The Project Gutenberg eBook of Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Sechster Band: enthaltend Kapitel 11 und 12

This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook.

Title: Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Sechster Band: enthaltend Kapitel 11 und 12

Author: Baron Thomas Babington Macaulay Macaulay

Translator: Wilhelm Beseler

Release date: April 29, 2012 [eBook #39562]

Language: German

Credits: Produced by Louise Hope, Delphine Lettau and the Online
Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK GESCHICHTE VON ENGLAND SEIT DER THRONBESTEIGUNG JAKOB'S DES ZWEITEN. SECHSTER BAND: ENTHALTEND KAPITEL 11 UND 12 ***



Dieser Text benutzt die UTF-8-Kodierung (Unicode). Wenn die Apostrophe, Anführungs­zeichen und die Umlaute in diesem Absatz als seltsame Zeichen dargestellt werden, könnte es auch an Ihrem inkompa­tiblen Browser oder an fehlenden Fonts (Zeichen­sätzen) liegen. Stellen Sie zunächst sicher, dass der „Zeichensatz“ oder „Datei-Kodierung“ auf Unicode (UTF-8) eingestellt ist. Eventuell ist es auch nötig, die Standard­schrift Ihres Browser zu ändern.

Einige Druckfehler sind korrigiert und mit popups notiert. Recht­schreibungs­formen wie »funfzig« : »fünfzig« oder »Urtel« : »Urtheil« sind ungeändert. Die Namen »Dover« und »Dower« sind ebenso ungeändert (auch wenn es um die selbe Person handelt). Weitere:

Geschicht(s)schreiber
angesehen(d)ste
Heimath(s)land
Betttuch immer mit drei »t«


11. Kapitel
Inhalt

12. Kapitel
Inhalt

Thomas Babington Macaulay’s

Geschichte von England

seit der

Thronbesteigung Jakob’s des Zweiten.

 


Aus dem Englischen.


Vollständige und wohlfeilste
Stereotyp-Ausgabe.

 

Sechster Band:
enthaltend Kapitel 11 und 12.

 
 

----

Leipzig, 1856.
G.   H.   Friedlein.
 
XI.1

Elftes Kapitel.


Wilhelm von Oranien.

  XI.3

Inhalt.


Seite
Wilhelm und Marie 5
Festlichkeiten durch ganz England 6
Festlichkeiten in Holland 6

Unzufriedenheit der Geistlichkeit und der Armee

6
Reaction der öffentlichen Meinung 7
Stimmung der Tories 9
Stimmung der Whigs 11
Ministerielle Einrichtungen 12

Wilhelm sein eigner Minister des Auswärtigen

13
Danby 14
Halifax 15
Nottingham 15
Shrewsbury 17
Die Admiralität 17
Das Schatzamt 17
Das große Siegel 18
Die Richter 18
Der Hofstaat 19
Untergeordnete Ernennungen 21

Die Convention in ein Parlament verwandelt

22

Die Mitglieder der beiden Häuser werden aufgefordert die Eide zu leisten

25
Fragen bezüglich des Einkommens 26
Abschaffung der Herdsteuer 28
Entschädigung der Vereinigten Provinzen 29
Meuterei in Ipswich 29
Die erste Meutereibill 32
Suspension der Habeas-Corpus-Acte 35
Unpopularität Wilhelm’s 36
Popularität Mariens 38

Das Hoflager wird von Whitehall nach Hampton-Court verlegt

40
Der Hof in Kensington 42
Wilhelm’s ausländische Günstlinge 43
Allgemeine schlechte Verwaltung 44
Uneinigkeit unter den Staatsdienern 46

Das Departement der auswärtigen Angelegenheiten

49
Religionsstreitigkeiten 50
Die Hochkirchenpartei 51
Die Niederkirchenpartei 52
XI.4 Wilhelm’s Pläne bezüglich der Kirchenverfassung 53
Burnet, Bischof von Salisbury 54

Nottingham’s Pläne in Bezug auf die kirchliche Verfassung

56
Die Toleranzbill 58
Die Comprehensionsbill 63

Bill zur Festsetzung der Huldigungs- und Suprematseide

69

Die Bill zur Festsetzung des Krönungseides

79
Die Krönung 81
Beförderungen 83
Die Coalition gegen Frankreich 84
Die Verwüstung der Pfalz 84
Kriegserklärung gegen Frankreich 87
XI.5

Wilhelm und Marie. Die Revolution war vollendet und die Decrete der Convention allenthalben mit Unterwerfung aufgenommen worden. London, seit fünfzig ereignißvollen Jahren treu der Sache der bürgerlichen Freiheit und des reformirten Glaubens, erklärte zuerst den neuen Herrschern seine Ergebenheit. Nachdem der erste Wappenherold unter den Fenstern von Whitehall den neuen Herrscher ausgerufen, ritt er mit feierlichem Gepränge den Strand entlang bis Temple Bar. Ihm folgten die Scepterträger der beiden Häuser, die beiden Sprecher Halifax und Powle und ein langer Zug von Equipagen mit Cavalieren und Gentlemen. Die Magistratsbeamten der City hielten ihre Thore geöffnet und schlossen sich der Prozession an. Vier Regimenter Miliz bildeten durch Ludgate Hill, um die St. Paulskirche herum und Cheapside entlang Spalier. Die Straßen, die Fenster und selbst die Dächer waren mit Zuschauern gefüllt. Alle Glocken von der Westminsterabtei bis zum Tower ließen ihr fröhliches Geläute ertönen. Vor der Börse wurde die Proclamation unter dem Jubel der versammelten Bürger bei Trompetenschall zum zweiten Male verlesen.

Am Abend war jedes Fenster von Whitechapel bis Picadilly erleuchtet. Die Prunkgemächer des Palastes waren geöffnet und mit einer glänzenden Versammlung von Höflingen gefüllt, welche gekommen waren, dem Könige und der Königin die Hand zu küssen. Es waren die Whigs, die sich, von Glück und Siegesfreude strahlend, hier versammelt hatten. Einigen unter ihnen konnte man es wohl verzeihen, wenn sich ein Gefühl befriedigter Rache in ihre Freude mischte. Die am schwersten Gekränkte aber von Allen, welche die schlimmen Zeiten überlebt hatten, fehlte. Lady Russel war, während ihre Freunde sich in den Gallerien von Whitehall drängten, zu Haus geblieben, um an Den zu denken, der, wenn er noch gelebt hätte, bei der Feier dieses hochwichtigen Tages eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben würde. Ihre Tochter jedoch, welche einige Monate zuvor die Gemahlin des Lord Cavendish geworden, ließ sich durch dessen Mutter, die Gräfin von Devonshire, dem Königspaare vorstellen. Es existirt noch ein Brief, in welchem die junge Dame den Jubel der Bevölkerung, den Lichterglanz in den Straßen, das Gedränge in dem Empfangszimmer, die Schönheit Mariens und den Ausdruck, der die strengen Züge Wilhelm’s veredelte und milderte, mit großer Lebendigkeit schildert. Die interessanteste Stelle darin ist die, wo die Verwaiste die wehmüthige Freude gesteht, mit der sie die verspätete Bestrafung des Mörders ihres Vaters mit ansah.1

1. Brief von Lady Cavendish an Sylvia. Lady Cavendish hatte, wie die meisten jungen Damen jener Generation, beständig die Romane der Scudery im Kopfe. Sie selbst ist Dorinda, ihre Correspondentin, in der man ihre Cousine Johanna Allington vermuthete, ist Sylvia; Wilhelm ist Armanzor und Maria ist Phenixana. London Gazette, Febr. 14. 1688/89; Narcissus Luttrell’s Diary. Luttrell’s Tagebuch, das ich sehr oft citiren werde, befindet sich in der Bibliothek des Allerseelen-Collegiums, dessen Vorsteher ich zu großem Danke verpflichtet bin für die Bereitwilligkeit, mit der er mir die Benutzung dieses werthvollen Manuscripts gestattete.

XI.6

Festlichkeiten durch ganz England. Dem Beispiele London’s folgten auch die Provinzialstädte. Drei Wochen lang waren die Spalten der Journale mit Berichten über die Festlichkeiten gefüllt, durch die sich die öffentliche Freude kund gab: Cavalcaden von Gentlemen und Freisassen, Prozessionen von Sheriffs und Bailiffs im scharlachnen Amtskleide, Umzüge eifriger Protestanten mit orangefarbenen Fahnen und Bändern, Geschützsalven, Freudenfeuer, Illuminationen, Musikfeste, Bälle, Gastmähler, Rinnen und Röhren in denen Ale und Claret flossen.2

2. Siehe die London Gazette vom Februar und März 1688/89. und N. Luttrell’s Tagebuch.

Festlichkeiten in Holland. Noch herzlicher war die Freude unter den Holländern, als sie erfuhren, daß der erste Beamte ihrer Republik auf einen Thron erhoben worden. Wilhelm hatte am Tage seines Regierungsantritts an die Generalstaaten geschrieben, daß die Veränderung in seiner Stellung die Liebe zu seinem Vaterlande nicht geschmälert und daß seine neue Würde ihn hoffentlich in den Stand setzen werde, seine älteren Pflichten wirksamer zu erfüllen als je. Die olicharchische Partei, welche den Lehren Calvin’s und dem Hause Oranien stets feindlich gesinnt gewesen, murmelte zwar leise, Sr. Majestät müsse das Statthalteramt niederlegen. Aber all’ dieses Gemurmel wurde von dem Zujauchzen eines Volks übertäubt, das stolz war auf das Genie und das Glück seines großen Landsmannes. Es ward ein Tag zu Dankesbezeigungen bestimmt, und in allen Städten der sieben Provinzen äußerte sich die allgemeine Freude in Festlichkeiten, deren Kosten hauptsächlich durch freiwillige Gaben bestritten wurden. Alle Klassen nahmen Theil daran; der ärmste Tagelöhner konnte sich betheiligen, indem er einen Triumphbogen errichten half oder Reisig zu einem Freudenfeuer trug. Selbst die ruinirten Hugenotten konnten durch ihre Geschicklichkeit und ihre Erfindungsgabe mitwirken. Eine Kunst, die sie mit sich in die Verbannung genommen, war die Feuerwerkerei, und so erleuchteten sie jetzt zu Ehren des siegreichen Vorkämpfers ihres Glaubens die Kanäle von Amsterdam durch prachtvolle Feuerwerke.3

Dem flüchtigen Beobachter konnte es scheinen, als hätte Wilhelm damals einer der beneidenswerthesten Menschen sein müssen; in der That aber war er einer der sorgenvollsten und unglücklichsten. Er wußte wohl, daß die Schwierigkeiten seiner Aufgabe erst begannen. Schon war die so glänzend angebrochene Morgenröthe seines Glücks umwölkt und viele Anzeichen verkündeten einen dunklen, stürmischen Tag.

3. Wagenaar, 61. Er führt die Protokolle der Generalstaaten vom 2. März 1689 an. London Gazette, April 11. 1689; Monthly Mercury, April 1689.

Unzufriedenheit der Geistlichkeit und der Armee. Man machte die Bemerkung, daß zwei wichtige Stände wenig oder keinen Theil an den Festlichkeiten nähmen, durch welche in ganz England die Einsetzung der neuen Regierung gefeiert wurde. Nur sehr selten sah man einen Priester oder einen Soldaten unter den Leuten, die sich um die Marktsäulen XI.7 versammelten, wo der König und die Königin ausgerufen wurden. Der Berufsstolz der Geistlichkeit und des Heeres war tief verletzt worden. Die Lehre vom Nichtwiderstande war den anglikanischen Geistlichen theuer gewesen; sie war ihr unterscheidendes Kennzeichen, sie war ihr Lieblingsthema. Wenn wir nach dem auf uns gekommenen Theile ihrer öffentlichen Vorträge urtheilen dürfen, so hatten sie über die Pflicht des passiven Gehorsams mindestens eben so oft und eifrig gepredigt, wie über die Dreieinigkeit und die Sühne.4 Ihre Anhänglichkeit an ihren politischen Glauben war zwar hart geprüft und auf eine kurze Zeit erschüttert worden; aber mit Jakob’s Tyrannei waren auch die bittern Gefühle verschwunden, welche diese Tyrannei in ihnen geweckt hatte. Der Pfarrer eines Kirchspiels war natürlich nicht geneigt, sich einer Sache anzuschließen, die ein thatsächlicher Triumph über die Grundsätze war, die seine Gemeinde ihn an jedem Jahrestage des Märtyrertodes5 und der Restauration hatte verkündigen hören.

Auch die Soldaten waren mißvergnügt. Sie haßten zwar den Papismus und hatten den verbannten König nicht geliebt; aber sie fühlten nur zu wohl, daß sie in dem kurzen Feldzuge, der das Schicksal ihres Vaterlandes entschieden, eine ruhmlose Rolle gespielt hatten. Vierzig schöne Regimenter, eine reguläre Armee, wie noch nie zuvor eine unter dem Banner England’s gefochten, hatten sich über Hals und Kopf vor einem Eindringling zurückgezogen und sich ihm dann ohne Schwertstreich unterworfen. Diese große Streitmacht war bei der jüngsten Veränderung von gar keinem Einflusse gewesen; sie hatte eben so wenig etwas gethan, Wilhelm abzuwehren, als ihn ins Land zu bringen. Die Bauern, welche mit Heugabeln bewaffnet und auf Karrengäulen reitend, im Gefolge Lovelace’s oder Delamere’s umhergezogen waren, hatten einen größeren Theil an der Revolution genommen als jene glänzenden Haustruppen, deren Federhüte, geflickte Röcke und curbettirende Schlachtrosse die Londoner so oft in Hyde Park bewundert. Die Verstimmung der Armee wurde noch vermehrt durch die Spötteleien der Fremden, welche weder durch Befehle noch durch Strafen völlig unterdrückt werden konnten.6 An verschiedenen Orten äußerte sich der Unmuth, den man bei einer tapferen und von Ehrgefühl beseelten Gemeinschaft von Männern unter solchen Umständen wohl erwarten darf, in beruhigender Weise. Ein in Cirencester liegendes Bataillon löschte die Freudenfeuer aus, ließ den König Jakob hoch leben und trank auf den Untergang seiner Tochter und seines Neffen. Die Garnison von Plymouth störte die Festlichkeiten in der Grafschaft Cornwall, es kam zu Schlägereien, und ein Mann wurde dabei getödtet.7

4. „Ich kann mit Bestimmtheit behaupten,“ sagt ein Schriftsteller, der in der Westminsterschule erzogen war, „daß auf eine Predigt über die Buße, den Glauben und die Erneuerung des heiligen Geistes, die ich hörte, drei von der andern Art kamen, und es ist schwer zu sagen, ob Jesus Christus oder König Karl I. öfter erwähnt und gepriesen wurde.“ — Bisset’s Modern Fanatick, 1710.

5. Karl’s I. — D. Übersetzer.

6. Gazette de Paris, 26. Jan. (5. Febr.) 1689; Orange Gazette, Jan. 10. 1688/89.

7. Grey’s Debates, Howe’s Rede vom 26. Febr. 1688/89; Boscawen’s Rede vom 1. März; Narcissus Luttrell’s Diary, 23—27. Febr.

Reaction der öffentlichen Meinung. Die Mißstimmung der XI.8 Geistlichkeit und der Armee konnte auch den Unaufmerksamsten nicht entgehen, denn beide Stände zeichneten sich von den übrigen Klassen durch in die Augen fallende Eigenthümlichkeiten in der Kleidung aus. „Die Schwarzröcke und die Rothröcke,“ sagte ein heftiger Whig im Hause der Gemeinen, „sind der Fluch der Nation.“8 Die Unzufriedenheit beschränkte sich jedoch nicht auf die Schwarzröcke und Rothröcke. Die Begeisterung, mit welcher Leute aller Stände Wilhelm zu Weihnachten in London bewillkommnet, hatte noch vor Ende Februar bedeutend nachgelassen. Der neue König selbst hatte, in dem Augenblicke als sein Ruhm und sein Glück den höchsten Punkt erreicht, die kommende Reaction vorhergesagt. Diese Reaction hätte allerdings auch ein minder scharfsichtiger Beobachter der menschlichen Dinge voraussehen können, denn sie muß hauptsächlich einem Gesetz zugeschrieben werden, das eben so feststeht wie die Gesetze, welche die Aufeinanderfolge der Jahreszeiten und den Wechsel der Passatwinde regeln. Es liegt in der Natur des Menschen, gegenwärtige Übel zu hoch, und gegenwärtiges Gute zu niedrig anzuschlagen, sich nach dem was er nicht hat zu sehnen, und mit dem was er hat unzufrieden zu sein. Dieser Hang, wie er sich bei dem Individuum zeigt, ist oft von lachenden und von weinenden Philosophen besprochen worden. Er war ein Lieblingsthema Horaz’ und Pascal’s, Voltaire’s und Johnson’s. Seinem Einflusse auf das Schicksal großer Gemeinschaften können die meisten Revolutionen und Gegenrevolutionen, von denen die Geschichte erzählt, zugeschrieben werden. Hundert Generationen sind seit der ersten großen nationalen Emancipation, von welcher Nachricht auf uns gekommen ist, vorübergegangen. In dem ältesten der Bücher lesen wir, daß ein Volk, unter einem grausamen Joche in den Staub gebeugt, von strengen Zuchtmeistern zur Arbeit gepeitscht, ohne nur Stroh zu einem Lager zu erhalten, und doch gezwungen die tägliche Anzahl Bausteine zu liefern, des Lebens müde ward und einen zum Himmel schreienden Jammerruf ertönen ließ. Die Sklaven wurden wunderbar befreit, und im Augenblicke ihrer Befreiung stimmten sie eine Dankes- und Siegeshymne an; doch schon nach wenig Stunden begannen sie ihre Sklaverei zurückzuwünschen und gegen den Anführer zu murren, der sie von dem leckeren Tische des Hauses der Knechtschaft hinweggelockt in die öde Wüste, die sie noch von dem Lande trennte, wo Milch und Honig fließen sollten. Seitdem ist die Geschichte jedes großen Befreiers eine Wiederholung der Geschichte Moses gewesen. Auf Freudenbezeigungen wie die am Ufer des rothen Meeres ist jederzeit, bis auf den heutigen Tag, sehr bald ein Murren wie das an den Wassern der Zwietracht gefolgt.9 Die gerechteste und heilsamste Revolution muß viele Leiden hervorbringen. Die gerechteste und heilsamste Revolution kann nicht all’ das Gute schaffen, das Leute von mangelhafter Bildung und sanguinischem Temperament von ihr erwarteten. Selbst der Weiseste vermag nicht, so lange sie noch neu ist, die Übel, die sie hervorgerufen, gegen die Übel, die sie beseitigt, mit vollkommener Genauigkeit abzuwägen. XI.9 Denn die Übel, die sie hervorgerufen, werden gefühlt, die Übel aber, die sie beseitigt, werden nicht mehr gefühlt.

So war es damals in England. Das Publikum war, wie immer während des Zustandes von Abkühlung, der auf Fieberanfälle folgt, mißmuthig, schwer zu befriedigen, unzufrieden mit sich selbst und unzufrieden mit denen, welche noch kürzlich seine Lieblinge gewesen. Der Waffenstillstand zwischen den beiden großen Parteien war zu Ende. Obwohl getrennt durch die Erinnerung an Alles was während eines Kampfes von einem halben Jahrhundert gethan und gelitten worden, hatte eine gemeinsame Gefahr sie auf einige Monate mit einander verbunden. Jetzt war die Gefahr vorüber, die Verbindung war aufgelöst und der alte Groll brach wieder in seiner ganzen Stärke hervor.

8. Grey’s Debates, Febr. 26. 1688/89.

9. Dieser Vergleich findet sich in zahlreichen Predigten und Flugschriften aus der Zeit Wilhelm’s III. Es existirt auch eine schwache Nachahmung von Absalom and Ahitophel, betitelt: The Murmurers. Wilhelm ist Moses; Cora, Dathan und Abiram Bischöfe, die den Eid verweigern; Balaam, glaube ich, Dryden, und Phineas Shrewsbury.

Stimmung der Tories. Jakob war während der letzten Jahre seiner Regierung von den Tories noch mehr gehaßt worden als von den Whigs, und zwar nicht ohne Grund, denn den Whigs war er nur ein Feind, den Tories aber war er ein treuloser und undankbarer Freund gewesen. Doch die alten royalistischen Gefühle, welche in der Zeit seiner gesetzlosen Herrschaft erloschen zu sein schienen, waren durch sein Mißgeschick zum Theil wieder geweckt worden. Viele Lords und Gentlemen, welche im December für den Prinzen von Oranien und ein freies Parlament zu den Waffen gegriffen, sagten zwei Monate später, sie hätten sich mit fortreißen lassen, sie hätten zu großes Vertrauen in die Erklärung Sr. Hoheit gesetzt und hätten in ihm eine Uneigennützigkeit vermuthet, die, wie es sich jetzt zeige, nicht in seinem Charakter liege. Sie hätten dem König Jakob zu seinem eigenen Besten einen leichten Zwang auflegen, die Jesuiten und Renegaten, die ihn irre geleitet, bestrafen und von ihm eine Garantie für die Aufrechthaltung der bürgerlichen und kirchlichen Institutionen des Reichs erlangen, nicht aber ihn entthronen und verbannen wollen. Für seine schlechte Verwaltung fand man Entschuldigungsgründe. Sei es ein Wunder, daß er, durch Rebellen, welche dem Namen Protestanten Schande machten, schon als Knabe seinem Vaterlande entrissen, und gezwungen seine Jugend in Ländern zu verleben, wo die römisch-katholische Religion herrschte, durch diesen verführerischen Aberglauben angezogen worden? Sei es ein Wunder, daß sein Charakter durch die Verfolgungen und Verleumdungen einer unversöhnlichen Partei härter und strenger geworden als man anfangs geglaubt, und daß er, als die, welche es versucht hatten, seine Ehre zu vernichten und ihn seines Geburtsrechts zu berauben, endlich in seiner Gewalt waren, die Gerechtigkeit nicht genügend durch Nachsicht gemildert habe? Was endlich die schlimmste ihm zur Last gelegte Anschuldigung betreffe: daß er durch Adoptirung eines untergeschobenen Kindes seinen Töchtern ihr rechtmäßiges Erbe habe entziehen wollen, — worauf gründe sich diese Anklage? Bloß auf geringfügige Umstände, die man wohl auf Rechnung des Zufalls oder der mit seinem Charakter nur zu sehr im Einklang stehenden Unbesonnenheit schreiben könne. Habe wohl je der einfältigste Dorfrichter einen Menschen ins Gefängniß geworfen, ohne stärkere Beweise zu verlangen, als die, auf welche hin das englische Volk seinen König des niedrigsten und abscheulichsten Betrugs schuldig erklärt habe? Allerdings habe er einige große Fehler begangen, und es sei nichts gerechter und verfassunggemäßer, als daß seine Rathgeber und Creaturen wegen dieser Fehler zur strengen Rechenschaft gezogen würden; auch verdiene von allen diesen Rathgebern und Creaturen XI.10 Niemand mehr bestraft zu werden als die Rundkopf-Sectirer, deren Schmeichelei ihn ermuthigt habe, in der verderblichen Ausübung der Dispensationsgewalt zu beharren. Es sei ein Grundgesetz des Landes, daß der König nicht Unrecht thun könne und daß, wenn Kraft seiner Autorität Unrecht gethan werde, seine Rathgeber und Werkzeuge dafür verantwortlich seien. Diese große und wesentliche Regel unsrer Verfassung sei jetzt umgedreht worden. Die Speichellecker, welche von Rechtswegen zu bestrafen gewesen seien, erfreuten sich der Straflosigkeit, und der König, der von Rechtswegen nicht zu bestrafen sei, werde mit schonungsloser Strenge bestraft. Sei es anders möglich, als daß die Cavaliere England’s, die Söhne der Krieger, welche unter Ruprecht gekämpft, bitteren Schmerz und Unwillen empfänden, wenn sie an das Schicksal ihres rechtmäßigen Lehnsherrn dächten, des Erben einer langen Reihe von Fürsten, der erst unlängst mit allem Glanze in Whitehall auf den Thron erhoben worden und jetzt ein Verbannter, ein Bittender, ein Bettler sei? Sein Unglück sei größer als selbst das des gefeierten Märtyrers, dessen Sprößling er sei. Der Vater sei durch erklärte Todfeinde hingeschlachtet worden, der Untergang des Sohnes sei das Werk seiner eigenen Kinder. Gewiß hätte die Strafe, wenn sie auch verdient sei, durch andere Hände auferlegt werden sollen. Und sei sie denn wirklich ganz verdient? Sei der unglückliche Mann nicht eher schwach und unbesonnen als schlecht? Besitze er nicht einige von den Eigenschaften eines vortrefflichen Fürsten? Man könne zwar nicht sagen, daß er ausgezeichnete Fähigkeiten habe, aber er sei thätig, er sei sparsam, er habe tapfer gefochten, er sei sein eigner Marineminister gewesen und habe als solcher seine Sache recht gut gemacht; er habe ferner, bevor seine geistlichen Leiter einen verhängnißvollen Einfluß auf ihn gewonnen, für einen Mann von strenger Gerechtigkeit gegolten, und endlich habe er, wenn er nicht von ihnen irre geführt worden sei, fast immer die Wahrheit gesprochen und ehrlich gehandelt. Bei so vielen Tugenden habe er, wenn er ein Protestant, ja selbst wenn er ein gemäßigter Katholik gewesen wäre, glücklich und ruhmvoll regieren können. Vielleicht sei es noch nicht zu spät für ihn, seine Fehler wieder gut zu machen. Man könne ihn wohl schwerlich für so verblendet und verderbt halten, daß er aus der empfangenen furchtbaren Lehre nicht Nutzen ziehen sollte, und wenn diese Lehre die Wirkung gehabt habe, die man vernünftigerweise davon erwarten dürfe, so werde England unter seinem rechtmäßigen Herrscher noch immer ein größeres Maß von Glück und Ruhe genießen können, als es von der Verwaltung des besten und tüchtigsten Usurpators zu erwarten habe.

Wir würden denen, welche diese Sprache führten, sehr Unrecht thun, wenn wir annähmen, daß sie, als Gesammtheit, aufgehört hätten, den Papismus und Despotismus mit Abscheu zu betrachten. Wohl mag es einige Zeloten darunter gegeben haben, welche den Gedanken, ihrem Könige Bedingungen vorzuschreiben, nicht ertragen konnten und die bereit waren, ihn zurückzurufen ohne die geringste Zusicherung von seiner Seite, daß nicht augenblicklich die Indulgenzerklärung wieder publicirt, die hohe Commission wieder eingesetzt, Petre wieder in den Staatsrath berufen und die Fellows des Magdalenencollegiums wieder vertrieben werden sollten. Allein die Zahl dieser Männer war klein. Um so größer war dagegen die Zahl derjenigen Royalisten, welche bereit gewesen wären, sich aufs neue um Jakob zu schaaren, wenn er seine Irrthümer eingesehen und versprochen XI.11 hätte, die Gesetze zu beobachten. Es ist eine bemerkenswerthe Thatsache, daß zwei talentvolle und erfahrene Staatsmänner, welche eine Hauptrolle in der Revolution gespielt hatten, wenige Tage nach derselben offen ihre Besorgniß äußerten, daß eine Restauration nahe bevorstehe. „Wenn König Jakob ein Protestant wäre,“ sagte Halifax zu Reresby, „so könnten wir ihn keine vier Monate außer Landes halten.“ — „Wenn König Jakob,“ sagte Danby um dieselbe Zeit zu dem nämlichen Manne, „dem Lande in Sachen der Religion nur einige Genugthuung geben wollte, was er leicht thun könnte, so würde es sehr schwer sein, ihm die Spitze zu bieten.“10 Zum Glück für England war Jakob, wie immer, sein eigener schlimmster Feind. Kein Wort, aus dem man hätte abnehmen können, daß er sich wegen der Vergangenheit tadele oder daß er in Zukunft verfassunggemäß zu regieren gedenke, war aus ihm heraus zu bringen. Jeder Brief, jedes Gerücht, das seinen Weg von Saint-Germains nach England fand, ließ einsichtsvolle Männer fürchten, daß, wenn er in seiner gegenwärtigen Stimmung wieder zur Macht gelangen sollte, die zweite Tyrannei schlimmer sein würde, als die erste. So mußten denn die Tories in ihrer Gesammtheit, wenn auch ungern, eingestehen, daß sie für den Augenblick nur die Wahl hatten zwischen Wilhelm und dem öffentlichen Ruin. Daher ließen sie sich die neue Regierung unmuthig gefallen, ohne jedoch die Hoffnung ganz aufzugeben, daß der eigentlich rechtmäßige König früher oder später der Stimme der Vernunft noch Gehör geben werde, und ohne für den factischen König eine Spur von Loyalität zu empfinden.

10. Reresby’s Memoirs.

Stimmung der Whigs. Es ist die Frage, ob der neuen Regierung während der ersten Monate ihres Bestehens die Zuneigung der Whigs nicht gefährlicher war als die Abneigung der Tories. Offene Feindschaft kann kaum nachtheiliger sein als mäkelnde, eifersüchtige, anspruchsvolle Zuneigung, und solcher Art war die, welche die Whigs dem Herrscher ihrer Wahl erwiesen. Sie lobten und priesen ihn laut, sie waren bereit, ihn mit Gut und Blut gegen fremde und einheimische Feinde zu unterstützen. Aber ihre Zuneigung zu ihm war eine ganz eigenthümliche. Eine Loyalität wie die, welche die tapferen Edelleute beseelte, die für Karl I. kämpften, oder wie die, welche Karl II. den durch eine zwanzigjährige schlechte Verwaltung hervorgerufenen Gefahren und Schwierigkeiten entrissen: einem solchen Gefühl waren die Lehren Milton’s und Sidney’s nicht günstig, so wenig als ein durch einen Aufstand eben erst zur Macht gelangter Fürst hoffen durfte, es einzuflößen. Die whiggistische Regierungstheorie geht dahin, daß der König für das Volk, nicht das Volk für den König da ist; daß das Recht eines Königs in keinem andren Sinne göttlich ist als wie das Recht eines Parlamentsmitgliedes, eines Richters, eines Geschwornen, eines Mayors und eines Constabels; daß, so lange der erste Beamte im Staate den Gesetzen gemäß regiert, ihm Gehorsam und Ehrerbietung bezeigt werden muß; daß aber, sobald er die Gesetze verletzt, ihm Widerstand geleistet werden darf, und daß er, wenn er die Gesetze gröblich, systematisch und beharrlich verletzt, abgesetzt werden muß. Von der Richtigkeit dieser Principien hing die Gerechtigkeit von Wilhelm’s Anspruch auf den Thron ab. Es liegt auf der Hand, daß XI.12 zwischen Unterthanen, welche diesen Principien huldigten, und einem Herrscher, dessen Thronbesteigung der Sieg dieser Principien gewesen war, ein ganz andres Verhältniß stattfinden mußte als das, welches zwischen den Stuarts und den Cavalieren bestand. Die Whigs liebten Wilhelm zwar, aber sie liebten ihn nicht als König, sondern als Parteiführer, und es war nicht schwer vorauszusehen, daß ihr Enthusiasmus bald nachlassen würde, wenn er sich etwa weigerte, der bloße Führer ihrer Partei zu sein, und versuchen sollte, den König der ganzen Nation zu spielen. Zum Dank für die Hingebung, die sie seiner Sache bewiesen, verlangten sie von ihm, daß er einer der Ihrigen, ein zuverlässiger, eifriger Whig sei, daß er seine Gunst nur Whigs zu Theil werden lasse, daß er allen alten Groll und Haß der Whigs zu seinem eignen mache, und es stand mit nur zu gutem Grunde zu befürchten, daß, wenn er diese Erwartung täuschte, der einzige Theil der Nation, der seiner Sache eifrig zugethan war, ihm entfremdet werden würde.11

Dies waren die Schwierigkeiten, von denen er sich im Augenblicke seiner Erhebung umringt sah. Wo es einen guten Ausweg gab, hatte er selten verfehlt, denselben zu wählen, jetzt aber hatte er nur die Wahl zwischen Wegen, die alle mit gleicher Wahrscheinlichkeit zum Verderben führten. Von der einen Partei durfte er keine aufrichtige Unterstützung erwarten, und die aufrichtige Unterstützung der andern konnte er sich nur dadurch erhalten, daß er selbst der entschiedenste Parteimann in seinem Königreiche, ein Shaftesbury auf dem Throne wurde. Verfolgte er die Tories, so verwandelte sich ihre Verstimmung unfehlbar in Wuth; gewährte er ihnen seine Gunst, so war es noch keineswegs gewiß, ob er dadurch ihre Zuneigung gewann, während es nur zu wahrscheinlich war, daß er dann seinen Halt im Herzen der Whigs verlieren werde. Etwas mußte er indeß thun, etwas mußte er wagen: es mußte ein Geheimrath vereidigt und alle wichtigen Staats- und Justizämter mußten besetzt werden. Es hierbei Allen recht zu machen, war unmöglich, es war schon schwer genug, es Jemandem recht zu machen; doch etwas mußte geschehen.

