtretung der Bocca di Cattaro.
Es verbreitete sich zuerst ein Gerücht, das bald nachher auch bestätigt wurde, dass die Bocca di Cattaro Russland abgetreten würde. Der österreichische General Ghiselieri, hiess es, habe sie dem Befehlshaber der russischen Flotte im Adriatischen Meere übergeben. Das war natürlich ganz vertragswidrig. So fasste es auch Napoleon auf. Er verlangte sofort eine Erklärung Oesterreichs darüber. Oesterreich sollte, das war seine Forderung, in Petersburg Schritte tun, welche die Herausgabe der Bocca ermöglichen könnten. Wollte Russland nicht nachgeben, so sollte Oesterreich seine Mitwirkung zur Eroberung der Bocca nicht versagen. Es sollte in dem Falle auch seine Häfen den englischen und russischen Schiffen verschliessen, worauf es Napoleon am meisten ankam, da er diese feindlichen Flotten um jeden Preis aus der Adria vertrieben sehen wollte. Sein Hintergedanke war, Oesterreich mit Russland zu entzweien und somit den Dreibund zu sprengen. Würde ihm dies gelingen, sagte er sich, so wären alle seine Pläne der Verwirklichung nahe, andernfalls aber hätte er einen Grund, an Oesterreich noch härtere Forderungen zu stellen. Denn ohnehin reute es ihn, bei dem Pressburger Vertrag das Litorale nicht genug berücksichtigt zu haben. Wiederholt erklärte Larochefoucauld nach den Instruktionen Napoleons dem Grafen Stadion, dass Braunau so lange im Besitz der Franzosen bleiben werde, als die Bocca ihnen nicht übergeben würde. Das war aber nicht alles. Er drohte mit Besetzung von Fiume und Triest. Das war viel schlimmer. Schliesslich drohte Napoleon mit dem Krieg. Und das war für Oesterreich das Schlimmste.
In Wien glaubte man, dass Napoleon nun einen Anlass zu neuer Bekriegung Oesterreichs suche. Dies zu vermeiden und den Frieden aufrecht zu erhalten, war aller, besonders aber Kaiser Franz' und Stadions Wunsch. Letztere machten eine Vorstellung in Petersburg in bezug auf die Bocca und die Forderungen Napoleons. Inzwischen schrieb Franz an Napoleon eigenhändig betreffs der Bocca, ihre Herausgabe an die Russen sei ohne sein Wissen und Wollen erfolgt, eine Untersuchung habe er gegen den General Brady, den Befehlshaber in Dalmatien, eingeleitet und die Verhaftung Ghiselieris anbefohlen. Die Sperrung der Häfen für die russische Flotte werde erfolgen, sobald Russland eine ausweichende Antwort geben werde. In demselben Sinne hatte sich auch Stadion La Rochefoucauld gegenüber geäussert.[3]
Trostlos und fast verzweifelt stand Oesterreich da, weil zwei mächtige feindliche Heere seine beiden Grenzen bedrohten, das französische im Südwesten, das russische im Norden. In Wien wurde nun die Frage aufgeworfen: Mit wem von beiden Mächten soll es Oesterreich halten? Man war in der Beantwortung dieser Frage nicht einig. Erzherzog Karl, Trauttmansdorf, Metternich und viele andere waren der Meinung, man müsse den französischen Forderungen sich widersetzen und, wenn eben möglich, eine Allianz mit Frankreich anstreben. Zur Illustration der Meinung dieser Mehrheit, wie auch der Situation, in welcher sich Oesterreich damals befand, sei hier einiges aus dem Briefe Karls an den Kaiser angeführt:«... Ich glaube meine Aufmerksamkeit vorzüglich auf zwei Fälle richten zu müssen, von welchen der eine oder andere Eurer Majestät unausweichlich bevorzustehen scheint. Der erste und unglücklichste für den Staat wäre ohne Zweifel jener, wenn wir durch unsere unglückliche Lage in einen neuen Krieg mit dem einen oder anderen der beiden Kolosse, die uns bedrohen, verwickelt würden. Von beiden stehen mächtige Armeen an unseren Grenzen, mit beiden würden die ersten Feindseligkeiten den Krieg in das Herz der Monarchie führen, mit beiden würde der erste Ausbruch des Krieges uns ganze Provinzen entreissen, beide würden einen Teil der Erbstaaten beherrschen, ausplündern und verheeren, ehe wir imstande wären, eine Armee, der es an allem, sogar an Gewehren fehlt, in Ungarn versammeln zu können. Sollte jedoch zwischen diesen beiden grossen Uebeln eines gewählt werden müssen, so bietet der Krieg mit Frankreich noch unendlich schrecklichere Resultate dar, als jener mit Russland. Meine innere Ueberzeugung entreisst mir das traurige Geständnis: Ein neuer Krieg mit Frankreich und seinen Alliierten ist das Todesurteil für die österreichische Monarchie ... Nicht so ganz ohne alle Rettung erscheint der Krieg mit Russland.»[4]
Stadion hingegen war entschieden gegen die Allianz mit Frankreich. «Es würde,» sagte er, «Oesterreich Frankreich untertan werden; und ein solches Verhältnis bezeichnet man als Allianz.»[5] Für den Fall eines Bündnisses mit Frankreich aber stellte er seinen Rücktritt in Aussicht.
Keineswegs besser war die Situation in Petersburg. Alexander hatte einen Krieg zur Befreiung der Völker von der Macht Napoleons unternommen. Mit unermesslicher Zuversicht und unzähligen Hoffnungen ging er in den Kampf. Der «Austerlitzblick» aber machte ihn zu einem gebrochenen und ratlosen Mann. Ein schrecklicher Wirrwarr herrschte an seinem Hofe und in seinem Kopfe. Mannigfaltige Gährungen, mannigfaltige Richtungen kreuzten sich im Volke wie in den Parteilagern. Jedermann versuchte seine eigene Haltung gleich seiner Vergangenheit zu rechtfertigen. Und jedem gelang es natürlich. An der Niederlage Russlands war also niemand im Lande schuld. Die früheren Ratgeber des Kaisers, die ihm vorher so viel Ruhmvolles von einem Krieg gegen Napoleon vorgespiegelt hatten, schoben jetzt alle Schuld an dem Misserfolg Oesterreich zu. Die altrussische Partei predigte entschieden den Bruch des Bündnisses mit Oesterreich. Man beschuldigte es sogar eines Verrates. Die Leute der Opposition gegen das Regiment Czartoryskis gewannen jetzt grossen Einfluss auf den Kaiser und das Volk. Ihre Parole war nun, Russland solle nur noch die eigenen Vorteile im Auge behalten, seine Verbündeten ihrem Schicksal überlassen und sich nicht mehr zwecklos und sinnlos in einen weiteren Kampf stürzen.
Eine friedliche Stimmung beherrschte ganz und gar die öffentliche Meinung in Russland. Man verdächtigte aber den Zaren, er beschäftige sich auch weiterhin mit Kriegsplänen. Allerlei Beschwerden gegen den Kaiser und insbesondere gegen Czartoryski wurden laut und lauter. Der österreichische Botschafter in Petersburg, Merveldt, teilte sogar dem Wiener Hof mit, dass die tiefgehende Gährung der Gemüter die Möglichkeit eines Thronwechsels bezeugte.[6] Wenn die Friedenspartei schliesslich die Oberhand in Petersburg gewann, so verdankte sie dies auswärtigen Ereignissen; Pitt starb und sein Nachfolger neigte zum Frieden.
Mit Ungeduld wartete man in Wien auf einen Entschluss Russlands, d.h. auf die Antwort in bezug auf die Frage der Bocca di Cattaro. Endlich kam der langersehnte Bescheid. Rasumovski erschien am 26. Mai bei Stadion und teilte ihm mit, Russland sei bereit, Cattaro mit der Bocca herauszugeben. Allein die Räumung Cattaros seitens der Russen sei eine Sache, die nicht sofort erledigt werden könnte. Der russische Agent in Cetinje und in der Bocca habe die Bevölkerung der Bocca stets der russischen Protektion versichert. Diesem Versprechen könne sich Russland jetzt nicht entziehen, ohne den Unwillen seiner slavischen Brüder in dieser Gegend sich zuzuziehen. Die Russen wollten die Bocca den Oesterreichern, und diese könnten sie dann den Franzosen übergeben. Es brauche aber Zeit, bis die Bevölkerung zur ruhigen Hinnahme des unabwendbaren Beschlusses vorbereitet wäre. Also sprach Rasumovski.
Graf Stadion besprach mit dem französischen Gesandten die Sachlage und verlangte Verschiebung der Hafensperre, die Napoleon so dringend forderte. Larochefoucauld gab sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden. Er forderte sofortige Hafensperre. Bei diesen Erklärungen und Gegenerklärungen, bei diesem beständigen Hin- und Herschwanken verlief viel Zeit, ohne dass man zu irgend einem positiven Resultat zu gelangen vermochte. Inzwischen aber bahnte sich langsam der Weg für die Friedensverhandlungen, die zuletzt zu Oubrils Vertrag führten.
So hielt die Angelegenheit der Bocca ganz Europa ein halbes Jahr in höchster Spannung: Der Friede Europas stand auf dem Spiel, wenigstens für den Augenblick. Aber auch nach Ablauf dieser Zeit war die Frage wegen der Bocca di Cattaro nicht endgültig gelöst; die Entscheidung stand nur auf dem Papier. Nicht einmal der Tilsiter Vertrag brachte eine befriedigende Lösung. Eine solche erfolgte erst, als alle anderen durch Napoleon auf die Tagesordnung gebrachten Fragen der europäischen Politik ihren Abschluss fanden, d.h. im Jahre 1814.
Wenden wir uns nun dem Lande zu, das für einen Augenblick als Schlüssel der politischen Situation Europas galt und der Uebermacht des siegreichen französischen Gewalthabers so lange trotzte und seinen Weltplänen sich in den Weg setzte, indem es um nichts anderes als um seine Freiheit und Unabhängigkeit mutig und aufopfernd kämpfte.[7]
Im Jahre 1797 vernichtete Bonaparte die Republik Venedig. Das traurige und bedauernswerte Schicksal dieses ruhmreichen Staates mussten naturgemäss auch seine Provinzen und Schutzgebiete fühlen. Eines dieser letzteren war die Bocca di Cattaro, welche seit 1420 unter Venedig stand. In jenem Jahre stellten sich die Bokelen, die bis dahin unter dem Schutz der ungarischen Könige gewesen waren, unter die Oberhoheit Venedigs, weil die Entwicklung der Dinge sie hierzu zwang. Ganz Dalmatien nämlich ging den Ungarn verloren. Die Bocca konnte, wenn sie es wollte, auch weiterhin unter dem ungarischen Schutz, bleiben. Dieser Schutz aber wäre nur ein formaler und unwirksamer gewesen. Wozu dann solch ein Schutz?
Die Bokelen begaben sich freiwillig in die Obhut des neuen Herrn von Dalmatien, aber nur unter gewissen gegenseitig unterschriebenen Bedingungen. Die wichtigste unter diesen lautete: «Wenn die Republik Venedig wegen irgend einer politischen Umwälzung nicht mehr imstande sein wird, Cattaro zu verteidigen, so darf sie es an niemand weder abtreten noch verkaufen, sondern muss es in seiner alten Freiheit weiterbestehen lassen.»[8]
Dieses alten Vertrages mit Venedig sich erinnernd widersetzten sich nun die Bokelen der Okkupation der Bocca durch Oesterreich, dem dieses Gebiet durch den Vertrag von Campo Formio von 1797 nach der Zerstörung der venezianischen Republik zugestanden wurde. Die Volkshäupter versammelten und berieten sich, welche Schritte sie jetzt unternehmen sollten. Alle waren einmütig in dem Entschluss, die Unabhängigkeit des Landes zu verteidigen. Ueber die Art und Weise dieser Verteidigung wollten sie nicht allein entscheiden. Auf dem hohen Berge, der ihrem Küstenland als der natürliche Schutz schien gegeben zu sein, hatten sie einen Ratgeber, der zugleich ihr religiöser Führer war, bei dem sie in schwierigen Momenten Rat und Trost holten und den sie in den schwierigsten zu Hilfe riefen. Sie befragten ihn durch eine Deputation. Der Fürstbischof[9] von Montenegro, denn er war jener Mann, gab den Bokelen den Ratschlag, sie sollten eine provisorische Verwaltung des Landes einsetzen, eine Landwehr errichten und die Gerichtsbarkeit in eigene Hände übernehmen. In diesem provisorischen Zustande sollten sie dann leben und abwarten, ob sich Venedig wieder erheben würde oder nicht. Sollte ersteres geschehen, so würden sie ihre Beziehungen zu ihm wieder herstellen können. Wenn aber nicht, so sollten sie die Herrschaft des römischen Kaisers anerkennen, aber nur unter denselben Bedingungen, unter welchen sie Venedigs Schutz genossen hätten.
Die Bokelen folgten diesem Ratschlag. Allein die Stadt Budua machte einen Schritt weiter, indem sie zu ihrem direkten «Beschützer und Richter, den Peter Petrovic, den ruhmvollen Erzbischof und Metropoliten von Montenegro,» wählte.[10]
Aber im Sommer desselben Jahres nahmen die Oesterreicher allmählich ganz Dalmatien ein. In der zweiten Hälfte des August erschien der österreichische General Baron Rukavina mit der Flotte in der Bucht di Cattaro. Umsonst warteten die Bokelen auf baldige Wiedererhebung ihrer Protektorin von der anderen Küste des Adriatischen Meeres. Die Republik Venedig war für immer vernichtet. Wie hätte dann die Bocca stand halten können vor der überwältigenden Macht des Feindes? Die Bokelen ergaben sich. Hätte der Vladika es gewollt, so hätten sie mit Begeisterung gegen die Oesterreicher gekämpft. Da der Vladika aber auf anderen Seiten gegen die Feinde seines Landes zu kämpfen hatte, und da er auch mit dem österreichischen Kaiser auf gutem Fusse lebte, blieb den Bokelen nichts übrig, als sich zu ergeben.
Das bisher Gesagte gehört eigentlich nicht unmittelbar zu den Ereignissen, die wir zu beschreiben unternommen haben; es musste aber in Erinnerung gerufen werden, um zu zeigen, dass wir hier mit einem Volke zu tun haben, das sich als ein Ganzes für sich und doch als ein Teil einer grösseren Volksfamilie fühlte, das seine Vergangenheit hatte, welches von ständigem Bestreben seiner Vorahnen nach Freiheit erfüllt war, mit einem kleinen Volke, das keinem seiner Nachbarn lästig war und das von ihnen nichts weiter verlangte, als freie hohe See und ein freies Obdach auf dem Lande. Denn dieses Volk lebte seit jeher mehr auf dem Wasser wie auf dem Festlande. Seeleute und Fischer waren es, die in ihrem Leben mehr Wasser und Himmel schauten als festes Land. Ein freies Gemüt, eine klare und unbefangene Beurteilung der Dinge und ein ungetrübtes Gerechtigkeitsgefühl war ihnen stets eigen gewesen. Sie entzogen sich nicht dem Kultureinfluss ihrer italienischen Schutzherren. Sie haben wohl nie die Opulenz und den Glanz Ragusas in ihren Städten geschaut, dennoch waren diese reich. Cattaro und Perast machten Konkurrenz manchen grösseren Küstenstädten in Ober-Dalmatien und Italien. Castelnuovo, Budua und Risano waren kleiner an Umfang und Grösse, nicht aber an Reichtum und Unternehmungen. Diese Leute von der Bocca di Cattaro durchreisten schon in ihren Jugendjahren die Welt. Manchmal mit Reichtum, immer aber mit grösserer Erfahrung kehrten sie in ihre Heimat zurück, die sie so liebten und in der sie ihren Lebensabend zu verbringen wünschten. Nichts Abscheulicheres gab es für sie, als Unterjochung eines Volkes, Tyrannei und Unterdrückung. Die Freiheit war für sie ebenso notwendig für das Leben wie das Meer und die Luft. Diese vornehme Eigenart ihres Temperaments zeigten die Bokelen während ihrer ganzen Geschichte. Unterjocht waren sie nie, wohl aber nahmen sie den Schutz bald dieser, bald jener Macht in Anspruch. Dadurch wurde ihre Freiheit nicht nur nicht eingeschränkt, sondern oft sogar vergrössert und besser gesichert vor der Gier der nächsten Nachbarn.
Durch den Vertrag von Campo Formio wie auch durch denjenigen von Pressburg fühlten sich die Bokelen schwer verletzt, weil man über sie ohne ihre Zustimmung verfügte. Sie hatten früher mit Venedig verhandelt, bevor sie unter seine Obhut traten. Solche direkte Verhandlungen mit Oesterreich oder mit Frankreich war ihnen untersagt. Das verletzte ihren Stolz, der eine mächtige Rolle spielte in ihrem politischen und sozialen Leben. Das war der hauptsächliche Grund ihres Unwillens, ihrer Aufregung gegen die Bestimmungen der Grossmächte. Der andere Grund dafür lag in der Furcht vor der Einschränkung ihrer Freiheit im Handel und in der Politik.
