Title: Bhagavadgita — Des Erhabenen Sang
Translator: Leopold von Schroeder
Release date: July 16, 2010 [eBook #33186]
Most recently updated: January 6, 2021
Language: German
Credits: Produced by Markus Brenner, Juliet Sutherland, Wolfgang
Menges and the Online Distributed Proofreading Team at
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RELIGIÖSE STIMMEN
DER VÖLKER
HERAUSGEGEBEN V. WALTER OTTO
DIE
RELIGION DES
ALTEN INDIEN
II
ÜBERTRAGEN UND EINGELEITET
VON LEOPOLD VON SCHROEDER
VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS
JENA 1922
ZEHNTES BIS VIERZEHNTES TAUSEND
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in
fremde Sprachen vorbehalten. Copyright
1922 by Eugen Diederichs Verlag in Jena
GEDRUCKT IN DER HOFBUCHDRUCKEREI · RUDOLSTADT
Die Bhagavadgîtâ ist ein philosophisches Gedicht – und nicht mit Unrecht nennt Wilhelm von Humboldt sie „das schönste, ja vielleicht das einzig wahrhafte philosophische Gedicht, das alle uns bekannten Literaturen aufzuweisen haben.“ In der Tat ist es wohl das einzige in der Weltliteratur, welches ganz diesem Begriff entspricht, d. h. wirklich philosophisch und doch zugleich ein echtes, von höchstem poetischen Schwunge getragenes Gedicht ist, was sich nicht einmal von dem berühmten gedankenreichen, aber doch mehr trockenen, philosophischen Gedichte des Lucrez „De natura rerum“ völlig behaupten läßt. Daß ein solches Gedicht gerade bei den Indern entstehen konnte, ja entstehen mußte, das begreift sich leicht, wenn man weiß, in welchem Grade dies hochbegabte Volk vor anderen Völkern schon früh, schon im vedischen Altertum von großen philosophischen Gedanken erfaßt und durchdrungen wird, mit welcher Energie es um die Klärung und Ausgestaltung seiner Weltanschauung fort und fort ringt, in welcher Ausdehnung hier philosophische Gedanken durch Jahrhunderte und Jahrtausende sich mit den religiösen Vorstellungen verbinden und verschmelzen, aus ihnen erwachsen und sie wiederum bestimmen, ja auch Leben und Handeln bestimmen und beherrschen. Es begreift sich, wenn man zugleich die Kraft der Poesie, die echt arische Fähigkeit hochfliegender Begeisterung kennt, die in diesem merkwürdigen Volke seit alters wirkt und lebt, bald schlummernd, träumend, bald in hellem Jubel erwachend, mit elementarer Macht aufflammend. Schon aus dem Rigveda tönen uns so erhabene, ergreifende Klänge philosophischer Poesie entgegen, wie sie jenes berühmte Lied vom Weltenursprung enthält, das mit den Worten anhebt: „Damals war weder Sein noch Nichtsein“ usw. Und dann gleich in den ältesten Upanishads, vielleicht 7–800 Jahre vor Christo, welche Größe und Kraft, welche Kühnheit und Klarheit der philosophischen Gedanken und Bilder, mit welchem poetischem Schwung, mit welcher feurigen und stolzen Begeisterung verkündet! Wie tief lassen uns die schon oft geschilderten philosophisch-theosophischen Wettkämpfe jener Zeit hineinblicken in das leidenschaftliche Suchen und Ringen nach Erkenntnis der Wahrheit, in die Kraft der Begeisterung, mit der die gefundene Weisheit verkündet wird. Und diese Bewegung der Geister setzt sich fort in der weiteren Upanishaden-Literatur, sie zieht sich durch das große Epos Mahâbhârata, sie gewinnt im Buddhismus und Jainismus neue Formen, sie kristallisiert sich in den verschiedenen philosophischen Systemen und Kommentaren, sie lebt auch in den Gesetzbüchern, sie schimmert und leuchtet in den Purânen und unzähligen anderen Werken. Und IIsie treibt die Menschen dazu, der Welt zu entsagen, um nur den großen, ewigen Gedanken zu leben.
Sie erfaßt in der Folge auch die Eroberer, die Herrscher des Landes aus nichtindischem Stamme, zwingt den edlen Prinzen Mohammed Daraschakoh, Krone und Reich der Großmoguln in die Schanze zu schlagen, um für die Wahrheit siegend unterzugehen[1]. Sie erfaßt auch die höher gearteten europäischen Besucher des wunderbaren Landes mit unwiderstehlicher Gewalt. Sie setzt sich fort bis in die Gegenwart, bis zu jenem nackten Heiligen mit dem Gesichte eines alten deutschen Professors, Lehrers oder Pastors, der vor kurzem noch in einem Garten von Benares vor einer Kapelle saß, die sein eigenes Bildnis in Marmor enthielt, und der zu den Bemerkungen lebenslustiger Spötter wohl milde lächeln und ihnen kopfschüttelnd zuflüstern konnte: „Alles, was uns umgibt, ist nicht Wirklichkeit, sondern nur ein Traum!“[2].
Ja, in diesem Lande konnte und mußte philosophische Dichtung entstehen, wie sie in schönster, reichster Blüte die Bhagavadgîtâ uns vorführt.
Seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden schon ist die Bhagavadgîtâ in Indien selbst berühmt und hoch gefeiert. Ebendarum gehörte sie wohl auch schon zu den ersten Werken der altindischen Literatur, die in Europa bekannt wurden. Schon im Jahre 1785 wurde die geistvolle Dichtung durch den Engländer Wilkins übersetzt und trug nicht wenig dazu bei, die Aufmerksamkeit der Europäer auf die alte Sanskrit-Literatur zu richten. Der Führer der Romantiker, die sich Indien so wahlverwandt fühlten und fühlen mußten – denn Indien ist das Land der Romantik – August Wilhelm von Schlegel, der erste Professor des Sanskrit in Deutschland, gab den Originaltext des Gedichtes im Jahre 1823 heraus und versah denselben mit einer musterhaften lateinischen Übersetzung[3]. Und ein Mann wie Wilhelm von Humboldt war so mächtig davon ergriffen, daß er an seinen Freund Gentz, den bekannten Diplomaten, schrieb: er danke Gott, daß er ihn so lange habe leben lassen, um dieses Gedicht noch lesen zu können! – Das Wort ist schon oft angeführt worden, doch hier ist es am Platze und durfte nicht fehlen. Humboldt widmete diesem Gedichte dann noch eine eingehende geistvolle Abhandlung, die zum besten gehört, was über den Inhalt der Bhagavadgîtâ geschrieben ist[4].
Wenn man die Bhagavadgîtâ ein philosophisches Gedicht nennt, so ist das eigentlich nicht genug – die Bezeichnung ist nicht erschöpfend. Philosophie, Dichtung und Religion, einschließlich die Moral, sind hier tatsächlich eins. Es wäre zu wenig, wenn man sagen wollte, sie sind untrennbar eng verbunden, unauflöslich mit einander verschmolzen – denn es handelt sich hier nicht um eine Verbindung oder Verschmelzung! Nein, sie sind eins, sind ein Ganzes, als solches organisch gewachsen, und ebendarum untrennbar. Der Forscher mag die Elemente sondern, wie er auch die Pflanze oder den Tierkörper zerlegt, in Wahrheit aber liegt eine organische Bildung vor, die ganz einheitlich aus dem indischen Geiste entsprossen ist – eine religiös-philosophische Dichtung mit starkem ethischen Einschlag – ein für Indien höchst charakteristisches Produkt, denn gerade die Einheit von Philosophie, Religion und Moral, getragen von hohem dichterischen Schwunge, tritt uns in diesem Lande so eindrucksvoll entgegen, womit nicht gesagt sein soll, daß die Inder nicht auch streng systematische, nüchtern analytische philosophische Betrachtung gekannt haben. In der Bhagavadgîtâ aber handelt es sich in der Tat „um eine Philosophie, die nicht als Lehrgebäude bewundert werden, sondern den ganzen Menschen durchdringen und erneuern, also Religion sein will, die verlangt, daß man sie lebt“[5].
Mit Recht hebt Chamberlain gerade diese organische Einheit von Philosophie und Religion als das auszeichnende Merkmal des indischen Geistes hervor. „In einer Beziehung – sagt er – steht das geistige Leben der Indoarier unerreichbar hoch über dem unsrigen: insofern nämlich dort die Philosophie Religion war und Religion Philosophie“. „Kein Mann stand in Indien geistig so tief, daß er nicht etwas Philosophie besessen hätte, kein kühnster Flügelschlag des Denkens erhob den außerordentlich Begabten so hoch, daß er nicht noch inbrünstig religiös geblieben wäre“[6].
Äußerlich betrachtet erscheint die Bhagavadgîtâ als eine Episode des großen Epos Mahâbhârata, dem sechsten Buche desselben angehörend, eine Episode, die in der orginellsten, ja in wahrhaft indischer Weise der Erzählung eingefügt ist:
Krishna, eine Inkarnation des Gottes Vishnu, geleitet den Pânduiden Arjuna als dessen Wagenlenker in den großen Kampf der Kuru und Pându-Söhne. Als Arjuna seine Verwandten, Freunde und Lehrer vor sich in den Reihen der Feinde erblickt, zögert er vorzugehen, wird unschlüssig und kleinmütig. IVWie soll er mordend vorgehen gegen diese ihm nahestehenden Menschen? – Da ermahnt ihn Krishna, solche Bedenken fahren zu lassen und seine Pflicht als Kämpfer zu tun. Es entspinnt sich ein Gespräch und Krishna entwickelt nun angesichts beider Heere in achtzehn Gesängen dem Arjuna seine ganze Welt- und Lebensanschauung, aus welcher die Pflicht, handelnd vorzugehen, als praktische Konsequenz resultiert[7].
Entsprechend diesem unmittelbar praktischen Anlaß der ganzen Erörterung ist es vor allem die praktische Moral, die in leuchtenden Zügen hier hervortritt, als das große Ergebnis alles dessen, was Krishna vorträgt, der strahlende Gipfel seiner gesamten Darlegung, wohl geeignet, als Leitstern des Lebens zu dienen. Auf dem Grunde metaphysischer Spekulation baut sich hier eine erhabene Sittenlehre auf, wie wir sie in den eigentlichen Systemen der Philosophie schmerzlich vermissen, eine Sittenlehre, die in ihrer Strenge und Reinheit wahrhaft imponierend wirkt und es wohl verdient, dem kategorischen Imperativ Immanuel Kants an die Seite gestellt zu werden.
Tu deine Pflicht!
Nach dem Erfolg des Handelns frage nicht!
