Title: Verfall und Triumph, Erster Teil: Gedichte
Author: Johannes Robert Becher
Release date: September 15, 2011 [eBook #37435]
Language: German
Credits: Produced by Jens Sadowski
Erster Teil
Gedichte
Berlin
Hyperionverlag
1914
Gedruckt bei
Poeschel & Trepte in Leipzig.
Copyright 1914 by Hyperionverlag, Berlin
Fünfundzwanzig Exemplare wurden auf
Old Stratford abgezogen und in
der Presse numeriert
„Verfall und Triumph“ wurde in der Zeit
vom Dezember 1912 bis zum November 1913
geschrieben. „Verfall und Triumph“ ist
Frau Emmy Hennings zugeeignet.
Der irdische und der himmlische Gesang
Der irdische und der himmlische Gesang
Der düstere Dichter im gewohnten Straßenkleide
Stelzt durch den heiligen Tag, den Sonne groß entzündet.
Die blonde Muse trippelt zwitschernd ihm zur Seite.
Geschwellt vom milden Hauch der guten Frühjahrswinde
Gibt Stadt mit Menschheit sich anheim der lauen Welle.
Die vielen Plätze wirbeln um als Karusselle.
Doch des Gestirnes Scheibe rußet. Finsternis
Bestürzt die Erde, dunkler Regenwolken Wald,
Erfüllt mit Ungeziefer, Schlangen Sprung und Biß
Und brüchigem Labyrinthe, graus und kalt.
Verachtungsvollst er im verlassenen Café kauert,
Voll Haß und Ekel er auf brave Bürger lauert,
Von Speise, Rauch und Gift sich fühlend angewidert,
Mit Hände kühnem Griff er ein Gehirn zergliedert.
„Ward Findling ich gesäugt an kranker Mutter Brust?
Es rütteln Fieber mich. Mich zerren Träume wilde.
Verdammung schwieret bös aus Nächte greller Lust
Und ausgehöhlt von Fäulnis schwankt der Jungfrau Bilde.
Hah! Wenn ich denke meiner reinen Kindheit Raub,
Entschleudr ich, ein Athlet, der Lieder Eisenbälle,
Die platzen Bomben, doch verbreiten weitum Helle.
Der Dämon höhnet. Ja, Verzweiflung schlug mich taub . . .“
Das Messer in der Tasche und zum Schuß bereit
Den Browning strolcht er auf dem nächtigen Boulevard.
Die schmale Dame blinzt und lächelt lüstern-breit.
Er wartet wohlversteckt vor einer kleinen Bar.
Er balgt sich öffentlich mit seiner tückischen Katze.
Die Tiere sich zerfleischen, springen hoch, sich pressen.
Die Zähne fetzen blutig aus zerstampften Fressen.
Ihn narrt Vergangenheit mit Schuld und schiefer Fratze,
Die Zukunft tastet nach ihm, irrer Geist und trüb.
Den spitzen Schädel rennt er in die Mauer.
Es ziehen Träume auf voll Qual und blutiger Schauer.
Um seine schlanken Hüften zuckt der Geißel Hieb.
Demütig er und knieend flehet Gott um Gnade.
Er haust asketisch in des Sarges dumpfer Lade.
Die Hölle brauset wirr, die Himmel sich empören.
In finsterer Gasse frierend seine Hure schleicht.
Die sanfte Schwester ihm die laue Suppe reicht.
Luft stiebet pfeifend aus zerfressener Atemröhre.
„Wenn ich die Finger krampfend in die Decke kralle,
Verwünschend meiner Freunde Glück und holde Stunde,
War anders je mein Los, als daß ich einsam wallte,
Vernichtung sinnend, klügelnd aus, wie ich verwunde,
Wie ich gewaltig schreck die gänzlich Unbedachten,
Umstricke tödlich sie mit schmählichstem Verdachte,
In selige Räusche menge unerhörtes Gift . . .
O Rache! Rache, die zurück den Rächer trifft! — —“
Jetzt, da der Flüsse Lauf vor Winters Bollwerk stockt,
Er steigt getrost zu ewiger Grüfte engem Porte.
Der Blitz sprüht seine Schrift. Im Donner dröhnt sein Wort.
Ein schwarzer Engel auf dem Stein als Denkmal hockt.
Er streichet wieder durch die blauen Nächte leis,
Verstöret mich mit langem Flüsterwort.
Er ist beständig auf der Weltenreise.
Er fährt mit heller Lüfte Wolken fort.
Er saß in Trümmertempeln plötzlich ungeheuer,
Wo rote Düsterlampen schwelten ganz allein,
Und Rillensäulen sich aufbäumten, Feuer
Verbreitend, leuchtend ungemein.
Bald hockte er in spitzer Felsen Höhle,
Von schräger Sonne gänzlich ausgebrannt,
Die Kinderhände um die Hälse jammernder Kamele.
Brennender Dorn in Sturm und Wüstensand.
Bis gelben Strom er ward hinabgetrieben,
Der fiel ins Meer der vielen Inseln licht.
Von bösen Wintern unberührt geblieben,
Er wandte sein unwirkliches Gesicht.
Aufschlug ein Wald mit rauhen Blätterzungen
Und grüne Wiese hob sich halb und sang wie Flöte süß,
Von großer Liebe Himmel blau durchdrungen,
Der niederfuhr und Goldposaunen blies.
Auf einem Esel grau durchritt er weite Städte,
Wo schlanke Palmen bauten wieder Tempel kühl.
Die Frauen rauschten. Er ward aller Nacht und Bette,
Dann Sonnenglanz und buntes Marktgewühl.
Nun treibt er wieder mit Gesang und weißen Schafen
Durch wirre Öde, Fels und düsterer Trauer Hain —
(. . . Du mögest einmal bei mir schlafen!
Das enge Bett wär nicht zu klein . . .)
Du bist es, den ich nächtlich oft auf Bänken
In Parkanlagen oder unten tief am Flusse finde,
Du armer Bettler, den ich denke,
Wenn ich den aufgegangenen Schuh mir binde.
Ein wenig gleichst du der Geliebten auch.
Bist Duft von ihr und Hauch von ihrem Hauch.
Ich bin nur da, um selig dir zu weinen
Und daß vielleicht mir dieses noch gelinge,
Auf daß ich makellos vor dir erscheine
Und nichts mich in Verwirrung bringe,
Nicht jenes strahlende Gespann,
Das brüllend sauset über Kluft und Bogen —
Daß ich von dir nur angezogen
Mich ganz in dich verlieren kann.
Da kotzt auf Dächer Mondes schiefer Mund
Gallgrünen Schleim. Noch Autobusse zögern.
Die Straße heult, ein aufgeteilter Hund,
Dadurch wir waten dünn mit Aktenschmökern.
In hohen Lüften Kohlenhaufen glosen.
Der Wolken graue Röcke weisen Schlitze.
Geschwollene Scham quillt auf ein Himmel rosen,
In dessen Fleisch wohl krumme Messer blitzen.
Die Mörder unter düsterem Baldachin
An Galgen baumeln, schlagend oft zusammen.
Auf Plätze klatschen Kübel Blutes hin.
Der Häuser Hüften peitschen Scharlachflammen.
Die Huren sammeln sich vor blinder Kneipe,
Wie Vogelscheuchen flatternd auf dem Felde,
Die klappern in der Morgenwinde Kälte. —
Wir werden uns an fernem Ort entleiben.
Laubkronen schon beginnen zu entschweben,
Weiß überfallen uns die Dämmerungen.
Von Fäulnis ist des Himmels Schwamm durchdrungen.
Wie Schnecken wir an schleimigen Straßen kleben.
Wo bliebst du Held in goldener Strahlen Panzer?
Du schlafest, Gott, im Haar der Sterne Streifen.
Von Dunkelheiten sind wir rings umschanzet.
Geduckt. Vergangenheiten nach uns schleifen.
Der uns in Krankheit warf und Zuchthauszwang,
Der niederstieß den Stock, daß klaffend sprang
Der Halle Boden, und den Kopf uns schor —
Gealtert früh und vorzeitig bekümmert,
Von Lampennacht und eklem Tag verschlimmert,
Uns Kauernde saugt tief ein finsteres Tor.
Verkünderinnen großer Himmelsfreude
Schwebt durch die Nacht, die schlimm Verwesung würzt,
Um mich, des Herbstes dumpfen Fall und Beute,
Der unheilvoll den weißen Tag mir kürzt.
Schminkt Wangen bunt mit eueren Schattenhänden,
Die ihr wie Brunnen euch jetzt höher dreht!
Durchbohret mich erschauernd, tiefer . . . wendet
Nochmals das Antlitz her, bis bang verweht
Musik, die aufquoll von Hotelterrassen,
Um die ich schleiche, matt und ausgeraubt.
Vor Jener Nahn ich muß euch schnell verlassen.
Fahret empor im Winde rund als Staub,
Hinstöhnend unter Rädern, die euch fassen,
Als Donner kalt, der kracht die Plätze taub.
Ich Made in dem flimmernden Totenkleide,
Das mit viel gelben Lichtern niederhängt.
Die Kohlenstadt, verschmiert von Winters Kreide
Begräbt der Sturm, der Meer und Himmel mengt.
Nun eingesperrt im ewigen Geklüfte,
In eisiger Hölle Nimmerwiederkehr . . .
Doch steigen wir auf zur Nacht als Nebellüfte
Und ziehen überm weißen Flusse her.
Wir träumen Sommer nach, und was gewesen
Erscheint uns warm, von besserem Stern erhellt.
Uns reiben wund der fliegenden Wälder Besen.
Uns kratzet auf das böse Stoppelfeld.
Uns töten bald der goldenen Strahlen Stöße.
Bei blauen Küsten sinken wir, zerschellt.
Ein matter Mond wie dumpfes Gong ertönt.
Nicht reise du in Armut mehr und Körperfülle!
Aufblitze du, o silberne Kanüle,
Und schwebe Bett, aus dem du springst und stöhnst!
Von Stadt und Landschaft knieend vorgelassen —:
Durchjage mich, vernichte mich, o Strahl!
Im Café scheppern die entleerten Tassen,
Ein Zug fällt steil wo in ein dunkles Tal.
Um einen Tag bog ich, der voller Feuer stand,
Der fachte an der vorgegangenen Tage Reihe.
Ein Wurm ich mich durch brennende Gegend wand.
Wann rauschet über meines Kerkers Dickicht Bläue,
Wann liege ich am Meer im Sonnenbrand
Und schweife aus durch Wind und Schaum ins Freie?
Ich bin nur Frage und Verkommenheit,
Fetzen im Wind, der um Balkone fährt.
Ich bin der Einspruch im entbrannten Streit,
Gewicht, das eueren Höhenflug beschwert.
Wie plump, hinfällig, kalt und widerlich!
O daß du Vieh dich tief im Stall verkröchest!
Daß dich, der scheu um windige Ecken schlich
Des Nachts —: ein Strolch, ein Strolch bald niedersteche!
Verwickele dich ins Dunkele! Pack dich ein!
An Nasenhaaren baumelt grüner Stein.
In deinen Augen Schimmelmond gerann.
Dein Kopf ist Schorf. Verfrorene Ohren sind
Papierene Schirme, dick verklebt mit Grind.
Aus stinkichtem Maule wächst dir brauner Zahn.
Schwarzer Engel meine Schritte leitet.
Groß Gespenst im Fluche des Jahrhunderts.
Bruder, den ich aufgelöst umarm.
Atem feucht, den ich erschauernd spür.
Schwarzer Engel meine Schritte leitet.
Blinket wohl ein Herbst in mattem Golde.
Schlägt ein giftiger Dunst aus nassem Wald.
Nebelhauche blanke Fenster trüben.
Mauern sprengen Fäulnis, Brand und Frost.
Blinket wohl ein Herbst in mattem Golde.
Such ich dich im Wirrwarr der Gebüsche.
Ruf ich dich an Sees verwachsenem Ufer.
Kauerst du im Abendhorizonte,
Der sich färbt mit deiner Gräuel Blut.
Such ich dich im Wirrwarr der Gebüsche.
Atem feucht, den ich erschauernd spür.
Bruder, den ich aufgelöst umarm.
Groß Gespenst im Fluche des Jahrhunderts.
Schwarzer Engel meine Schritte leitet.
Atem feucht, den ich erschauernd spür.
Fressen Schatten gier an meinen Schultern.
Saugt aus meinen Adern Natternbrut.
Balanziere ich durch klitschige Gassen.
Himmel dräut als Eises starrer Klotz.
Fressen Schatten gier an meinen Schultern.
Und mein Weib stelzt in der nächtigen Runde,
Wüst verschminkt in Bogenlampe Glanz.
Ein Klavier bespeit mich mit Geklimper.
Rausch mich trostlos Traurigen verschwemmt.
Und mein Weib stelzt in der nächtigen Runde.
Bruder, den ich aufgelöst umarm.
Groß Gespenst im Fluche des Jahrhunderts.
Schwarzer Engel meine Schritte leitet.
Atem feucht, den ich erschauernd spür.
Bruder, den ich aufgelöst umarm.
Hoch der Grube schwankt der Sterne Lüster.
Unsere Lippen leiern schauernd das Gebet.
In Gefängniszellen toben wir zerprallend.
In den Krankenhäusern humpeln wir zerstückt.
Hoch der Grube schwankt der Sterne Lüster.
Wir, die aufgebaut an des Verfalles Ende,
Hinfällig, in Azur ragende Gerippe.
Daß der Blitz des Zorns uns bald entzünde,
Daß wir Leuchten seien letzter Nacht!
Wir, die aufgebaut an des Verfalles Ende.
Groß Gespenst im Fluche des Jahrhunderts.
Schwarzer Engel meine Schritte leitet.
Atem feucht, den ich erschauernd spür.
Bruder, den ich aufgelöst umarm.
Groß Gespenst im Fluche des Jahrhunderts.
Unsere Leiber zerfallen,
Graben uns singend ein:
Berauschte Abende wir,
Nachtsturm- und meerverscharrt.
Heißes Blut vertrocknet,
Eitergeschwür verrinnt.
Mund, Ohr, Auge verhüllet
Schlaf, Traum, Erde, der Wind.
Gelblich träger Würmer
Enggewundener Gang.
Pochen rollender Stürme.
Wimpern, blutrot lang.
. . . „Bin ich zerbröckelnde Mauer,
Säule am Wegrand, die schweigt?
Oder Baum der Trauer,
Über den Abgrund geneigt?“ . . .
Süßer Geruch der Verwesung,
Raum, Haus, Haupt erfüllend.
Blumen, flatternde Gräser.
Vögel, Lieder, quillend.
„Ja —: verfaulter Stamm . . .“
Schimmel. Geächz. Gestöhn.
Unter wimmelnder Himmel Flucht
Furchtbarer Laut ertönt:
Pauke. Tubegedröhn.
Donner. Wildflammiges Licht.
Zymbel. Schlagender Ton.
Trommelgeschrill. Das zerbricht. —
Der ich mich dir, weite Welt,
Hingab, leicht vertrauend,
Sieh, der arme Leib verfällt,
Doch mein Geist die Heimat schaut.
Nacht, dein Schlummer tröstet mich,
Mund ruht tief und Arm.
Heller Tag, du lösest mich
Auf in Unruh ganz und Harm.
Daß ich keinen Ausweg finde,
Ach, so weh zerteilt!
Blende bald, bald blind und Binde.
Daß kein Kuß mich heilt!
Daß ich keinen Ausweg finde,
Trag wohl ich nur Schuld:
Wildstrom, Blut und Feuerwind,
Schande, Ungeduld.
Tag, du herbe Bitternis!
Nacht, gib Traum und Rat!
Kot, Verzerrung, Schnitt und Riß —
Kühle Lagerstatt . . .
Alles muß noch ferne sein,
Fern, o fern von mir —
Blüh empor im Sternenschein,
Heimat, über mir!
Einmal werde ich am Wege stehn,
Versonnen, im Anschaun einer großen Stadt.
Umronnen von goldener Winde Wehn.
Licht fällt durch der Wolken Flucht matt.
Verzückte Gestalten, in Weiß gehüllt . . .
Meine Hände rühren
An Himmel, die von Gold erfüllt,
Sich öffnen gleich Wundertüren.
Wiesen, Wälder ziehen herauf.
Gewässer sich wälzen. Brücken.
Gewölbe. Endloser Ströme Lauf.
Grauer Gebirge Rücken.
Rotes Gedonner entsetzlich schwillt.
Drachen, Erde speiend.
Aufgerissener Rachen, die Sonne brüllt.
Empörung. Lachen. Geschrei.
Verfinsterung. Erde- und Blutgeschmack.
Knäuel. Gemetzel weit . . .
. . . „Wann erscheinest du, ewiger Tag?
Oder hat es noch Zeit?
Wann ertönest du, schallendes Horn,
Schrei du der Meerflut schwer?
Aus Dickicht, Moorgrund, Grab und Dorn
Rufend die Schläfer her?“ . . .
Die runden Tische drehen gut im Takt.
Es kollern Flöten wimmernd im Gerölle.
Ein Bogenlicht in wirren Strahlen zackt.
Wir schmoren ausgezehrt in lauter Hölle.
Was sind wir, daß in jenem gleichen Grau
Die Schleierdame in uns Reize weckt?
Ach, krochen wir aus hohler Gassen Bau
In dies Gewölb, das jeden Schmerz aufdeckt?
Ach, dürften wir gesunden so in Schnelle,
Uns atmen frei durch diesen trüben Dunst!
Die vielen ernsten Kellner eilen schnelle.
Ein finsteres Vieh, die fette Pauke, grunzt.
O, werden wir aus unserem Rausch erwachen,
Kühl Morgens einmal Nüchternheit erleben?
Wir schreien eingepfercht in Qual nach Rache.
Es wär uns klug, nach einem Amt zu streben.
Daß uns die Zukunft anders offenbare!
Daß ackere um uns toller Leiden Pflug!
Daß wir das Tröstliche dereinst erfahren!
Daß freudig schreiten wir gewaltigen Zugs!
Es rasseln Geigen, Geigen tödlich-schrill.
Die Lärmtrompeten heulen elend-heiser.
Wir schweben durch verworrene Nächte still
Mit Augenaufschlag und als Wunderpreiser.
Daß du entnimmst uns in die große Stunde,
Ein gütiger Geist, und schlürfst uns als Oblate.
Daß wir zergehen süß in deinem Munde . . .
Da schlängeln sich durchs Blut der Gifte Pfade,
Da auch Gestalten wandeln scheinumrandet
Und Tote sind in weißen Linnen da.
Wir aber, rings von Tönen Schlamms umbrandet,
Zersetzen uns, uns manchmal trunken-nah.
So harren wir in allen Nächten spät,
Daß unser Herz was Seltsames erfahre.
Daß nur kein fremder Hauch, kein Licht uns rühre,
Sonst sind zerfallen wir und ausgeweht.
Wo haben euch die Stunden hingenommen
Dich blonden Nachbarn, dich, du mageres Kind?
Dich Weißbierschale, Tasse und Absinth?
Zu welchen Meeren seid ihr hingeschwommen?
Ists klar bei euch? Ists Frühling oder kalt?
Und steigen auf verkohlter Wälder Pfähle?
Ja, wenn wir uns aus diesen Hallen stehlen,
Wir treten wieder müde den Asphalt.
Jetzt aber sollen uns die Wände fressen.
Wir sind gelangweilt. Müssen heftig gähnen.
Wir krachen unter den sehr kräftigen Zähnen
Von Ungeheuern und die Hände pressend
Wir flehen wütend, flehen brünstig bang,
Auf daß ein Unerhörtes uns errette!
Ob es erwächst aus einem warmen Bette,
Ob es ersteht beim Todesröchelklang
Der in der weiten Dämmerung erwachten,
Bald schläferig abwärts schwankenden Kapelle?
Es blitzt ein ewiger Tag in blutiger Helle. —
Wir wollen fürder hassen und verachten.
Wir finden uns geängstet im Gewahrsam
Von tausend Menschen, die sich kreisend ranken.
Wir neigen uns demütig, leben sparsam
Und treten rückwärts vor geschlossener Schranke.
Oft bricht gehässig wohl aus unserer Rede
Ein Wort und manchmal wird ein Fluch geschleudert.
Nun knieen wir, zur holden Magd zu beten,
Derweil die Bande toller Lüste meutert.
Wer führte uns aus diesen Engbezirken,
Wer höbe auf der Fenster helle Pracht?
Wir wollen tiefer in uns Ekel würgen,
Verzweifelt angehören stumpfer Nacht.
Sie wird erblassen. In den schwarzen Haaren
Wird sich ein Silberfaden glänzend zeigen
Und Strahlen werden sich rings um uns scharen,
Bejubelt von dem Ablauf winziger Geigen.
O Dirigent, fach an das höllische Feuer,
Treib auf die Spitze dieser Töne Schwall!
Erpeitsche uns das letzte Abenteuer!
Durchjage uns mit Blitz und Wasserfall!
O dröhne, dröhne Donner! Zacke Schwert!
Vernichte Jubel Ohr und fetze Mund!
Und, sind wir nicht der spröden Klarheit wert,
Barmherziger Gott, o richte uns zugrund! —
Schon flutet wieder nieder die Empörung.
Wir fuchteln nur mit Armen zuckend-wirr.
Wir schlingen trüber lächelnd die Verschwörung,
Da wirbeln alle Gläser mit Geklirr.
Im Wintersturm die gelben Bogenlampen klappernd schwanken.
Ein falber Schein der Plätze heulende Rotunde füllt.
Die Droschkengäule kreiseln enger. Autobusse ankern.
Geschleudert durch vereiste Öden saust des Mondes Schild.