Die Stimmung in der Bocca nach dem Pressburger Frieden war noch erregter als nach dem von Campo Formio, einmal weil Europa zu wiederholten Malen über das Land willkürlich verfügte, und sodann, weil das Gerücht verbreitet wurde, dass die Franzosen, die angehenden Herren des Landes, die Bocca ihres freien Handels und Betriebes berauben wollten. Als der österreichische Kreiskapitän in der Bocca, Baron Kavalkabo, den Bokelen verkündigte, dass alle Städte des Landes bis zum 10. Februar an die Franzosen übergeben werden müssten, wurden sie so betrübt und erzürnt, dass sie alle wie ein Mann sich bereit erklärten, ihr Land vor den neuen Weltavanturisten bis in den Tod zu verteidigen.[11] Sie sahen sich nach zwei Seiten um Hilfe um. Die erste Hilfe war natürlich in Montenegro zu suchen. Eine andere Hilfe hofften sie von den Russen zu bekommen. Nicht aber von den Russen in Russland, sondern von der russischen Flotte, die sich zurzeit bei Korfu befand und die zur Aufgabe hatte, die Ionische Republik vor den Franzosen zu schirmen. Diese Flotte befehligte der Vize-Admiral Senjavin. Nach der Schlacht bei Trafalgar, wo die französische Flotte vernichtet wurde, waren Russen und Engländer auf dem Wasser ganz unzweifelhaft die Herren. Napoleon hatte so gut wie keine Flotte mehr. Darum musste er trachten, das Litorale überall gut gegen die Angriffe vom Wasser her zu befestigen. Daher ist es auch klar, warum er so dringend die Hafensperre für die russische und englische Flotte von Oesterreich forderte. Wenn diese Flotte den Zugang zu keinem Hafen mehr in der Adria hätte, dachte Napoleon, so müsste sie sich von selbst zurückziehen. Höchstens könnte sich diese Flotte noch bei Korfu aufhalten. Darum plante er eben die ganze Meeresküste bis nach und mit Albanien in Besitz zu nehmen, dann von Albanien aus Korfu anzugreifen und die vereinigte Flotte zu vertreiben.
Es gab viele Bokelen, die früher im russischen Marinedienst gestanden hatten und auch viele andere, die in der grossen Politik der Zeit Bescheid wussten. Die einen wie die anderen konnten gut erwägen, was für ein Schlag es für die russische Flotte wäre, wenn ihr der Zugang in die Bucht von Cattaro abgeschnitten wäre.
In Cetinje weilte damals der russische Agent Sankorski, auf dessen Mission in Montenegro wir noch einmal zu sprechen kommen werden. Zum Vladika und zu dem russischen Agenten sandten die Bokelen eine Deputation. Diese erklärte, die Bokelen seien entschlossen, die Bocca bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen, falls ihnen die Montenegriner und die russische Eskader zu Hilfe kommen würden.[12] Sankorski seinerseits sprach den Bokelen die russische Hilfe sofort zu, und eben in diesem Sinne schrieb er an Senjavin. Der Vladika war natürlich noch mehr bereit, seinen treuen Bokelen zu Hilfe zu eilen als die Russen selbst. Er berief nach Cetinje alle Volkshäupter Montenegros und hielt mit ihnen eine Beratung, deren Schluss eine einstimmige Erklärung war, dass die Montenegriner nicht nur gegen die Franzosen um die Bocca zu kämpfen bereit seien, sondern dass sie die Oesterreicher, bevor das Land von jenen okkupiert wäre, aus der Bocca vertreiben wollten. Bereits am nächsten Tage, dem 28. Februar, stand der Vladika vor Castelnuovo und belagerte die Stadt. An demselben Tage langte auch die russische Eskader unter dem Kommando von Kapitän Belli an. Nach fünftägiger Belagerung forderten der Vladika und Belli von dem österreichischen Kommandanten die Kapitulation der Stadt und die Uebergabe der Schlüssel von allen bokelischen Städten. Es wurde ihm gesagt, er verteidige ein fremdes Land, denn die Frist der Uebergabe der Bocca an die Franzosen war bereits schon am 10. Februar abgelaufen. Markis Ghiselieri war schliesslich mit den russisch-montenegrinischen Forderungen einverstanden. Er trat den Bokelen ihr Land mit acht grösseren und kleineren Städten ab. Die österreichische Besatzung wurde überall ersetzt durch das einheimische Heer.[13]
Somit erhielten die Bokelen ihr Land ganz und frei ohne viele Mühen und Kämpfe zurück. Sonst wurde aber die Frage der Bocca di Cattaro viel verwickelter und für den europäischen Frieden von drohenderer Gefahr als je.
Um zu erklären, warum der Vladika Peter in dieser Zeit ohne weiteres für den Kampf gegen die Franzosen energisch eintrat, muss man seine Beziehungen zu den Grossmächten kennen lernen. Peter Petrovic Njegosch übernahm die Staatsverwaltung nach dem Tode seines Vetters, des Vladika Javva 1782. Es war damals eine ungemein schwierige Zeit für Montenegro. Die Gefahr drohte von dem Ikadarsee her, von dem Vezir von Ikadar Mahmut-pascha Buschatlia..[14] Dieser war dem Sultan abtrünnig geworden und herrschte in der Ikadarprovinz nach eigener Willkür. Als ein Schreckbild und eine höllische Geissel wurde er von allen Nachbarn angesehen und gefürchtet. Die montenegrinische Grenze war nie ruhig und sicher vor seinen Banden.
Vladika Peter, angesichts der vom Pascha von Ikadar drohenden Gefahr, entschloss sich in Russland Hilfe zu suchen. Er hoffte viel für sein Land von Ekaterina II. Auf Befehl aber des launischen Fürsten Potemkin wurde er von Petersburg binnen 24 Stunden ausgewiesen, ohne die Kaiserin gesehen zu haben.
Als im Jahre 1788 Russland und Oesterreich mit der Türkei in Krieg gerieten, sandten beide Höfe, Petersburg und Wien, ihre Boten nach Montenegro, um den Vladika für den Krieg gegen den gemeinsamen Feind zu gewinnen. Joseph II. schrieb an den Vladika, dass er die Absicht habe, die unterjochten Christen zu befreien und sie zu Teilnehmern jener Vorteile zu machen, die seine Untertanen genössen; er bat den Vladika, an dem Krieg teilzunehmen[15]. Ekaterina sandte den General-Lieutnant Tutolmin zum Vladika, «damit er Euch,» wie sie schrieb,[16] «Unserer kaiserlichen Gnade und Unseres Wohlwollens versichert, und wenn der Glaube, den die Ungläubigen schänden, wenn die Freiheit, die sie bedrohen und unterdrücken ... Euch bewegen, mit uns an dem Krieg teilzunehmen gegen christliche Feinde, dann wird er (Tutolmin) mit Euch verabreden, was die Bewaffnung eines Heeres betrifft; Ihr sollt ihm Euer Vertrauen schenken und auch überzeugt sein, dass Wir Euch nie vergessen, sondern stets Sorge tragen werden um Eure Sicherheit.»
Vladika Peter mit seinem Volk erklärte sich bereit, dem Rufe zweier Höfe zu folgen. Er tat alles mögliche, um dem österreichischen General Vukasovic bei seinen Operationen gegen die Türken von Montenegro aus beizustehen. Mit seinen Truppen und mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, unterstützte er die österreichische Armee. Für diesen Dienst gewann er aber weder während des Krieges noch nach dem Frieden in Jasch irgendwelchen Vorteil für sein Land, ausgenommen eine Masse von Kriegsmaterial, das ihm die Oesterreicher hinterliessen, und das er gut in späteren Kämpfen gegen die Türken brauchen konnte. Viel mehr Nachteile musste er erleiden. Er zog sich nämlich den Groll der Türken zu, die nun nach Rache gegen Montenegro trachteten, da es von Russen und Oesterreichern nach dem abgeschlossenen Frieden verlassen ward. Nach vierjährigen Kämpfen kam es schliesslich zu einer gewaltigen Schlacht zwischen Montenegrinern und Mahmut-pascha im Dorfe Krusse (1796), wo die Montenegriner den glänzendsten Sieg in ihrer ganzen Geschichte davontrugen. Es stritten 6000 Montenegriner gegen 30,000 Türken. Von diesen fielen in der Schlacht 3000, unter ihnen der Pascha selbst, dessen Kopf immer noch in Cetinje als Siegestrophäe aufbewahrt wird.
Seitdem liessen die Türken Montenegro in Ruhe. Selim III. erkannte selbst die Unabhängigkeit Montenegros an und bezeugte in seinem Schreiben: «Montenegro war nie unserer Hohen Pforte untertan.»[17]
Nach dieser berühmten Schlacht begann die militärische Tüchtigkeit und der Mut der Montenegriner auch die Aufmerksamkeit der Machthaber Europas auf sich zu ziehen. Die russische Diplomatie, die nach dem Frieden zu Jasch Montenegro vollständig sich selbst überlassen hatte—trotz der oben erwähnten Versicherung Ekatarinas—brachte jetzt alle Huldigungen den Montenegrinern und ihrem Vladika dar. So erliess der Zar Paul im Jahre 1798 ein Schreiben[18] an den Vladika, in dem er diesen und sein Volk seiner kaiserlichen Gunst versicherte. Derselbe Kaiser versprach dem Vladika in einem andern Schreiben[19] vom 23. Januar 1799, eine jährliche Subvention von 1000 Dukaten. «Wir haben», sagt Paul, «gnädigst befohlen, dass man Euch aus Unserer Kasse vom 1. Januar 1799 an, am Schlusse jedes Jahres, je 1000 Dukaten aushändigt, indem wir voraussetzen, dass das Geld zum gemeinsamen nationalen Nutzen gebraucht werden wird.» Dieses wurde auch von dem Kaiser Alexander I. bestätigt, kurz darauf aber suspendiert, da im Herbst 1803 der Vladika Peter bei dem Kaiser verleumdet wurde, dass er angeblich seine bischöfliche Pflicht ganz vernachlässigt habe und nun im Verein mit seinem Sekretär, dem katholischen Abbat Dolci (der ein dalmatinischer Serbe war), danach trachte, Montenegro an die Franzosen um 25,000 Dukaten auszuliefern. Alexander sandte sofort seinen Agenten nach Cetinje mit einem Schreiben[20] vom 7. November 1803, in dem es heisst: «Wir sind beunruhigt durch die glaubwürdige Nachricht, die zu Uns gekommen ist und Uns bezeugt hat, dass die herrschsüchtigen Fremden—die leider mitten in Montenegro die Unterstützung von manchen Leuten finden, die sich mit ruchlosen Absichten tragen—das montenegrinische Volk und seine Unabhängigkeit mit Vernichtung bedrohen ... Durch den Wunsch bewogen, diese Gefahr abzuwenden, haben wir nach Montenegro unsern Kommissär, den General-Lieutnant Graf Svelic mit dem Auftrag gesandt, die Montenegriner und Bergleute unseres unaufhörlichen Wohlwollens gegen sie zu versichern, die ihnen drohende Gefahr zu zeigen und den geeigneten Weg zu ihrem Nutzen und Ruhm zu weisen.»
Der russische heilige Synod glaubte in diese Angelegenheit selbst eingreifen zu müssen. Er erliess an den Vladika Peter ein unerhört vermessenes Schreiben,[21] in dem er dem Vladika Vorwürfe machte, die Gnade und den Grossmut der russischen Zaren und des Synods selbst vergessen, die vom Synod an Montenegro geschenkten Kirchengeräte und -gewänder veräussert, Klöster und Kirchen, Gottesdienst und Kirchenzeremonien vernachlässigt zu haben. «Darum ladet Euch der heilige Synod», heisst es dann, «durch diesen Brief vor sein Gericht, damit Ihr Euch rechtfertiget, wenn Ihr Euch unschuldig wisset, oder andernfalls Euch durch Busse reiniget. Falls Ihr diesen Befehl nicht befolget, wird der heilige Synod Euern Ungehorsam als Beweis Eurer Absichten gegen die Religion, gegen das Gesetz und gegen Euer Vaterland und als ein Zeichen Eurer Zuneigung zu dem feindlichen Volke ansehen. Und darum wird sich der heilige Synod gezwungen sehen, Euch als unwürdigen Sohn der heiligen Kirche und als Verräter Eures Vaterlandes zu betrachten, Euch Eures Amtes zu entheben und aus der Kirche zu exkommunizieren.»
Die montenegrinischen Volksgubernatoren entsandten eine in der Tat vornehme und ritterliche Antwort dem Kaiser wie auch dem Synod. Diese Briefe sind von unschätzbarem Wert, da sie am besten illustrieren, wie das montenegrinische Volk seine Beziehungen zu dem russischen Volke und zu der russischen Kirche auffasste. Wir gestatten uns hier nur folgenden Auszug aus der Antwort an den heiligen Synod. Nachdem der Synod an alle Misshelligkeiten und Misszustände in seiner eigenen Kirche erinnert worden ist, und nach einem köstlich sarkastischen Vergleich der russischen Bischöfe, die in «vergoldeten Wagen im Luxus und Prunk fahren», mit dem montenegrinischen Bischof, der «zu Fuss und im Schweisse seines Angesichtes die steilen Berge erklimmen muss, um das Volk zu trösten und zu belehren», wird folgendermassen fortgefahren: «Bis jetzt haben wir nicht gehört, dass der russische Synod ein Richterrecht hat über das xaveno-serbische Volk, das ausserhalb der russischen Grenzen lebt. Darum hat er auch kein Recht über uns. Denn wir, das Volk in Montenegro und den Bergen, sind nicht Untertanen des russischen Reiches, sondern wir stehen bloss in seinem moralischen Schutz, und zwar dieses nicht aus einem anderen Grunde, sondern nur aus Gleichheit des Glaubens und des Volksstammes. Sollte Russland uns von sich zurückstossen, was wir nicht hoffen, werden wir doch Russland treu bleiben, solange der orthodoxe Glaube dort herrschen würde, aber immer nur unter der Bedingung, dass wir nie und nimmer Russland Untertan sein sollen wie die anderen Völker seines Reiches. Wir sind bereit, unsere von unseren Vorahnen mühsam erhaltene Freiheit bis zum Tode zu verteidigen und lieber mit dem Schwert in der Hand zu sterben, als uns in schändliche Sklaverei irgend einer Macht der Welt zu begeben.» Und dann heisst es weiter: «Bis heute hat niemand unseren Bischof vor das Gericht des russischen Synods zu stellen vermocht. Dies werden wir auch jetzt nicht dulden. Hätte er in irgend etwas gefehlt—wie er bei Euch ungerechterweise verleumdet wurde—, so könnten wir selbst ihn richten, und zwar nicht als den Bischof, sondern als den einfachsten Bürger unter uns.»
Der inquisitorische Synod wagte nach dieser Antwort keine weiteren Schritte, obwohl er durch seinen Boten dem Vladika mündlich drohte, ihn nach Sibirien zu vertreiben.[22]
Der Kaiser war taktvoller und überlegener. Er befahl (nachdem er den Brief von dem Vladika erhalten hatte) seinem Konsul in Cattaro, Masurevski mit Namen, nach Cetinje zu gehen und den Vladika zu beruhigen.[23]
In der Tat hegte der Vladika zu dieser Zeit gewisse Hoffnung auf den ersten Konsul. Bonaparte war ganz gut unterrichtet von der militärischen Macht Montenegros. Im Jahre 1803 entsandte Bonaparte einen Offizier, Félix de Laprade, nach Montenegro, um mit dem Vladika ein Bündnis zu Werke zu bringen. Zu derselben Zeit waren die französischen Agenten, Berthier und Pouqueville, die im Auftrag Bonapartes mit Peter I. gewisse Verhandlungen anstellten, in Ragusa. Der lebendige Wunsch der Montenegriner, mit den Bokelen ein Staatswesen zu bilden, war Bonaparte bekannt. Diesen Wunsch legte er darum seinen Verhandlungen zugrunde. Er versprach, die Bocca Montenegro zu überlassen, und übertrug dem Vladika alle Ehren. Bonaparte beabsichtigte, mit Oesterreich und mit der Türkei nacheinander zu kämpfen. Im einen wie im anderen Falle konnten die Montenegriner ihm von unermesslichem Nutzen sein, sei es mit bewaffneter Macht, sei es mit dem Einfluss des Vladika in der Bocca wie in der Herzegovina.[24]
Die Unterhandlungen stockten. Der Vladika sandte einen Deputierten zu Bonaparte. Talleyrand empfing denselben freundlich, gab ihm aber keine entschiedene und klare Antwort, wie Peter erwartet hatte. Warum Bonaparte die Sache in die Länge zog, ist nicht sicher. Es war ein Moment der Spannung zwischen Montenegro und Russland. Er hatte die beste Gelegenheit, diesen Moment auszunützen. Das hatte er angefangen, aber nicht bis zum Ende durchgeführt. Sei dem wie es wolle, sicher aber ist, dass der Vladika, dem sich Bonaparte verschloss, von nun an die Franzosen als Feinde ansah und schon mit der Möglichkeit eines Zusammenstosses mit denselben in der Bocca rechnete.[25]
Auch zu Oesterreich hatte Vladika Peter keine klaren und ungetrübten Beziehungen. Seitdem er mit Mahmut-pascha fertig war, und seitdem Oesterreich die Bocca okkupiert hatte, gab es oft Grenzkonflikte zwischen Montenegrinern und Oesterreichern. Denn nachdem der Vladika sein Land vor den Türken gesichert hatte, richtete er sein Augenmerk ausschliesslich auf die Bocca. Die Bocca zu befreien und mit Montenegro zu vereinigen, war sein einziges Streben. Nur angesichts dieses Ideals ist verständlich, warum er Beziehungen mit Bonaparte mit Eifer unterhielt und warum er es zu Grenzkonflikten mit den Oesterreichern kommen liess. Den österreichischen Verwalter Dalmatiens, Bardy, kostete es viel Geschick und Mühe, den Ausbruch eines Krieges mit Montenegro zu verhindern oder zu verschieben.