Das ist das Leitmotiv dieser Lehre. Den ewigen heiligen Geboten der Moral folgend sollen wir unentwegt tapfer handelnd unsere Pflicht erfüllen, unbekümmert darum, wie schwer es uns ankommt; nie darnach fragend, welcher Erfolg uns dabei erblühen möchte. Dann winkt uns zuletzt als schönster Lohn „die höchste Bahn“, d. h. der Eingang zu der ewigen heiligen Gottheit, die die Grundlage der gesamten Weltordnung bildet und auch uns allen unsere Pflichten gesetzt hat.
Entsprechend dem System der Sânkhya-Philosophie, wie auch der vereinigten Sânkhya-Yoga-Lehre, wird hier – zum mindesten in gewissen Partieen des Textes – ein ursprünglicher Dualismus von Natur und Geist gelehrt (prakriti und purusha). Beide sind anfangslos und ewig (vgl. Bhag. XIII, 19); der Körper, dem Bereiche der Natur angehörig, ist zusammengesetzt und vergänglich, an seiner Erhaltung nichts gelegen. Die Seele einfach und unvergänglich, mit verschiedenen Körpern sich umkleidend, bis sie die Vereinigung mit dem höchsten Wesen erlangt. Diese Vereinigung soll aber nicht in untätiger Beschaulichkeit gesucht werden, obwohl auch die zeitweilige Meditation ihre volle Berechtigung hat. Wir sollen vielmehr handelnd unsere Pflicht erfüllen, aber mit absolutem Gleichmut, ohne Rücksicht Vauf die Folgen, ohne Begier nach den Früchten unseres Tuns, nur dem reinen Pflichtgebot gehorchend.
Ich habe soeben die dualistische Sânkhya-Lehre als philosophische Grundlage der Bhagavadgîtâ erwähnt. Indessen kann keine Rede davon sein, daß wir die Lehren dieser Philosophie in dem Gedichte rein und konsequent vorgetragen finden. Es gibt vielmehr nicht wenige Stellen, welche zu diesem System durchaus nicht stimmen wollen, sondern ihm geradezu widersprechen. Diese Widersprüche konnte schon W. v. Humboldt s. Z. nicht übersehen. Er suchte dieselben, recht einleuchtend, folgendermaßen zu erklären: „Es ist ein Weiser – sagt er – der aus der Fülle und Begeisterung seines Gefühls spricht, nicht ein durch eine Schule geübter Philosoph, der seinen Stoff nach einer bestimmten Methode verteilt und an dem Faden einer kunstvollen Ideenverkettung zu den letzten Sätzen seiner Lehre gelangt“[8].
Mit diesen Worten W. v. Humboldts, die zweifellos ihre volle Berechtigung haben, suchte man sich lange über die vielen anscheinenden Widersprüche und Divergenzen des tiefsinnigen Gedichtes hinüberzuhelfen. Es ist ein Gedicht und soll ein Gedicht sein, darum darf man eine streng systematische Gedankenentwicklung hier auch nicht erwarten. Es ist ein Weiser, ein hochgestimmter Dichter, der hier redet, kein Philosoph von Fach – wie man heute sagen würde –, ein tief religiös und ethisch gerichteter, mit allerlei Philosophie und Theosophie seines Landes vertrauter und dafür begeisterter Dichter, der aus dem Überschwang seiner Empfindung heraus in wechselnden Stimmungen redet. Das ließ in der Tat so manche Inkonsequenzen erklärlich und entschuldbar erscheinen[9].
Dennoch war es nicht leicht, sich mit diesen Dingen abzufinden, wenn man sich in das Studium der Bhagavadgîtâ mit einigem Ernst vertiefte. Der Dichter bekannte sich anscheinend deutlich zur Sânkhya-Yoga-Lehre. Er nannte sie öfters mit ihrem Namen, pries ihre Weisheit mit hochklingenden Worten und sagte direkt, daß er sie verkünde. Er gab das dualistische Grundprinzip dieser Lehre klar an, bediente sich einer ihr so charakteristischen Theorie wie der Lehre von den drei Gunas, den drei Qualitäten, nach denen die ganze Welt geordnet und eingeteilt ist (sattva Güte oder Wesenheit, rajas Leidenschaft, tamas Finsternis) u. a. m. Aber es fehlte auch nicht an zahlreichen VIVersen, die ganz deutlich Vedântagedanken aussprachen; Gedanken, die ganz wohl in einer Upanishad stehen konnten und die es durchaus begreiflich erscheinen ließen, daß die Bhagavadgîtâ selbst geradezu als eine Upanishad bezeichnet wurde, resp. die einzelnen Kapitel derselben als Upanishaden[10].
Vedânta und Sânkhya liegen weit auseinander. Der Vedânta, dessen feste Grundlage in den Upanishaden, den ältesten philosophischen Traktaten der Inder, vorliegt, ist streng monistisch und idealistisch – die indische All-Eins-Lehre. Der Atman-Brahman, die heilige Weltseele, ist der Urgrund alles Seins, aus ihm allein ist Alles, ist die gesamte Welt hervorgegangen, wie die Funken aus dem Feuer springen, wie das Spinngewebe aus dem Leibe der Spinne hervorgeht, wie die Töne aus der gespielten Laute herausquellen. Unsere eigene Seele aber ist im innersten Kern mit dieser Weltseele identisch. Nur ein Irrtum läßt uns überall Verschiedenheit sehen, denn in Wahrheit ist das ganze All nur Eins, das ἑν καὶ πᾶν – und das principium individuationis ist bloß eine Täuschung, durch Unwissenheit erzeugt, bloß ein Schein. Wer diese Täuschung erkennt, diesen Schein durchschaut, in Allem nur das Eine sieht – den einen Herrn[11] –, sich selbst als identisch mit dem Atman-Brahman erkennt, der ist erlöst. Die Sânkhya-Philosophie ist im Gegensatz dazu streng dualistisch, realistisch und rationalistisch. Sie geht von dem aus, was die empirische Beobachtung uns darbietet. Die Materie (Natur) auf der einen Seite, eine Vielheit individueller Seelen auf der anderen Seite, das sind nach dieser Lehre die beiden, total voneinander verschiedenen, gleicherweise ewigen Prinzipien, aus denen diese Welt zusammengesetzt und aufgebaut ist. Die vielen individuellen Seelen sind in die Körper gebannt, sie wandern durch die Körper, von einem zum andern, bis endlich die Seele zu der Erkenntnis ihrer totalen wesenhaften Verschiedenheit von dem Körper gelangt. Dann ist sie erlöst, dann wandert sie nicht weiter nach dem Tode, ist für immer von dem Körper befreit. Von einem Gott, von einer Weltseele ist in diesem System nicht die Rede. Wie war es möglich, in ein und demselben Dichterwerke so fundamental verschiedene Lehren wie Sânkhya und Vedânta zu vereinigen, zu mischen oder auch nur nebeneinander zu verkünden? Und wie ging es zu, wie ließ es sich erklären, daß ein Gedicht von so ausgesprochen theistischer Tendenz VIIwie die Bhagavadgîtâ, der Verherrlichung des großen Gottes Krishna-Vishnu gewidmet, gerade die Sânkhya-Lehre sich zur philosophischen Grundlage erwählen konnte, – die Sânkhya-Lehre, deren atheistischer Charakter so deutlich hervortrat? Hier lagen große Rätsel verborgen. Doch sie sollten nicht vergeblich ihrer Lösung harren.
Diese Lösung wurde in zielbewußter Weise vorbereitet durch die gründliche Erforschung der altindischen Philosophie, der sich die europäischen Indologen insbesondere in den letztvergangenen drei Jahrzehnten mit großem Erfolge gewidmet haben. Gerade die deutschen Gelehrten sind an dieser Arbeit in erster Linie beteiligt gewesen, allen voran Paul Deussen und Richard Garbe, welche beide sich ein unvergängliches Verdienst um diesen Zweig der Forschung erworben haben[12].
Doch der erste Anstoß, durch welchen der philosophische Inhalt der Bhagavadgîtâ in ein ganz unerwartet neues Licht gestellt werden sollte, erfolgte von anderer Seite her. Er ging von dem scharfsinnigen und gelehrten Jesuitenpater Joseph Dahlmann aus, der sich mit großer Energie in das gewaltige indische Epos und die überaus schwierige Frage seiner Entstehung und Zusammensetzung hineingearbeitet hatte. Dahlmann veröffentlichte zunächst i. J. 1895 ein geistvolles Buch über das Mahâbhârata als Epos und Rechtsbuch[13] und ließ demselben schon in dem darauffolgenden Jahre ein glänzend geschriebenes Werk über den wichtigen Begriff des Nirvâna folgen, das als Studie zur Vorgeschichte des Buddhismus bezeichnet war, in der Tat aber weit mehr bot, als sich nach diesem Titel erwarten ließ[14]. In diesem VIIIBuch untersuchte der Verfasser mit großem Scharfsinn die älteste Entwicklung der Philosophie bei den Indern, kam vielfach zu neuen Resultaten und versuchte, auf Grund derselben ebenso kühn wie energisch eine neue Konstruktion der Entstehung und Entwicklung des indischen Denkens. Er bemühte sich zu zeigen, daß der nüchtern rationalistischen und atheistischen Sânkhya-Philosophie, wie sie uns aus den erhaltenen Lehrbüchern des indischen Mittelalters bekannt ist, eine ältere, noch ganz und gar theistische Form ebenderselben Philosophie vorausgegangen sein möchte. Und er findet diese ältere Form der Sânkhya-Philosophie in dem großen Epos Mahâbhârata, insbesondere auch in der berühmtesten philosophischen Episode desselben, unsrer Bhagavadgîtâ, erhalten. Was man früher als das Resultat eines Synkretismus, einer Verschmelzung von Sânkhya und Yoga mit theistischen und vedântistischen Elementen ansah, das erklärte Dahlmann kühn für das Ältere, Ursprünglichere, aus dem die uns bekannte Form der rationalistischen und atheistischen Sânkhya-Lehre erst auf dem Wege einer Jahrhunderte langen Umbildung sich entwickelt hätte. Durch diese Theorie wurde der Bhagavadgîtâ, wie auch den anderen philosophischen Partien des Mahâbhârata ein sehr viel höherer Wert zugesprochen, als man ihnen früher beizumessen wagte; und es steht dieselbe in deutlichem Zusammenhang mit Dahlmanns Ansicht von dem hohen Alter, dem organischen Wachstum und durchaus einheitlichen Charakter des Mahâbhârata, welches er sich schon lange vor Buddha entstanden und ohne wesentliche Veränderung erhalten denkt, im Gegensatz zu der herrschenden Theorie einer mehrfach stattgefundenen tiefgreifenden Überarbeitung, die übrigens auch in der Tradition eine starke Stütze hat. Im ganzen hat Dahlmanns geistreich und scharfsinnig verfochtene Hypothese bei den kompetenten Fachgenossen nur wenig Beifall gefunden. Speziell der Theorie, daß die Bhagavadgîtâ und verwandte philosophische Teile des großen Epos eine ältere, resp. die älteste Form der Sânkhyalehre uns darböten, ist einer der vorzüglichsten Kenner der altindischen Philosophie, Hermann Jacobi, mit nüchterner Kritik sehr bestimmt entgegen getreten[15]. Sie fand auch sonst entschieden mehr Ablehnung als Beistimmung, trotzdem Dahlmanns Buch überaus fesselnd geschrieben ist und die Theorie in seiner Darstellung etwas sehr Bestechendes hat. Die meisten Forscher – so Garbe, Jacobi, Pischel u. a. – hielten an der Anschauung fest, daß wir in der Bhagavadgîtâ und den verwandten philosophischen Texten des Mahâbhârata, im ganzen, d. h. in der vorliegenden Form, nichts Altes und Ursprüngliches vor uns haben, vielmehr jüngere Entwicklung, IXWeiterbildung, Kontamination und Verschmelzung verschiedener Lehren, somit also Texte von nur mäßiger Bedeutung für die Geschichte der indischen Philosophie.