Aus Domes feuchtem Kerker dringen furchtbare Choräle.
Hell rascheln Klingeln durch der Priester monotonen Sang.
Da Kerzen flackern in dem muffigen Hauch aus Gräberkehlen
Und zündeln hoch den Schimmelwänden, längs der Säulen Gang.
Die Blinde ächzet leis, ein Klumpen, in der Ecke knieend,
Die durchs Gebiß verrückend-grün die schmale Zunge bleckt.
Ein Veteranenkrüppel mit des Armes welkem Gliede
Die Krücke schräg auf Christi dürres Holzkreuz weisend streckt.
In düsterer Gegend wallen schimmernd blasse Büßerfrauen,
Den gelben Engeln ähnlich, die vom Strahlenaltar blicken
Mit ausgebrochenen Augen in ein kaltes Dämmergrauen,
Nur manchmal lächelnd mit den dünnen Palmenstengeln nicken,
Wenn hoch die bleiche Hostie in der güldenen Monstranz
Wie Sonne in der Frühe über Berge zymbelnd steiget,
Wobei die holde Gottesmagd, verklärt im Lilienkranz
Erlauchter Mutterschmerzen gnädig durch die Niederung äuget . . .
„Jetzt lallen wir mit trockenen Lippen unser Nachtgebet,
Dann flüchten eilends wir zurück in finstere Asyle.
Da heute uns kein guter Mensch ins Haus zu Gaste lädt,
So schlingen hüstelnd wir als Fraß der weißen Nebel Kühle
Und jenen heißenden Hauch, bei dem der arge Frost gefriert,
Und brechen wir mit knöchernen Fingern krampfend dürre Äste,
Man läßt vielleicht uns, räudigen Hunden, Küchenreste.
Dem gütigen Geist, der also uns erhält, viel Dank gebührt.“
Im Zwischendecke schlafend mit den Koffern, um die Kisten
Sie schlingen ihre schwarzen Arme, ausgezehrt und schwach.
In schäbiger Klause sie wie grauer Vögel Schwärme nisten.
Es schleudern erste Föhne taumelnd-irre sie vom Dach.
Der Arzt tut bitter, der mit dicker Lauge ätzt und Spritze.
Habt ihr genähret euch die kalten Wochen durch mit Lauch?
Habt ihr gespült den Darm, durchschwemmt den Bauch mit Brei und Grütze?
In wunde Lungen eingesaugt der Salze Hauch?
Die Tische wackeln, stehen schief, zerhacket von Gezänke,
Da Väter kollern um die Stürze schwangerer Mütter her.
O ahntet ihr der Reichen Spiel und Traum und heitere Schwänke,
Die Tänze hinterm Vorhang, leicht beschwingt und schwer!
„Christus, du Siechen-Hort, du unser Freund, wardst zum Verräter,
Ein Mörder schleichend durch die trübe Gasse, schmal und streng.
Durch unsere schlimmen Nächte heult dein himmlischer Trompeter,
Der Engel schwarz mit Feuersturz aus wolkichtem Gedräng.
Christus! . . . Und waren wir doch Huren, Kranke und Verbrecher
Voll gläubigen Vertrauens innig-schüchtern dir Genahte?
Du aber übtest nur Gewalt als Block und Henker-Rächer,
Uns nicht besänftigend mit Balsamguß und Trostes Gnade.
Christus! Wie hofften wir, daß herrlich du uns einst erschienest!
Christus! Wie wünschten wir, daß du ein Bruder mit uns weintest!
Christus! Wie flehten wir, daß du dem zornigen Gott uns eintest!
Christus! Wie zittern wir, daß herrlich du dereinst erscheinest!
Die Ungerechten sollten blutend in die Flüsse taumeln.
Die Lauen würden sich verröchelnd auf den Plätzen strecken.
Die Bürgermädchen müßten zwar an ihren Zöpfen baumeln
Und die Beamten-Schnauzen würdest du in Jauche stecken.
Wir kämen dir entgegen laut mit Jubelschwall und Fahne,
Wir führten Reisemüden dich in unsere Gemächer,
Dann trätest du verklärt-entzückt auf luftige Altane,
Da tief im Straßenschacht die Völker in die Kniee brechen . . .
Was rufen wir verzweifelt dich, der tut sich niemals kund,
Der bleibt, ein kalt Geripp, versargt in Erde nasser Hülle?
Kein reiner Kuß blüht hoch aus unserer Fieber faulem Schlund,
Wild wächst nur Angstgeschrei und Marter pfauchendes Gebrülle.
Um Allerseelen aber wandern wir in langen Zügen
Zum Friedhof, schlagend uns durch Park und Hain in spätes Grün.
Der Herbste dünne Winde tief die Wipfelbäume biegen,
Bald jagen wir auf Karussellen froh am Feste hin.
Brecht ein in unsere Körper wie in dornichtes Gestrüppe,
An unserer Hüften Knochen stoßt euch nässend-wund!
Da blinkeln Eiterknoten, Narbenschorf auf Stirn und Lippe,
Und Seuchen wälzen träg sich, Schlangenbrut, auf finsterem Grund.
Im hellen Laden schöne Ringe und Demanten schillern.
Die vielen Singevögel in den weiten Gärten trillern.
Wir schleppen uns zum letztenmal, veraltert und gebückt
Durch diese Pracht. Ein billiger Blumenstrauß, zerzaust — zerpflückt.
Im Hause müssen wir bei Gases schlechtem Schein verwelken.
Das frische Wasser kann uns nicht den harten Tod ersparen.
Da ziehen vor als dichte Schleier wir die Strähnenhaare
Und sausen nieder unterm Krachen der Gehirn-Gebälke.
Wir jauchzen gell. Beginnt! Wacht auf uns zu empfangen!
Wir wollen tüchtig helfen euch den eisernen Kessel schüren.
Wir wollen Gott, der Kräfte Dieb, mit glühenden Fesselzangen
In unseren Kerker im Triumph zu heißer Folter führen.
Hier müßte er die tausend Qualenstunden dreifach büßen
Und leiden in das Dunkel eisiger Spalten eingepreßt.
Ihn überwuchere heftig Ausschlag, raffe nieder Pest!
Der Brände Strahlenfälle spitz ins weiche Fleisch ihm schießen!
Wir wollen ihn erniedrigen, zu Unseresgleichen reißen,
Daß ihn Gemeinheit zauberisch locke, tückisch ihn bestrick!
Wir wollen ihn mit unseren gekotzten Brocken speisen
Und tränken ihn mit eklem Spülicht. Auf sein Stiergenick
Die Füße dröhnend setzen, bis ein fetter Wurm er sich
Am Boden krümmt. Die Engel in den Höhen schauerig jammern.
Wir wühlen hoch uns. Bohren durch uns. Aus den kaltem Kammern
Marschieren wir mit Paukenknall in jäher Sonne Stich,
Befreit von Gottes Druck in ätherflüssigen Gewändern
(Da Düfte-Meere unsere Dulder-Körper lind umstreichen,
Wo, schöne Bräute, harren unser neue Himmelreiche)
Zu fernen Horizonten, die sich rosig-flammend rändern.“
Wir weinen uns durch Haft und Äthersaal
Einander zu . . .
Auftritt Sängerin im ganz verschlissenen Kleide,
Wangen grabgehöhlt, der Haare Stroh gescheitelt.
Tänzelnd schwebend über rosenem Schwall von Rauch.
Heimatlieder zirpend. Ventilator faucht.
Vorgebeugt. Jetzt rückwärts stürzend zum Klavier.
Strahlenden Blicks, als ob sie Himmel offen säh.
Heulend auf, als ob sie Todes Schatten rühr . . .
Blonder Engel, schenkst dich aus im Cabaret! . . .
Gift und Küsse haben jauchzend dich zerstückt!
Schreite wie ein Pilger hinter dir gebückt,
Reih mich ein demütig in die Brüderschar,
Die um dich einst, tollverzückt, entglommen war.
Deine Vogelaugen kränzet Lilaflor.
Ach, wir fallen nieder unter jedem Tor,
Auf den nassen Bänken. Steil wächst goldenes Licht.
Fliederschleier wallen um dein Schmerzgesicht.
In den großen Kirchen sind wir gern zuhaus.
Selig uns durchströmet flammender Orgel Braus.
Blasse Jungfrau, hast du die Verkommenen lieb?
Überstreich mit Salbe kranken Leibes Sieb! . . .
Fremde Stadt mit der Paläste gradem Bau!
Krümme mich zerpeitscht von spitzen Regen grau.
Daß vielleicht ich Näh und Linderung fühl,
Eilt ich spät ans Ufer düsteren Flusses kühl.
Von Pistolen, unter Messern hingestreckt
Springende Wunden deiner Hände Schale deckt,
Schleppe mich, auf dich gestützt, in dein Gemach,
Wo ich etwas noch, verblutend, bleibe wach . . .
Krankenhaus und Haft und Hungers Pein,
Kavaliere, Schlägerei, gebrochener Wein . . .
Flattere ängstlich durch die Nächte, schäbiger Fetzen,
Den der Winterstürme kläffende Meute hetzet.
Der Kasernen Mauern wanke alt entlang!
Kauere Bettelweib in Wirtschaft schmalem Gang!
Würg aus trockener Kehle dein „A la Villette“!
Dreh dich schlaflos in Hotels verdrecktem Bette!
Schluchz bei sanften Schwestern, wächsernes Mädchenkind!
Spucke Lungenblut! Langer Eiter rinn!
Löse die Verbände fiebernd! Mach dich frei!
Bäum empor dich! Reiß dich los mit brennendem Schrei! . . .
Deines Atems heller Wind
Schwellet Segel leicht
Und enthüllet
Goldene Abendländer über Wolken weiß.
Über Glutgebirgen
Blutet Sonne schwer,
Zu den himmlischen Bezirken
Wogt entrücktes Meer.
Was mag noch gelingen?
Man wird nichts mehr tun.
Kühle Lüfte, Tote bringen
Heiligen Schlaf. Komm, laßt uns ruhn!
Hirt mit Flöte. Sanftes Tier.
Zerrissener Ufer bunter Klang.
Eng umschlungen sinken wir:
Seliger, süßer Untergang.
Nun, da längstens hörten auf zu rollen
Wilder Städte Donner von den Hängebrücken,
Schrille Laute, die vom Platz erschollen
Ruhen starr in tränenden Mondes Blicken:
Treiben wir dahin, wo die Blätter fielen,
Die ein weißer Sturm des Tags herabgejagt,
Die Allee entlang im laubichten Gewühle,
Das jetzt eines Turmes silbernes Horn durchragt.
Und wir schlafen ein im großen Bette,
Das, ein Schiff, uns von der Erde trägt.
Unserer heißen Küsse dichte Kette
Sich, als Traum süß, über Müde legt.
Lasset uns auch beten für die Armen,
Die wir sahn an windiger Ecke stehn,
Lasset uns auch wünschen Frierenden Tücher warme,
Linderung der Mütter Wehn!
Wir jetzt liegen wie in Zuchthaushallen,
Nackte Büßer auf verfaultem Stroh.
Draußen heulend schwarze Regen fallen
Unter Blitze zackichtem Geloh.
Die erfüllen mit verworrener Helle
Unser niedriges Gemach.
Züge flattern durch mit Hundgebelle,
Pferdewiehern und mit Schüssekrach . . .
O, so fasse meine zitternden Hände,
Daß ich in empörte Gründe stürze nicht!
Da in weiße Wälder wandeln schon sich kalkige Wände,
Heiliger Morgen frischet dunsenes Gesicht.
Fette Kräuter aus dem Boden sprießen.
Werden wir mit Sommer schön beschenkt?
Die Gebirge schaukeln hinter Wiesen,
Ein Gewitter grau am Himmel hängt . . .
Klagende du aus ächzender Bäume Zweigen,
Die bald leuchtend fallende Nacht begräbt,
Bald entrückt in jenen flimmernden Reigen,
Der um Mondes silbernes Denkmal schwebt:
Noch tönt Stimme dein aus knieenden Wäldern.
Lege um die Brust ein wollenes Tuch!
Ruf im Schlafe an die toten Eltern!
Lös dich auf im herbstlichen Geruch!
Tauch in öligen Strom hinein!
Laß dich tragen von den heißen Winden!
Steige auf im Abendschein,
Daß du hin in Wolken schwindest!
Winke vom brennenden Turme den heulenden Völkern zu!
Dröhne wild als Paukenschlag im glühenden Orchester!
Strahle kühn in unerhörtem Clou!
Schlinge, schlinge deine Arme fester!!
Du bists, Quartier mit den verhängten Fenstern
Und bunten Mädchen über nassem Strich!
In allen, die vorüberschlenkern
Und denen an den Ecken seh ich dich.
Es ist nicht schön zu hungern
Und zu spazieren durch die Stadt,
Um früh in einem Beisel sich zu treffen,
Sich essen an den Brocken aus den verdreckten Töpfen satt.
Wie arm wir sind! Wir zucken beim Berühren.
Ganz aufgeschwollen bist du und dein Leib ist wund.
Nur manchmal wir wie einstmals uns verführen,
Ich liebe deinen großen Mund!
So alle Tage wir verschlafen.
Du hast noch eine Stunde Zeit —
Wir liegen berstend in den Betten
Und lesen Kriminalromane.
Komm ins warme Haus!
Nein, du willst mich nicht.
Du bleibst lieber draus.
Blauen Schneees Licht
Flimmert, blondes Haar
Glänzt so eisig naß,
Antlitz wunderbar
Zerret Lieb und Haß.
Schlottern meine Kniee,
Denn ich wart auf dich.
Wilden Tag ich fliehe,
Der sich stellt vor mich.
Einmal in der Nacht
Wirds schon wieder klopfen:
Weinend Regentropfen
Bist du aufgewacht.
Ach, ich wieder fühl
Dich an meiner Seite.
Auf der Strahlen Brücke stiegst
Du herab in schwarzem Kleid.
Wir aus des Stalles Stank und Feuchtigkeit
Dein ekles Vieh,
Herrgott,
Du tränke uns noch einmal vor Morgen!
Aus roten quadratischen Gebäuden
Wir wittern Abfluß unseres Bluts.
Doch,
Auf dem wir heute noch flacken, Stroh,
Rauschet wie Korn und duftet wie Heu und ist Sommer.
Herrgott, unser Gebrüll töst Gebet.
Unsere stachlichten Zungen, Herrgott, belecken dich,
Deines Fußes und Gewandes Marmor.
Tränke uns!
Ach, und
Streu etwas Frühsonne in unser letztes Geschwank!
Er schwirrte durch der großen Städte Flucht. Das traf ihn schwer.
Auf hohlen Plätzen tosten Glitzer-Feste.
Staubwirbel bliesen ihn durch grüner Abendhimmel flaches Meer.
Er hockte heulend nachts auf Kuppeln brennender Paläste.
Und seine Straße warf sich steil empor und schraubte
Sich hoch hinaus bis an vergilbten Mondes Zackenrand,
Wo bog sie um und sprang zum Abendstern, der schnaubte,
Spie Feuer, riß rückwärts sie, daß stöhnend sie sich niederwand.
Er schlug, die Augen grün, Schaum dick ums Maul
Auf heißes Pflaster. Säule ward sein Schrei.
Ganz leise sang ein Droschkengaul
Und weiße Schleier wehten dicht vorbei.
Es stürzten Türme groß und Mauern drob zusammen.
Auf allen Dächern tosten Flammen laut.
Die Dome knieten nieder. Berge schwammen
Zur Stadt herein, von Regenbogen kreuzweis überbaut.
Da fuhr ein greller Strahl durch sein Gehirn.
Es gellte. Mövenschwärme schreckten auf.
Blütenwälder weiß begruben ihn.
Die Alte streckt sich weiß mit prallem Bauch.
Sie hat Katarrh. Sie hängt voll Blut und Rotz.
Im kleinen Raum der eiserne Ofen raucht.
Ihr kleiner Kopf von gelben Haaren strotzt.
Mit glänzenden Augen sie zum Kreuze glotzt,
Das in die bittere Umwelt goldig taucht,
Und während rings die kühle Dämmerung haucht
Hat sie den Klumpen brüllend ausgekotzt.
Ein Gymnasialdirektor stelzt im Grunewalde.
Ein Weib spaziert im Dunkel, grünlich und zernagt.
Ein kleiner Fürst kommt an, ganz Wichs und Bügelfalte.
Der Reichstag ward zum fünften Male heut vertagt.
Es steigen weiße Straßen, jubelnd im Geglänze
Erwachten Frühjahrs. Finster streift Napoleons
Schatten. Starr im Schein der fahlen Flammenkränze
Bewachen Batterien einen Hügelthron.
Schwer wirds, sich als Deutschen zu bekennen,
Nicht nach den Landschaften Frankreichs zu brennen,
Nach Paris nicht, unserem rosenen Kindheitstraum.
Wir leben in einem kalten rechteckigen Raum.
Ein Kritiker hat einen Dichter totgeschwiegen.
Kleists Dämon höhnisch aus verworrenem Schilfrohr grinst.
In wüsten Knäueln kotzend die Betrunkenen liegen,
Derweil ein grüner Mond in schwarze Lachen blinzt.
Auf vollem Platze sich die dumpfen Trommeln rühren.
Es ziehen bunte Haufen johlend zur Bastille.
Die Priester hetzen auf die Schar zu blutigen Schwüren.
Die weiße Dame reicht mit spitzen Fingern Pillen.
Schwer wirds, sich als Deutschen zu bekennen,
Nicht nach den Landschaften Frankreichs zu brennen,
Nach Paris nicht, unserem rosenen Kindheitstraum.
Wir leben in einem kalten rechteckigen Raum.
Mit Richard Wagner heult ein arges Pack besessen.
Die plumpen Autobusse zeigen wenig Eile.
Die Schildwache entschläft. Das Volk hat nichts zu fressen.
Ein blonder Staatsminister starb an Langerweile.
Die Fahne aber flattert stolz der Republik.
Paris beschließt der heiligen Städte ewigen Bund.
Ihr fabelhafter Ruhm erschallt von Mund zu Mund.
Paris springt auf, ein Tier, ertötend mit dem Blick.
Schwer wirds, sich als Deutschen zu bekennen,
Nicht nach den Schönheiten Frankreichs zu brennen,
Nach Paris nicht, unserem rosenen Kindheitstraum.
Wir leben in einem kalten rechteckigen Raum.
Was soll dies unter klatschendem Regen Tönen,
Der ich voll Trauer bin und klage um Verlust?
Was soll der halbverfallenen Gebäude Stöhnen
Bei rasselnder Stürme Sägen und Gehust?
Ich will mich mit dem Alltag jetzt versöhnen,
Wild schuften in der Berge glühendem Bruch,
Gern unter Hämmerdonner und der Karren Dröhnen
Gedrückter Untertan sein harten Fluchs.
Dämonen sich im Traume um mich scharen,
Zerwirkt bin ich vom Sturm und aufgebraucht,
Doch werd ich manchmal mit den Zügen fahren,
Die gegen Abend gehn, bei steilem Rauch
Mit hohem Pfiff nach schönen Ländern wimmern,
Wo über menschlichem Gestrüpp noch Sterne flimmern.
Franz Jung gewidmet
Triumph wird über uns schreiten.
Es soll Triumph über uns leuchten.
Triumph über uns.
Aufbruch ruft.
Wir aber werden am Boden liegen, schlafend,
Berauscht, kotzend oder greinend.
An uns vorüberrauschen, über uns rauschen wird
Tag und Getümmel.
Wenn des Ewigen Hand die goldenen Vorhänge löst . . .
Trompeten stoßen,
Pauken donnern.
Wir müssen Schläfer sein.
Triumph wird über uns schreiten,
Es soll Triumph über uns leuchten.
Triumph über uns.
Die Welt wird zu enge. Die Städte langweilig.
So schmal alle Länder. Die Meere zu klein.
Die Körper, in giftigen Räuschen entheiligt,
Sie welken und stürzen zu Schutthaufen ein.
Da ahnen wir Himmel wohl gischtenden Blutes.
Ekstasen trommeln wach Hölle und Grab.
Wir stöhnen verkommend in kalkfeuchter Bude,
Daß uns der Zusammenbruch rette und lab!
Was sollen wir noch? Die Welt wird zu enge.
Der Polizei gelingen unglaubliche Fänge
Und humpeln verzweifelt wir über den Strich:
Die Mädchen ausgepreßt, fade und trocken.
In Cafés und Cinémas Spießbürger hocken
Und Goethe glänzt, aufrecht und widerlich.
Verflucht sei der Straßen einförmige Strenge,
Die strecken sich grinsend in endlose Länge.
Oh, daß doch ein Brand unsere Haupte bewölb!
Es rascheln gewitternd Horizonte fahlgelb.
Daß auf der Galeere wir duldsam bald schwitzten,
Daß wälzten wir uns auf der Ruderer Bank!
So aber wir faulen an hohen Pultsitzen
Und bröckeln zu Mehlstaub in Wartsälen bang.
Wir horchen auf wilder Trompetdonner Stöße
Und wünschten herbei einen großen Weltkrieg.
In unseren Ohren der Waffen Lärm töset,
Kanonen und Stürme in buntem Gewieg.
Erreget Skandale! Die Welt wird zu enge.
Es johlt vor Palästen die ärmliche Menge.
Es trümmern die Tore. Es klirren die Fenster.
Die Mauern, sie wanken, die schüssedurchsiebten.
Vergessen wir unsere schmerzlich Geliebten!
Wir bleiben am besten zurück als Gespenster.
Wie funkelt das Dunkel! Der Abend voll Gräuel.
Die Wagen und Nachtmenschen waten in Schmutz.
Kinder, aber Kinder in flammender Bläue
Flehen zur ewigen Mutter um Schutz.