11. Hier, wie in vielen anderen Fällen, unterlasse ich es, meine Quellen anzuführen, weil ihrer zu viele sind. Meine Angaben über die Stimmung und gegenseitige Stellung der politischen und religiösen Parteien unter der Regierung Wilhelm’s III. sind nicht aus einem einzelnen Werke, sondern aus Tausenden vergessener Abhandlungen, Predigten und Satyren, kurz aus ganzen Literatur geschöpft, die in alten Bibliotheken modert.

Ministerielle Einrichtungen. Was man jetzt ein Ministerium nennt, das gedachte er nicht zu bilden. Überhaupt lernte England ein solches Ministerium erst kennen, als er einige Jahre auf dem Throne saß. Unter den Plantagenets, den Tudors und den Stuarts hatte es wohl Minister, aber kein Ministerium gegeben. Die Diener der Krone standen nicht, wie jetzt, in einem solidarischen Verhältnisse zu einander, man erwartete nicht von ihnen, daß sie, selbst in Fragen von höchster Bedeutung, gleicher Meinung seien. Oft waren sie sogar politische und persönliche Feinde und machten kein Geheimniß aus ihrer Feindschaft. Es galt noch nicht für nachtheilig und unschicklich, daß sie einander schwerer Verbrechen beschuldigten und daß Einer des Andren Kopf verlangte. Niemand hatte den Lordkanzler Clarendon heftiger angeklagt als Coventry, ein Mitglied der Schatzcommission. Niemand hatte den Lordschatzmeister XI.13 Danby heftiger angeklagt als Winnington, der Generalprokurator. Nur ein Einigungspunkt war zwischen den Regierungsmitgliedern: ihr gemeinsames Oberhaupt, der Souverain. Die Nation betrachtete ihn als das wirkliche Oberhaupt der Verwaltung und tadelte ihn streng, wenn er seine hohen Functionen auf einen Unterthan übertrug. Clarendon sagt uns, daß den Engländern seiner Zeit nichts so verhaßt gewesen sei als ein Premierminister. Sie würden, meint er, lieber unter einem Usurpator wie Oliver stehen, der factisch wie nominell erster Beamter im Staate war, als unter einem rechtmäßigen Könige, der sie an einen Großwessier verwies. Eine der Hauptbeschuldigungen, welche die Vaterlandspartei gegen Karl II. erhoben, bestand darin, daß er zu indolent und vergnügungssüchtig sei, um die Rechnungsablagen des Staatshaushaltes und die Inventuren der militärischen Vorrathsmagazine sorgfältig zu prüfen. Als Jakob auf den Thron kam, beschloß er, keinen Lordgroßadmiral, kein Admiralitätscollegium zu ernennen, sondern die ganze Leitung der Marineangelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen, und diese Einrichtung, welche heutzutage von Männern aller Parteien für im höchsten Grade verfassungswidrig und nachtheilig erklärt werden würde, fand damals allgemeinen Beifall selbst bei Solchen, die nicht geneigt waren, seine Handlungsweise in einem günstigen Lichte zu betrachten. Wie vollständig das Verhältniß, in welchem der König zu seinem Parlamente und zu seinen Ministern stand, durch die Revolution verändert worden war, erkannten anfangs selbst die erleuchtetsten Staatsmänner nicht. Man glaubte allgemein, daß die Regierung, wie in früherer Zeit, wieder durch von einander unabhängige Beamte geleitet werden und daß Wilhelm die Oberaufsicht über dieselben führen werde. Auch erwartete man zuversichtlich, daß ein Fürst von Wilhelm’s Befähigung und Erfahrung viele wichtige Geschäfte ohne allen fremden Rath und Beistand besorgen werde.

Wilhelm sein eigner Minister des Auswärtigen. Man hatte daher nichts zu erinnern, als man erfuhr, daß Wilhelm die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten sich selbst vorbehalten habe. Allerdings blieb auch kaum etwas Andres übrig, denn mit der einzigen Ausnahme Sir Wilhelm Temple’s, den nichts bewogen haben würde, aus seiner Zurückgezogenheit wieder ins öffentliche Leben zu treten, gab es damals keinen Engländer, der sich als fähig erwiesen hatte, eine wichtige Unterhandlung mit fremden Mächten zu einem ersprießlichen und ehrenvollen Ende zu führen. Viele Jahre waren verstrichen, seit England sich mit Gewicht und Würde in die Angelegenheiten der großen Republik der Nationen eingemischt. Die Aufmerksamkeit der geschicktesten englischen Staatsmänner war lange fast ausschließlich durch Zerwürfnisse in Bezug auf die bürgerliche und kirchliche Verfassung ihres eigenen Landes in Anspruch genommen worden. Die Streitigkeiten wegen der papistischen Verschwörung und der Ausschließungsbill, wegen der Habeas-Corpusacte und der Testacte hatten einen Überfluß, man könnte fast sagen eine Fluth von solchen Talenten erzeugt, welche in einer durch innere Spaltungen zerrissenen Gesellschaft Männer zu Macht und Ansehen erheben. Das ganze Festland hatte keine so geschickten und schlauen Parteiführer, keine so gewandten parlamentarischen Taktiker, keine so schlagfertigen und beredten Wortführer aufzuweisen als in Westminster versammelt waren. Aber es bedurfte einer ganz andren Schule, um einen Minister des Auswärtigen zu bilden, und die Revolution hatte England plötzlich in eine Lage versetzt, in welcher XI.14 die Dienste eines großen Ministers für die auswärtigen Angelegenheiten unentbehrlich waren.

Wilhelm eignete sich ganz vorzüglich zur Ausfüllung dieses Postens, dem die vollendetsten Staatsmänner seines Reiches nicht gewachsen waren. Er hatte sich schon seit geraumer Zeit als Unterhändler ausgezeichnet. Er war der Schöpfer und die Seele der europäischen Coalition gegen das Übergewicht Frankreichs. Der leitende Faden, ohne den es gefährlich war, das große und verwickelte Labyrinth der festländischen Politik zu betreten, war in seinen Händen. Daher wagten es seine englischen Räthe, so talentvoll und thätig sie sonst waren, während seiner Regierung nur selten, sich in den Theil der Staatsgeschäfte einzumischen, die er zu seinem speciellen Departement erwählt hatte.12

Die innere Verwaltung England’s konnte dagegen nur unter dem Beirathe und der Mitwirkung englischer Minister geleitet werden. Die Wahl, welche Wilhelm bei Ernennung dieser Minister traf, bewies, daß er sich vorgenommen hatte, keine Partei auszuschließen, die geneigt war, seinen Thron zu stützen. Den Tag darauf, nachdem ihm im Bankethause die Krone überreicht worden, wurde der Geheime Rath vereidigt. Die meisten Räthe waren Whigs; doch standen auch die Namen mehrerer ausgezeichneter Tories auf der Liste.13 Die vier höchsten Staatsämter wurden vier Edelleuten übertragen, welche die vier Hauptklassen der Politiker repräsentirten.

12. Folgende Stelle aus einer damaligen Schrift drückt die allgemeine Ansicht über diesen Punkt aus: „Die auswärtigen Angelegenheiten kennt er besser als wir; in Bezug auf die einheimischen Staatsgeschäfte aber bringt es ihm keine Unehre, wenn wir ihm über sein Verhältniß zu uns, über die Natur desselben und über das was er am zweckmäßigsten zu thun hat, unsre Meinung sagen.“ — An Honest Commoner’s Speech.

13. London Gazette, Febr. 18. 1688/88.

Danby. In praktischer Befähigung und geschäftlicher Erfahrung war keiner seiner Zeitgenossen Danby überlegen. Er hatte ein starkes Anrecht auf die Dankbarkeit des neuen Herrscherpaares, denn durch seine Geschicklichkeit war ihre Vermählung trotz unbesiegbar scheinender Schwierigkeiten zu Stande gebracht worden. Die Feindschaft, die er stets gegen Frankreich gehegt, war eine kaum minder gewichtige Empfehlung. Er hatte die Einladung vom 30. Juni unterzeichnet, hatte den Aufstand im Norden veranstaltet und geleitet und hatte in der Convention seinen ganzen Einfluß und seine ganze Beredtsamkeit wider den Regentschaftsplan aufgeboten. Trotzdem betrachteten ihn die Whigs mit unüberwindlichem Mißtrauen und Widerwillen. Sie konnten es nicht vergessen, daß er in schlimmen Tagen der erste Minister des Staats, das Haupt der Cavaliere, der Vorkämpfer der Prärogative, der Verfolger der Dissenters gewesen. Selbst indem er ein Rebell wurde, hatte er nicht aufgehört ein Tory zu sein. Wohl hatte er das Schwert gegen die Krone gezogen, aber nur zur Vertheidigung der Kirche. Wohl hatte er in der Convention durch seinen Widerstand gegen den Regentschaftsplan Gutes gewirkt, auf der andren Seite aber hatte er geschadet durch beharrliche Aufrechthaltung des Satzes, daß der Thron nicht erledigt und die Stände nicht berechtigt seien, über die Besetzung desselben zu entscheiden. Die Whigs waren daher der Meinung, er müsse sich für seine neuerlichen Verdienste dadurch reichlich belohnt erachten, daß man ihm die Strafe für die ihm zehn Jahre früher XI.15 zur Last gelegten Vergehen erlasse. Er dagegen schätzte seine unleugbar eminenten Talente und Dienste nach ihrem vollen Werthe und hielt sich für berechtigt zu dem hohen Posten eines Lordschatzmeisters, den er früher bekleidet. Seine Erwartung wurde jedoch getäuscht. Wilhelm erachtete es grundsätzlich für wünschenswerth, die Macht und das Patronat des Schatzamts unter mehrere Commissarien zu theilen. Er war der erste König von England, der vom Beginn bis zum Schlusse seiner Regierung den weißen Stab niemals den Händen eines einzelnen Unterthanen anvertraute. Danby ward die Wahl freigestellt zwischen der Präsidentschaft im Geheimen Rathe und einem Staatssekretariat. Er entschied sich verdrüßlich für die Präsidentschaft und während die Whigs murrten, als sie ihn so hoch gestellt sahen, bemühte er sich kaum, seinen Aerger darüber zu verbergen, daß er nicht noch höher gestellt worden war.14

14. London Gazette, Febr. 18. 1688/89; Reresby’s Memoirs.

Halifax. Halifax, der Ausgezeichnetste unter der kleinen Partei die sich rühmte, daß sie zwischen den Whigs und Tories das Gleichgewicht erhielt, übernahm das Geheimsiegel und blieb nach wie vor Sprecher im Hause der Lords.15 Er hatte sich durch streng gesetzliche Opposition gegen die letzte Regierung hervorgethan und mit großer Gewandtheit gegen die Dispensationsgewalt gesprochen und geschrieben; aber er hatte von dem Invasionsplane nichts wissen wollen, er hatte, selbst als die Holländer schon auf dem vollen Marsche gegen London waren, noch darauf hingearbeitet, eine Versöhnung zu Stande zu bringen, und er hatte Jakob erst dann verlassen, als dieser den Thron verließ. Von dem Augenblicke der schimpflichen Flucht aber hatte der scharfblickende Trimmer in der Überzeugung, daß ein gütlicher Vergleich nicht mehr möglich sei, einen entscheidenden Entschluß gefaßt. Er hatte sich in der Convention glänzend hervorgethan, und es war ein besonders glücklicher Griff, daß man ihn zu dem Ehrenamte ernannt, dem Prinzen und der Prinzessin von Oranien im Namen aller Stände England’s die Krone zu überreichen, denn soweit man überhaupt sagen kann, daß unsre Revolution den Charakter eines einzelnen Geistes trug, trug sie sicherlich den Charakter des großen, aber besonnenen Geistes Halifax’. Doch die Whigs waren nicht in der Stimmung, einen neueren Dienst als Ersatz für ein altes Vergehen anzunehmen, und das Vergehen Halifax’ war in der That ein arges gewesen. Vor langer Zeit hatte er während eines harten Freiheitskampfes in ihren vordersten Reihen gestritten, und als sie endlich siegten, als Whitehall in ihrer Gewalt zu sein schien, als sich eine nahe Aussicht auf Herrschaft und Rache eröffnete, da war er, und mit ihm das Glück, ins feindliche Lager übergegangen. In der großen Debatte über die Ausschließungsbill hatte seine Beredtsamkeit sie zu Boden geschmettert und der verzagten Hofpartei neuen Lebensmuth eingeflößt. Allerdings war er, obgleich er sie in den Tagen ihres übermüthigen Glücks verlassen, zur Zeit der Noth in ihre Reihen zurückgekehrt; aber jetzt, da die Noth vorüber war, vergaßen sie, daß er zu ihnen zurückgekehrt, und erinnerten sich nur noch, daß er sie verlassen hatte.16

15. London Gazette, Febr. 18. 1688/89; Lords’ Journals.

16. Burnet II. 4.

Nottingham. Der Ärger, mit dem sie Danby im Staatsrathe XI.16 präsidiren und Halifax das Geheimsiegel führen sahen, wurde nicht vermindert durch die Nachricht, daß Nottingham zum Staatssekretär ernannt sei. Einige von den eifrigen Kirchenmännern, welche nie aufgehört hatten, die Lehre vom Nichtwiderstande zu predigen, in deren Augen die Revolution nicht zu rechtfertigen war, die für eine Regentschaft gestimmt und bis zuletzt bei der Behauptung geblieben waren, daß der englische Thron nicht einen Augenblick erledigt sein könne, hielten es gleichwohl für ihre Pflicht, sich der Entscheidung der Convention zu unterwerfen. Sie hatten, sagten sie, sich nie gegen Jakob aufgelehnt und Wilhelm nicht gewählt; da sie aber jetzt einen Fürsten auf dem Thron sahen, den sie allerdings nie darauf gesetzt haben würden, waren sie der Meinung, daß kein göttliches oder menschliches Gesetz es ihnen zur Pflicht machte, den Kampf weiter fortzusetzen. Sie glaubten in der Bibel sowohl wie im Gesetzbuche Vorschriften zu finden, die nicht mißverstanden werden könnten. Die Bibel befiehlt Gehorsam gegen die bestehenden Gewalten an. Das Gesetzbuch enthält einen Paragraphen, welcher besagt, daß kein Unterthan deshalb als ein Übelthäter betrachtet werden solle, weil er sich dem im factischen Besitz des Thrones befindlichen Könige anschließe. Aus diesen Gründen glaubten Viele, die zur Einsetzung der neuen Regierung nicht mitgewirkt hatten, daß sie derselben ihre Unterstützung gewähren könnten, ohne weder Gott noch einen Menschen zu beleidigen. Einer der ausgezeichnetsten Staatsmänner dieser Schule war Nottingham. Auf sein Ansuchen hatte die Convention, bevor der Thron besetzt war, den Unterthaneneid dergestalt umgeändert, daß er und seine Meinungsgenossen diesen Eid unbedenklich leisten konnten. „Meine Grundsätze,“ sagte er, „gestatten mir nicht, mich bei der Wahl eines Königs zu betheiligen. Ist aber ein König einmal gewählt, so gebieten mir meine Grundsätze, ihm einen strengeren Gehorsam zu bezeigen, als er von Denen erwarten darf, die ihn gewählt haben.“ Zum Erstaunen einiger von Denen, die ihn am meisten schätzten, willigte er jetzt ein, im Staatsrathe zu sitzen und die Sekretariatssiegel anzunehmen. Wilhelm hoffte ohne Zweifel, diese Ernennung werde von der Geistlichkeit und der toryistischen Landgentry als eine genügende Bürgschaft dafür angesehen werden, daß er gegen die Kirche nichts Böses im Sinne habe. Selbst Burnet, der späterhin eine starke Abneigung gegen Nottingham fühlte, gestand in einigen bald nach der Revolution geschriebenen Abhandlungen, daß der König richtig geurtheilt und daß der zur Unterstützung der neuen Herrscher ehrlich verwendete Einfluß des toryistischen Staatssekretärs England vor großen Calamitäten bewahrt habe.17

17. Diese Abhandlungen finden sich in einem Handschriftenbande, der zur Harley’schen Sammlung gehört und mit der Nummer 6584 bezeichnet ist. Sie bilden thatsächlich die ersten Entwürfe zu einem großen Theile von Burnet’s History of His Own Times. Die Zeitpunkte, zu welchen die verschiedenen Theile dieses höchst merkwürdigen und interessanten Werkes abgefaßt wurden, sind angegeben. Fast das Ganze wurde vor Mariens Tode geschrieben. Erst zehn Jahre später begann Burnet seine Geschichte der Regierung Wilhelm’s für den Druck vorzubereiten. Während dieses Zeitraums hatten sich seine Ansichten, über Menschen sowohl als Dinge, sehr geändert. Deshalb ist der erste Entwurf so außerordentlich werthvoll, denn er enthält manche Thatsachen, die er nachher auszulassen für räthlich hielt, und einige Urtheile, welche er später zu ändern Ursache fand. Ich muß jedoch gestehen, daß mir seine ersten Ansichten gewöhnlich besser gefallen. Wenn seine Geschichte einmal neu gedruckt würde, sollte sie mit diesem Manuscriptbande sorgfältig verglichen werden. Überall wo ich mich auf diese Handschrift beziehe, kann der Leser annehmen, daß sie etwas enthält, was sich in seiner gedruckten Geschichte nicht findet.

Über Nottingham’s Ernennung siehe Burnet II. 8, London Gazette, March 7. 1688/89 und Clarendon’s Diary, Febr. 15.

XI.17

Shrewsbury. Der andre Staatssekretär war Shrewsbury.18 Seit Menschengedenken hatte kein so junger Mann einen so hohen Posten bei der Regierung bekleidet. Er hatte eben erst sein achtundzwanzigstes Lebensjahr zurückgelegt. Gleichwohl erblickte Niemand, mit Ausnahme der feierlichen Formalisten bei der spanischen Gesandtschaft, in seiner Jugend ein Hinderniß für seine Ernennung.19 Er hatte sich schon durch die hervorragende Rolle, die er bei der Befreiung seines Vaterlandes gespielt, einen Platz in der Geschichte gesichert. Seine Talente, seine Kenntnisse, sein liebenswürdiges Benehmen und sein sanfter Charakter machten ihn allgemein beliebt. Besonders die Whigs beteten ihn fast an. Niemand ahnete, daß er mit vielen großen und gewinnenden Eigenschaften solche Fehler des Geistes und Herzens verband, welche den Rest seines unter so günstigen Auspicien begonnenen Lebens ihm selbst zur Last und seinem Lande fast nutzlos machen sollten.

18. London Gazette, Febr. 18. 1688/89.

19. Don Pedro de Ronquillo macht diese Bemerkung.

Die Admiralität. Die Leitung der Marineangelegenheiten und der Finanzen wurde Collegien übertragen. Herbert ward erster Commissar der Admiralität. Er hatte unter der vorigen Regierung Reichthum und Würden aufgegeben, als er sah, daß er sie mit Ehren und mit gutem Gewissen nicht behalten konnte; er hatte die denkwürdige Einladung nach dem Haag überbracht und die holländische Flotte auf der Fahrt von Helvoetsluys nach Torbay befehligt. In Bezug auf Muth und Berufstüchtigkeit genoß er eines hohen Rufes. Wohl wußte man, daß er auch seine Thorheiten und Fehler begangen, aber sein neuerliches Benehmen in einer Zeit schwerer Prüfung hatte Alles wieder gut gemacht und berechtigte zu der Hoffnung, daß seine fernere Laufbahn eine ruhmvolle sein werde. Ihm zur Seite im Admiralitätscollegium standen zwei ausgezeichnete Mitglieder des Hauses der Gemeinen: Wilhelm Sacheverell, ein Whigveteran, der sich bei seiner Partei eines großen Ansehens erfreute, und Sir Johann Lowther, ein rechtschaffener und äußerst gemäßigter Tory, der in Bezug auf Vermögen und parlamentarische Bedeutung unter der englischen Gentry eine der ersten Stellen einnahm.20

20. London Gazette, March 11. 1688/89.

Das Schatzamt. An die Spitze der Finanzen wurde Mordaunt, einer der heftigsten Whigs, gestellt, warum, ist schwer zu sagen. Sein romanhafter Muth, sein ruheloser Geist, seine excentrischen Einfälle, sein Hang zu verzweifelten Wagnissen und staunenerregenden Effecten waren eben keine Eigenschaften, die ihm bei finanziellen Operationen und Unterhandlungen von besonderem Nutzen sein konnten. Der zweite Schatzcommissar und zugleich Kanzler der Schatzkammer war Delamere, ein womöglich noch heftigerer Whig als Mordaunt. Außerdem saßen zwei whiggistische Mitglieder des Hauses der Gemeinen in dem Collegium: Sir Heinrich Capel, Bruder jenes Earls von Essex, der sich im Tower entleibte, und Richard Hampden, der Sohn des großen Führers des Langen Parlaments. Der Commissar aber, auf dem die Hauptlast der Geschäfte ruhte, XI.18 war Godolphin. Dieser schweigsame, einsichtsvolle, fleißige und harmlose, für keine Regierung schwärmende, aber jeder Regierung nützliche Mann war nach und nach ein fast unentbehrlicher Theil der Staatsmaschiene geworden. Obgleich ein Anhänger der Landeskirche, hatte er sich doch an einem von Jesuiten geleiteten Hofe emporgeschwungen. Obwohl er für eine Regentschaft gestimmt hatte, war er doch das wirkliche Oberhaupt eines mit Whigs angefüllten Schatzamtes. Seine Fähigkeiten und Kenntnisse, welche unter der vorigen Regierung die Mängel Bellasyse’s und Dower’s ausgeglichen hatten, waren auch jetzt nöthig, um die Mängel Mordaunt’s und Delamere’s zu übertragen.21

21. London Gazette, March 11. 1688/89.

Das große Siegel. Die Verleihung des großen Siegels hatte einige Schwierigkeiten. Der König wünschte es zuerst Nottingham anzuvertrauen, dessen Vater es mehrere Jahre mit großer Auszeichnung geführt hatte.22 Nottingham aber lehnte es ab, und es wurde deshalb Halifax angetragen, der es ebenfalls ablehnte. Beide Lords fühlten ohne Zweifel, daß dies ein Amt sei, das sie nicht mit Ehren für sich selbst und mit Nutzen für den Staat verwalten konnten. In alten Zeiten war das Staatssiegel zwar größtentheils in den Händen von Nichtjuristen gewesen. Selbst noch im siebzehnten Jahrhundert hatten es zwei ausgezeichnete Männer geführt, welche in keinem Rechtscollegium studirt hatten. Dechant Williams war Lordsiegelbewahrer Jakob’s I., Shaftesbury Lordkanzler Karls II. gewesen; aber solche Ernennungen konnten nicht länger ohne ernste Nachtheile stattfinden. Die Billigkeit hatte sich allmälig zu einer verwickelten Wissenschaft ausgebildet, welche kein menschlicher Verstand ohne lange und angestrengte Studien ausüben konnte, selbst Shaftesbury hatte bei all’ seinem scharfen Verstande seinen Mangel an technischen Kenntnissen schmerzlich gefühlt,23 und während der fünfzehn Jahre, welche verstrichen waren, seitdem er das Siegel niedergelegt, waren diese technischen Kenntnisse seinen Nachfolgern immer nothwendiger geworden. Daher wagte es weder Nottingham, obwohl er einen Schatz juristischer Kenntnisse besaß, wie man ihn selten bei einem Manne findet, der die Rechtswissenschaft nicht studirt hat, noch Halifax, obgleich er bei den Gerichtssitzungen des Hauses der Lords oft die Versammlung durch sein treffendes Urtheil und durch seine scharfe Logik in Erstaunen gesetzt, das höchste Amt, das ein englischer Laie bekleiden kann, anzunehmen. Nach langem Zaudern wurde das Siegel einer Commission von ausgezeichneten Juristen, mit Maynard an der Spitze, übertragen.24

22. Ich habe mich an die mir am wahrscheinlichsten dünkende Erzählung der Sache gehalten. Man ist aber in Zweifel gewesen, ob Nottingham aufgefordert wurde, Kanzler, oder nur erster Commissar des großen Siegels zu werden. Vergleiche Burnet, II. 3, und Boyer’s History of William, 1702. Narcissus Luttrell spricht zu wiederholten Malen, sogar noch am Schlusse des Jahres 1692, von Nottingham als muthmaßlichem Kanzler.

23. Roger North erzählt einen ergötzlichen Fall von Shaftesbury’s Verlegenheit.

24. London Gazette, March 4. 1688/89.

Die Richter. Die Wahl der Richter machte der neuen Regierung Ehre. Jedes Mitglied des Geheimraths wurde aufgefordert eine Liste einzureichen. Diese Listen wurden miteinander verglichen und zwölf Männer von hervorragendem Talent und Verdienst ausgewählt.25 Pollexfen hatte XI.19 in Folge seiner juristischen Kenntnisse und seiner whiggistischen Grundsätze Anspruch auf den höchsten Platz. Aber man erinnerte sich, daß er in den westlichen Grafschaften bei den Assisen, welche auf die Schlacht von Sedgemoor folgten, als Commissar der Krone fungirt hatte. Es geht zwar aus den Berichten über die Untersuchungen hervor, daß er, wenn er überhaupt von der Krone bevollmächtigt war, so wenig that als er konnte und daß er es den Richtern überließ, Zeugen und Gefangene einzuschüchtern. Dessenungeachtet aber war sein Name in der öffentlichen Meinung mit den blutigen Assisen untrennbar verbunden. Er konnte daher nicht füglich an die Spitze des höchsten Criminalgerichtshofes gestellt werden.26 Nachdem er einige Wochen als Generalfiskal fungirt, ward er zum Oberrichter der Common Pleas ernannt. Sir John Holt, ein noch junger Mann, aber ausgezeichnet durch Gelehrsamkeit, Rechtschaffenheit und Muth, wurde Oberrichter der King’s Bench, Sir Robert Atkyns, ein ausgezeichneter Jurist, der einige Jahre in ländlicher Zurückgezogenheit zugebracht, der aber in Westminster Hall noch immer eines großen Rufes genoß, wurde zum ersten Baron27 ernannt. Powell, der wegen seiner ehrenwerthen Erklärung zu Gunsten der Bischöfe abgesetzt worden war, nahm seinen Sitz unter den Richtern wieder ein. Treby wurde Pollexfen’s Nachfolger als Generalfiskal, und Somers wurde zum Prokurator ernannt.28

25. Burnet II. 5.

26. The Protestant Mask taken off from the Jesuited Englishman, 1692.

27. Die Richter der Schatzkammer werden Barons genannt. Der Übersetzer.

28. Diese Ernennungen wurden erst am 6. Mai in der Gazette bekannt gemacht, einige derselben aber waren schon früher erfolgt.

Der Hofstaat. Zwei der höchsten Ämter im königlichen Hofstaate wurden mit zwei englischen Cavalieren besetzt, welche ganz geeignet waren, die Zierde eines Hofes zu werden. Der hochherzige und kenntnißreiche Devonshire ward zum Obersthofmeister ernannt. Niemand hatte in der entscheidenden Crisis für England mehr gethan und gewagt. Indem er England’s Freiheiten wiederhergestellt, hatte er auch das Vermögen seines eigenen Hauses wiedererlangt. Seine Schuldverschreibung über dreißigtausend Pfund wurde unter den Papieren gefunden, welche Jakob in Whitehall zurückgelassen, und von Wilhelm vernichtet.29

Dorset wurde Lordkammerherr und verwendete den Einfluß und das Patronat seiner Stellung, wie schon seit langer Zeit seine Privatmittel, zur Aufmunterung des Genies und zur Linderung des Mißgeschicks. Eine der ersten Maßregeln, die er zu ergreifen gezwungen war, muß einem Mann von so edlem Charakter und so warmer Theilnahme für alles Ausgezeichnete in Künsten und Wissenschaften, sehr schmerzlich gewesen sein. Dryden konnte nicht länger Hofdichter bleiben. Das Publikum würde es nicht geduldet haben, unter den Dienern Sr. Majestät einen Papisten zu sehen, und Dryden war nicht nur ein Papist, sondern ein Apostat. Außerdem hatte er die Schuld seines Glaubensabfalls noch dadurch erschwert, daß er die Kirche, die er verlassen, verleumdet und verspottet hatte. Er hatte sie, wie man scherzweise sagte, behandelt, wie die heidnischen Verfolger des Alterthums ihre Kinder behandelten. Er hatte sie in die Haut XI.20 eines wilden Thieres gekleidet und sie dann zur öffentlichen Belustigung gehetzt.30 Er wurde entlassen, erhielt aber von der Privatgüte des freigebigen Kammerherrn eine seinem zurückgezogenen Gehalt gleichkommende Pension. Dessenungeachtet fuhr der abgesetzte poeta laureatus, der eben so arm an Edelsinn wie reich an Geistesgaben war, Jahr aus Jahr ein fort, den nicht erlittenen Verlust zu beklagen, bis endlich sein Gejammer Äußerungen wohlverdienter Verachtung von Seiten ehrenwerther Jakobiten hervorrief, welche ihren Grundsätzen Alles aufgeopfert hatten, ohne deshalb ein bittendes oder klagendes Wort laut werden zu lassen.31

Im königlichen Hofstaat wurden auch einige von den holländischen Edelleuten angestellt, die sich der besonderen Gunst des Königs erfreuten. Bentinck bekam das hohe Amt des ersten Kammerherrn mit einem jährlichen Gehalt von fünftausend Pfund; Zulestein erhielt die Oberaufsicht über die königliche Garderobe, und Oberstallmeister ward Auverquerque, ein tapferer Soldat, der das Blut der Nassau und das Blut der Horn in sich vereinigte und der mit gerechtem Stolze ein kostbares Schwert trug, welches ihm die Generalstaaten in Anerkennung des Muthes verliehen hatten, mit dem er an dem blutigen Tage von Saint-Denis Wilhelm das Leben gerettet.

Das Amt des Vicekammerherrn der Königin wurde einem Manne zu Theil, der sich eben erst im öffentlichen Leben bemerkbar gemacht hatte und dessen Name in der Geschichte dieser Regierung häufig vorkommen wird. Johann Howe, oder, wie er gewöhnlich genannt wurde, Jack Howe, war von dem Burgflecken Cirencester zur Convention gesandt worden. Seine äußere Erscheinung war die eines Mannes, dessen Körper durch die unablässige Thätigkeit eines ruhelosen und reizbaren Geistes aufgerieben worden. Er war lang, hager und bleich, und sein unruhiges, stechendes Auge hatte einen Ausdruck von Wildheit und Verschlagenheit. Er war seit mehreren Jahren als kleiner Dichter bekannt, und einige der zügellosesten Spottlieder, welche in den Kaffeehäusern circulirten, wurden ihm zugeschrieben. Im Hause der Gemeinen aber entfalteten sich seine Talente wie sein giftiges Wesen am auffallendsten. Er war noch keine drei Wochen XI.21 Mitglied desselben, als er sich schon durch seine Sprachgewandtheit, seine beißende Schärfe und seine Hartnäckigkeit bemerkbar gemacht hatte. Scharfsinn, Energie und Kühnheit erhoben ihn bald zu dem Range eines bevorzugten Menschen. Seine Feinde — und er hatte viele Feinde — sagten jedoch, daß er seine persönliche Sicherheit selbst in der heftigsten Aufregung nicht aus den Augen lasse und die Soldaten mit einer Rücksicht behandle, die er gegen Damen oder Bischöfe niemals zeige. Aber Niemand besaß in größerem Maße den gefährlichen Muth, der dem Widerwillen und dem Hasse trotzt und sogar darum buhlt. Keine Schicklichkeitsgründe vermochten ihn in Schranken zu halten, sein Haß war unversöhnlich, und er besaß eine merkwürdige Geschicklichkeit darin, die schwachen Seiten starker Geister herauszufinden. Alle seine großen Zeitgenossen fühlten gelegentlich seinen Stachel. Einmal schlug dieser Stachel eine Wunde, die sogar Wilhelm aus seiner ruhigen Fassung brachte und ihm die Äußerung entlockte, daß er wohl wünschte ein Privatmann zu sein, damit er Mr. Howe zu einer kurzen Unterredung hinter Montague House einladen könne. Gegenwärtig jedoch gehörte Howe zu den eifrigsten Stützen der neuen Regierung und richtete alle seine Sarkasmen und Ausfälle gegen die Mißvergnügten.32

29. Kennet’s Funeral Sermon on the first Duke of Devonshire, und Memoirs of the Family of Cavendish, 1708.

30. Siehe ein Gedicht betitelt: A Votive Tablet to the King and Queen.

31. Siehe Prior’s Widmung seiner Gedichte an Dorset’s Sohn und Nachfolger, und Dryden’s Essay on Satire als Einleitung zu den Übersetzungen aus Juvenal. In Collier’s Short View of the Stage wird Dryden’s weibische Klagsucht bitter verhöhnt. In Blackmore’s Prince Arthur, ein Gedicht, das bei aller seiner Werthlosigkeit einige interessante Anspielungen auf zeitgenössische Personen und Dinge enthält, kommen folgende Strophen vor:

Der Dichter Chor an seiner Thüre stand

Und harrt’ der milden Spende seiner Hand.