So war am Anfang des Jahres 1805 für Russland immer noch die Möglichkeit gegeben, seine Beziehungen zu Montenegro wieder herzustellen. Alexander liess auch diesen Augenblick nicht unbenutzt. Bald nach der Versöhnungsmission Masurevskis nach Cetinje traf in der Hauptstadt Montenegros im März 1805 ein Gesandter aus Petersburg ein, der Staatsrat Stephan Sankovski, dessen Namen wir bereits erwähnt haben. Alexander eröffnete den Plan, Napoleon zu bekriegen und «Europa zu befreien». Er sandte Sankovski nach Cetinje, um Montenegro für die eventuelle Aktion für sich zu gewinnen.[26] Sankovskis besondere Mission bestand natürlich darin, den Vladika günstig gegen Russland zu stimmen. Sankovski brachte 3000 Dukaten mit sich, eine Summe, welche seit 1802 an Montenegro nicht bezahlt worden war.[27] In einem Schreiben, das Alexander an das Volk in Montenegro richtete, hiess es: «Immer bereit, euch Unsere Gunst zu bezeugen, haben Wir eurem Wunsche in bezug auf den Metropoliten gerne Folge geleistet, indem Wir demselben Bischof Unser kaiserliches Wohlwollen wieder geschenkt haben. Wir sind im übrigen überzeugt, dass Wir weder wegen seines Betragens noch dessen aller uns lieben Mitglieder des montenegrinischen Staatsrates nicht nur nicht irgend einen Anlass zum Verdacht oder zur Unzufriedenheit finden, sondern im Gegenteil, dass Wir immer in ihnen würdige Nachfolger jener Montenegriner erkennen werden, die Unseren Vorgängern die Beweise unverbrüchlicher Anhänglichkeit und Ergebenheit dem russischen Reich gegeben haben.»[28]
Die Mission Sankovskis war eine lange und schwierige, denn die Verstimmung des Vladika gegen Russland war gross. Seine Mission wurde aber erleichtert durch die Entwicklung der Ereignisse. Als die bokelische Deputation nach Cetinje kam, um um Hilfe zu bitten, war Sankovski seinem Ziele nahe. Der Vladika liebte die Bocca und die Bokelen und wollte ihnen nach besten Kräften helfen. Franzosen und Oesterreicher waren seine Feinde, also musste er nolens-volens wieder den Russen sich anschliessen.
Bald nachdem die Städte der Bocca den Bokelen übergeben worden waren und nachdem Montenegriner und Bokelen mit den Russen im Kloster Savina am 6. März ein grosses Nationalfest veranstaltet hatten, tauchten neue Schwierigkeiten auf. Noch am 7. März verbreitete sich im slavischen Lager bei Castelnuovo das Gerücht von dem Beschluss des ragusanischen Senats, dass Ragusa den Franzosen den Zugang nach der Bocca gestatten und ihnen sogar nötigenfalls seine Schiffe zum Heerestransport von Ston nach Ragusa anerbieten werde. Obwohl man noch keine sichere Nachricht darüber hatte, segelte Kapitän Belli nach Ston, um jeder Eventualität vorzubeugen. Der Vladika entsandte eine Truppe seiner Montenegriner an die Grenze der Republik Ragusa, um dieselbe zu bedrohen und mindestens zur Neutralität zu zwingen. Das Gerücht zeigte sich als unbegründet. Als Admiral Senjavin zum zweiten Male nach der Bocca kam, entsandte Ragusa einen Senator, um ihn zu begrüssen und ihn um den Schutz der Republik zu bitten. Einmal kam Senjavin selbst nach Ragusa. Der Senat hiess ihn willkommen und schloss mit ihm am 18. Mai den Vertrag des folgenden Wortlautes: «Sobald man hört, dass das französische Heer den Boden der Republik betreten hätte, wird die Stadt Ragusa die russische Garnison aufnehmen, und der Senat die Bürger bewaffnen, damit sie gemeinsam mit dem russischen Heer gegen die Franzosen kämpfen.» Somit glaubte man, die Sache sei endgültig erledigt. Es war aber nicht so. In den Verhandlungen mit Senjavin waren drei Mitglieder des Senats gegen einen solchen Vertrag mit dem russischen Admiral. Sie dachten, die französische Landesmacht in Dalmatien—die sie sich natürlich allzugross vorstellten—könne die Republik besser in Schutz nehmen als die russische Flotte mit der kleinen Zahl der Bokelen und Montenegriner. In nachträglichen Beratungen darüber erklärten auch die übrigen Mitglieder des Senats sich mit den drei Opponenten einverstanden. Sie hielten es also für besser, die Franzosen statt der Russen aufzunehmen. Und so geschah es.
Am 13. Mai fuhr Senjavin nach Triest. Und am folgenden Tage schon überschritt der französische General Lauriston die türkische Grenze; am 15. war er in Ragusa, das er einnahm. Niemand leistete ihm Widerstand. Er kam mit 3000 Soldaten. Nun tat er etwas, was die Ragusaner nicht träumen konnten. Am 16. Mai erliess er eine Proklamation im Namen Napoleons, in welcher es hiess, dass die Unabhängigkeit der Republik aufgehoben sei, und dass ihr dieselbe so lange nicht wiedererstattet werden solle, bis das russische Heer die Bocca und die adriatischen Inseln räumen und die russische Flotte aus der Adria sich entfernen würde. Ragusa musste also seine Freiheit einbüssen wegen der russischen Uebermacht über die Franzosen zur See. Es vermochte an der Situation nichts zu ändern, an der Situation, an welcher es am mindesten Schuld trug. Der nun unverbesserliche Fehler des Senats war, dass er den Russen und seinen übrigen slavischen Volksgenossen gegenüber wortbrüchig wurde. Hätte die Republik am ersten mit Senjavin geschlossenen Bündnis festgehalten, so wäre ihre Unabhängigkeit wahrscheinlich noch für einige Jahre aufrechterhalten und ihr Untergang auf so viele Jahre verschoben worden.
Als Vladika Peter von der Uebergabe Ragusas benachrichtigt wurde, eilte er sofort mit Montenegrinern und Bokelen den Franzosen entgegen. Mit den Franzosen waren auch die Ragusaner. Am 2. Juni stiessen die Armeen bei Zavtat zusammen. Der Kampf war nicht von langer Dauer, aber desto grösserer Erbitterung. Die Franzosen wurden mit ihren Verbündeten zurückgedrängt unter nicht unbedeutenden Verlusten. Sie liessen auf dem Kampffelde 250 Tote zurück und flüchteten sich in die Stadt Zavtat, wo sie sich einschlossen. Die Montenegriner und Bokelen hatten neun und die Russen einen Toten.
Die drei folgenden Tage setzte sich der Kampf fort. Der Vladika bekam von den Russen einige Verstärkung. Nach dem ersten Kampf aber verliessen die Franzosen nachts Zavtat und liessen vier Kanonen zurück. Der russische Major Sabjelin besetzte Zavtat. Die Montenegriner und Bokelen verfolgten den Feind auf dem Rückzug. Diesen Rückzug führten die Franzosen in bester Ordnung, aber langsam und mühsam aus, denn auf jedem Schritt mussten sie sich vor kühnen feindlichen Angriffen wehren. Als sie in die Nähe von Ragusa kamen, bemächtigten sie sich des Berges Brgat und fingen an, sich auf demselben zu befestigen.
Dieser Rückzug aber von Zavtat bis nach Brgat kam den Franzosen teuer zu stehen. Sie verloren 300 Mann, unter welchen 8 Offiziere waren. Sehr wichtig war dieser erste Zusammenstoss der verbündeten Slaven mit den Franzosen, wichtig für beide Teile. Die Montenegriner und Bokelen, die so viel von der unbesiegbaren französischen Armee hatten erzählen hören und die nicht so ganz siegesgewiss gegen die Franzosen in den Streit gezogen waren, wurden durch diese ersten Zusammenstösse sehr ermuntert und kampfesfreudig. Sie sahen ein, dass die französische Armee nicht unbesiegbar war. Sie dehnten die Bedeutung ihres Sieges aus und meinten, dieser Sieg sei ein Sieg über Napoleon. Diese Meinung tat der Grösse von Napoleons Ruhm natürlich keinen Abbruch, war aber anderseits geeignet, die Zuversicht ihrer Träger zu verstärken.
Die Franzosen lernten jetzt zum ersten Male Mut und Kriegsführung eines von ihnen so weit entlegenen und bis dahin unbekannten Volkes kennen. Das erste Begegnen mit diesem Volke machte auf sie einen unerwarteten Eindruck. Sie hofften keineswegs bei einem so kleinen Volke so viele Widerstandskraft finden zu können. Sie gingen gegen die Bocca di Cattaro vor mit festem Glauben, dass sie mit einem Schlage alles bis nach Cattaro einnehmen würden. Sie dachten, das ungeübte und ungeschickte Küsten- und Bergvolk könne nicht so gut die Waffen handhaben. Sie hofften diesem Volke sofort Furcht einzuflössen. Sie täuschten sich in allen Stücken. Sie bewunderten zuerst den Kriegsmut und die verwegene Unerschrockenheit dieses einfachen Volkes. Ja, diese Bewunderung steigerte sich fast zur Furcht: Dieses Volk flösste den Franzosen Schrecken ein, erstens einmal durch seinen Mut und dann durch seine unbarmherzige und furchtbare Behandlung der Kriegsgefangenen. Gewöhnlich erkannten die Montenegriner keine Kriegsgefangenen an und liessen feindliche Krieger, die in ihre Hände fielen, wie in den früheren Kämpfen gegen die Türken—enthaupten. Dieses Verfahren war abscheulich in den Augen der feinfühlenden Franzosen. Abscheulich war es in der Tat.
General Lauriston musste also von nun an die Sache viel ernster nehmen. Ein ungefähres Bild von bevorstehenden harten Kämpfen vermochte er schon nach dieser ersten bösen Erfahrung zu entwerfen.
Mit fieberhafter Eile befestigte nun General Lauriston sein Lager auf dem steilen und uneinnehmbaren Berge Brgat. Dieser Gipfel beherrschte vollständig Ragusa nebst der ganzen Umgebung, wie auch den Hafen Gravosa. Von keiner Seite konnte das französische Heer überrascht werden. Die Linie vom Meer bis zur türkischen Grenze hatten die Franzosen besetzt. Diese Linie war sehr gut. Weil sie kurz war, konnte sie desto besser und stärker befestigt werden. Der rechte Flügel der Armee erstreckte sich bis zum Meer und der linke bis zur herzegovinischen Grenze, welche von der verbündeten Armee nicht überschritten werden durfte. Von hinten konnten die Franzosen keineswegs angegriffen werden; ebenso nicht von rechts und links. Und vor ihnen befanden sich steile und unzugängliche Abhänge. Günstigere Lage konnte man sich nicht denken.
Während dieser ganzen Zeit weilte Admiral Senjavin mit der Flotte in Triest. Erst nach dem Kampf von Zavtat erhielt er die Kunde, dass die Franzosen ihm zuvorgekommen seien und Ragusa bereits eingenommen hätten. Rasch kehrte er nach Cattaro zurück, von dort zog er dann weiter und traf am 12. Juni vor Ragusa ein.
Sofort suchte Senjavin den Vladika auf, um sich über den Stand der Dinge zu erkundigen. Die Montenegriner hatten sich nämlich nicht von den Franzosen abgekehrt; sie nahmen vielmehr Aufstellung am südöstlichen Fusse des Brgat, wohin sich der Feind zurückgezogen hatte. Mit ihnen waren auch die Russen, etwa 1200 Mann, unter dem Major Sabjelin. Die Zahl der Montenegriner samt den Bokelen belief sich auf 3500 Mann. Vladika Peter war der Meinung, man müsse den Feind so schnell wie möglich angreifen, bevor er seine Befestigung beendet und Verstärkung aus dem Norden erhalten hätte. Der Admiral war damit einverstanden. Der Angriff sollte schon am nächsten Tage ausgeführt werden. Den Oberbefehl über das reguläre russische Heer übernahm Fürst Vjasemski, der gerade von Korfu gekommen war.
Am 17. Juni in aller Frühe entsandte der Vladika eine Abteilung Montenegriner, damit sie sich, wenn möglich, wenigstens des vordersten französischen Postens bemächtige. Der Feind war nämlich in vier Gefechtsabteilungen gegliedert. Die Montenegriner stürzten leidenschaftlich auf den ersten Posten los, zersprengten ihn und drangen sofort gegen den zweiten vor. Die Franzosen wollten sie offenbar etwas mehr in ihre unmittelbare Nähe locken. Vladika und Vjasemski sahen ein, dass die Lage dieser tapferen Abteilung jetzt sehr gefährlich, fast verzweifelt war. Sie sandten derselben einen Trupp Jäger zu Hilfe. Diese gerieten aber bald in dieselbe gefährliche Lage. Ein türkischer Offizier benachrichtigte den Vladika von dem Nahen einer Verstärkung für die Franzosen. Die Verbündeten sahen, dass sie keine Stunde mehr säumen dürften. Blitzartig bestieg Vladika den eroberten Posten. Die vorgerückten Montenegriner sahen ihren Vladika ihnen zu Hilfe kommen und fassten neuen Mut.[29] Der linke Flügel wurde angegriffen. Lauriston erwartete keineswegs den Angriff von dieser Seite. Er rückte seine Truppen nach links. Französische Batterien feuerten unaufhörlich. Nur ein Schritt zurück hätte für die Slaven Vernichtung bedeutet. Sie mussten also vorwärtsklettern. An einen Rückzug konnte man nicht im geringsten denken. Die Situation war also für die Slaven äusserst schwierig. Inzwischen aber erschien das übrige russische reguläre Heer auf dem Berg. Ein donnerndes «Hurra» erscholl hinter den Montenegrinern und Bokelen. Die Franzosen waren überrascht und erstaunt, doch nicht verworren. In guter Ordnung kämpften sie immer noch tapfer. Mit Schrecken aber sahen sie, wie das unreguläre Heer tollkühn ihrer Festung nahte. Es dauerte nicht lange, und sie erblickten es in unmittelbarer Nähe ihrer Schanze. Nur einen Augenblick zögerten die Montenegriner, bis sich das ganze verbündete Heer gesammelt hatte; dann aber wurde mit einem Schlag die französische Redoute, die mit 10 Kanonen bewaffnet war, erstürmt.[30] Die Franzosen zogen sich zurück und liessen ihre drei Positionen im Stich. Es blieb ihnen nur noch eine vierte am Fusse des Berges, gerade oberhalb von Ragusa. Unterdessen vereinigte sich mit ihnen die gerade angekommene Verstärkungstruppe. Daher fassten sie allen Mut zusammen und griffen die Slaven an, wurden aber wieder bis zu ihrer vierten Position zurückgeschlagen, wo sie haltmachten, doch ohne jede Hoffnung verloren zu haben. Nicht mehr als eine Viertelstunde vermochten sie von da aus Widerstand zu leisten. Die vierte Position wurde erstürmt, die Franzosen auseinandergetrieben. Ungeordnet und verwirrt flohen sie der Stadt zu. Viele Montenegriner kamen ihnen zuvor und legten sich an der Strasse in den Hinterhalt, um ihnen den Einzug in die Stadt zu verwehren. Unter zahlreichen Verlusten bemächtigten sich die Franzosen dennoch gegen 7 Uhr abends Ragusas.
Es herrschte eine unerträgliche Hitze an jenem Tage, was in dieser Gegend nicht selten ist. Gleichwohl dauerte der Kampf unaufhörlich vom Morgen bis zum Abend fort. Die französischen Verluste waren gross. 800 Tote und Verwundete hatten sie (die Ragusaner mitgerechnet), unter welchen 18 Offiziere sich befanden; zu diesen zählte auch General Delgogne. 90 wurden gefangen genommen. Die Russen verloren 16 Gemeine und einen Offizier, zudem zählten sie 33 Verwundete. Die Montenegriner und Bokelen büssten etwa 120 Mann ein.
So endete dieser blutige Kampf vom 17. Juni, dessen furchtbares Ende Lauriston an dem Vorabend nicht vermuten konnte: Er und seine ganze Armee war von allen Seiten eingeschlossen. Diese Belagerung soll uns im Folgenden beschäftigen.
