Title: New-Yorker Staats-Zeitung, 16. Oktober 1915
Author: Unknown
Release date: September 16, 2007 [eBook #22628]
Most recently updated: January 3, 2021
Language: German
Credits: Produced by Juliet Sutherland, Markus Brenner, Irma pehar
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Published every week by The New-Yorker Staats-Zeitung, 182 William Street, New York.
Auf dem Königsplatz, unmittelbar vor der Siegessäule, deren Nike den goldenen Kranz über sein Haupt hält, steht die zwölf Meter hohe Gestalt des “eisernen Hindenburg von Berlin,” die der Bildhauer Georg Marschall geschaffen hat, und die zum Besten der Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen mit goldenen, silbernen und eisernen Nägeln von wohlthätigen Leuten bedeckt werden soll. Am 4. September fiel die Hülle des Mals und die ersten Nägel wurden eingeschlagen. Für zwei Millionen hat der Berliner Hindenburg Platz; wir wollen hoffen, dass zum Besten der Trauernden in diesem Kriege die Zahl bald erreicht ist.
Die Enthüllung war von linder Luft und hellem Sonnenschein begünstigt. Die ersten goldenen Blüthen des Herbstes leuchteten aus dem Grün der Bäume im Thiergarten und bunte Fahnen wehten von den Häusern fröhliche Grüsse. Menschen strömten schon in den Morgenstunden heran und ihre Massen gliederten sich in der ruhigen Ordnung, die den Deutschen im Blute sitzt.
Vier Geschütze aus der Tannenberger Schlacht stehen vor dem Postament und in den ersten Reihen stehen Feldgraue, Verwundete und Rekonvaleszenten; einer hat sich im Wagen heranfahren lassen, um dabei zu sein, wenn “sein” General seine Ehre erfährt.
Musik klingt von der Siegesallee; Soldaten des 3. Garderegiments rücken heran und nehmen Aufstellung. Eine Abordnung des 2. Masurischen Infanterieregiments aus Lötzen, das jetzt den Namen Hindenburgs für ewige Zeiten trägt, ist gleichfalls zur Stelle. Viele Generale und Offiziere mit ihren Damen, städtische Beamte, Professoren der Universität, Künstler der Palette und der Feder und vom Theater.
Von den geladenen Ehrengästen erscheinen zuerst die Mitglieder der Familien v. Hindenburg und Ludendorff, unter denen der Bruder des Generalfeldmarschalls, der Schriftsteller B. v. Hindenburg, auffällt, weil er äusserlich nicht die geringste Aehnlichkeit mit dem Helden des Tages hat. Hindenburgs Frau und Tochter, die Schwester des Generalfeldmarschalls, Frau v. Waldow, die Gattin von Hindenburgs Generalstabschef, Frau Ludendorff, werden von den Herren des Komitees begrüsst.
Kurz vor 11 Uhr kommt der Reichskanzler, Herr v. Bethmann Hollweg, in Feldgrau. Er sieht ausserordentlich frisch aus. Bald nach dem Eintreffen des Kanzlers fährt in feldgrauem Automobil die Prinzessin August Wilhelm vor, deren sympathische Erscheinung von den Menschen an den Strassen mit Hochrufen begrüsst wird. Nun erfährt man auch welcher Art die Familienangelegenheit ist, die die Kaiserin fernhält: in der Familie des Prinzen Adalbert ist ein frohes Ereignis zu erwarten; deshalb ist die Kaiserin nach Kiel gereist.
Nun ist alles zusammen, ein Parseval und ein Zeppelin fahren in der Luft heran, frohes Schweigen dehnt sich über die Menge, die Feier beginnt.