Auch Laurus zeigt sich in dem magren Schwarm,

Der alte Barde voller Groll und Harm;

Verlangt Gehör und drängt und stößt mit Fuß und Arm.

Das Haus Sakil’s, der Musen Schloß, erklang

Von endlosem Geschrei und lautem Sang.

Dem guten Sakil selbst Laurus gern seinen Segen schenkt,

Doch Sakil’s Fürst und Gott er stets mit Flüchen nur bedenkt,

Sakil ohn’ Unterschied sein Brot vertheilt,

Den Schmeichler hasset er, des Dichters Noth er heilt.

Ich brauche wohl nicht zu sagen, daß Sakil Sackville und daß Laurus eine Umschreibung des bekannten Spottnamens Bayes ist.

32. Kaum ein andrer Mann der damaligen Zeit wird in Flugschriften und Satiren häufiger erwähnt als Howe. In der berüchtigten Petition of Legion wird er „das schamlose Ärgerniß der Parlamente“ genannt. Merkwürdig ist auch was Mackay über ihn sagt. In einem 1690 geschriebenen Gedicht, daß ich nur als Manuscript gesehen habe, kommt folgende Stelle vor.

„Zuerst Jack Howe mit seinem furchtbaren Talent;

Glücklich das Weib, das seinem Spottlied entgeht;

Gegen die Damen sein Muth keine Grenzen kennt;

Vor dem Dragoner er mit gezogenem Hute steht.“

Untergeordnete Ernennungen. Die niederen Stellen bei allen öffentlichen Ämtern wurden unter beide Parteien vertheilt; der größere Antheil aber kam auf die Whigs. Einige Personen, die dem Namen Whig wenig Ehre machten, wurden in der That glänzend für Dienste belohnt, die kein braver Mann geleistet haben würde. Wildman wurde zum Generalpostmeister ernannt, und Ferguson erhielt eine einträgliche Sinekure bei der Steuererhebung. Das Amt des Schatz-Prokurators war eben so wichtig als verhaßt. Dieser Beamte hatte politische Prozesse zu führen, die Beweise zu sammeln, den Anwalt der Krone zu instruiren, dafür zu sorgen, daß die Gefangenen nicht gegen ungenügende Bürgschaft in Freiheit gesetzt wurden, und darauf zu sehen, daß die Juries nicht aus regierungsfeindlichen Personen zusammengesetzt wurden. Zu den Zeiten Karl’s und Jakob’s waren die Schatz-Prokuratoren mit nur zu gutem Grunde beschuldigt worden, daß sie gegen dem Hofe mißliebige Personen die empörendsten Chikanen anwendeten. Die neue Regierung hätte hier eine Wahl treffen sollen, die über jeden Verdacht erhaben war. Leider entschieden sich Mordaunt und Delamere für Aaron Smith, einen hämischen und characterlosen Politiker, der in den Tagen der papistischen Verschwörung der Rechtsbeistand des Titus Oates und in das Ryehousecomplot tief verwickelt gewesen war. Richard Hampden, ein Mann von entschiedenen Ansichten, aber von gemäßigter Gesinnung, erhob Einwendungen gegen diese Ernennung. Aber seine Einwürfe wurden nicht beachtet. Die Jakobiten, welche Smith haßten und auch Ursache dazu hatten, XI.22 behaupteten er habe seine Stelle dadurch erlangt, daß er den Lords des Schatzes die Hölle heiß gemacht, und besonders ihnen gedroht habe, es würde Hampden das Leben kosten, wenn sie seine (Smith’s) gerechten Ansprüche nicht befriedigten.33

33. Sprat’s True Account; Letter to Chief Justice Holt, 1694; Letter to Secretary Trenchard, 1694.

Die Convention in ein Parlament verwandelt. Es vergingen einige Wochen, ehe die vorerwähnten Ernennungen öffentlich bekannt gemacht wurden, und währenddem hatte sich viel Wichtiges ereignet. Sobald der neue Geheimrath vereidigt war, mußte demselben eine ernste und dringliche Frage vorgelegt werden. Konnte die gegenwärtig tagende Convention in ein Parlament verwandelt werden? Die Whigs, welche eine überwiegende Majorität im Unterhause hatten, waren sämmtlich für die Bejahung dieser Frage. Die Tories dagegen, welche wußten, daß die öffentliche Stimmung sich während des letzten Monats bedeutend verändert hatte, und von einer allgemeinen Wahl eine ansehnliche Verstärkung hofften, waren für die Verneinung. Sie behaupteten, daß zum Bestehen eines Parlaments königliche Ausschreiben unerläßlich seien. Die Convention sei nicht durch solche Ausschreiben einberufen worden und dieser ursprüngliche Mangel könne jetzt nicht nachgeholt werden; daher seien die beiden Häuser bloße Privatklubbs und müßten sofort auseinandergehen.

Darauf wurde ihnen erwiedert, das königliche Ausschreiben sei eine bloße Formalität und es würde der unvernünftigste Irrwahn sein, wenn man um einer hohlen Form willen das Wesen unserer Gesetze und Freiheiten bedenklichen Zufällen aussetzen wollte. Wo immer man den Souverain, die geistlichen und weltlichen Peers und die von den Wahlkörpern des Reichs frei gewählten Volksvertreter versammelt sähe, habe man das Wesen eines Parlaments. Ein solches Parlament sei jetzt da, und könne es wohl etwas Thörichteres geben, als es zu einem Zeitpunkte aufzulösen, wo jede Stunde kostbar sei, wo zahlreiche wichtige Angelegenheiten sofortige gesetzmäßige Erledigung verlangten, und wo dem Staate Gefahren drohten, welche nur durch die vereinten Anstrengungen des Königs, der Lords und der Gemeinen abgewendet werden könnten? Ein Jakobit könne sich allerdings aus haltbaren Gründen weigern, diese Convention als ein Parlament anzuerkennen, denn er sei der Ansicht, daß sie von vornherein eine ungesetzliche Versammlung gewesen, daß alle ihre Beschlüsse ungültig und die Souveraine, die sie eingesetzt, Usurpatoren seien. Mit welcher Consequenz aber könne irgend einer von Denen, welche behaupteten, es müsse unverweilt durch Ausschreiben unter dem großen Siegel Wilhelm’s und Marien’s ein neues Parlament einberufen werden, die Autorität in Frage stellen, welche Wilhelm und Marien auf den Thron gesetzt habe? Wer Wilhelm als rechtmäßigen König ansähe, müsse nothwendig auch die Körperschaft von der dieser König sein Recht habe, als rechtmäßigen Großen Rath des Landes betrachten. Nach dem nämlichen Grundsatze könnten Diejenigen, welche ihn zwar nicht als einen rechtmäßigen König betrachteten, aber doch der Überzeugung seien, daß sie ihm als factischen Könige den Huldigungseid leisten dürften, sicherlich auch die Convention als ein factisch bestehendes Parlament anerkennen. Es liege auf der Hand, daß die Convention die Urquelle sei, aus der die Autorität aller zukünftigen XI.23 Parlamente abgeleitet werden und daß von der Rechtsgültigkeit der Beschlüsse der Convention die Rechtsgültigkeit jedes zukünftigen Gesetzes abhängen müsse. Wie könne der Strom höher steigen als die Quelle? Sei es nicht eine Absurdität, wenn man behaupten wolle, die Convention sei die höchste Macht im Staate, und doch eine Null, sie sei eine Legislatur für den höchsten aller Zwecke, und doch keine Legislatur für die geringfügigsten Zwecke; sie sei befugt, den Thron für erledigt zu erklären, die Thronfolge abzuändern, die Grenzen der Verfassung zu bestimmen, und doch nicht befugt, die unbedeutendste Verordnung zur Ausbesserung eines Hafendammes oder zur Erbauung einer Pfarrkirche zu erlassen?

Diese Argumente würden selbst dann von großem Gewicht gewesen sein, wenn alle Präcedenzfälle für die entgegengesetzte Meinung gesprochen hätten. In der That aber bot unsre Geschichte nur einen Fall dar, welcher überhaupt hier angezogen werden konnte, und dieser Fall sprach entschieden zu Gunsten des Satzes, daß königliche Ausschreiben zum Bestehen eines Parlaments nicht unbedingt nöthig seien. Kein königliches Ausschreiben hatte die Convention einberufen, welche Karl II. zurückrief. Gleichwohl war jene Convention noch nach seiner Restauration beisammen geblieben, hatte Gesetze gegeben, das Budget aufgestellt, eine Amnestieacte erlassen und die Lehnsdienstleistungen abgeschafft. Diese Maßnahmen waren durch eine Autorität sanctionirt worden, von der keine Partei im Staate ohne Ehrerbietung sprechen konnte. Hale hatte wesentlichen Theil daran genommen und hatte stets behauptet, daß sie streng gesetzlich seien. Auch Clarendon, so wenig er geneigt war, irgend eine, die Rechte der Krone oder das Ansehen des Siegels, dessen Bewahrer er war, beeinträchtigende Doctrin zu begünstigen, hatte erklärt, daß, wenn Gott der Nation zu einem äußerst kritischen Zeitpunkte ein gutes Parlament gegeben habe, es die größte Thorheit sein würde, technische Mängel in dem Instrument zu suchen, durch welches ein solches Parlament zusammenberufen sei. Konnte irgend ein Tory behaupten, daß die Convention von 1660 ehrwürdigeren Ursprungs gewesen sei als die von 1689? War ein Schreiben, das der erste Prinz von Geblüt auf Ansuchen der gesammten Pairie und Hunderter von Gentlemen, welche Grafschaften und Städte vertraten, erlassen hatte, nicht eine mindestens eben so gute Vollmacht als ein Beschluß des Rumpfparlaments?

Schwächere Gründe als diese würden den Whigs, welche die Majorität des Geheimen Raths bildeten, genügt haben. Der König begab sich demnach am fünften Tage nach seiner Proklamirung mit königlichem Gepränge in das Haus der Lords und nahm seinen Sitz auf dem Throne ein. Die Gemeinen wurden hereingerufen und er erinnerte nun seine Zuhörer mit vielen huldvollen Ausdrücken an die gefährliche Lage des Landes, und ermahnte sie, diejenigen Schritte zu thun, welche unnöthigen Verzögerungen im Gange der Staatsgeschäfte vorbeugen könnten. Seine Rede wurde von den zahlreich versammelten Gentlemen mit dem leisen Gemurmel aufgenommen, durch welches unsere Vorfahren ihren Beifall zu erkennen zu geben pflegten und das oft an geheiligteren Stätten als die Kammer der Peers war, gehört wurde.34 Sobald er sich wieder entfernt XI.24 hatte, wurde eine die Convention für ein Parlament erklärende Bill auf den Tisch der Lords gelegt und ohne weiteres von ihnen angenommen. Bei den Gemeinen dagegen gab es eine heiße Debatte. Das Haus erklärte sich zu einem Comité, und die Aufregung war so groß daß, nachdem die Autorität des Sprechers beseitigt war, die Ordnung kaum noch aufrecht erhalten werden konnte. Es wurden scharfe persönliche Ausfälle gewechselt. Der Ausruf „Hört ihn!“ den man ursprünglich nur zur Dämpfung ordnungswidrigen Geräusches und um die Mitglieder daran zu erinnern, daß es ihre Pflicht sei, der Discussion aufmerksam zu folgen, gebraucht hatte, war nach und nach das geworden was er jetzt ist, nämlich ein Ausruf, welcher je nach der Betonung, die man ihm gab, Bewunderung, Zustimmung, Entrüstung oder Hohn ausdrückte. Bei dieser Gelegenheit riefen die Whigs so geräuschvoll Hört! Hört! daß die Tories sich über Unschicklichkeit beklagten. Seymour, der Führer der Minorität, erklärte, daß von Freiheit der Debatte nicht mehr die Rede sein könne, wenn solcher Lärm geduldet werde. Einige alte whiggistische Mitglieder fühlten sich dadurch veranlaßt, ihn zu erinnern, daß, wenn er den Vorsitz führte, zuweilen ein gleiches Geschrei gehört und nicht verboten worden sei. So gereizt und erbittert indeß beide Parteien auch waren, bekundeten doch die beiderseitigen Reden die hohe Achtung vor Gesetz und verjährtem Recht, welche seit langer Zeit ein characteristischer Zug der Engländer ist und die, wenn sie auch zuweilen in Pedanterie und Aberglauben ausartet, immerhin ihr Gutes hat. Selbst in dieser wichtigen Krisis, als die Nation sich noch in der Gährung einer Revolution befand, erörterten unsere Staatsmänner ausführlich und ernst alle Umstände, welche bei der Absetzung Eduard’s II. und Richard’s II. obgewaltet, und untersuchten mit ängstlicher Genauigkeit, ob die Versammlung, welche, mit dem Erzbischof Lanfranc an der Spitze, Robert von der Normandie vom Throne ausschloß und Wilhelm den Rothen darauf setzte, nachher noch fortfuhr, als gesetzgebender Körper des Landes zu wirken oder nicht. Es wurde viel über die Geschichte der Ausschreiben, viel über die Etymologie des Wortes Parlament gesagt. Bemerkenswerth ist es, daß der alte Maynard derjenige Redner war, der die Sache von dem staatsmännischsten Gesichtspunkte auffaßte. Er hatte während der bürgerlichen Zwistigkeiten von fünfzig ereignißvollen Jahren gelernt, daß Fragen, welche die höchsten Interessen des Staats berührten, nicht durch Wortklaubereien und durch Brocken von juristischem Französisch und juristischem Latein entschieden werden konnten, und da er anerkanntermaßen der scharfsinnigste und gelehrteste englische Jurist war, durfte er seine Gedanken und Gesinnungen unumwunden aussprechen, ohne Gefahr zu laufen, der Ignoranz oder Anmaßung beschuldigt zu werden. Er verwarf die ganze Büchergelehrsamkeit, welche einige in solchen Dingen weit weniger erfahrene Männer als er in die Discussion gezogen hatten, als kleinlich und übel angebracht. „Wir stehen,“ sagte er, „in diesem Augenblicke nicht auf dem gebahnten Wege. Wenn wir daher entschlossen sind, nur auf diesem Wege fortzugehen, so werden wir gar nicht vorwärts kommen. Wer in einer Revolution sich vornimmt, nichts zu thun was nicht streng der herkömmlichen Form gemäß ist, gleicht einem Menschen, der sich in der Wildniß verirrt hat und beständig nur ruft: Wo ist die Landstraße? ich will nur auf der Landstraße gehen! — In einer Wildniß muß man denjenigen Weg einschlagen, auf dem man nach Hause gelangt. In einer Revolution XI.25 müssen wir das höchste Gesetz, das Wohl des Staates, zur Richtschnur nehmen.“ Ein andrer Rundkopfveteran, der Oberst Birch, sprach in gleichem Sinne und argumentirte mit großer Gewandtheit und Schärfe aus dem Präcedenzfalle von 1660. Seymour und seine Anhänger wurden im Comité geschlagen und wagten es nicht, das Haus über den Bericht abstimmen zu lassen. Die Bill ging rasch durch und erhielt am zehnten Tage nach Wilhelm’s und Mariens Thronbesteigung die königliche Zustimmung.35

34. Van Citters, 19. Febr. (1. März) 1688/89.

35. Stat. 1 W. & M. sess. I. c. 1. Siehe die Protokolle der beiden Häuser und Grey’s Debates. Die Beweisführung zu Gunsten der Bill ist in der Pariser Gazette vom 5. und 12. März 1689 gut zusammengefaßt.

Die Mitglieder der beiden Häuser werden aufgefordert die Eide zu leisten. Das Gesetz, welches die Convention in ein Parlament verwandelte, enthielt einen Paragraphen, welcher bestimmte, daß nach dem 1. März in keinem der beiden Häuser Jemand Sitz und Stimme haben solle, der nicht dem neuen Königspaare den Huldigungseid geleistet habe. Diese Verordnung brachte die ganze Gesellschaft in große Aufregung. Die Anhänger der verbannten Dynastie hofften und sagten mit Bestimmtheit voraus, daß die Eidverweigerer zahlreich sein würden. Die Minorität in beiden Häusern, meinten sie, werde der Sache der erblichen Monarchie treu bleiben. Es werde vielleicht hier und da einen Verräther geben, die große Masse Derer aber, welche für eine Regentschaft gestimmt hatten, werde fest bleiben. Zwei Bischöfe höchstens würden die Usurpatoren anerkennen. Seymour werde sich eher aus dem öffentlichen Leben zurückziehen, als seinen Grundsätzen untreu werden, Grafton habe sich schon vorgenommen, nach Frankreich zu entfliehen und seinem Oheim zu Füßen zu fallen. Solche Gerüchte machten während der letzten Hälfte des Februar durch alle Kaffeehäuser die Runde. Die Aufregung im Publikum war so groß, daß, wenn ein angesehener Mann zwei Tage hintereinander an seinen gewohnten Aufenthaltsorten vermißt wurde, man sich gleich zuraunte, er sei nach Saint-Germains entwichen.36

Der zweite März kam heran und das Resultat schlug die Befürchtungen der einen Partei nieder und zerstörte die Hoffnungen der andren. Der Primas hielt sich zwar mit einigen seiner Suffraganen beharrlich fern, aber drei Bischöfe und dreiundsiebzig weltliche Peers leisteten die Eide. Bei der nächsten Sitzung des Oberhauses fanden sich noch einige Prälaten mehr ein; kurz, binnen einer Woche hatten ungefähr hundert Lords die Bedingungen zur Einnahme ihrer Plätze erfüllt. Andere, welche durch Krankheit verhindert waren zu erscheinen, sandten Entschuldigungen und Versicherungen ihrer Anhänglichkeit an Ihre Majestäten. Grafton widerlegte alle über ihn in Umlauf gebrachten Märchen, indem er gleich am ersten Tage zur Eidesleistung erschien. Zwei Mitglieder der kirchlichen Commission, Mulgrave und Sprat, beeilten sich ihren Fehler dadurch gut zu machen, daß sie Wilhelm Treue und Gehorsam schworen. Beaufort, der lange als Typus eines Royalisten der alten Schule gegolten hatte, unterwarf sich nach kurzem Schwanken. Aylesbury und Dartmouth, obwohl zwei heftige Jakobiten, trugen eben so wenig Bedenken, den Huldigungseid zu leisten, als XI.26 sie nachher Bedenken trugen, ihn zu brechen.37 Die Hyde schlugen verschiedene Richtungen ein. Rochester fügte sich dem Gesetz; Clarendon aber zeigte sich widerspenstig. Viele fanden es sonderbar, daß der Bruder, der so lange zu Jakob gehalten, bis dieser flüchtete, sich weniger hartnäckig erwies, als der Bruder, der im holländischen Lager gewesen war. Die Erklärung ist vielleicht darin zu suchen, daß Rochester durch Verweigerung der Eide viel mehr verloren haben würde als Clarendon. Clarendon’s Einkünfte hingen nicht vom Belieben der Regierung ab; Rochester aber hatte einen Jahrgehalt von viertausend Pfund, den er fortzubeziehen nicht hoffen durfte, wenn er sich weigerte, das neue Herrscherpaar anzuerkennen. Er hatte in der That so viele Feinde, daß es sogar einige Monate zweifelhaft schien, ob man ihm unter irgend welchen Bedingungen die glänzende Belohnung lassen werde, die er sich durch Verfolgung der Whigs und durch einen Sitz in der Hohen Commission erworben hatte. Vor diesem harten Schlage für seine Vermögensumstände wurde er durch die Verwendung Burnet’s bewahrt, den er schwer beleidigt und der sich jetzt rächte wie es einem christlichen Priester ziemte.38

Im Unterhause wurden am zweiten März vierhundert Mitglieder vereidigt, darunter auch Seymour. Durch seinen Abfall ward der Muth der Jakobiten gebrochen, und die Minorität folgte mit sehr wenigen Ausnahmen seinem Beispiele.39

36. Van Citters sowohl als Ronquillo erwähnen die ängstliche Spannung, welche bis zum Bekanntwerden des Resultats in London herrschte.

37. Lords’ Journals, March 1688/89.

38. Siehe die Briefe, welche Rochester und Lady Ranelagh bei dieser Gelegenheit an Burnet schrieben.

39. Commons’ Journals, March 2. 1688, 89. Ronquillo schrieb: „Es de gran consideracion que Seimor haya tomado el juramento; porque es el arrengador y el director principal, en la casa de los Comunes, de los Anglicanos.“ 8.(18.) März 1688/89.

Fragen bezüglich des Einkommens. Schon vor dem zur Eidesabnahme bestimmten Tage hatten die Gemeinen eine wichtige Frage zu berathen begonnen, welche keinen Aufschub gestattete. Während des Interregnums hatte Wilhelm als provisorisches Haupt der Verwaltung die Steuern erhoben und sie für den Staatsdienst verwendet, ein Verfahren, dessen Angemessenheit von Niemandem, der die Revolution billigte, bestritten werden konnte. Jetzt aber war die Revolution vorüber, der Thron war wieder besetzt, die Häuser waren versammelt, das Gesetz war in voller Kraft, und es wurde nöthig, ohne Verzug zu entscheiden, zu welchem Einkommen die Regierung berechtigt war.

Niemand leugnete, daß alle Ländereien und erblichen Besitzungen der Krone mit dieser auf die neuen Herrscher übergegangen waren. Eben so wenig leugnete Jemand, daß alle Einkünfte, welche der Krone auf eine bestimmte Anzahl Jahre bewilligt worden, verfassunggemäß bis zum Ablauf des Termins beansprucht werden durften. Allein das Parlament hatte Jakob große Revenüen auf Lebenszeit verwilligt und ob diese von Wilhelm und Marien in Anspruch genommen werden konnten, so lange Jakob noch lebte, das war eine Frage, über welche die Ansichten getheilt waren.

Holt, Treby, Pollexfen und überhaupt alle angesehenen Whigjuristen, mit Ausnahme Somers’, meinten, diese Einkünfte seien dem vorigen Könige in seiner politischen Eigenschaft, aber auf seine natürliche Lebenszeit, XI.27 bewilligt worden, und sie seien daher, so lange er in einem fremden Lande zubringe, an Wilhelm und Marien zu bezahlen. Aus einem sehr gedrängten und unzusammenhängenden Berichte über die Debatte geht hervor, daß Somers von dieser Ansicht abwich. Er war der Meinung, daß, wenn die Parlamentsacte, welche die in Rede stehenden Abgaben aufgebürdet, ihrem Geiste nach ausgelegt würde, das Wort Leben als gleichbedeutend mit dem Worte Regierung betrachtet werden müsse, und daß sonach die Frist, auf welche diese Abgaben der Krone bewilligt worden, erloschen sei. Dies war unzweifelhaft die richtige Meinung, denn es war geradezu widersinnig, Jakob’s Interesse bei dieser Verwilligung als zu gleicher Zeit mit seiner Person und auch mit seinem Amte verknüpft zu betrachten, in einem Athem zu sagen, die Kaufleute von London und Bristol müßten Geld hergeben, weil er physisch noch lebe, und seine Nachfolger müßten dieses Geld bekommen, weil er politisch todt sei. Das Haus theilte entschieden die Ansicht Somers’. Die Mitglieder waren im Allgemeinen für die Vornahme einer großen Reform, denn man sah ein, daß ohne eine solche die Rechtserklärung nur eine unvollkommene Garantie für die öffentliche Freiheit sein würde. Während des Kampfes, den fünfzehn aufeinanderfolgende Parlamente gegen vier aufeinanderfolgende Könige geführt, war die Macht des Geldes die Hauptwaffe der Gemeinen gewesen, und wenn sich die Vertreter des Volks einmal verleiten ließen, diese Waffe aufzugeben, hatten sie jedesmal sehr bald Ursache gehabt, ihre allzu leichtgläubige Loyalität zu bereuen. In der Zeit der stürmischen Freude, welche auf die Restauration folgte, war Karl II. fast durch Acclamation ein großes Einkommen auf Lebenszeit bewilligt worden. Doch schon nach einigen Monaten gab es kaum einen ehrenwerthen Cavalier im Lande, der sich nicht gesagt hätte, daß die Zahlmeister der Nation weiser gehandelt haben würden, wenn sie die Mittel zur Abstellung der Mißbräuche, welche alle Zweige der Verwaltung schändeten, in ihrer Hand behalten hätten. Jakob II. hatte von seinem unterwürfigen Parlamente ohne eine opponirende Stimme ein Einkommen erlangt, welches hingereicht haben würde, die gewöhnlichen Staatsausgaben für seine ganze Lebenszeit zu bestreiten, und noch ehe er dieses Einkommen ein halbes Jahr genossen, machte sich die Mehrzahl Derer, welche so freigebig gegen ihn gewesen, bittere Vorwürfe wegen ihrer Liberalität. Wenn man der Erfahrung, einer langen und schmerzlichen Erfahrung, trauen durfte, so gab es keine wirksame Sicherheit gegen schlechte Verwaltung, sobald der Souverain nicht genöthigt war, sich öfters an seinen Großen Rath um Geldunterstützung zu wenden. Fast alle rechtschaffenen und einsichtsvollen Männer stimmten daher darin überein, daß wenigstens ein Theil der Zuschüsse nur auf kurze Termine verwilligt werden dürften. Und welcher Zeitpunkt war wohl geeigneter zur Einführung dieses neuen Modus als das Jahr 1689, der Anfang einer neuen Regierung, einer neuen Dynastie, einer neuen Ära in der constitutionellen Verwaltung? Die Meinung über diesen Gegenstand war so mächtig und allgemein, daß die abweichende Minorität nachgab. Es wurde zwar kein formeller Beschluß gefaßt, aber das Haus verfuhr nach der Annahme, daß die Jakob auf Lebenszeit bewilligten Einkünfte durch seine Abdankung aufgehoben seien.40

XI.28

Es war unmöglich, ohne Untersuchung und Berathung eine neue Feststellung des Einkommens vorzunehmen. Die Schatzkammer wurde daher angewiesen, die nöthigen Vorlagen zu beschaffen, welche das Haus in den Stand setzten, die öffentlichen Ausgaben und Einnahmen abzuschätzen. Inzwischen wurde den augenblicklichen Bedürfnissen des Staats mit geziemender Liberalität genügt. Eine durch directe monatliche Besteurung zu erhebende außerordentliche Unterstützung wurde dem Könige gewährt. Es wurde eine Verordnung erlassen, welche alle Diejenigen, die seit seiner Landung in seinem Namen die Jakob zugesprochenen Abgaben erhoben, für schuldlos erklärte, und die erloschenen Abgaben wurden noch auf einige Monate verlängert.

40. Grey’s Debates, Febr. 25, 26, 27. 1688/89.

Abschaffung der Herdsteuer. Auf seinem ganzen Marsche von Torbay bis London war Wilhelm von dem niederen Volke mit Bitten bestürmt worden, daß er es von der unerträglichen Last des Herdgeldes befreien möchte. Diese Abgabe scheint in der That alle die schlimmsten Übelstände in sich vereinigt zu haben, die man irgend einer Steuer zur Last legen kann. Sie war unverhältnißmäßig, und zwar in der verderblichsten Weise, denn sie lastete schwer auf dem Armen, und leicht auf dem Reichen. Ein Landmann, dessen ganzes Besitzthum keine zwanzig Pfund werth war, mußte zehn Schilling bezahlen, während der Herzog von Ormond oder der Herzog von Newcastle, deren Güter eine halbe Million werth waren, nur vier bis fünf Pfund bezahlten. Die Einsammler waren ermächtigt, das Innere jedes Hauses im Lande zu untersuchen, die Familien bei ihrer Mahlzeit zu stören, die Thüren der Schlafzimmer zu erbrechen, und, wenn die verlangte Summe nicht pünktlich bezahlt wurde, den Tisch, auf dem den armen Kindern ihr Gerstenbrot zugeschnitten wurde, oder das Kissen unter dem Haupte der Wöchnerin wegzunehmen und zu verkaufen. Eben so wenig vermochte das Schatzamt den Herdgeldmann wirksam daran zu hindern, daß er seine Vollmacht mit Härte ausübte, denn die Steuer war verpachtet und die Regierung war in Folge dessen genöthigt, die Gewaltthätigkeiten und Erpressungen, welche zu allen Zeiten den Namen Zöllner sprüchwörtlich zu dem verhaßtesten von der Welt gemacht haben, stillschweigend hingehen zu lassen.

Auf Wilhelm hatten die vernommenen Klagen und Beschwerden einen so erschütternden Eindruck gemacht, daß er den Gegenstand bei einer der ersten Sitzungen des Geheimen Raths zur Sprache brachte. Er forderte das Haus der Gemeinen durch eine Botschaft auf, zu erwägen, ob zweckmäßigere Einrichtungen den Mißbräuchen, welche so große Unzufriedenheit erregt hätten, wirksam abhelfen könnten, und setzte hinzu, daß er gern in die gänzliche Abschaffung der Steuer willigen würde, wenn es sich herausstellen sollte, daß die Mißbräuche von der Steuer unzertrennlich seien.41 Diese Mittheilung ward mit lautem Beifall aufgenommen. Allerdings gab es einige Finanzmänner der alten Schule, welche murmelten, daß Mitleid mit den Armen wohl etwas Schönes sei, daß aber kein Theil der Staatseinkünfte so pünktlich auf den Tag einginge als das Herdgeld, daß die Goldschmiede nicht immer bewogen werden könnten, auf die Sicherheit des nächsten Quartals der Zölle oder der Accise zu leihen, daß es aber nicht schwer sei, auf eine Herdgeldverschreibung Vorschüsse zu erhalten. Im XI.29 Hause der Gemeinen wagten die so Denkenden es nicht, ihre Stimmen gegen die allgemeine Ansicht zu erheben; im Hause der Lords aber entspann sich ein Kampf, dessen Ausgang eine Zeitlang zweifelhaft schien. Endlich aber erwirkte der kräftig angewendete Einfluß des Hofes eine Acte, kraft welcher die Kaminsteuer als ein Zeichen von Sklaverei erklärt und unter vielen Dankesversicherungen gegen den König für alle Seiten abgeschafft wurde.42

41. Commons’ Journals und Grey’s Debates, March 1. 1688/89.

42. Stat. 1 W. & M. sess. I. c. 10.; Burnet II. 13.

Entschädigung der Vereinigten Provinzen. Die Gemeinen bewilligten nach kurzer Debatte und ohne Abstimmung sechsmalhunderttausend Pfund zu dem Zwecke, die Kosten der Expedition, welche England befreit hatte, den Vereinigten Provinzen zurückzuerstatten. Die Leichtigkeit, mit der diese bedeutende Summe einem schlauen, thätigen und sparsamen Volke bewilligt ward, das in politischer Beziehung unser Bundesgenosse, in commercieller Hinsicht aber unser gefährlichster Nebenbuhler war, erregte außerhalb der Kammern einiges Murren und war mehrere Jahre lang ein Lieblingsthema für die Sarkasmen der toryistischen Tagesschriftsteller.43 Die Freigebigkeit des Hauses war jedoch leicht zu erklären. An dem nämlichen Tage, an welchem dieser Gegenstand berathen wurde, trafen in Westminster beunruhigende Nachrichten ein und überzeugten Viele, die zu einer andren Zeit geneigt gewesen wären, jede von den Holländern eingeschickte Rechnung einer strengen Prüfung zu unterwerfen, daß unser Land die Dienste fremder Truppen noch nicht entbehren konnte.