Nicht ehren wir Gott mehr. Er hat uns geraubt
Die Kräfte. Verwarf uns zu Fetzen und Scherben.
Er hat uns mit Wolken des Zornes belaubt.
Erpresser mit Krankenhaus, Hunger und Sterben.
Die Nerven gepeitschet! Die Welt wird zu enge.
Laßt schlagen uns durchs Gestrüpp und Gedrängel!
Es wackeln Soldaten mit schiefen Hüten.
Die Welt wird zu enge. Wir zittern und frieren
In Domen und modrigen Schauerrevieren . . .
Und poltern und würgen und drohen und wüten . . .
Inmitten der Getümmel, knochig und robust,
Steh ich, befeuernd den Tumult mit Schrei.
Es schneiden Messer durch die steile Brust,
Den Acker, hackend Fleisch zu Mampf und Brei.
Ich euerer Länder preisgekrönter Akrobat!
Mit Muskeln straff, drauf spitze Schwerter tanzen.
Aus Winkeln aufgeschrien zu großer Tat,
Aus Kneipen und Bordellen, Gräuel und Wanzen.
Als unterm Tor ich einst mein erstes Mädchen küßte,
Die Arme heftig um die eckigen Hüften schlang,
Wie saftige Frucht zerpressend runde Brüste . . .
O erster Rausch, der Geist und Blut beschwang!
Durch fernste Träume irrend, brauner Weiber Schöße,
Die sich gebärdeten, Verrückte toll,
Bis daß ich niedersank, entblößet,
Ermattet schwer, da Tag und Stadt verscholl . . .
Hah! Rasselnd atmen schon die Lungen
Der Sonne, die zerreißet euch zu Fetzen.
Die Himmel brechen, plötzlich aufgesprungen,
Auf euch herein mit Wassersturz und Schloßenklötzen.
Ihr Hurenvölker, Metzen, aller Länder Schlampen!
Die euch zermalmt, steinerne Flut, sie naht.
Es schaukeln düsterer jener Monde Lampen.
Ihr kochet aus in heißem Würgebad.
Verrecket! Aus Gestank und dumpfem Bette
Zerrt schon der Sturm euch, schmeißt euch in die Helle,
Wo ihr erstarret. Rettet
Euch auf die Speicher, flüchtet in die Keller!
Auch dort, auch dort faßt es euch an und schleppet
Euch an den Ort, wo spritzen Körperstümpfe.
Verlaustes Pack! Verhuret und verneppet,
Bis tief ins Blut verdorben, in den Sümpfen
Der Unzucht fett wie Kröten aufgequollen
Mit triefenden Augen, Mäulern voll Gequak!
Es faßt euch an! Mit einem wundervollen
Bravourschwung schleudernd in den kalten Tag!
Hah! Schon erblindet! Aus den schwarzen Löchern
Quillt gelber Schleim . . . „Gewährt uns doch den Stoß!“ . . .
Ihr zappelt, hänget Lumpen von den Dächern,
Ihr treibet, Klumpen Haut, in Flüssen groß. —
Zerstampfet ist des Reiches fade Herrlichkeit.
Wir Bären heben unsere blanken Eisentatzen.
An unseren Zähnen kleben Haar und Därme. Speit
Aus den Fraß! Fast unsere Bäuche platzen.
Ich wecke dich, verdrängte Kraft! O Anarchie!
Die Schienen steigen, Harfen, aufgerissen.
Die Länder überschwemmet weit der Sümpfe Vieh,
Versoffene Himmel auf die Erde pissen.
Verdammet ewig! Kraftlos, ausgegoren . . .
Hah! Ihr verröchelnd in verstopften Rinnen,
Versauten Kübeln. Gitterspitzen bohren
Euch durch die Schädel. Spinnen
Ihr, die ihr tastend steile Schächte ziehet
Und mischet euch in Stürze, die sich trüben.
Die Augen Glas und maßlos vorgetrieben,
Verbrannt ihr über Dächer gen den Himmel fliehet.
Verdammet ewig! Schwerterblitze schwingen,
Es brechet auf aussätzige Kastenbrust.
Da schreien Trommeln, alle Türme klingen.
Hah! Ungestört in nie erträumter Lust!
Verdammet ewig! Ordnet euch zum Zug!
Schon wallen Fahnen. Schwarze Chore klopfen.
Ihr ausgehöhlt von spitzer Hagel Tropfen,
Hinwegrasiert von steilgestellter Winde Flug . . .
Verdammet ewig! Eng das Himmelreich,
Nieder die Tore, wo ihr tretet ein,
Der Weg verschottert . . . regenaufgeweicht.
Hah! Vorwärts marsch in euer Qualdasein!
Hah! Zögert nicht! Verfault in grünen Ecken.
Da einer wahrte noch die Kerze gelb.
Wo Arme steif an Schimmelleichen stecken,
Wie Kreuze . . . Heiliges Nachtgewölb,
Das nicht mehr Mond durchfurchet, nicht die Schar
Der Feuersterne mehr, da es zu spät
Geworden. Netzehaar,
Das, finsterer Wald, traurig herniederweht.
Stellet wie Schirme Hände vor euere Lichter,
Daß nicht der Sturm sie verlösche, der aufsprang zur Nacht!
Schließet die Reihen! Scharet euch dichter!
Daß wir werden, Brüder, heil an den Morgen gebracht!
Brücken bäumet euch! . . . Teiche voll stinkender Fische
Rasend sich drehen, eitriger Wolken Säcke,
Schalen auf grüner Wälder wehenden Tischen.
Vulkane schwälend vergrabene Himmel belecken.
In die Arme euch fallet . . . Ein Irrer, wo glotzet
An einsamer Straße, der bös prophezeit:
„Fraß und Trank, ihr Räuber und Mörder, auskotzet!
Euer Morgen, der schöne, ist weit, ist weit . . .
Auf den Hügel euch schwinget, ob ihr erspähet
Der Sonne Ball. Landschaft, die schwebt.
Nicht die Mauer der Nebel zerfallet. Die bläulichten Seeen
Erwachen. Voll Glanz ein Gebirg sich erhebt . . .
Erstarrend am Wege ihr, schlaget die Mäntel um!
Hüllet euch ein, erwartend, was nie erscheinet!
Beweget nur Arme, die Hände, die Beine stumm!
Uhren nie schlagend, Schlagwerk, das weinet.
Vergesset den Takt nicht! Rennet nicht, jaget nicht durch!
Lauschet! . . . Ists nichts?! . . . Kommt da nicht wer gegangen?! — —
Die Augen hinfließen, schallender Winde Gefurch.
Bäume hoch greifen, knackender Äste Zangen.
Einmal noch singet! . . . Auf eueren Köpfen
Hocken der Wetter Bäuche. Ach, ihr so maßlos gewachsen.
Oder treiben jene so tief?! . . . Einst dreckige Töpfe
Ihr, trauriger Tollheiten jetzt brennende Achsen.
War es nicht Rausch, nicht Wahn? Wie ward es erfunden?
Einer träumte. Der schrie es herum.
Rausch und Wahn . . . Einst mit Gärten umwunden
Die Stirnen, jetzt Öden, verwelket und plump . . .
Keiner schrickt auf mehr. Nirgends ertönet mehr Klage.
Waldung mit Körper sich mischet, Haare mit Meer und Grün,
Aber im Finstern pfeifend ein Knochenturm raget,
Trotzend den Völkern der Stürme und Hagel kühn . . .“
Sie sitzen warm am Tische. In der Fiebel
Die Kinder blättern. Rings behaglich-stumm.
Es trägt die Mutter auf den Suppenkübel.
Der Vater bringt jetzt eine Henne um.
Die Uhr, sie hinkt mit furchtbarem Gedröhn
Durch Tag und Nacht. Da rauscht ein Sturm vorbei.
Der Unterricht beginnt um viertel zwei.
Ein Telegramm verheißt den Sonntag schön.
Es rauschen die Flammen. Ich leide. Ich leide.
Das schuf der Sehnsucht gefährlicher Drang.
Einst liebten wir heiß uns und innig beide,
Doch unser Leben im Blut, im Blut versank.
O ihr Engel Gottes mit den blassen Händen
Über den Sterbenden schwebend in den leuchtenden Höhen!
Wer kann das Unabwendbare wenden?
Wer macht das Geschehene ungeschehn?!
Vielleicht ist’s nicht viel. Nur matt und gewöhnlich.
Höchst albern, nur von Zeit zu Zeit
Ein Aufbrüllen wie ein Tier. Ganz unversöhnlich.
Ein schwirrender Tumult trunkenster Zerrissenheit.
O alle die Nächte, o alle die Nächte,
Die ich durchirrte und die ich durchsuchte und die ich durchlitt:
Waren unendliche brausende Schächte,
In die ich, sausender Ball, mit Sturmgewalt
Dem sicheren Halt
Einer allmächtigen Hand entglitt.
Nun winzele ich furchtbar durch die windige Nacht,
In der der sündige Geist der großen Toten haust.
Ich bin ein Hund verlaust,
Aussätzig und voll ekler Niedertracht.
Singe mein trunkenstes Loblied auf euch ihr großen, ihr rauschenden Städte.
Trägt euer schmerzhaft verworren, unruhig Mal doch mein eigen Gesicht!
Zerrüttet wie ihr, rüttelnd an rasselnder Kette.
Glänzende Glorie, seltsamst verwoben aus Licht und Nacht du, die meine zerrissene Stirn umflicht!
Schwer schallt aus ewig dröhnendem Dunkel euerer ziehenden Kolonnen und Scharen
Marschtritt, gedämpfter Waffen- und Trommelklang.
Feuerschein. Rasende Automobile an schimmernden Palästen vorfahren.
Auf glänzenden Treppen der Damen und Kavaliere flimmernder Gang.
Liebende. Einsam und weinend am düsteren Gestade
Schmutzigen Stroms, der träg durch die Vorstadt hinzieht.
Höret die alte, die ewige Bitte um die lichte, die himmlische Gnade
Verhallen im Strudel der Wasser als Schlummer- und Todeslied!
Rote Laternen blinken und winken aus finsteren Gassen.
Schwarze Schatten gebückt hinschleichen, die Böses tun.
Fabriken, Lagerräume, Baracken, die öd, die verlassen
Im falben Scheine des Mondes gleich großen schlafenden Heerlagern ruhn.
Aus verfeuchteten Kellern gebärender Weiber schallende Schreie.
Schwarzer Zug. Geheul. Begräbnis. Glockenton.
Horchet begeistert, wie sich erleuchteten Saals eine neue
Meinung durchsetzt in stürmischer Diskussion!
Volk. Fahnen. Ernst. Eiserne Fäuste.
Rußig. Ruhig. Mann, Weib und Kind.
Geruch der Fäulnis steigt auf aus den blutverschweißten
Hemden, doch die, wie ich glaube, einst leuchtend gleich purpurenen Rosen sind! —
Blühen dann wieder des Sonntags die himmlischen Feste,
Flattern Bänder weit, wehen Wimpel bunt über dem ländlichen Grün.
Man tanzt. Ist fröhlich. Unterhält sich so am besten.
Hoch am blauen Himmel wieder die weißen Wolken ziehn.
Aber schon brausen und sausen über Brücken und Viadukte
Die Züge. Durchs Abendgold
Heimführend die Fröhlichen, die Vergnügten.
Dumpf der Zug in der dämonischen Bahnhofshalle einrollt.
Niederströmt die Masse. Die Ketten
Klirren. Der irdische Dämon Hölle und Feuer schürt . . .
Und doch —: singe mein trunkenstes Loblied auf euch ihr großen, ihr rauschenden Städte!
Von euch verdorben. In euch verirrt. Von euch verführt.
Doch sterbend vom Schein himmlischen Lichtes berührt . . .
Denn plötzlich schrillen empor Sturmglocken und Pfeifen.
Ekstatisch schwillt ein unendlicher Brand.
Wasser stürzen. Rote Flammenfangarme in die schwarze Nacht hineingreifen.
Millionen versinken. Tief glüht das Land . . .
Singe mein trunkenstes Loblied auf euch, ihr großen, ihr rauschenden Städte,
Trägt euer schmerzhaft verworren, unruhig Mal doch mein eigen Gesicht.
Zerrüttet wie ihr, rüttelnd an rasselnder Kette.
Glänzende Glorie, seltsamst verwoben aus Licht und Nacht du, die meine zerrissene Stirn umflicht!
Da ich überwand
Im steten Aufwärtssteigen selig mich mühend
Glühende Gipfel: sei mir gegrüßt
Ebene, weites blühendes Land!
Du Sinn der Erde! Wie oft hat mich dein Blühen
Aufgeweckt und der herbe Duft deiner Saaten.
Wie oft hat mir der Geruch deiner Fluren verliehen
Hoffnung und Mut zu neuen Taten.
Ach, deiner verschwenderischen Fruchtbarkeit
Goldener Segen
War oft als stille Hoffnung über meinem tiefen Leid,
Als ein heller Himmelstrost über meiner argen Schmach gelegen.
O, und wie liebte ich deiner Wälder Brausen,
Das Sausen des Sturms über die Heide.
Das Rauschen deiner großen Ströme.
O Wandermusik! Welch fröhlich Geleite!
Ihr fliehenden, ziehenden Wolken hoch dort oben!
Ihr purpurglühenden in dunkel wehenden, bewegten Lüften!
Ihr Feuerwolken, Feuerrosen! Glut über meinem Menschenhaupt!
O Frühling du! Himmlischer Heros du! Verschwender du in Blut und Düften!
Ich nenn mich deinen besten Held. Ich habe dir geglaubt . . .
Sieh, alle Menschenherrlichkeiten und Verworfenheiten,
Wenn auch seltsamst verworren noch, trag ich in meinem irdischen Menschenblut.
Aus tiefstem Niederfall hast du erbarmend dich mich jäh erhoben.
Dereinst, das weiß ich, herrsch ich königlich. Du gabst mir Kraft dazu und Mut.
Goldene Schätze sind in mir enthalten.
Einst werde ich die Arme ausbreiten,
Einst werde ich Schwingen entfalten
Zum Flug in die sternenen Unendlichkeiten.
So träume ich oft, und mein himmlisches Schweben
Geht verzückt von hinnen zu silbernen Wolken hin.
Die großen Städte im Abendrot heben
Ihre blinkenden Zinnen. Brücken, Wälder, Ströme vorüberfliehn.
So wird alles Traurige, dein irdisches Leben,
O Mensch einst unter dir vorüberziehn
Überwunden, klein und doch so bedeutend
Und das alles in einem großen kosmischen Zusammenhang
Und du wirst kaum mehr unterscheiden
Können, wo ist von diesem Ding das Ende und wo von jenem der Anfang . . .
Du wirst staunen nur. Über alles dich tief verwundern.
Jahrhunderte brechen auf.
Deine blaue Glocke, Himmel, wird herrlich läuten.
Deiner Engel Posaunen schmettern den Triumphgesang.
Ich komme spät nachts noch betrunken ins Bierlokal:
Ganz am Ende der Stadt gelegen. Verrufen. Wild
Lärmt man der versunkenen Nacht nach. Dem Sonntag entgegen. Im Saal
Das Gedröhn und Getön der erhitzten Stimmen zunimmt und furchtbar anschwillt.
Vier Weiber. Sehr schmutzig. Verschwitzt. Fett. Höchst gemein.
Musizierend. Klavier. Zwei Geigen. Die Älteste schmetternd mit tropfendem Mund singt.
Man säuft. Füllt sich den ausgetrockneten Schlund mit Schnaps, mit Branntwein. Rülpst. Stopft sich hinein,
Während draußen vielleicht die schöne Welt schon im erwachenden Morgen aufklingt.
Ich sitz in der Mitte. Umbrandet. Da entlockt zärtlich der verwirrte Tumult
Dem müden Gehirn phantasievoll ein rührend Bild.
Das tilgt, o Mensch, das überdeckt einst reichlich all deine Schuld.
Du kniest hin wie ein Kind. Du neigst deine Stirn. Du Ärger wirst weich und mild.
Dort oben, o sieh: sie spielen auf jenem Podium —
O, wer dies nur einmal sah, es sicherlich nie mehr vergißt! —
Die Engel, die Engel, die lichten, blondgelockt, die weißen. Ringsum, ringsum
Die muffige Luft vom goldenen Klingen ihrer heiligen Gesänge duftend angefüllt ist!
Was soll mir da der helle Tag noch? Oh, so sagt mir. Ich lausche ja hier einem Lied,
So himmlisch entrückt. Dem kommt so leicht nicht mehr eins meiner Erde gleich.
Kein Rauschen der Ströme. Kein Klang der Glocken. Kein Lerchenschlag . . . Mein Gemüt
Erblickt ein unnennbar süßes Himmelreich.
Wir wandern heimwärts durch die eisige Nacht
Wir Saufkumpane. Unser Schritt hallt schwer.
Versprengte wir wie nach verlorener Schlacht.
Gaslicht schwimmt gelb im weißen Flockenmeer.
Wir Schar. Zerschlagen und zermalmt.
Gehirn zersetzt schon Wahn. Wir haben
Zum Letzten wohl geludert. Pest und Qualm
Und Dirnenpack und Luis und Straßengraben.
Unmerklich rinnt auch diese Nacht zum Tag.
So schwarz in Grau. Von unerhörter Qual
Brecht ihr empor: rote Glorie und Glockenschlag.
Verstörte, Tote wir im Morgenstrahl . . .
Rasche Jugend, du sinkst und fällst,
Rasche Jugend verblühend!
Die du all Licht, o all Licht enthältst,
Stark und über die Maßen so kühn.
Und wenn du jetzt auch scheiden mußt,
— du harrst ja schon im weißen Kleid
Des Todes wehen Abschieds —
Oh, wer hat so wie ich gewußt
Um allen Schmerz, von deiner Freude
Und blutiger Nacht und dumpfem Tag!
Wer bot so frei die offene Brust
Den Stürmen wilden Lebens dar,
So fromm und ohne Klage?
Wer hat so wie ich getan
Alles, was du nur wolltest?
Wer stieg so kühn die steile Bahn!
Oh, nun leuchte du mir stolz voran
So glühend, warm umgoldet
Und wie in diesem letzten Strahl
Die sinkende Abendsonne!
O deiner Kämpfe tiefster Sinn!
Jetzt weiß ich erst, daß ich gesegnet bin
Und daß ich segnen kann.
Und wenn du jetzt auch scheiden mußt,
— du harrst ja schon im weißen Kleid
Des Todes wehen Abschieds —
Leb wohl, dein seliges Licht vereint
Uns doch für alle, alle Zeit.
Reiß mich empor zur Ewigkeit,
O stürmisches Brausen deines trunkenen Liedes!
Rasche Jugend, du sinkst und fällst,
Rasche Jugend verblühend!
Die du all Licht, o all Licht enthältst,
Stark und über die Maßen so kühn.
Ich, der Gottes Angesicht
Nacht für Nacht geschaut:
Ich dünke mir ein festlich grelles Flackerlicht
Dem abendlichen Tage anvertraut.
Ich bin ein Rausch verklungener Zeit,
Ein Traum trunkenster Herrlichkeit.
Es rauschen Bäume schwer im Wind,
Mein Wald, du wirst entlaubt.
Wir die aus dunkler Erde sind,
Wir neigen schwer das Haupt.
Wir sind ein Rausch verklungener Zeit,
Ein Traum trunkenster Herrlichkeit.
Wo lacht dem Leid der heilige Stern?
Erwachst du große Güte?
Ich hab dich liebe Welt so gern,
Ich hab dich lieben Herrn so gern,
Dich Jesu, Schmerzensblüte.
Auch du ein Rausch verklungener Zeit,
Ein Traum trunkenster Herrlichkeit.
Und hab ich alles recht bedacht,
Den Schmerz und auch die Freude,
Den hellen Tag, die dunkle Nacht
Und Lust und Liebe, beide —
Ich bin ein Rausch verklungener Zeit,
Ein Traum trunkenster Herrlichkeit.
Die trunkenen Nächte! Die trunkenen Nächte! —
Oh, meine Jugend du, blutende du! Empor, empor und
Aufstehn, o auferstehn!
Die schlaffen Muskeln wieder strecken!
Die matten Flügel wieder spreiten!
Die müden Schwingen wieder entfalten
Der Sonne zu!
O wieder
Morgenröte-Umarmungen!
Ja empor und aufstehn! Wenn es nicht anders geht,
Dich aufreißen, dein wimmerndes Herz ausreißen,
Dich aufreißen aus Traumdämmerungen, Abendruhen
Mit der kalten höhnischen Gelassenheit und Grausamkeit der
Starken über die Vergewaltigten.
Dann
Mit gebreiteten Armen springen ins Morgenrot,
Fliegen im Strahl der Sonne über die großen Städte hin,
Über namenlose Finsternisse hin,
Donnergründe, brausende Geheimnisse hin,
Höher empor
Über alle Not, alle Armut, alle Schmerzen hin,
Höher, höher empor
Dem Aufgang zu!
Ja empor und auferstehn! Empor aus
Qualmigen Verbrecherhöhlen, empor aus fettigen Dirnenspelunken
Mit dem roten gedämpften Ampellicht, mit dem geputzten Schielen
Weißhaariger Kupplerinnen, all der plumpen bäuerischen,
Jämmerlichen Koketterie der Fleischschau.
Empor aus Spielhöllen, dem stieren Blick, dem Münzengeklirr,
Empor aus Zuhälterkneipen, Ställen voll Absinthgerüchen,
Schmierigen Aborten, Samengestank und Eitergeträufel,
Dem Geklimper all der Tamburins, Klaviers und Musikautomaten.