Am zweiten Tage nach dem Kampfe bei Brgat belagerten die Slaven Ragusa vom Lande her. Die kleine Insel vor der Stadt, Locrum benannt, hielten die Franzosen noch besetzt. Senjavin versuchte, ihnen diesen Stützpunkt zu entreissen, was ihm nicht gelang. Major Sabjelin nahm diejenigen Franzosen gefangen, die er noch ausserhalb der Stadt fand, sei es in Gravosa oder in den umliegenden Häusern und Schluchten. Nun wollte man nicht stehen bleiben, sondern dachte an weitere Schritte. Die erste Sorge war, wie man die Franzosen zur Uebergabe zwingen könnte. Vergeblich hat man Lauriston zur Kapitulation aufgefordert. Auf das energischste hat er es abgeschlagen. Er erwartete Hilfe aus Dalmatien. Etwas Proviant für das Heer besass er, jedoch nicht genug. Lange hätte er schon dort sich halten können, wäre die Zufuhr der Lebensmittel aus der Herzegovina nicht von den Montenegrinern abgeschnitten worden. Alle Wege nach und aus der Stadt wurden gesperrt und das Wasser abgeschnitten.
Darauf stellten die Russen ihre zwei Batterien auf der Höhe über der Stadt auf und fingen an, dieselbe zu bombardieren. Die Häuser Ragusas waren aus festem Material gleich den Ritterburgen gebaut. Auch eine hohe und dicke Mauer umgab die Stadt. Doch die Kanonenkugeln richteten bedeutende Schäden an. Tag und Nacht waren diese Batterien tätig. Lauriston sandte oft kleinere Abteilungen, damit sie die bokelischen Freiwilligen vertrieben, die sich in den Ruinen um die Stadt verborgen hielten und häufig auf dieselbe Angriffe versuchten.
Die eigentliche Stadt war von Menschen überfüllt. Einmal weil neben den Stadtbewohnern die starke französische Garnison darin weilte, und dann, weil das Volk aus der Umgebung noch vor der Belagerung dort Zuflucht gesucht hatte. Von Anfang an musste man deshalb mit allen Nöten kämpfen, wie Hunger, Durst und Krankheiten. Der schreckliche Zustand verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Senjavin war dies sehr wohl bekannt. Ihn und Vladika dauerte es besonders, dass die unschuldige Bevölkerung aus der Umgebung so furchtbar leiden musste. Darum versuchte Senjavin wiederholterweise Lauriston zur Kapitulation zu bewegen, aber jedesmal erfolglos.[31] Der französische General machte zweimal Versuche, um die Stadt von der Belagerung zu befreien. Am 28. Juni griffen seine Soldaten um Mitternacht den russischen rechten Flügel an, wurden aber zurückgeschlagen und liessen 10 Tote und 23 Verwundete auf dem Felde. Und am 3. Juli wurden zum zweiten Male 400 Franzosen nach der Vorstadt Pilae ausgesandt, um das verbündete Heer zu beunruhigen. Eine Abteilung Montenegriner erhielt daher den Befehl, diejenigen Häuser in der Vorstadt anzuzünden, von wo aus die Franzosen ihre Angriffe machten. Der Befehl wurde ausgeführt. Es kam zu einem heftigen Scharmützel, in welchem 100 Franzosen umkamen. (Russen und Montenegriner verloren 11 Mann.) Die übrigen flüchteten sich in die Stadt und wagten nicht mehr herauszukommen, solange die Belagerung dauerte.
Senjavin hatte schon seit Wochen den Befehl aus Petersburg erhalten, die Bocca den Oesterreichern zu übergeben, damit sie dieselbe an die Franzosen ausliefern könnten. Diesen Bescheid hielt er lange geheim. Es ging aber ein leises Gerücht durch die Armee, dass der Admiral einen solchen Befehl in der Tasche trüge. Senjavin liess jenes Gerede nicht unterdrücken oder dementieren, vielmehr schien es, dass er die Verbreitung desselben begünstigte, bis er schliesslich selber die Sache der Armee kund tat. Auf diese Nachricht wurden die Bokelen und Montenegriner bis zum Tode betrübt und entmutigt. Sie konnten gar nicht fassen, dass es des Zaren Wille sei, sie, die so mutig und aufopfernd gegen den gemeinsamen Feind gekämpft hatten, an diesen ausgeliefert werden sollten. Viele verliessen den Kampfplatz sofort und kehrten heim.
Die Belagerung dauerte bis am 6. Juli. An diesem Tage hatten die Slaven noch einen Zusammenstoss mit den Franzosen. Früh am Morgen kam die Nachricht ins russische Lager, dass 500 Mann Ersatztruppen für die Franzosen von Ston heranrücke. Der Vladika sandte zu der Mündung des Flusses Ombla eine Abteilung Montenegriner, den nahenden Feind zu empfangen. Kaum waren die Montenegriner dort angelangt, als ein neues Heer auf den türkischen Hügeln erschien. Das war General Molitor mit 3000 Mann. Ueber Ston hatte er jene 500 Leute ausgesandt, damit er die Aufmerksamkeit der Slaven dorthin lenke, sie dann von hinten überrasche und zwischen die beiden Feuer treibe. Als diese Armee zum Vorschein kam, eilten die Montenegriner und Bokelen ihr entgegen. Sobald die Armee die Grenze überschritt, fielen sie über sie her und zwangen sie, haltzumachen. General Molitor war erstaunt wegen dieses kühnen Streiches eines so kleinen irregulären Heeres. Es kam zu einem heftigen aber kurzen Zusammenstoss. Die Slaven wurden bis Gravosa zurückgedrängt. Molitor vereinigte sich mit der Armee aus der belagerten Stadt. Senjavin wollte sich nicht in einen weiteren Kampf einlassen, da er keinen Vorteil davon erwarten konnte. Die kriegerische Stimmung seines Heeres und insbesondere der Bokelen hatte nachgelassen. Der Vladika schiffte sich mit einem Teil seiner Leute ein und fuhr mit Senjavin und den Russen nach der Bucht di Cattaro. Ein anderer Teil Montenegriner hielt noch eine Zeitlang den Kampf gegen die Franzosen aufrecht. Sie traten langsam den Rückzug in der Richtung auf Zavtat an und gingen von da aus nach Castelnuovo, um sich mit dem übrigen Heere zu vereinigen.
In Castelnuovo war jetzt das Hauptlager der Bokelen, Russen und Montenegriner. Das Volk aus der Umgebung kam haufenweise, um die Krieger zu begrüssen. In diesem Lager ging es wie bei einer politischen Versammlung zu. Das Volk klagte und jammerte, dass es nach so vielen Opfern doch unterjocht werden solle. Es wurden flammende Reden gehalten gegen Franzosen, Oesterreicher und sogar gegen das offizielle Russland (nicht gegen die Russen überhaupt, denn die Russen, welche mit dem Volke gegen den Feind zusammenkämpften, waren in der Bocca sehr beliebt). Man beschloss, eine Deputation zum Zaren nach Petersburg zu schicken, um ihn zu bitten, die Bocca nicht ihrem Feinde auszuliefern. In der Bittschrift erinnerten sie den Zaren, wie die Franzosen wider das Völkerrecht Ragusa besetzt hätten, obwohl diese Republik unter dem Schutz der ottomanischen Pforte, der damaligen russischen Bundesgenossin, stand.[32] Vier Deputierte wurden gewählt und abgesandt.[33]
In Erwartung von Russlands Antwort konnte dieses Volk keine Waffenruhe halten. Die Montenegriner und Bokelen gingen oft nach Ragusa, um die Franzosen herauszufordern. Auch vom Meere aus fuhren sie heran, richteten allerlei Schaden an und kehrten dann in die Bucht zurück. Diese Bandenzüge beunruhigten fast täglich die französische Armee, dass diese—obwohl die Belagerung schon am 6. Juli aufgehoben war—immer noch nicht wagten, aus der Stadt abzuziehen.
Das war ihrerseits natürlich klug. Denn sie wussten, dass es zwischen Napoleon und Russland abgemachte Sache sei, die Bocca di Cattaro an sie auszuliefern. Warum sollten sie nun umsonst Blut vergiessen.
Wir haben schon im ersten Kapitel erwähnt, wie sich die politische Situation der europäischen Grossmächte in einem beständigen Hin-und Herschwanken befand. Napoleon hetzte Oesterreich gegen Russland, dieses stand in Ungewissheit, mit wem es nach der Niederlage von Austerlitz halten sollte; in England war seit dem Tode Pitts (23. Januar 1806) eine Wendung in der äussern Politik eingetreten. Diese war, wenn auch nur für kurze Zeit, von Einfluss auf die Lage des übrigen Abendlandes. Das Ministerium Fox-Grenville kam im britischen Reiche ans Staatsruder. Man erwartete allerwegs, dass Fox, der mächtigste Gegner der kriegerischen Politik Pitts, einen neuen Weg in der äusseren Politik einschlagen werde. Man täuschte sich auch nicht. Fox trieb seinem Charakter gemäss eine friedfertige Politik. Er hegte innige Freundschaft für Frankreich. Ein Briefwechsel zwischen ihm und Talleyrand zeigt dies zur Genüge. Er wollte unverzüglich den Krieg mit Frankreich beilegen.
Man kannte in Petersburg die Gesinnung und die Politik des neuen englischen Ministers. Unter Rücksichtsnahme auf die Tatsache, dass dieser Mann jetzt die Führung Englands, d.h. des russischen Verbündeten, hatte, wie auch auf die Absicht Napolens, Oesterreich von Russland loszumachen, entschloss man sich am kaiserlichen Hofe, eine Annäherung an Frankreich zu versuchen. Weil England denselben Schritt zu tun im Begriffe war, war das schon an sich ein genügender Grund, dass auch die Russen zu Napoleon in freundschaftliche Beziehung treten wollten. Daher sandte Alexander den Staatsrat Oubril, den ehemaligen Geschäftsträger in Paris, nach Frankreich. Oubril hielt auf der Durchreise sich in Wien auf und versicherte dem Hofe und dem Grafen Stadion, dass er Instruktionen bekommen habe, bei dem Abschluss von Verträgen auch Oesterreichs Interessen zu wahren.[34] Man atmete in Wien ein wenig freier auf. Diese Versicherung konnte insbesondere den Grafen Stadion beruhigen, da er durch dieselbe nun gewiss war, dass Oesterreich nicht gezwungen werde, sich auf die Kniee vor Napoleon zu werfen.
Es war klar, dass es für die Verbündeten vorteilhafter sei, gemeinsame Friedensunterhandlungen mit Napoleon zu führen. Dem Betragen des russischen Bevollmächtigten nach aber schien es, als ob Oubril die Instruktionen des Zaren hätte, nötigenfalls auch Separatverhandlungen zu übernehmen. Fox sträubte sich insbesondere gegen solche. Er wusste gut, dass Napoleon nur in dem Falle etwas abzuringen sei, wenn alle Verbündeten gemeinsame Sache machen würden. Nicht weniger war das auch Stadions Standpunkt.
Oubril wurde von Talleyrand mit grosser Zuvorkommenheit behandelt. Er versicherte den russischen Unterhändler, dass ein Friede mit Russland für Napoleon die wünschenswerteste Sache sei, wie auch, dass einem russisch-französischen Abkommen nicht viele Hindernisse im Wege ständen.
Auf das diplomatische Intrigenspiel brauchen wir hier nicht näher einzugehen. Für uns ist nur das Schicksal der Bocca di Cattaro während solch verwickelter diplomatischer Zustände wichtig. Talleyrands Forderungen an Russland gingen darauf hinaus, die Bocca solle den Franzosen geräumt werden. Nur dann könne die Rede sein von einer Räumung des österreichischen Territoriums seitens der Franzosen.
Das Abkommen wurde schliesslich zustande gebracht und am 20. Juli von den beiderseitigen Unterhändlern unterzeichnet. Die Hauptpunkte dieses Abkommens waren: Anerkennung von Napoleons Kaisertitel durch Russland, Räumung des österreichischen Bodens und Uebergabe der Bocca di Cattaro an die Franzosen. Inzwischen begann General Lauriston Verhandlungen mit Senjavin und den österreichischen Diplomaten, den Grafen Bellegard und L'Epin. Da er sich mit Senjavin wegen dessen zögernder Haltung nicht verständigen konnte, forderte er von den Bokelen, sich den Franzosen zu ergeben. Bellegard war entschieden dagegen. Denn er meinte, wenn die Franzosen die Bocca nicht von Oesterreich unmittelbar erhielten, so würde die Festung Braunau diesem letzteren verloren gehen.[35]
Lauriston machte Versuche, auch den Vladika Peter zur freundlicheren Gesinnung gegen die Franzosen zu bewegen. Er hatte erfahren, welch unwiderstehlichen Einfluss er auf die Bokelen hatte. Er wusste, dass keine Macht, folglich auch die Franzosen nicht, ohne seine Zustimmung in dieser Gegend ruhig und glücklich zu herrschen vermöchten. Lauriston machte dem Vladika viele Versprechungen. So verhiess er ihm z.B. im Auftrage Napoleons die Patriarchenwürde über ganz Dalmatien.[36] Selbstverständlich lehnte es der Vladika ab. Es gab eine Zeit, von welcher wir schon gesprochen haben, wo er willig war, mit den Franzosen in Bündnisverhandlungen einzugehen, wo er solche sogar sehnsüchtig wünschte. Diese Zeit war aber jetzt vorüber. Die Situation hatte sich geändert. Der Vladika wusste, dass sein Volk nach so vielem Blutvergiessen und nach so vielen Feindseligkeiten mit den Franzosen nicht frohen Herzens mit denselben jetzt ein Bündnis schliessen würde. Er kannte zu gut den Charakter dieses schlichten Volkes, das seine Gefühle nicht nach diplomatischen Erwägungen, sondern nach einem angeborenen Gerechtigkeitsmassstab regulierte. Dieses Volk vermochte nicht heute jemandes Freund zu werden, dessen Feind es gestern gewesen war.
Im slavischen Lager zu Castelnuovo erwartete man mit Ungeduld die Antwort des Zaren auf die wegen Nichtauslieferung der Bocca gesandte Bittschrift, Lauristons Verhandlungen scheiterten allenthalben. Er gab sie auf, oder besser gesagt, er übergab sie dem gerade angekommenen Generalissimus der französischen Armee für Dalmatien, dem General Marmont. Am 2. August langte dieser in Ragusa an. Er fand, wie er selbst behauptet,[37] die Armee in einem ganz elenden Zustande. Die französischen Truppen in Dalmatien sollten aus den Mitteln unterhalten werden, die sie von dem Militärlager in Italien bekamen. Die Unterstützung war aber mangelhaft und unregelmässig. Die Kriegkommissäre, die die Lebensmittel aus Italien expedierten und die, welche dieselben in Dalmatien empfingen, lieferten der Armee das verdorbene Korn. «Le pain était infect, les hôpitaux étaient dans le plus grand abandon, les casernes sans fournitures; tout était dans l'état le plus déplorable; plus du quart de l'armée était aux hôpitaux, où la mortalité était effrayante: c'était pire que ce que j'avais trouvé deux ans et demi avant en Hollande.[38] So sagt Marmont, nicht aber von dem Zustande der Armee in der Bocca allein, sondern in Dalmatien überhaupt.
Marmont gab sich alle Mühe, diesen unheilvollen Zustand zu bessern. Er machte die dalmatische Armee finanziell unabhängig von der italienischen. Fleischlieferungen bestellte er von Bosnien, wo das Vieh billig war und Kornlieferungen von Pola und Triest.[39] Grosse Sorgfalt widmete er insbesondere den bis dahin ganz vernachlässigten Spitälern. Es gab zu wenig Spitäler, nämlich nur ein einziges in Zara, sodass viele kranke Soldaten starben, bevor sie ins Spital gebracht werden konnten. Er vermehrte die Spitäler, er richtete sie gut und zweckmässig ein. Somit verminderte sich die Sterblichkeit der Soldaten merklich.[40]
Marmont war überrascht, dass man in der Bocca keine Notiz davon nahm, dass das Land nach dem abgeschlossenen Vertrag vom 20. Juli sofort an die Franzosen auszuliefern sei. Er kam nach der Bocca in der festen Ueberzeugung, dass er nichts anderes zu tun haben werde, als bloss das Land zu besetzen ohne Kampf und Krieg. Als seine Hauptmission betrachtete er, den Bedürfnissen der Armee nachzukommen, die ungeheuer waren.[41]
Die Situation war aber eine ganz andere, und demgemäss musste er nun handeln. Er erinnerte den russischen Admiral an den Pariser Vertrag. Senjavin gab eine zögernde Antwort mit der Bemerkung, dass der Vertrag, obwohl abgeschlossen und durch die Unterhändler unterzeichnet, noch nicht durch den Zaren bestätigt worden wäre. Unterdessen erfuhr Marmont, dass das slavische Heer in der Bocca bei Castelnuovo Verstärkungen erhalte. Es ging auch ein Gerücht durch das Land, dass die Slaven an die Fortsetzung des Krieges dächten. Dem französischen General blieb somit nichts übrig, als sich selber zum Kampfe vorzubereiten. Mit grosser Eile liess er zwei Festungen konstruieren, die eine auf dem oberhalb Ragusa sich befindenden Berge Sancto-Sergio und die zweite auf dem ersten Posten, unweit davon. Grossen Wert legte er auf die Freundschaft mit den benachbarten Türken von Bosnien und Herzegovina. Er knüpfte freundschaftliche Beziehungen mit dem Agha von Mostar, mit dem Pascha von Trebinje und dem Vezier von Bosnien an. Er machte ihnen manche Geschenke in Waffen und Berggeschützen.[42]
Da die wiederholten Vorstellungen bei Senjavin keinen Erfolg hatten, rückte Marmont sein Heer bis ins Gebiet von Castelnuovo vor. Ein Waffenstillstand war am 14. August zwischen Senjavin und Lauriston abgeschlossen worden, der noch Gültigkeit hatte. Bei dem kleinen Hafen Molonta stellte er auf dem Berge seine Batterien auf und traf auch bei Ostro viele Vorkehrungen.