43. Commons’ Journals, March 15. 1688/89. Noch im Jahre 1713 spielte Arbuthnot im fünften Theile des John Bull mit viel Witz auf diesen Gegenstand an. „Was Euren Venire Facias betrifft,“ sagt John zu Nick Frog, „so habe ich Euch für einen schon bezahlt.“

Meuterei in Ipswich. Frankreich hatte den Generalstaaten den Krieg erklärt und die Generalstaaten hatten in Folge dessen vom Könige von England die Unterstützung verlangt, die er durch den Vertrag von Nimwegen zu leisten verpflichtet war.44 Er hatte einige Bataillone nach Harwich verordert, um sich dort zur Überfahrt nach dem Festlande bereit zu halten. Die alten Soldaten Jakob’s waren meist in einer sehr schlechten Stimmung, und dieser Befehl übte keine besänftigende Wirkung aus. Am größten war die Unzufriedenheit in dem Regimente, das gegenwärtig als das erste der Linie bezeichnet wird. Obgleich dieses Regiment der englischen Armee angehörte, hatte es doch seit der Zeit, da es zuerst unter dem großen Gustav kämpfte, fast ausschließlich aus Schotten bestanden, und die Schotten haben nie verfehlt, in jedem Lande, wohin ihr abenteuerlicher und ehrgeiziger Sinn sie führte, die geringste ihrem Heimathlande bewiesene Geringschätzung zu fühlen und zu ahnden. Offiziere wie Gemeine murmelten, daß der Beschluß einer ausländischen Versammlung in ihren Augen nichts gelte. Wenn sie überhaupt ihres Treuschwurs für König Jakob VII. entbunden werden könnten, so müsse dies durch die Stände von Edinburg, nicht durch die Convention von Westminster geschehen. Ihr Unmuth wuchs, als sie erfuhren, daß Schomberg zu ihrem Obersten ernannt war. Vielleicht hätten sie es sich zur Ehre schätzen sollen, den Namen des größten Soldaten Europa’s zu führen, aber bei aller seiner Tapferkeit und militärischen Tüchtigkeit war er doch nicht ihr XI.30 Landsmann, und während der sechsundfunfzig Jahre, welche verstrichen waren, seitdem sich ihr Regiment in Deutschland seine ersten Lorbeern verdiente, war es nie von einem Andren als einem Hopburn oder einem Douglas commandirt worden. In dieser gereizten Stimmung erhielten sie Befehl, zu den Streitkräften zu stoßen, die sich in Harwich sammelten. Es wurde viel gemurrt, doch kam es zu keinem Ausbruch, bis das Regiment in Ipswich anlangte. Hier gaben zwei Hauptleute, welche eifrige Anhänger des verbannten Königs waren, das Zeichen zur Empörung. Der Marktplatz füllte sich bald mit hin und her rennenden Pikenmännern und Musketiren. Schüsse wurden aufs Gerathewohl nach allen Richtungen hin abgefeuert. Diejenigen Offiziere, welche die Meuterer im Zaume zu halten versuchten, wurden überwältigt und entwaffnet. Endlich gelang es den Leitern des Aufstandes, einige Ordnung herzustellen und sie marschirten nun an der Spitze ihrer Anhänger aus Ipswich ab. Die kleine Armee bestand aus etwa achthundert Mann. Sie hatten vier Kanonen mitgenommen und sich der Kriegskasse bemächtigt, die eine bedeutende Summe Geldes enthielt. Eine halbe Meile von der Stadt wurde Halt gemacht, eine allgemeine Berathung gepflogen und beschlossen, daß die Meuterer in ihr Heimathsland zurückeilen und mit ihrem rechtmäßigen Könige leben und sterben wollten. Demgemäß brachen sie in Eilmärschen nach dem Norden auf.45

Als die Nachricht in London eintraf, war die Bestürzung groß. Es hieß, daß auch bei anderen Regimentern sich beunruhigende Symptome gezeigt hätten und besonders daß ein in Harwich liegendes Füsilircorps große Lust zu haben scheine, dem in Ipswich gegebenen Beispiele zu folgen. „Wenn diese Schotten,“ sagte Halifax zu Reresby, „nicht auf Unterstützung rechnen können, so sind sie verloren; haben sie aber im Einverständniß mit Anderen gehandelt, dann ist die Gefahr in der That sehr ernst.“46 Das Wahre scheint zu sein, daß eine Verschwörung bestand, die in vielen Heerestheilen Verzweigungen hatte, daß aber die Verschwörer durch die Festigkeit der Regierung und des Parlaments im Schach gehalten wurden. Es ward eben eine Ausschußsitzung des Geheimen Raths gehalten, als die Nachricht von dem Aufstande in London eintraf. Wilhelm Harbord, der Vertreter des Burgfleckens Launceston, welcher Mitglied des Ausschusses war, wurde von seinen Collegen ersucht, sich sogleich in das Haus der Gemeinen zu begeben und dort das Vorgefallene mitzutheilen. Er ging, erhob sich auf seinem Platze und erzählte seine Geschichte. Der Geist der Versammlung trug der Lage der Dinge gebührende Rechnung. Howe war der Erste, der kräftiges Einschreiten verlangte. „Ersuchet den König,“ sagte er, „seine holländischen Truppen gegen diese Leute zu entsenden. Ich wüßte nicht, wem man sonst trauen könnte.“ — „Die Sache ist kein Spaß,“ sagte der alte Birch, welcher Oberst im Dienste des Parlaments gewesen war und das mächtigste und berühmteste Haus der Gemeinen, das es je gegeben, durch dessen eigene Soldaten zweimal hatte säubern und zweimal hatte auseinandersprengen sehen; „wenn Ihr das Übel um sich greifen laßt, werdet Ihr binnen wenigen Tagen eine Armee auf dem Halse haben. Ersuchet den König, auf der Stelle Reiter und XI.31 Fußvolk abzusenden, und zwar seine eigenen Leute, auf die er sich verlassen kann, damit dieses Volk mit einem Schlage niedergeworfen wird.“ Jetzt fingen auch die Männer der langen Robe Feuer. „Das Wissen meines Berufs ist hier unnütz,“ sagte Treby. „Es kommt hier darauf an, der Gewalt mit Gewalt entgegenzutreten und im Felde das zu behaupten, was wir im Senate gethan haben.“ — „Schreibt an die Sheriffs,“ sprach Oberst Mildmay, Mitglied für Essex, „und laßt die Miliz aufbieten. Es sind ihrer Hundertfunfzigtausend Mann und lauter gute Engländer; sie werden Euch nicht im Stiche lassen.“ Es wurde beschlossen, daß alle in der Armee angestellten Mitglieder des Hauses vom Besuche des Parlaments dispensirt werden sollten, damit sie sich unverzüglich auf ihre militärischen Posten begeben könnten. Sodann wurde einstimmig eine Adresse votirt, welche den König ersuchte, energische Maßregeln zur Unterdrückung des Aufstandes zu ergreifen und eine Proklamation zu erlassen, welche die öffentliche Rache auf die Rebellen herabrief. Ein Mitglied deutete darauf hin, daß es vielleicht gut sei, wenn Sr. Majestät Denen, die sich im Guten unterwürfen, Verzeihung zusichere; allein das Haus verwarf wohlweislich diesen Vorschlag. „Es ist jetzt nicht der Augenblick,“ wurde sehr richtig bemerkt, „zu einer Nachsicht, die wie Furcht aussehen würde.“ Die Adresse wurde sogleich ins Haus der Lords gesandt und von diesen genehmigt. Zwei Peers, zwei Grafschaftsvertreter und zwei Abgeordnete von Burgflecken wurden damit an den Hof geschickt. Wilhelm empfing sie sehr gnädig und sagte ihnen, daß er bereits die nöthigen Befehle gegeben habe. In der That waren auch schon mehrere Regimenter Reiterei und Dragoner unter dem Commando Ginkell’s, eines der tapfersten und geschicktesten Offiziere der holländischen Armee, nach dem Norden entsendet worden.47

Mittlerweile eilten die Aufständischen durch die Gegend zwischen Cambridge und dem Wash. Ihr Weg führte über eine weite, öde Moorstrecke, die mit der ganzen Feuchtigkeit von dreizehn Grafschaften gesättigt war und auf welcher den größten Theil des Jahres ein grauer Nebel lagerte, über den sich der viele Meilen im Umkreise sichtbare prächtige Thurm von Ely erhob. In dieser traurigen, mit großen Schwärmen wilder Vögel bedeckten Gegend führte damals ein halbwildes Volk, bekannt unter dem Namen der Breedlings, ein amphibienartiges Leben, von einem Eiland festen Grund und Bodens zum andren theils watend theils rudernd.48 Die Straße gehörte zu den schlechtesten der ganzen Insel und als sich das Gerücht von der Annäherung der Rebellen verbreitete, wurden sie von dem Landvolke absichtlich noch mehr verschlechtert. Brücken wurden abgebrochen und Baumstämme quer über die Straßen gelegt, um das Fortschaffen der Kanonen zu erschweren. Dessenungeachtet drangen die schottischen Veteranen nicht nur mit großer Eil vor, sondern es gelang ihnen auch, ihre Artillerie mit fort zu bringen. So erreichten sie die Grafschaft Lincoln, und als sie nicht mehr weit voll Sleafort entfernt waren, erfuhren XI.32 sie, daß Ginkell mit einer unüberwindlichen Truppenmacht ihnen hart auf den Fersen sei. Von Sieg konnte so wenig die Rede sein wie von Entkommen. Die tapfersten Krieger konnten gegen eine vierfache Übermacht nichts ausrichten, das vortrefflichste Fußvolk konnte einer Reiterschaar nicht entrinnen. Da indessen die Anführer wohl wußten, daß sie keinen Pardon zu erwarten hatten, drangen sie in ihre Mannschaften, das Glück einer Schlacht zu versuchen. Eine fast von allen Seiten von Sümpfen und Teichen eingeschlossene Stelle war in dieser Gegend leicht gefunden. Hier wurden die Insurgenten aufgestellt und die Kanonen an der einzigen Seite aufgefahren, die man durch natürliche Vertheidigungsmittel nicht hinreichend gedeckt glaubte. Ginkell befahl den Angriff an einer Stelle zu unternehmen, die sich außer dem Bereiche der Geschütze befand, und seine Dragoner sprangen muthig ins Wasser, obwohl es so tief war, daß ihre Pferde schwimmen mußten. Jetzt sank den Rebellen der Muth. Sie versuchten zu parlamentiren, ergaben sich aber schließlich auf Gnade und Ungnade und wurden unter starker Bedeckung nach London gebracht. Ihr Leben war verwirkt, denn sie hatten sich nicht blos der Meuterei, welche damals kein legales Verbrechen war, sondern des bewaffneten Widerstandes gegen den König schuldig gemacht. Wilhelm unterließ jedoch mit weiser Nachsicht, das Blut selbst der Strafbarsten zu vergießen. Einige von den Haupträdelsführern wurden vor die nächsten Assisen von Bury gestellt und des Hochverraths überwiesen; aber ihr Leben ward geschont. Die Übrigen erhielten einfach den Befehl, zu ihrer Pflicht zurückzukehren. Das vor Kurzem so aussätzige Regiment ging gehorsam nach dem Continent und zeichnete sich dort in vielen beschwerlichen Feldzügen durch Treue, Disciplin und Tapferkeit aus.49

44. Wagenaar LXI.

45. Commons’ Journals, March 15. 1688/89.

46. Reresby’s Memoirs.

47. Commons’ Journals und Grey’s Debates, March 15. 1688/89, London Gazette, March 18.

48. Über den Zustand dieser Gegend zu Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts siehe Pepys’ Diary vom 18. Sept. 1663 und Tour through the whole Island of Great Britain, 1724.

49. London Gazette, March 25. 1689; Van Citters an die Generalstaaten vom 22. März (1. April); Briefe von Nottingham im Staatsarchive vom 23. Juli und 9. Aug. 1689; Historical Record of the First Regiment of Foot, auf Befehl der Regierung gedruckt. Siehe auch eine interessante Abschweifung in der Compleat History of the Life and Military Actions of Richard, Earl of Tyrconnel, 1689.

Die erste Meutereibill. Dieser Vorfall erleichterte eine wichtige Veränderung in unsrer Politik, eine Veränderung, welche zwar über kurz oder lang hätte vorgenommen werden müssen, die aber doch so leicht nicht hätte durchgeführt werden können, außer in einem Augenblicke der höchsten Gefahr. Die Zeit war endlich gekommen, wo es nöthig wurde, einen gesetzlichen Unterschied zwischen dem Soldaten und dem Bürger zu machen. Unter den Plantagenets und den Tudors hatte es kein stehendes Heer gegeben, und das stehende Heer, das England unter den letzten Königen des Hauses Stuart besessen, war von allen Parteien im Staate mit einem starken und nicht unbegründeten Widerwillen betrachtet worden. Das gemeine Recht gewährte dem Souverain nicht die Mittel, seine Truppen gebührend im Zaume zu halten, denn das Parlament, das sie als bloße Werkzeuge der Tyrannei betrachtete, hatte keine Lust gehabt, diese Mittel durch Gesetze zu bewilligen. Jakob hatte zwar seine bestochenen und servilen Richter dahin gebracht, daß sie einigen veralteten Gesetzen eine Auslegung gaben, die ihn in den Stand setzte, die Desertion mit einer Kapitalstrafe zu belegen. Allein diese Auslegung wurde von alten angesehenen Juristen als irrig betrachtet, und wäre sie auch richtig gewesen, XI.33 so würde sie doch bei weitem nicht alles das geboten haben, was zur Aufrechthaltung der militärischen Disciplin nöthig war. Selbst Jakob wagte es nicht, auf das Erkenntniß eines Kriegsgerichts hin die Todesstrafe zu verhängen. Der Deserteur wurde wie ein gewöhnlicher Verbrecher behandelt, vor die Assisen gestellt, auf die von einer großen Jury herausgefundenen Klagegründe hin von einer kleinen Jury abgeurtheilt, und es stand ihm frei, jeden in der Anklageacte zu entdeckenden Formfehler zu seinem Gunsten zu benutzen.

Indem die Revolution die Stellung des Fürsten und des Parlaments zu einander veränderte, hatte sie auch die gegenseitige Stellung der Armee und der Nation verändert. Der König und die Gemeinen waren jetzt einig und beide wurden durch die größte Militärmacht bedroht, die es seit dem Untergange des römischen Reichs in Europa gegeben hatte. Binnen wenigen Wochen konnten dreißigtausend sieggewohnte, von geschickten und erfahrenen Feldherren angeführte Veteranen aus den Häfen der Normandie und der Bretagne an unsere Küsten übersetzen. Daß eine solche Truppenmacht eine dreifache Anzahl von Milizen ohne große Schwierigkeit auseinandersprengen würde, konnte Niemand bezweifeln, der vom Kriege etwas verstand. Man mußte also reguläre Soldaten haben, und wenn man solche haben mußte, so war es im Interesse ihres eigenen wirksamen Bestehens, wie zur Sicherheit jeder andren Klasse durchaus nothwendig, daß sie unter einer strengen Disciplin gehalten wurden. Eine schlecht disciplinirte Armee ist zu allen Zeiten nichts weiter als eine kostspieligere und zügellosere Miliz gewesen, ohnmächtig gegen einen auswärtigen Feind und nur dem Lande selbst gefährlich, zu dessen Vertheidigung sie unterhalten wird. Es muß demnach eine strenge Grenzlinie zwischen den Soldaten und der übrigen Gesellschaft gezogen werden. Im Interesse der öffentlichen Freiheit müssen sie, inmitten der Freiheit, unter eine despotische Zucht gestellt werden. Sie müssen einem schärferen Strafcodex und einer nachdrücklicheren Prozeßordnung unterworfen sein, als nach denen die ordentlichen Gerichtshöfe verfahren. Gewisse Handlungen, welche bei dem Bürger unschuldig sind, müssen bei dem Soldaten Verbrechen sein. Gewisse Handlungen, welche bei dem Bürger mit Geldbuße oder Gefängniß geahndet werden, müssen bei dem Soldaten mit dem Tode bestraft werden. Die Maschinerie, vermittelst welcher die Gerichtshöfe die Schuld oder Unschuld eines angeklagten Bürgers feststellen, ist zu langsam und zu verwickelt, um auf einen angeklagten Soldaten Anwendung finden zu können, denn die militärische Insubordination ist von allen vorkommenden Krankheiten des Staatskörpers diejenige, welche die promptesten und eingreifendsten Gegenmittel erheischt. Wird das Übel nicht gleich im Keime erstickt, so breitet es sich aus, und weit kann es sich nicht ausbreiten ohne Gefahr für die eigentlichen Lebensnerven der Gesellschaft. Im Interesse des Gemeinwohls muß daher in Feldlagern eine summarische Gerichtsbarkeit von furchtbarer Ausdehnung strengen Tribunalen, aus Männern des Schwerts bestehend, übertragen werden.

Obgleich es aber gewiß war, daß das Land zu jenem Zeitpunkte ohne berufsmäßige Soldaten nicht sicher sein konnte, und eben so gewiß, daß berufsmäßige Soldaten schlimmer als nutzlos sein mußten, wenn sie nicht unter ein willkürlicheres und strengeres Regiment gestellt wurden als andere Leute, so konnte doch ein Haus der Gemeinen es nicht ohne große Besorgniß wagen, die Existenz eines stehenden Heeres anzuerkennen und XI.34 die Mittel zur Unterhaltung desselben zu bewilligen. Es gab kaum einen bedeutenden Staatsmann, der nicht oft die Überzeugung ausgesprochen hätte, daß unsre Verfassung und ein stehendes Heer nicht nebeneinander bestehen könnten. Die Whigs hatten es bei jeder Gelegenheit wiederholt, daß stehende Heere die freien Institutionen der Nachbarvölker vernichtet hätten. Eben so oft hatten die Tories es wiederholt, daß auf unsrer Insel ein stehendes Heer die Kirche umgestürzt, die Gentry tyrannisirt und den König gemordet habe. Kein Führer der einen wie der andren Partei konnte darauf antragen, daß ein solches Heer fortan eine bleibende Staatseinrichtung sein sollte, ohne sich der Beschuldigung grober Inconsequenz auszusetzen. Die Meuterei von Ipswich und der panische Schrecken, den dieselbe hervorgerufen, erleichterten die Durchführung eines Schrittes, der außerdem höchst schwierig gewesen sein würde. Es ward eine kurze Bill eingebracht, welche mit der bündigen Erklärung begann, daß das englische Recht von stehenden Heeren und Kriegsgerichten nichts wisse. Hierauf wurde verordnet, daß in Anbetracht der großen Gefahren, welche in diesem Augenblicke dem Staate drohten, kein Mann, der im besoldeten Dienst der Krone stehe, bei Todesstrafe oder derjenigen milderen Strafe, die ein Kriegsgericht für genügend halten würde, seine Fahnen verlassen oder sich gegen seine vorgesetzten Offiziere auflehnen dürfe. Dieses Gesetz sollte nur sechs Monate in Kraft bleiben, und viele von Denen, welche dafür stimmten, glaubten wahrscheinlich, daß es nach Ablauf dieser Frist als erloschen betrachtet werden würde. Die Bill ging rasch und leicht durch. Im Hause der Gemeinen wurde nicht eine einzige Abstimmung darüber vorgenommen. Eine mildernde Clausel, welche ein eigenthümliches Licht auf die damaligen Sitten wirft, wurde nach der dritten Lesung als Zusatz angefügt. Diese Clausel bestimmte, daß ein Kriegsgericht zu keiner andren Zeit als in den Stunden zwischen sechs Uhr Morgens und ein Uhr Nachmittags ein Todesurtheil fällen sollte. Man speiste damals zeitiger als jetzt, und es war nur zu wahrscheinlich, daß ein Gentleman unmittelbar nach Tisch in einem Zustande sein werde, in welchem ihm das Leben seiner Mitmenschen nicht füglich anvertraut werden konnte. Mit diesem Amendement wurde die erste und conciseste von unseren zahlreichen Meutereibills den Lords zugeschickt, durchlief dort binnen wenigen Stunden alle parlamentarischen Stadien und ward vom Könige genehmigt.50

So geschah ohne eine einzige abweichende Stimme im Parlamente, und ohne das leiseste Murren unter dem Volke, der erste Schritt zu einer Veränderung, welche zum Wohle des Staates nothwendig geworden war, die aber zur Zeit jede Partei im Staate mit der größten Besorgniß und dem entschiedensten Widerwillen betrachtete. Die sechs Monate vergingen und die öffentliche Gefahr war noch immer dieselbe. Die zur Aufrechthaltung der militärischen Disciplin nöthige Gewalt wurde der Krone nochmals auf kurze Zeit zugestanden. Die Vollmacht erlosch wieder, und wieder wurde sie erneuert. So versöhnte die Gewohnheit ganz allmälig die öffentliche Meinung mit den einst so verhaßten Namen: stehendes Heer und Kriegsgericht. Die Erfahrung bewies, daß in einem wohleingerichteten Staate berufsmäßige Soldaten einem auswärtigen Feinde Respect einflößen und doch der bürgerlichen Gewalt gehorsam sein könnten. Was zuerst XI.35 als Ausnahme geduldet worden, begann nun als Regel betrachtet zu werden. Keine Session verging mehr ohne eine Meutereibill. Als es endlich klar wurde, daß eine politische Umgestaltung von höchster Wichtigkeit in einer Weise stattfand, daß man es kaum bemerkte, da erhoben einige Aufwiegler, welche die Hand der Regierung schwächen wollten, und auch einige ehrenwerthe Männer, die eine aufrichtige, obwohl unverständige Achtung vor jeder alten constitutionellen Tradition hegten und nicht begreifen konnten, daß eine Einrichtung, die auf der einen Stufe des gesellschaftlichen Fortschritts schädlich ist, auf einer andren Stufe unerläßlich sein kann, ein lautes Geschrei. Dieses Geschrei wurde jedoch mit den Jahren immer schwächer und schwächer. Die mit jedem Frühjahr wiederkehrende Debatte über die Meutereibill wurde bald nur noch als eine Gelegenheit betrachtet, bei welcher hoffnungsvolle junge Redner, die eben aus dem Christchurch-Collegium kamen, debutiren und erzählen konnten, wie die Garden des Pisistratus sich der Citadelle von Athen bemächtigten und wie die prätorianischen Cohorten das Römische Reich an Didius verkauften. Endlich wurden diese Declamationen zu lächerlich, um immer aufs neue wiederholt zu werden. Der altfränkischste, überspannteste Politiker konnte unter der Regierung Georg’s III. schwerlich noch behaupten, daß man keine regulären Truppen brauche, oder daß das gewöhnliche Recht, von den ordentlichen Gerichtshöfen gehandhabt, unter solchen Truppen die Disciplin mit Erfolg aufrecht erhalten könne. Da alle Parteien über das allgemeine Prinzip einig waren, so ging eine lange Reihe von Meutereibills ohne Discussion durch, ausgenommen wenn ein einzelner Artikel des Militärstrafgesetzbuches einer Abänderung bedurfte. Dem Umstande, daß die Armee so allmälig und fast unmerklich eine der Institutionen England’s geworden, ist es vielleicht zuzuschreiben, daß sie in so vollkommenem Einklange mit allen anderen Institutionen gehandelt hat, in hundertsechzig Jahren nicht ein einziges Mal dem Throne untreu oder dem Gesetze ungehorsam geworden ist, nicht ein einziges Mal sich gegen die Gerichtshöfe aufgelehnt oder die Wahlkörper durch Drohungen eingeschüchtert hat. Bis auf den heutigen Tag jedoch fahren die Stände des Reichs mit lobenswerthem Mißtrauen fort, der in den Tagen der Revolution gezogenen Grenze von Zeit zu Zeit einen Markstein beizufügen. Jedes Jahr wiederholen sie feierlich den in der Rechtserklärung ausgesprochenen Grundsatz und bewilligen dann dem Souveraine die außerordentliche Befugniß, eine gewisse Anzahl Soldaten auf die Dauer weiterer zwölf Monate nach bestimmten Regeln zu unterhalten.

50. Stat. 1. W. & M. sess. I. c. 5.; Commons’ Journals; March 28. 1689.

Suspension der Habeas-Corpus-Acte. In der nämlichen Woche, in welcher die erste Meutereibill auf den Tisch der Gemeinen niedergelegt wurde, ging ein andres durch den noch unbefestigten Zustand des Königreichs nöthig gewordenes temporäres Gesetz durch. Seit Jakob’s Flucht waren viele Personen, welche muthmaßlich an seinen ungesetzlichen Handlungen starken Antheil gehabt oder in Complots zu seiner Restauration verwickelt gewesen, verhaftet und eingekerkert worden. Während der Vacanz des Thrones konnten diese Leute aus der Habeas-Corpus-Acte keinen Nutzen ziehen, denn die Maschinerie, durch welche allein diese Acte in Ausführung gebracht werden konnte, existirte nicht mehr, und während des ganzen Hilariustermins waren alle Gerichtshöfe in Westminster-Hall geschlossen geblieben. Jetzt, wo die ordentlichen Gerichte ihre Thätigkeit wieder beginnen sollten, fürchtete man, daß alle diejenigen Gefangenen, XI.36 deren Prozesse nicht sogleich erledigt werden konnten, ihre Freiheit verlangen und erhalten würden. Es wurde deshalb eine Bill eingebracht, welche den König ermächtigte, solche Leute, bei denen er schlimme Absichten gegen seine Regierung vermuthete, einige Wochen lang in Haft zu halten. Diese Bill ward in beiden Häusern mit wenig oder keiner Opposition angenommen.51 Allein die Mißvergnügten außerhalb der Kammern unterließen nicht zu bemerken, daß die Habeas-Corpus-Acte unter der vorigen Regierung nicht einen Tag suspendirt worden sei. Es sei Mode, Jakob einen Tyrannen und Wilhelm einen Befreier zu nennen. Dennoch habe der Befreier, noch ehe er einen Monat auf dem Throne gesessen, die Engländer eines kostbaren Rechtes beraubt, das der Tyrann respectirt habe.52 Es ist dies ein Vorwurf, der jede aus einer Volksrevolution hervorgegangene Regierung fast unvermeidlich trifft. Die Menschen halten sich natürlich für berechtigt, von einer solchen Regierung eine mildere und freisinnigere Verwaltung zu verlangen, als man sie von einer alten und tief eingewurzelten Macht erwartet. Gleichwohl kann eine solche Regierung, da sie stets viele thätige Feinde, aber nicht die aus der Rechtmäßigkeit und Verjährung hervorgehende Stärke hat, sich anfangs nur durch eine Wachsamkeit und Strenge halten, deren eine alte und tief eingewurzelte Macht nicht bedarf. Außerordentliche und unregelmäßige Vertheidigungen der öffentlichen Freiheit sind zuweilen nothwendig; aber, obgleich nothwendig, ziehen sie doch fast immer einige zeitweilige Verkürzungen eben dieser Freiheit nach sich, und jede solche Verkürzung ist ein fruchtbares und plausibles Thema für Spott und Schmähung.

51. Stat. 1 W. & M. sess. I. c. 2.

52. Ronquillo vom 8.(18.) März 1689.

Unpopularität Wilhelm’s. Leider war es nur zu wahrscheinlich, daß die gegen Wilhelm gerichteten Sarkasmen und Schmähungen ein geneigtes Ohr finden würden. Jede der beiden großen Parteien hatte ihre Gründe, unzufrieden mit ihm zu sein, und in einigen Beschwerden stimmten beide Parteien mit einander überein. Sein Benehmen gab fast allgemeinen Anstoß. In der That eignete er sich viel besser dazu, eine Nation zu retten, als einen Hof zu zieren. In den höchsten staatsmännischen Talenten kam ihm unter seinen Zeitgenossen Keiner gleich. Er hatte Pläne entworfen, die an Großartigkeit und Kühnheit denen eines Richelieu nicht nachstanden, und er hatte sie mit einem Takt und einer Besonnenheit durchgeführt, die eines Mazarin würdig waren. Zwei Länder, die Sitze der bürgerlichen Freiheit und des reformirten Glaubens, waren durch seine Weisheit und durch seinen Muth vor den schlimmsten Gefahren behütet worden. Holland hatte er von fremden, England von einheimischen Feinden befreit. Anscheinend unübersteigliche Hindernisse hatten sich zwischen ihm und seinen Plänen aufgethürmt, und sein Genie hatte diese Hindernisse in Schrittsteine verwandelt. Seine Geschicklichkeit hatte es dahin zu bringen gewußt, daß die Erbfeinde seines Hauses ihm halfen einen Thron besteigen und daß die Verfolger seines Glaubens ihm behülflich waren, seinen Glauben gegen Verfolgung zu schützen. Flotten und Heere, welche aufgeboten worden waren ihm Widerstand zu leisten, hatten sich ohne einen Kampf seinen Befehlen unterworfen. Politische und kirchliche Parteien, durch tödtlichen Haß getrennt, hatten ihn als ihr gemeinsames XI.37 Oberhaupt anerkannt. Ohne Blutvergießen, ohne Verheerungen hatte er einen Sieg errungen, im Vergleich mit dem alle Siege Gustav’s und Turenne’s unbedeutend waren. Binnen wenigen Wochen hatte er die gegenseitige Stellung sämmtlicher Staaten Europa’s verändert und das Gleichgewicht wiederhergestellt, welches durch das Übergewicht einer Macht gestört worden war. Fremde Völker ließen seinen eminenten Eigenschaften volle Gerechtigkeit widerfahren. In jedem festländischen Staate, wo es protestantische Gemeinden gab, sandte man heiße Dankgebete zu Gott, der aus dem Stamme seiner Diener, Moritz’ des Befreiers von Deutschland, und Wilhelm’s des Befreiers von Holland, einen dritten Befreier, den weisesten und mächtigsten von allen, hatte hervorgehen lassen. In Wien, in Madrid, ja selbst in Rom ward der tapfere und scharfsinnige Ketzer als das Haupt des großen Bundes gegen das Haus Bourbon geehrt, und sogar in Versailles war der Haß, den man gegen ihn empfand, stark mit Bewunderung gemischt.

Bei uns wurde er minder günstig beurtheilt. In der That, unsere Vorfahren betrachteten ihn in dem allerschlechtesten Lichte. Die Franzosen, die Deutschen und die Italiener sahen ihn aus einer solchen Entfernung, daß sie nur das Große erkannten und daß seine kleinen Fehler ihnen entgingen. Den Holländern stand er nahe, denn er war selbst ein Holländer. In seinem Verkehr mit ihnen wurde er von der vortheilhaftesten Seite betrachtet; bei ihnen fühlte er sich vollkommen heimisch, und unter ihnen hatte er sich seine ersten und theuersten Freunde gewählt. Den Engländern aber erschien er unter einem höchst ungünstigen Gesichtspunkte. Er stand ihnen zu gleicher Zeit zu nahe und zu fern. Er lebte mitten unter ihnen, so daß die geringsten Eigenheiten seines Charakters und seiner Sitten ihnen nicht entgehen konnten; dennoch aber lebte er abgesondert von ihnen und war in ihren Augen in Sprache, Neigungen und Gewohnheiten entschieden ein Fremdling.

Es war seit langer Zeit eine der Hauptfunctionen unserer Regenten, an der Spitze der Londoner Gesellschaft zu stehen. Diese Function hatte Karl II. mit ungeheurem Glück ausgeübt. Seine Leutseligkeit, seine hübschen Anekdoten, die Art und Weise, wie er tanzte und Ball spielte, der Ton seines herzlichen Lachens, waren jedem Londoner bekannt. Einmal sah man ihn unter den Ulmen von St. James Park mit Dryden über Poesie plaudern;53 ein andermal lag sein rechter Arm auf Durfey’s Schulter und der linke ruhte auf einem andren, während sein Begleiter „Phillida, Phillida“ oder „To horse, brave boys, to Newmarket, to horse“ sang.54 Auch Jakob war, obwohl viel weniger lebhaft und leutselig, doch ebenfalls zugänglich und gegen Leute, die ihm nicht in den Weg traten, sogar artig. Diese Geselligkeit aber ging Wilhelm gänzlich ab. Er verließ nur selten sein Arbeitskabinet, und wenn er einmal in den Empfangszimmern erschien, so stand er ernst und sinnend unter dem Schwarme der Cavaliere und Hofdamen, ohne daß ein Scherz, oder nur ein Lächeln seinen Lippen entschlüpfte. Sein unfreundliches Aussehen, sein Stillschweigen und die kurzen, trocknen Antworten, die er gab, wenn er XI.38 nicht länger schweigen konnte, entfremdeten ihm Adel und Gentry, welche gewohnt waren, von ihren königlichen Gebietern auf die Schulter geklopft, Jack oder Harry gerufen, wegen gewonnener Wetten beglückwünscht und mit bekannten Schauspielerinnen aufgezogen zu werden. Die Frauen vermißten die ihrem Geschlecht gebührenden Huldigungen. Sie bemerkten, daß der König selbst mit der Frau, der er so viel verdankte und die er aufrichtig liebte und achtete, in einem etwas gebieterischen Tone sprach.55 Es amüsirte und verdroß sie zugleich, wie er, als die Prinzessin Anna einmal bei ihm speiste und die ersten grünen Erbsen auf die Tafel kamen, den ganzen Inhalt der Schüssel verzehrte, ohne Ihrer Königlichen Hoheit einen Löffelvoll davon anzubieten, und sie erklärten, dieser große Feldherr und Staatsmann sei nicht viel besser als ein niederländischer Bär.56

Ein Mangel, der ihm als ein Verbrechen angerechnet wurde, war sein schlechtes Englisch. Er sprach unsre Sprache, aber nicht gut. Sein Accent war ausländisch, seine Aussprache entbehrte der Eleganz und sein Vokabularium schien nicht umfänglicher zu sein, als es zur Erledigung von Geschäften nöthig war. Dem Umstande, daß es ihm schwer wurde sich auszudrücken und daß er sich seiner schlechten Aussprache bewußt war, müssen seine Schweigsamkeit und seine kurzen Antworten, die so großes Ärgerniß gaben, theilweis zugeschrieben werden. Unsre Literatur zu goutiren oder zu verstehen war er unfähig. Nicht ein einziges Mal während seiner ganzen Regierung erschien er im Theater.57 Die Dichter, welche pindarische Verse zu seinem Lobe schrieben, beklagten sich, daß ihre sublimen Poesien über seinen Horizont gingen,58 Wer indessen die panegyrischen Oden jener Zeit kennt, wird vielleicht der Meinung sein, daß er durch seine Unbekanntschaft damit nicht viel verlor.