Diesen Standpunkt klar und bestimmt, mit ebenso viel Scharfsinn wie gründlichster Sachkenntnis, unter Aufstellung wesentlich neuer Gesichtspunkte verfochten und bis in seine letzten Konsequenzen hinein verfolgt zu haben, ist das unleugbare Verdienst von Richard Garbes Übersetzung der Bhagavadgîtâ und der ihr vorausgeschickten, eingehenden und hochinteressanten Einleitung[16]. Wenn dabei Dahlmanns energischer Vorstoß in ganz anderer Richtung unberücksichtigt bei Seite liegen blieb, so tut das dem Werte des von Garbe hier positiv Gebotenen keinen wesentlichen Eintrag.
Adolf Holtzmann, der Jüngere, glaubte die Widersprüche in der Bhagavadgîtâ in der Weise erklären zu können, daß er annahm, das Gedicht habe in seiner ursprünglichen Form einen ganz pantheistischen Charakter getragen, sei aber dann in dem Sinne einer speziellen Verehrung des Krishna-Vishnu, des zum Gotte erhobenen epischen Helden, theistisch umgearbeitet worden. Gerade umgekehrt will R. Garbe die Sache angesehen wissen. Er betont mit Recht, daß der ganze Charakter des Gedichtes, seiner Anlage und Ausführung nach, überwiegend theistisch sei: „Ein persönlicher Gott, Krishna, tritt auf, in der Gestalt eines menschlichen Helden, trägt seine Lehren vor, fordert von dem Hörer neben Pflichterfüllung vor allen Dingen gläubige Liebe zu ihm und Ergebung, offenbart sich dann in besonderer Gnade in seiner überirdischen, aber immer noch menschenähnlichen Gestalt, und verheißt dem Gläubigen als Lohn der Gottesliebe, daß dieser nach dem Tode zu ihm eingehen, in die Gemeinschaft Gottes gelangen werde“[17]. Dieser persönliche Gott Krishna, dessen Verehrung die ursprüngliche Fassung des Gedichtes mit Hilfe der Sânkhya-Yoga-Lehre philosophisch zu fundieren gesucht hätte, sei dann erst später, durch eine vedântistische Überarbeitung des Textes, die auch in anderen Teilen des Mahâbhârata sich erkennen lasse, zum Allgott erhoben worden.
Krishna ist die große Gestalt, die im Mittelpunkte der Bhagavadgîtâ steht. Er ist selbst der Bhagavant, der Erhabene, als dessen Sang (Gîtâ) das Gedicht bezeichnet wird. Er ist es, nach dem auch die alte monotheistische Sekte der Bhâgavatas sich benennt, als deren vornehmstes Erbauungsbuch wir die Bhagavadgîtâ zu betrachten haben, ja der sogar aller Wahrscheinlichkeit nach als der Stifter dieser Sekte anzusehen ist. Davon geht Garbe aus und Xdarauf legt er mit Recht ein besonderes Gewicht. Krishna, der Sohn des Vasudeva und der Devakî, der schon in der Chândogya-Upanishad erwähnt wird, und zwar in sehr charakteristischem Zusammenhang mit ausgesprochen ethischen Lehren[18], er ist bekanntlich einer der Haupthelden des Mahâbhârata, speziell der nationale Held des Stammes der Yâdava, dem er entsprossen. Aber er ist nicht nur ein sagenhafter Held, er ist ein wirklicher Mensch, eine historische Person gewesen, ein streitbarer Krieger, der zugleich Religionsstifter war, der in seinem Volke und unter den verwandten Nachbarstämmen eine theistische, resp. monotheistische Religion begründete, die in der Folge eine starke Lebenskraft bewährt hat und durch Râmânuja im 12. Jahrhundert nach Chr. neu reformiert zu hoher Bedeutung gebracht ward, die bis in die Gegenwart noch fortdauert. Es war von Anfang an eine populäre Religion, die, unabhängig von der vedischen Überlieferung und von dem eigentlichen Brahmanentum, wahrscheinlich von vornherein die moralische Seite betonte, eine kraftvoll ethische Kshatriya-Religion, jener von Garbe schon früher so eindrucksvoll geschilderten Zeit entsprossen, in welcher die Krieger und Könige in Indien so vielfach an Stelle der Priester die geistige Führung an sich gerissen hatten[19]. Einige Jahrhunderte vor Buddha dürfte dieser Held, im doppelten Sinne des Wortes, wohl gelebt haben, der nach seinem Tode dann selbst zum Gott erhoben, resp. als eine Verkörperung des von ihm verkündigten und gefeierten großen einen Gottes betrachtet wurde[20].
Einem Zuge der Zeit und des Volkscharakters folgend bemühte man sich nachmals, die Verehrung dieses vergöttlichten Religionsstifters Krishna auch philosophisch tiefer zu studieren, und verwendete dazu das altberühmte System der Sânkhya-Lehre (resp. Sânkhya-Yoga), dessen realistischen und dualistischen, rationalistischen und atheistischen Charakter ich bereits oben mit kurzen Zügen zu schildern versucht habe, ebenso wie seinen naturgemäß scharfen Gegensatz zu der ganz idealistischen All-Eins-Lehre des Vedânta, der Upanishaden. Diese Verbindung des ursprünglichen Monotheismus der Bhâgavatas mit den Lehren des Sânkhya-Yoga „erforderte – wie Garbe hervorhebt – mancherlei Umdeutungen und Entstellungen der beiden Systeme; denn nur so konnte der Theismus der Bhâgavatas mit den Lehren des ausgesprochen atheistischen Sânkhya-Systems und des nur äußerlich XImit einer theistischen Etikette versehenen Yoga-Systems verbrämt werden. Wenn deshalb die Gîtâ zahlreiche Abweichungen von den ersten Sânkhya-Yoga-Lehren, d. h. von den in den Lehrbüchern der beiden Systeme vertretenen Anschauungen aufweist, so wäre es ganz verfehlt, hier ältere Stufen des Sânkhya-Yoga zu erblicken“[21].
In der Folge wäre dann noch Krishna mit dem großen brahmanischen Gotte Vishnu identifiziert und die sektiererische Religion der Bhâgavatas durch diesen Prozeß dem eigentlichen Brahmanentum ganz einverleibt worden. Dies wäre nach Garbe der Standpunkt des echten alten Gedichtes der Bhagavadgîtâ gewesen: Verehrung des zum Gotte erhobenen, mit Vishnu identifizierten Krishna, nicht ohne Gewaltsamkeit aufgebaut auf der philosophischen Grundlage der Sânkhya-Yoga-Lehre[22].
Viel später, als dann die All-Eins-Lehre des Vedânta zur Vorherrschaft gelangte und in immer weiteren Kreisen populär wurde, so daß diese Bewegung auch das große Epos berührte und stark in Mitleidenschaft zog, hätte nach Garbes Darstellung eine vedântistische Überarbeitung der Bhagavadgîtâ, wie auch anderer Teile des Mahâbhârata, stattgefunden – seiner Berechnung nach etwa im 2. Jahrhundert nach Chr.[23]. Und damit erst wäre dem berühmten Gedichte diejenige Fassung gegeben worden, in welcher dasselbe auf uns gekommen ist. Kein Wunder also, daß es an Widersprüchen und Unstimmigkeiten aller Art nur allzu reich ist.
In seiner Übersetzung hat Garbe den kühnen Versuch gemacht, die von ihm vorausgesetzten Zusätze, im Sinn und Geiste der Vedânta-Lehre, in der Weise auszuscheiden, daß er sie durch kleineren Druck charakterisierte. Er glaubte dadurch mehrfach einen besseren Zusammenhang des Textes wiederhergestellt zu haben, als die überlieferte Form des Gedichtes ihn uns darbietet.
Ganz anders sieht Deussen die Sache an, ganz anders und weniger gewaltsam lösen sich in seinen Augen jene scheinbaren und wirklichen Widersprüche und Unstimmigkeiten der Bhagavadgîtâ.
Ein Jahr nach dem Erscheinen von Garbes Übersetzung der Bhagavadgîtâ ließ Deussen die seinige erscheinen[24], und zwei Jahre darauf (1908) kam die XIIdritte Abteilung des ersten Bandes seiner Allgemeinen Geschichte der Philosophie heraus, in welcher die nachvedische Philosophie der Inder, darunter auch die Philosophie des Epos, die Philosophie der Bhagavadgîtâ in grundlegender, sehr überzeugender Weise behandelt wurde[25].
Schon in dem Vorwort zu seiner Übersetzung der „Vier philosophischen Texte des Mahâbhâratam“ spricht sich Deussen dahin aus, daß er in der Bhagavadgîtâ nicht das Produkt eines philosophischen Synkretismus, nicht eine Mischphilosophie, sondern eine Übergangsphilosophie zu sehen geneigt sei[26], nicht das Resultat wiederholter Vermengung verschiedener Systeme, sondern ein organisch gewachsenes Denken, das den Übergang von der alten Philosophie der Upanishaden zu den späteren Systemen bildete. Und wenn er in seiner Übersetzung das Wort sânkhya durch „Reflexion“ oder „berechnende Überlegung“, das Wort yoga durch „Hingebung“, „Verinnerlichung“, „Meditation“ wiedergibt, so ließ sich schon daraus entnehmen, daß Deussen unter diesen Worten etwas wesentlich anderes verstehe als die später wohlbekannten Systeme, welche den Namen Sânkhya und Yoga tragen.