Die Sänger, die auf den Schwellen der Siegessäule aufgestellt sind, stimmen Beethovens “Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre!” an. Dann tritt der Reichskanzler vor, nimmt den Helm ab und spricht langsam, mit lauter und starker Stimme, so dass jedes Wort deutlich zu vernehmen ist:
“Vor unserem alten Siegesmale haben wir ein Bildnis aufgerichtet, bestimmt, die Dankbarkeit des Volkes zu werkthätiger Liebe zu sammeln. Die Hilfe der Heimath sei für alle bereit, die im Leid sind um der Heimath willen! Der Krieger im Felde sei gewiss, dass auch am verwaisten Herde der Not gewehrt wird. Dies Werk der Hilfe stellen wir unter das Wahrzeichen Hindenburg. Er, dem die Liebe des Soldaten gehört, steht fest gewachsen im Herzen des ganzen Volkes. In ihm zuerst verkörpert sich uns das Heldenthum unserer Heere, die gewaltige Leistung ihrer Führer. Schwertschlag und Hammerschlag, Vertheidiger und Zertrümmerer, das ist uns Hindenburg. Was wir ihm schuldig sind, hat der Kaiser in herrlichen Worten ausgesprochen: Nie erlöschenden Dank! Die Gnade seiner Majestät hat uns vergönnt, unser Hilfswerk auf einen Platz zu stellen, auf dem das Auge Bismarcks ruht. Mit der huldvollen Theilnahme, die sich keinem Liebeswerk versagt, begleitet Ihre Majestät die Kaiserin unsere Arbeit. So erhalte auch diese Feier ihre Weihe durch den Ruf: Unser oberster Kriegsherr, den der Herr der Heerscharen von Sieg zu Sieg führen wolle, Seine Majestät der Kaiser, Hurra!”
Das Hurra klingt kraftvoll und begeistert. Die Prinzessin August Wilhelm erhebt sich und winkt: die Hülle sinkt langsam nieder. Ein Zufall fügt es, dass einer der Kränze an den Masten sich in der Leine verfängt und dem Riesenbild des Marschalls zu Füssen fällt; es sieht wie ein schönes Symbol aus, als der Lorbeer mit den Preussenfarben gleich darauf wieder in die Luft schwebt, dem mächtigen Haupte Hindenburgs entgegen.
Gewaltig steht der Berliner Hindenburg über der Menge, das Haupt gegen die Siegesallee gerichtet. Jauchzend ruft das Volk zu seinen Füssen zu ihm empor; der Reichskanzler hat das Rechte getroffen, als er sagte, dass diesem Manne vor allen anderen unsere Liebe gehört.
Der Oberbürgermeister Wermuth nimmt dann im Namen der Stadt Berlin das Hindenburg-Monument in Besitz und Obhut.
In der Weihe des Kaiserliedes nehmen wir die Gabe, die durch die Hand Euer Exzellenz aus geboten wird, in die Mitobhut der Stadt. Nun gilt es, liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen, das Kunstwerk wetteifernden Opfersinns zu vollenden. Nun schwingt fleissig den Hammer, dass keine Fehlstelle bleibt, dass aus Millionen unscheinbarer eiserner Beiträge ein gewaltiger eiserner Koloss sich zusammenfügt. Ein Wahrzeichen für die spätesten Enkel, wo es auch stehen mag, von der thätigen Begeisterung ihrer Vorväter und Ahnmütter. Ein Sinnbild all der Eigenschaften, die der grösste deutsche Krieg in unserem Volke entfaltet und geweckt hat. All der Treue und Tapferkeit, all der stillen Ausdauer und planvollen Umsicht, wie des stürmischen Draufgehens und der helleuchtenden Sieghaftigkeit, der Entbehrungsfreudigkeit, des schrankenlosen Eintretens des einen für den anderen und aller für das theure Vaterland. Es ist keine Hindenburg-Feier allein, die wir begehen; aber beim Anblick des Mannes dort will sich doch auch die Freude an ihm selbst entladen, an ihm, der in ernstesten Stunden die Uebermacht des Feindes rückwärts beugte, der dem unaufhaltsamen Siegeslauf die Pfade geebnet hat. Darum klinge diese Feier aus in den jubelnden Ruf: “Unser Hindenburg lebe hoch!”
Die Musik spielt “Deutschland, Deutschland über alles!” Der Chor fällt ein; aus der Ferne tönt Hurrageschrei, und die kleinen Fähnchen, die dort in den grünen Gängen zu Tausenden feilgehalten werden, wehen muntere Grüsse hinüber.