53. Man vergleiche was Spence darüber in seinen Anecdotes of the Origin of Dryden’s Medals sagt.

54. Guardian, No. 67.

55. Man hat zahlreiche Beweise, daß Wilhelm zwar ein sehr liebevoller aber nicht immer galanter Gemahl war. Doch keinen Glauben verdient die Anekdote, welche in dem Briefe erzählt wird, den Dalrymple 1773 thörichterweise als von Nottingham herrührend veröffentlichte, in der Ausgabe von 1790 aber wohlweislich wegließ. Wie Jemand, der die geringste Kenntniß von der Geschichte der damaligen Zeit hatte, sich so gröblich irren konnte, ist schwer zu begreifen, besonders da die Handschrift durchaus keine Ähnlichkeit mit der Nottingham’s hat, welche Dalrymple genau kannte. Der Brief ist offenbar ein gewöhnlicher Neuigkeitsbrief, von einem Scribenten verfaßt, der den König und die Königin nur bei einer öffentlichen Gelegenheit gesehen und dessen Anekdoten sich auf keine bessere Autorität gründen als auf Kaffeehausgeschwätz.

56. Ronquillo; Burnet, II, 2.; The Duchess of Marlborough’s Vindication. In einem Hirtendialog zwischen Philander und Palämon, der 1691 erschien, wird das Mißfallen erwähnt, mit welchem die vornehmen Damen Wilhelm betrachteten. Philander sagt:

Der Mann sollt’ haben doch etwas mehr Verstand

Sonst fällt er noch ein zweites Mal durch schwache Frauenhand.

57. Tutchin’s Observator vom 16. November 1706.

58. Prior, dem Wilhelm viel Gutes erwies und der sich sehr dankbar dafür zeigte, sagt uns, daß der König poetische Lobreden nicht verstand. Die Stelle findet sich in einer höchst interessanten Handschrift, welche Lord Lansdowne besitzt.

Popularität Mariens. Seine Gemahlin that allerdings ihr Möglichstes, um das Fehlende zu ergänzen, und sie war in der That vortrefflich geeignet, an der Spitze eines Hofes zu stehen. Sie war nicht nur von Geburt, sondern auch in ihren Neigungen und Gesinnungen eine Engländerin. Sie besaß ein hübsches Gesicht, eine majestätische Haltung, ein sanftes, heiteres Gemüth und leutselige, gewinnende Manieren. Ihr Geist war, obwohl sehr unvollkommen ausgebildet, ungemein lebhaft; XI.39 ihrer Unterhaltung fehlte es nicht an weiblichem Witz und Muthwillen und ihre Briefe waren so gut abgefaßt, daß sie wohl verdient hätten, orthographisch richtig geschrieben zu sein. Sie fand viel Geschmack an den leichteren Zweigen der Literatur und trug nicht wenig dazu bei, unter den vornehmen Damen Bücher in Aufnahme zu bringen. Die makellose Reinheit ihres Privatlebens und die strenge Gewissenhaftigkeit, mit der sie ihre religiösen Pflichten erfüllte, waren um so achtungswerther, als sie durchaus frei war von Tadelsucht und den bösen Leumund eben so wenig unterstützte wie das Laster. In dem Mißfallen an üblen Nachreden stimmte sie zwar mit ihrem Gemahl vollkommen überein; aber Beide äußerten ihr Mißfallen auf verschiedene und sehr charakteristische Weise. Wilhelm beobachtete das tiefste Stillschweigen, warf aber dem Verleumder einen Blick zu, daß ihm, wie Jemand sagte, der einem solchen Blick einmal begegnet war, sich aber wohl hütete, ihm zum zweiten Male zu begegnen, die Geschichte im Halse stecken blieb.59 Marie suchte dem Geschwätz über Entführungen, Zweikämpfe und Spielschulden dadurch ein Ende zu machen, daß sie die Schwätzer sehr ruhig aber doch nachdrücklich fragte, ob sie ihre Lieblingspredigt, die des Doctors Tillotson über den bösen Leumund, gelesen hätten. Ihre Wohlthaten spendete sie mit freigebiger Hand und richtigem Takt, und obgleich sie nie damit prahlte, wußte man doch, daß sie ihre eigenen Bedürfnisse einschränkte, um Protestanten zu unterstützen, welche die Verfolgung aus Frankreich und Irland vertrieben hatte und die in den Mansarden London’s darbten. Ihr Benehmen war so liebenswürdig, daß die Ehrenwertheren unter Denen, welche die Art und Weise ihrer Erhebung auf den Thron mißbilligten, und selbst unter Denen, die sie als Königin gar nicht anerkennen wollten, allgemein mit Achtung und Liebe von ihr sprachen. In den jakobitischen Libellen der damaligen Zeit, die an Gift und Galle Alles was die neuere Zeit derartiges hervorgebracht, weit hinter sich zurücklassen, wird ihrer nicht oft mit Strenge gedacht. Sie äußerte sogar selbst zuweilen ihre Verwunderung darüber, daß Pasquillanten, die sonst nichts achteten, doch ihren Namen respectirten. Gott, sagte sie, kenne ihre schwachen Seiten. Sie sei zu empfindlich gegen Schmähungen und Verleumdungen, er habe ihr gnädig eine Prüfung erspart, die über ihre Kräfte gehe, und der beste Dank, den sie ihm dafür bezeigen könne, bestehe darin, daß sie keine boshaften Ausfälle über den Charakter Anderer dulde. Überzeugt, daß sie das volle Vertrauen und die ganze XI.40 Zuneigung ihres Gemahls besaß, brach sie seinen scharfen Reden bald durch sanfte, bald durch scherzhafte Antworten die Spitze ab und verwendete die ganze Macht ihrer vielen liebenswürdigen Eigenschaften dazu, ihm die Herzen des Volks zu gewinnen.60

59. Mémoires originaux sur le règne et la cour de Frédéric I., Roi de Prusse, écrits par Christophe, Comte de Dohna. Berlin 1833. Es ist auffällig, daß dieses interessante Werk in England fast unbekannt ist. Das einzige Exemplar, das mir zu Gesicht gekommen, erhielt ich durch die Gefälligkeit des Sir Robert Adair. „Le Roi,“ sagt Dohna, „avoit une autre qualité très estimable, qui est celle de n’aimer point qu’on rendit de mauvais offices à personne par des railleries.“ Der Marquis de la Forêt versuchte es einst, Se. Majestät auf Kosten eines englischen Cavaliers zu unterhalten. „Ce prince,“ schreibt Dohna, „prit son air sévère, et, le regardant sans mot dire lui fit rentrer les paroles dans le ventre. Le Marquis m’en fit ses plaintes quelques heures après. J’ai mal pris ma bisque’, dit-il; j’ai cru faire l’agréable sur le chapitre de Milord . . . ., mais j’ai trouvé à qui parler, et j’ai attrapé un regard du roi qui m’a fait passer l’envie de rire.“ Dohna glaubte Wilhelm werde es mit dem Rufe eines Franzosen weniger genau nehmen, und versuchte ebenfalls das Experiment. Aber, sagt er, „j’eus à peu près le même sort que M. de la Forêt.“

60. Vergleiche den Bericht des Whigs Burnet über Marien mit dem was der Tory Evelyn in seinem Tagebuche unterm 8. März 1694/95, und mit dem, was der Eidverweigerer über sie sagt, der 1695 den Brief an Erzbischof Tennison in Bezug auf ihren Tod schrieb. Der Eindruck, den Wilhelm’s Schroffheit und Zurückhaltung und Mariens Anmuth und Liebenswürdigkeit auf das Volk machten, spricht sich in den Überresten der Straßenpoesie jener Zeit aus. Folgendes eheliche Gespräch kann man noch auf dem Originalblatte lesen:

Dann sprach Marie, unsre gnäd’ge Königin:

Mein hoher König und Gemahl, wo wollt Ihr hin?

Drauf sagt er rasch: Den nenn’ ich keinen Mann,

Der sein Geheimniß einem Weib vertrauet an.

Die Kön’gin hierauf spricht bescheiden:

Der güt’ge Himmel woll’ Euch denn geleiten,

Euch schützen vor Gefahr, mein fürstlicher Gemahl,

Das wird mein bester Trost sein allzumal.

Diese Strophen befinden sich in einer werthvollen Sammlung, welche Mr. Richard Holer anlegte und die jetzt Eigenthum des Mr. Broderip ist, der so gefällig war, sie mir zu leihen. In einem der zügellosesten jakobitischen Pasquille vom Jahre 1689 wird Wilhelm, seiner Gemahlin gegenüber, als ein „Bauerlümmel“ bezeichnet, über den sie sich nur lustig mache.

Das Hoflager wird von Whitehall nach Hampton Court verlegt. Hätte sie noch lange die beste Gesellschaft London’s um sich versammelt, so würde ihre Freundlichkeit und Leutseligkeit wahrscheinlich noch viel dazu beigetragen haben, den ungünstigen Eindruck, den sein finstres und abstoßendes Wesen machte, zu verwischen. Leider war es ihm jedoch seiner Gesundheit wegen unmöglich, in Whitehall zu residiren. Die Luft von Westminster, vermischt mit den feuchten Ausdünstungen des Flusses, der bei Springfluthen die Höfe des Palastes überschwemmte, mit dem Steinkohlenrauche von zweimalhunderttausend Schornsteinen und mit den mephitischen Dünsten des Kothes, den man damals ungehindert in den Straßen sich anhäufen ließ, war ihm unerträglich, denn er hatte eine schwache Brust und außerordentlich feine Geruchsnerven. Sein unheilbares Asthma machte reißende Fortschritte, und seine Ärzte erklärten es für unmöglich, daß er das Ende des Jahres erleben könne. Sein Gesicht war so leichenhaft, daß er kaum noch zu erkennen war. Diejenigen, welche mit ihm zu verkehren hatten, hörten ihn mit Entsetzen nach Athem ringen und husten, daß ihm die Thränen über die Wangen liefen.61 Und sein Geist, so stark er übrigens war, litt mit dem Körper. Wohl war sein Urtheil noch so klar und scharf als je; aber seit einigen Monaten war eine merkliche Erschlaffung der Energie eingetreten, durch die er sich früher ausgezeichnet hatte; selbst seine holländischen Freunde flüsterten einander zu, daß er nicht mehr der Nämliche sei, der er im XI.41 Haag gewesen.62 Es war schlechterdings nothwendig, daß er London verließ, und er verlegte daher seine Residenz in die reinere Luft von Hampton Court. Dieses von dem prachtliebenden Wolsey begonnene Schloß war ein schönes Muster der Architectur, welche unter den ersten Tutors in England blühte; die Gemächer desselben aber waren nach den Begriffen des 17. Jahrhunderts nicht ganz geeignet für eine königliche Wohnung. Unsere Souveraine hatten daher seit der Restauration diese Residenz nur selten und nur dann benutzt, wenn sie einige Zeit recht eingezogen leben wollten. Da aber Wilhelm gesonnen war, das verlassene Gebäude zu seinem Hauptwohnsitze zu erwählen, mußte er Bauten und Anpflanzungen vornehmen, was ihm im Grunde gar nicht unlieb war. Denn, wie die Mehrzahl seiner Landsleute, fand er Vergnügen daran, ein Landhaus auszuschmücken, und nächst der Jagd waren Baukunst und Gärtnerei seine Lieblingszerstreuungen. Er hatte bereits in einer sandigen Haide von Geldern ein Paradies geschaffen, das viele Neugierige aus Holland und Westphalen herbeizog. Marie hatte den Grundstein zu dem Schlosse gelegt, und Bentinck hatte die Anlage der Fischteiche geleitet. Es gab dort Wasserfälle und Grotten, eine große Orangerie und ein Vogelhaus, das Hondekoeter zahlreiche Exemplare buntgefiederter Vögel lieferte.63 Der König sehnte sich in seiner glänzenden Verbannung nach dieser Lieblingsresidenz und fand einigen Trost darin, daß er sich an den Ufern der Themse ein zweites Loo schaffen konnte. Bald war eine große Bodenfläche mit regelmäßigen Alleen und Gartenanlagen bedeckt. Viel müßiger Scharfsinn wurde aufgeboten, um das verwickelte grüne Labyrinth anzulegen, das fünf Generationen von Londoner Sonntagsbesuchern mit Staunen und Freude erfüllt hat. Dreißigjährige Linden wurden aus den benachbarten Wäldern dahin verpflanzt, um die Alleen zu beschatten. Künstliche Springbrunnen warfen ihren Wasserstrahl zwischen den Blumenbeeten empor. Ein neues Residenzschloß, zwar nicht vom reinsten Styl, aber stattlich, geräumig und bequem, erstand unter Wren’s Leitung. Das Wandgetäfel war mit dem reichen und zarten Schnitzwerk eines Gibbons verziert. Die Treppenhäuser entzückten das Auge durch Verrio’s herrliche Fresken. In jedem Winkel des Gebäudes zeigte sich ein Überfluß von reizenden Tändeleien, welche englischen Augen noch ungewohnt waren. Marie hatte aus dem Haag eine Liebhaberei für chinesisches Porzellan mitgebracht, und sie legte jetzt in Hampton Court eine große Sammlung häßlicher Figuren und Gefäße an, auf denen Häuser, Bäume, Brücken und Mandarine in haarsträubendstem Widerspruch mit allen Regeln der Perspective abgemalt waren. Diese Mode, welche so von der liebenswürdigen Königin eingeführt wurde, verbreitete sich rasch und weit. Nach wenigen Jahren enthielt fast jedes vornehme Haus im Königreiche ein Museum solcher grotesker Spielereien. Selbst Staatsmänner und Generäle schämten sich nicht des Rufes, den Werth von Theekannen und Drachen richtig schätzen zu können, und die Satyriker wiederholten lange Zeit hindurch, daß eine schöne Dame ihr buntbemaltes Porzellangeschirr eben so hoch halte als XI.42 ihren Affen und viel höher als ihren Gatten.64 Doch der neue Palast wurde auch mit Kunstwerken andrer Art ausgeschmückt. Es ward eine Gallerie für die Cartons von Raphael gegründet. Diese herrlichen Bilder, damals und noch heute die schönsten diesseits der Alpen, waren durch Cromwell vor dem Schicksale bewahrt worden, das die meisten anderen Meisterwerke der Sammlung Karl’s I. getroffen; aber man hatte sie viele Jahre in ihren hölzernen Kisten ruhen lassen. Jetzt wurden sie aus dem Dunkel hervorgezogen, um von den Künstlern mit Bewunderung und Verzweiflung betrachtet zu werden. Die Kosten der Bauten und Einrichtungen von Hampton Court waren ein Gegenstand bitterer Beschwerde für viele Tories, welche die grenzenlose Verschwendung, mit der Karl II. die Wohnung der Herzogin von Portsmouth gebaut und umgebaut, möblirt und anders möblirt, nur sehr mild getadelt hatten.65 Die Kosten waren jedoch nicht der Hauptgrund der Unzufriedenheit, welche Wilhelm’s Residenzwechsel erregte. Es gab keinen Hof mehr in Westminster; Whitehall, einst der tägliche Sammelplatz der Vornehmen und Mächtigen, der Schönen und Heiteren, der Ort, wohin Dandies kamen, um ihre neuen Perrücken zu zeigen, Ritter der Galanterie, um mit schönen Damen zu liebäugeln, Politiker, um ihr Glück zu verfolgen, Müßiggänger, um Neuigkeiten zu hören, Landedelleute, um die königliche Familie zu sehen, war jetzt, zur lebhaftesten Zeit des Jahres, während London mit Fremden und Einheimischen gefüllt und das Parlament versammelt war, gänzlich verödet. Eine einsame Schildwache schritt auf dem von Gras überwucherten Pflaster vor dem Eingange auf und ab, der einst zu eng gewesen war für die sich begegnenden Ströme der kommenden und gehenden Höflinge. Die Dienste, welche die Hauptstadt dem Könige geleistet, waren groß und noch neu, und man meinte, er habe diese Dienste wohl besser vergelten können, als damit, daß er London behandelte, wie Ludwig Paris behandelt habe. Halifax hatte den Muth, dies anzudeuten; aber wenige Worte, die keine Erwiederung zuließen, brachten ihn zum Schweigen. „Wollen Sie, daß ich sterbe?“ sagte Wilhelm in gereiztem Tone.66

61. Burnet II. 2.; Burnet M.S. Harl. 6584. Ronquillo spricht sich noch viel umständlicher aus: „Nada se ha visto desfigurado; y, quantas veces he estado con el, le he visto toser tanto que se le saltaban las lagrimas, y se ponia moxado y arrancando; y confiesan los medicos que es una asma incurable.“ 8.(18.) März 1689. Avaux schrieb in demselben Sinne aus Irland: „La santé de l’usurpateur est fort mauvaise. L’on ne croit pas qu’il vive un an.“ 8.(18.) April.

62. „Hasta decir los mismos Hollandeses que lo desconozean“, sagt Ronquillo. „Il est absolument mal propre pour le rôle qu’il a à jouer à l’heure qu’il est,“ sagt Avaux. „Slothful and sickly,“ sagt Evelyn, 29. März 1689.

63. Siehe Harris’ Beschreibung von Loo, 1699.

64. Wer die Werke Pope’s und Addison’s kennt, wird sich ihrer Sarkasmen über diese Mode erinnern. Lady Marie Wortley Montague schlug sich auf die andre Seite. „Alte Chinoiserien,“ sagt sie, „machen Niemandes Geschmack Unehre, da der Herzog von Argyle Gefallen daran fand, dessen Einsicht niemals, weder von seinen Freunden noch von seinen Feinden, in Zweifel gezogen worden ist.“

65. Über die Bauten in Hampton Court siehe Evelyn’s Diary, Juli 16. 1689; The Tour through Great Britain, 1724; the British Apelles; Horace Walpole on Modern Gardening; Burnet II. 2, 3.

Als Evelyn 1662 in Hampton Court war, waren die Cartons noch nicht zu sehen. Die Triumphe von Andrea Montegna galten damals für die schönsten Gemälde des Palastes.

66. Burnet, II. 2; Reresby’s Memoirs. Ronquillo schreibt wiederholt in diesem Sinne. Zum Beispiel: „Bien quisiera que el Rey fuese mas comunicable, y se acomodase un poco mas al humor sociable de los Ingleses, y que estubiera en Londres: pero es cierto que sus achaques no se lo permiten.“ 8.(18.) Juli 1689. Avaux schreibt um dieselbe Zeit aus Irland an Croissy: „Le Prince d’Orange est toujours à Hampton Court, et jamais à la ville: et le peuple est fort mal satisfait de cette manière bizarre et retirée.“

Der Hof in Kensington. Es zeigte sich bald, daß Hampton Court zu weit vom Hause der Lords und der Gemeinen wie von den öffentlichen Ämtern entfernt war, um der gewöhnliche Wohnsitz des Souverains XI.43 werden zu können. Anstatt jedoch nach Whitehall zurückzukehren, beschloß Wilhelm, eine andre Residenz zu beziehen, welche zur Leitung der Regierungsgeschäfte nahe genug bei der Hauptstadt lag, doch aber nicht so nahe, um im Bereiche der Atmosphäre zu sein, in der er keine Nacht zubringen konnte ohne Gefahr, zu ersticken. Einmal dachte er an Holland House, die Villa der vornehmen Familie Rich, und er residirte wirklich einige Wochen daselbst.67 Endlich aber entschied er sich für Kensington House, den Landsitz des Earl von Nottingham. Es wurde für achtzehntausend Guineen angekauft, und dem Ankaufe folgten neue Bauten, neue Anpflanzungen, neue Geldausgaben und neue Unzufriedenheit.68 Gegenwärtig wird Kensington House als zu London gehörend betrachtet; damals aber war es ein Landsitz und konnte zu jenen Zeiten der Straßenräuber und nächtlichen Ruhestörer, der kothigen Straßen und schlechten Beleuchtung, nicht füglich der Sammelplatz der vornehmen Gesellschaft sein.

67. Mehrere von seinen Briefen an Heinsius sind von Holland House datirt.

68. Narcissus Luttrell’s Diary; Evelyn’s Diary, Feb. 25. 1689/90.

Wilhelm’s ausländische Günstlinge. Es war wohl bekannt, daß der König, der die englische Noblesse und Gentry so unfreundlich behandelte, in einem kleinen Kreise seiner Landsleute herablassend, vertraulich und selbst heiter sein, seine Gedanken in fröhlicher Unterhaltung aussprechen und sein Glas oft, vielleicht zu oft, füllen konnte, und dies erschwerte in den Augen unserer Vorfahren seine Schuld. Unsere Vorfahren hätten jedoch so viel gesunden Sinn und Gerechtigkeitsliebe haben sollen, um zuzugestehen, daß der Patriotismus, den sie an sich selbst als eine Tugend betrachteten, bei ihm kein Fehler sein konnte. Es war ungerecht ihn deshalb zu tadeln, daß er die Liebe, die er zu seinem Geburtslande hegte, nicht mit einem Male auf unsre Insel übertrug. Wenn er in den Hauptsachen seine Pflicht gegen England erfüllte, konnte man es ihm wohl nachsehen, daß er für Holland eine zärtliche Vorliebe bewahrte. Eben so wenig verdient es einen Vorwurf, daß er in den Tagen seiner Größe Gefährten nicht entfernte, die in seiner Kindheit mit ihm gespielt, ihm durch alle Wechselfälle des Jünglings- und des Mannesalters treu zur Seite gestanden, welche den ekelhaftesten und gefährlichen Ansteckungen trotzend, an seinem Krankenlager gewacht, im heißesten Schlachtgewühl sich zwischen ihn und die französischen Schwerter geworfen, und deren Anhänglichkeit nicht dem Statthalter oder dem Könige, sondern einfach Wilhelm von Nassau galt. Auch darf man hinzusetzen, daß seine alten Freunde, wenn er sie mit seinen neuen Höflingen verglich, in seiner Achtung steigen mußten. Alle seine holländischen Kameraden verdienten, ohne Ausnahme, sein Vertrauen bis ans Ende seines Lebens. Wohl konnten sie mit ihm schmollen, und, wenn sie schmollten, hart und mürrisch sein; niemals aber, mochten sie auch noch so erzürnt und unwillig sein, hörten sie auf seine Geheimnisse zu bewahren, und mit der Treue wahrer Edelleute und Soldaten über seine Interessen zu wachen. Unter seinen englischen Rathgebern war solche Treue selten.69 Es ist traurig, aber nicht mehr als XI.44 gerecht anzuerkennen, daß er nur zu guten Grund hatte, von unsrem Nationalcharacter eine schlechte Meinung zu hegen. Dieser Character war zwar im Wesentlichen so wie er immer gewesen ist. Wahrheitsliebe, Biederkeit und männliche Unerschrockenheit waren damals wie noch jetzt den Engländern vorzugsweise eigen. Aber so allgemein verbreitet diese Eigenschaften unter der Masse des Volks sein mochten, in der Klasse, welche Wilhelm am besten kannte, waren sie nur selten zu finden. Der Maßstab der Ehre und Tugend war während seiner Regierung unter unseren Staatsmännern sehr tief gesunken. Seine Vorfahren hatten ihm einen mit allen Lastern der Restauration befleckten Hof hinterlassen, einen Hof, der von Schmarotzern wimmelte, welche bereit waren, beim ersten Umschlag des Glücks ihn zu verlassen, wie sie seinen Oheim verlassen hatten. Wohl fand sich hier und da unter dem schamlosen Haufen ein Mann von wahrer Rechtschaffenheit und echtem Gemeinsinn. Aber selbst ein solcher Mann konnte nicht lange in solcher Umgebung leben, ohne daß seine strengen Grundsätze und sein Gefühl für Recht und Unrecht in die größte Gefahr geriethen. Es war ungerecht, einen von Schmeichlern und Verräthern umgebenen Fürsten deshalb zu tadeln, daß er einige Diener in seiner Nähe behalten wollte, die er hinreichend erprobt hatte, um überzeugt zu sein, daß sie ihm bis zum Tode treu bleiben würden.

69. De Foe entschuldigt Wilhelm im zweiten Theile seines True Born Englishman folgendermaßen:

Wir tadeln Wilhelm, daß er hat zu viel Gefallen

An Deutschland’s, Frankreich’s, Holland’s Söhnen allen

Und selten mittheilt Großes von dem Staat

Den Männern, welche sitzen in seinem brit’schen Rath.

Der Grund davon ist nicht schwer beizubringen:

Weil wir nur gar zu oft ihn hintergingen.

Und in der That, das Narrenhaus ihm würd’ gebühren,

Wenn er getraut hätt’ England’s Cavalieren.

Die Fremden stets gehorsam mit ihm zogen,

Und nur von Engländern er immer ward betrogen.

Allgemeine schlechte Verwaltung. Und dies war nicht der einzige Punkt, in welchem unsere Vorfahren sich ungerecht gegen ihn zeigten. Sie hatten erwartet, daß ein so ausgezeichneter Feldherr und Staatsmann, sobald er an der Spitze der Regierung stände, einen glänzenden Beweis — was für einen wußten sie selbst nicht recht — von Genie und Thatkraft geben werde. Unglücklicherweise ging während der ersten Monate seiner Regierung fast Alles schlecht. Seine bitter getäuschten Unterthanen maßen ihm die Schuld bei und begannen zu zweifeln, ob er den Ruf verdiene, den er sich beim ersten Eintritt ins öffentliche Leben geschaffen und den der glänzende Erfolg seiner letzten großen Unternehmung auf den höchsten Punkt gesteigert hatte. Wären sie in einer Stimmung gewesen, um unbefangen urtheilen zu können, so würden sie eingesehen haben, daß er für die schlechte Verwaltung, über die sie sich mit gutem Grunde beschwerten, nicht verantwortlich war. Er konnte für jetzt nur mit der Maschinerie arbeiten, die er vorgefunden hatte, und diese Maschinerie war eitel Rost und Verfall. Von der Zeit der Restauration bis zur Zeit der Revolution war die erfolgreiche Thätigkeit jedes Zweiges der Verwaltung fast beständig durch Nachlässigkeit und Betrug gehemmt worden. Ehrenstellen und öffentliche Ämter, Peers- und Baronetstitel, Regimenter, Fregatten, Gesandtschaftsposten, Gouverneursstellen, Commissariate, Pachtungen von Krongütern, Lieferungscontracte auf Bekleidungsstücke, Lebensmittel und Munition, Begnadigungen für XI.45 begangene Mordthaten, Diebstähle und Brandstiftungen wurden in Whitehall fast eben so offen verkauft wie Spargel in Coventgarden oder Heringe in Billingsgate. Kupplerisches Volk hatte beständig in den Umgebungen des Hofes nach Kundschaft umhergespäht, und unter ihnen hatten zu Karl’s Zeiten die Courtisanen, zu Jakob’s Zeiten die Priester das meiste Glück gehabt. Von dem Palaste aus, welcher der Hauptsitz dieser Pestilenz gewesen war, hatte sich die Ansteckung über alle Ämter und über alle Klassen der Beamten verbreitet und überall Schwäche und Desorganisation hervorgerufen. Die Verderbtheit machte so reißende Fortschritte, daß acht Jahre nach der Zeit, da Oliver Cromwell der Schiedsrichter Europa’s gewesen, der Donner der Kanonen de Ruyters im Tower von London gehört wurde. Die Krebsschäden, die jene große Demüthigung über das Land gebracht, hatten seitdem immer tiefer und immer weiter um sich gegriffen. Man muß Jakob die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er einige von den gröbsten Mißbräuchen, welche die Marineverwaltung schändeten, abgeschafft hatte. Doch trotz seiner Reformbestrebungen entlockte die Marineverwaltung Männern, welche das Seewesen Frankreich’s und Holland’s kannten, nur ein mitleidiges Achselzucken. Noch schlechter war die Militärverwaltung. Die Höflinge ließen sich von den Obersten bestechen, die Obersten betrogen die Soldaten, die Kriegscommissare schickten lange Rechnungen über Dinge ein, welche nie geliefert worden waren, die Arsenalinspectoren verkauften die öffentlichen Vorräthe und steckten den Erlös in ihre Tasche. Obgleich aber diese Krebsschäden unter der Regierung Karl’s und Jakob’s entstanden und zur Reife gediehen waren, machten sie sich doch erst unter Wilhelm’s Regierung ernstlich fühlbar. Denn Karl und Jakob hatten sich damit begnügt, die Vasallen und Pensionäre eines mächtigen und ehrgeizigen Nachbars zu sein; sie unterwarfen sich seinem Übergewicht, sie vermieden mit kleinmüthiger Ängstlichkeit Alles, was ihn hätte beleidigen können, und so beugten sie auf Kosten der Unabhängigkeit und Würde der alten, ruhmvollen Krone, welche zu tragen sie nicht werth waren, einem Kampfe vor, der sofort gezeigt haben würde, wie ohnmächtig unter ihrer verkehrten Regierung das einst mächtige Reich geworden war. Es lag weder in Wilhelm’s Macht noch in seinem Character, in die Fußtapfen ihrer schimpflichen Politik zu treten. Nur durch Waffengewalt konnte die Freiheit und die Religion England’s gegen den furchtbarsten Feind geschützt werden, der unsre Insel bedroht hatte, seitdem die Hebriden mit den Trümmern der Armada bedeckt worden. Der Staatskörper, der im Zustande der Ruhe einen oberflächlichen Anschein von Gesundheit und Kraft gezeigt hatte, war jetzt in die Nothwendigkeit versetzt, jeden Nerv zu einem Kampfe auf Leben und Tod anzuspannen, und es zeigte sich sofort, daß er der Anstrengung nicht gewachsen war. Gleich nach den ersten Versuchen stellte sich eine völlige Muskelerschlaffung, ein gänzlicher Mangel an Übung und Erfahrung heraus. Diese Versuche schlugen, mit kaum einer Ausnahme, fehl, und jeden Fehlschlag legte das Volk nicht den Regenten, deren schlechte Verwaltung die Gebrechen des Staats hervorgerufen, sondern dem Regenten zur Last, unter welchem die Gebrechen des Staats sichtbar wurden.

Wäre Wilhelm ein so unumschränkter Herrscher gewesen als Ludwig, so hätte er allerdings diejenigen energischen Heilmittel anwenden können, welche der englischen Staatsverwaltung sehr bald die Elasticität wiedergegeben haben würde, die ihr seit Oliver’s Tode fehlte. Aber die augenblickliche XI.46 Beseitigung tief eingewurzelter Mißbräuche war eine Aufgabe, welche weit über die Kraft eines schon durch das Gesetz, und noch mehr durch die Schwierigkeiten seiner Stellung sehr eingeengten Fürsten ging.70

70. Ronquillo war so einsichtsvoll und gerecht, Einräumungen zu machen, welche die Engländer nicht machten. Nachdem er in einem Schreiben vom 1.(11.) März 1689 den traurigen Zustand des Heer- und Seewesens geschildert, sagt er: „De esto no tiene culpa el Principe de Oranges; per que pensar que se han de poder volver en dos meses tres Reynes de abaxo arriba es una extravagancia.“ Der Lordpräsident Stair sagt in einem ungefähr vier Wochen später aus London datirten Briefe, daß die Verzögerungen in der englischen Verwaltung den Ruhm des Königs geschmälert hätten, „doch ohne seine Schuld.“

Uneinigkeit unter den Staatsdienern. Einige der größten Schwierigkeiten seiner Lage entsprangen aus dem Benehmen der Minister, auf die er sich als Neuling in den Details der englischen Staatsangelegenheiten hinsichtlich der ihm nöthigen Aufschlüsse über Menschen und Dinge verlassen mußte. Es fehlte seinen vornehmsten Rathgebern zwar nicht an Befähigung; aber die eine Hälfte ihrer Befähigung wurde dazu angewendet, der andren Hälfte entgegenzuwirken. Zwischen dem Lord-Präsidenten und dem Geheimsiegelbewahrer bestand eine tief eingewurzelte Feindschaft.71 Diese Feindschaft hatte zwölf Jahre vor der Zeit begonnen, als Danby Lord Schatzmeister, ein Verfolger der Nonconformisten und hartnäckiger Vertheidiger der Kronrechte wurde, und als Halifax als einer der beredtesten Führer der Vaterlandspartei zur Auszeichnung gelangte. Unter der Regierung Jakob’s hatten beide Staatsmänner der Opposition angehört, und ihre gemeinsame Feindschaft gegen Frankreich und gegen Rom, gegen die Hohe Commission und gegen das Dispensationsrecht hatte eine anscheinende Aussöhnung herbeigeführt; sobald sie aber wieder zusammen im Amte waren, erwachte die alte Abneigung von neuem. Man hätte meinen sollen, daß der Haß der Whigpartei gegen Beide ein festeres Zusammenhalten zwischen ihnen bewirken müßte; in Wahrheit aber sah Jeder von ihnen mit Wohlgefallen die dem Andren drohende Gefahr. Danby bemühte sich, eine starke Phalanx von Tories um sich zu schaaren. Unter dem Vorwande geschwächter Gesundheit zog er sich vom Hofe zurück, kam selten in den Staatsrath, dem zu präsidiren seine Pflicht war, brachte viel Zeit auf dem Lande zu, und nahm kaum einen andren Antheil an den Staatsgeschäften, als daß er über alle Maßregeln der Regierung mäkelte und spottete, auf seinen Privatvortheil spekulirte und seinen persönlichen Günstlingen Stellen verschaffte.72 In Folge dieses Abfalls wurde Halifax Premierminister, insoweit man unter dieser Regierung einen Minister überhaupt Premierminister nennen konnte. Eine ungeheure Geschäftslast fiel auf ihn, und er war nicht im Stande, diese Last zu tragen. An Geist und Beredtsamkeit, an umfassendem Verständniß und scharfer Unterscheidungsgabe hatte er unter den Staatsmännern seiner Zeit nicht seines Gleichen. Aber eben diese Fruchtbarkeit, eben dieser Scharfsinn, die seiner Unterhaltung, seinen Reden und seinen Schriften einen besondern Reiz verliehen, machten ihn zur schnellen Entscheidung praktischer Fragen untauglich. Gerade sein ungewöhnlicher Scharfsinn machte ihn langsam, denn er sah so viele Gründe für und wider jedes mögliche Verfahren, XI.47 daß er mehr Zeit brauchte, um zu einem Entschlusse zu kommen, als ein beschränkter Kopf gebraucht haben würde. Anstatt mit seinem ersten Gedanken zufrieden zu sein, replicirte er sich selbst immer und immer wieder. Wer ihn sprechen hörte, mußte zugeben, daß er wie ein Engel sprach; aber wenn er Alles was sich sagen ließ erschöpft hatte und zum Handeln kam, war nur zu oft der rechte Augenblick zum Handeln vorüber.