Bestätigung und weitere Aufklärung ließ nicht lange auf sich warten. In der dritten Abteilung des ersten Bandes seiner Allgemeinen Geschichte der Philosophie schildert uns Deussen in der Tat die Philosophie des epischen Zeitalters, speziell auch die Philosophie der Bhagavadgîtâ als eine Übergangsphilosophie der soeben angedeuteten Art, für welche er die Zeit etwa von dem Jahre 500–200 vor Chr. in Anspruch nimmt. Er weist mit vollem Rechte darauf hin, daß schon die Sprache und die Metrik des großen Epos in der Mitte stehen und einen Übergang bilden von der Zeit des Veda zu derjenigen des klassischen Sanskrit, im indischen Mittelalter. „Mehr aber noch als Sprache und Metrum sind es die im Mahâbhârata vorliegenden philosophischen Gedanken welche unzweifelhaft das verbindende Mittelglied zwischen der Vedaphilosophie der Upanishaden und den philosophischen Systemen der klassischen Zeit, vor allem dem späteren Sânkhya bilden“[27]. „Und wo sonst, wenn nicht in diesen, nach Sprache, Metrik und Gedanken zwischen der vedischen und der klassischen Literatur die Mitte haltenden epischen Texten hätten wir den Übergang vom Idealismus der älteren Upanishads zum Realismus des klassischen Sânkhya zu suchen? – – Freilich sind diese nicht die ursprünglichen (für uns verlorenen) Denkmäler jenes Entwicklungsganges, sondern enthalten nur deren poetische Reflexe im Geiste der Mahâbhârata-Dichter, welche keine systematischen Denker waren und XIIIdaher oft ältere und jüngere Gedanken in einer wenig zusammenstimmenden Weise bunt durcheinander mischen. In diesem Sinne ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man in ihrer Philosophie eine Mischung sieht, nicht sowohl zwischen der Upanishadlehre und dem klassischen Sânkhya, als vielmehr zwischen den verschiedenen Phasen, welche von jener zu diesem im Verlaufe mehrerer Jahrhunderte übergeleitet haben“[28].
Die letztere Bemerkung Deussens stimmt durchaus zu der früher von uns angeführten Äußerung Wilhelm von Humboldts[29]. Im übrigen zeigt sich seine Annahme und Feststellung einer in den epischen Texten uns erhaltenen Übergangsphilosophie ganz unleugbar nahe verwandt mit der Theorie Dahlmanns von einer im Epos, und speziell auch in der Bhagavadgîtâ, aufbewahrten älteren Form der Sânkhya-Lehre, die sich von der späteren atheistischen Lehre dieses Namens durch einen kraftvollen theistischen Zug deutlich genug unterschieden und an die ältere Spekulation über das Brahman-Atman angelehnt hätte, resp. aus ihr hervorgewachsen wäre. Ein Sânkhya also, das noch tatsächlich Brahmavidyâ, d. h. noch Brahman-Wissenschaft war[30].
Allerdings wären nach Deussens Ansicht die Worte Sânkhya und Yoga in den epischen Texten überhaupt noch gar nicht als Bezeichnungen philosophischer Systeme zu fassen, wie dies in späteren Zeiten der Fall ist. „Ursprünglich aber haben sie eine andere Bedeutung und sind nur verschiedene Methoden, um zu demselben Ziele, nämlich zur Erlangung des Atman zu führen, welcher einerseits als die ganze unendliche Welt sich ausbreitet, andererseits voll und ganz im eigenen Inneren zu finden ist. Im ersteren Sinne kann der Atman erfaßt werden durch Reflexion über die mannigfaltigen Erscheinungen der Welt und ihre innere Wesensidentität, und diese Reflexion heißt Sânkhya (von sam + khyâ, berechnen, reflektieren); andererseits ist der Atman ergreifbar durch Zurückziehung von der Außenwelt und Konzentration auf das eigene Innere, und diese Konzentration heißt Yoga“[31].
„Die Philosophie der epischen Zeit ist aus der Atmanlehre der Upanishads hervorgewachsen und schließt sich zunächst an diese an, um sich erst nach XIVund nach von derselben zu entfernen“[32]. Neben reinen Upanishadgedanken finden wir daher in den epischen Texten auch vielfach andersartige Gedanken und Lehren, unter denen die Ansätze und weitentwickelte Ansätze zu den späteren Systemen des Sânkhya und Yoga oft schon recht deutlich hervortreten[33]. Die Gedanken der All-Eins-Lehre, der Upanishaden oder des Vedânta, wären darnach aber doch durchaus als die älteren zu betrachten; diejenigen, welche zu dem späteren Sânkhya und Yoga stimmen, als die jüngeren. Die historische Darstellung muß sich bemühen, „deutlich zu sondern, was im Epos durcheinander wogt, und zu zeigen, wie der ursprüngliche Idealismus der Upanishadlehre nach und nach zum Realismus des Sânkhya-Systems sich verhärtet“[34]. Wie man sieht, eine durchaus andere Ansicht als diejenige, für welche Garbe eintritt. Sie hat vor der letzteren den unleugbaren Vorzug, daß unter diesem Gesichtspunkt die Philosophie der Bhagavadgîtâ, wie diejenige des Epos überhaupt, als ein ganz natürlich und einfach, organisch gewachsenes Gebilde sich darstellt, welches aus der in den philosophischen Texten der jüngsten Vedaperiode, den Upanishaden, verkündeten All-Eins-Lehre, der Atman-Philosophie oder Brahman-Wissenschaft, ganz unmittelbar hervorgeht, um dann allmählich und ganz naturgemäß zu späteren Lehren und Systemen hinüber zu leiten. Die Annahme gewaltsamer Konstruktionen und Überarbeitungen, die geflissentlich bemüht gewesen wären, den ursprünglichen Charakter der ursprünglich hier verkündeten philosophischen Gedanken zu verwischen und zu verdecken, die Annahme der ganz unnatürlichen Zusammenschweißung einer ausgesprochen theistischen Religion mit einer ebenso ausgesprochen atheistischen Philosophie, kommen in Wegfall. Und ein weiterer Vorzug in Deussens Betrachtung ist seine umfassende Heranziehung der anderen philosophischen Texte des Mahâbhârata, zu denen die Bhagavadgîtâ gehört und in deren Mitte sie durchaus organisch hineinpaßt. Man hat den Eindruck einer durchaus gut möglichen Entwicklung[35].
Und es liegt auf der Hand, daß eine theistische Religion, wie der Held und Religionsstifter Krishna sie nach Garbes überzeugenden Ausführungen verkündet zu haben scheint, nicht nur sehr natürlich in der letzten Vedazeit XVerwachsen konnte, die an monotheistischen Neigungen und Ansätzen auch sonst noch so manches aufweist, resp. in der Zeit des Übergangs vom Veda zum Epos[36], sondern daß auch eine solche Religion sich recht einfach und natürlich mit der Atman-Brahman-Lehre der Upanishads verbinden mochte, weit natürlicher als mit einer ausgesprochen atheistischen Lehre, wie die eigentliche Sânkhya-Philosophie dieselbe darbietet.
Gerade unter dieser Voraussetzung versteht man sehr viel besser, wie der kraftvolle Theismus der Krishna-Religion, der innige Gottesglaube, die hingebende Gottesliebe, die sogen. Bhakti der Bhâgavatas, sich unentstellt auf der philosophischen Grundlage erheben und erhalten konnte, die man ihr untergebaut hatte. Entwicklungsansätze und kräftig vorschreitende Gedanken in ganz anderer Richtung waren damit, wie wir bereits bemerkt haben, nicht ausgeschlossen[37].
Daß aber die Gottesliebe nach der Bhagavadgîtâ der Gipfel aller Weisheit ist, daß dieser erhabene religiöse Begriff geradezu den Grundton der Bhagavadgîtâ bedeutet, auf den alles gestimmt ist, in dem alles ausklingt; und daß gerade dadurch dies Gedicht als Lehrbuch der Bhâgavatas deutlich hervortritt, hat Garbe selbst sehr eindrucksvoll geschildert. Die Bhagavadgîtâ ist, wie er sagt, „das Hohelied der Bhakti, der gläubigen und vertrauensvollen Gottesliebe. Sowohl auf dem Wege der Erkenntnis wie auf dem der selbstlosen Pflichterfüllung führt die Liebe zu Gott mit unbedingter Sicherheit zum Ziel. Von diesem Gedanken ist das ganze Gedicht erfüllt, um ihn zu verkünden, ist es verfaßt worden“[38].
Das ist in der Tat der herzerwärmende, begeisternde Kern des herrlichen Gedichtes, die zentrale Kraft desselben, die das Ganze durchstrahlt und in Verbindung mit den erhabensten philosophischen Gedanken ihm immer aufs Neue, in Ost und West, die Herzen erobert hat. Als die köstlichste Frucht dieses Wunderbaums aus dem fernen Osten erscheint aber weiter jene reine, strenge, erhabene, mannhaft tapfere Sittenlehre, deren wir bereits gedacht haben, deren ganze Schönheit aber nur das Gedicht selbst offenbaren kann.
Ich verzichte darauf, den Inhalt desselben hier auch nur in flüchtigen Strichen zu zeichnen. Es ist besser, den Text selbst reden zu lassen, auch aus dem Grunde, weil eine eigentliche Gedankenentwicklung gar nicht vorliegt. Gleich in seiner ersten Rede, ja in den ersten Versen derselben, offenbart Krishna den innersten Kern seiner Weisheit, zu dem er auf den verschiedensten XVIWegen immer wieder zurückkehrt. Es ist ganz richtig, was Richard Fritzsche in seiner schönen Besprechung von Deussens „Vier philosophischen Texten des Mahâbhârata“, deren Perle ja die Bhagavadgîtâ darstellt, darüber bemerkt[39]: „Die Texte lassen sich wie in Bibelsprüche zerlegen und zeigen auch keinen eigentlichen Gedankenfortschritt, sondern es ist, wie Goethe im Westöstlichen Divan sagt“:
BHAGAVADGITA
DHRITARASHTRA[41] SPRACH
SANJAYA SPRACH
ARJUNA SPRACH
SANJAYA SPRACH
SANJAYA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
SANJAYA SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
SANJAYA SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
SANJAYA SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
DER ERHABENE SPRACH
ARJUNA SPRACH
SANJAYA SPRACH
Textausgaben; kritische Beiträge; Übersetzungen
Die beste Ausgabe des Sanskrittextes der Bhagavadgîtâ ist bis auf den heutigen Tag die von A. W. v. Schlegel geblieben, deren wir bereits oben gedacht haben. Die erste Auflage derselben, nebst der klassischen Übersetzung Schlegels ins Lateinische, erschien im Jahre 1823 in Bonn unter dem Titel: Bhagavad-Gita, id est ϑεσπεσιον μελος sive almi Krishnae et Arjunae colloquium de rebus divinis, Bharateae episodium, textum recensuit, adnotationes criticas et interpretationem Latinam adjecit Augustus Guilelmus a Schlegel, in Academia Borussia Rhenana typis Regiis MDCCCXXIII, prostat apud Eduardum Weber, Bibliopolam. – Die zweite Auflage ist sodann cura Christiani Lasseni, Bonn 1846 erschienen: noch wertvoller durch Lassens kritische Beiträge und bequemer benutzbar, weil hier die lateinische Übersetzung unter dem Text gegeben ist. – Eine Ausgabe der Bhagavadgîtâ mit französischer Übersetzung veranstaltete der ausgezeichnete französische Orientalist Eugène Burnouf, unter dem Titel: Bhagadvad-Gita, le divin chant de bienheureux. Texte sancrit (en caract. latin.) et traduction française par E. Burnouf, Nancy 1861. – Eine andere schon früher der Engländer J. C. Thomson, unter dem Titel: Bhagavad-Gita, new edition of the Sanskrit text by J. C. Thomson, Hertford 1855.