Empor aus Freudenhäusern, den Kneiplokalen der Homosexuellen,
Empor aus Asylen, Krankenhäusern, Zuchthäusern.
Empor aus Irrenanstalten, Pestbaracken, all den Gehegen
Tobender Alkoholiker,
Ächzender Tuberkulöser,
Demaskierter Syphilitiker . . .
O du mein Schrei auch Schrei der Zeit!
Steht auf! Steht auf!
Schlagt nieder!
Stoßt zu!
Brecht auf!
Die Wünsche, die ich Tags gedacht,
Sehnsüchte, die ich Tags nicht stillen konnte,
Werden die Ängste meiner Nacht.
Ich rings in Feuern steh,
In der Geliebten meine Mutter seh,
Meinen Vater wie einen Fraß der Hunde.
Aus den Wänden trete ich,
Geschändet am Geschlecht,
Der weiße Leib
Beglüht und fein gehüftet,
So ganz und echt:
Ich Weib.
Ich hebe meine furchtbar spitzen Hände, im innern Mark
Längst leer und schlimm vergiftet,
Will um meine Sehnsucht zu übertören
Allen, o allen gehören,
Geb mich jedem Bettler hin,
Nur kummervoll besorgt, daß ich Gefallen fände,
Und kühn,
Daß ich sie alle niederkrallen könnte.
Schon höre ich die Dämmerung fallen.
Klänge wiegen mich in die Welt.
O Tag!
Jetzt bin ich allen Träumen fremd . . .
Sei gütig! Dein Toben
Will sich erlösen.
Was du gewesen
Im träumenden Bösen
Befreit sich nach oben.
Wie mag noch lieben, wer dich klar gesehn?
Was kann vor deinem Bild bestehn?
Was hat noch Anmut, was noch Sinn,
Du gute Himmelskönigin!
Oh, all das Gute,
Das du mir getan,
Wo faß ich es an?
Du trugst auf deinen wunden Lenden
Mich, der dich bittend traf.
Du sprengeltest mit Zitterhänden
Weichen Traum durch meinen Schlaf.
Oh, all das Gute,
Das du mir getan,
Wo faß ich es an?
Oh, all das Gute,
Das du mir getan,
Ich verblute,
Ich sterbe dran.
Oh, einmal dich umarmen
Noch, an dir niedersinken!
Einmal noch das warme
Gold des Abends trinken!
Wieviel haben wir geweint
Um uns! Nun soll das Schwerste erst kommen . . .
Wirst du mir einst entführt,
Muß ich wohl sterbend hinfallen.
Gottes gute Sonne ist erloschen
Und die böse Nacht drückt schwer.
Meines Blutes Verlangen
Weiß von keinem Frieden mehr.
In der Ferne ruht ein Glühen
Über dem entschlafenen Land.
Was mich bitter traf, wird blühen
Einst. Darum lächle ich so unverwandt.
Darum hat ein großes Hoffen
Meinem Herzen sich auf ewig eingeprägt.
Alles Irdische, das mich so schwer betroffen,
Ist von jenem Schmerz, der einst das Wunder wirkt.
Es entgleitet meinen müden Armen
Jetzt der Leib, den nicht mehr Wärme hält.
Sieh, mein Tod ist ein entzückt ekstatisch und erbarmend
Niedersinken, wie die Abendsonne niederfällt.
Übertu du heimatliches Leuchten
Der Natur mit mild versöhnendem Glanz
Alle Qualen meines Herzens,
Daß, gleich sprühenden Sternenreigen,
Himmlische Wonnen mich umfahen, blühend ganz.
Aufgepeitscht, von roten Flammenschlünden
Irr umtobt, glüh ich in nächtiger Haft.
Weh zerfetzt, selig verblutend
Schau ich stier in ein entzücktes Land.
Brausend kreisen unermeßliche Ströme Blutes,
Unerschöpfliche Kelche spenden dunklen Wein,
Daß wir ganz trunken und sinnlos werden,
Daß unser Leib im wirbelnden Strudel der Lust verbraust.
Mond und Sterne, der leuchtende Glanz im nächtlichen Blau,
Erster Lichtschimmer vom kommenden Tag,
Zerstieben in Purpurglut.
Aber hoch, hoch über allem, über allem noch Begreifbaren
Der Welt, in letzter, höchster, traurigster Nachteinsamkeit
Spannt sich, spannt sich ein Schoß, spreizt sich zur Gruft,
Flammend enthüllen sich tiefste, nie erschaute Röten,
Scharlachen aufgetan, nie geahnt,
Deren brennende Reize kein irdisches Aug erfaßt . . .
Wir ringen. Wir ringen.
Doch wir wissen, wir werden die dunklen Gewalten
Einst noch bezwingen
Und unsere Kämpfe werden uns nicht dumpf behalten,
Sie werden nur unsere Kräfte entfalten
Und uns beschwingen
Und uns den Triumph bringen.
Durch alle Erdenkämpfe werden wir zuletzt
Das Herz unberührt
Doch noch heimwärtstragen
Und durch alles, was uns jetzt
Noch mit Schmerz verführt
Und zu Boden drückt.
Wenn auch jetzt noch dämonisch die Flammen über uns zusammenschlagen
Und unsere Augen rot das Leid benetzt,
Einst werden wir sagen:
Es ist uns schön geglückt.
O daß ein jeder auf seine herrliche Jugendzeit
Stolz sei und sich derer freut!
Wo wir den Wert der Dinge erforschen,
Das Alte vergessen,
Das Neue ermessen,
Fanatisch den alten hergebrachten Rechten
Entgegenwirken und aus den morschen,
Zerfallenen Reichen neue Reiche aufrichten
Und die Grenzen der neuen mit Ekstase verfechten.
Was wir dabei entheiligen,
Was zerstörerische Glut zerreißt,
Wird sich einst wunderbar an jedem Aufstieg beteiligen,
So daß sich am Ende doch alles als gut erweist.
So laßt uns glühen
Und ernst bestehen nach heißem Bemühen!
Du enteilst mir, schwere Nacht.
Schon bist halb du, heller Tag erwacht.
Kalt sinkt Stern um Stern.
Glocken läuten fern.
Goldenes Feuer! Blauer Morgenschein!
Herz! Bald sollst du geborgen sein! . . .
Trink! Es ist ja nur Wein! Trink ihn zur Neige.
Mehr als Wein: es ist mein einsamstes Leid
Nicht in mir, nicht in dir zur Erlösung
Meiner irdischen Qualen gelangt.
Trink! Es ist ja nur Wein, trink ihn, mein Leben!
Trink ihn, Geliebte, es ist ja nur Wein!
Doch tiefer denn alles. In ihm funkelt die Sonne,
Spiegel der Sterne, des Monds, Abglanz des Alls,
Traumschein des Ewigen, Lippen Gottes . . .
Trink, es ist ja nur Wein, oh, wär es mein Blut,
Wäre es mein Herz, o wären es jubelnde Ströme!
Schlösse den Mund auf ewig ein einziger Kuß,
Der von den blühenden Lippen Gottes käme! —
Ewige Liebe du, Licht der Lebendigen!
Schattenumrissen droht der glühende Schlund,
Letzten Verhängnisses voll, im Antlitz des Todes.
Nur im Bann des strahlenden Leibes,
Nur in der Kraft des Sehnsuchtgedankens
Kehrt das Heimweh über die Stätte der Erde
Zu den Gefilden der Heimat, selig und klar . . .
Sieh: eine Seele verblutet, eine Seele entfacht
Blutige Leuchten in den Stürmen der Nacht!
Gellende Jubel, so schreien geängstigt die Glocken,
Wo nur Verderben die menschliche Hoffnung birgt.
Heilige Himmelfahrt du! Im Brausen des Feuers
Tiefste Ergriffenheit und wie ein Segen von Gott
Kindliche Trauer im flackernden Taumel des Herzens.
Heilige Himmelfahrt du, die Toten erwachen,
Ihre Macht, die lebendiger ist als menschlichen Sinnen
Je nur verständlich. Die gnadlos walten!
Heilige Himmelfahrt du! Einer der Reinsten, die je
Auf dem Wege zu Gott die Hände erhoben:
Sende die Engel des Friedens gütig herab,
Daß die Marter der Zeit und unsere Leiden
Golden verklärt an deinem Herzen entruhn!
Sieh, wie diese glühenden Flammenschwerter
Schlägt unsere Inbrunst zu dir, Gott,
Ewige Liebe du, Licht der Lebendigen!
Sende die Engel des Friedens gütig herab! —
Wenn unser Leib zu Asche — sende die Engel herab!
Vater! Sende die Engel herab!
Hoch, bekränzt von aller Traurigkeiten
Goldenem Schein umsternt, weit über diesem Erdenland,
Sah ich, wie ein armer Leib in allen Herrlichkeiten
Gottes jubeltönend aufschlug und erstand.
Ich bin ein Namenrufer über weites Land,
Selbst namenlos, und Namenlose sind es,
Die ich rufe. Im warmen Hauch des goldenen Morgenwindes
Schmerzlich Erweckte aus uralt schattigem Bezirk zu neuem Leben.
Um ihre grabzerfetzten Lippen ein gelindes,
Letztes, doch starres Lächeln der Verwesung,
Manche in der Anmut eines holden Kindes,
Träumerisch, im Frieden endlicher Genesung,
Manche in den dunklen Trauertrachten
Verstorbenster Ahnen, manche in den funkelndsten Schauerprachten
Stolzester verdorbenster Frauen. Über marmorglänzende
Fluren hin, in samtenen
Prunkgemächern oder in der blassen Helligkeit
Der Abendlichter. Immer ists, als
Hörte ich Orgeln brausen,
Große dumpfe Orgeln irgendwo,
So im Aufgang von den Himmelshöhen,
So im dunklen Wehn
Des Abendwindes.
Oder hellen Silberklang geschwungener Gefäße
Oder lallendes Hinträumen junger sterbender Seelen,
Weinen oder die Andacht blasser Frauen,
Zwischen offenen gespreizten Schößen
Wunden und entzückte Dolche, funkelnden
Berückenden Schimmer heiliger Geräte,
Kinderstimmen tönend durch die seltsam hohen
Feierlichen spitzgewölbten Hallen.
Alles Ferne, Trübe, Grausam-Schöne irgendwo . . .
Was ich litt,
Blinkt auf darin in tausend Narben
Und stöhnt nach Reinigung.
Und was ich lebte, um was ich stritt,
Durchspringt in tausend Farben
Grell kreischend den Weltenraum, Vereinigung
Im Höchsten heischend und Entfaltung,
Gigantische Kräfte zur Vollendung dauernder Gebärden
In mystischer Verzücktheit und Gestaltung. —
O Friedensstätten siegverklärte!
Nach irdischer Not und Tod und schwerem Krieg!
O ihr Begehrten!
Ihr Vielgeliebten!
Ihr von leuchtenden Sonnenstürmen
Und ewigen Sternglorien Beglückten!
Euch, euch grüß ich, euch ihr weiten Länder,
Reiche der Seligen ihr, ewiger Träume bleiche Heimatstätten
Und der Schwermut müde schweigende Gewässer,
Wenn der silberne Mond zuhöchst zur Neige kommt.
Euch, euch grüß ich, euch ihr weiten Länder,
Euch noch ungesehene, euch nur geahnte, euch
Einst herrlich leuchtende Gestade
Im Morgenlicht!
Euch, euch grüße ich
In stürmischer Nacht von hohem Wanderschiffe, dessen
Mürber Kiel zersplittert, dessen
Stolze Masten jählings berstend übersinken, dessen
Rumpf mit dumpfer Donnerstimme in ewige Vergessenheit zerkracht.
Durch Tod und durch Gewittersturm
Ist mein hohes Heimwehlied der einzige Gesang der Nacht.
O blutiger Aufruhr! Flammenstöße!
O ihr meines irdischen verbrauchten Leibs
Zerschellende Mächte! O Stimme Gottes,
Die durchs Dunkel dringt,
Die Firmamente leuchten macht,
Die Sterne aus bewährten Bahnen reißt,
Mit einem Hauch Frühlinge aus Trümmern weckt,
Gräber sprengt,
Tote Herzen wieder schlagen macht.
O Stimme Gottes, die die Brust beengt
Uns Menschen, daß der Rasende den Leib sich aufreißt
Und zerfleischt, den Körper peitscht, sich bis aufs Blut
Zerbeißt und steinigt.
Entstellt, zermartert und gepeinigt
Zum Tod sich hinschleppt, bis auf Flügeln der Ohnmacht er entschwebt,
Bis ganz das Tönen deiner reinen Stimme ihn durchdringt,
Bis ganz das stille Leuchten deiner Harmonie ihn süß durchdringt,
Bis ganz dein milder Glanz ihn sanft umhüllt
Und den Erlösten
Blaue Nächte und die Sterne trösten.
Du Freudensturm des Lichts! Du Wort, du Tat!
Du Sonnengold und Traum der Nacht! Du Tag der Erde!
Du Wonne! Jubelglanz! Du All, du Nichts, versteinende Gebärde!
Du Sammelruf! Bezirk des ewigen Heils! Umworbene Stadt!
Engel der Morgenröte du und heißer Kampf! Gefährte
Und Hilfe der Schlacht! Zärtlich Leuchten, Siegesklang und Harmonie,
Du goldener Schnitt, du Schwerkraft, Mittelpunkt
Und Sinn der Welt! Ausatmen und Ertrinken!
Natur!
Du Frucht im Schoß, du Nein und Amen,
Du Ewig-Wacher, Nie-Vergessender, du Heiß-Erträumter!
Du grausam Unbarmherziger, du, du — nein Nie-Beirrter!
Sieh unsere Hände hält ein Fluch gebunden,
Doch unsere Kämpfe führen deinen Namen.
O Volk Verlaufener! O Volk Verirrter!
O Volk Geschändeter! Zu Wut und Haß Emporgeschäumter!
O Volk Geächteter! O Volk Verblendeter! Mit Wunden
Gleich Frühlingssaaten überströmt. Blutüberströmt . . .
Du Unbeirrter!
O segne mich, den Trunkenen, Begeisterten, von dir zu dir Entflammten,
Dein Kind, dir Held zugleich und Priester, o Meister! Der
Seine tiefsten Träume nicht erfüllte noch gestaltete, der nie zur hellen Tat entbrannte, der sie nun unberührt
An dein Herz wieder niederlegt, o Meister und Verwalter. Woher
Sie erdwärts niederstiegen und entstammten . . .
Ich, auch einer der Versunkenen, Verführten und Verdammten.
O daß deine reine Gnade unverhüllt und licht
Sich mir zuneige und erwäge, doch daß dein Gericht
Mein Leid unwägbar und ganz unvergleichbar finde . . .
(Ach Worten gliche keins. Und Worte wären Winde und Sünde für dies!) . . .
Bis deine unnennbare Güte den so weh Entflammten
Aus grauen Mitternächten
Im dröhnenden Aufstrom sprühender Gewitternächte
Zu blühenden Lichtwelten schön entführt. —
Daß ich aus allen meinen glühendsten Ekstasen,
Die mich hinschleudern und zerknirschen, drosseln,
Mich kalt umpacken, den Nacken brechen,
Gleich wirbelnden, aufpeitschenden Orkanen, die blühende Gelände mit einem Hauch verwehn,
Daß ich aus allen Orgien, die meine kranken, getäuschten Sinne feiern,
Und stolzen, ungebärdigen Gewalttaten,
Entblößenden Räuschen und allen Trunkenheiten,
Willküren, rohen Anmaßungen,
Aufrührerischem Trotz und Mord,
Aus allem Wühlen, Sehnen, Branden, Ringen,
Aus allen Stürzen in Abgründe und Zusammenbrüchen,
Aus allen Anfechtungen und Verzweiflungen,
Aus allen Ängsten, Lastern und Versuchungen
Und allen Verirrungen und Halluzinationen
Und allen Peinigungen des herrischen Geschlechts, das
Alles überwächst und sich ins Unermessene erdehnt:
Daß ich mich einst aufhebe,
Den Staub abschüttle, der an zerschrundenen Flügeln haftet,
Traurige Augen öffnend und das Herz erschließend,
Daß ich mich einst aufhebe,
Schwingen spanne,
In jenes Land hinfindend,
Mit einem letzten Anflug gläubigen Muts und frommer Kraft:
Wo du in Reinheit der azurenen Höhe,
Im schimmernden Chaos, wo goldene Sonnen schwanken,
Und alle Gestirne tönende Lichtreigen inbrünstig um deine Majestäten ranken,
Wo jauchzende Chore ihn umgeben und reiner Himmelswonnen brausende Melodien,
Wo harte Engel ihn umschweben mit Blitzen und sausendem Speergewimmel, die ihn
Zu Bronnen des Lebens schön geleiten, zum Herzen Gottes, die der Einsamkeit
Gewandung von ihm abtun,
Seiner schmerzhaften Erdenzeiten
Verhärmte Schatten.
O gleißende zitternde Lichtblitze, ewige Gnadenwonnen!
O du inmitten kreisender Sonnen stürmische Erhöhung:
Bis die Adern von tanzendem Blut und die Brüste von schimmernden Gluten geschwellt,
Und die Augen von himmlischen Feuern entbrannt und erhellt:
Sein Geist als Geist Gottes durchstürmt die brechende Welt. —
O Herrlicher du, senke der Flammen schlagende Fahnen auf uns mit glühendem Bewenden!
Du Ewiger, lenke den Marsch der Verdammten gnädig aus finsteren Bahnen zu blühenden Enden!
Du Ewiger, sprenge die irdischen Bande! Mache uns frei!
O Herrlicher du, erfülle die Länder mit großem Triumphgeschrei!
Kür uns zu Helden, gekrönt mit leidlosem Kranz!
Daß über unsere schmerzentstellten Stirnen hinströme der Glanz
Endloser Güte unendlicher Macht!
Schimmernder Frieden du! Segen du unserer Nacht!
Daß wir an deinem Herzen ausruhn!
Daß unseren Schmerzen sich Himmel auftun!
Gott brauset mächtig in den Werken,
Die rings umwandeln sich, vergehend und geschehend.
Im donnernden Flug der weißen Wolkensärge,
In Wetterzorn und klirrendem Geträn.
Da wir des Abends wurden eingeliefert,
An hoher Decke klebte Perlenlicht.
Wir wollen uns behalten, nie verlassen,
Uns wenden zu das schreckliche Gesicht.
Es steigen kühl zu uns herein
Wälder, Wiesen und der Berge Flor,
Auch die Stadt will gegenwärtig sein
Mit Brutplätzen und der Menschen Chor.
Die sich zwängten durch die Gitterstangen,
Streuend Träume durchs Gezell —:
Klagemeer und Schrei hat sie empfangen,
Flackern böser Augen, fieberhell . . .
Ja, Bitternis ward in die Brunnen eingelassen.
Nicht herzet Goldluft mehr uns innig-lieb.
Gott, den wir in uns faulen lassen,
Verfärbt die Ströme unseres Blutes trüb.
Mit Mondes Sichel, jäh gekrümmt,
Pflügt auf er den verpönten Leib.
Wir haben Gott in Jammer eingenommen,
Berauschet uns an seinem giftigen Leib.
Gott schreit in uns nach blauer Heimat Frieden.
Gott gräbt empor sich in Erschütterungsstößen.
Der Schlafe Ruh sei ihm wie uns beschieden!
Daß wir in ihm, daß er in uns sich löse!
Erwachend aus dem Taumel der Narkosen
Wir fanden uns zerrissen und geschnürt.
Die Mauern stieben auf wie Blätter lose,
Doch lindert Spritze Schnitte und Geschwür.
Wir blicken traurig auf den runden Hof,
Wo kreisen mummelnd blaue Kittelrupfen.
Wir schlagen jauchzend Purzelbäume oft.
Die Wärter uns mit eisernen Pinseln tupfen.
O flögen immer wir durchs Luftgeglänze,
Wo Strahlentürme aus den Wolken blitzen!
O segelten wir mit den ewigen Lenzen!
Ein Heiland war bereit, uns zu beschützen! . . .
So sind wir jung durch jede Nacht gewallt,
Das Dunkel aber fraß sich in die Hirne.
Es schuppet sich das fleckige Antlitz alt.
Empor wir schwanken zwischen den Gestirnen.
Oft, wenn wir drehn uns nach den Brüdern hin,
Dünkt endlos uns gestreckt der Betten Reihe.
Im Flammenhorizont der Priester kniet,
Der Sonne bricht als Todesarzeneie.
In Wartezimmern hocken wir gebückt.
In Magenhöhlen rinselt Eiter frisch.
Im Mutterleibe wird ein Mensch zerstückt.
Wir liegen lang auf weißem Marmortisch.
Wir weinen uns durch Haft und Äthersaal
Einander zu, erlebend süße Nähe,
Wenn man uns reicht das letzte Abendmahl,
Uns salbet ein mit Öles weichem Schnee.
Der Marter Gott hat liebend uns umarmet,
Als Sehnsucht Not uns in die Fieber warf.
Auf Dächergletscher wandelten wir Arme,
Gepeitschet von den freien Winden scharf.
Erhebet euch, ihr teuflischen Matratzen!
Euch Siechetücher Hauch der Himmel schwelle!
Der heiße Kopf wie eine Bombe platze!
Der Leiber Grab bestürz der Hitze Welle!
Wir Elenden zergehn, in Krämpfen weinend,
Gestäubet aus. Uns packen an Visionen.
Das heilige Tier im Dämmertraum erscheinet.
Wir schlürfen ein karbolische Ozone.
Nicht Frieden mehr die düstere Stirn umheitert.
Es raschelt schnell der Schläfer Atemtakt.
Wir Wachenden noch Bittgebete leiern.
Wir kuschen uns in grauer Kissen Sack.