Inzwischen bemühten sich die beiden Staatssekretäre fortwährend, ihren Gebieter nach direct einander entgegengesetzten Richtungen zu ziehen. Jeder Plan, jede Person, welche der Eine empfahl, ward von dem Andren verworfen. Nottingham wurde nicht müde zu wiederholen, daß die alte Rundkopfpartei, die Partei, welche Karl I. um’s Leben gebracht und gegen das Leben Karl’s II. conspirirt hatte, im Prinzip republikanisch und daß die Tories die einzig wahren Freunde der Monarchie seien. Shrewsbury entgegnete, daß die Tories wohl Freunde der Monarchie sein könnten, daß sie aber Jakob als ihren Monarchen betrachteten. Nottingham erzählte beständig im königlichen Kabinet von tollen Hirngespinnsten, mit denen sich einige alte Kalbskopfesser, die Überreste der einst mächtigen Partei Bradshaw’s und Ireton’s, in den Wirthshäusern der City noch immer beschäftigten. Shrewsbury zeigte wüthende Pasquille vor, welche die Jakobiten tagtäglich in den Kaffeehäusern vertheilten. „Jeder Whig,“ sagte der Torysekretär, „ist ein Feind der Prärogative Eurer Majestät.“ — „Jeder Tory,“ sagte der Whigsekretär, „ist ein Feind des Rechtstitels Eurer Majestät.“73

Auch im Schatzamte gab es nichts als Eifersüchteleien und Zänkereien.74 Der erste Commissar, Mordaunt, und der Kanzler der Schatzkammer, Delamere, waren zwar Beide eifrige Whigs; aber obgleich sie dem nämlichen politischen Glauben anhingen, waren sie doch von ganz verschiedenem Character. Mordaunt war flatterhaft, verschwendrisch und großmüthig. Die Schöngeister der damaligen Zeit witzelten über die Art und Weise, wie er von Hampton-Court nach der Börse und von der Börse zurück nach Hampton-Court flog; man konnte nicht begreifen wie er Zeit fand zu seinem Anzuge, zu den Staatsgeschäften, zu Liebschaften und zum Balladendichten.75 Delamere war finster und empfindlich, streng in seinen Privatsitten und pünktlich in seinen Andachtsübungen, aber gierig nach unedlem Gewinn. Die beiden ersten Finanzbeamten wurden daher Feinde und harmonirten nur in dem Hasse gegen ihren Collegen Godolphin. Wie kam er in dieser Zeit des protestantischen Übergewichts nach Whitehall, er, der mit Papisten im Amte gesessen, der sich kein Gewissen daraus gemacht hatte, Maria von Modena in den Götzendienst der Messe zu begleiten? Der kränkendste Umstand aber war, daß Godolphin, obgleich sein Name in der Commission die dritte Stelle einnahm, thatsächlich der erste Lord des Schatzes war. Denn in financiellem Wissen XI.48 und in Geschäftserfahrung waren Mordaunt und Delamere im Vergleich zu ihm wahre Schulknaben, und dies erkannte Wilhelm sehr bald.76

Ähnliche Fehden wütheten auch in den übrigen großen Amtscollegien wie in allen untergeordneten Schichten der Staatsdiener. In jedem Zollhause, in jedem Arsenale gab es einen Shrewsbury und einen Nottingham, einen Delamere und einen Godolphin. Die Whigs beklagten sich, daß es keinen Verwaltungszweig gäbe, in welchem nicht Creaturen der gestürzten Partei zu finden wären. Umsonst führe man zur Rechtfertigung an, daß diese Männer in den Geschäftsdetails erfahren, daß sie im Besitz amtlicher Traditionen seien und daß die Freunde der Freiheit, nachdem sie Jahrelang von den öffentlichen Ämtern ausgeschlossen gewesen, unmöglich befähigt sein könnten, mit einem Male die ganze Leitung der Geschäfte auf sich zu nehmen. Die Erfahrung habe allerdings ihren Werth, sicherlich aber sei die erste aller Qualificationen eines Dieners die Treue, und kein Tory könne ein wahrhaft treuer Diener der neuen Regierung sein. Wenn König Wilhelm klug wäre, so würde er sich lieber auf Neulinge, die von Eifer für sein Interesse und für seine Ehre beseelt wären, als auf Veteranen verlassen, welche zwar Geschick und Kenntnisse besitzen könnten, dieses Geschick und diese Kenntnisse aber zur Herbeiführung seines Untergangs anwenden würden.

Die Tories dagegen beklagten sich, daß ihr Antheil an der Regierung in keinem Verhältniß zu ihrer Anzahl und zu ihrem Gewicht im Lande stehe, daß überall alte und nützliche Staatsdiener um keines andren Verbrechens willen, als weil sie Freunde der Monarchie und der Kirche wären, von ihren Posten vertrieben worden seien, um Ryehouseverschwörern und Conventikelbesuchern Platz zu machen. Diese Emporkömmlinge, wohlerfahren in der Kunst der Parteibewegungen, aber unwissend in Allem was zu ihrem neuen Beruf gehöre, würden erst anfangen etwas zu lernen, wenn sie durch ihre Fehler die Nation ruinirt hätten. Von einem hochgestellten Beamten müsse man doch sicherlich mehr verlangen, als daß er nur ein Rebell und Schismatiker sei. Was solle aus den Finanzen, was aus der Marine werden, wenn Whigs, die nicht den einfachsten Rechnungsabschluß verständen, das Staatseinkommen verwalten, wenn Whigs, die in ihrem Leben kein Seemagazin betreten, die Flotte ausrüsten sollten?77

Das Wahre ist, daß die Beschuldigungen, welche die beiden Parteien gegen einander erhoben, in beträchtlicher Ausdehnung wohl begründet, der Tadel aber, den Beide auf Wilhelm warfen, ungerecht war. Geschäftliche Erfahrung war fast ausschließlich nur unter den Tories, aufrichtige Anhänglichkeit an die neue Ordnung der Dinge fast nur unter den Whigs zu finden. Der König konnte nichts dafür, daß Kenntniß und Eifer, welche vereinigt einen schätzbaren Diener des Staats bilden, damals nur getrennt oder gar nicht vorhanden waren. Stellte er Leute der einen Partei an, XI.49 so lief er große Gefahr, Fehlgriffe zu thun. Stellte er Leute der andren Partei an, so lief er große Gefahr, verrathen zu werden. Stellte er Leute beider Parteien an, so war immer noch einige Gefahr, daß er Fehlgriffe that oder Verräther wählte, und zu diesen Gefahren kam dann noch die Gewißheit der Uneinigkeit. Er konnte Whigs und Tories nebeneinanderstellen, sie zu verschmelzen lag nicht in seiner Macht. Mochten sie auch in dem nämlichen Amte, an dem nämlichen Pulte arbeiten, sie waren und blieben Feinde und stimmten nur darin überein, daß sie gegen den Fürsten murrten, der es versuchen wollte, den Vermittler zwischen ihnen zu spielen. Unter solchen Umständen mußte die Verwaltung, die fiscalische, wie die militärische und maritime, unvermeidlich schwach und schwankend sein; nichts konnte ganz auf die richtige Art und ganz zur rechten Zeit geschehen; die Uneinigkeiten, von denen kaum eine Staatsbehörde frei war, mußten Calamitäten erzeugen und jede Calamität mußte die Spaltung verschlimmern, aus der sie entstanden war.

71. Burnet II. 4.; Reresby’s Memoirs.

72. Reresby’s Memoirs; Burnet MS. Harl. 6584.

73. Burnet II. 3, 4, 15.

74. Burnet II. 5.

75.

Woher nimmt er die Stunden, sagt,

Die er dem Hofe widmet und der Stadt,

Den Staatsgeschäften und der Liebe Macht,

Der Eitelkeit und auch der Geistes Saat?

The Modern Lampooners. Ein Gedicht von 1690.

76. Burnet II. 4.

77. Ronquillo nennt die Whigbeamten „Gente que no tienen practica ni experiencia.“ Er setzt hinzu: „Y de esto proce de el pasarse un mes y un otro, sin executarse nada.“ 24. Juni 1689. In einem der unzähligen „Gespräche“, welche damals erschienen, wirft der toryistische Interlocutor die Frage auf: „Meint Ihr, die Regierung würde mit Geschäftsunkundigen besser daran sein?“ Der Whig antwortet: „Besser unwissende Freunde als vielwissende Feinde.“

Das Departement der auswärtigen Angelegenheiten. Ein Departement gab es jedoch, das gut verwaltet wurde: das Departement der auswärtigen Angelegenheiten. Hier leitete Wilhelm Alles, ohne weder den Rath noch den Beistand irgend eines englischen Staatsmannes in Anspruch zu nehmen. Nur einen unschätzbaren Gehülfen hatte er zur Seite: Anton Heinsius, welcher einige Wochen nach Beendigung der Revolution Großpensionär von Holland wurde. Heinsius war als Mitglied der Partei, welche auf die Macht des Hauses Oranien eifersüchtig war und gern auf freundschaftlichem Fuße mit Frankreich stehen wollte, ins öffentliche Leben eingetreten. Im Jahre 1681 aber war er mit einer diplomatischen Mission nach Versailles geschickt worden, und ein kurzer Aufenthalt daselbst hatte eine vollständige Änderung in seinen Ansichten herbeigeführt. Bei näherer Bekanntschaft wurde er beunruhigt durch die Macht und gereizt durch die Anmaßung dieses Hofes, von dem er, so lange er ihn aus der Entfernung gesehen, eine vortheilhafte Meinung gehegt hatte. Er fand, daß sein Vaterland verachtet wurde, er sah seine Religion verfolgt, und sein officieller Character schützte ihn nicht vor einigen persönlichen Kränkungen, die er bis zum letzten Tage seiner langen Laufbahn nicht vergaß. Als treuer Anhänger Wilhelm’s und unversöhnlicher Feind Ludwig’s kehrte er nach Hause zurück.78

Das Amt des Großpensionärs war immer ein wichtiges Amt, ganz besonders aber dann, wenn der Statthalter vom Haag abwesend war. Wären Heinsius’ politische Ansichten noch dieselben gewesen wie früher, so hätten alle großen Pläne Wilhelm’s scheitern können. Zum Glück aber bestand zwischen diesen beiden ausgezeichneten Männern eine vollkommene Freundschaft, die bis zu dem Tage, wo der Tod sie löste, nicht einen Augenblick durch Argwohn oder Mißhelligkeiten getrübt wurde. Über alle großen Fragen der europäischen Politik waren sie gleicher Meinung, und sie correspondirten lebhaft und rückhaltlos mit einander, denn es hielt zwar schwer, ehe Wilhelm Jemandem Vertrauen schenkte, wem er es aber schenkte, dem schenkte er es ganz. Die Correspondenz ist noch vorhanden und gereicht Beiden zur größten Ehre. Die Briefe des Königs würden allein schon zur Genüge beweisen, daß er einer der größten Staatsmänner XI.50 war, welche Europa hervorgebracht hat. So lange er lebte, begnügte sich der Großpensionär damit, der gehorsamste, zuverlässigste und verschwiegenste Diener zu sein; nach dem Ableben des Gebieters aber erwies sich der Diener als befähigt, die Stelle des Gebieters mit seltenem Geschick zu vertreten, und er war in ganz Europa als ein Mitglied des großen Triumvirats berühmt, das den Stolz Ludwig’s XIV. demüthigte.79

78. Négociations de M. le Comte d’Avaux, 4. Mars 1683; Torcy’s Memoirs.

79. Die Originalcorrespondenz zwischen Wilhelm und Heinsius ist holländisch. Eine französische Übersetzung sämmtlicher Briefe Wilhelm’s, und eine englische Übersetzung einiger Briefe Heinsius’ befinden sich unter den Mackintosh-Manuscripten. Der Baron Sirtema de Grovestins, dem die Originale zu Gebote standen, führt in seiner „Histoire des luttes et rivalités entre les puissances maritimes et la France“ häufig Stellen daraus an. Zwischen seiner Version und der meinigen ist zwar im Style ein bedeutender Unterschied, im Wesentlichen aber ein sehr geringer.

Religionsstreitigkeiten. Die auswärtige Politik England’s, von Wilhelm persönlich, in innigem Einverständniß mit Heinsius, geleitet, war damals außerordentlich geschickt und erfolgreich. In jedem andren Verwaltungszweige aber waren die aus der gegenseitigen Erbitterung der Parteien entspringenden Nachtheile nur zu sichtbar. Und dies war noch nicht Alles. Zu den aus der gegenseitigen Erbitterung der politischen Parteien entspringenden Übeln gesellten sich andere Übel, welche aus dem gegenseitigen Hasse der Religionssecten entsprangen.

Das Jahr 1689 bildet in der kirchlichen Geschichte England’s eine nicht minder wichtige Epoche als in der bürgerlichen. In diesem Jahre wurde die erste gesetzliche Indulgenz gegen die Dissenters bewilligt. In diesem Jahre wurde der letzte ernstliche Versuch gemacht, die Presbyterianer in den Schooß der englischen Landeskirche zu bringen. Von diesem Jahre datirt ein neues Schisma, trotz früherer ähnlicher Vorgänge von Männern hervorgerufen, welche stets erklärt hatten, daß sie Kirchenspaltungen mit besonderem Abscheu und Präcedenzfälle mit besonderer Verehrung betrachteten. In diesem Jahre begann der lange Kampf zwischen zwei großen Parteien von Conformisten. Diese beiden Parteien hatten zwar seit der Reformation von jeher unter verschiedenen Formen in der anglikanischen Kirche existirt, aber bis nach der Reformation standen sie einander nicht in regelmäßiger und permanenter Schlachtordnung gegenüber und waren daher nicht unter bestimmten Namen bekannt. Kurz nach Wilhelm’s Thronbesteigung begannen sie die Hochkirchenpartei und die Niederkirchenpartei genannt zu werden und lange vor dem Ende seiner Regierung waren diese Bezeichnungen allgemein gebräuchlich.80

Im Sommer des Jahres 1688 hatte es den Anschein gehabt, als ob die Spaltungen, welche so lange den großen Körper der englischen Protestanten zerrissen, fast ihre Endschaft erreicht hätten. Die Streitigkeiten über Bischöfe und Synoden, über geschriebene Gebete und extemporirte Gebete, über weiße Röcke und schwarze Röcke, über Besprengen und Eintauchen, über Knien und Sitzen, waren auf kurze Zeit eingestellt. Die dichtgedrängte Phalanx, welche damals gegen die Papisterei im Felde stand, füllte den ganzen Zwischenraum aus, welcher Sancroft von Bunyan XI.51 trennte. Prälaten, die sich noch vor Kurzem als Verfolger der religiösen Freiheit ausgezeichnet hatten, erklärten sich jetzt zu Freunden derselben und ermahnten ihren Klerus, stets in gastfreundlichem und dienstbereiten Verkehr mit den Separatisten zu leben. Separatisten auf der andren Seite, welche noch vor kurzem Mitren und Batistärmel für die Livree des Antichrist erklärt hatten, erleuchteten zu Ehren der Prälaten ihre Fenster und warfen Holz in die Freudenfeuer.

Diese Gesinnungen steigerten sich fortdauernd, bis sie ihren Höhepunkt an dem denkwürdigen Tage erreichten, an welchem der gemeinsame Unterdrücker endlich Whitehall verließ und eine mit orangefarbenen Bändern geschmückte zahllose Menge zu St. James den gemeinsamen Befreier begrüßte. Als die Londoner Geistlichkeit, mit Compton an der Spitze, herbeikam, um dem Manne, dessen Gott sich als Werkzeug zur Rettung der Kirche und des Staats bedient, ihren Dank auszusprechen, schlossen sich dem Zuge auch einige hervorragende nonconformistische Geistliche an. Viele gute Menschen freuten sich zu hören, daß fromme und gelehrte presbyterianische Geistliche im Gefolge eines Bischofs gegangen, mit brüderlicher Freundlichkeit von ihm begrüßt und im Empfangszimmer von ihm seine lieben und geachteten Freunde genannt worden waren, die zwar durch einige Meinungsverschiedenheiten in unwichtigen Punkten von ihm getrennt, durch christliche Liebe und gemeinsamen Eifer für das Wesentliche des reformirten Glaubens aber mit ihm verbunden seien. Nie hatte es zuvor und nie hat es seitdem in England einen zweiten solchen Tag gegeben. Der Strom der Gefühle war schon im Umschlagen begriffen, und die Ebbe trat noch rascher ein als die Fluth eingetreten war.

80. Obwohl diese ganz angemessenen Benennungen meines Wissens in keinem während der ersten Regierungsjahre Wilhelm’s gedruckten Buche vorkommen, nehme ich doch keinen Anstand, mich derselben bei Darstellung der Ereignisse jener Jahre zu bedienen, wie es auch von Anderen geschehen ist.

Die Hochkirchenpartei. In Zeit von wenigen Stunden begann der Hochkirchliche, von zärtlicher Liebe für den Feind, dessen Tyrannei jetzt nicht mehr gefürchtet ward, und von Abneigung gegen die Bundesgenossen, deren Dienste entbehrlich geworden waren, erfüllt zu werden. Es war leicht, beide Gefühle zu befriedigen, indem man die schlechte Verwaltung des verbannten Königs den Dissenters zur Last legt. Sr. Majestät — so lautete jetzt die Sprache nur zu vieler anglikanischer Geistlichen — würde ein vortrefflicher Regent gewesen sein, wäre er nicht zu vertrauensvoll, und zu nachsichtig gewesen. Er habe sein Vertrauen einer Klasse von Leuten geschenkt gehabt, die seine Stellung, seine Familie und seine Person mit unversöhnlicher Erbitterung haßten. Durch den vergeblichen Versuch, ihre Zuneigung zu gewinnen, habe er sich zu Grunde gerichtet. Er habe sie, in Widerspruch mit dem Gesetz und dem einmüthigen Sinne der alten royalistischen Partei, von dem Drucke des Strafcodex befreit, habe ihnen gestattet, Gott auf ihre eigene armselige und geschmacklose Weise öffentlich zu verehren, habe sie zur Richterbank und in den Geheimrath zugelassen, ihnen Pelzroben, goldene Ketten, Gehalte und Pensionen gewährt. Zum Dank für seine Liberalität seien diese Leute, welche einst so trotzig in ihrem Gebahren und so unbändig in ihrer Opposition selbst gegen die rechtmäßige Autorität gewesen, die niedrigsten Schmeichler geworden. Sie hätten ihm noch Beifall zugejauchzt und ihn ermuthigt, als schon die ergebensten Freunde seines Hauses sich voll Scham und Kummer aus seinem Palaste entfernt gehabt. Wer habe die Religion und die Freiheit seines Vaterlandes schändlicher verkauft als Titus? Wer habe eifriger für die Dispensationsgewalt gestritten als Alsop? Wer habe ungestümer auf die Verfolgung der sieben Bischöfe gedrungen als Lobb? XI.52 Welcher nach einer Dechanei lüsterne Kaplan habe, selbst wenn er am 30. Januar oder am 29. Mai in Anwesenheit des Königs gepredigt, jemals plumpere Schmeicheleien zu Tage gebracht, als man sie leicht in den Adressen auffinden könne, durch welche dissentirende Glaubensgesellschaften ihren Dank für die ungesetzliche Indulgenzerklärung ausgedrückt hätten? Sei es zu verwundern, wenn ein Fürst, der nie juristische Werke studirt, nur seine rechtmäßige Prärogative auszuüben geglaubt habe, als er so durch eine Partei ermuthigt worden sei, welche jederzeit mit ihrem Hasse gegen willkürliche Gewalt geprahlt habe? Durch solche Leitung irregeführt, sei er immer weiter auf dem falschen Wege fortgeschritten, habe er sich endlich Herzen entfremdet, welche früher ihr bestes Blut zu seiner Vertheidigung vergossen haben würden, habe er keine anderen Stützen behalten als seine alten Feinde, und, als der Tag der Gefahr gekommen, habe er gefunden, daß die Gesinnungen seiner alten Feinde gegen ihn noch die nämlichen waren wie zu der Zeit, da sie ihn seines Erbes zu berauben versucht und gegen sein Leben conspirirt hatten. Jeder Verständige habe längst gewußt, daß die Sectirer keine Liebe zur Monarchie hegten; jetzt habe es sich gezeigt, daß sie eben so wenig Liebe zur Freiheit hegten. Ihren Händen Gewalt anzuvertrauen, werde ein Mißgriff sein, der der Nation nicht minder verderblich werden müsse als dem Throne. Wenn es, um etwas übereilt gegebene Zusicherungen zu erfüllen, für nöthig erachtet werden sollte, ihnen Erleichterung zu gewähren, so müsse jedes Zugeständniß von Beschränkungen und Vorsichtsmaßregeln begleitet sein. Vor Allem dürfe Niemandem, der ein Feind der kirchlichen Verfassung des Landes sei, irgend eine Betheiligung an der Civilverwaltung gestattet werden.

Die Niederkirchenpartei. Zwischen den Nonconformisten und den strengen Conformisten stand die Niederkirchenpartei. Diese Partei enthielt und enthält noch jetzt zwei ganz verschiedene Elemente: ein puritanisches und ein latitudinarisches Element. Über fast jede Frage, die sich auf die kirchliche Verfassung wie auf das Ceremoniell des öffentlichen Gottesdienstes bezog, waren jedoch der puritanische Niederkirchliche und der latitudinarische Niederkirchliche vollkommen einig. Sie sahen in der bestehenden Kirchenverfassung und in dem bestehenden Ceremoniell keinen Mangel, keinen Übelstand, der es ihnen hätte zur Pflicht machen können, Dissenters zu werden. Nichtsdestoweniger waren sie der Meinung, daß die Verfassung sowohl wie das Ceremoniell Mittel und nicht Zwecke seien und daß der wesentliche Geist des Christenthums ohne Bischöfe und ohne ein allgemeines Gebetbuch bestehen könne. Als Jakob auf dem Throne saß, waren sie die Hauptwerkzeuge zur Bildung der großen Coalition gegen Papisterei und Tyrannei gewesen und sie führten 1689 noch dieselbe versöhnliche Sprache, die sie 1688 geführt hatten. Die Gewissensscrupel der Nonconformisten tadelten sie mild. Es sei unzweifelhaft eine große Schwäche zu glauben, daß es etwas Sündhaftes sein könne, einen weißen Chorrock zu tragen, ein Kreuz zu schlagen, oder an dem Geländer eines Altars zu knieen. Die höchste Autorität aber habe die unzweideutigsten Vorschriften darüber erlassen, wie solche Schwäche zu behandeln sei. Der schwache Bruder sei nicht zu verdammen, nicht zu verachten; Gläubige von stärkerem Geiste seien gehalten, ihn durch große Nachgiebigkeit zu beschwichtigen und sorgfältig jeden Stein des Anstoßes, der ihn Veranlassung geben könne, Andersdenkende zu verletzen, aus seinem Wege zu entfernen. Ein Apostel habe erklärt, daß er, obwohl er selbst gegen den XI.53 Genuß von thierischer Nahrung und Wein kein Bedenken hege, doch lieber Pflanzen essen und Wasser trinken wolle, als daß er dem Geringsten seiner Heerde ein Ärgerniß gäbe. Was würde er wohl von Kirchenfürsten gedacht haben, welche um eines Gewandes, einer Geberde oder einer Stellung willen nicht nur die Kirche gespalten, sondern alle Gefängnisse England’s mit Männern von orthodoxem Glauben und frommem Lebenswandel gefüllt hätten? Die tadelnden Bemerkungen, welche die Hochkirchlichen über das neuerliche Benehmen der Dissenters gemacht, wurden von den Niederkirchlichen für höchst ungerecht erklärt. Das Wunder liege nicht darin, daß einige wenige Nonconformisten dankbar eine Indulgenz angenommen hätten, die, so gesetzwidrig sie auch gewesen, doch ihnen die Thüren ihrer Kerker geöffnet und ihre häusliche Ruhe gesichert habe, sondern darin, daß die Nonconformisten im allgemeinen der Sache einer Verfassung treu geblieben seien, von deren Wohlthaten sie lange ausgeschlossen gewesen. Es sei höchst unbillig, die Fehler einiger weniger Individuen einer ganzen großen Partei zur Last zu legen. Selbst unter den Bischöfen der Landeskirche habe Jakob Werkzeuge und Schmeichler gefunden. Das Benehmen Cartwright’s und Parker’s sei viel weniger zu entschuldigen gewesen, als das Alsop’s und Lobb’s. Gleichwohl würden Diejenigen, welche die Dissenters für die Fehler Alsop’s und Lobb’s verantwortlich hielten, es ohne Zweifel für sehr unvernünftig erklären, wenn man die Landeskirche für die weit größere Schuld Cartwright’s und Parker’s verantwortlich machen wolle.

Die Geistlichen der Niederkirche waren eine Minorität, und zwar keine große Minorität ihres Standes; ihr Gewicht aber stand weit über dem Verhältniß ihrer Anzahl, denn sie waren in der Hauptstadt stark vertreten, sie hatten daselbst großen Einfluß und das Durchschnittsmaß ihrer Intelligenz und wissenschaftlichen Bildung war bei ihnen höher als bei ihrem Stande im allgemeinen. Wir wurden ihre numerische Stärke wahrscheinlich noch zu hoch anschlagen, wenn wir sie auf ein Zehntel der gesammten Geistlichkeit schätzten. Es wird jedoch schwerlich bestritten werden können, daß sie in ihrer Mitte eben so viele Männer von ausgezeichneter Beredtsamkeit und Gelehrsamkeit zählten, als sich unter den übrigen neun Zehnteln zusammengenommen fanden. Unter den Laien, die sich der herrschenden Landeskirche angeschlossen, war das Verhältniß der Parteien ziemlich gleich. Die Linie, welche sie trennte, war in der That sehr wenig unterschieden von der Linie, welche die Whigs und Tories trennte. Im Hause der Gemeinen, welches gewählt worden war, als die Whigs die Oberhand hatten, war die Niederkirchenpartei entschieden überwiegend; bei den Lords aber herrschte ein fast genaues Gleichgewicht und es bedurfte nur sehr geringfügiger Umstände, um die Wagschale emporzuschnellen.

Wilhelm’s Pläne bezüglich der Kirchenverfassung. Das Oberhaupt der Niederkirchenpartei war der König. Er war als Presbyterianer erzogen worden, seiner rationalen Überzeugung nach war er ein Latitudinarier, und persönlicher Ehrgeiz sowohl als auch höhere Beweggründe vermochten ihn, zwischen den protestantischen Secten als Vermittler aufzutreten. Sein Bestreben war auf die Einführung dreier großer Reformen in den die kirchlichen Angelegenheiten betreffenden Gesetzen gerichtet. Sein erster Zweck war, den Dissenters die Erlaubniß zur freien und ungestörten Abhaltung ihres Gottesdienstes zu erwirken. Sein zweiter Zweck war, in dem anglikanischen Ritual und Kirchenregiment solche XI.54 Abänderungen vorzunehmen, welche die gemäßigten Nonconformisten gewinnen konnten, ohne Diejenigen zu verletzen, denen jenes Ritual und Kirchenregiment theuer war. Sein dritter Zweck war, den Protestanten ohne Unterschied der Secten bürgerliche Ämter zugänglich zu machen. Alle drei Zwecke waren gut, aber nur der erste war zur Zeit erreichbar. Für den zweiten kam er zu spät, für den dritten zu früh.

Burnet, Bischof von Salisbury. Wenige Tage nach seiner Thronbesteigung that er einen Schritt, welcher seine Gesinnungen in Bezug auf Kirchenregiment und öffentlichen Gottesdienst unverkennbar andeutete. Er fand nur einen Bischofsstuhl unbesetzt. Seth Ward, der viele Jahre hindurch das Kirchspiel von Salisbury verwaltet und sich als einer von den Begründern der Königlichen Societät ehrenvoll ausgezeichnet hatte, starb, nachdem er seine Fähigkeiten längst überlebt, während das Land durch die Wahlen für die Convention bewegt wurde, ohne zu wissen, daß große Ereignisse, von denen nicht das unwichtigste unter seinem eignen Dache stattgefunden, seine Kirche und sein Vaterland vom Untergange gerettet hatten. Die Wahl eines Nachfolgers war nicht leicht. Diese Wahl mußte unvermeidlich von der Nation als ein Prognostikon von höchster Bedeutung betrachtet werden. Außerdem mußte die Anzahl der Geistlichen, die sich während der Streitigkeiten der letzten drei Jahre durch Gelehrsamkeit, Beredtsamkeit, Muth und Rechtschaffenheit ausgezeichnet hatten, den König in Verlegenheit setzen. Burnet erhielt den Vorzug. Sein Anrecht war unzweifelhaft groß; aber Wilhelm würde gewiß eine ruhigere Regierung gehabt haben, wenn er mit der wohlverdienten Beförderung seines Kaplans noch einige Zeit gewartet und die erste hohe geistliche Würde, welche nach der Revolution durch die Krone zu vergeben war, einem der neuen Regierung ergebenen, aber dem Klerus nicht allgemein verhaßten berühmten Theologen verliehen hätte. Unglücklicherweise war Burnet’s Name der großen Mehrzahl der anglikanischen Geistlichen verhaßt. Obwohl er, dem Prinzip nach, keineswegs zur extremen Fraction der latitudinarischen Partei gehörte, so wurde er doch vom Volke als die Personifikation des Latitudinarismus betrachtet. Diese Auszeichnung verdankte er der hervorragenden Stellung, die er in der Literatur und der Politik einnahm, der Gewandtheit seiner Zunge und seiner Feder und vor Allem der Offenheit und Unerschrockenheit seines Characters, einer Offenheit, welche kein Geheimniß bewahren konnte, und einer Unerschrockenheit, die vor keiner Gefahr zurückbebte. Er hegte nur eine geringe Meinung von der Gesammtheit seiner geistlichen Brüder und mit seiner gewohnten Indiscretion ließ er sich oft verleiten, diese Meinung auszusprechen. Dafür haßten sie ihn aber auch mit einer Erbitterung, die auf ihre Nachfolger überging und noch jetzt, nach anderthalbem Jahrhundert, nicht nachzulassen scheint.