Unter den Klängen der deutschen Hymne schreiten über den Ehrenweg die Prinzessin und ihre Begleitung, der Kanzler und die Minister des Reichs, die Generäle und Deputationen, die Vertreter Berlins zu dem Postament, an dem mit Riesenlettern der Name Hindenburg zu lesen ist, um die goldenen Nägel einzuschlagen. Der erste Nagel, geschmückt mit der Kaiserkrone, wird in der Mitte des H befestigt. Und als die Prinzessin August Wilhelm und bald nach ihr der Reichskanzler den Platz verlassen, beide von Ovationen umtönt, ist aus der Feier ein Fest geworden, zu dem nun die Bürger sich drängen. In ihrem Herzen sitzt der Name Hindenburg fest, auch ohne goldene und silberne Nägel.
Gertrud Bäumer veröffentlicht in ihrer “Heimatchronik” einen Brief, in dem ein Offizier Zeugnis über den Werth eines einzelnen Mannes, eines einfachen Maurers, ablegt; der Brief ist ein schöner Beweis kameradschaftlicher Anerkennung des Untergebenen. Der Offizier schreibt:
... “Ich war bis zum 10. März Batteriechef der 5. Batterie und musste damals leider die Batterie, mit der ich den ganzen Feldzug in 18 Gefechten durchgemacht hatte, abgeben, um eine Abtheilung zu übernehmen.
Sch. kam erst hier an der Aisne bei F. von der leichten Munitionskolonne zur Batterie, aber vom ersten Tage an habe ich Achtung gewonnen vor seiner unermüdlichen Arbeitskraft. Trotzdem er ein einfacher Kanonier war, niemals eine Haubitze bedient hatte und lange Zeit schon vom Militär entlassen war, eignete er sich in kurzer Zeit alles das an, was zur Bedienung des Geschützes nöthig war. Er wurde Richtkanonier und die beste Stütze seines jungen Geschützführers. Seine Kenntnisse und Erfindungsgabe kamen uns allen zugute. Er baute uns Deckungen gegen das schwere Artilleriefeuer der Engländer und Franzosen, er schuf geradezu eine neue Art, die Geschützstellungen herzustellen, die nicht nur bei der Batterie, sondern beim ganzen Regiment mustergültig wurde. So hat er zum Siege beigetragen und manchen Kameraden vor der tödlichen Kugel beschützt.
Als wir in die jetzige Stellung kamen, war er es wieder, der der stille Leiter beim Batteriebau war. Ohne dass er Vorgesetzter war, folgte ihm jeder willig, und darum machte ich ihn Weihnachten für tapferes Verhalten vor dem Feinde zum Gefreiten.
Er war ein treuer Kamerad und mir ein lieber Freund geworden, und sein Tod hat mir die ersten Thränen in diesem schaurigen Krieg entlockt, weil er einen unersetzlichen Verlust für uns bedeutet.
In der von ihm seinerzeit ausgebauten kleinen Waldkapelle, einer Höhle aus weissem Sandstein, stand sein Sarg, und vor dem Eingang im Abendsonnenschein haben wir ihn am 14. April in fremder Erde bestattet. Hoch liegt sein Grab über dem weissen Aisnethal von Bäumen umrauscht, als ein Wahrzeichen echter deutscher Treue bis zum letzten Athemzug.
Sagen Sie seiner Frau, dass sie eines Helden Witwe sei, und sie möge ihren Sohn so erziehen, dass er dereinst sich seines Vaters würdig erweist.
Ich werde Ernst Schönbeck nie vergessen!
gez................
Hauptmann und Abtheilungskommandeur
1. Abtheilung Kurmark, Feldartillerie-Regiment.”
Das Drehen der Granaten. Forming the shells. |
Das Poliren der Hülsen. Polishing the shells. |
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Abstempeln der fertigen Granaten. Stamping the finished shells. |
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Abwiegen der Munition. Weighing the shells. |
Prüfung durch Stabsoffizier vor der Uebernahme. Staff-officer taking over the finished work. |
Transcriber’s Note: The table below lists all corrections applied to the original text.