O Qualen letzte Schlacht im Lazarette,
Trostloser rot umzirkter Höllenstadt!
Mit argem Fleische fahren fort die Betten.
Schon brennen Kerzen in den Gängen matt.
Ihr Mädchen mit den weißen Spitzenhauben!
Du Arzt im Mantel, der wie Frühjahr weht!
Wir liegen in Verbänden naß umlaubet.
Ein Licht beträuft kühl unserer Wunden Beet.
Tag! Endetest mit Tobsucht und Gebrülle
Uns Irrer aus den Dauerbädern bang!
O Trauer deck uns zu mit Tränenhülle,
Aus der Station mit Schwesternachtgesang!
Im Garten aber hinter schwarzem Gitter
Der Engel steht bei alten Bäumen schwank.
Er schüttelt sein Gefieder voll Geflitter.
Ein Stern zersprüht in seines Haars Gerank.
Er flieget auf zu Mondes grüner Klippe,
Die bald das Meer des Morgens übergraut.
Es fährt sein Schwert uns zwischendurch die Rippen.
Wir sterben, rufend seinen Namen laut.
Dem Gedächtnis der Fanny Fuß
Die schwarze Flur, sie gleicht des Meeres Fläche,
Wo rote Flecken irren tief am Grund.
Es brechen durch Korallen grüne Bäche.
Wo Züge rollen schwimmen Lichter bunt
Und braune Wälder in den Lüften bangen,
Die wälzen Schatten über Aug und Mund . . .
Und warest du nicht schon von mir gegangen,
Da wölbte sich ein ungewisser Mond?
Und habest jenen Fremden nicht empfangen
Und habest nie zur Nacht mit ihm gewohnt?
Und jenes Leib im Traum voraus genossen,
Der dich mit Lilienküssen süß belohnt?
Schau ich bin arm und oftmals ausgegossen
In viele Näpfe, ein Gefäß bald leer.
Auch jener Rest ist nun zerflossen.
Es füllet nichts die hohen Krüge mehr.
Bald sprenget Tag die grauen Läden auf,
Der mich umbraust mit Lärm und Stimmen Schall,
Die Straße blitzet und der Schienen Lauf.
Ich bin Triumphzug, blühend aus Verfall.
Du Bitternis zerrinnst in diesen Stunden,
Da Häuser wanken bei der Pauken Schwall.
Schon tropfet Purpur aus des Himmels Wunde.
Das ward mir längst zu fröhlicher Gewähr:
Gefesselt wohl, doch so dem Blut verbunden.
Es jaget Morgen mildere Lüfte her,
Ein Bad auf heiteren Mittag mir bereitend,
Da purzelt Clown und knallet Schießgewehr
Und ich spaziere friedlich, neugekleidet,
Auch tönt ein Horn, wo man die Fahne hißt,
Auf dem Kamel ein roter Affe reitet.
Doch jenen Tag, fast wunschlos, ihn vergißt
Nicht weicher Schlaf, der weißen Dämmer lischet.
Ich darf wohl sagen, daß getröstet ist,
Wer sich mit solcher Dunkelheit vermischet.
Es schwingen Sternenvölker ihre Arme,
Die Hacken, wirbelnd an den Sonnemond
Und Lavastrom sich wälzet, der mit warmem
Strahl bohret durch papierenen Horizont
Und schartige Flut die blonden Felder mähet,
Der flammenden Straßenbäume starre Front . . .
Du wieder leuchtend in den Abend spähest,
Du über allen Räumen weit und groß,
Ersehnter Hauch, der letzte Segel blähet.
Du bist das Lächeln spitz wie Schwerter Stoß
Und, Sonnenlanzen, wehen deine Haare.
Du brichst als Sturm in finsteren Städten los.
Ein Vogelheer, das sich zusammenscharet
Und kommet plötzlich überm Berg in Sicht,
Ein Wolkenschiff, das durch die Lüfte fahret . . .
Dich überglänzet grün Laternenlicht,
Dich überstimmen Ruf und Orgelpfeifen . . .
Doch weiß ich, daß du schlafest nicht.
Du steigst empor in langen Achterschleifen,
Du tropfest nieder als der Kerzen Flaum,
Du fließest hin am Weg als heller Streifen,
Dich hängend an der schönen Kleider Saum . . .
Palast mit Tanzmusik in Wüstenei —
Und stellst dich ein in böser Fratzen Traum.
Wir fahren auf, ganz Schweiß, mit Schlafgeschrei.
Die Katzen schreien aus der Höfe Fluchten,
Naß unterm Tore glotzt des Heiligen Bild.
Wir atmen heiß nach ewiger Liebe Frucht . . .
Du nahest wieder als die Mutter mild,
Mit Hängebrust und gelbem Suppennapf.
Gekreisch der ausgedörrten Kehlen quillt.
Die Windeln steigen aus dem Wasserschaff.
Du legst den Bruder noch im Bett zurecht. —
Nun bist du Mensch, das Puppe herzt im Schlaf.
Zum Ausgehn ist das Wetter dir zu schlecht,
Auch hast du frei heut, brauchst nicht aufzutreten.
Bös irrt ein Glanz durch schwarzen Baums Geflecht.
Es schwirren Pfeile wild verzweigter Reden
Und einer nimmt dich, kaum mehr auszudenken,
So fern schon: Tränengüsse der Erflehten . . .
Wir aber schliefen oft auf diesen Bänken.
Nun niemand mehr in dem Bezirke hungert,
Der, seidener Teppich, zwischen Monden hängt
Und niemand hutlos an den Ecken lungert
Und keiner bös sich in die Züge mengt —
Da flüchtet Priester mit der Klingel leis,
Die Dome blühen, Jahre arg beengt,
Und schlagen auf die Dächeraugen weiß,
Die Glocken dröhnend, bunte Blasen, schweben
Und singen im Verein des Höchsten Preis,
Derweil die Flüsse Silberarme heben
Und wirre Landschaft jubelt und zerrinnt,
Doch wir, erwacht von seligen Räuschen, beben
Und bleiben Tastende, verwahrlost, blind
Und suchen dich, die gleichet ewigem Wald,
Da wechseln Höhlen feucht mit Höhen lind.
Wir finden uns heraus als Wanderer alt.
Schakale winseln Dächer in den Öden.
Der Abend dünn in aschene Nacht zerrinnselt.
Aus blindem Hafen die Sirene flötet.
Leuchtfeuer matt wie grüne Sterne blinzeln.
Er stehet auf und schlägt den Mantel um,
Der sich im finsteren Regen klatschend ballet.
Durch öliges Tor er schiebt den Buckel krumm,
Die Fingernägel er im Sturm verkrallet.
Um seine Paukenfüße wirbeln Lehme.
Petroleum schillernd um das Haupt ihm spritzet,
Aus dem, scharlachenes Rund, das Auge blitzet.
Verdüstert von der Schattenhäuser Fehme . . .
Es platschen Gäule durch des Mondes Pfütze . . .
Er auf dem Bock der Kohlenfuhre sitzet.
Dem Doktor Otto Groß gewidmet
Schon färbet Nacht uns. — Sieh, als heiliger Würger
Stolziert er durch die Nacht mit Wohlbehagen.
Er spucket Kugelköpfe, rote Bürger
Und Gäule stürzt er, sanfte Trambahn-Wagen.
Er schmettert seine rauschenden Fanfaren,
Er rufet Pest und Fieber, die Dämonen.
Er zerret Weiber in den Fluß an Strickehaaren.
Er balancieret auf bedenklichen Balkonen.
Sein Mantel hänget Haut herab in Fetzen.
Die dunkle Luft ist irgendwie erschüttert.
Schon dünne Nonnen durch die Straßen hetzen.
Im Arsenal die Bogenlampe zittert.
Das Flammenschwert er schwinget, sich ergötzend.
Es dröhnet Orgel weit das himmlische Gewitter.
Nun ruhend über, ach, gefallenen Säulen,
Zerborstenen Theatern und Konzerten . . .
Er füget Glieder an zerbrochene Leiber
Und streicht mit Erde Wunden aus.
Wo Dunst aufbricht verwelkter Seuchen
Und Flüsse spülen endlos blaue Leichen . . .
Und jammernd kindlich über offenen Gräbern
Und stößet Seufzer hell durch Blätterruß.
Sich streckend, daß dies Leid er fasse,
Bis jene Ewigkeit ins Aug ihm wächst.
Verschüttet unterm Strahle des Planeten
Lag ich, war Ort, Vergangenheit und manch Gesicht,
Ich stöhnte in der Klage des Propheten,
War Hundelaut und Stimme im Gericht.
Der Tag vergehet wieder und schon ankert
Im Hohen fern des weißen Mondes Boot,
Bald sich ein Schein um meine Stirne ranket
Und großer Zukunft Ruhm mich heiß umdroht.
Ich hab genug dich harte Zeit erlitten,
Da ich Empfängnis war, feig und befleckt,
Wir über Land auf hellen Schienen glitten.
Wir Ziele euch. Wie Scheiben aufgesteckt.
Da nun aus schwacher Brust, durchwühlt von Toben,
Schon warmer Hauch in kühles Dämmer schied,
So will ich gern den mächtigen Herren loben,
Der mit der Sonne rot im Westen zieht.
Er treibet heim das blutgeschwollene Tier,
Das schlang die Städte über Tag und fraß
Sich satt an Hirnen und mit böser Gier
Riß es den Boden auf, bis Büschelgras,
Bis Wiesen flammten, spitz die Wälder schrieen,
Die Dächer barsten und der Flüsse Schaum
Aufkochte, an verträumter Hügel Kniee
Hinquoll, die konnten atmen kaum.
Nun kriecht es zwinkernd und voll wahrer Reue,
Nicht murrend in der grauen Berge Stall.
Schon glänzet auf der Stern in heiliger Bläue
Als jenes Stabes Spitze und der Wall
Von Wolken, jenes Kleides Falten,
Er schimmert und zerfließet, wird verweht.
Noch zuckt ein Streif aus rauher Türe Spalte.
Es grollet dumpf er, der auf Wache steht.
Auf hellen Wagenstraßen Päderasten stelzen.
Verblaßte Mädchen streifen an mit buntem Kleid.
Der Lichtreklame Teufel farbenes Feuer speit.
Ein trüber Kehrichtstrom im breiten Mond sich wälzet.
Verzweifelt werden wir noch diesen Leib umfassen,
Darein Laternen kollern wie in finstere Kluft.
Mit knöchernen Händen wollen wir ein Weib zerfasern,
Derweil das kichernd unseren schwarzen Bart zerzupft.
Es müssen Messer schreiend aus den Taschen springen!
Zerstochene und Säufer poltern im Lokal!
Bordelle sollen bluten und Klaviere klingen!
Exzesse rasen furchtbar bei der Reichstagswahl!
Vom roten Forum aber tackt ein Trauermarsch.
Ein König wird in die Familiengruft getragen.
Ein feiner Graf besieht sich einen vollen Arsch.
Es liegen Puppenjungen rund bei Lustgelagen.
Ein kleines Leben däucht jetzt bleichem Fant beschissen
Und möcht den neuen Browning an die Schläfe setzen.
Sich Meuchelmörder schminken. Diebe Feilen wetzen.
Zuhälter strolchen auf dem Boulevard jagdbeflissen.
Mit Schlafes giftigem Strauße in der narbigen Hand
Des Todes Engel hocket bei des Marktes Halle.
Wir Armen werden müde am verlassenen Strand
Vor Morgens blauem Meere auf die Knie fallen.
Stadt du der Qual: — in Höllenschlunde eingeschlossen
Von eherner Gebirge Ring und Festungswalle . . .
Dein Dulder-Körper blüht, rinnenden Lichts begossen,
Azurene Meere sprengen deiner Grüfte Halle!
Stadt der Qual: — die Toten atmen in den Gängen,
Ein Marsch beginnt mit Trommelkrach und buntem Spiel.
An schmalen Schultern lehnen Hyazinthenstengel.
Aus silbernen Kesseln wirbeln Düfte Weihrauch schwül.
Stadt du der Qual: — erbaut an des Verfalles Ende
Raget dein Dom, die dürre Knospe des Jahrhunderts.
Wir mit den Tüchern schwenkend uns zum Morgen wenden.
Wir gehn, verfaulte Wracks, in Abends Schatten unter. —
Sie speiet aus ihr schwarzes Blut und im Geschirre
Der hageren Flüsse brüllet auf sie wie ein Stier.
Die Sonnenheilige durch Dächerwildnis irret
Und hauchet aus in Todes rosigem Geschwür.
Sie winket mit den Türmen nach der goldenen Schwester,
Die sterbend träufelt Öl auf ihre eisernen Locken.
Ein zorniger Sturm beruft das himmlische Orchester,
Das stöhnet auf mit Flammenschrei und Donners Glocken.
Ein Kind zuckt knallend hin, das spielet Ball im Hofe.
Des Dämmers Schwall würgt keuchend Giebel und Balkone.
Es prasseln Scheiter aus der Stube kleinem Ofen.
Der nackte König wandelt mit der Dornenkrone.
Es prallen Salven ihm vom Marktplatz gell entgegen.
Kasernen, die in Reihenmassen aufgebrochen,
Sie überkreuzen ihn mit wirren Säbelschlägen.
Geschütze heiser von dem Stachelhügel pochen.
Es flammen weit im Rund der Räume Baldachine.
Man hetzet Minen auf die Blöden, die wie Hasen
Aufflüchten, stürzend in die dampfenden Latrinen,
In Grubenteich, wo träge Schlangenkröten grasen.
Die Schimmelwände der Gefängnisse zerbröckeln.
Als Seliger Brücke glänzt der Purpurwunde Streifen.
Wie Fackeln starren hoch der Lanzen rostige Nägel.
Zertrümmerte Gerüste schleiert Winters Reife.
Der König ward als Fraß den Hunden vorgeworfen,
Die kotzten ihn verreckend an den Ecken wieder.
Des Königs welker Leib stinkt wie von Pest verdorben,
Doch gelber Strahlen Bündel sprüht sein Haargefieder.
Der König ist versoffen in der Huren Gosse.
Der König schwemmet langsam durch die Kotkanäle.
Sein Bauch erdröhnt im Tunnel. In der Hände Flossen
Hält er das Schilfrohr-Zepter, ewiger Nacht vermählet.
Der König sickerte in gieriger Poren Schächte,
Die stoßen dumpfen Dunst, der Marterängste Schweiß.
Der Mond blitzt krumm. Ihn schwingt als Beil der Schlächter,
Ein Engel schwarz in blendender Orifeuer Kreis.
Die weißen Betten schweben durch der Zimmer Decken
Und gondeln, Schiffe, durch die Lüfte mit Gebraus.
Zementene Uferdämme Wogenstrom belecket
Und Straßen steigen finster in die Welt hinaus.
Wie Ziegen meckernd hopsern schief die Invaliden.
Die braunen Kuttenmönche schwirren mit Geflüster,
Es wallen aus den Toren Fahnenzüge düster.
Es stehen Sieche auf. Es kommen Jungfraun nieder.
Die Nonnen winzelnd an den Kreuzaltären bangen
Mit Lila-Augen brennend unter Spitzenhauben.
Kalk spritzet über die verrannzten Butterwangen.
Wild scheuchen Fledermäuse auf, die Schar belaubend.
Der süße Wein, der in der Priester Kelche quoll,
Zerschliß die Magendärme ruckweis an den Hüften.
Geheul Vergifteter an Wasserbrunnen scholl.
Signale trillern auf. Ein Brand ward angestiftet.
Sprungkünstler hüpfen über Dach der Irren Horten.
Mit Peitschen produzieren sich die Flagellanten.
Es züngeln grüne Gase pfauchend aus Aborten.
Es platzen rauschend vor den Häusern die Hydranten.
Da reißet auf des Wolkenschlammes zähes Siegel.
Es fahren Schwäne auf dem Seee ruhig-glatt.
Hoch wölbet sich der zarten Bläue flacher Spiegel,
Der Armen Klagetöne klopfen traurig-matt.
„. . . Ich bin die Stadt der Qual . . . Die Schmerzen anderer Städte
Sind in den Zellen meines Kerkers eingezogen.
In meinem tiefsten Bau ringt alles Leid verkettet.
Aus meinen Kuppeln widerstrahlt der Gnade Bogen.
Ich bin die Stadt der Qual . . . Die irdische Kreatur
Zerstäubt in mir, wie Fliegenschwarm in Schwefel.
Ich bin zerfetzet ganz von der Verdammung Schwur.
Ohnmachten mich in kurzer Lieder Träume schläfern.
Ich bin die Stadt der Qual . . . Fluch klebt an meiner Stirne,
Doch werd ich einst auf Flammenteller hochgereichet
Zu Gottes Speise . . . der gefallenem Gestirne
Mit Lilienhand die Furche aus dem Antlitz streichet.“
Weh euch! Weh euch! Die ihr den König ausgespeiet,
Besudelt mit der Finger Dreck den Hermelin.
Er tummelt sich im trüben Teich mit Wimmelschleien
Und Molchenbrut in fleckigen Schwerterschilfen dünn.
Weh euch! Denn er erwacht mit silberner Zymbel Schellen
Und schroffem Blitz, der eueren morschen Fels zerhaut,
Er wird sich nackt im Traum vor euere Weiber stellen,
Ein Adler, rasselnd mit den ehernen Flügeln laut.
Weh euch! So tragt wie Büßer euer Haupt gesenkt
Und schleicht die Mauern lang, die wie ein Alb euch drücken,
Der Rosenkränze Stricke um das Handgelenk,
Erfrorener Sterne Haufen in den Augenlücken.
. . . Da Bettelweiber auf der Kirchen Stufen hocken
Und ums Portal, das klafft, sich kreischend raufen.
Ein härener Sack hängt das Gestirn in Wolkenflocken,
Durch die der Abendengel düstere Schatten laufen.
Laternen schlingen gierig auf der Nebel Grunde,
Aus denen fahler Pferde Vier, sich bäumend, steigen.
Raketen sprühen aus der Reiter heulendem Munde.
Verbrannte Blätter sich die Horizonte neigen.
. . . Wir warten, während rings die Autobusse sausen,
Geduldig. Hupen bohren durch uns scharlach-schrill.
Wo sich die Wunden kratzen, sich die Armen lausen
Und Buden jammern unter herbstlichem Geknüll.
Kommt eine schwarze Fahne nicht herabgewehet?
Bedecket uns mit schleimiger Blässe finsterem Grind?
Nah hinter uns der Morde böse Schatten stehen.
Wer bricht ins Knie? Ein heißer Blutquell rinnt.
O Regen! Deiner grünen Wassermassen Stürze
Verwaschen Haus und Wald. Es bröckelt mein Gesicht.
. . . Und stampfen platschend durch der Straßen gelbe Pfützen.
Uns schützt kein sicherer Unterstand. Uns hellt kein Licht . . .
O Regen! Färbest Wände aschenfahl uns: Tinte
Und grauer Trauer Schleier über uns gezogen,
Bewegt leicht von unerforschter Pohle Winde.
Ein blonder Star hat uns zu irrer Fahrt bewogen . . .
O Regen! Leise schluchzend schied der Tag verweinet,
Da webet bleiche Laken dichtes Schneegefäll.
In Kneipenlöchern dumpf der Hunde Völker greinen,
Und Clowne kreiseln winzelnd um ein Zirkuszelt.
Die Vorstellungen werden jählings abgebrochen.
Der Primadonnen Phantasiekostüme — Feuer!
Wirr krümmen sich der Rennmotore Eisenknochen.
Tragflächen reißen mittendurch und Höhensteuer.
Wo sind wir hin auf brüchiger Gassen Pfad gelanget?
Und der es ruft, versinkt wie Stein in gröhlendem Sumpf.
Auf öden Ackerfeldern wachsen Lanzenstangen,
Durchschossene Tornister und Gamaschenstrumpf. —
„Wir sind die Untergänge vor ersehntem Ziele.
Wir sind die Trauernden beim Tangorausch der Zeit.
Wir sind die Fallenden in der Erfüllung Streit.
Wir sind die Untersten im knäulichten Gewühle.
Wir brannten kreischend ab mit Sardes Königsfeste.
Wir ließen murrend uns ins Land Ägypten schleppen.
Wir litten den Erstickungstod im Burgenneste
Und waren Flucht Napoleons aus Rußlands Steppe.
Wir schlangen innig-heiß den Todesblock der Guillotine
Und taten gerne mit bei Metzel und Gegräuel.
Wir wühlen uns durch Fleisches Gänge als Trichine.
Wir offenbaren uns am Kopf als Eiterbeule . . .“
. . . Schon wirbeln Fackeln durch die kubischen Räume leer.
Aus rissigen Spalten prasseln flammende Geschwader.
Mit weißem Krach zerbirst der Finsternisse Krater.
Aus rußigen Stollen stößt ein roter Höllenspeer.
In andern Welten wird die Erde fortgeboren,
Geschleudert durch vergilbten Äther, glühender Samen.
Sie spiegelt sich entflüchtend in der Meere Rahmen
Und in der blendenden Gletscher Ebene, kahlgeschoren.
Es plaudern Stürme über dem entrückten Werk
Mit nackten Einsamkeiten, die sich zitternd scharen.
Aus blauen Schalen träufeln flimmernd Sonnenhaare,
Die ballen drehend sich zu goldenem Klumpenberg.
Da jeder Name sank, in Dunkelheit vergessen,
Da jeder Schall erstarb, in Dunkelheit getauchet.
Ihr mögt der Dunkelheiten Reiche kaum ermessen,
Die blähen, Moore, endlos sich mit schwangerem Bauche.
Die Dunkelheiten haben unseren Sinn verstöret.