Sobald der Beschluß des Königs bekannt wurde, fragte man sich überall: Was wird der Erzbischof thun? Sancroft hatte sich von der Convention fern gehalten, er hatte sich geweigert, einen Sitz im Geheimen Rathe einzunehmen, er hatte aufgehört zu confirmiren, zu ordiniren und einzusetzen, und nur selten sah man ihn außerhalb der Mauern seines Palastes zu Lambeth. Bei jeder Gelegenheit erklärte er, daß er sich noch immer durch seinen alten Unterthaneneid gebunden erachte. Burnet betrachtete er als ein Ärgerniß für den Priesterstand, als einen Presbyterianer im Chorrock. Der Prälat, der seine Hände auf dieses unwürdige Haupt legte, würde mehr als eine große Sünde begehen. Er würde an XI.55 geheiligter Stätte und vor einer großen Versammlung von Gläubigen zu gleicher Zeit einen Usurpator als König anerkennen und einem Schismatiker den Rang eines Bischofs verleihen. Eine Zeit lang erklärte Sancroft mit Bestimmtheit, er werde der Anordnung Wilhelm’s nicht Folge leisten. Lloyd von St. Asaph, der gemeinschaftliche Freund des Erzbischofs und des neuerwählten Bischofs, drang umsonst mit Bitten und Vorstellungen in ihn. Nottingham, der von allen der neuen Regierung anhängenden Laien am besten mit dem Klerus stand, bot seinen Einfluß ebenfalls auf, doch mit keinem besseren Erfolge. Die Jakobiten sagten überall, daß sie des guten alten Primas gewiß seien, daß er den Muth eines Märtyrers habe und daß er entschlossen sei, in der Sache der Monarchie und der Kirche der äußersten Strenge der Gesetze zu trotzen, mit denen die willfährigen Parlamente des 16. Jahrhunderts das königliche Supremat geschützt hatten. Er hielt sich in der That lange; im letzten Augenblicke aber sank ihm der Muth, und er sah sich nach einem Auswege um. Zum Glück ließ sich sein Gewissen eben so oft durch kindische Auskunftsmittel beruhigen, wie es durch kindische Bedenken beunruhigt wurde. Ein kindischerer Ausweg als der, zu welchem er bei dieser Gelegenheit griff, ist in allen Werken der Casuisten nicht zu finden. Er wollte nicht persönlich Theil an der Feierlichkeit nehmen; er wollte nicht öffentlich für den Prinzen und die Prinzessin als König und Königin beten; er wollte nicht ihr Mandat verlangen, die Verlesung desselben anbefehlen und dann für die Befolgung sorgen. Aber er stellte eine Vollmacht aus, welche drei seiner Suffraganen, gleichviel welche, ermächtigte, in seinem Namen und als seine Delegaten die Sünden zu begehen, die er selbst nicht begehen mochte. Die Vorwürfe aller Parteien brachten ihn bald dahin, daß er sich seiner selbst schämte. Nun versuchte er es, die Augenscheinlichkeit seines Fehlers durch Mittel zu verdecken, welche noch schimpflicher waren als der Fehler selbst. Er entfernte aus den öffentlichen Acten, die er in seiner Verwahrung hatte, das Dokument, durch welches er seine Amtsbrüder ermächtigt, anstatt seiner zu handeln, und wurde nur mit Mühe bewogen, es wieder herauszugeben.81

Burnet war indessen kraft dieses Dokuments zum Bischofe geweiht worden. Als er das nächste Mal Marien besuchte, erinnerte sie ihn an die Unterredungen, welche sie im Haag über die wichtigen Pflichten und die große Verantwortlichkeit der Bischöfe mit einander gepflogen hatten. „Ich hoffe,“ sagte sie, „daß Sie Ihre Ansichten praktisch ausüben werden.“ Ihre Hoffnung wurde nicht getäuscht. Was man auch von Burnet’s Meinungen in Bezug auf Civil- und Kirchenverfassung, oder von der Gesinnung und dem Urtheil denken mag, welche er bei Verfechtung dieser Meinungen an den Tag legte, auch der böswilligste Parteigeist konnte nicht zu leugnen wagen, daß er seine Heerde mit einem Eifer, einer Sorgfalt und einer Uneigennützigkeit hütete, die den reinsten Zeiten der Kirche würdig waren. Seine geistliche Oberherrschaft erstreckte sich über Wiltshire und Berkshire. Diese Grafschaften theilte er in Distrikte, die er fleißig besuchte. Jeden Sommer verwendete er etwa zwei Monate darauf, täglich von Kirche zu Kirche zu predigen, zu katechisiren und zu XI.56 confirmiren. Als er starb, gab es in seinem Kirchspiele keinen Winkel, wo das Volk nicht sieben bis acht Mal Gelegenheit gehabt hatte, seine Belehrungen zu empfangen und seinen Rath zu erbitten. Das schlechteste Wetter, die grundlosesten Wege hielten ihn nicht ab, diese Pflichten zu erfüllen. Einmal als die Flüsse ausgetreten waren, setzte er sich lieber der größten Lebensgefahr aus, als daß er die Erwartung einer Landgemeinde, welche eine Predigt von dem Bischof zu hören hoffte, getäuscht hätte. Die Armuth der niederen Geistlichkeit war fortwährend ein Gegenstand der Besorgniß für sein menschenfreundliches und edles Herz. Er war unermüdlich und zuletzt glücklich in seinen Bemühungen, ihnen von Seiten der Krone die unter dem Namen „Königin Anna’s Schenkung“ bekannte Unterstützung zu verschaffen.82 Wenn er durch seine Diöcese reiste, war er ganz besonders darauf bedacht, ihnen nicht zur Last zu fallen. Anstatt sich von ihnen bewirthen zu lassen, bewirthete er sie. Er nahm sein Hauptquartier stets in einem Marktflecken, hielt daselbst offene Tafel und bemühte sich, durch seine schlichte Gastfreundschaft und liebevolle Freigebigkeit die Herzen Derer zu gewinnen, welche gegen seine Lehren eingenommen waren. Wenn er eine dürftig besoldete Pfarrstelle vergab, und er hatte deren viele zu vergeben, pflegte er dem Einkommen aus seiner eigenen Tasche zwanzig Pfund jährlich zuzulegen. Zehn vielversprechende junge Leute, deren jedem er dreißig Pfund jährlich aussetzte, studirten unter seinen Augen in Salisbury Theologie. Obwohl er mehrere Kinder hatte, hielt er sich doch nicht für berechtigt, Schätze für sie zu sammeln. Ihre Mutter hatte ihm ein anständiges Vermögen zugebracht; mit diesem Vermögen, sagte er immer, müßten sie sich begnügen. Er könne sich nicht um ihretwillen der Sünde schuldig machen, aus Einkünften, welche der Christenliebe und Wohlthätigkeit geweiht seien, ein Vermögen zu sammeln. Solche Tugenden werden in den Augen vernünftiger und vorurtheilsfreier Menschen gewiß vollkommenen Ersatz für jeden Fehler bieten, der ihm mit Grund zur Last gelegt werden kann.83

81. Burnet II. 8.; Birch’s Life of Tillotson; Life of Kettlewell, part III. section 62.

82. Swift, der unter dem Namen Gregor Misosarum schrieb, sagt boshafter und ehrloser Weise von Burnet, er habe der Kirche diese Schenkung nicht gegönnt. Es kann Swift nicht unbekannt gewesen sein, daß die Kirche diese Schenkung hauptsächlich Burnet’s beharrlicher Fürsprache verdankte.

83. Siehe die Biographie Burnet’s am Schlusse des zweiten Bandes seiner Geschichte, seine handschriftlichen Memoiren, Harl. 6584., seine Denkschriften über die Erstlinge und Zehnten, und Somers’ Briefe an ihn über diesen Gegenstand. Auch vergleiche man was Dr. King, obwohl Jakobit, so gerecht war in seinen Anecdotes zu sagen. Ein höchst ehrenvolles Zeugniß für Burnet’s Tugenden, von einem andren Jakobiten, der ihn heftig angegriffen, und gegen den er sich äußerst großmüthig gezeigt hatte, von dem gelehrten und freimüthigen Thomas Baker, findet man im Gentleman’s Magazine für August und September 1791.

Nottingham’s Pläne in Bezug auf die kirchliche Verfassung. Als er seinen Sitz im Hause der Lords einnahm, fand er diese Versammlung mit der Berathung kirchlicher Gesetze beschäftigt. Ein Staatsmann, der als treuer Anhänger der Landeskirche bekannt war, hatte es unternommen, die Sache der Dissenters zu vertheidigen. Kein Unterthan im ganzen Reiche nahm mit Bezug auf die religiösen Parteien eine so wichtige und gebietende Stellung ein als Nottingham. Mit dem Einflusse, welchen Rang, Reichthum und amtliche Würde verleihen, verband er den noch höheren Einfluß der wissenschaftlichen Bildung, der Beredtsamkeit XI.57 und der Rechtschaffenheit. Sein orthodoxer Glaube, die Regelmäßigkeit seiner Andachtsübungen und die Reinheit seiner Sitten gaben seinen Ansichten über Fragen, welche die Interessen des Christenthums berührten, ein besonderes Gewicht. Von allen Ministern des neuen Herrscherpaares genoß er am meisten das Vertrauen der Geistlichkeit. Shrewsbury war sicherlich ein Whig und wahrscheinlich ein Freidenker, denn er hatte eine Religion verloren, und es war nicht deutlich zu erkennen, ob er eine andre gefunden. Halifax war seit vielen Jahren des Skepticismus, Deismus und Atheismus beschuldigt worden. Danby’s Anhänglichkeit an das Episkopat und die Liturgie war mehr politischer als religiöser Natur. Nottingham aber war ein Sohn, den die Landeskirche mit Stolz den Ihrigen nannte. In Folge dessen konnten Vorschläge, die, wenn sie von seinen Collegen ausgegangen wären, unfehlbar einen panischen Schrecken unter der Geistlichkeit hervorgerufen haben würden, wenn er sie machte, eine günstige Aufnahme selbst bei den Universitäten und Kapiteln finden. Die Freunde der religiösen Freiheit sehnten sich mit gutem Grunde nach seiner Mitwirkung, und er war auch, bis zu einem gewissen Punkte, nicht abgeneigt, Hand in Hand mit ihnen zu gehen. Er war entschieden für eine Toleranz; er war sogar für eine Comprehension, wie man es damals nannte, das heißt er wünschte einige Abänderungen in dem anglikanischen Kirchenregiment und Ritual vorzunehmen, um dadurch die Bedenken der gemäßigten Presbyterianer zu heben. Aber die Testacte wollte er nicht aufgeben. Der einzige Fehler, den er an dieser Acte fand, war, daß sie nicht nachdrücklich genug sei und Schlupfwege offen lasse, durch die sich Schismatiker zuweilen in bürgerliche Ämter einschlichen. In der That war er gerade deshalb geneigt, in einige Abänderungen in der Liturgie zu willigen, weil er keine Lust hatte, sich von der Testacte zu trennen. Er meinte, wenn der Eingang in die Staatskirche nur ein klein wenig erweitert werde, würden sehr viele Leute, welche bis dahin zaudernd auf der Schwelle gestanden, sich hereindrängen. Diejenigen, welche dann noch draußen blieben, würden nicht zahlreich oder mächtig genug sein, um ein weiteres Zugeständniß erzwingen zu können, und würden sich gern mit einer bloßen Toleranz abfinden lassen.84

Die Ansicht der Niederkirchlichen bezüglich der Testacte war von der seinigen durchaus verschieden. Vielen von ihnen aber schien es von höchster Wichtigkeit, seine Unterstützung bei den großen Fragen der Toleranz und der Comprehension zu erlangen. Aus den zerstreuten fragmentarischen Mittheilungen, welche auf uns gekommen sind, geht hervor, daß ein Vergleich zu Stande kam. Es ist gewiß, daß Nottingham es auf sich nahm, eine Toleranzbill und eine Comprehensionsbill einzubringen und sich nach besten Kräften zu bemühen, daß beide Bills im Hause der Lords angenommen würden. Und sehr wahrscheinlich ist es, daß einige von den leitenden Whigs in Anerkennung dieses großen Dienstes einwilligten, die Testacte vor der Hand unverändert fortbestehen zu lassen.

Die Abfassung der Toleranzbill sowohl als der Comprehensionsbill XI.58 hatte keine Schwierigkeiten. Vor neun oder zehn Jahren, als das Königreich von Angst vor einem papistischen Complot erfüllt und die Protestanten allgemein geneigt waren, sich gegen den gemeinsamen Feind zu verbinden, war die Lage der Dissenters vielfach discutirt worden. Die Regierung war damals bereit gewesen, der Whigpartei umfassende Zugeständnisse zu machen, unter der Bedingung, daß die Krone nach dem regelmäßigen Gange forterben dürfe. Zwei Gesetzentwürfe, von denen der eine den öffentlichen Gottesdienst der Nonconformisten gestattete, der andre einige Abänderungen in dem öffentlichen Gottesdienste der Staatskirche traf, waren vorbereitet worden und würden wahrscheinlich von beiden Häusern ohne Schwierigkeit angenommen worden sein, hätten nicht Shaftesbury und seine Coadjutoren sich geweigert, auf irgendwelche Bedingungen zu hören, und sich, indem sie nach Unerreichbarem die Hand ausstreckten, Vortheile entgehen lassen, welche leicht zu erlangen gewesen wären. An der Abfassung dieser Gesetzentwürfe hatte Nottingham, damals ein thätiges Mitglied des Hauses der Gemeinen, einen starken Antheil gehabt. Jetzt zog er sie aus dem Dunkel hervor, in welchem sie seit der Auflösung des Oxforder Parlaments geblieben waren, und legte sie mit einigen unbedeutenden Abänderungen auf den Tisch der Lords.85

84. Oldmixon möchte uns glauben machen, daß Nottingham damals nicht abgeneigt gewesen sei, die Testacte aufzugeben. Aber Oldmixon’s Behauptung, welche durch keine Beweise unterstützt wird, ist von gar keinem Gewicht, und alle Zeugnisse, die er anführt, sprechen gegen seine Behauptung.

85. Burnet II. 6; Van Citters an die Generalstaaten, 1.(11.) März 1689; King William’s Toleration being an explanation of that liberty of conscience which may be expected from His Majesty’s Declaration, with a Bill for Comprehensions and Indulgence, drawn up in order to an Act of Parliament, licensed March 25. 1689.

Die Toleranzbill. Die Toleranzbill ging in beiden Häusern nach kurzer Debatte durch. Dieses berühmte Gesetz, das lange Zeit als die große Charte der Religionsfreiheit betrachtet wurde, ist seitdem umfassend modificirt worden und der jetzigen Generation fast nur dem Namen nach bekannt. Der Name wird jedoch von Vielen, welche vielleicht mit Verwunderung und Enttäuschung den wahren Character des Gesetzes kennen lernen werden, das sie in Ehren zu halten gewohnt waren, noch immer mit Achtung genannt.

Mehrere Gesetze, welche zwischen der Thronbesteigung der Königin Elisabeth und der Revolution erlassen worden waren, schrieben Jedermann bei strengen Strafen vor, dem Gottesdienste der Kirche England’s beizuwohnen und sich des Besuchs von Conventikeln zu enthalten. Die Toleranzacte widerrief keines dieser Gesetze, sondern bestimmte nur, daß sie auf Niemanden Anwendung finden sollten, der seine Loyalität durch Ablegung der Unterthanen- und Suprematseide und seinen protestantischen Glauben durch Unterzeichnung der Erklärung gegen die Transsubstantiation bezeuge.

Die so gewährte Erleichterung kam sowohl den dissentirenden Laien als den dissentirenden Geistlichen zu Gute. Der dissentirende Klerus aber hatte noch einige besondere Ursachen zu Beschwerden. Die Conformitätsacte hatte Jedem eine Geldbuße von hundert Pfund auferlegt, der sich, ohne die bischöfliche Ordination empfangen zu haben, anmaßen sollte, das Abendmahl zu reichen. Die Fünfmeilenacte hatte viele fromme und gelehrte Geistliche von ihren Wohnplätzen und ihren Freunden vertrieben, um in unbekannten Dörfern, welche auf keiner Landkarte zu finden waren, unter Bauern zu leben. Die Conventikelacte hatte denjenigen Geistlichen, welche vor Separatistenversammlungen predigen sollten, schwere XI.59 Geldbuße auferlegt, und in directem Widerspruche mit dem humanen Geiste unsres gemeinen Rechts waren die Gerichtshöfe angewiesen, diese Acte in umfassender Ausdehnung und zur wirksamen Unterdrückung des Dissents wie zur Aufmunterung der Angeber zu handhaben. Diese strengen Gesetze waren nicht aufgehoben, sondern nur, mit vielen Bedingungen und Vorbehalten, gemildert. Es war vorgeschrieben, daß jeder dissentirende Geistliche, ehe er seine Amtsverrichtungen ausüben durfte, mit eigenhändiger Namensunterschrift seinen Glauben an die Artikel der englischen Staatskirche, mit wenigen Ausnahmen, feierlich erklären müsse. Die Punkte, zu denen seine Zustimmung nicht verlangt wurde, waren: daß die Kirche die Befugniß habe, das Ceremoniell zu reguliren, daß die in dem Homilienbuche aufgestellten Lehren richtig seien, und daß die Ceremonie der Ordination nichts Abergläubisches und Abgöttisches an sich habe. Erklärte er sich für einen Baptisten, so brauchte er außerdem nicht zu versichern, daß die Taufe der Kinder ein lobenswerther Gebrauch sei. Wenn ihm aber seine Überzeugung nicht gestattete, vierunddreißig von den neununddreißig Artikeln und den größten Theil von noch zwei anderen Artikeln zu unterschreiben, so durfte er nicht predigen, ohne sich allen den Strafen auszusetzen, welche die Cavaliere zur Zeit ihrer Macht und ihrer Rache ersonnen hatten, um die schismatischen Prediger zu quälen und zu Grunde zu richten.

Die Lage der Quäker war von der der übrigen Dissenters verschieden, und zwar zu ihrem Nachtheile. Der Presbyterianer, der Independent und der Baptist hatten keine Bedenken wegen des Suprematseides. Der Quäker aber weigerte sich, denselben zu leisten, nicht weil er gegen den Satz, daß fremde Fürsten und Prälaten in England keine Rechtsgewalt haben, etwas einzuwenden gehabt hätte, sondern weil sein Gewissen ihm nicht gestattete, auf irgend etwas zu schwören. Daher war er der Strenge eines Theiles des Strafcodex ausgesetzt, welcher schon lange bevor das Quäkerthum existirte von den Parlamenten Elisabeth’s gegen die Römisch-Katholischen ausgearbeitet worden war. Die Toleranzacte erlaubte den Mitgliedern dieser harmlosen Secte, ihre Zusammenkünfte in Frieden abzuhalten, unter der Bedingung, daß sie drei Urkunden unterzeichneten: eine Erklärung gegen die Transsubstantiation, ein Versprechen der Treue gegen die Regierung, und ein christliches Glaubensbekenntniß. Die Einwendungen, welche der Quäker gegen die athanasianische Phraseologie machte, hatten ihm die Beschuldigung des Socinianismus zugezogen, und die starke Sprache, in der er zuweilen behauptete, daß er seine Kenntniß von überirdischen Dingen unmittelbarer Eingebung von Oben verdanke, hatte den Verdacht erweckt, daß er von der Autorität der heiligen Schrift nicht viel halte. Es wurde daher von ihm verlangt, daß er seinen Glauben an die Göttlichkeit des Sohnes und des heiligen Geistes, wie auch an die Inspiration des Alten und Neuen Testaments erklären solle.

Dies waren die Bedingungen, unter denen die protestantischen Dissenters in England zum ersten Male Gott nach ihrer Überzeugung verehren durften. Es war ihnen ganz zweckmäßigerweise untersagt, ihre Versammlungen bei verschlossenen Thüren zu halten; eine Klausel aber, welche es für strafbar erklärte, ein Bethaus zu betreten, in der Absicht die Versammlung zu belästigen, schützte sie gegen feindliches Eindringen.

Als ob die erwähnten Beschränkungen und Vorsichtsmaßregeln noch nicht ausreichend gewesen wären, wurde nachdrücklich erklärt, daß die XI.60 Legislatur gegen keinen Papisten oder irgend Jemanden, der die Lehre von der Dreieinigkeit, wie sie in den Formularen der englischen Landeskirche aufgestellt ist, verwerfe, die geringste Nachsicht zu üben gedenke.

Von allen Acten, die jemals von einem Parlamente erlassen wurden, ist die Toleranzacte vielleicht diejenige, welche auf die eigenthümlichen Mängel und auf die eigenthümlichen Vorzüge der englischen Gesetzgebung das grellste Licht wirft. Die Staatswissenschaft ist in einer Hinsicht der Mathematik vollkommen analog. Der Mathematiker kann leicht darthun, daß eine gewisse Kraft, welche vermittelst eines Hebels oder eines Flaschenzugs angewendet wird, zum Heben einer gewissen Last ausreicht. Seine Demonstration gründet sich auf die Voraussetzung, daß die Maschinerie von der Art ist, daß keine Last sie biegen oder zerbrechen kann. Wenn aber der Mechaniker, der vermittelst wirklicher Balken und Seile eine große Masse wirklicher Steine zu heben hat, sich auf den Lehrsatz, den er in Werken über Dynamik findet, unbedingt verlassen und die Unvollkommenheit seines Materials nicht mit in Anschlag bringen wollte, so würde sein ganzer Apparat von Balken, Rädern und Seilen bald zusammenstürzen, und er würde mit all’ seinen mathematischen Kenntnissen als ein viel schlechterer Baumeister erfunden werden wie die bemalten Barbaren, welche Stonehenge erbauten, obgleich sie von dem Parallelogramm der Kräfte in ihrem Leben nichts gehört hatten. Wie sich der Mechaniker zu dem Mathematiker verhält, so verhält sich der praktische Staatsmann zu dem theoretischen Staatsmann. Es ist allerdings höchst wichtig, daß Gesetzgeber und Regierende die Theorie des Regierens genau kennen, wie es höchst wichtig ist, daß der Baumeister, der einen Obelisk auf sein Piedestal stellen oder eine Röhrenbrücke über einen Meeresarm legen soll, in der Theorie des Gleichgewichts und der Bewegung bewandert sei. Wie aber der, welcher wirklich zu bauen hat, an Vieles denken muß, wovon d’Alembert und Euler nie etwas erwähnt haben, so muß auch Der, welcher wirklich regieren soll, sich beständig durch Erwägungen leiten lassen, von denen in den Schriften Adam Smith’s oder Jeremias Bentham’s keine Rede ist. Der vollkommene Gesetzgeber hält die rechte Mitte zwischen dem Theoretiker, der nichts sieht als allgemeine Grundsätze, und dem bloßen Praktiker, der nur specielle Umstände ins Auge faßt. An Gesetzgebern, bei denen das spekulative Element bis zur völligen Ausschließung des praktischen vorherrschte, ist die Welt während der letzten achtzig Jahre auffallend fruchtbar gewesen. Ihrer Weisheit verdanken Europa und Amerika Dutzende von abortiven Verfassungen, welche gerade lange genug gelebt haben, um ein trauriges Aufsehen zu machen, und die dann unter krampfhaften Zuckungen verschieden sind. In der englischen Gesetzgebung aber hat das praktische Element vor dem spekulativen stets, und nicht selten ungebührlich vorgeherrscht. Nichts auf die Symmetrie, und viel auf die Zweckmäßigkeit zu geben; niemals eine Anomalie blos deshalb zu beseitigen, weil sie eine Anomalie ist; niemals eine Neuerung einzuführen, außer wenn sich ein Nachtheil fühlbar macht, und Neuerungen nur in so weit einzuführen als zur Hebung des Nachtheils nothwendig ist; niemals einen Vorschlag zu machen, der sich weiter erstreckte, als auf den speciellen Fall, für welchen Abhülfe zu schaffen ist: dies sind die Regeln, welche vom Zeitalter Johann’s bis zum Zeitalter Victoria’s die Verhandlungen unserer zweihundertfunfzig Parlamente geleitet haben. Unser nationaler Widerwille gegen alles Abstracte in der Staatswissenschaft ist allerdings so groß, daß XI.61 er ein Fehler wird. Doch ist es vielleicht ein Fehler zum Guten. Daß wir bei der Verbesserung unserer Gesetze viel zu langsam gegangen sind, muß zugegeben werden. Obwohl aber in anderen Ländern gelegentlich ein rascherer Fortschritt stattgefunden haben mag, so würde es doch nicht leicht sein, ein andres Land zu nennen, in welchem so wenig Rückschritt stattgefunden hätte.

Die Toleranzacte kommt dem Typus eines großen englischen Gesetzes sehr nahe. Einen Juristen, der in der Theorie der Gesetzgebung wohl bewandert, mit der Stimmung der Secten und Parteien aber, in welche die Nation zur Zeit der Revolution gespalten war, nicht genau bekannt wäre, würde jene Acte als ein wahres Chaos von Absurditäten und Widersprüchen erscheinen. Sie wird eine Prüfung nach richtigen allgemeinen Prinzipien nicht vertragen. Noch mehr, sie wird gar keine Prüfung nach irgend welchem, gleichviel ob richtigen oder falschen Prinzip vertragen. Das richtige Prinzip ist unzweifelhaft, daß ein rein theologischer Irrthum von der Civilobrigkeit nicht bestraft werden darf. Dieses Prinzip erkennt die Toleranzacte nicht nur nicht an, sondern sie leugnet es sogar positiv. Kein einziges von den harten Gesetzen, welche die Tudors oder die Stuarts gegen die Nonconformisten erlassen, ist aufgehoben. Verfolgung ist nach wie vor die allgemeine Regel; Toleranz ist die Ausnahme. Und dies ist noch nicht Alles. Die der Überzeugung gewählte Freiheit wird in der launenhaftesten Weise gewährt. Ein Quäker erlangt dadurch, daß er ein Glaubensbekenntniß in allgemeinen Ausdrücken ablegt, den vollen Genuß der Acte, ohne einen der neununddreißig Artikel zu unterschreiben. Ein Independentengeistlicher, der vollkommen bereit ist, die von dem Quäker verlangte Erklärung abzugeben, der aber wegen sechs oder sieben Artikeln Zweifel hegt, bleibt dem Strafgesetz unterworfen. Howe ist straffällig, wenn er predigt, ohne zuvor seine Zustimmung zu der anglikanischen Lehre vom Abendmahl feierlich erklärt zu haben. Penn, der das Abendmahl ganz verwirft, kann völlig ungehindert predigen, ohne irgend eine Erklärung über den Gegenstand abzugeben.

Dies sind einige von den unleugbaren Fehlern, welche Jedem auffallen müssen, der die Toleranzacte nach dem Maßstabe der gesunden Vernunft betrachtet, welcher in allen Ländern und zu allen Zeiten der nämliche ist. Aber gerade diese Fehler können sich vielleicht als Vorzüge herausstellen, wenn wir die Leidenschaften und Vorurtheile Derer in Betracht ziehen, für welche die Toleranzacte erlassen wurde. Dieses an Widersprüchen, die jeder Stümper in der Politik entdecken kann, überreiche Gesetz leistete, was ein von den größten Meistern in der Staatswissenschaft auf das Geschicktste ausgearbeitetes Gesetz vielleicht nicht geleistet haben würde. Daß die obenangeführten Bestimmungen lästig, kindisch, einander widersprechend und mit der wahren Theorie der Religionsfreiheit nicht im Einklange sind, läßt sich nicht leugnen. Alles was zu ihrer Vertheidigung angeführt werden kann, ist, daß sie eine große Menge Hebel beseitigte, ohne eine große Menge Vorurtheile zu verletzen; daß sie mit einem Male und für immer, ohne eine einzige Abstimmung in einem der beiden Parlamentshäuser, ohne einen einzigen Straßenaufstand und fast ohne hörbares Murren selbst von Seiten der bigotteren Klassen, einer Verfolgung ein Ende machte, welche vier Generationen hindurch gewüthet, zahllose Herzen gebrochen, zahllose Herde verödet, die Gefängnisse mit Menschen gefüllt, welche für diese Welt zu gut waren, und Tausende von rechtschaffenen, XI.62 fleißigen und gottesfürchtigen Landleuten und Handwerkern, welche den eigentlichen Kern einer Nation bilden, über den Ocean getrieben hatte, um unter den Wigwams rothhäutiger Indianer und den Lagerplätzen der Panther eine Zufluchtsstätte zu suchen. Solche Vertheidigungsgründe mögen einigen oberflächlichen Theoretikern vielleicht schwach vorkommen, Staatsmänner aber werden sie ohne Zweifel für vollkommen ausreichend erklären.

Die Engländer von 1689 waren keineswegs geneigt, das Prinzip gelten zu lassen, daß religiöser Irrthum ungestraft bleiben dürfe. Dieses Prinzip war gerade damals unpopulärer als je, denn es war erst vor wenigen Monaten arglistiger Weise als Vorwand benutzt worden, um die Landeskirche zu verfolgen, die Grundgesetze des Reichs mit Füßen zu treten, Freigüter einzuziehen und die bescheidene Ausübung des Petitionsrechts als ein Verbrechen zu behandeln. Wenn damals eine Bill entworfen worden wäre, welche allen Protestanten völlige Gewissensfreiheit gewahrt hätte, so kann man mit Gewißheit behaupten, daß Nottingham eine solche Bill niemals eingebracht, daß alle Bischöfe, Burnet nicht ausgenommen, dagegen gestimmt haben würden, daß sie jeden Sonntag von zehntausend Kanzeln herab als eine Beleidigung gegen Gott und gegen alle Christen und als ein Freibrief für die ärgsten Ketzer und Gottesleugner bezeichnet worden wäre, daß Bates und Baxter sie eben so heftig verdammt haben würden als Ken und Sherlock, daß sie in der Hälfte der englischen Städte vom Pöbel verbrannt worden, daß sie nie ein Landesgesetz geworden wäre und daß sie schon das Wort Toleranz der Mehrheit des Volks auf viele Jahre hinaus verhaßt gemacht haben würde. Und dennoch, wenn eine solche Bill durchgegangen wäre, was würde sie mehr bewirkt haben als die Toleranzacte bewirkte?

Es ist wahr, die Toleranzacte erkannte die Verfolgung als Regel an und gewährte die Gewissensfreiheit nur als Ausnahme. Aber eben so wahr ist es, daß die Regel nur gegen einige Hundert protestantischer Dissenters in Kraft blieb und daß die Wohlthat der Ausnahme sich auf Hunderttausende erstreckte.

Es ist wahr, daß es theoretisch widersinnig war, von Howe die Unterzeichnung von vierunddreißig oder fünfunddreißig der anglikanischen Artikel zu verlangen, bevor er predigen durfte, und Penn predigen zu lassen, ohne daß er einen einzigen dieser Artikel unterzeichnete. Aber eben so wahr ist es, daß Beide, Penn wie Howe, unter jenem Gesetz nicht minder volle Freiheit zu predigen erlangten, als sie sie unter dem weisesten Codex genossen haben würden, den ein Beccaria oder Jefferson hätte ausarbeiten können.

Die Berathung der Bill ging leicht von Statten. Nur ein Amendement von Wichtigkeit wurde vorgeschlagen. Einige eifrige Kirchenmänner im Hause der Gemeinen sagten, daß es wohl wünschenswerth sein dürfte, die Toleranz nur auf einen Zeitraum von sieben Jahren zu bewilligen und so eine Garantie für das gute Verhalten der Nonconformisten zu erlangen. Dieser Antrag aber wurde so ungünstig aufgenommen, daß Die, welche ihn gestellt hatten, es nicht wagten, das Haus darüber abstimmen zu lassen.86

XI.63

Der König gab mit voller Befriedigung seine Zustimmung, die Bill wurde Gesetz und die puritanischen Geistlichen drängten sich in allen Grafschaften zu den Quartalsitzungen, um zu schwören und zu unterzeichnen. Viele von ihnen mochten ihre Zustimmung zu den Artikeln allerdings wohl mit einigen stillschweigenden Vorbehalten erklären. Baxter aber wollte sein ängstliches Gewissen nicht gestatten den Schritt zu thun, bevor er eine Erklärung über den Sinn, in welchem er jeden Punkt verstand, zu Protokoll gegeben hatte. Das Schriftstück, welches er dem Gerichtshofe, vor dem er die Eide leistete, überreichte, ist noch vorhanden und enthält zwei Stellen von besonderem Interesse. Er erklärte, daß seine Billigung des athanasianischen Glaubensbekenntnisses sich auf denjenigen Theil beschränke, der ein wirkliches Glaubensbekenntniß sei, und daß er den Verdammungssätzen nicht beistimme. Ebenso erklärte er, daß er durch Unterschreibung des Artikels, der über Alle, welche behaupten, man könne auch ohne Christi Vermittlung selig werden, ein Anathema verhängt, Diejenigen nicht verdammt haben wolle, welche die Hoffnung hegen, daß aufrichtige und tugendhafte Ungläubige an den Wohlthaten der Erlösung Theil haben können. Viele von den dissentirenden Geistlichen London’s erklärten ihre Verpflichtung zu diesen mildherzigen Gesinnungen.87

86. Commons’ Journals, May 17. 1689

87. Sense of the subscribed articles by the Ministers of London, 1690; Calamy’s Historical Additions to Baxter’s Life.

Die Comprehensionsbill. Die Geschichte der Comprehensionsbill bildet einen auffallenden Contrast zur Geschichte der Toleranzbill. Beide Bills hatten einen gemeinsamen Ursprung und, in bedeutender Ausdehnung, auch einen gemeinsamen Zweck. Sie wurden zu gleicher Zeit entworfen und zu gleicher Zeit bei Seite gelegt; sie geriethen zusammen in Vergessenheit und wurden nach Verlauf mehrerer Jahre zusammen wieder vor die Augen der Welt gebracht. Beide wurden von dem nämlichen Peer auf den Tisch des Oberhauses niedergelegt und beide wurden dem nämlichen Ausschusse überwiesen. Bald aber begann es sich zu zeigen, daß sie ein ganz verschiedenes Schicksal haben würden. Die Comprehensionsbill war zwar ein besseres Probestück legislativer Geschicklichkeit, als die Toleranzbill, war aber nicht, wie diese, den Bedürfnissen, Gefühlen und Vorurtheilen der lebenden Generation angepaßt. In Folge dessen wurde die Comprehensionsbill, während die Toleranzbill von allen Seiten Unterstützung fand, von allen Seiten angegriffen und zuletzt selbst von Denen, die sie eingebracht hatten, lau und schwach vertheidigt. Um die nämliche Zeit, wo die Toleranzbill unter allgemeiner Zustimmung der Staatsmänner Gesetz wurde, ward die Comprehensionsbill unter nicht minder allgemeiner Zustimmung fallen gelassen. Die Toleranzbill nimmt heute noch unter den wichtigen Gesetzen, welche in unsrer Verfassungsgeschichte Epochen bezeichnen, eine Stelle ein. Die Comprehensionsbill ist vergessen. Kein Sammler von Alterthümern hat sie der Aufbewahrung werth gehalten. Ein einziges Exemplar, das nämliche, welches Nottingham den Peers vorlegte, befindet sich noch unter unseren Parlamentsacten, ist aber nur einigen wenigen jetzt lebenden Personen zu Gesicht gekommen. Es ist ein glücklicher Umstand, daß aus diesem Exemplare fast die ganze Geschichte der Bill zu ersehen ist. Trotz der Durchstreichungen und hineincorrigirten Änderungen sind die ursprünglichen Worte leicht XI.64 von denen zu unterscheiden, welche im Ausschuß oder bei der Berichterstattung hineingeschrieben wurden.88

Die erste Klausel, wie sie bei Einbringung der Bill lautete, entband alle Geistlichen der Landeskirche der Nothwendigkeit, die neununddreißig Artikel zu unterschreiben. An die Stelle der Artikel war folgende Erklärung gesetzt: „Ich billige die Lehre und den Gottesdienst und das Regiment der Staatskirche England’s, wie sie gesetzlich bestehen, als alles zur Seligkeit Nothwendige enthaltend, und verspreche in der Ausübung meines geistlichen Amtes demgemäß zu predigen und zu handeln.“ Eine andre Klausel gewährte den Mitgliedern der beiden Universitäten gleiche Begünstigung.