In Indien sind, nach der im Jahre 1808 in Calcutta gedruckten, noch eine ganze Reihe von Ausgaben der Bhagavadgîtâ erschienen, deren Aufzählung aber kaum nötig sein dürfte, da sie kritisch meist ohne Bedeutung sind.
Dagegen hat zur Kritik des Textes einen wichtigen Beitrag der große Indologe Otto Böhtlingk geliefert, in den Berichten der phil. histor. Klasse der Königl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften, Sitzung vom 6. Febr. 1897, unter dem Titel: Bemerkungen zur Bhagavadgita.
Für das Verständnis des Inhaltes bildete lange Zeit, neben Wilhelm von Humboldts schon erwähnter Abhandlung „Über die unter dem Namen Bhagavad-Gîtâ bekannte Episode des Mahâbhârata“ (Berlin 1825, 1826) die seiner Ausgabe beigefügte lateinische Übersetzung von A. W. von Schlegel die klassische Grundlage, welche jetzt aber natürlich in mancher Beziehung veraltet ist. Im Grunde genommen wurde sie erst 80 Jahre später durch die deutschen Übersetzungen von R. Garbe und P. Deussen in den Schatten gestellt, während über die englische Übersetzung von Kashinath Trimbak Telang (1882, in den Sacred Books of the East erschienen) 85Böhtlingk a. a. O. p. 2 folgendermaßen urteilte: „Der gelehrte Inder hat bisweilen von Schlegel zurückgestellten Lesarten den Vorzug gegeben und damit einen besseren Sinn gewonnen; in andern Fällen hat er auch die allgemein überlieferten Lesarten richtiger als Schlegel aufgefaßt; er hätte aber auch gar vieles von diesem lernen können.“
Die zuerst erschienenen deutschen Übersetzungen waren größtenteils nicht von erheblicher Bedeutung.
Bruchstückweise war die Bhagavadgita ins Deutsche übersetzt schon in Friedrich Schlegels bahnbrechendem Buche „Über die Sprache und Weisheit der Inder“ (1808) und dann namentlich von Wilhelm von Humboldt in seiner bereits erwähnten klassischen Abhandlung.
Eine vollständige deutsche, doch noch ganz unzulängliche Übersetzung bot C. R. S. Peiper, Leipzig 1834; dann J. Lorinser eine solche mit reichlichen Anmerkungen, in denen er sich vergeblich bemühte, die Abhängigkeit der Bhagavadgîtâ von christlichen Lehren zu erweisen. Der Titel lautet: Bhagavad-Gita, übersetzt und erläutert von J. Lorinser, Breslau 1869[174]. Bald folgte auch Robert Boxberger mit seiner recht angenehm lesbaren, stellenweise wirklich schönen Übersetzung in gereimten Versen, unter dem Titel: Bhagavad-Gîtâ oder Das Lied von der Gottheit, aus dem Indischen übersetzt, Berlin 1870. Ferner der Theosoph Dr. Franz Hartmann 1892 mit einer Übersetzung, die ohne die erforderliche Sprachkenntnis, von einem ganz verstiegenen Standpunkt aus verfaßt, doch von Wärme und Begeisterung für den Gegenstand erfüllt ist (vgl. über dieselbe Böhtlingk a. a. O. p. 1, 2).
Wissenschaftlich auf der Höhe stehen heute nur die beiden schon früher erwähnten deutschen Übersetzungen von Richard Garbe (1905) und Paul Deussen (1906 und 1911); beide in Prosa, die Garbesche mehr nüchtern-kritisch, diejenige von Deussen wärmer und schwungvoller gehalten (die genauen Titel siehe Einl. p. IX und XI). Beide sollen durch meine poetische, im Versmaß des Originals gegebene Übersetzung ergänzt werden.
Ins Englische übersetzt wurde die Bhagavadgîtâ: nach Wilkins (1785) noch von Gardener (Bangalore 1848); von J. C. Thomson (Hertford 1855); von Kashinath Trimbak Telang (Bombay 1875: Bhagavadgîtâ, translated into English Blank Verse cet.); von demselben im 8. Bande der Sacred Books of the East (Bhagavad-Gita, with the Sanatsujâtîya and the Anugîtâ, transl. by K. Tr. Telang, Oxford 1882); desgl. von J. Davies (Bhagavad-Gita, translated with notes by J. Davies, London 1882).
Ins Französische: von Languinais (Paris 1832); von E. Burnouf (Nancy 1861).
Ins Neugriechische: von Demetrios Galanos (1848).
Ins Polnische: von Stanislaw Franciszek Michalsky (Krakau 1910).
NB.: Eine umfassende Zusammenstellung der sehr umfangreichen, auf die Bhagavadgîtâ bezüglichen Literatur, von welcher ich hier nur das Wichtigste habe anführen können, bot seinerzeit Dr. Adolf Holtzmann (der Neffe) in seinem sehr fleißigen, doch vielfach angefochtenem Werke: Das Mahabharata und seine Teile, Kiel 1892–95 (4 Bände); und zwar im 2. Bande „Die neunzehn Bücher des Mahabharata“ (1893), p. 120–153. Gegenwärtig naturgemäß auch schon veraltet und nicht mehr vollständig, da inzwischen wichtige neue Arbeiten erschienen sind.
RELIGIÖSE STIMMEN DER VÖLKER
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR DR. W. OTTO
ANLAGEPLAN
1. DIE RELIGION DES ALTEN INDIEN
I. Aus Brahmanas und Upanisaden. Herausgegeben von Professor
A. Hillebrandt. br. M 25.–, Leinen M 36,–
II. Bhagavadgita / Des Erhabenen Sang. Übertragen und eingel. von Prof. Leop. von Schroeder. 14. Tausend.
III. Texte zur indischen Gottesmystik. Aus dem Sanskrit
übertragen von Rudolf Otto. 2 Bände
a) Vischnu Narayana. (Neuauflage in Vorbereitung)
b) Siddhanta des Ramanuja. br. M 15.–, geb. M 24.–
IV. Reden Buddhas in Auswahl
2. DIE RELIGION DES ALTEN IRAN. Herausgegeben von Dr. H. Junker.
I. Awesta in Auswahl. Enthält eine Auswahl aus den sog. Verspredigten Zarathusthras und den übrigen Teilen des Awesta
II. Mittelpersische Texte. Erstmalige Übersetzungen aus dem religiösen Schrifttum des iranischen Mittelalters (III.–VII. Jahrhundert)
3. DIE RELIGION DER BABYLONIER UND ASSYRER. Herausgegeben von Professor A. Ungnad. br. M 40.–, Leinen M 52.–
Der Band enthält umfangreichere Auszüge aus den mythisch-epischen Texten
(Schöpfungsgedicht, Gilgameschepos u. a.), eine Auswahl der wichtigsten
Psalmen und Zaubertexte, ferner Proben babylonischer Wahrsagekunst und
ritueller Vorschriften.
4. URKUNDEN ZUR RELIGION DES ALTEN ÄGYPTEN. Herausgegeben und eingeleitet von Dr. A. Roeder. (z. Zt. vergriffen)
Inhalt: Götterhymnen / Die Osirisreligion / Der Volksglaube (Lieder, Denksteine u. a.) / Die Atonreligion des Achnaton / Die Zaubersprüche / Die großen Mythen / Das Dogma der Kirche / Die Totentexte.
5. DIE RELIGION DER ALTEN GRIECHEN. Herausgegeben von Professor Malter. 2 Bände
Die Texte sind entnommen: Homer, Hesiod, Pindar, den Tragikern und
anderen Dichtern, den Philosophen, sowie den Schriftstellern und Inschriften,
die über den Volksglauben, die Orphiker und die Mysterien Auskunft geben.
6. DIE RELIGION DES ISLAM. Herausgegeben und eingel. von Prof. J. Hell
I. Von Mohammed bis Ghazali (VII.–XII. Jahrhundert). (Vergriffen)
Inhalt: Mohammed / Abu Hanifa / Ahmed Ibn Mohammed at Tahawi / Abu l-Hasan al-Aschari / Abu Laith as-Samarkandi /Abu Hamid Mohammed al-Ghazali
II. Die Mohammedanische Mystik. (X.–XIII. Jahrhundert.) In Vorbereitung
EUGEN DIEDERICHS VERLAG IN JENA
Fußnoten:
[1] Vgl. mein Drama Dara oder Schah Dschehan und seine Söhne, historisches Trauerspiel in fünf Akten und einem Vorspiel. Mitau 1891.
[2] Vgl. Kurt Boeck, durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Leipzig 1903, p. 179. (Daselbst eine interessante Abbildung jenes Heiligen.)
[3] Den vollständigen Titel dieser Ausgabe s. unten.
[4] Der Titel lautet: Über die unter dem Namen Bhagavad-Gîtâ bekannte Episode des Mahâbhârata; gelesen in der Berliner Akademie der Wissenschaften am 30. Juni 1825 und 15. Juni 1826.
[5] Vgl. Richard Fritzsche in seiner schönen, tiefgründigen Besprechung von P. Deussens „Vier philosophische Texte des Mahâbhârata“, in der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie, XXXI, Heft 3, 1907, p. 350.
[6] Vgl. H. St. Chamberlain, Arische Weltanschauung, p. 71, 72. (Erstes Bändchen der Sammlung, „Die Kultur“, herausgeg. von C. Gurlitt, Berlin; Bard, Marquardt & Co.)
[7] Vgl. L. v. Schroeder, Indiens Literatur und Kultur in historischer Entwicklung, (Leipzig 1887), p. 695. 696. – Über den Ursprung und die Entwicklung des großen Kampfes s. ebendaselbst p. 465 folg.
[8] Vgl. W. v. Humboldt a. a. O. p. 45.
[9] R. Garbe spricht sich in der Einleitung zu seiner Übersetzung der Bhagavadgîtâ p. 9 sehr entschieden gegen eine derartige Beurteilung aus, wie sie in Humboldts Worten ausgedrückt ist. Ich kann hier meinem verehrten und lieben Freunde nicht beistimmen und finde, daß er überhaupt die poetische Bedeutung der Bhagavadgîtâ viel zu gering einschätzt. Gerade die poetische Kraft der Dichtung erklärt zum großen Teil ihre fortdauernd gewaltige Wirkung. Vgl. auch Wzkm Bd. XIX, 1905, p. 415. 416.