Die Dunkelheiten halten Weg und Platz verborgen.
Die Dunkelheiten haben Raum und Ort verzehret.
Die Dunkelheiten rückten donnernd vor den Morgen.
Wir werden eingelullet sein . . . In nassen Gräbern
Der Nächte wie in Bettlersärge eingezwängt.
In Marmorplatten sich die blasse Wölbung fängt.
Des Winds Hyänen schnuppernd durch die Grüfte stöbern.
Es klingeln alle Türme. Lautlos auf Kanälen,
Schwarzsilbergründig der Paläste Reih durchschneidend,
Erdolchen Gondeln sich. Aus branddurchrasten Sälen
Sich Lichtteppiche grell wie Treppen aufwärtsbreiten.
Da wiegen Stürme sich, im Meer zur Ruh gelegt,
Und schreiten Regen, Tröster über trockener Flur.
Des Mondes Sichel blitzet groß im Nachtgeheg
Und ein Komet schleppt zischend seine Feuerschnur.
Melodisch atmen Bäume, Teiche und Gesträucher
In Parkanlagen. Manchmal seufzet eine Bank.
Das Tulpenbeet entbrennt, ein weitverzweigter Leuchter
Und goldene Ströme poltern in der Klüfte Schrank. —
O Schlaf! Durchwalle zymbelnd unsere Gemächer
Und wen du antriffst schmerzzerrückt, den lulle ein!
Umzirke ihn! Traum, laß ihn weinend schwächer!
Gestrengen Engel rühr zu Wehmut auf dies Leiblichsein!
O Stadt der Qual! Zu Marter Zwang erkoren!
Da wanken wir an Humpelkrücken, welk-zerbrochen.
Wir haben Halt und Spur im Labyrinth verloren.
In Einsamkeit vereist, zerbarsten unsere Knochen.
Zertrümmert seufzt des Kirchendomes Pyramide.
Der Himmel greint, verschlissen-grau, ein Aufwaschtuch.
Auf offene Gräber träuft der Schneee bleicher Flieder.
Verweilet nicht im Zug betäubenden Geruchs!
Steigt weiter, wo euch nicht zerwirkte Gassen hindern,
Wo dichter Ölwald rauschend sich herniederneigt!
In warmer Bucht die Schwanenschiffe überwintern,
Bis einst ein Frühjahr guten Wind und Sonne zeugt.
. . . Es zuckte manchen diese Hoffnung um die Lippen
Und hatten sterbend wohl dies Wort geformet, daß
Wie Säulen gold aufleuchteten der Tode Klippen
Und Marmorprunk . . . Da aus der flammenden Steppen Gras
Nahte im Schwarm von Vögeln geisterhaft der Hauch.
Von Paradiesen, ob von Höllen er Bescheid uns brächte,
Wir wußtens nicht. Vertrauten gläubig nur, daß auch,
Wenns schlimm wär, wir uns wehrten nicht, nur dulden möchten.
Und wurden eingesargt in zorniger Mächte Kampf.
Der Rache Gott war furchtbar vor uns hingetreten.
Mit gelber Flüsse Schwert. Mit Augen, Feuerdampf.
Mit Schultern bergebreit, von Brand und Blitz umwehten.
Die Brücken krachten, vor ihm auf die Kniee fallend.
Die Häuser sich wie Hände ineinanderschoben.
Die Eisenbahnen gröhlend durch die Straßen wallten,
Die haben Schlangen züngelnd sich emporgehoben
Und sausten Geißeln durch die Lüfte mit Gesirre
Und krümmten pfeifend sich wie Hydren in der Faust
Des Ewigen. Wie Riesenbienen Plätze schwirrten.
Es schnellten Geysirstrudel aus der Klüfte Bau.
So daß wir dumpf verwandt uns fühlten blutiger Gosse.
Ach Brüder ihr, im Morgen Kreide und kaput!
Ihr Schwestern hingeklatscht, mit breitem Mund verschlossen,
Grau übertüncht von Puders Moderstaub und Schutt.
Vergeßt die Körper, quer zerhackt und aufgetrennt!
Zerfetzte Därme, die wie Bündel Würmer schleifen.
Der Leichen violetten Dunst! Das Instrument!
Der Watten Flockenbausch! Der Klebepflaster Streifen!
Sie heulen schallend, grindig-blind ans Licht geworfen.
Es grinsen Totgeburten. Wüst stinkt Fleisch an Fleisch.
Die süße Milch gerinnt in Mütter Brust verdorben
Und Lungen bröckeln unter ratterndem Geräusch.
Wir aber hören schon zerstampfte Länder schreiten
Und Tiere kreischen aus der Meere schwarzem Sumpf.
Die Sonne löst sich donnernd in Azurgebreiten
Und viele blonde Engel kichern im Triumph.
Wir sind zerfasert mürber Seele und verhuret,
Voll Flecken und zerschlissen wehet unser Kleid.
Auf unser Antlitz ätzen Laster krumme Spuren
Und Narben zucken im geschwollenen Schoße weit.
In den versunkenen Gewölben klappern wir Gerippe
Und winden uns und flattern auf im herrlichen Zug.
Verschnürte Häuteklumpen wir aus Särgen kippen.
Schon heilige Jungfraun geußen Öl in ihren Krug.
So haben wir den Schmerz zu unserer Braut erwählet.
Das Muskelfleisch aufscheuern die Gewänder hären.
Der Schmerz ist heilig. Er wird Tat und Werk gebären.
Verhaltene Kräfte zünden. Uns dem Tod vermählen.
Der Schmerz wird das Gehirn in harte Folter spannen,
Daß kalte Feuer sprühend diesen Raum entfachen.
Der Schmerz wird unsere armen Stunden streng bewachen
Und rinnen tönend-silbern aus den Opferkannen.
Der Schmerz wird Ewigkeit bestürmen und ergründen
Und Babel selig preisen und den Himmel spalten,
Daß unsere Augen wohl in große Sterne münden,
Daß unser armer Leib nicht spät zur Nacht erkalte . . .
Wenn wir uns verlassen fühlen ganz und fremd
In den Automaten und bei Anverwandten,
Müssen wir berauscht, in argen Frack geklemmt,
Zylinderschiffe an den kleinen Huren stranden.
An den kleinen Huren in der niederen Halle matt,
Schläfrig hingesetzt auf jeden Stuhl ein Blatt,
Und wir folgen ihnen in die oberen Räume.
Abendrot dünkt uns der kurzen Röcke Säume.
Nein, wir legen nicht die nächtige Maske ab.
Treppen steigen wir hernieder, mies und schlapp.
Eine neue Nacht umstreicht uns mit Getön.
Hoch in Lüften regt sich Heimat, klar und schön.
Meiner Jugend Nächte sind in euch verbrandet.
Hingegeben ward ich langer Messer Stahl.
Euerer trüben Augen Lid fleht rotumrandet,
Euer Antlitz wild zerpflügt und aschenfahl.
Eine schleichet immer um, ein böses Tier,
Stampfend auf und grinsend, würgend Fluch um Fluch.
Zwischen umgeworfenen Stühlen tanzen wir.
Lysoform ist da, und immer sauberes Tuch.
Leicht gedämpft erklingen unten Geigen.
Drehen nicht die Wände mit im trunkenen Reigen.
Da — ein starres Auge schreckhaft uns zerreißt.
Mond hängt schief, in hohem Meere grün vereist.
Jetzt zu großer Stadt seid furchtbar ihr vereint,
Die erhebt ihr Marterangesicht versteint.
Kreuz und quer zerhackt von schlimmer Krankheit Biß,
Schräg zerfetzt von wüster Morde blutigem Riß.
Gott wird betteln demütig um euere Gnade,
Doch ihr bleibet unerbittlich, grausam-stumm,
Löset auf euch nicht in heißer Tränen Bade,
Wendet euch nicht Lächeln schöner Engel um.
Herrisch steiget auf ihr, grauer Säulen Quader,
Bohrt euch, starre Dolche, in des Ewigen Brust,
Daß zerplatzet seines Herzens blaue Ader.
Niederklatschet steil ein Purpur-Regenguß.
Den Bleichgesichtern schlagen Fackeln Narben.
Die Trommel in die weite Runde bellt.
Ein Zuckerhut der Pyramide Zelt . . .
Fern nur geahnte Ufer hellen Lampenfarben.
Ein Fremder bricht sich schreiend das Genick.
Schief neigen schon der Segel weiße Bogen.
Ein seltener Hauch kommt übers Land gezogen . . .
Wir aber harren auf den Plätzen düsteren Geschicks!
Landschaften in den höheren Lüften wandeln
Und Sterne baumeln zwischendurch an Fäden.
Die Toten glotzen aus den Fensterläden.
Glutwogen überspülen Heimatstrande.
Da hebt sich auf des Niles Silberband
Und bäumt sich, fette Schlange, bös empor.
Kamele bluten um der Brunnen Rand.
Bei der Oase brüllt ein Löwenchor.
Die Mumien rütteln sich aus den Verbänden,
Sie tasten sich hinaus zum Labyrinth
Und graben Namen mit den Griffelhänden
In Wüstensand, der heiß vom Himmel rinnt.
Stunde des Todes, da Tag sich sein Kleid
Borgte von Abends entlüfteter Weite.
Stunde des Todes im Rosengeschmeide
Und mit Kränzen zur Heimkehr bereit.
Stunde des Todes. Mit Liebe Gewalt
Überflüsterst du uns, den bittern
Kelch füllend mit Honig. Die Beine zittern.
Ach, wir sind ja so gar nicht alt!
Stunde des Todes. In schweflichtem Schein
Brennender Städte entmündend nach oben.
Schweben, sorgfältigst aufgehoben,
Wie Juwele aus finsterem Schrein.
Stunde des Todes. Die Bataillone
Himmlischer Geister harren in Front.
Graue Gesichter golden versonnt,
Aber die Helmspitzen sprühen im Monde
Und die Panzer, Kürasse und Fahnen.
Und die Armen stehn jubelnd im Tor,
Strecken Lilienhände vor,
Tiere mit Augen, die Frieden ahnen.
Stunde des Todes. Da geifert und keucht
Schleimiger Schlund, nach Atem schnappend.
Kinnbacken schauernd vor Kälte klappern.
Wälzen sich Klumpen in Betten feucht
Und mit Lüften Weihrauch vermengt
Und mit der Priester schalen Gebeten
Muffige Stuben Schatten betreten
Und die Fenster düster verhängt —
Stunde des Todes. Da hundsföttisch lacht
Der Laster Grimasse, am Bettende hockend.
Nebel, Züge, Glocken
Schleppen sich durch die verweste Nacht.
Noch schreit ich durch die Stube grimmig-bang.
Jetzt wasch ich mich im neuen Wasserkrug.
Wie sie die Augen innig um mich schlang
Und schäumte stier, als ich sie niederschlug!
Fahr Weibsbild hin und hur in Hölle Grab,
Mich laß, ein Vieh, in muffigem Stall verenden!
Wohl möcht ich, daß ein langer Rausch mich lab,
Doch kann ich nicht die Schritte abwärts wenden.
Sie tanzte kurzen Rocks in heller Runde
Und Scheine Bluts benagten oft ihr Haar.
Ja, ihr Gesang in dieser nächtigen Stunde
Erschien mir immer fremd und wunderbar.
Und führte ich sie Sonntags aus am Arm,
Wir eilten parkwärts mit der Straßenbahn.
Ich steuerte behutsam durch den Schwarm
Der Ausflügler zum Gartenrestaurant.
Im Dunkel flammt ein schönes Feuerwerk.
Im Saal versammelt man sich froh zum Tanz.
Ach, und zuhaus erwuchs ein Blumenberg,
Postkarten flochten einen farbigen Kranz.
Schon enget mich die feuchte Gitterzelle.
Was denk ich an das Hosenträgerseil?
Ich trete eisiger Frühe auf die Schwelle.
Der Block ist nicht zu fürchten, nicht das Beil!
Ein Priester spricht im Winde leis die Messe
Und fleht, daß mir der Herr zur Seite bleib.
Ein schwarzes Tuch. Breit grinst der Toten Fresse
Und bietet sich voll Schwung der magere Leib.
„Als aber das Zeichen des Kreuzes in den Wolken
erschien, umgeben von Engeln, die einen himmlischen
Päan anstimmten, fanden die Kämpfenden
wieder neuen Mut.“
Der Süden wird verbluten in der Sonne Stunden.
Der Taten Gott erzürnt aus Lavagrüften schlug.
Es kreiset um das Land der Berge Flammenrunde.
Da brachen auf wir schwarz, ein dünner Totenzug.
Der Süden ist bestimmt zu ewiger Trauer Schlafe.
Wir haben unserer Träume Barken ausgebrannt.
Wir winken mit den Fackeln nach dem stillen Hafen,
Die streichet aus der Finsternisse Mutterhand.
Des Südens Atem klebt an unseren krummen Rücken
Mit Winden lau und dumpfer Glocken Grabgedröhn.
Betrübet euch! Des Abends rote Nebelmücken
Bestürmen euch mit Sang. Laßt uns vorübergehn!
Maultiere brechen hart von schartigem Messergrate.
Lawinen übertünchen uns mit Liebe weißem Fächer.
Wildbäche überblitzen hoch der Brücken Drahte.
Geysire platzen aus der brüchigen Felsen Köcher.
Wir sanken morgens in der Spalten grüne Kammern.
Wir tauchten mittags ein in Gletschermühle Becken.
Es sauste nieder des Erdrutsches Keulenhammer.
Des Winters Sturm riß uns aus wohligem Verstecke.
In Höhlenlöchern warteten die zarten Wunder.
Mit Gerten schlugen wir uns Labung aus dem Stein.
Wir stürzten ab mit nasser Büschel Fleckenschrunde.
Wir starben in den Kelchen der Enziane klein.
Wir tauten auf beim Hirtengruß und dem Geblöke
Der Herden. Aus der Blumen Grunde warmem Lauch
Sog uns zu Funkengärten schräger Purpurkegel.
Es trug uns Raub der neuen Heimat Wirbelhauch.
Aus Dächerfirnen strahlt der Meere Glanzgebreite,
Urwälder sind in Schlot und Balken hochgewachsen.
Der Rauche rußiger Hain beschattet die Gemäuer.
Der Krater Trichter schrumpften, schiefe Aschenzacken.
Der Wiesen Fluren tanzen um als Wimmelplätze.
In langer Straßen Schluchten weinen Abendröten.
Ein Quellenstrudelschwarm zum Himmel hetzet
Bei Kellertunnel-Not und Krach der Speicherböden . . .
Berlin! Du weißer Großstadt Spinnenungeheuer!
Orchester der Äonen! Feld der eisernen Schlacht!
Dein schillernder Schlangenleib ward rasselnd aufgescheuert,
Von der Geschwüre Schutt und Moder überdacht!
Berlin! Du bäumst empor dich mit der Kuppeln Faust,
Um die der Wetter Schwärme schmutzige Klumpen ballen!
Europas mattes Herze träuft in deinen Krallen!
Berlin! In dessen Brust die Brut der Fieber haust!
Berlin! Wie Donner rattert furchtbar dein Geröchel!
Die heiße Luft sich auf die schlaffen Lungen drückt.
D er Menschen Schlamm umwoget deine wurmichten Knöchel.
Mit blauer Narben Kranze ist dein Haupt geschmückt!
Wir wohnen mit dem Monde in verlassener Klause,
Der wandelt nieder auf der Firste schmalem Joche.
Der Tage graue Gischt zu sternernen Küsten brauset.
Auf Winkeltreppe ward ein Mädchen wüst zerstochen.
Wir lungern um die Staatsgebäude voll Gepränge.
Wir halten Bomben für der Wagen Fahrt bereit.
Die blonde Muse längs sich dem Kanale schlängelt,
Quecksilberlicht aus Läden lila sie beschneit.
Auf Pflaster Nebeldämpfe feuchte Wickel pressen.
Auf trägem Damme erste Stadtbahnzüge schnaufen.
Die alten Huren mit den ausgefranzten Fressen,
Sie schleichen in den bleichen Morgen, den zerrauften . . .
O Stadt der Schmerzen in Verzweiflung düsterer Zeit!
Wann grünen auf die toten Bäume mit Geklinge?
Wann steigt ihr Hügel an in weißer Schleier Kleid?
Eisflächen, wann entfaltet ihr der Silber Schwinge?
Auf prasselnder Scheiter Haufen brennet der Prophet.
Der Kirchen Türme ragen hager auf wie Galgen.
Die Haare Flachs. Sein Leib auf Messingfüßen steht,
Im Ofen heiß wie glühender Erzkoloß zerwalket.
Und seine Stimme schwillt wie Wasserrauschen groß,
Da löschet aus des Brandes Qual auf heiliges Zeichen.
Ein fahles Schiff, das löset sich vom Ufer los,
Sich das Gerüste hebt und in die Nacht entweichet. —
Einst kommen wird der Tag! . . . Es rufet ihn der Dichter,
Daß er aus Ursprungs Schächten schneller her euch reise!
Des Feuers Geist ward der Geschlechter Totenrichter.
Es zerren ihn herauf der Bettler Orgeln heiser.
Einst kommen wird der Tag! . . . Die himmlischen Legionen,
Sie wimmeln aus der Wolken Hitze mit Geschmetter.
Es schlagen zu mit Knall der Häuser Särgebretter.
Zerschmeißen euch. Es hallelujen Explosionen.
Einst kommen wird der Tag! . . . Da mit des Zorns Geschrei
Der Gott wie einst empört die milbige Kruste sprenget.
Im Scherbenhorizonte treibt ein fetter Hai,
Dem blutiger Leichen Fraß aus zackichtem Maule hänget.
Für Josef Amberger
Er treibet durch die Straßen voller Ruh,
Indes des Himmels Gründe Purpurröte färbet,
Die Arme weit, die weißen Augen zu.
Da flacher Bläuen Strahl ihn nicht verderbet
Und nicht zerreißt mehr, ihn erhabenen Sinn. —
Wo wirst du landen, Streuner, diese Nacht?
An welche Ufer schlägst du müde hin?
Verweinet und zerstöret? Ob du lachst?
Ob du vielleicht dich in den schwarzen Träumen
So tief eingräbst, daß dich nicht Schrei aufschreckt?
Ruhend, da Laub fällt von den Bäumen,
Auf weichem Boden gut, sanft zugedeckt?
Ob du vom Hügel aus, der Nacht entrücket,
Ins Land ausschaust, das heller Zukunft brennt?
Ob du verweilest schwer, wo Ausschlag drücket
Man in die Hand sich, Strom im Dunklen flennt?
Da Dottermond durch flatterndes Gerippe
Verbrannter Wolkenstädte rennet,
Teilst du verzweifelt Äste und Gestrüppe
Und flehest, daß dich Jener Stimme nenne?
„. . . Schon hebet sich mein Blick, an Lampenmonden
Entlang sich findend. Städteplatz schon brauset.
Ich schlage wieder diesen Weg ein, den gewohnten,
Doch mild, und Sterne nicht zerkrampfend in der Faust.
Ein wenig aus dem Bleietag mich aufzuschwingen
Kam ich und daß zu dir empor ich eile,
Geneigte Trösterin, mit heller Flöten Singen
Den Bann entzaubernd die Gebresten heilend.
Vor meinen Augen flimmern Leuchtemücken,
Erst Punkte schwarz, die tanzen Surrerunden.
Die Schatten schlagen schwarze Tücherbrücken.
Es steigen Leitern, gläsern mondumwunden.“
Aus öligem Hafen schwenken jetzt die Schiffe.
Im Straßenschachte ein Betrunkener schlappt.
Im Schein des vollen Monds, des blankgeschliffenen,
Er strolcht durch seine große Stadt verkappt.
Der Engel hütet Kranke. In den Stieren
Entschleudert er gewaltigen Aufruhrsang.
Die Berge schauernd graus in Nächten frieren,
Doch Wiesen psaltern lieblich bunt am Hang.
Es werden Arm und Beine amputiert.
Im dunklen Bauch des Krebses Blüte schwiert.
Da wehet Lenzluft milde durch Spitäler.
Er hocket stumm im Flackerschein der Mähler.
Ein finsteres Los ist allen uns gefallen.
Nichts ward uns ganz und ungetrübt zuteil.
Auf Dächergletschern wir verzweifelt wallen.
Du zerre uns empor am Führerseil!
Wie öffnet schauerig sich der Hölle Pforte!
Jäh aufgerissen starrt der Erde Scholle.
Geheul von einem Hund schwirrt in der Luft.
Es schütteln schwarze Engel ihr Gefieder,
Und durch die Nacht zuckt flammend Gottes Stoß.
Die Stiege, die ich nächtlich schwank, knarrt düster.
Wir krümmen uns im Schweiß der Kavaliere.
Der Sonne Tag blitzt falb, voll Blut und Gräuel.
Wer mag an einer rauhen Brust leis wimmern?
Ein Kleines rutscht in den Abort. Es platscht.
Die Straße, die ich finster schreit, glotzt feindlich.
Bin ich der Feind? Das Dunkel schwillt zum Loch.
Die schlanke Brücke soll mich heute bergen.
Mein Kopf zerplatzt, der Klumpen Haut und Blut.
Die Straßenbahn stürzt die Allee herab.
Wir kauern an den Türen grau-versteckt.
Des Haares Strähne baumelt schwank als Strick.
Jetzt klatscht aus unseren Mänteln Wassersturz.
Wir schlagen auf die großen Nebelflügel.
Wir rinseln durch die Finsternis als Brand.
Es jagt mich durch der Straßen Schächte hin.
Ich hoffe Wunder, doch Verderbnis lauert.
Wenn ein Klavier mich aus dem Wege schlägt . . .