Unterdessen kam der kaiserliche Feldjäger und brachte das Gebot des Zaren vom 12. August an seine Armee, den Kampf unverzüglich fortzusetzen. Dass Alexander den Vertrag Oubrils vom 20. Juli nicht anerkennen wollte, das hatte Senjavin schon vorher erfahren, und das wussten auch manche bokelische Führer. Der kaiserliche Bote nun bestätigte das, was eine allgemeine Freude im slavischen Lager und in der ganzen Bocca hervorrief. Am 12. September, anlässlich der Namenstagfeier des Zaren, teilte Senjavin im geheimen mit, dass der Krieg bald wieder eröffnet werden solle.[43] Man bereitete sich vor, soweit man dies noch nicht war. Von Korfu kam auf Befehl Senjavins der General-Major Popondopuli mit weiteren Infanterieabteilungen, die er auf der Insel in Bereitschaft hatte. Das russische reguläre Heer betrug 3000 Mann, die Zahl der Bokelen und Montenegriner war 6000 Mann.[44] Die russische Flotte bestand aus 22 Kriegsschiffen, unter denen 12 Schiffe Kreuzer waren. Die Bokelen hatten auch eine ziemliche Anzahl von Handelsschiffen, die jetzt zum Krieg verwendet wurden. Diese waren natürlich klein, aber eben deshalb leicht lenkbar und insbesondere gut passend für die enge Bucht di Cattaro, wo die grossen Kriegsschiffe nur mit Mühe sich drehen konnten.
Die französischen Truppen waren bis in die Nähe von Castelnuovo vorgerückt. Sie versuchten für sich den Boden zu ergreifen und sich zu verschanzen ganz in unmittelbarer Nähe vor dem slavischen Lager. Daher gab es schon am 14. September deswegen einen kleinen Zusammenstoss zwischen jenen Truppen und einer Abteilung der Freiwilligen unter dem Kommando von Graf Georg Voinovic aus Castelnuovo und Vuko Radonic aus Njegusch, wobei die Franzosen mit einigen Verlusten sich zurückziehen mussten.[45]
Um das Vorrücken der Franzosen zu verhindern, wurde sogar auch die Schiffsartillerie seitens der Russen verwendet. Die Franzosen hatten sich nämlich des Vorgebirges Ostro bemächtigt, eines Punktes, der die gesamte Bucht beherrschte; von dort aus glaubte Marmont der russischen Flotte den Ausgang aus der Bucht versperren zu können. Senjavin erkannte die Gefahr und beschoss darum die Franzosen mit Schiffsgeschützen sobald sie sich auf Ostro zeigten und sich daselbst zu verschanzen suchten.[46] Als das starke und unaufhörliche Schiessen im Lager bei Castelnuovo gehört wurde, machte sich alles bereit. Am 25. September griff der Vladika mit seinen Leuten die Franzosen von der entgegengesetzten Seite an. Diese sahen sich gezwungen, das Vorgebirge zu verlassen und zogen nach Molonta in ihre starke Befestigung zurück. Aber schon am Abend desselben Tages mussten sie auch dort den Montenegrinern weichen, wobei sie 38 Geschütze und zahlreiches anderes Kriegsmaterial zurückliessen, was dem Vladika willkommen war. Die Franzosen hielten sich immer am Rande der Meeresküste und zogen sich langsam zurück. Nur auf dem Debeli Breg hielten sie an und wagten Widerstand zu leisten, aber nur für kurze Zeit; sie setzten darauf ihre Flucht weiter fort. Am zweiten Tage wurden sie immer weiter verfolgt. Die russische Armee holte die Montenegriner bei Debeli Breg ein und vereinigte sich mit ihnen. Die Franzosen erreichten endlich ihr Lager in Zavtat.
In einer anderen sehr starken Verschanzung bei Vutche Zdrelo hatten die Franzosen an diesem letzteren Tage einen heftigen Zusammenstoss mit einer Abteilung der Bokelen aus Risano unter der Führung des Grafen Sava Svelic. Stürmisch wurden sie von den Risanern angegriffen und zur Preisgabe der Festung gezwungen, worauf deren bisherige Besatzung nach Zavtat zurückeilte.
Marmont liebte ein schnelles Vorgehen. Er wollte sich nicht in Zavtat (Ragusa Vecchia) von dem Feind einschliessen und aushungern lassen. Er dachte an eine neue Offensive. Noch in der Nacht zwischen dem 29. und 30. September zog er aus dem Lager mit ungefähr 6000[47] Mann aus. Eine Reserveabteilung liess er in Zavtat zurück. Mit 6000 Soldaten marschierte er nun gegen den Feind. Die Nacht war dunkel, es regnete stark. Das Vorwärtskommen der Franzosen wurde verlangsamt. Sie zogen jedoch tapfer die ganze Nacht weiter. Marmont hoffte, die Montenegriner, die am Ufer des Flusses Liuta ein Nachtlager aufgeschlagen hatten, noch während der Finsternis zu überraschen. Er kam aber zu spät. Das Unwetter war schuld daran. Als es graute, war er noch eine Meile von Liuta entfernt. Seine Attacke führte Marmont sehr geschickt aus. Er sandte den Obersten Planzone mit einem Bataillon voraus. Ihm sollte General Lauriston zur Unterstützung folgen. Marmont selbst rückte mit dem übrigen Heer als Reserve nach.[48]
Der Angriff war ein starker. Die montenegrinischen Vorposten wurden zurückgeworfen bis zum Lager am Flusse, wo sich der Vladika befand. Nach einem heftigen Kampf, bei welchem auch er in grosse Gefahr geriet, zogen sich die Montenegriner mit Verlust von 60 Mann auf die Höhen von Moidesch, Mokrino und Kameno zurück. General Popondopula kam den Montenegrinern zu Hilfe. Er stellte seine Truppen auf den Moidescher Bergen auf, während die Montenegriner sich von da zurückzogen, um die Schluchten zwischen Castelnuovo und Risano zu besetzen; so deckten sie den Rücken der Armee. Die Erhebungen von Mokrino und Kameno wurden jetzt noch stärker besetzt. Die Stellung des russischen Generals war nunmehr viel vorzüglicher, denn die der Franzosen. Marmont ordnete Lauriston mit zwei Bataillonen gegen diesen feindlichen Truppenteil ab. Aber beim ersten Ansturm wurde Lauriston von den Russen zurückgeschlagen. Marmont gab Lauriston sofort eine Verstärkung mit, bestehend in einem Bataillon Grenadiere unter dem Kommando von General Launay. Der Kampf dauerte noch sieben Stunden. Die Russen traten nach dem ausserordentlich mutigen und harten Angriffe der Franzosen den Rückzug an und gaben ihre Position auf der Höhe preis. Das taten sie aber erst nach verzweifelter Gegenwehr; mit dem Bajonett war man auf die Franzosen eingedrungen. Ungefähr 250 Mann, Russen und Bokelen, liessen ihr Leben auf dem Schlachtfeld. Die Russen nahmen ihre Richtung auf Castelnuovo und wurden von den Franzosen unermüdlich verfolgt. Diese Verfolgung ging bis zum Vorgebirge Ostro und dauerte angesichts der russischen Flotte noch fort, bis diese mit den Kartätschen die Franzosen zum Stehen brachte und den Ihrigen den Rückzug bis Castelnuovo auf diese Weise ermöglichte.
Am 1. Oktober begann Marmont einen neuen Kampf. Den General Lauriston sandte er gegen Kameno und Mokrino, wo die Bokelen und Montenegriner standen, und den General Delzons gegen die Russen vor Castelnuovo, um diese herauszulocken und von der Stadt abzuschneiden. Auch befahl er, alle Bauernhäuser in der Umgebung der Stadt anzuzünden und zu verbrennen. «C'était punir la rébellion dans son foyer même»,[49] erklärt Marmont. Dabei wurde auch ein türkisches Dorf, Schwinje, verbrannt, weil die Bewohner des Dorfes die gefordete Hilfe den Franzosen nicht leisten wollten. Die Montenegriner bei Kameno und Mokrino warteten nicht ab bis Lauriston sich ihnen genähert hatte, sondern rückten, sobald sie seiner ansichtig wurden, mit Wut vor, sodass er sich sofort zurückziehen musste. Auf die zweite Abteilung, unter General Delzons, der «avec vigeur»[50] die Truppen führte, wie Marmont selbst bezeugt, feuerten die Geschütze von den zwei Festungen Castelnuovo und Espagnola und von der Flotte aus. Diesen Moment beschreibt Marmont folgendermassen (dies stimmt mit den slavischen Berichten): «Le 2 octobre, au moment où je faisais incendier les beaux faubourgs de Castelnuovo, malgré le feu de la flotte ennemie, mille à douze cents paysans[51] et quelques Russes vinrent attaquer les postes de ma gauche, les surprirent et les obligèrent à se replier.»[52] Als der linke Flügel, unter dem General Lauriston, zurückgedrängt wurde, vereinigte er sich mit dem General Delzons. Dieser hatte auch viel zu leiden unter dem Feuer vom Lande und Meere her. Marmont gab ihm italienische Garde zur Unterstützung bei. Der Kampf wurde von Stunde zu Stunde immer heftiger. Die Masse des Volkes aus den umliegenden Dörfern und der ganzen Bocca strömte bei dem Schauplatz des Kampfes zusammen. Die unmündigen Kinder wie die Greise eilten ins Lager ihrer kämpfenden Brüder zu Castelnuovo, um ihnen irgendwie behilflich zu sein. Der Kampf dauerte den ganzen Nachmittag. Die Montenegriner sprangen haufenweise unter die Franzosen. Furchtbare Szenen entstanden, wie man sie sich nur dort vorstellen kann, wo die Gegner wutentbrannt mit Dolch und Revolver gegeneinander losstürmen. Zuletzt wurden die Franzosen bis in ihr Lager in Sutorina zurückgedrängt. Es war schon tiefe Nacht, als die letzten Schüsse fielen.
Um die Morgendämmerung des 3. Oktober erschallten die Rufe der montenegrinischen Wachen aus der Nähe von Sutorina: «Wer ein Held ist, auf! Der Franzose flieht!»[53] Die Franzosen waren schon weg. In der Nacht befahl Marmont den Rückzug nach Zavtat. Er sah wohl ein, dass es ganz sinnlos wäre, sich auch weiter in einen Kampf gegen die befestigten Slaven in Castelnuovo einzulassen. Er konnte nicht gegen Castelnuovo vorgehen, ohne ins Kreuzfeuer der Festungen auf dem Lande und der Flotte auf dem Wasser zu geraten. Denn nur von einer Seite, und zwar von dieser gefährlichen aus, konnte man von Sutorina nach Novi marschieren. Ein Umgehen war ausgeschlossen wegen der steilen Berge, die über die Stadt herniederhängen.
Als der Ruf der Wachen in Castelnuovo gehört wurde, stürmten die Montenegriner mit ihrem Vladika den Franzosen nach. In zwei Stunden wurden diese eingeholt. Da sich Marmont nicht in den Kampf einlassen wollte, beschleunigte er bloss seinen Wegzug. Unterdessen kamen auch russische Jäger und verfolgten im Verein mit den Montenegrinern Marmont aufs härteste. Viele Tote und Verwundete blieben auf den Strassen liegen. Die Feuerschüsse richteten unter den Franzosen grossen Schaden an. Endlich erreichten sie Zavtat, wo sie sich verschanzten, und die Montenegriner kehrten mit Beute beladen zurück.[54] Der Bericht, den uns Marmont von diesem Rückzug hinterlassen hat, lautet ganz anders. Er schreibt: «J'avais atteint mon but et montré à ces peuples barbares ma superiorité sur les Russes (nämlich im Kampfe bei Castelnuovo). Je me retirai le 3, en plein jour, à la vue de l'ennemi. Rentré à Raguse-Vieux, mes troupes reprirent le camp qu'elles avaient quitté cinq jours auparavant. La terreur des ennemis était telle, que pas un paysan n'osa me suivre.» (!)[55] Wenn wir alle russischen und serbischen Berichte von dem Kampf bei Castelnuovo und vom Rückzug der Franzosen von Sutorina nach Zavtat auf ihre gemeinsamen Züge hin untersuchen und wir bloss diesen Bericht Marmonts in Betracht ziehen, so muss uns manches ganz auffallend vorkommen. Sollte Marmont bei Castelnuovo das slavische Heer besiegt haben, so bleibt sein eiliger Rückzug nach Zavtat ganz unerklärlich, da jener Ort 17 km von dem Kampfplatz entfernt war. Wenn er wirklich gesiegt hätte, und wenn «la terreur des ennemis» so furchtbar gross gewesen wäre, so ist es das grösste Geheimnis für uns, wenn er diese «entsetzten Bauern» nicht weiterverfolgen wollte. Sein Ziel war doch, Castelnuovo und Cattaro zu bezwingen oder wenigstens das Land zu besetzen. Nichts von dem hatte er erreicht. Wozu dann unverrichteter Sache ein Rückzug? An einem anderen Ort, wo er das Ergebnis des Kampfes bei Castelnuovo in Erwägung zieht, sagt Marmont: «Ainsi l'ennemi, qui comptait mettre à feu et à sang Raguse et la Dalmatie, n'avait pas pu défendre son territoire et ses propres foyers.»[56] War dem so, so stand dem General nichts im Wege, dieses Territorium in seiner Gewalt zu behalten. Castelnuovo ist der stärkste Punkt in der ganzen Bocca. Wer diesen Ort besetzt hat, der ist der Herr des Landes. Wenn dieser Punkt also von den Slaven nicht verteidigt werden konnte, wie der General es behauptet, so hätte er Castelnuovo besetzen können. Er unterliess dies aber gänzlich und zog weiter nach Zavtat zurück. Er verliess natürlich auch alle anderen befestigten Posten, die er selbst bauen lassen oder den Slaven weggenommen hatte, wie Molonta, Liuta, Ostro, Sutorina, Kameno und Mokrino. Jedermann, der seinen Bericht mit mehr Aufmerksamkeit und Erwägung liest, wenn er auch den Boden, um welchen es sich hier handelt, nicht kennt, muss vor einem unerklärlichen Rätsel stehen. Und jedermann der diese Landschaften kennt und die anderweitigen Berichte denen Marmonts kritisch gegenüberstellt, muss daraus schliessen, dass die Franzosen bei Castelnuovo geschlagen worden sind und deswegen sich schnell bis nach Zavtat zurückzogen, verfolgt von den Bokelen, Russen und Montenegrinern.
Nach dem Kampfe erliess Senjavin eine Proklamation an die Bokelen und Montenegriner, aus welcher wir nur den folgenden Auszug hier mitteilen: «Soldaten, ihr habt nicht bloss grossen Heldenmut und grosse Tapferkeit gezeigt, sondern auch allen Befehlen gebührend Folge geleistet und euch überhaupt in allem lobenswert betragen. Die Kühnheit des Feindes, der unser Land zu bekämpfen wagte, ist gestraft worden. Wegen eurer Ausdauer war der Feind erstaunt, der so viel Leute verloren hat, dass er sobald keine neuen Kräfte sammeln und einen neuen Kampf wird wagen können. Indem ich euch als Sieger begrüsse, danke ich euch, dass ihr die Gefangenen gut behandelt habt, und wünsche, dass die Menschlichkeit auch späterhin nicht verletzt wird ... etc.»[57]
Dieses Dokument ist das beste Zeugnis von dem Ausgange des Kampfes bei Castelnuovo.