[10] Genauer als „zur Brahman-Wissenschaft, zur Yogalehre gehörige Upanishaden“ – nach der Unterschrift der Kapitel. Auch hier also anscheinend Widersprüche. Wie sich dieselben ganz befriedigend aufklären, darüber vgl. weiter unten.
[11] Vgl. die schönen Verse Bhagav. 13, 27 und 28, auf welche schon Schopenhauer in seiner „Grundlage der Moral“ mit Begeisterung hingewiesen hatte (am Schluß der Abhandlung). Er zitiert sie in der Schlegelschen lateinischen Übersetzung.
[12] Es sind hier vor allem die folgenden grundlegenden Arbeiten zu erwähnen: Paul Deussen, Allgemeine Geschichte der Philosophie, Bd. I, Abteilung 1 und 2, Leipzig 1894 und 1899; 2. Auflage, vereinigt 1906; Abteilung 3, 1908 (Die Philosophie des Epos und also auch die der Bhagavadgîtâ enthaltend); derselbe, Das System des Vedânta, Leipzig 1883; derselbe, Die Sutras des Vedânta, Leipzig 1887; derselbe, Sechzig Upanishaden des Veda, aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen, Leipzig 1897; derselbe, Vier philosophische Texte des Mahâbhâratam, in Gemeinschaft mit Dr. Otto Strauss aus dem Sanskrit übersetzt. Leipzig 1906. – Richard Garbe, Die Sânkhya-Philosophie, eine Darstellung des indischen Rationalismus nach den Quellen. Leipzig 1894; derselbe, Sânkhya und Yoga (in G. Bühlers Grundriß der indoiranischen Philologie, Bd. III, Heft 4); derselbe, Der Mondschein der Sânkhya-Wahrheit, München 1899; derselbe, Die Bhagavadgîtâ, aus dem Sanskrit übersetzt, mit einer Einleitung über ihre ursprüngliche Gestalt, ihre Lehren und ihr Alter, Leipzig 1905.
[13] Joseph Dahlmann, Das Mahâbhârata als Epos und Rechtsbuch, Ein Problem aus Altindiens Kultur- und Literaturgeschichte, Berlin 1895.
[14] Joseph Dahlmann, Nirvâna, Eine Studie zur Vorgeschichte des Buddhismus, Berlin 1896. Vgl. meine Bemerkungen über dies bedeutende Werk in der Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes. Bd. X. Jahrg. 1897. p. 190–197. – In der Folge veröffentlichte Dahlmann noch, zum Teil durch die Kritik dazu herausgefordert, seine Mahâbhârata-Studien, und zwar Bd. I Genesis des Mahâbhârata, Berlin 1899; Bd. II Die Sânkhya-Philosophie als Naturlehre und Erlösungslehre, Berlin 1902. – Dahlmanns Buch über Buddha (Berlin 1898), das in der geflissentlichen Herabsetzung des großen Religionsstifters weit über das Ziel hinausschießt, kommt für uns hier nicht in Betracht.
[15] In den „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“.
[16] Richard Garbe, Die Bhagavadgîtâ, aus dem Sanskrit übersetzt, mit einer Einleitung über ihre ursprüngliche Gestalt, ihre Lehren und ihr Alter. Leipzig 1905.
[17] Vgl. R. Garbe, Die Bhagavadgîtâ usw., p. 8.
[18] Als Krishna Devakîputra, Schüler des Angirasiden Ghora, Chândog. Up. 3, 17, 6. Jene ethischen Lehren sind: Askese, Freigebigkeit, Rechtschaffenheit, niemand ein Leid antun, die Wahrheit reden (tapas, dânam, ârjavam, ahinsâ, satyavacanam. Chând. Up. 3, 17, 4). Vgl. Garbe a. a. O. p. 19, 20.
[19] Vgl. R. Garbe, Beiträge zur indischen Kulturgeschichte. Berlin 1903. Der erste Aufsatz: „Die Weisheit des Brahmanen oder des Kriegers?“
[20] Vgl. R. Garbe a. a. O. p. 19, 23–25, 29, 38.
[21] Vgl. R. Garbe a. a. O. p. 41, 42.
[22] Vgl. R. Garbe a. a. O. p. 34, 37.
[23] Vgl. R. Garbe a. a. O. p. 59.
[24] Vier philosophische Texte des Mahâbhâratam; Sanatsujâta-Parvan, Bhagavadgîtâ, Mokshadharma, Anugîtâ. In Gemeinschaft mit Dr. Otto Strauss aus dem Sanskrit übersetzt von Dr. Paul Deussen. Leipzig 1906. (Bhagavadgîtâ daselbst p. 31–107). Neuerdings daraus die Bhagavadgîtâ-Übersetzung auch selbständig erschienen unter dem Titel: Der Gesang des Heiligen, eine philosophische Episode des Mahâbhâratam, aus dem Sanskrit übersetzt von Dr. Paul Deussen. Leipzig 1911, bei F. A. Brockhaus. – Dem Texte, der mit demjenigen der größeren Ausgabe übereinstimmt, ist hier auch noch eine Einleitung vorangestellt. –
[25] Vgl. Deussen, Allgem. Geschichte der Philosophie I, 3, p. 8–114.
[26] Vgl. a. a. O. p. VI; ebenso vgl. auch Deussens Vorwort zu seiner Allgem. Geschichte der Philosophie I, 3, p. VI.
[27] Vgl. Deussen a. a. O. p. 3; vgl. auch ebendaselbst p. 22.
[28] Vgl. Deussen in seinem Vorwort zur Allgem. Gesch. der Phil. I, 3, p. VI. – Vgl. auch Deussen a. a. O. p. 21: „Dieses wunderliche Gemisch, in welchem ältere und jüngere Gedankengänge oft bunt durcheinander laufen, erklärt sich daraus, daß die Dichter des Epos nicht eigentliche Philosophen, nicht die ersten Urheber der von ihnen vorgetragenen philosophischen Gedanken sind; vielmehr schöpften sie diese Gedanken aus dem gärenden und unabgeklärten Bewußtsein der Zeit, in welcher sie lebten.“
[29] Vgl. oben p. V. – Vgl. auch die hier vorangehende Anmerkung.
[30] Vgl. J. Dahlmann, Nirvâna (Berlin 1896), namentlich p. 96–169; derselbe, Die Sânkhya-Philosophie als Naturlehre und Erlösungslehre. Berlin 1902.
[31] Vgl. Deussen, Allgem. Gesch. der Phil. I, 3, p. 15; auch p. 18 und 98.
[32] Vgl. Deussen a. a. O. p. 12.
[33] Vgl. Deussen a. a. O. p. 22: „Es gibt Stellen, welche noch ganz auf dem Standpunkte der älteren Upanishads stehen, dann solche, in denen die Prakriti dem Atman gegenübertritt, aber immer noch von ihm abhängig bleibt, und endlich solche, in welchen die Prakriti, d. h. die Gesamtheit der objektiven Welt, dem zum Purusha, zum reinen Subjekt des Erkennens gewordenen Atman selbständig gegenübertritt.“
[34] Vgl. Deussen a. a. O. p. 21, 22.
[35] Ich bekenne, daß ich in dieser Frage beim Erscheinen der Werke von Dahlmann, Garbe und Deussen mehrfach stark geschwankt habe, jetzt aber doch davon überzeugt bin, daß Deussens Darstellung im wesentlichen das Richtige trifft.
[36] Über die monotheistischen Bestrebungen im Epos, resp. im epischen Zeitalter vgl. Deussen a. a. O. p. 34–36; die Bhagavadgîtâ nennt Deussen a. a. O. p. 36 „das älteste Denkmal dieser monotheistischen Richtung.“
[37] Vgl. oben; Deussen, Allgem. Gesch. der Phil. I, 3, p. 21–29.
[38] Vgl. R. Garbe a. a. O. p. 41, 52.
[39] Vgl. Richard Fritzsche in der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie, XXXI, Heft 3, Jahrgang 1907, p. 359.
[40] Vgl. das Gedicht „Unbegrenzt“ im Buch Hafis.
[41] Dhritarâshtra ist der blinde Bharata-König, das Haupt der Kuru-Partei, welchem die Ereignisse der großen Schlacht berichtet werden; vgl. mein Buch „Indiens Literatur und Kultur“ p. 466 ff.
[42] Sanjaya, ein Sûta, d. i. Wagenlenker und Herold, im Dienste des Dhritarâshtra; hier der Berichterstatter.
[43] Pândava, Söhne des Pându, des verstorbenen Bruders des Dhritarâshtra.
[44] Duryodhana, der älteste Sohn des Dhritarâshtra.
[45] Es ist der Held Drona gemeint, der die Königssöhne im Waffenhandwerk unterrichtet hat.
[46] Der Sohn des Drupada ist Dhrishtadyumna. Drupada, König der Pancâla, ist Bundesgenosse und Schwiegervater der fünf Pându-Söhne; seine Tochter, Krishnâ oder Drâupadî, gehört den fünf Brüdern zugleich in polyandrischer Ehe als Weib an.
[47] Arjuna und Bhîma sind die beiden hervorragendsten unter den fünf Brüdern, den Söhnen des Pându; der älteste Bruder heißt Yudhishthira, die beiden jüngsten Nakula und Sahadeva.
[48] Yuyudhâna, Sohn des Satyaka, ein Held des Pându-Heeres.
[49] Virâta, Fürst der Matsya, Bundesgenosse der Pându-Söhne.
[50] Dhrishtaketu, König der Cedi, Bundesgenosse der Pându-Söhne.
[51] Cekitâna, ein Fürst und Bundesgenosse der Pându-Söhne.
[52] Kâçi ist die Stadt Benares.
[53] Purujit, ein Held im Heere der Pându-Söhne, Bruder des Kuntibhoja.
[54] Kuntibhoja, König der Kunti, Bundesgenosse der Pându-Söhne.
[55] Çâivya oder Çâibya, König der Çibi, Bundesgenosse der Pându-Söhne.
[56] Yudhâmanyu und Uttamâujas, Helden im Heere der Pându-Söhne.
[57] Der Sohn der Subhadrâ ist Abhimanyu; sein Vater ist Arjuna.
[58] Drâupadî hat von jedem der Pânduiden einen Sohn, welche alle hier schon mitkämpfen; ihre Namen sind für uns belanglos.
[59] Bhîshma, der greise königliche Held unter den Kurus, Oheim des Dhritarâshtra und Pându; vgl. über ihn „Indiens Literatur und Kultur“ p. 466, 471, 472.
[60] Karna, Fürst der Anga, einer der gewaltigsten Helden des Heeres der Kuru; vgl. über ihn „Indiens Literatur und Kultur“ p. 472, 473.
[61] Açvatthâman, Sohn des Drona (cf. oben Vers 2); vgl. über ihn und seine Rächerrolle nach dem Kampf „Indiens Literatur und Kultur“ p. 473, 474.