Ich kenne sie an ihrem Trippelschritt
Und Hängetasche, schiefem Federhut.
Wir tragen unsere Haare glatt gekämmt,
Wir müssen auf gespannten Seilen tanzen.
Vom Platze wirbelt Militärmusik.
Der Fledermäuse-Schwestern falbe Wangen,
Wir wollen sie mit weichen Händen streichen.
Nur manchmal darf man sich im Schlafe strecken
So lang und müd, daß alle Glieder singen.
Und manchmal kann man in den schönen Abend stelzen
Allein und in dem hohen Dome knieen
Und fallen süß zurück in einen Park.
Daß sie vielleicht ein holdes Lächeln zeigt!
Noch Tage Aufschub und noch manche Nacht
Und spitz am Ufer blinkt ein kleines Licht.
Ein schönes Schiff mit vollem Dampfe fährt.
Triumphgeschmetter kreischet die Fabrik.
Ich pralle feuerig wider Gott und Welt.
Ich spei Vernichtung, Haß, Verrat und Gift.
In meinen Muskeln strömt Empörungskraft.
Ein Akrobat ich mich im Zirkus schwinge,
Ich spiel mit Kugeln, schleudere Messer weit.
In unseren Grüften zieht es eisig-streng.
In unseren Särgen schwiert ein kleines Loch.
Jetzt hat ein toter Wurm den Ritz verstopft.
Grün schillern Gase, steigen Dämpfe matt.
Mit zackichter Fresse wandeln wir Gespenster.
An langer Mauer stehn die Huren, angereiht wie Perlen.
In Wolken duckt des Mondes grüne Katze sturzbereit.
Der Sturm der Herbste wird die seidenen Spitzenröcke schwellen,
Die werden leuchten auf wie Tulpen rot in nächtiger Zeit.
Die Alten recken spähend ihrer welken Hälse Stiele
Und züngeln, Flämmchen trübe, dünn empor am Kirchenhaus.
Die Jungen stelzen üppig im Bazargewühle
Und suchen Herrn mit Stöcken gold und neuem Ulsterflaus.
Sie schweben Statuen auf morscher Brücken Nebelpfade,
Von kleinem Kreuz beschirmet, in des hölzernen Heiligen Hut.
Sie streichen aus der Kammern Höhlengruft im Regenbade,
Das platzet zischend, Bombenknall, in die verstörte Brut.
Sie leuchten wieder, Lämpchen von der niederen Häuser Klippen
Und duften süßlich nach Parfüms und dem Odor der Seuche.
Auf ihren samtenen Mützen weiße Reiherfedern wippen
Und schlummern sanft auf Polsterkissen runder Fuhrmannsbäuche.
Sie stehen vor Gericht als Mordes einzige Eideszeugen.
Sie sind des Uhrenraubs verdächtigt oft und angeklagt.
Des Strizzis sicheren Aufenthalt beharrlichst sie verleugnen.
Grauhaariger Onkel sie des Tags mit wüsten Lüstchen plagt.
Ein Dirigent hat heller Geigen Stimmen angefacht.
Sie gähnen in Cafés und torkeln in den Bars besoffen.
Sie knieen überrascht vor der Monstranze Pracht.
In braunen Wirtschaftsgärten lungern sie, zerrauft und offen.
Sie prangen bunt in Reicher Galerieen, konterfeit.
In blauen Höfen zucken ächzend sie bei Kämpfen wild.
Die Harfenfrauen zittern in verworrener Dunkelheit.
Papierlampione pendeln über großer Nummern Schild.
Auf Karrenwagen rollen sie bewacht ins Hospital.
Sie richten auf sich, schlagen Lärm und trümmern ein die Scheiben
Und brechen aus und dringen kreischend in den Sitzungssaal . . .
In euere schmutzigen Winkel euch die Bajonette treiben!
Mit eueren Locken blond seid ihr die Musen blöder Dichter!
Myrthenbekränzet schwebet ihr aus schwälender Feuer Pfuhl.
Es wehen durch der Dämmer Fall die narbigen Gesichter.
Ihr seid gestellt einst, Schwerterwächter, um der Gnade Stuhl . . .!
Sie schlendern langsam und gebückt in lauer Jahre Zug,
Bis früher Frühling einst Gewand und Fleisch zerschleißet.
Sie strecken ihre fahlen Arme aus zu letztem Flug.
Sie schmücken sich in ihren Stuben kalt zur weiten Reise.
„. . . O warme Nacht, du breitest milde Sterne und Gefieder
Um uns und schaukelst Walzer heimnisvoll an unseren Gang.
Oft ists, als stückelten uns ruckweis ab der Körper Glieder
Und finden plötzlich uns gealtert in den Spiegeln bang . . .“
Die habend heut beim Kriegerfeste schönes Geld geerbet,
Sie kleben an den Tischchen frohvergnügt der Automaten.
Das Holzklavier laut rasselnd sie zum Schiebertanze werbet.
In Ecken und bei Weißbier sitzen steif die Akrobaten.
Zerkratzet sind die käsenen Wangen und der Leib voll Flecken.
Ein Ankerwappen blüht, im Oberarm blau tätowiert.
An den gespreizten Fingern gelbe Kettenringe stecken.
Ein Nadelriß an dem verschminkten Rosenmunde schwiert.
Sie treten auf als Tänzerinnen und als Wunderdamen.
Sie kreiseln singend auf den Pferdchen zahm der Karuselle.
Sie steigen flüchtig durch Hotels, oft ändernd ihre Namen.
Verschlupfen plötzlich über Winter in Provinzbordellen.
Sie promenieren in den Lüften auf gespannten Seilen.
Sie zirpen Heimwehlieder traurig-matt im Cabaret.
Sie sammeln Kupfermünzen, Waisenmädchen, an den Säulen.
Sie lösen schluchzend sich bei Grammophonkonzert mit Tee.
„. . . Sind wir gewandelt unsere schlimmen Stunden grimmigheiser!
Es ist, als sei ein Brief von fern gekommen, der uns ruft.
Laternen strömen über, unserer Wege schale Weiser.
Verlassen wollen wir Quartier dich, feuchter Tränen Gruft! . . .“
Sie packen fiebernd ein, sie stapeln hoch der Wäsche Körbe.
Vergilbte Vorhänge bedecken Wirtinnen verweint.
Sie reißen hoch sich, schlingend um der schwarzen Mäntel Schärpe.
Sie sammeln sich wie dürre Rabenschar in finsterm Hain.
Sie stampfen auf und schwenken dröhnend ihre Hängetaschen
Und flüstern, wie ein Hauch im Wald, sich zu des Kriegs Parole
Und ordnen sich zum Vorwärtsmarsch, die himmlischen Apachen,
Mit der Kapellen Chor, die bläst des Schlummers Barkarole.
„. . . Wir kommen mit der schwefelnden Sonne Glanzesflor bekleidet,
Wir tauchen Wildnis auf vor euch und jagender Schrecken Heer.
Wo ist der starke Mann und wo das Meer bereitet
Für uns, die Wasserbrunnen aus den zerstürzten Schächten her?
Ihr Mütter! Mütter! Wahret euere Söhne in den Häusern!
Wir spritzen Gift, in spätem Abende erweckte Nattern.
Ihr Mütter höret: — unsere armen Püppchen quietschen leise.
Wir fegen wie die Föhne durch die Straßen mit Geratter.
Wacht auf! Wacht auf! Wir schnellten blitzend aus der Gräber Schluchten.
Wacht auf! Wir ticken an die stummen Fenster, die zerspringen!
Wacht auf! Euch schmettern nieder die Posaunen der Verfluchten.
Wacht auf! Wir flammen haßgeschürt und spucken Galle bitter!
Wir werden sein verruchter Jugendliebe grause Rächer.
Auf fetter Bürger Buckel flitzen unsere Peitschengürtel.
Wir jauchzen, Böller krachend, auf in höllischem Gelächter.
Der Erde Festen wanken. Himmel brechen ein erschüttert.
Empfanget uns: die wir aus eisigen Särgen aufgefahren,
Die wir auf schattenen Koturnen herrlich sternwärts schwanken.
Die kranken Schwestern tragen wir verzückt auf Sträucherbahren.
In unseren gebleichten Haaren spielen Strahlenranken.
Die Huren werden grinsend euere Einsamkeit belauern.
Die Huren werden euch in böser Träume Schlaf erwürgen.
Die Huren werden um die Kindheit furchtbar opfernd trauern.
Die Huren werden euerer Städte gläsernen Bau zerwirken!“ . . .
— — — Sie ziehen heulend auf, Gewitter in den Höhen finster.
Der Horizonte Augenlid eröffnet sich, entzündet.
Sie schreiten aus im Morgenrot, scharlachene Gespenster,
Mit silbernen Schwanenflügeln, die klirrend tönen in den Winden.
Ich bin der Wald voll Dunkelheit und Nässe.
Ich bin der Wald, den du sollst nicht besuchen,
Der Kerker, daraus braust die wilde Messe,
Mit der ich Gott, das Scheusal alt, verfluche.
Ich bin der Wald, der muffige Kasten groß.
Zieht ein in mich mit Schmerzgeschrei, Verlorene!
Ich bette euere Schädel weich in faules Moos,
Versinkt in mir, in Schlamm und Teich, Verlorene!
Ich bin der Wald, wie Sarg schwarz rings umhangen,
Mit Blätterbäumen lang und komisch ausgerenkt.
In meiner Finsternis war Gott zugrund gegangen . . .
Ich nasser Docht, der niemals Feuer fängt.
Horcht, wie es aus schimmlichten Sümpfen raunt
Und trommelt grinsend mit der Scherben Klapper!
Versteckt in jauchichtem Moore frech posaunt
Ein Käfer flach mit Gabelhorn auf schwarzer Kappe.
Nehmt euch in Acht vor mir, heimtückisch-kalt!
Der Boden brüchig öffnet sich, es spinnt
Euch ein mein Astwerk dicht, es knallt
Gewitter auf in berstendem Labyrinth.
Doch du bist Ebene . . . Voll Sang, mit flatternder Mähne,
Von sanftem Luftzug glatt zurückgekämmt.
Gekniet vor mich, von stechender Hagel Tränen
Aus globiger Wolken Schaff grau überschwemmt.
Ich bin der Wald, der einmal lächelt nur,
Wenn du ihn fern mit warmem Wind bestreichst.
Weicher umschlinget dürren Hals die Schnur.
Böses Getier sich in die Höhlen schleicht.
Die Toten singen, Vögel aufgewacht,
Von farbenen Strahlen blendend illuminiert.
Heulender Hund, verreckt die böse Nacht.
Duftender Saft aus Wundenlöchern schwiert.
Du bist die Ebene . . . Hoch schwanket die Zitrone
Verfallenden Mondes über deinem Scheitel grad.
Du schläferst ein mich Strolch mit schwerem Mohne,
Du, die im Traum ihm, blonder Engel, nahst.
Ich bin der Wald . . . Goldbäche mir entsprungen,
Sie rascheln durch Schlinggräser mit Geflüster.
Wie Schlangen sanft mit langen Nadelzungen.
Es raset über mir der Sterne Lüster.
Ich bin der Wald . . . Aufprasseln euere Länder
In meines letzten Brandes blutigem Höllenschein.
Es knicken um der eisigen Berge Bänder,
Gell springt der Meere flüssiges Gestein.
Ich bin der Wald, der fährt durch abendliche Welt, gelöst
Vom Grund, verbreitend euch betäubenden Geruch,
Bis meine Flamme grell den Horizont durchstößt,
Der löscht, der deckt mich zu mit rosenem Tuch.
Es ward der Blumen Wiese Gewölbe meines Grabes.
Aus meiner Trümmer Hallen sprießen empor der bunten Sträuße viel.
Da jene Ebene sank zu mir hinab,
Wie klingen wir schön, harmonisch Orgelspiel.
Ich bin der Wald . . . Ich dringe leis durch euere Schlafe,
Da Lästerung und Raub und Mord ward abgebüßt,
Ich nicht Verhängnis mehr und schneidende Strafe.
Mein Dunkel euere brennenden Augen schließt.
Schon rüsten Wanderaffen sich und Bambusstangen
Die stellen sie als Zeichen vor den großen Zug,
Zerzausen meckernd mit der Hände Pranken
Gevögel weiß, gehascht aus bitterem Flug,
Und Weite schwillt, das längst verreckte Tier,
Zerfault, mit aufgetriebenem Schimmelbauch.
In nassen Waldverstecken lauern wir.
Rollt bald ein Kugelmond herauf? — Der giftige Hauch
Von grünen Winden an die Bäume rührt,
Die klappern mit den hageren Fingerästen.
. . . Bist du der Strom, der über Berge führt? . . .
Nahst du, nahst du, du großer Käfigkasten,
Du Sarg mit Segelwolke, rotgeschürt
Und hüllest, Nacht du, trauernde Phantasten?!
Hohe heilige Bläue,
Schrei aus Verwesung, Grab und Nacht.
Darf ich mich wieder freuen?
Ich bin dir dargebracht.
Deine rauhen Hände falten
Sich, mir spendend Segen.
Deine entzündeten Augen walten,
Wie flackernde Lämpchen auf schwarzem Grubenwege.
Deine zerklüfteten Wangen schlagen
Leichte an. Es heult ein Hund.
Ich schreite entgegen glücklicheren Tagen.
Sterne wirbeln rings im Bund.
Ich mich wild empöre,
Zornig reißt es mich dahin.
Erhöre
Mich! Ich stammle auf den Knien.
Wie lang ich noch verweile?
Trenn auf des Leibes Naht!
Mich raffen hin Verzweiflungs giftige Pfeile.
Du aber stürzest mich in Tränenguß und Bad.
O Reinigung du, o Bad!
Abkehr irdischen Staubs!
Deiner Haare goldenes Laub
Belebt den Tod, verklärt die schlimme Tat.
O schleichet durch die Nächte! Sie erlaben.
Da werden Tag und Schmerz und Wunsch heraufgespült.
Wir Blinden balde Seheaugen haben,
Uns Öfen heiß mildere Witterung kühlt.
Hast du gesehen jenen Mensch, der fiel?
Er schnappte feixend in die Welt hinaus.
Schon blauet Nacht. Nun ist er Drang wie Ziel,
Der Stern im Baum, der fernsten Länder Braus.
Er tönet ausgesöhnt mit allen Stücken
Und aufgelöst in den Zusammenhang.
Wir Lahmen tuen ab die Holperkrücken
Und schreiten aus in fabelhaftem Gang.
Wir Arme füllen uns. Die Trauer tanzet
Und alles jauchzet, völlig eingewohnt.
Wir schöpfen aus der dunklen Troge Kranze
Ewigen Trank, den gelben Wonnemond.
Es dehnet Wald schon weit sich. Helle Wiesen
Von dicken Mooren überfließen.
Es berstet kreischend irdisches Gewand.
Es greifen aus die Berge, gute Riesen.
Die Meere nagen an der Himmel Rand.
Wenn wir im Dunkel schlagen uns zum Flusse,
Der Hagel Schauer übers Haupt uns brechen:
Erwählte Führer ihr der irdischen Fahrt,
Als Flammen Türme in der Wetter Schwall!
Da Leuchten in der Wolken Höhle kriechen,
Gerüste zucken nieder im Verfall.
Wir rufen euch, wir dünne Schar der Siechen,
Die heulet mit der Donner gellem Hall.
Wie Balsamschalen, die einst Engel streuten,
Schafft Ruhe ihr dem aufgereizten Land,
Daß wild die Pferde vor den Droschken scheuen,
Und euer Denkmal loht als Feuers Brand.
Rimbaud, Kleist und Baudelaire —
(. . . um deren Haupt des Ruhmes Binde weht . . .)
Euch grüßt der Dichter, der zerrauft und leer,
Ein Bettler orgelnd auf dem Platze steht,
Verwahrlost und vertrottelt zu der Helle,
Dem Lichte zu wie ein Insekte irrt,
Bis sich sein Lumpenflaus entzündet, grelle
Er Bundesstern in euerem Bilde schwirrt.
„Und da er auf dem Wege war, und nahe bei
Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein
Licht vom Himmel . . .“
Mond in rosa Wolken steht,
Die verwittern schnell, verdunkeln.
Gletscher fern herüberweht.
Fenster und Laternen funkeln.
Heller Gärten Walzer nahen.
Nimm mich hin, du schöner Traum!
Menschen, Tiere, Häuser klagen.
Tief im Fluß vergeht ein Baum.
Ach, ich möchte weiter schicken
Körper dich von irdischem Ort!
Berge, Städte, Landschaft, Brücken
Stehn schon auf und wirbeln fort . . .
Waldung schwanket. In den Haaren
Wühlet knöcherne Hand.
Es kommen an die heiligen Scharen.
Es dröhnet mein Gewand.
Ich ward wie Meer, doch ohne Sturm,
Und Ebene ausgestreckt,
Aus meinem Munde wächst ein Turm,
Wald und Gebirg sich reckt.
Wie herrlich hin ich aufgegangen!
In meinen Augen schläft der Mond.
In meinem Blut schon Sterne fangen
Zu kreisen an mit leisem Ton.
Des Nachts muß ich zerpeitscht durch helle Gassen springen,
Des Tags soll ich vor euch von Auferstehung singen,
Den wunden Körper in die rauhe Kleidung zwingen.
Ich möchte schlafend tief in Schmerzen weiterschwingen.
Des Nachts muß ich zerpeitscht durch helle Gassen springen.
Ich fühl mich einem roten Weibe ganz verbunden.
Was wirft mich Einsamen in giftig-bittere Stunden?
Daß schweife ich ein Hund im Mond durch helle Runden.
Ach, ihre große Schönheit habe ich erfunden.
Ich fühl mich einem roten Weibe ganz verbunden.
Sie wird in einer großen fremden Stadt wohl weilen.
Sie muß ihr Bett mit dicken Kavalieren teilen.
Soll ich mich zu ihr flüchten, heftig zu ihr eilen?
Sie kann allein mich trösten, sie versteht zu heilen.
Sie wird in einer großen fremden Stadt wohl weilen.
Ich will dich Liebste nicht in anderen genießen.
Du sollst vergöttert sein von mir und hoch gepriesen.
Ich will demütig-fromm im ewigen Meer zerfließen.
Kalt ists, als ob schon Winters spitze Stürme bliesen.
Ich will dich Liebste nicht in anderen genießen.
Oft, wenn ich irre schüchtern tastend schwanken Weg,
Läufst du nicht rufend über nassen Fahrdamm schräg?
Ein jäher Lichtsturz meinen besten Traum zerschlägt.
Die wilde Nacht um mich die scharfen Krallen legt.
Oft wenn ich irre schüchtern tastend schwanken Weg.
Kehrst du mir nie zurück von deinen fernen Fahrten?
Des Winters stampfe ich durch manchen öden Garten.
Darf ich vielleicht dich mit den Blumen bald erwarten?
O Erde, Blüten, Winter decket den Genarrten!
Du kehrst mir nie zurück von deinen fernen Fahrten.
Goldener Mond an weißen Wolkenfasern,
Der du Welt zu hellen Klagen stimmst!
Tiere schreien auf aus ihren Schlafen.
Zug in anderes Dasein schwimmt.
Muß ich wieder denken jener
Auf den Bänken oder unterm Tor —
Weih ich Ihnen diese nächtige Träne,
Treten sie auf Strahlenbrücken vor.
Ach, durch euch schon längst hindurchgegangen
Stadt, Gebirg und Wald!
Nehme jetzt im kühlen Flusse
Letzten Aufenthalt.
Könnt ich jene fernen Hügel fassen,
Wenn Nacht drosselt Zwinkerlampen aus,
Mich zu jener Insel glänzend schweben lassen,
Wo du bist zu Haus!
Die Damen blühen, reiche Blumensträuße.
Es weben Düfte über Laubgeländen.
Die Straßen wandern Bäume. Städtehäuser
Vergehen blaß. Theaterplätze blenden.
Wir schwinden, Melodie, in deinen Flügeln,
Ihr Schlager einst aus Kneipen und Kaschemmen,
Doch unbedingter jetzt! Zu weißen Hügeln,
Ein Strom vertraut uns, blöde Tiere, schwemmet.
In schönen Gegenden bald aufgegangen,
Wir in den Wäldern, wir am Flusse stehn,
Abwaschend unsere geschminkten Wangen:
Als Engel groß wir durch die Räume gehn.
Wir sind die Heiligen, die euch beglücken,
Mit unserem Atem löschend Brände leis.
Nach den Gestrauchelten wir gern uns bücken,
Wir bringen heim den irrgewordenen Greis.
O blicket auf! Wir fliegen über dem Geschwärle
Der irdischen Mädchen, die zum Schluchzen schön,
Wo brüllet laut der Biergesang der Kerle,
Die gierig schwärmen wie der Lenze Föhn.
Wir wallen, von Trompetenbraus umbrandet,
Und unter Strahlen, die sich kreuzen schräg.
Wir treiben los vom Fels, auf dem gestrandet,
Wir nicht mehr hofften, daß ein Sturm fortfegt
Uns Wracks. In goldenen Äthers Glast gewandet
Uns Adler öffnen den verworrenen Weg.
Verhüllet noch von Dunst der Ufer Lande.
Wir schwanken auf der Wogen jähem Steg.
Nochmals Musik in unerhörtem Schwalle!
Die Arme strecket aus, begrüßend alle
Auftauchend aus Verschüttung neue Stätte!
Noch klirren unter furchtbarem Krawalle
Gewaltiger Kriege langer Donner Ketten.
Doch Himmel, Himmel sinken, die uns retten.
Wir sind zermalmt für euerer Freuden Welt.
Ja, unter Lobgesängen in der großen Stunde
Wächst hoch zu Gott empor in ewigem Bunde
Die Menschheit. Unserer Schmerzen Leib zerfällt.