Castelnuovo war und blieb das Hauptlager des slavischen Heeres. Marmont hatte zwei Standorte: Zavtat und Ragusa. Nach dem Kampfe bei Castelnuovo trat in beiden Lagern, im slavischen wie im französischen, eine Zeit der Orientierung nach innen und aussen ein. Die Ereignisse im fernen Norden blieben auch jetzt, wie übrigens während dieser ganzen Zeitepoche, nicht ohne Widerhall. Zwei Fragen waren für Bocca und für beide gegeneinanderstehenden Armeen von wesentlicher Bedeutung. Die eine lautete: Wird wohl Russland nun nach dem Scheitern von Oubrils Vertrag mit Frankreich, oder eher umgekehrt, einen neuen Krieg beginnen? Die andere war: Wird es Frankreich gelingen, das Bündnis der Türkei mit Russland zu sprengen oder nicht? Sollte die Türkei der Verbündete Frankreichs werden, und sollten Feindschaften zwischen derselben und Russland ausbrechen, so wäre die Lage der Russen in der Adria sehr erschwert worden. Senjavin liess noch 6 Kompagnien Jäger von Korfu nach der Bocca kommen. Anfangs Dezember lief Senjavin aus der Bucht aus und fuhr nach den dalmatischen Inseln, um dieselben zu besetzen. Für die militärischen Zwecke waren diese Inseln von grosser Wichtigkeit. Die Insel Corzola war für die kleinen französischen Schiffe ein geeigneter Zufluchtsort.[58] Am 9. Dezember gelangte Senjavin mit seiner Flotte vor die Stadt und Festung Corzola. Er hatte zwei Bataillone Jäger und 150 Mann ausgewählt, Montenegriner und Bokelen. Die Franzosen unter dem General Orfengo waren in sehr günstiger Lage gegen jeden Angriff. Sie hatten eine sehr starke Schanze bei dem Kloster Hl. Vlachho, 14 Geschütze, viel Munition und waren ihrer 500 Mann. «C'était un poste dans lequel un homme de coeur pouvait tenir au moins pendent quinze jours devant toutes les forees ennemies.»[59] So charakterisiert Marmont die Lage, in welcher sich diese französische Besatzung befand. Und doch gelang es Senjavin, bereits am 10. Dezember, nach kurzem und heftigem Gefecht, auszuschiffen; am 11. nahm er die Schanze ein und nahm alle am Leben gebliebenen Soldaten mit dem General Orfengo selbst gefangen. Sechs französische Offiziere und 150 Soldaten fielen im Kampfe. Die Russen mit den Montenegrinern verloren etwa 30 Mann und hatten zirka 80 Verwundete. Von den Montenegrinern zeichneten sich durch bewundernswerte Furchtlosigkeit und Tapferkeit die Brüder des Vladika, Savo Petrovic und Stanko Petrovic aus.[60]
Sofort nach der Einnahme Corzolas griff Senjavin Brazza, eine andere benachbarte Insel, an. Die Franzosen leisteten dort nicht viel Widerstand. Es gab dort keine Festung und keine Redoute; hier war General Marmont selbst. Weil die Garnison zu klein und zu schwach war, wollte er sich in keinen Kampf einlassen, sondern zog nach Spalato zurück. Die Russen aber nahmen 83 Mann gefangen, darunter 3 Offiziere.
Die benachbarte Insel Lesina war sehr gut befestigt. Man dachte hier, dass nach Brazza nun Lesina an der Reihe sein werde, und darum bereitete man sich möglichst schnell und gut zum Kampfe vor. Es kam aber anders. Der russische General erhielt aus Korfu ganz beunruhigende Nachrichten. Man meldete, Ali-Pascha von Janina sei bereit, die Ionischen Inseln anzugreifen. Diese Nachricht bewog den Admiral, sofort seine Eroberungen auf den Inseln preiszugeben und nach Süden in See zu gehen. Er kam mit dem Heer zuerst nach Cattaro.[61] Und von da aus fuhr er weiter nach Korfu. In der Bucht blieb der Kapitän Baratinski mit drei Kreuzern zurück. Sankovski war Zivilverwalter der Bocca, und der Vladika versprach, Cattaro vom Lande aus zu verteidigen.
Nach seinem Rückzug nach Zavtat, blieb Marmont nicht lange in diesem Ort, sondern ging nach Ragusa. Vorläufig gab er den Gedanken, die Bocca zu erobern, auf, oder richtiger ausgedrückt: Jetzt traf er alle möglichen Massregeln und Vorbereitungen, um die Stadt Ragusa als den Ausgangspunkt für jene Eroberung zu befestigen. Napoleon selbst machte grosse Pläne in bezug auf diese Stadt, Marmont sagt darüber folgendes: «L'Empereur avait sur Raguse les projets les plus étendus: cette ville devait devenir notre grande place maritime dans les mers de l'Orient, et être disposée pour satisfaire aux besoins d'une nombreuse escadre, qui y aurait habituellement stationnné.»[62] Prinz Eugen schrieb an Marmont am 8. September 1806: «Sa Majesté espère que vous aurez pu profiter du temps pour vous organiser, armer et fortifier Raguse. C'est un point très important dans les circonstances actuelles, puisque l'on croit que la Russie va déclarer la guerre à la Porte et marcher sur Constantinople.» (Marmonts Mem. X, p. 80.) Darum gab sich Marmont alle Mühe, Ragusa in gehörigen Verteidigungszustand zu setzen. Die zwei Bergfestungen über der Stadt wurden verbessert und neu ausgerüstet. Das gleiche tat der General mit den kleinen Inseln in der Nähe der Stadt. Und schliesslich gab er dem General Lauriston viele Instruktionen, überliess ihm 4500 Mann und reiste am 1. November nach Spalato ab.[63] Diese Zahl war zu gering. Daher ist es kein Wunder, dass die Franzosen keinen Angriff in Abwesenheit Senjavins auf die Bocca zu unternehmen wagten.
Am 11. Oktober schrieb Sebastiani aus Konstantinopel an Marmont: «Une rupture paraît inévitable entre la Russie et la Sublime Porté.»[64] Am 30. Dezember war dieser Bruch vollzogen. Die Türkei erklärte Russland den Krieg. Und am 29. Januar 1807 bekam Marmont eine Instruktion aus Napoleons Lager bei Warschau von dem General-Major, in der es hiess: «L'Empereur est aujourd'hui ami sincère de la Turquie, et ne désire que lui faire du bien; conduisez-vous donc en conséquence.» Und am Tage vorher schrieb Sebastiani noch deutlicher, wie Marmont die Türken unterstützen sollte: Ali-Pascha ... manque de boulets du calibre de douze et de seize, ainsi que de poudre. Je vous prie en grâce de faire tous vos efforts pour lui en envoyer le plus que vous pourrez, soit par terre, soit par mer, et même, s'il est possible, de lui expédier quelques officiers d'artillerie.»[65] Und am 30. März schrieb derselbe: «Les paclias de Bosnie et de Scutari ont reçu ordre de vous seconder de tous leurs moyens, et même de se réunir à vous pour combattre les Monténégrins et Cattaro.»[66]—Wir haben diese Briefauszüge angeführt, um zu zeigen, wie die Verbindung zwischen den Franzosen und den Türken sich so schnell festigte, dass sie ein gemeinsames Vorgehen auf allen Punkten bewirken konnten und wie die den Türken von General Marmont zuteilgewordene Unterstützung gegen die Montenegriner und Russen zu erklären sei.
General Marmont half den Türken in der Tat aus allen Kräften im Kampfe gegen die Slaven. Das geschah im Monat Mai. Die Serben aus der Herzegovina wendeten sich an den Vladika mit der Bitte um Unterstützung gegen die Gewalttaten der Türken, von denen sie seit Beginn des russisch-türkischen Krieges ganz unmenschlich und grausam behandelt wurden. Der Vladika erklärte sich sofort bereit, ihnen seine Hilfe gegen die Tyrannei angedeihen zu lassen. Er besprach die Sache mit Sankovski. Dieser sagte, dass er direkten Befehl von seiner Regierung habe, den Slaven nach Möglichkeit beizustehen. Er gestattete also, dass die russischen Truppen mit den Montenegrinern gegen die Türken in der Herzegovina ziehen sollten und gab demgemäss sofort den Heerführern in Risano und Castelnuovo Instruktionen. Der grösste Teil der russischen Armee in der Bocca zog nach der Herzegovina, in zwei Richtungen, auf Trebinje und Onogoschte zu. Die Montenegriner vereinigten sich unterwegs mit den Russen. Alles war im besten Gang. Die genannten Ortschaften wurden belagert, die türkischen Häuser in der Umgebung stark beschädigt. Nun aber brach ein Zwist unter den russischen Befehlshabern aus, der diese ganze Expedition zum Scheitern brachte. Die Armee kehrte unverrichteter Sache heim.
Der Valdika aber wollte die Sache nicht ruhen lassen. Die Klagen gegen die türkische Gewalttätigkeit häuften sich von Tag zu Tag immer mehr. Er suchte Kriegsmittel und versammelte das Heer. Am 30. Mai überschritt er die herzegovinische Grenze mit 3000 Montenegrinern und 400 Russen und griff die Stadt Klobuk an.[67] Hier gab es eine starke Festung, welche nicht leicht zu erobern war. Die Türken verteidigten sich in jenem Bollwerk. Sie, hätten sich endlich doch den Angreifern ergeben müssen, wären im entscheidenden Augenblicke die Franzosen ihnen nicht zu Hilfe gekommen. Marmont stand mit dem Pascha von Trebinje, Suliman, auf sehr freundschaftlichem Fusse. Den frühern Pascha von Trebinje hatte der französische General abgesetzt, weil er eine den Franzosen feindliche Gesinnung hegte. Der neue Pascha wurde von Marmont eingesetzt. Dieser sandte den General Launay dem Suliman-Pascha gegen die Slaven zu Hilfe. Launay nahm 1000 Soldaten mit und sammelte unterwegs bis nach Klobuk hin noch 2000 Türken. Diese Schar fiel den Slaven in den Rücken. Diese fanden sich nun zwischen zwei Feuern. Die russische Abteilung geriet in eine solche Enge, dass sie sich ganz ergeben musste. Die Montenegriner zogen nach heftigem Kampfe und bedeutenden Verlusten zurück.
Zur Ehre des Generals Launay soll hier eine Tat seiner Menschlichkeit und seines Edelmutes erwähnt werden. Als nämlich die Türken alle russischen Gefangenen enthaupten wollten, trat er für diese ein und suchte dieses barbarische Vorgehen seiner Verbündeten zu vereiteln. Vergeblich aber waren alle seine freundschaftlichen Mahnungen, vergeblich auch seine Drohungen. Er griff daher zu einem absonderlichen, doch höchst vorteilhaften Mittel. Er kaufte die Gefangenen los und zahlte einen Louisdor für den Kopf. Bald darauf bereuten es die Verkäufer, und sie wollten dem General das genommene Geld zurückgeben, damit ihnen der grosse Genuss des Blutbades nicht verloren gehe.[68]
Ausser den Kämpfen in der Herzegovina gegen die Slaven im Vereine mit den Türken hatte Marmont einige kleinere Gefechte mit Senjavin an der Küste Mittel-Dalmatiens, bei Spalato und Poliza, die aber zu seinem Nachteile entschieden wurden. In die Beschreibung dieser Kämpfe wollen wir uns hier nicht näher einlassen, da dieselben in einen andern Zusammenhang gehören. Denn unser unmittelbare Zweck ist, das Schicksal der Bocca zu verfolgen und nur die Ereignisse zu berühren, die dieses Schicksal bestimmt haben, und ferner zu zeigen, wie dieses kleine, arme und doch höchst romantische Land auf die politische Situation Europas einen nicht geringen Einfluss ausübte.
In der Bocca herrschte bereits einige Monate Ruhe. Die Festungen bei Castelnuovo und Cattaro wurden natürlich stets bewacht. Der grösste Teil der russischen Truppen mit einer kleinen Zahl von Bokelen und Bergleuten verliess das militärische Lager, zog heim und ging seiner gewohnten täglichen Beschäftigung nach. Dann und wann wurden sie bald hier- bald dorthin zum Kampfe gerufen, wie wir bereits gesehen haben. In der Bocca selbst gab es seit dem Kampfe bei Castelnuovo keine Schlacht mehr. Kleinere Gefechte und Scharmützel mit den Franzosen wie mit den benachbarten Türken, die seit ihrer Verbrüderung mit den ersteren noch lästiger und aufdringlicher geworden waren, hörten nie auf.
Die Ereignisse in Nordeuropa lenkten wiederum die Aufmerksamkeit der Bokelen auf sich. Preussens Macht war vernichtet, der Krieg zwischen Frankreich und Russland in vollem Gange. Das Glück neigte bald auf diese, bald auf jene Seite. Die Heere Russlands waren zersplittert; es kämpfte im Süden gegen die Türkei und im Nordwesten gegen Napoleon. England unterstützte seine Bundesgenossen nur durch eine Flottendemonstration vor Konstantinopel. Es wagte aber keine militärische Hilfe Russland gegen den Welteroberer zu gewähren. Oesterreichs Haltung war schwankend. Dieser Staat war durch die bestandenen Kriege vollständig erschöpft. Darum konnte man es mit einem erschreckten Kinde vergleichen, das auch den kleinsten Schlag fürchtet, von welcher Seite immer derselbe kommen mag. Oesterreich wagte weder mit Russland noch mit Frankreich zu halten. Es bekundete aber seine Sympathie sowohl dem einen wie dem andern Staate. Im Herbst des Jahres 1806 schrieb Prinz Eugen an General Marmont: «Du reste, la France est dans la meilleure union avec l'Autriche; on ne prévoit aucune expédition contre la Dalmatie.»[69] Und im Januar 1807 schrieb an denselben der General-Major aus dem Hauptlager zu Warschau: «Jusqu'à cette heure nous paraissons toujours assez bien avec l'Autriche, qui paraît comprendre qu'elle a beaucoup à gagner avec la France et à perdre avec les Russes. Les Autrichiens craignent les Français, mais ils craignent aussi les Russes. Il paraît qu'ils out vu de mauvais oeil l'envahissement de la Valachie et de la Moldavie.»[70]
Die Schlacht bei Friedland (14. Juni) entschied endlich alles. Die Russen unterlagen und nach einigen Tagen kam der Friede zustande. Schon am 8. Juli schrieb der General-Major an Marmont: «Je vous expédie un courrier-général, pour vous faire connaître que la paix est faite entre la France et la Russie, et que cette dernière puissance va remettre en notre pouvoir Cattaro.»[71]
Nach dem Tilsiter Vertrag sollte also die Bocca an die Franzosen übergeben werden. Anfangs August bekamen Marmont und Senjavin von ihren Regierungen Befehle, der eine, die Bocca zu übernehmen, und der andere, dieselbe auszuliefern. General Lauriston hatte die Okkupation der Bocca zur Aufgabe bekommen. Noch am 26. Juli schrieb er dem russischen Kapitän Baratinski, dass der Friede zwischen den beiden Gegnern geschlossen sei, und dass er nächstens kommen werde, um die Bocca zu besetzen. Am 10. August marschierte er in das Land ein und übernahm Castelnuovo und zwei Tage darauf auch Cattaro und die übrigen Städte der Bocca.[72] Die Franzosen fürchteten, dass die Russen Cattaro etwa den Engländern übergeben würden. Dann bekam Marmont den Befehl, in aller Stille die Städte und Festungen des Landes zu okkupieren.[73] Die Okkupation der Bocca vollzog sich in der Tat in aller Ruhe und Stille. Die Russen zogen sich freiwillig zurück. Der Vladika war schon vorher wegen Unruhen an den Grenzen seines Landes aus der Bocca abgezogen.
Die Bocea ergab sich, von allen verlassen, ihrem neuen Herrn.
Bald nach der Besetzung der Bocca di Cattaro schrieb Napoleon an Marmont: «Tenez un agent auprès de l'évêque et tâcher de vous concilier cet homme ...»[74] Und der Generalmajor aus Warschau gab an Marmont folgende Instruktion in bezug auf Montenegro: «Vous ne devez pas, général, attaquer les Monténégrins, mais, au contraire, tâcher d'avoir avec eux des intélligences et de les ramener à nous pour les ranger sous la protection de l'Empereur; mais vous sentez que cette démarche doit être faite avec toute la dexterité convenable.»[75] Fragt jemand: «Was lag Napoleon an guten Beziehungen zu Montenegro und seinem Bischofe, da er nun einmal die Bocca in seiner Macht hatte?», so müssen wir nochmals an den grossen Einfluss erinnern, den der Vladika auf die Bevölkerung der Bocca und auf das Militär Montenegros besass, das die einzige Macht an der Ostküste des Adriatischen Meeres war, die der französischen Armee Widerstand zu leisten vermochte. Marmont selbst, der keine besonderen Sympathien für den montenegrinischen Bischof hatte, sagt von seinem Einflusse: «Son autorité positive et légale était peu de chose dans son pays, mais son influence était sans bornes.»[76] Dann ging die Absicht Napoleons dahin, den Vladika zu bewegen, das russische Protektorat aufzugeben und das seinige anzuerkennen. Marmont versuchte auf alle mögliche Weise diesen Wunsch Napoleons zu verwirklichen. Die Sache aber ging nicht so leicht wie sich Marmont dachte. Auf alle Versuche Marmonts, den Vladika für Napoleons Pläne zu gewinnen, antwortete dieser: «Wenn Napoleon die Türken bekriegen sollte, so kann er immer auf das ganze Volk Montenegros rechnen.» Marmont unterliess nicht, den Vladika auch mit vielen und kostbaren Geschenken zu überhäufen.[77] Auch das war vergeblich. Denn was Napoleon wollte, war nicht bloss, dass der Vladika sein Protektorat ausrufen, sondern auch alle Beziehungen zu Russland abbrechen sollte. Und dieses letztere wäre, scheint es, für ihn noch wichtiger wie das erstere gewesen.
Diese Versuche Napoleons dem Vladika gegenüber blieben den Höfen in Wien und Petersburg nicht verborgen. Diese verhielten sich natürlich nicht passiv in der Sache, sondern suchten den Vladika wie die Volkshäupter Montenegros zu bewegen, alle Vorstellungen Marmonts abschlägig zu beantworten. Dieser klagte über die österreichischen Intrigen in Cetinje.[78] Mit grossem Unwillen sah er, wie die Beziehungen zwischen Oesterreich und Montenegro von Tag zu Tag immer freundlicher wurden.