[62] Vikarna ist Name eines Sohnes des Karna wie auch eines Sohnes des Dhritarâshtra.
[63] Der alte Bhîshma.
[64] Es ist Arjuna gemeint, als dessen Wagenlenker Krishna fungiert.
[65] Eine Muschel, die er dem Dämon Pancajana abgenommen haben soll.
[66] So wird Bhîma genannt, dessen Name schon „der Schreckliche“ bedeutet; er ist der furchtbarste Kämpfer unter den fünf Söhnen des Pându.
[68] Ein Sohn des Drupada, welcher den Bhîshma zu töten bestimmt war.
[70] Die Söhne seiner Tochter, der Drâupadî, und der fünf Pânduiden.
[71] Die vielfach eingestreuten Vocative „o Erdenherr“, „o Bhârata“ u. dgl. beziehen sich auf den alten blinden Dhritarâshtra, dem der Erzähler die Ereignisse der Schlacht schildert.
[72] Dieser Arge ist Duryodhana, der älteste Sohn des Dhritarâshtra, dessen Gewalttätigkeiten und Intriguen den großen Kampf hauptsächlich verschuldet haben.
[73] Arjuna heißt Sohn der Prithâ oder auch Sohn der Kuntî (cf. Vers 27), da seine und seiner Brüder Mutter, die Gemahlin des Pându, diese beiden Namen trägt; vgl. „Indiens Literatur und Kultur“ p. 466.
[74] Gândîva heißt der Bogen des Arjuna.
[75] Keçava, eigentlich wohl „der mit reichem Haar Versehene“, ist ein Beiname des Krishna.
[76] Vgl. „Indiens Literatur und Kultur“ p. 427, 428.
[77] Ich lese hier mit Böhtlingk bhûshâ für bhâshâ.
[78] Bei der Erklärung dieses schwierigen Verses habe ich mich am nächsten an Garbe, Bhag. p. 78, angeschlossen.
[79] Janârdana ist ein Beiname des Krishna, ebenso wie auch das gleich folgende Keçava.
[80] D. h., wie schon das Petersburger Wörterbuch erklärt, mit Ausnahme eines Werkes, das ein Opfer zum Ziel hat, zum Opfer dient.
[81] D. h. solche Tat, die auf das Opfer gerichtet ist, dem Opfer dient.
[82] D. h. jegliche Speise soll zuerst als ein Opfer den Göttern dargeboten werden. Nachher ist sie dann ein Opferrest, den man mit gutem Gewissen verzehren kann. Die Götter aber müssen gewissermaßen zuvor zu Gaste geladen sein.
[83] Ein berühmter König der Upanishaden-Zeit. Vgl. über denselben „Indiens Literatur und Kultur“ p. 187–189, 208, 209 flg.
[84] Die Gunas, Qualitäten, Eigenschaften oder Kräfte der Natur (Prakriti), walten nur in dieser und gestalten so die Welt; der ewige Geist kennt dieselben nicht, ist qualitätenlos.
[85] Doppelunterschied, d. h. wohl: Qualität (Kraft) sowohl wie Tat sind beide vom ewigen Geiste absolut unterschieden und berühren ihn gar nicht. Das ist eine Welt für sich, die der Weise ruhig ihren Gang gehen läßt.
[86] D. h. die Lehre von der andachtsvollen Hingabe (yoga) an das pflichtmäßige Tun, im oben angegebenen Sinne.
[87] Ähnlich hat auch Buddha den Vorzug, sich seiner früheren Geburten zu erinnern.
[88] So entsteht auch nach buddhistischer Lehre, wenn die rechte Erkenntnis in der Welt zugrunde zu gehen droht, immer wieder ein neuer Buddha.
[89] D. h. in jedem Weltalter, jedem Yuga (yuge yuge).
[90] dvandvâtîta. Eig. „über die Paare hinausgegangen“. Die Paare (dvandva) sind die Gegensätze, wie Kälte und Hitze, Freud und Leid, auch Gut und Böse usw. Also jenseits dieser Gegensätze, ihnen entrückt, von ihnen befreit – jenseits von allem Leid, jenseits auch von Gut und Böse.
[91] Vgl. dazu die Erläuterung von Garbe a. a. O. p. 89, Anm. 5.
[93] Denken und Andacht – der Text sagt hier wie auch im folgenden Verse Sânkhya und Yoga, es handelt sich aber nicht um die so benannten späteren Systeme der Philosophie, sondern – wie schon unsere Einleitung zu zeigen suchte – um einen doppelten Weg zu dem gleichen Ziele der Gotteserkenntnis und allendlichen Vereinigung mit der Gottheit, und zwar 1) den Weg der Reflexion, des reflektierenden Denkens, Sânkhya, den ich kurzweg durch „Denken“ wiedergebe, und 2) den Weg der andächtigen Verinnerlichung, der Konzentration, Kontemplation, der energisch auf das Höchste gerichteten Andachtsstimmung, Yoga, welche ich ebenso kurzweg als „Andacht“ bezeichne. Der gottsuchende Philosoph wie der gottergebene Fromme, der sich in Gott versenkt und alles in Gott tut – sie streben demselben Ziele zu, und in diesem Sinne darf Denken und Andacht für Eins gelten.
[94] Unsere Sprache versagt hier, wie auch sonst bisweilen bei der Übersetzung und macht eine wirklich genau entsprechende Wiedergabe des Originals unmöglich. Im Sanskrit des Urtextes ist es ein und dasselbe Wort – Yoga, eig. die Anspannung –, welches die energische Übung (der Tat), in Vers 1 und 2, und die Andacht, hier und im Folgenden, bezeichnet. Es ist im Grundbegriff eine energische Bemühung, exercitatio, exercitium – etwa wie bei uns Exerzieren, Exerzitien von der Arbeit der Soldaten und Schüler gebraucht wird, aber auch von angestrengten Andachtsübungen, wenigstens bei den Katholiken.
[95] Hier, wie auch in Vers 10, habe ich das im Text befindliche Wort Brahman durch „die Gottheit“ wiedergegeben.
[96] D. h. in dem Leibe.
[97] D. h. der Herr der Welt, Gott, Brahman, mit dem im Grunde unser Geist identisch ist. Den ewigen Geist, die Weltseele, berühren weder gute noch böse Taten, sie dringen garnicht bis zu ihm hin, er nimmt sie nicht an oder auf, oder – wie Deussen sagt – erkennt sie nicht als sein an.
[98] Ich lese mit Böhtlingk und Garbe svargo.
[99] Im Text: Der ist ein Sannyâsin, der ein Yogin.
[100] D. h. nicht derjenige, welcher das pflichtmäßig zu unterhaltende heilige Feuer und die pflichtmäßigen Verrichtungen gänzlich aufgibt.
[101] Vgl. Ev. Matth. 13, 44–46.
[102] Welch eine milde, humane, tröstliche Lehre!
[103] Er kommt über das çabdabrahman hinaus, d. h. über das Wort-Brahman, das in Worte gefaßte Brahman.
[104] Wörtlich: „Dieses mein göttliches, aus den Qualitäten gebildetes Scheinbild“ – mâyâ, welches Wort ich weiterhin auch durch Zauberbild und Schein wiedergebe.
[105] Gewiß ein weitherziger Standpunkt des großen Gottes gegenüber den Verehrern anderer Götter!
[106] Werden – im Text ksharo bhâvah, d. h. eig. das fließende Sein, wie auch Deussen es richtig übersetzt; das fließende Sein, d. h. das Werden, beherrscht alle Wesen, solange sie Einzelwesen sind.
[107] Vgl. zu Vers 23–26 P. Deussen, Allgemeine Geschichte der Philosophie, Bd. I, Abt. 3, p. 106–108. Danach wäre hier nicht von Zeitabschnitten, sondern von örtlichen Stationen die Rede, gleichsam räumlich übereinander liegenden Schichten. Eine ziemlich phantastische Vorstellung, die auf alte Upanishad-Gedanken zurückgeht, welche wir hier nicht erörtern können.
[108] D. i. Rigveda, Sâmaveda und Yajurveda – die drei kanonischen Veden, denen sich als vierter, nicht ganz ebenbürtig, der Atharvaveda anschließt.
[109] D. h. in das irdische Dasein, Sansâra.
[110] Vorsteher, resp. Schöpfer und Ordner der großen Weltperioden, der vier Weltalter. Auf den mythischen Manu des jetzigen Weltalters wird das berühmte Gesetzbuch zurückgeführt.
[111] Bekannte Seher der Vorzeit.
[112] Eine Ordnung höchster Götter.
[113] Marîci, der oberste unter den Sturmgöttern, den Marut.
[114] Çankara, der Heilvolle, ein Beiname des Çiva-Rudra, welcher seit alters als der oberste unter den Rudras, einer Ordnung göttlicher Wesen, gilt, die halb unheimlich und gefahrbringend, halb heilvoll und helfend gedacht sind.
[115] Kuvera ist Gott des Reichtums, Herr der Yaksha genannten Halbgötter oder Elfen.
[116] Eine bestimmte Götterordnung.
[117] Meru, der mythische Weltenberg. Er ist aus Gold, die sieben Weltinseln liegen um ihn herum und die Gestirne kreisen um ihn.
[118] Brihaspati, Herr des Gebets, der Priester unter den Göttern.
[119] Skanda, der Kriegsgott.
[120] Das heiligste Wort, von mystischer Bedeutung.
[121] Der heilige Feigenbaum.
[122] Citraratha ist König der Gandharven genannten Halbgötter.
[123] Kapila, ein mythischer Weiser, der angebliche Begründer der Sânkhya-Lehre.
[124] Ein mythisches Roß, das bei der Quirlung des Ozeans durch die Götter herausgekommen sein soll, – Prototyp und Urbild aller Rosse.
[125] Der bei der Quirlung des Ozeans herausgekommene Elephant, das Reittier des Indra, Prototyp aller Elephanten.
[126] Die berühmte Wunschkuh, die jeden Wunsch alsbald erfüllte.
[127] Der Fürst der Schlangen.
[128] Ananta „Unendlich“, Beiname des Çesha, des Königs der Nâga oder Schlangendämonen.
[129] Der Gott der Gewässer.
[130] Der Todesgott.
[131] Prahlâda oder Prahrâda, der fromme Sohn des bösen Riesen Hiranyakaçipu – ein standhafter Verehrer Vishnus unter dem götterfeindlichen Dämonengeschlechte der Dâityas; vgl. die rührende Geschichte des Prahrâda bei Schack, Stimmen vom Ganges.
[132] Der mythische König der Vögel, Reittier des Vishnu.
[133] Weil dies der erste Buchstabe ist, auch im Alphabet der Inder.
[134] Das Dvandva oder copulative Kompositum steht in der Grammatik der Inder als erstes da in der Reihe der Nominal-Composita, daher es auf diesem Gebiet quasi eine führende Stellung einnimmt.