Wir sind zermalmt für euerer Freuden Welt.
Wenn Donner dröhnend in die Runde kracht,
— Kanonenfutter wir in letzter Schlacht —
Da unser Sturm an Salven breit zerschellt.
Im hellen Abende gehn blütenblaß
Die Engel mit verwundenen Strahlenfächern.
Sie führen schwarzes Volk aus dem Gelaß
Der Kerkerschluchten und aus Burgenlöchern.
Es splittert grüner Himmel dünnes Glas.
Die Ouvertüre rattert jubelnd-blechern.
Glorie der Freude in dem harten Glanz
Des Tages. Tag, der jauchzend auferstanden!
Da unsere Städte prasselnd niederbrannten,
Leid, unser Leid — in Nächte Feuer schwands.
Frisch wehet Luft. Die Gegend scheint gereinigt.
Die weite Wiese sanfter Strom zerschneidet.
Wir laben unsere Körper, schlimm gepeinigt,
In mildem Bade, abendlich bereitet
Aus zarter Röte, dünnen Äthers Fülle.
Wie lange lag mein heiliges Land doch brach! —
Ein alter Herr spaziert mit goldener Brille,
Dem tänzeln Knabenkinder kreischend nach.
Die Straße, schmal von Grün besäumt und flach,
Wirft sich empor. Signale stehen stille.
Der Dichter, der die reichen Bürger haßt,
— o heiliger Tag! — ward heute früh geschaßt.
Die Erde, Erde dreht im Sonnenglast
Und wölbt sich jauchzend hoch, ein Goldpalast.
„Ein wenig seid ihr alle aufgewacht,
Seid atemlos ins helle Glück Entführte.
Ein wenig seid ihr alle Aufgeschürte,
Da dürftige Glut ward lodernd angefacht.
Ihr solltet in den kleinen Wolken baumeln,
Als gelbe Schmetterlinge trunken taumeln!
Wir werden unsere mürben Glieder schwingen,
Die wir noch mit der Auferstehung ringen,
Daß uns die Lüfte ätzend-scharf durchdringen.
Durch unsere Adern warme Länder raunen.“
Die große Glocke in die Runde tackt.
Die Sonne hat das grobe Eis zerhackt.
Gott füllt den Raum, ein leuchtender Smaragd.
Vollbusig wackelt eine Kindermagd.
Vom Wirtschaftsgarten tutet ein Konzert.
(. . . ein runder Flötenbläser alfredkerrt . . )
Der Kürassier klirrt mit dem Säbelschwert.
Die Landschaft qualmt. Die Straße wird geteert.
Ein weißer Strom sich durchs Geklüfte zwingt.
Den Gnadenfraß ein gelber Kranker schlingt.
Ein heller Stern in trübem Schwall aufblinkt.
Vorm Spiegel sich das kleine Mädchen schminkt,
Das bald vom hohen Turm aufs Pflaster springt.
Am Himmel leuchtend sich ein Engel schwingt.
Das Warenhaus wird gleich zusammenstürzen.
Die Löschfahrzeuge durch die Straßen flitzen.
Es heult und zischt die große Feuerspritze.
Das Warenhaus wird gleich zusammenstürzen.
Kurt schluckte einen Apfelsinenkern.
Hofdamen ihre seidenen Schleppen raffen.
Die Schwindsucht-Mutter kann es nicht mehr schaffen.
Kurt starb an jenem Apfelsinenkern.
Volksmassen trümmern ein die Kirchenfenster
Und kippen um die sanfte Straßenbahn.
Um Dagny aber heulen wir Gespenster,
Ganz ausgefretzt von Morphium-Salvarsan.
Ein Polizist im Vorstadtviertel strolcht.
Schon bröckelt aus der stählerne Kassenschrank.
Das Liebespaar schläft selig auf der Bank.
Ein Offizier ward in dem Park erdolcht.
Die stolze Festung sei im Sturm genommen!
Die Hafenstadt zwing man zur Übergabe!
Man trägt den Staatsminister nachts zu Grabe.
In den Kasernen brüllen dumpf die Trommeln.
Mit Knall erfolgt jetzt eine Explosion.
Die Arbeiter erklären stracks den Streik.
Die Residenz ersäuft in Flammen schon.
Der Kaiser heimlichst in ein Auto steigt.
Von Fahnen blühn die Gräber überdeckt.
Zum Jahrestag macht man ein schönes Fest.
Ein großer Chor die Marseillaise bläst.
Man wird frühmorgens aus dem Schlaf geweckt.
Auf weitem Platze wird ein Zug gestellt.
Die Säbel blitzen herrisch in der Runde.
Ein Priester benedeit die Freiheitsstunde.
Der Böller Schar im nahen Haine bellt.
Die Mädchen sind mit frischem Laub bekränzt,
Sie schweben Engel weißlich, zart geneigt.
Die Kathedrale in die Höhe glänzt.
Ein Adler in die reinen Lüfte steigt.
Als wir morgens aus Träumen auffuhren,
War das kleine Zimmer voll Hyazintenduft,
Die Mutter Gottes schwebte auf einem
Silbernen Seile
In der blauen Nacht,
Schwarzen Gewandes,
Nur die kleinen goldenen Schuhe glänzten
Und das schmale Gesicht (. . . verwesungs-grün . . .).
Christus aber brach aus der feuchten Wand
Mit grünen aufgequollenen Füßen,
Sich krümmend und heulend.
Unsere Straße baut sich immer höher empor
Von den vielen Heimwegen.
Das Trottoir glänzt,
Die Pappeln rauschen,
Die Bogenlampen zerwerfen sich,
Der Spritzwagen der Straßenreinigungsgesellschaft
Rattert herum, ein Mensch hängt immer
Über einer Bank.
Du stehst mir bei in meinen Zusammenbrüchen,
Ich stütze dich bei deinen Ohnmachten.
Man hilft sich.
Wir haben noch zwei Mark fünfundsechzig.
(. . . Café — Kino — Automat . . .)
Wie herrlich leuchtet die Sonne in
Unser letztes Geschwank!! —
Dein Gang schwebt im Gefäll der frühen Winde.
An deinem Munde trink ich Leben, Tod.
Dein Leib reißt Trunkenen mich zu Hölle, Grab.
Dein Lächeln, das der Greisin, das des Kindes,
Und deine Haare wie Gebüsche rot
Voll Feuersbrunst. Dein Antlitz blaß-zernagt.
Der Weg steigt durch die Nächte hoch und frei,
Am Ende er in Morgenröte sticht.
Er schwebet in den Lüften wie ein Boot.
Die Städte fallen um mit viel Geschrei.
Hernieder saust des eisigen Monds Gewicht.
Ein schwarzer Engel steht in Brand und loht.
Ich will dich in dem Bett, wo wir zu zweit
Erwarten Gottes Stoß und Überfall,
Warm decken mit des Mantels warmem Tuch.
Da deine Augen fließen, Meere weit,
Da wirbeln toll der Stürze Schaum und Schwall . . .
Wir tun ergeben treu dem letzten Spruch.
Daß meine Schritte deinen gleicher werden,
Daß deine Male meinen Körper zieren,
Daß deine Leiden heftig in mich dringen,
Daß mich Verlästerung und Schande treffen,
Bis mich Triumph aus ekler Not verklärt!
Daß ganz dein Aug aus ewig lichter Sphäre
In meinen Blick, in meine Art verwachs!
Ich gab mich hin, ward voll in dich gelassen,
Einst aufgesprungen groß aus deinem Blut
Mir deine Worte brausen jetzt vom Munde.
In deinem Sinn erwidere ich der Welt.
Dein Wunsch dem Jünger Fügung und Gebot.
Du zürn mir nicht, wenn ich berauscht umarm,
Erpresse dir Tribut von Bett und Glück,
Wenn ich zurück mich aus den Tagen stürz
Jäh hin verzweifelt — falb an deine Brust:
Zerhack mich Messer Strahl, durchzück mich Stoß!
Da Körper ächzt, ein Wrack, das Hirn zerwirkt,
Das Auge quillt, der rote Mund zerschleißt . . .
Was soll ich Ärmster noch, wenn du mich nicht
Zum Opfer annimmst, schwach und unscheinbar?
Der nie noch Heimat fand, er schwankt im Sturm.
Er heult auf Dächern deinen Namen weit.
Dumpf wie ein Stier er brüllt und bäumt sich krumm.
Ich wart auf dich, wenn furchtbar schwirrt die Nacht.
Wo hinterm Wald der Brünste Lohe steigt.
Zu Funken stiebt den Brand dein Atemstrahl,
Da auf den Berg du schwingest dich als Stern,
Wo niederrutscht ins Tal der Wasser Fall.
Ja überall im Dunkel schwebt dein Bild,
Endlos wirkt deine Gnade, deine Güte weit,
Weit wie das Meer und wenn in Abgrund taucht
Mein Schiff und wirbelt um im Strudelschlund,
Bleibt doch in Lüften hoch dein silberner Schrei,
Dein Adlerschrei, der mich Zerschlafenen weckt,
Das Steuer umreißt und den Bug hochschraubt.
Ich fühlte mich im Traum mit dir vereint.
Wir schlossen uns zum ewigen Bruderbund,
Und schallt Trompetenschrei in grauser Nacht,
Du wirst mich kämpfend dir zur Seite finden.
Das Kreuz muß leuchtend sich am Himmel zeigen.
Das Kreuz soll aus den Gründen flammend steigen.
Das Kreuz wird als Gespenst im Nebel wanken.
Das Kreuz wird dämmern aus der Meere Glast.
Um das geheiligte Denkmal braust die Schlacht.
Du streckest vor der Arme dünnes Schild.
Die Lanzen knicken wie Schilfrohre ab.
Dein Atem fegt die Höllischen hinweg.
Der späte Jünger sei nicht minder treu.
Du hast dich herrlich um sein Schild geschrieben.
Im Morgen schreiten blonde Engel aus,
Die schwarzen Geister sind am Licht zerschellt.
Du streifst vorbei im weißen Sonnenfluß,
Du tost hinab in falbe Finsternis,
Wo Weg zerschleißt, ein tückisches Gespenst.
In starrer Zeit wir lernten dir vertrauen,
Da Hoheit wich, Mord waltet und Verrat.
Geharnischt züngeln um das Haus die Flammen.
Wir tauen auf aus Haß, Verachtung. Schutt
Von unserer Stirne bricht. (. . . o Lilienkranz! . . .)
Gehässig zischeln auf wir. Reich die Hand!
Wir dürfen singend über Trümmern schweben,
Da Fels riß auf uns, Ebene rieb uns wund,
Der Wald trieb ein den Stachel, Fluß grub spitz.
Durch hohlen Körper drang dein weiches Licht,
Auf die versengte Erde fiel dein Kuß.
Du gehst behäbig still durch unsere Stadt,
Du liest den Anschlag auf der Litfaßsäule,
Im leichten Auto kommst du angeeilt.
Schrill branden um uns Kinder Jammerschreie.
Ein Weib ersäuft. Ein Arbeiter erstickt.
Es schraubt die Nacht sich hoch. Tief krümmt sich Tag.
Jetzt flacken wir zerknirscht vor dir im Staub.
Die Helfer mögen uns nicht aufwärts raffen.
Schon wandeln wir geruhig durch Ölbergs Garten,
Da fern dein Kreuz sich wie ein Streitroß bäumt.
Du stiebtest Retter aus Empörungsgrüften,
Du schlugst des Mantels himmelblaues Tuch
Um uns, trugst uns hinweg, die schwache Beute,
Die Brut der Kinder aus verseuchtem Nest.
Der Fels blitzt rot. Steil wächst die Mittagsstunde.
Es schwillen Rufe aus der Unterwelt.
Gesichter springen auf in Flammengarben,
Dadurch die Engel mit Posaunen steigen . . .
So ward der Irrfahrt Ende Lob und Preis.
Das Schiff schwenkt in den Hafen, froh geschmückt.
Auf allen Plätzen flammt ein Feuerwerk.
Der Berge Riesen springen jubelnd hoch,
Die Wälder brennen und die Meere sprühen.
Da regnet nieder farbenes Gefäll.
Aus finsteren Schluchten tauchen Prozessionen.
Es flattern Mäntel in den Lüften weiß.
Gespanne sausen auf des Himmels Bogen.
(Hoch wölben Strahlen über das Geklüft.)
Du fährst voran dem großen Hochzeitszug.
Die Erde donnert, klafft und bricht entzwei.
Karl Otten, meinem Kamerad!
Hah! Wie der Eisen Wut im Leibe haust,
Der zucket hin, der krümmt sich hoch als Brücke,
Darunter Blut in hellem Strome braust.
Ein Sturm auf spitzem Kopf sich Haare pflücket.
Sie tanzen zugewandt dem Firmament.
Sie brechen heulend in die Kniee nieder.
In ihrem Schlund, dem Krater, Lava brennt.
Wie Raben scheuchen auf die düsteren Lieder.
Aus Mund und Nase gischtet weißer Schaum.
Von falber Wange Schweiß und Tränen fließen.
Sie schläfern hin in süßer Ohnmacht Traum.
Die Augen sie vor großer Helle schließen.
Gräulich umstarrt von Helmenblitz und Spießen,
Den Körper strecken sie am Marterbaum.
Wiedergeburt
Durch finsterer Straßen Gang,
Der Schlöte Qualm und Gier . . .
Wir sind ohne Belang,
Wir angehören dir.
Du hüllest die Geschwulst.
Am Ende du uns lullst
(. . . im Hemde dürr und klein . . .)
In süßen Schlaf-Tod ein.
Gebrochen und zerhackt,
Du zogst uns in Kontrakt,
Du herrschest bitter-streng.
Wir taumeln im Gedräng.
Du zwangst uns dich zu rufen,
Du schleudertest den Speer.
Wir stürzten bei den Stufen
Des Tempels, bläßlich-leer.
Du streckest aus die Hände,
Gewaltig weckst du uns.
Gelöst sind die Verbände.
Zu weißen Äthers Dunst
Hebst du uns auf den Flügeln
Von Schwanenengeln licht.
Entrückst uns Fluren, Hügeln,
Dem irdischen Gewicht.
Anfechtung und Geißelung
Fahl ziehen auf die Höllen,
Gespenst und geller Schrei.
Die blechernen Tuben gellen.
Rot rauscht ein Schwarm vorbei.
Die schwarzen Engel schlagen
Aus Flügeln Schlangenbrut.
Die nackten Toten jagen
Einher mit spitzem Hut.
Legt um die eisernen Riemen!
Der Knochen Mark zerbricht.
Es streicht ein blutiger Striemen
Querüber das Gesicht.
Die Haare sind zerrissen
Von Hände Krampf und Zorn.
Gedärm quillt. Aufgeschlissen
Der Bauch von Stacheldorn.
Jetzt tupft mit eisernen Pinseln!
Schon regt sich Glauben wach.
Ja, röchelnd schwer und winselnd
Wir stürzen ab vom Dach,
Wir brechen in die Gosse.
Du bist vorbeigerauscht,
Du hast dich aufgebauscht . . .
Wir sind in dir zerflossen.
Tod
Verwelkt wir liegen ganz
In deiner Hut. Gefaltet
Ruhn unsere Hände. Glanz
Auf unseren Stirnen waltet.
Hoch schwankt die düstere Lade
Voraus dem trüben Blick.
Du hast bewahrt vor Schaden
Uns und vor Mißgeschick.
Du machtest uns zufrieden,
Du hast uns wohl bestellt,
Du hast uns nicht gemieden.
In graue Unterwelt,
Wo wir verhurt, verlaust
In Sumpfes Löchern staken,
Bist du hinabgebraust,
Als Strahl aus heiterem Tage.
Umschleicht ein böser Sinn.
Nah uns! Komm her! Nimm hin!
Es raschelt finsteres Laub.
Ein Wagen blitzt im Staub.
Winkt da nicht Ufer schon,
Ist das nicht Fluß, dies Park?
Und dies der einstige Ton,
Der uns vorirdisch barg?!
Für Leonhard Frank
Wir lagen in der Wiese feuchtem Nest,
Vergraben unsere Köpfe, hart wie Stein,
Derweil die Sonne sank im kühlen West
In grauer Berge langgestreckten Schrein.
Mit schnellen Vögeln Abendtöne flogen.
Auf schwarzen Wegen schwankten Kinderreihn.
Durch unsere Glieder weiche Gräser zogen.
In unsere Augen bogen Blumen ein.
Schon rauschte, Wassersturz, der Hunde Bellen,
Da unsere Körper sanken auf den Grund
Vergessener Meere: laues Spiel der Wellen,
Der trägen Fische angestaunter Fund.
Es raschelten wie feine Silberschellen
Korallenbäume auf verborgenem Sund.
Für Annie Oppelt
Der Tod, der in dem blassen Mädchen weinet,
Der aufgerollt liegt in der Alten Haar,
Der, was er bös oft trennet, besser einet,
Der jauchzet ungestüm durch manche Bar.
Der gell erschallt im Volkstumult furchtbar,
Als Feuerschrift an schwarzer Wand erscheinet,
Als Strolch mit Hund und Messer nächtlich streunet,
Da werden ihn wohl viele bleich gewahr . . .
Welch schönes Kleid hat er sich ausgesucht,
Da tat er ab den Flaus aus Kot und Schimmel!
Es bauschet sich in unerhörter Wucht
Sein Mantel, jener zarte Lilahimmel,
Der Herbstzeitlose Kelch, endlose Bucht,
Aufsaugend uns und irdisches Gewimmel.
Wir wollen heut bei goldenen Wolken ankern,
In Traumbezirken jener Seligen Andern.
Wo Engel winkend mit den Beinchen schlänkern,
Da werden wir in milden Häfen landen.
Die Erde soll entfleuchen unseren Augen,
Die bald als Inseln wirbeln im Ozean
Beruhigter Bläue. Da des Äthers Lauge
Zersetzte unseres Körpers eklen Tran.
Laßt uns behaglich in den Lüften schreiten,
Die sind verwandelt, ölig und begehrlich-weich.
Verhaßten Bürgern wollen wir entgegenbreiten
Wohl Arme und ein Antlitz, himmlisch-bleich.
Da Wunden schillern groß als Sonnenseee.
Geschwüre schweben, Wolken sanfte Matten.
Ihr fühlet euch geborgen in der Nähe
Der Fächerstrahlen und von Teppichschatten.
Auswurf gesegnet sei und Schmerz gepriesen
Und jede Trennung schön und wunderbar!
Ins Heilige sei jeder Haß verwiesen!
Wir fassen uns ans Herze, innig-wahr.
Einst wankten wir durch Gassen wirre Netze,
Zerdacht die Stirnen und von Fluch bedrückt.
Tod deckte auf die Herrlichkeiten-Schätze,
Wir voll erlebend, stumm und unzerstückt.
Die Toten wachten auf im Karneval.
Sie renken ein die vielen Gliederknochen.
Die Erde raucht, zerklafft und aufgebrochen.
Die Toten rüsten sich zum Faschingsball.
Sie hetzen durch die Straße mit Gebrüll,
Sie klappern mit den Fingern, trommeln, pfeifen,
An Pflanzenfasern sie die Särge schleifen,
Die Leichenkleider bergen sie zerknüllt.
Bei diesem fehlt das rechte Nasenstück,
Blut rinselt dem um die zerfranzte Fresse.
Sich brauner Lehm auf jenes Augen drückt,
Geschwüre sich im Nacken schimmelig pressen.
Sie wedeln uns mit Federn durchs Gesicht,
Auf dünner Flöte sie erschauernd blasen.
Sie halten auf dem Markte Hochgericht.
Wie Kühe manche auf den Dächern grasen.
Sie halten Kerzen in der Hand beim Tanz,
Weihrauch in schweren Düften schwelt und zischt.
Sie setzen johlend über Stuhl und Tisch
Und baumeln an dem hohen Lüsterkranz.
Es glühn wie Eisen rot die Schädel kahl.
Sie singen laut und kotzen sich beim Mahl . . .
Die Toten ziehen um in langem Zug,
Gedämpft erschallen Flüche und Gebete.
Ein Knabe schleppt sich mit dem Urnenkrug.
Schon wirbeln Trommeln laut zur Abschiedsrede.
Sie biegen vor und wallen durch das Tor.
Da stiebt herab der Schneee bleicher Schleier.
Noch einmal tönet gell der Tusch im Chor,
Da man versammelt sich zur Heimkehrfeier. —
. . . Wo seid ihr hin, ihr Toten, mit Geklinge
Und Schellenlaut und Rasseln und Gedröhn?
Flogt ihr empor auf unsichtbarer Schwinge,
Fuhret ihr nieder, hingestürzt vom Föhn?
Ihr habt vergessen uns, die traurig heulen,
Verzweifelt winseln stier aus Dunkelheit.
Steht einer nicht von euch hinter den Säulen
Und flattern dort nicht euere Mäntel weit?
Wir schleichen nach euch in den stummen Jahren.
O, daß die Erde jäh in Flammen tauch,
Daß eisiger Sturm scharf in die Runde fahre,
Ein heißer Schwefelquell entsetzlich pfauch!
In düsterer Nacht wir um die Toten greinen
Und wandeln Frühjahrs auf der Gräber Deck.
Ein Trauerbaum die hageren Äste streckt
Zum Himmel auf. Die blassen Marmorsteine
Zersprungen, überwuchern Kraut und Moos.
Durch unseren Körper jagt ein harter Stoß.
Ein böser Krampf den vollen Bauch zerhackt.
Das ragende Gerippe schwankt und zittert.
Das herrliche Gehirn wie Glas zersplittert.
Vom hohen Turm die große Stunde tackt.