In seinem Uebermut verlangte er schliesslich von Napoleon 7-8000 Mann und 8 Tage Zeit, um Montenegro zu erobern.(!)[79] Das wurde ihm natürlich nicht gewährt. Unterdessen bekam Marmont Anlass, sich über den Vladika noch mehr zu beklagen, im dem Augenblick nämlich, wo er von dem zwischen Montenegro und seinem ehemaligen Todfeinde, dem Vezier von Scutari, abgemachten Frieden hörte. Dieser verbot den französischen Truppen, durch sein Land nach Albanien und Korfu zu ziehen. Es verbreitete sich sogar das Gerücht, dass er einen Einfall in die Bocca di Cattaro im Verein mit den Montenegrinern plane. Statt dessen aber geschah etwas anderes, was zu noch gespannteren Beziehungen zwischen Franzosen und Montenegrinern führte.
Noch im Sommer 1808 hatten die Franzosen in Cattaro zwei Montenegriner als angebliche Spione gefangen genommen und ohne weiteres erschossen. Diese waren der Priester Lazar Radonic aus dem Geschlecht Njegusch und sein achzehnjähriger Sohn. Infolgedessen war ganz Montenegro empört, insbesondere das genannte Geschlecht. Es gab nun in dem Küstenlandstrich zwischen Cattaro und Antivari einen alten Stamm, Braici benannt, der die neueingeführte französische Ordnung und Verwaltung nie anerkennen wollte, sondern sich gegen die französische Obrigkeit stets auflehnte. Daher wurden dessen Angehörige von den Montenegrinern, insbesondere von dem benachbarten Geschlecht Njegusch, aufgereizt und sogar mit bewaffneter Hand unterstützt. Darüber wütend, sandte Marmont den General Delzons, um diese Aufrührer zu bestrafen. Delzons wurde aber geschlagen und zurückgedrängt, wobei er 50 Mann verlor. Marmont machte Vorstellungen beim Vladika,[80] der erklärte, von den aufrührerischen Umtrieben vorher nicht unterrichtet gewesen zu sein. Napoleon war infolge dieser Ereignisse ausser sich. Er drohte, die Schwarzen Berge mit dem Blute der Montenegriner zu Roten Bergen zu machen.[81] Bald darauf setzte er den montenegrinischen Bischof in der Bocca di Cattaro ab und unterstellte diese dem von ihm neu gegründeten dalmatischen Bistum.
Den weiteren Vorschlag der französischen Regierung, einen ihrer Konsule in Cetinje zu akkreditieren und dann eine Strasse zwischen Cattaro und Nikschic über Cetinje auf eigene Kosten zu bauen, schlug der Vladika entschieden ab.
So wurden die Beziehungen zwischen den zwei Nachbarn immer trüber, bis sie sich schliesslich scheinbar wieder besserten. In ebenjenem Jahre kam ein französischer Geschäftsträger, der General Bertrand de Sivray, zum Vladika und schloss mit ihm den sogenanten Vertrag von Lastva. Dieses Abkommen erleichterte den Grenzverkehr zwischen den Franzosen und Montenegrinern. Letzteren wurde der Zugang zu den Märkten in Cattaro und Budua freigegeben, unter der Bedingung aber, dass sie an der Grenze ihre Waffen zurückliessen. Dieser Vertrag vermochte gleichwohl das feindschaftliche Verhältnis zwischen Frankreich und Montenegro nicht zu ändern. Von Anfang an waren die Franzosen den Bokelen und Montenegrinern widerwärtig. Der Hass gegen Napoleon und seine unersättliche Herrschsucht wurde auf die ganze französische Nation übertragen. Darum wurden, obwohl die französische Landesverwaltung keineswegs unterdrückender und gewaltsamer war als diejenige Österreichs, die Franzosen von der Bevölkerung der Bocca verachtet und verschmäht. So sehnte man sich nach einer günstigen Gelegenheit, um gegen die unerträgliche Fremdherrschaft aufzustehen.
Im Jahre 1811 dachte Napoleon an eine Unterwerfung Montenegros; er liess sich sogar einen Plan für einen Feldzug gegen dieses Land ausarbeiten.[82] Andere Ereignisse lenkten aber seine Aufmerksamkeit von Montenegro ab, und so gab er seine Absichten wieder auf.
Gauthier, der Kommandant von Cattaro, bemühte sich gerade um diese Zeit, den Vladika von jeglichen kriegerischen Plänen abzubringen. Im Herbst 1811 sah man die englischen Kriegsschiffe oft an der bokelischen Küste vorbeifahren. Ein Teil der englischen mittelländischen Flotte stationierte bei der Insel Lissa, die die Engländer im Jahre 1810 den Franzosen weggenommen hatten. Als Gauthier erfuhr, dass der englische Marinekapitän William Hoste, welcher Befehlshaber über die Schiffe bei Lissa war, in geheimen Verhandlungen mit dem montenegrinischen Vladika stehe, fürchtete er, diese Verhandlungen mochten vielleicht Cattaro und ihn angehen. Er schrieb deswegen einen Warnungsbrief an den Vladika. Dieser Brief, der am 23. Februar 1812 geschrieben wurde, lautet folgendermassen: «Ich weiss wohl, dass die englischen Agenten zu Ihnen kommen werden, aber die Engländer sind listig. Nehmen Sie sich, Ihre Hochwürden, in acht, damit jene Sie nicht betrügen, wie sie alle Kontinentalstaaten betrogen haben, welche sie in unglückliche Kriege gestürzt und dann verlassen haben. Mögen sich die Montenegriner in die Angelegenheiten grosser Völker nicht einmischen, sondern Frieden halten und Freunde ihrer Nachbarn, der Franzosen, sein. Auf diese Weise werden sie ihren Wohlstand, ihre Unabhängigkeit und ihre Ruhe bewahren.»[83]
Diese Mahnung nützte nichts. Denn bald darauf erschien in Cetinje der englische Offizier Danys, den Hoste entsandt hatte. Er sprach mit dem Vladika über die Vertreibung der Franzosen und die Befreiung der Bocca. Er versprach englische Unterstützung vom Meere aus. Nur überliess er es dem Vladika, den günstigen Augenblick zum Angriff zu wählen und Hoste davon rechtzeitig in Kenntnis zu setzen. Diese Botschaft war für den Vladika höchst erfreulich und willkommen. Doch er wollte nicht allzu eilig sein. Er wartete geduldig auf den geeigneten Augenblick. Was er eilig tat, das war die Vorbereitung zu neuem Kampf.
Erst nach der französischen Niederlage in Russland, erliess er am 8. September 1813 eine Proklamation an das Volk, in welcher er dasselbe zum Kampf gegen die Franzosen aufforderte. Dieser langersehnte Ruf des Vladika wurde von den Montenegrinern freudigst aufgenommen. Sie brauchten nicht viel Zeit, um sich kriegsbereit zu machen. Zugleich sandte der Vladika einen Bürger aus Cattaro, Zifra, nach Lissa zu dem Kapitän Hoste.[84] Ohne eine Antwort von dem englischen Kommandanten der Eskader abzuwarten, zog der Vladika sofort mit seinem versammelten Heere nach Budua, das er am 21. September belagerte. Nach zwei Tagen ergab sich die Stadt, und bald folgten alle umliegenden Ortschaften ihrem Beispiel[85] und schlossen sich den Montenegrinern an.
Der Vladika hatte nicht das ganze Heer mitgenommen. Ein Teil desselben, unter Führung von Vuko Radonic, griff am 22. September die Festung von Cattaro, Troiza, an. Die Franzosen kamen aus der Stadt der Festung zu Hilfe. In heftigem Kampfe wurden die Montenegriner zweimal durch das Geschützfeuer zurückgeworfen. Diese Festung war die beste und stärkste neben derjenigen in Castelnuovo. Sie wurde geschützt nicht bloss durch ihre eigenen Geschütze, sondern auch durch solche, die auf dem steilen Abhang der Stadt zur Verteidigung aufgestellt waren. Bei den unermüdlichen Angriffen der Montenegriner vermochte sich die Festung dennoch nicht lange zu behaupten. Als die Franzosen einsahen, dass sie die Festung übergeben müssten, zündeten sie eine Unmasse Pulver an und steckten dieselbe in Brand.
Nach diesen zwei Kämpfen schrieb der Vladika wiederum an Hoste und ersuchte ihn, baldigst mit der Eskader vor Cattaro zu erscheinen. Der Eingang in die Bucht wurde der englischen Flotte insbesondere erleichtert durch zwei andere kleinere Siege über die Franzosen. Die französischen Batterien waren auf den zwei die Bucht überragenden, sich gegenüberliegenden Bergen Verige und Rosse aufgestellt. An dieser Stelle hätte darum keine feindliche Macht ohne grosse Gefahr nach Cattaro vorzudringen vermocht. Um von dort die Franzosen zu vertreiben, griffen die Montenegriner am 27. September die französische Batterie auf dem Verige an und bemächtigten sich derselben nach starkem Feuer und Gegenfeuer. 14 italienische Soldaten wurden gefangengenommen und drei zurückgelassene Geschütze gefunden. Am 18. September wurde auch die andere Batterie auf dem Rosse angegriffen, die Soldaten von dort vertrieben und vier Geschütze genommen.
Jetzt vermochte also eine Flotte gefahrlos in die Bucht bis vor Cattaro zu fahren.
Am 12. Oktober lief Hoste in die Bucht ein. Bei seinem Durchgang bis nach Cattaro konnte er den heftigen Kämpfen zwischen Franzosen und Bokelo-Montenegrinern auf beiden Seiten der Bucht zusehen. Das waren Gefechte in den umliegenden Dörfern, welche von Natur so befestigt sind, dass ein jedes für sich als ein Bollwerk betrachtet werden kann. Prtchanj und Dobrota ergaben sich. Bei Perast kam es zu einem besonders heftigen Zusammenstoss. Die Perastaner vertrieben mit Hilfe von einigen Montenegrinern die Franzosen und befreiten ihre Stadt. Die kleine Festung oberhalb von Perast war nicht leicht zu bezwingen; endlich aber mussten auch hier die Franzosen weichen. Die Perastaner fanden dort einige Geschütze und andere Waffen. Diese kleine Festung beherrschte die Insel St. Georg vor Perast, wo sich eine französische Batterie befand. Deshalb war ihre Eroberung nun sehr erleichtert. Nach langer Beschiessung musste sich die Insel ergeben. Die Bokelen nahmen 80 Franzosen gefangen und fanden daselbst 10 Geschütze.
Noch am 10. Oktober entsandte der Vladika Sava Plamcuaz mit einer Abteilung Montenegriner nach Castelnuovo, um die Stadt und beide Festungen zu belagern und die Verbindung zwischen der Bocca und Ragusa abzuschneiden. Sobald nun die Engländer vor Cattaro angelangt waren, kam nach einer kurzen Verabredung zwischen dem Kommandanten Hoste und dem Vladika auch das übrige Heer nach Castelnuovo. Eine Abteilung Engländer gesellte sich zu den Slaven und marschierte an der Küste längs der Bucht von Cattaro nach Castelnuovo ab. Hoste selbst kehrte mit seinen Schiffen um und machte gegenüber von Castelnuovo halt.
So wurde Castelnuovo stark belagert vom Lande und vom Meere aus. Die Bombardierung fing sofort an. Die Franzosen leisteten zwei Tage und zwei Nächte lang zähen Widerstand. Aber länger vermochten sie sich nicht zu halten. Sie ergaben sich, und somit fielen auch beide Festungen Castelnuovo und Espagnola den Belagerern in die Hände. Hoste und Vladika liessen eine Besatzung in den Festungen und kehrten dann nach Cattaro zurück.
Von allen Städten und Festungen der Bocca blieb nur noch Cattaro in dem Besitz der Franzosen. Und seine Eroberung war doch die Hauptsache. Nun sollte auch sein Schicksal baldigst entschieden sein.
Die Bokelen und Montenegriner begaben sich unverzüglich nach Cattaro und belagerten es von allen Seiten her. Da Troiza in den vorhergegangenen Kämpfen zerstört worden war, hatte Cattaro keine eigentliche Festung mehr. Aber kaum eine Stadt in der Welt ist so gut von Natur befestigt wie Cattaro. Man braucht bloss auf dem Berge Vrmaz über der Stadt eine gute Geschützkette aufzupflanzen, dann ist Cattaro uneinnehmbar. Die Franzosen hatten oben eine gute Batterie, die aber von den Montenegrinern schon vorher erstürmt worden war, und zwar nicht von der Seite aus, die sie beherrschte, sondern von hinten, d.h. von dem montenegrinischen Boden aus.
Um Cattaro zu erobern, musste man also unbedingt eine Anzahl Geschütze auf dem Berge Vrmaz haben. Einige Kanonen hatten die Montenegriner von den Franzosen erbeutet und einige besassen sie selbst. Die Geschütze, die man auf St. Georg und in Castelnuovo erobert hatte, nahm Hoste auf seinen Schiffen mit hinüber. Da er aber zögerte, diese Geschütze bei Cattaro auszuladen und dieselben auf den Vrmaz hinaufziehen zu lassen, fürchteten die Bokelen, dass er diese Geschütze überhaupt nicht gegen Cattaro brauchen wolle und erhoben deswegen Klage beim Vladika. Dieser teilte die Sache dem Kommandanten mit und bat ihn, die Sache möglichst zu beschleunigen. Auf diese Vorstellung des Vladika antwortete Hoste mit einem überraschenden Brief, der lautet:
«Ihre Hochwürden! Ich hatte die Ehre, Ihren gestrigen Brief zu erhalten. Ich bedaure, dass die Bevölkerung die Zerstörung der Festung St. Georg böse aufgefasst hat, aber das geschah nur zu dem Zweck, dass der englischen Eskader der Durchgang durch Verige im Falle irgend eines ungünstigen Umstandes gesichert werde.
Ihre Hochwürden, die Geschütze werden den Bewohnern zurückgegeben werden, aber Sie sollen wissen, dass ich die Absicht hatte, dieselben auf den Berg hinaufzuschaffen und damit Cattaro zu beschiessen. Nun habe ich meinen Plan geändert und werde nur die Küste zwischen Cattaro und Ragusa blockieren. In dieser Absicht werde ich bald aus der Bucht hinausfahren, um den Feind zu bewachen.
24. Oktober 1813. Ihr gehorsamer Diener Hoste.»
«PS. Der Abbat Brunazzi hat viel Schaden angerichtet. Seine unermüdlichen Intrigen können seinem Kaiser und dessen Bundesgenossen nur schaden, denn er hindert das gemeinsame Werk, das wir unternommen haben.»[86] Dieser Schritt Hostes war begreiflich. Denn er war nie sicher vor den feindlichen Angriffen vom Rücken her. Sehr leicht wäre er in ein Kreuzfeuer geraten, wenn eine feindliche Flotte in die enge Bucht gekommen wäre. Dann wäre er gezwungen gewesen, häufig hinauszugehen und sich von der Situation auf dem Wasser zwischen der Bucht und Ragusa oder noch weiter hinaus selbst zu überzeugen.
Der Abbat Brunazzi war ein vertrauter Bote des Erzherzogs Franz von Este, der auf der Insel Lissa weilte. Dieser Abbat kam auf dem englischen Schiffe zusammen mit Hoste noch am 12. Oktober nach Cattaro. Er brachte einen Brief des Erzherzogs an den Vladika mit.[87] In diesem Schreiben beglückwünschte von Este den Vladika wegen seiner Siege über die Franzosen. Er gab dem Vladika zu verstehen, dass er den englischen Kommandanten bewogen hätte, mit den Schiffen nach Cattaro ihm zu Hilfe zu gehen. Und dann fuhr er fort: «Wenn das unternommene Werk glückt, so werden noch mehr Truppen geschickt werden, um im Verein mit Ihrem Heer die Bocca zu befreien helfen. Mit dieser kleinen Unterstützung schicke ich den wohlbekannten Abbat Herrn Brunazzi zu ihnen, welcher hier bei mir ist und welchem ich diesen Brief übergeben werde. Seine Geschicklichkeit und seine Arbeitsamkeit schätze ich hoch. Er war immer um das allgemeine Wohl der dortigen Gegenden bemüht und hat durch seinen Eifer und Charakter mein Vertrauen erworben. Diesen Mann empfehle ich Ihnen also; er hat von mir den Auftrag, Ihnen auch mündlich meine Hochachtung auszusprechen.»
Dieser «wohlbekannte» und «eifrige» Abbat wollte sich aber der Sache mit mehr Eifer, als nötig war, annehmen. Seine Wühlereien, die für Oesterreich unter der Bevölkerung Stimmung machen sollten, und seine arrogante Haltung den Engländern gegenüber mussten natürlicherweise den Kapitän Hoste verletzen. Wir werden bald sehen, wie dieser Abbat in der Tat der gemeinsamen Sache mehr geschadet als genützt hat.
Von der Absicht Hostes unterrichtet, schrieb der Vladika ihm sofort und bat ihn dringend, nicht aus der Bucht wegzugehen, bevor Cattaro eingenommen wäre. «Mit Ihrem Weggehen,» schrieb der Vladika, «werden Sie die Hoffnung der verbündeten Höfe zerstören. Denn Cattaro einzunehmen, ist der eigentliche Zweck unser aller Bemühungen. Und gerade jetzt, wo sich die beste Gelegenheit dazu bietet, wollen Sie weggehen.»[88] Hoste antwortete darauf: «Da Cattaro von allen Seiten belagert ist, finde ich mein weiteres Verweilen hier unnötig. Aber dennoch will ich mich nicht weit von hier entfernen; ich gehe bis nach Ragusa, um den Feind zu bewachen, und werde öfters herkommen, um mich mit Ihnen zu treffen.»[89]
Hoste übergab den Montenegrinern das Pulver und andere Munition, die sich auf St. Georg befand, und verliess nach einigen Tagen die Bucht.