[135] Das Brihat ist einer der hervorragendsten unter den Sâmans oder heiligen Opfergesängen.
[136] Hervorragend wichtiges und heiliges Metrum im Rigveda.
[137] Der erste Monat im Jahre.
[138] Vâsudeva, ein Beiname des Krishna; als solcher gehört er zum Geschlechte der Vrishnis.
[139] Der berühmte mythische Verfasser des Mahâbhârata.
[140] Ein schon im Rigveda genannter Dichter und Seher der Vorzeit.
[141] Eig. unter den geheimen verborgenen Dingen bin ich das Schweigen.
[142] Ein Beiname des Vishnu-Krishna.
[143] Verschiedene Götterordnungen.
[144] Die götterfeindlichen Dämonen.
[145] Sohn eines Wagenlenkers, eines Sûta – so wird der Held Karna genannt, als Adoptivsohn des Sûta Adhiratha.
[146] Böse Geister, Unholde.
[147] Ein Beiname des Krishna, nach seiner Herkunft aus dem Stamme der Yâdava, der Nachkommen des Yadu.
[148] D. h. die das neutrale Brahman, die unpersönlich gedachte göttliche Substanz verehren. – Die Frage zielt also dahin, ob Verehrung eines persönlichen Gottes oder des unpersönlichen Absoluten höher zu werten sei.
[149] Das materielle und das geistige, erkennende Prinzip – Natur einerseits, Geist andererseits – werden sich hier gegenübergestellt unter originellen Namen. Das erstere wird als Feld oder Ort (kshetra) gefaßt und bezeichnet, das Gebiet, auf welchem oder in welchem das geistige, erkennende Prinzip sich bewegt. Dieses letztere, die Seele, erhält die merkwürdige Bezeichnung Kenner des Feldes oder des Ortes, der Feldkenner (kshetrajna). Man begreift den Gedanken, doch muß man sich an die originelle Auffassung erst gewöhnen.
[150] Das Wissen von jenen beiden großen Prinzipien verdient wirklich Wissen genannt zu werden.
[151] Man rechnet fünf Wahrnehmungssinne – Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack, Gefühl – und fünf Tatsinne – Reden, Greifen, Gehen, Entleeren, Zeugen; dazu kommt als elfter der sogen. innere Sinn (manas), der sie als Zentralorgan regiert.
[152] Nur der innerste Kern unseres geistigen Wesens gilt der indischen Philosophie als ewig, unwandelbar, göttlich oder der Vereinigung mit dem Göttlichen fähig. Nicht nur die Sinne, auch der sogen. innere Sinn, der Verstand u. a. m. wird als Produkt der Natur, der Prakriti, die hier „das Feld“ heißt, angesehen. Jener innerste, ewige, göttliche Kern unseres Wesens ist qualitätenlos; das ganze Reich der Qualitäten gehört der Natur, dem „Feld“ an und ist eben darum ewigem Wechsel unterworfen. Das Ewige in uns ist von einem geistigen und einem körperlichen Leibe umgeben, welche beide nicht dauern, sondern sich wandeln, resp. auch zugrunde gehen. Die Erlösung des Ewigen in uns aus den Banden der Natur ist das Ziel, dem wir zustreben sollen.
[153] Wieder stehen sich hier die beiden großen Prinzipien gegenüber. Wie das „Feld“, d. i. die Natur, mit dem Nichtwissen (im Vedânta), der Mâyâ, zusammenfällt, so das Wissen mit dem Wissenswürdigen, dem ewigen, geistigen Prinzip, dem alten Brahman-Atman, dem „Feldkenner“, wie es oben heißt, der Seele, die Eins ist und doch in eines Jeden Herzen steckt, scheinbar zerteilt und doch in Wahrheit ewig ungeteilt.
[154] Der höchste Atman, Paramâtmâ (Atman = Selbst).
[155] Der höchste Purusha (purushah parah); Atman und Purusha sind als ein und dasselbe erkannt, nur verschiedene Bezeichnungen derselben Größe, die zu Anfang und Ende des Gesanges „der Feldkenner“ genannt wird.
[156] Sânkhya-Yoga; ähnlich Deussen: „Durch Hingebung an die Reflexion.“
[157] Diese beiden Verse, 27 und 28, sind ein klassischer Ausdruck der schon in den Upanishaden gewonnenen Weisheit des tat tvam asi, der einzig haltbaren philosophischen Grundlage der altruistischen Moral. Sie sind es, auf welche darum Schopenhauer am Schluß seiner berühmten Abhandlung über die „Grundlage der Moral“ hindeutet, mit den denkwürdigen Worten: „In allen Jahrhunderten hat die arme Wahrheit darüber erröten müssen, daß sie paradox war: und es ist doch nicht ihre Schuld. Sie kann nicht die Gestalt des thronenden allgemeinen Irrtums annehmen. Da sieht sie seufzend auf zu ihrem Schutzgott, der Zeit, welcher ihr Sieg und Ruhm zuwinkt, aber dessen Flügelschläge so groß und langsam sind, daß das Individuum darüber hinstirbt. So bin denn auch ich mir des Paradoxen, welches diese metaphysische Auslegung des ethischen Urphänomens für die an ganz anderartige Begründungen der Ethik gewöhnten occidentalisch Gebildeten haben muß, sehr wohl bewußt, kann jedoch der Wahrheit nicht Gewalt antun. Vielmehr ist alles, was ich aus dieser Rücksicht über mich vermag, daß ich durch eine Anführung belege, wie jene Metaphysik der Ethik schon vor Jahrtausenden die Grundansicht der indischen Weisheit war, auf welche ich zurückdeute, wie Kopernikus auf das von Aristoteles und Ptolemäos verdrängte Weltsystem der Pythagoreer. Im Bhagavad-Gita, Lectio 13; 27, 28, heißt es nach A. W. v. Schlegels Übersetzung: Eundem in omnibus animantibus consistentem summum dominum, istis pereuntibus haud pereuntem qui cernit, is vere cernit. – Eundem vere cernens ubique praesentem dominum, non violat semetipsum sua ipsius culpa: exinde pergit ad summum iter. –“
[158] Der freie Raum oder der Äther (âkâça) gilt bei den Indern als das fünfte Element.
[159] sattva Güte, rajas Leidenschaft, tamas Finsternis oder Dunkel – dies dürfte doch wohl noch die entsprechendste Übersetzung der bedeutsamen Termini für die drei großen Qualitäten sein. Nur „Güte“ für sattva reicht eigentlich nicht ganz aus, da in dem indischen Worte sattva, sat – für uns unübersetzbar – der Begriff des Seins, des eigentlichen, wahren, wesenhaften Seins und der Begriff des Guten sich vereinigt; das „Echte“ klingt an, genügt aber doch auch nicht. „Wesenheit“, wie Boxberger übersetzt, ist ein viel zu leeres, viel zu wenig besagendes Wort. Wir können das Manko unserer Sprache nicht ausfüllen, müssen uns nur immer daran erinnern, daß das indische Wort mehr umfaßt als das deutsche. Man vgl. übrigens unten Gesang 17, Vers 26–28, wo der Dichter selbst den Begriff des sat, des „Seienden“, erläutert. – Die Übersetzung der drei Qualitäten bei Dahlmann durch Licht, Trübung, Finsternis nimmt sich zwar sehr gut aus, aber sattva heißt nun leider niemals Licht!
[160] Der Durst im übertragenen Sinne, die Begierde. – Vgl. übrigens R. Garbes Übersetzung und seine zugehörige Anmerkung.
[161] D. h. verdaue ich die vierfache Speise, nämlich Getrunkenes, Gelecktes, Gekautes und Verschlungenes; cf. Deussen, Der Gesang des Heiligen, p. 103.
[162] „Das Ende des Veda“, – Bezeichnung der Upanishaden, wie auch der auf diesen fußenden systematischen Philosophie des Idealismus.
[163] Deussen: Auf maßloses, zum Verderben ausschlagendes Denken sich stützend; Garbe: Endlosem Trachten bis zum Tode hingegeben.
[164] Oder: wodurch das Selbst vernichtet wird. Seele und Selbst sind Eins und dasselbe – âtman, wie auch die Weltseele das ewige, göttliche Selbst, der Atman-Brahman, ist – schon in den Upanishaden.
[166] asat „nicht seiend“, auch „nicht gut“.
[167] Die auf Reflexion gestützte Lehre, von der schon öfters die Rede war. Ich habe an dieser Stelle die indische Bezeichnung Sânkhya-Lehre beibehalten, weil hier wie im Vorausgehenden die dem späteren Sânkhya-System so überaus charakteristische Lehre von den drei Qualitäten bereits so stark ausgeprägt hervortritt.
[168] Unter dem Standort ist der Körper verstanden, unter dem Handelnden die empirische individuelle Seele.
[169] So hart dies auch klingt, geht es doch nicht nur auf den Fall des Arjuna, sondern stimmt im Grunde auch mit unseren Anschauungen überein: Der Soldat, der in der Schlacht seine Pflicht tut, wird auch von uns nicht als ein Mörder betrachtet.
[170] Es sind dies die vier alten Kasten der Inder. Unter „Volk“ wird die Gesamtheit der arischen Inder verstanden, sofern sie nicht Priester (Brahmanen) oder Adlige (Ritter, Krieger) sind. Die Çûdras sind nichtarische Inder, welche sich aber dem System der brahmanischen Lebensordnung gefügt haben und nun als unterste, dienende Kaste gezählt werden.
[171] D. h. die Taten, zu welchen ein Jeder durch seine Geburt in dieser oder jener Kaste verbunden und verpflichtet ist, seinem Wesen entsprechend.
[172] Ich erinnere hier an das tiefsinnige Wort Goethes: Der Handelnde hat immer Unrecht, nur der Betrachtende hat Recht.
[173] D. h. zur höchsten Vollendung, welche in der völligen Befreiung von den Taten, resp. den Fesseln der Taten, besteht.
[174] Vgl. über J. Lorinser und den präsumptiven Einfluß des Christentums auf die Bhagavadgîtâ R. Garbe in der Einleitung zu seiner Übersetzung p. 55–57.
Anmerkungen zur Transkription:
Seite VII, Fußnote 12: nach „Abteilung 1 und 2“ wurde ein Komma ergänzt
Seite 22, Vers 3: nach „ein hehr Geheimnis ist sie ja“ wurde ein Punkt ergänzt
Seite 61, Vers 4: „Ryhthmen“ wurde geändert in „Rhythmen“
Seite 82, Vers 67: „for und fort“ wurde geändert in „fort und fort“
Zwei griechische Passagen im Text sind grau-gestrichelt unterstrichen; beim Überstreichen mit der Maus wird eine Umschrift in lateinischen Buchstaben angezeigt.
Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Buchende an den Anfang versetzt.