Cattaro blieb unter der Belagerung und Bewachung der Montenegriner. Sie wussten nicht, wie man die Geschütze auf die herniederhängenden Bergspitzen heben und dort aufstellen sollte. Und ohne Geschütze konnten sie kaum hoffen, die Stadt einzunehmen. Der Vladika war entschlossen, Cattaro so lange besetzt zu halten, bis die englische Eskader zurückgekehrt oder bis der Feind durch Hunger gezwungen sich ergäbe.
Es traf aber inzwischen ein Umstand ein, der die Eroberung der Stadt hätte ermöglichen können, der aber durch den Hochmut und die Hintertreibungen des Abbat Brunazzi nicht ausgenützt werden konnte. In der französischen Armee, die sich in Cattaro befand, waren auch einige Hundert Kroaten. Diese Kroaten wollten nicht in der belagerten Stadt verschmachten im Dienste ihres nationalen Feindes, sondern beschlossen zu entfliehen. In der Nacht zwischen dem 28. und 29. Oktober gelang es ihnen, aus der Stadt herauszukommen. Sie flüchteten sich nach Prtchanj, wo der Abbat verweilte, und brachten ihm die Schlüssel der Stadttore und drei französische Fahnen. Der Vladika war diese Nacht eine halbe Stunde von Cattaro entfernt—also näher wie der Abbat—im Dorfe Dobrota. Hätte er diese Schlüssel bekommen, so hätte er die Stadt in der Nacht noch erstürmen können. Der Abbat vermochte ihm natürlich auch von Prtschanj aus diese Schlüssel zu schicken. Das tat er aber nicht aus Neid gegen einen orthodoxen Bischof. Die Kroaten waren ja römisch-katholischen Glaubensbekenntnisses und hatten sich nun zu ihm, dem römisch-katholischen Geistlichen, geflüchtet. Sein Stolz war in diesem Augenblick der eines engherzigen Parteimannes.
Erst am 29. Oktober schickte er gegen Mittag dem Vladika die jetzt nicht mehr brauchbaren Schlüssel. Der Vladika war wegen eines solchen Benehmens von Seiten des Abbats höchst erzürnt. Er versuchte dennoch am selben Tage den Stadtkommandanten Gauthier zur Uebergabe zu bewegen. Dieser war durch das Weggehen der Kroaten jetzt ziemlich geschwächt. Gauthier weigerte sich. Er dankte dem Vladika, wies aber seinen Vorschlag ab.
Hoste kam seinem Versprechen gemäss öfters nach der Bucht, besah die belagerte Stadt und ging wiederum weg. Erst Ende Dezember kam er endlich mit der festen Absicht, Cattaro einzunehmen. Er führte die Arbeit aus, die die unkundigen Montenegriner nicht auszuführen vermochten, nämlich die Aufstellung der Geschütze auf dem Berge Vrmaz. Dann begann die Bombardierung, vom Lande und Wasser her, die einige Tage dauerte. Ganz in die Enge getrieben, musste Gauthier sich ergeben. Am 8. Januar 1814 wurde die Kapitulation vollzogen. Die Franzosen kamen in die Gefangenschaft des englischen Komandanten. Die Stadtschlüssel übernahmen zwei Mitglieder der bokelischen nationalen Zentralkommission und ein montenegrinischer Deputierter. Den Franzosen wurde die Ueberfahrt nach Italien gestattet. In der ganzen Bocca blieb kein Franzose mehr zurück. Die Bocca war somit vollständig befreit. Nach 2 Tagen verabschiedete sich der englische Kommandant Hoste vom Vladika und den Montenegrinern und fuhr aus der Bucht di Cattaro nach Lissa.
So blieb die Bocca in den Händen der Bokelen und Montenegriner und wurde von der Zentralkommission verwaltet.
Jene Zentralkommission wurde am 10. November gewählt. An diesem Tage nämlich hielten die Bokelen eine Volksversammlung ab, in der sie beschlossen, sich mit Montenegro zu vereinigen, die Oberhoheit des montenegrinischen Bischofs anzuerkennen und in ihrem eigenen Lande eine Verwaltung auf republikanischer Grundlage einzurichten. Als Vorbild diente ihnen die frühere republikanische Konstitution von Ragusa. Ragusa hatte einen Senat, welcher alle drei Jahre eines seiner Mitglieder zum Präsidenten («Prinz») wählte. Die Bokelen schufen eine Zentralkommission, die aus 18 Mitgliedern bestand, und deren Pflicht und Aufgabe es war, das Land zu verwalten.
Nachdem diese neue Ordnung der Dinge ins Leben gerufen und gefestigt worden war, wählte die Zentralkommission einen Sendboten, der eine Zirkularnote den europäischen Grossmächten übermitteln sollte. In dieser Note wurden jene Neuordnungen in der Bocca beschrieben und die Mächte gebeten, dieselbe anzuerkennen. Seitens des Vladika wurde ein besonderer Deputierter nach Petersburg und Wien zu dem gleichen Zwecke entsandt.
Kaum waren diese Deputierten abgereist, so verbreitete sich das Gerücht in der Bocca, ein österreichisches Heer marschiere nach Süd-Dalmatien. Dieses Gerücht bewahrheitete sich. Als Hoste kam, um Caltaro zu bombardieren, drang der österreichische General Milutinovic mit einem grossen Heer bis Castelnuovo vor. Er hatte vom Kaiser den Auftrag, den Montenegrinern und Engländern bei der Einnahme Cattaros zu helfen. Als nun Cattaro inzwischen auch ohne seine Hilfe erobert worden war, kehrte General Milutinovic mit seinem Heere wiederum nach Norden zurück.
Am 10. Juni trafen die Sendboten wieder in der Bocca ein. Sie brachten eine für die Bocca trostlose Antwort von den Höfen mit sich. Die Bocca solle jetzt Oesterreich übergeben werden. Alexander richtete ein vom 1. Juni aus Paris datierendes Schreiben an die Bokelen, in welchem er sie versicherte, dass sie unter Oesterreichs Herrschaft dieselben Vergünstigungen geniessen und dieselbe Freiheit haben würden, die ihnen auch Venedig ehedem gewährt hatte.
Zugleich mit diesem Sendboten kam General Milutinovic wieder nach der Bocca zurück. Er hatte von seinem Kaiser den Befehl, das Land zu okkupieren, was er auch in einigen Tagen vollzog. Die Bocca leistete keinen Widerstand, dazu fehlte ihr die Kraft.[90]
Mémoires du Maréchal, duc de Raguse, liv. X-XIV, Paris 1857.
Tagebuch eines Marineoffiziers, von Vladimir Bronewski, St. Petersburg 1818 (russisch). (Eine fleissige und minutiöse Beschreibung aller Ereignisse in der Bocca di Cattaro, vom Anfang 1806 bis Sommer 1807.)
Schriftstücke der russischen Zaren, befindlich in Cetinje im Staatsarchiv. (Von Peter dem Grossen bis Nicola I.)
Sammlung der offiziellen Akten und Korrespondenzen des Vladika Peter I.— Aus dem Italienischen ins Serbische übersetzt und in Grlica für das Jahr 1838 gedruckt.
"Grlica", eine Zeitschrift für die serbische Geschichte, Cetinje 1833—1838 (serbisch).
Geschichte Montenegros, D. Milakovic, Zara 1856 (serbisch). Enthaltend wertvolle Dokumente, sowohl im Text wie auch in einem Anhang.
Zehn Jahre österreichischer Politik, 1801-1810, von Adolf Beer, Leipzig 1877.
Zur Geschichte der orientalischen Frage, Briefe aus dem Nachlasse Friedrichs von Gentz, Wien 1877.
Engel: Geschichte des Freistaates Ragusa, Wien 1807.
Gelcic: Dello sviluppo civile di Ragusa, Ragusa 1884.
Kirchmayer: Das Ende des aristokratischen Freistaates Ragusa, Zara 1900.
C. Villari: The Republik of Ragusa, London 1904. Enthaltend einige wichtige Dokumente.
Wilkinson: Dalmatia and Montenegro, London 1848.
A.J. Evans: Illyrian letters, London 1878.
Strangford: The Eastern Shores of the Adriatic, London 1864.
Paton: Highlands and Islands of the Adriatic, London 1849.
Schmidt: Das Königreich Dalmatien, Wien 1843.
X. Marmier: Lettres sur l'Adriatique et le Montenegro, Paris 1854.
Cyprien Robert: Les Slaves de la Turquie, 2 vol., Paris 1844. Im ersten Band Montenegro und die Bocca.
Joh. Wilh. Zinkeisen: Geschichte des Osmanischen Reiches in Europa, I.—VII. J., Gotha 1863. Wichtig ist für die vorliegende Arbeit nur der VII. Band.
Sir Robert Adair: Geschichtliche Denkschrift einer Sendung an den Wiener Hof im Jahre 1806, Berlin 1846 (aus dem Englischen übersetzt).
Sir Robert Adair: The Negotiations for the Peace of the Dunlanelles in 1808—1809, I-II vols., London 1845.
„Monumenta Ragusina" in „monumenta Slavorum medionalium", Agram 1880 bis 1896.
P. Pisani: La Dalmatie de 1797-1815, Paris 1893.
Brunswick: Recueil des documents diplomatiques relatifs au Monténégro, Paris 1876.
Erber Tullio A.: Storia della Dalmaltia dal 1797-1814, Zara 1892.
Dragovitch: Le Monténégro et la Russie (Antiquités russes), 1882.
Rovinski: Rapports de la Russie et des Serbes, 1877.
A. Boppe: Documents inédits sur les rlations de la Serbie avec Napoléon, Belgrade 1888.
M. Bogdanovitch: Geschichte Alexanders I., 6 vols., St. Petersburg 1871 (russisch).
Rovinski: Geschichte Montenegros, St. Petersburg 1888 (russisch).
Schnitzler: Histoire intime de la Russie sous les empereurs Alexandre et Nicolas, 2 vols., Paris 1847.
Nil Popov: Russland und Serbien 1806-1856, 2 vols., Moskau 1869 (russisch).
Dobrof: Die Südslaven, St. Petersburg 1879 (russisch).
Karadschic V.: Montenegro und die Montenegriner, Stuttgart 1837.
Auch:
B. V. Kallay: Geschichte der Serben, I-II vols., Wien-Leipzig 1878.
Ranke: Die serbische Revolution, Berlin 1844.
[1] Das ist ersichtlich aus einem Briefe Talleyrands an den Imperator. Revue Historique, XXXIX, p. 64.
[2] Von Vincent, 26. März 1806.
[3] A. Beer: Zehn Jahre österreichischer Politik, p. 220.
[4] Schreiben des Erzherzogs Karl an den Kaiser Franz, vom 29. April 1806. (Im Anhang des Werkes von A. Beer, p. 503-504.)
[5] A. Beer, p. 220.
[6] A. Beer, p. 224.
[7] General Marmont sagt in seinen Mémoires: L'Empereur se trouvait jeté dans un grand mouvement; les trônes s'écroulaient ou s'élevaient en sa présence, et cette petite affaire en resta là.—Liv. X, p. 25.
[8] Dieser Artikel ist in der «Geschichte Montenegros» von Milakovic angegeben, p. 210.
[9] Serbisch Vladika genannt. Der Kürze wegen werden wir diesen Ausdruck weiterhin brauchen.
[10] Grliza von 1836, p. 78.
[11] Grliza 1837, p. 41.
[12] Milacovic, p. 240.
[13] Grliza, 1837, p. 41—43, vergl. Milacovic, Gesch. Mont., p. 240—241.
[14] Milutinovic, p. 320.
[15] Das Schreiben befindet sich in dem Staatsarchiv zu Cetinje.
[16] Dieses Schreiben auch in demselben Archiv aufbewahrt.
[17] Das Schreiben im Archiv zu Cetinje.
[18] Im Archiv zu Cetinje. (Schreiben vom 12. Mai 1798.)
[19] Im Archiv zu Cetinje aufbewahrt.
[20] Im Archiv zu Cetinje.
[21] Im Archiv der Metropolie zu Cetinje.
[22] Milacovic, p. 237.
[23] Pojob Nil. IV, 218.
[24] Nil Pojob, IV, 103-104.
[25] Ein Brief des Vladika gefunden in der Metropolie zu Cetinje.
[26] Pojov N., p. 106.
[27] Bogdanovitch, p. 283—85.
[28] Im Archiv zu Cetinje.
[29] Grliza 1837, p. 51—52.
[30] Grliza 1837, p. 52.
[31] Grliza 1838, p. 44.
[32] Die Kopie dieser Bittschrift ist im Kloster Savina aufbewahrt.
[33] Grliza 1838, p. 44.
[34] A. Beer, p. 225.
[35] Milacovic, p. 259.
[36] Milacovic, p. 258—259.
[37] Viele Behauptungen Marmonts sind augenscheinlich übertrieben und oft sogar ganz unwahr, wie wir schon im weiteren sehen werden. Seine «Memoires» sind von ihm in der Tat als eine Apologie seines Lebens geschrieben worden. Ein strenges Urteil über diese Apologie Marmonts ist folgendes: «Si l'on voulait étudier sa vie en adoptant ce qu'il dit sur lui-méme dans les neuf volumes laissés à la postérité comme justification de sa conduite, on courrait grand risque d'être continuellement à côte de vérité.» (Michauds Biographie universelle, tome 27, p. 18.) Wenigstens was die Ereignisse in der Bocca betrifft, stimmt dieses Urteil grösstenteils. Zu bedauern ist es, dass Europa von diesen Ereignissen lange Zeit hindurch bloss durch Marmont unterrichtet war.
[38] Mem. X, p. 2.
[39] Mem. X, p. 2.
[40] Mem. X, p. 4—5.
[41] Mem. X, p. 2.
[42] Mem. X, p. 6.
[43] Milacovic, p. 260.
[44] Marmont schätzte die russische Armee auf 7000 Mann (Mem. X, 11). Darunter hat er Bokelen und Montenegriner nicht gerechnet. Das war aber stark übertrieben. Denn die Stärke des regulären und unregulären Heeres betrug insgesamt etwa 9000 Mann. Sicher ist, dass von dieser Zahl zwei Drittel auf das unreguläre Heer entfielen.
[45] Orliza 1838, p. 46.
[46] Marmonts Mein. X, 9—10; Milacovic, p. 260—261.
[47] Nach Marmonts Angabe 5900. Milacovic spricht von 20,000, die Marmont bei sich hatte (p. 262), mit denen er aber nicht insgesamt gegen die Montenegriner gezogen sein soll.
[48] Mann. Mem. X, 13.
[49] Marm. Mem. X, 18. Mit wenig Grund kann dann wohl Marmont das für Herd und Freiheit kämpfende Volk der Bokelen und Montenegriner «peuples barbares» nennen. —(Mem. X, 19).
[50] Mem. p. 16.
[51] Marmont nennt Bokelen und Montenegriner verächtlich paysans (selten montagnards). Diese zu bekämpfen, «n'était rieu pour moi (Mem. X, p. 10)», meinte er, bevor er gegen sie in den Kampf zog. Mit diesen verachteten paysans machte er aber ganz böse Erfahrungen und erlitt von ihnen mehr Schläge, als er zu gestehen wagte.
[52] Mem. p. 18.
[53] Milacovic, p. 301.
[54] Grliza 1838, p. 50—51.
[55] Mem. X, p. 19.
[56] Mem. X, p. 18.
[57] Die Proklamation vom 6. Oktober (24. September), die sich im Kloster Savina befindet.
[58] Mem., p. 29.
[59] Mem. p. 30.
[60] Grliza 1838, p. 52-53.
[61] Grliza 1838, p. 53.
[62] Mem. X, p. 21.
[63] Mem. X, p. 22.
[64] Mem. X, p. 85.
[65] Mem. X, p. 93.
[66] Mem. X, p. 101.
[67] Marmont, Mem. X, p. 53. Milacovic, p. 280.
[68] Marmont, Mem. X, p. 53-54.
[69] Der Brief vom 8. Sept. 1806, Marmont, Mem. X, p. 80.
[70] Zitiert bei Marmont, Mem. X, p. 90.
[71] Zitiert bei Marmont, Mem. X, p. 106
[72] Grliza 1838, p. 55-56.
[73] Marmont, Mem. X, p. 108.
[74] E. Lavisse, Napoleon, p. 702.
[75] Bei Marmont, Mem. X, p. 107.
[76] Marmont, Mem. X, p. 59.
[77] Marmont, Mem. p. 125.
[78] Marmont, Mem. p. 126.
[79] Marmont, Mem. p. 126.
[80] Mem. 130.
[81] Milacovic, p. 278.
[82] Lavisse, p. 702.
[83] Im Staatsarchiv in Cetinje.
[84] Karadzitch, p. 39.
[85] Orliza 1838, p. 56. Vergl. mit Milacovic, p. 276.
[86] Dieser Brief ist im Archiv der Metropolie zu Cetinje aufbewahrt.
[87] Dieser Brief ist auch dort.
[88] Im Archiv zu Cetinje.
[89] Idem.
[90] Milacovic, p. 305-308.