Ferner war bestimmt, daß jeder Geistliche, der nach presbyterianischer Weise ordinirt worden, ohne nochmalige Ordination alle Rechte eines Priesters der Landeskirche erlangen konnte. Er mußte jedoch in seine neuen Functionen durch Händeauflegen seitens eines Bischofs eingeführt werden, welcher dabei folgende Formel auszusprechen hatte: „Empfange die Ermächtigung, das Wort Gottes zu predigen, die Sakramente darzureichen und alle anderen geistlichen Amtsverrichtungen in der Kirche von England auszuüben.“ Der so Aufgenommene war zur Bekleidung jedes Rectorats oder Vikariats im Königreiche befähigt.

Dann folgten Klauseln, welche bestimmten, daß ein Geistlicher, außer in einigen wenigen Kirchen von besonderem Ansehen, den Chorrock tragen könne oder nicht, wie er es für gut fände, daß das Zeichen des Kreuzes bei der Taufe weggelassen werden dürfe, daß die Kinder ohne Pathen oder Pathinnen getauft werden dürften, wenn die Eltern es wünschten, und daß Leute, denen es Gewissensscrupel machte, das Abendmahl knieend zu empfangen, es sitzend empfangen dürften.

Der Schlußsatz war in Form einer Petition gefaßt. Es war darin vorgeschlagen, daß die beiden Häuser den König und die Königin ersuchen sollten, eine Ordre zu erlassen, welche dreißig Theologen der Landeskirche ermächtigte, die Liturgie, die Kirchengesetze und die Einrichtung der geistlichen Gerichtshöfe zu untersuchen und die sich bei der Untersuchung als wünschenswerth herausstellenden Änderungen anzuempfehlen.

Die Bill durchlief ruhig die ersten Stadien. Compton, welcher thatsächlich Primas war, seit Sancroft sich in Lambeth eingeschlossen hatte, unterstützte Nottingham aufs Kräftigste.89 Im Ausschusse aber zeigte es sich, daß es eine starke Partei von Hochkirchlichen gab, welche entschlossen waren, kein einziges Wort, keine einzige Formalität aufzugeben, denen XI.65 es schien, daß Gebete ohne den Chorrock keine Gebete, der Täufling ohne das Zeichen des Kreuzes kein Christ, und Brod und Wein keine Denkzeichen der Erlösung und keine Gnadenvehikel seien, wenn sie nicht knieend empfangen würden. Warum, fragten diese Männer, sollte der gehorsame und treue Sohn der Landeskirche den Verdruß haben, in ihre majestätischen Chöre die unehrerbietigen Gebräuche eines Conventikels eingeführt zu sehen? Warum sollten seine Gefühle, seine Vorurtheile, wenn es wirklich Vorurtheile wären, weniger berücksichtigt werden als die Launen der Schismatiker? Wenn, wie Burnet und Leute wie Burnet nicht müde wurden zu wiederholen, einem schwachen Bruder Nachsicht gebühre, gebühre sie demjenigen Bruder, dessen Schwäche in seiner übergroßen Liebe zu einem alten, einfachen und schönen Ritual bestehe, das von Kindheit an in seiner Phantasie mit dem Erhabensten und Theuersten eng verbunden sei, weniger als dem Bruder, dessen grämlicher und streitsüchtiger Geist beständig auf läppische Einwendungen gegen harmlose und heilsame Gebräuche sinne? Aber die Bedenklichkeit des Puritaners sei wahrlich nicht die Art der Bedenklichkeit, welche der Apostel den Gläubigen zu respectiren befohlen habe. Sie entspringe nicht aus einer krankhaften Zartheit des Gewissens, sondern aus Tadelsucht und geistlichem Hochmuth, und wer das Neue Testament studirt habe, dem könne es unmöglich entgangen sein, daß, während es unsre Pflicht sei Alles zu vermeiden was dem Schwachen ein Ärgerniß geben könne, göttliche Vorschrift und göttliches Beispiel uns lehrten, dem anmaßenden und lieblosen Pharisäer kein Zugeständniß zu machen. Sollte Alles was nicht zum Wesen der Religion gehöre, aufgegeben werden, sobald es einem Haufen Zeloten, denen Eigendünkel und Neuerungssucht die Köpfe verdreht hätte, nicht mehr gefalle? Bemaltes Glas, Musik, Feiertage und Festtage gehörten nicht zum Wesen der Religion. Sollten auf Verlangen der einen Schaar Fanatiker die Fenster der Kapelle von King’s College zerbrochen werden? Sollte einer andren zu Gefallen die Orgel von Exeter verstummen? Sollten alle Dorfglocken schweigen, weil Tribulation Wholesome oder Diakonus Ananias sie für profan hielten? Sollte das Christfest kein Freudentag mehr sein? Sollte die Passionswoche nicht länger eine Zeit der Demüthigung bleiben? Diese Änderungen waren allerdings noch nicht vorgeschlagen worden. Wenn wir aber, argumentirten die Hochkirchlichen, einmal zugeben, daß etwas Harmloses und Erbauliches abgeschafft werde, weil es einigen beschränkten Köpfen und Grämlingen Anstoß giebt, wo sollen wir dann einhalten? Und ist es nicht wahrscheinlich, daß wir, indem wir so versuchen, ein Schisma zu heilen, ein andres hervorrufen können? Alle die Dinge, welche die Puritaner als Flecken der Kirche betrachten, werden von einem großen Theile der Bevölkerung zu den Schönheiten derselben gerechnet. Kann sie nicht, indem sie aufhört einigen mürrischen Rigoristen Ärgerniß zu geben, zu gleicher Zeit ihren Einfluß auf die Herzen Vieler verlieren, die sich jetzt an ihren Gebräuchen erfreuen? Steht nicht zu befürchten, daß für jeden Proselyten, den sie aus dem Bethause an sich zieht, zehn ihrer alten Söhne ihren verstümmelten Riten und des Schmuckes beraubten Tempeln den Rücken kehren und daß diese neuen Separatisten sich entweder zu einer viel mächtigeren Secte als die, welche wir jetzt zu versöhnen suchen, zusammenschaaren oder in der Heftigkeit ihres Abscheues vor einer kalten und unwürdigen Gottesverehrung sich verleiten lassen, zu dem feierlichen und glänzenden Götzendienst Rom’s überzugehen?

XI.66

Es ist bemerkenswerth, daß Die, welche diese Sprache führten, keineswegs geneigt waren, für die doctrinellen Artikel der Staatskirche zu streiten. In Wahrheit hat seit den Zeiten Jakob’s I. die große Partei, welche besonders für die anglikanische Kirchenverfassung und das anglikanische Ritual eingenommen war, sich immer stark zum Arminianismus hingeneigt und daher nie sehr fest an einem Glaubensbekenntniß gehangen, das von Reformatoren entworfen war, welche in Fragen der metaphysischen Theologie im Allgemeinen mit Calvin übereinstimmten. Eines von den characteristischen Kennzeichen dieser Partei ist die Geneigtheit, welche sie stets an den Tag gelegt hat, sich bei Punkten der dogmatischen Theologie lieber auf die aus Rom stammende Liturgie als auf die aus Genf stammenden Artikel und Homilien zu berufen. Die calvinistischen Mitglieder der Kirche haben dagegen stets behauptet, daß die wohlerwogene Meinung derselben über solche Punkte vielmehr in einer Homilie oder in einer Dankeshymne zu finden sei. Es scheint nicht, daß bei den Debatten über die Comprehensionsbill ein einziger Hochkirchlicher seine Stimme gegen die Klausel erhob, welche den Klerus der Nothwendigkeit entband, die Artikel zu unterschreiben und die in den Homilien enthaltene Doctrin für richtig zu erklären. Die Erklärung, welche in dem ursprünglichen Entwurf an die Stelle der Artikel gesetzt war, wurde sogar in der Berichterstattung sehr gemildert. Nach dem schließlichen Wortlaute der Klausel war den Dienern der Landeskirche vorgeschrieben zu erklären, nicht daß sie ihre Verfassung billigten, sondern bloß daß sie sich derselben unterwürfen. Wäre die Bill Gesetz geworden, so würden die dissentirenden Prediger die Einzigen im ganzen Königreiche geworden sein, welche die Artikel zu unterschreiben gehabt hätten.90

Die Leichtigkeit mit der die eifrigen Freunde der Landeskirche das Glaubensbekenntniß derselben aufgaben, contrastirt auffallend mit der Begeisterung, mit der sie für die Verfassung und das Ritual derselben stritten. Die Klausel, welche presbyterianischen Geistlichen gestattete, ohne bischöfliche Ordination Pfründen zu besitzen, wurde verworfen. Die Klausel, welche skrupulösen Personen gestattete, sitzend zu communiciren, entging mit genauer Noth dem nämlichen Schicksale. Im Ausschusse wurde sie weggestrichen und bei der Berichterstattung nur mit großer Mühe wieder aufgenommen. Die Majorität der anwesenden Peers war gegen die vorgeschlagene Begünstigung und nur die Stellvertreter gaben gerade noch den entgegengesetzten Ausschlag.

Inzwischen begann es sich jedoch zu zeigen, daß der Bill, welche die Anhänger der Hochkirche so heftig angriffen, von ganz andrer Seite Gefahren drohten. Die nämlichen Gründe, welche Nottingham bewogen hatten eine Comprehension zu unterstützen, machten dieselbe für eine große Anzahl von Dissenters zu einem Gegenstande der Besorgniß und Abneigung. Das Wahre ist, daß die Zeit für einen solchen Plan vorüber war. Wäre Elisabeth hundert Jahre früher, als die Spaltung unter den Protestanten noch neu war, so weise gewesen, von dem Verlangen der Beobachtung XI.67 einiger weniger Formen abzustehen, welche ein großer Theil ihrer Unterthanen als papistisch betrachtete, so hatte sie vielleicht die entsetzlichen Calamitäten verhüten können, welche vierzig Jahre nach ihrem Tode die Kirche heimsuchten. Aber eine Kirchenspaltung hat in der Regel die Tendenz, sich zu vergrößern. Hätte Leo X., als die Erpressungen und Betrügereien der Ablaßkrämer zuerst den Unwillen Sachsen’s erregten, diesem Unwesen mit kräftiger Hand gesteuert, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß Luther im Schooße der römischen Kirche gestorben sein würde. Aber man ließ die Gelegenheit unbenutzt vorübergehen, und als wenige Jahre später der Vatikan durch Nachgiebigkeit in dem ursprünglichen Streitpunkte gern den Frieden erkauft haben würde, war der ursprüngliche Gegenstand des Streits fast vergessen. Der durch einen einzelnen Mißbrauch geweckte Prüfungsgeist hatte tausende entdeckt oder zu entdecken geglaubt; Controversen erzeugten Controversen, jeder Versuch, den einen Streit beizulegen, endigte damit, daß er einen andren hervorrief, und schließlich machte ein allgemeines Concil, das man während der ersten Stadien des Übels für ein untrügliches Heilmittel gehalten hatte, die Sache völlig hoffnungslos. In dieser Beziehung wie in vielen anderen gleicht die Geschichte des Puritanismus in England genau der Geschichte des Protestantismus in Europa. Das Parlament von 1689 konnte durch Duldung eines Gewandes oder einer Stellung der Nonconformität eben so wenig ein Ende machen, wie die Doctoren von Trient durch Regulirung des Ablasses die teutonischen Völker mit dem Papstthum versöhnen konnten. Im 16. Jahrhundert war das Quäkerthum noch unbekannt und es gab im ganzen Reiche nicht eine einzige Independenten- oder Baptistengemeinde. Zur Zeit der Revolution bildeten die Independenten, Baptisten und Quäker die Majorität der Dissenters und diese Secten konnten nicht durch Bedingungen gewonnen werden, welche der entschiedenste Niederkirchliche zu bieten geneigt gewesen wäre. Der Independent war der Ansicht, daß eine Landeskirche, welche durch was immer für eine Centralgewalt, ob Papst, Patriarch, König, Bischof oder Synode, regiert wurde, eine nicht schriftgemäße Institution und daß jede Gemeinschaft von Gläubigen unter Christi Autorität eine souveraine Gesellschaft sei. Der Baptist war noch unnachgiebiger als der Independent, und der Quäker noch unnachgiebiger als der Baptist. Daher würden Concessionen, welche vor Zeiten der Nonconformität ein Ende gemacht hätten, jetzt noch nicht die Hälfte der Nonconformisten befriedigt haben, und jedem Nonconformisten, den kein Zugeständniß befriedigen konnte, mußte nothwendig darum zu thun sein, daß auch keiner seiner Glaubensbrüder zu befriedigen war. Je liberaler die Bedingungen der Comprehension waren um so größer war die Besorgniß jedes Separatisten, welcher wußte, daß er in keinem Falle comprehensirt werden konnte. Es war also nur wenig Hoffnung, daß die Dissenters, auch wenn sie ungetheilt und wie Ein Mann handelten, von der Legislatur volle Zulassung zu bürgerlichen Rechten erlangen würden, und jede Hoffnung, diese Zulassung zu erlangen, mußte aufgegeben werden, wenn es Nottingham mit Hülfe einiger wohlmeinender aber kurzsichtiger Freunde der Religionsfreiheit möglich werden sollte, seinen Plan durchzuführen. Wenn seine Bill durchging, so erfolgte unzweifelhaft ein erheblicher Abfall von der Dissenterschaft, und jeder Abfall mußte von einer ohnehin schon in der Minderzahl befindlichen, unterdrückten und gegen mächtige Feinde kämpfenden Klasse schwer empfunden XI.68 werden. Überdies mußte jeder Proselyt doppelt gezählt werden, einmal als Verlust für die Partei, welche gerade jetzt nur zu schwach war, und einmal als Gewinn für die schon zu starke Gegenpartei. Die Kirche war nur zu gut im Stande, allen Secten im Königreiche die Spitze zu bieten, und wenn diese Secten durch einen bedeutenden Abfall gelichtet und die Kirche durch einen bedeutenden Zugang verstärkt werden sollte, so war es offenbar mit aller Aussicht auf eine Milderung der Testacte vorbei und nur zu wahrscheinlich, daß die Toleranzacte bald wieder zurückgenommen werden würde.

Selbst diejenigen presbyterianischen Geistlichen, deren Gewissensscrupel zu heben die Comprehensionsbill insbesondere bestimmt war, hegten keineswegs einhellig den Wunsch, sie angenommen zu sehen. Die talentvollsten und beredtsamsten Prediger waren seit dem Erscheinen der Indulgenzerklärung sehr angenehm in der Hauptstadt und anderen großen Städten placirt und sollten jetzt unter der sicheren Garantie einer Parlamentsacte die Duldung genießen, welche unter der Indulgenzerklärung gesetzwidrig und unsicher gewesen war. Die Lage dieser Männer war von der Art, daß die große Mehrzahl der Geistlichen der Landeskirche sie mit Recht beneiden konnten. In der That, nur wenige Parochialgeistliche waren so reichlich mit Bequemlichkeiten und Genüssen bedacht, als der Lieblingsprediger einer großen Nonconformistengemeinde in der City. Die freiwilligen Beiträge seiner wohlhabenden Zuhörer, bestehend aus Aldermen und Rathsherren, Kaufleuten, welche nach Westindien und der Levante Handel trieben, Ältesten der Fischhändler- und Goldschmiedgilden, setzten ihn in den Stand, Grundeigenthümer zu werden oder auf Hypotheken auszuleihen. Das feinste Tuch aus Blackwell Hall und das beste Geflügel von Leadenhall Market wurden ihm häufig ins Haus gebracht, sein Einfluß auf seine Gemeinde war ungeheuer. Kein Mitglied einer Separatistengesellschaft ging so leicht ein Compagniegeschäft ein, oder verheirathete seine Tochter, oder brachte seinen Sohn in die Lehre, oder gab seine Stimme bei einer Wahl ab, ohne seinen Seelsorger zu Rathe zu ziehen. In allen politischen und religiösen Fragen war der Geistliche das Orakel seiner Gemeinde. Seit vielen Jahren pflegte man im Volke zu sagen, daß ein ausgezeichneter Dissentergeistlicher nur seinen Sohn Advokat oder Arzt werden zu lassen brauche, um gewiß zu sein, daß er als Advokat Klienten und als Arzt Patienten haben werde. Während ein gewöhnliches Dienstmädchen in der Regel als die für einen Kaplan der Landeskirche passende Lebensgefährtin betrachtet wurde, galt es für ausgemacht, daß die Wittwen und Töchter reicher Bürger vorzugsweise den nonconformistischen Pastoren zukamen. Ein angesehener presbyterianischer Rabbi konnte somit wohl daran zweifeln, ob er in weltlicher Beziehung durch eine Comprehension etwas gewinnen werde. Er konnte allerdings eine Pfarre oder eine Vikarstelle bekleiden, wenn er eine bekam; inzwischen aber wurde er dem Mangel preisgegeben, sein Versammlungshaus wurde geschlossen, seine Gemeinde zerstreute sich unter die Pfarrkirchen, und wenn ihm eine Pfründe verliehen wurde, so bot sie ihm wahrscheinlich nur einen kärglichen Ersatz für das verlorne Einkommen. Eben so wenig durfte er hoffen, als Diener der anglikanischen Kirche die Autorität und das Ansehen zu erlangen, die er bisher genossen hatte. Von einem großen Theile dieser Kirche würde er stets als ein Überläufer betrachtet werden. Es XI.69 war daher im Ganzen genommen sehr natürlich, wenn er da gelassen zu werden wünschte wo er war.91

In Folge dessen entstand eine Spaltung in der Whigpartei. Der eine Theil war für die Entbindung der Dissenters von der Testacte und für Aufgeben der Comprehensionsbill, der andre Theil war für Unterstützung der Comprehensionsbill und für Verschiebung der Angelegenheit wegen der Testacte bis zu einer passenderen Zeit. Die Wirkung dieser Spaltung unter den Freunden der religiösen Freiheit war, daß die Anhänger der Hochkirche, obgleich sie im Hause der Gemeinen eine Minorität und im Hause der Lords keine Majorität bildeten, beiden gefürchteten Reformen mit Erfolg zu opponiren vermochten. Die Comprehensionsbill wurde nicht angenommen und die Testacte wurde nicht widerrufen.

Gerade in dem Augenblicke als die beiden Fragen des Testes und der Comprehension sich in eine Weise mit einander zu verwickeln begannen, welche einen aufgeklärten und rechtschaffenen Staatsmann wohl in Verlegenheit setzen konnte, gesellte sich dazu noch eine dritte Frage von hoher Wichtigkeit.

88. Die Bill befindet sich in den Archiven des Hauses der Lords. Es ist befremdend, daß diese große Sammlung wichtiger Dokumente selbst von unseren gewissenhaftesten und fleißigsten Geschichtsforschern ganz unbeachtet gelassen worden ist. Sie wurde mir durch einen meiner werthesten Freunde, Mr. John Lefevre, geöffnet und die Güte des Mr. Thoms unterstützte mich wesentlich bei meinen Nachforschungen.

89. Unter den Tanner’schen Manuscripten in der Bodlejanischen Bibliothek befindet sich ein höchst interessanter Brief von Compton an Sancroft über die Toleranzbill und die Comprehensionsbill. „Dies,“ sagt Compton, „sind zwei wichtige Werke, bei denen die Existenz unsrer Kirche interessirt ist, und ich hoffe, Sie werden sich aus dem Parlamente Exemplare davon holen lassen. Denn obgleich wir unter einer Eroberung stehen, hat Gott uns doch Gnade geschenkt vor den Augen unserer Herrscher, und wir können unsre Kirche aufrecht halten, wenn wir wollen.“ Sancroft scheint nicht darauf geantwortet zu haben.

90. Die Abneigung der Hochkirchlichen gegen die Artikel ist Gegenstand einer interessanten Flugschrift, welche 1689 unter dem Titel erschien: A Dialogue between Timothy and Titus.

91. Tom Brown sagt in seiner derb komischen Manier von den damaligen presbyterianischen Geistlichen, ihr Predigen „bringe Geld ein, mit Geld kaufe man Grundbesitz und Grundbesitz sei ein Genuß, nach dem jedem von ihnen gelüste, trotz ihres scheinheiligen Gewinsels. Wären die Quartalbeiträge nicht, so würde es kein Schisma und keine Separation mehr geben.“ Er fragt, wie es denkbar sei, daß sie, „wenn sie sich während der Spaltung wie Gentlemen ständen, jemals Lehren predigen würden, welche den Bruch heilen könnten?“ — Brown’s Amusements, Serious and Comical. — Einige interessante Beispiele von dem Einflusse, den die vornehmsten Dissentergeistlichen ausübten, finden sich in Hawkins’ Life of Johnson. In dem „Tagebuche eines Bürgers, der sich zur Ruhe gesetzt hat“ (Spectator 317.) erlaubt sich Addison einige sehr gute Witze über den Gegenstand. Der Mr. Nisby, dessen Ansichten über den Frieden, den Großvezier und den gezuckerten Kaffee mit so großem Respect angeführt werden, und der so freigebig mit Marksknochen, Ochsenfleisch und einer Flasche von Brooks & Hellier regalirt wird, ist John Nesbit, ein sehr beliebter Prediger, der zur Zeit der Revolution Pastor einer Dissentergemeinde in Hare Court, Aldergate Street, wurde. In Wilson’s History and Antiquities of Dissenting Churches and Meeting Houses in London, Westminster and Southwark findet man mehrere Beispiele von nonconformistischen Predigern angeführt, welche um diese Zeit zu hübschem Vermögen gelangten, meist durch Heirathen, wie es scheint.

Bill zur Festsetzung der Huldigungs- und Suprematseide. Die seitherigen Huldigungs- und Suprematseide enthielten einige Ausdrücke, welche den Whigs stets mißfallen hatten, und wieder andere, welche Tories, die der neuen Ordnung der Dinge aufrichtig zugethan waren, für unanwendbar auf Fürsten hielten, welche das erbliche Recht nicht besaßen. Die Convention hatte daher, als der Thron noch erledigt war, die Huldigungs- und Suprematseide entworfen, durch die wir noch heute unsrem Souverain unsre Loyalität bezeugen. Durch die Acte, welche die Convention in ein Parlament verwandelte, wurde den Mitgliedern beider Häuser vorgeschrieben, die neuen Eide zu leisten. Bezüglich der anderen öffentlichen Beamten war es schwer zu sagen, wie das Gesetz stand. Die eine Wortformel war durch ordnungmäßig angenommene und noch nicht ordnungmäßig aufgehobene Gesetze vorgeschrieben. Eine andre Formel war durch die Rechtserklärung vorgeschrieben, ein Instrument, das zwar revolutionär und regelwidrig war, das aber wohl als jedem andren Gesetze an Autorität gleichstehend angesehen werden konnte. Die Praxis XI.70 war in eben so großer Verwirrung als das Gesetz. Es wurde daher als nothwendig erkannt, daß die Legislatur unverzüglich eine Acte erließe, welche die alten Eide abschaffte und zugleich bestimmte, wann und von wem die neuen Eide geleistet werden sollten.

Die Bill, welche diese wichtige Frage erledigte, ging vom Oberhause aus. Die meisten Bestimmungen boten der Meinungsverschiedenheit wenig Spielraum. Man war allgemein darüber einverstanden, daß in Zukunft Niemand ein bürgerliches, militärisches, geistliches oder akademisches Amt erhalten solle, der nicht Wilhelm und Marien die Eide geleistet habe. Eben so allgemein war man damit einverstanden, daß Jeder, der bereits ein bürgerliches oder militärisches Amt bekleidete, aus demselben entfernt werden sollte, wenn er nicht an oder vor dem 1. August 1689 die Eide leistete. Die heftigsten Leidenschaften beider Parteien aber wurden durch die Frage erregt, ob Personen, welche bereits kirchliche oder akademische Ämter inne hatten, gehalten sein sollten, dem Könige und der Königin, bei Strafe der Absetzung, Treue zu schwören. Niemand konnte sagen, welchen Eindruck ein Gesetz machen würde, das allen Mitgliedern eines großen, mächtigen und geheiligten Standes vorschrieb, unter der feierlichsten religiösen Bekräftigung eine Erklärung abzugeben, welche als ein förmlicher Widerruf alles dessen was sie seit vielen Jahren geschrieben und gepredigt hatten, angesehen werden konnte. Der Primas und einige der angesehensten Bischöfe waren schon aus dem Parlamente weggeblieben und ließen ohne Zweifel eher ihre Paläste und Einkünfte im Stiche, als daß sie die neuen Souveraine anerkannten. Dem Beispiele dieser hohen Prälaten folgten vielleicht eine Menge Geistlicher niederen Ranges, Hunderte von Canonici, Präbendarien und Collegiaten und Tausende von Pfarrern. Einem solchen Ereignisse konnte kein Tory, mochte er auch mit sich selbst völlig im Klaren darüber sein, daß er dem factischen Könige rechtmäßigerweise den Huldigungseid leisten könne, ohne die schmerzlichsten Regungen von Theilnahme für die Dulder und von Besorgniß für die Kirche entgegensehen.

Einige Personen gingen so weit zu leugnen, daß ein Parlament überhaupt befugt sei, ein Gesetz zu erlassen, welches einem Bischofe bei Strafe der Absetzung vorschreibe, den Eid zu leisten. Keine irdische Macht, sagten sie, könne das Band zerreißen, das den Nachfolger der Apostel an seine Diöcese knüpfe. Was Gott zusammengefügt habe, könne der Mensch nicht trennen. Könige und Senate könnten Worte auf Pergament kritzeln und Figuren in Wachs drücken; aber diese Worte und Figuren könnten den Lauf der geistlichen Welt so wenig ändern wie den Lauf der physischen Welt. Wie der Schöpfer des Weltalls eine gewisse Ordnung festgesetzt habe, nach welcher es ihm gefalle, Winter und Sommer, Saat- und Erntezeit zu senden, eben so habe er eine gewisse Ordnung festgesetzt, nach der er seiner katholischen Kirche seine Gnade zu Theil werden lasse, und die letztere Ordnung sei, wie die erstere, unabhängig von den Gewalthabern und Fürsten der Welt. Eine Legislatur könne die Namen der Monate ändern, könne den Juni December und den December Juni nennen, aber trotz aller Legislatur werde Schnee fallen, wenn die Sonne im Steinbock, und Blumen blühen, wenn sie im Krebs stände. Eben so könne die Legislatur befehlen, daß Ferguson oder Muggleton im Palaste zu Lambeth wohnen, auf dem Throne Augustin’s sitzen, Euer Gnaden genannt werden und bei Prozessionen vor dem ersten Herzoge gehen solle, trotz der XI.71 Legislatur aber werde Sancroft, so lange er lebe, der einzig wahre Erzbischof von Canterbury, und Derjenige, der sich die erzbischöflichen Functionen anzumaßen wage, ein Schismatiker sein. Diese Doctrin wurde mit Gründen bewiesen, welche dem Knospen des Machtkrauts und einer gewissen Platte entlehnt waren, die Jakob der Kleine nach einer Legende des 4. Jahrhunderts auf der Stirn zu tragen pflegte. Ein von der Absetzung der Bischöfe handelndes Manuscript wurde um diese Zeit in der Bodlejanischen Bibliothek entdeckt und Gegenstand einer heftigen Polemik. Die eine Partei meinte, Gott habe dieses kostbare Werk wunderbarerweise an’s Licht gezogen, um seine Kirche in einem äußerst kritischen Augenblicke zu leiten. Die andre Partei wunderte sich, wie man dem Unsinne eines namenlosen Scribenten des 13. Jahrhunderts die geringste Wichtigkeit beilegen könne. Es wurde viel geschrieben über die Absetzungen des Chrisostomus und des Photius, des Nikolaus Mysticus und des Cosmas Atticus. Mit besonderem Eifer aber wurde der Fall des Abjathar discutirt, den Salomo wegen Verraths aus dem Priesteramte entfernte. Keine geringe Quantität Gelehrsamkeit und Scharfsinn wurde auf den Versuch verwendet, zu beweisen, daß Abjathar, obgleich er den Leibrock trug und nach dem Urim antwortete, nicht wirklich Hoherpriester gewesen sei, daß er nur dann fungirt habe, wenn sein Vorgesetzter Zadoc durch Krankheit oder durch eine ceremonielle Entweihung abgehalten worden sei und daß daher die Handlung Salomo’s kein Präcedenzfall sei, der dem Könige Wilhelm das Recht gebe, einen wirklichen Bischof abzusetzen.92

Doch eine solche Argumentation, obwohl durch zahlreiche Citate aus der Mischna und aus Maimonides unterstützt, war im allgemeinen selbst eifrigen Kirchenmännern nicht genügend. Denn sie ließ eine kurze, aber einem einfachen Manne, der von griechischen Vätern und levitischen Genealogien nichts wußte, vollkommen verständliche Antwort zu. Ob König Salomo einen Hohenpriester abgesetzt habe, darüber konnte noch ein Zweifel obwalten; aber es unterlag nicht dem geringsten Zweifel, daß die Königin Elisabeth mehr als die Hälfte der Bischöfe England’s ihrer Bisthümer beraubt hatte. Es war notorisch, daß vierzehn Prälaten ohne irgend welche Procedur bei einem geistlichen Gerichtshofe durch eine Parlamentsacte abgesetzt worden waren, weil sie das Supremat der Königin nicht hatten anerkennen wollen. Waren diese Absetzungen null und nichtig gewesen? War Bonner bis an sein Lebensende der einzig wahre Bischof von London geblieben? War sein Nachfolger ein Usurpator gewesen? Waren Parker und Jewel Schismatiker gewesen? Hatte sich die Convocation von 1562, welche die Doctrin der englischen Staatskirche endgültig festgestellt, selbst außer dem Schooße der Kirche Christi befunden? Es konnte nichts Lächerlicheres geben als die Verlegenheit der Polemiker, welche eine Vertheidigung Elisabeth’s auffinden sollten, die nicht auch eine Vertheidigung Wilhelm’s war. Einige Zeloten gaben allerdings den eitlen Versuch auf, zwischen zwei Fällen einen Unterschied zu machen, zwischen XI.72 denen, wie der einfachste Verstand einsah, kein Unterschied war, und gestanden offen zu, daß die Absetzungen von 1559 nicht zu rechtfertigen seien. Doch, sagte man, solle sich darüber Niemand beunruhigen, denn wenn auch die englische Kirche einmal schismatisch gewesen sei, so sei sie doch wieder katholisch geworden, als die von Elisabeth abgesetzten Bischöfe aufgehört hätten zu leben.93 Die Tories waren indessen nicht allgemein geneigt zuzugeben, daß die Religionsgesellschaft, an der sie mit Liebe hingen, aus einem ungesetzlichen Bruche der Einheit entstanden sei. Sie faßten daher tieferen und haltbareren Grund. Sie behandelten die Frage als eine Frage der Humanität und Zeitgemäßheit. Sie sprachen viel von dem Danke, den die Nation dem Priesterstande schuldig sei, von dem Muthe und der Treue, womit dieser Stand, vom Primas bis herab zum jüngsten Diakonus, neuerdings die bürgerliche und kirchliche Verfassung des Reichs vertheidigt habe, von dem denkwürdigen Sonntage, an welchem in allen hundert Kirchen der Hauptstadt kaum ein Sklave zu finden gewesen war, der die Indulgenzerklärung verlesen hätte; von dem schwarzen Freitage, an welchem die Barke der sieben Prälaten unter den Segenswünschen und dem lauten Schluchzen einer zahlreichen Volksmenge durch das Wasserthor des Tower einfuhr. Die Festigkeit, mit der die Geistlichkeit, trotz aller Drohungen und Versuchungen, unlängst gethan habe, was sie ihrer Überzeugung nach für Recht gehalten, habe die Freiheit und die Religion England’s gerettet. Müsse man nicht Nachsicht gegen sie üben, wenn sie sich jetzt weigerten etwas zu thun, wovon sie ihrer festen Überzeugung nach fürchteten, daß es Unrecht sei? Und was ist für Gefahr dabei, sagte man, wenn sie nachsichtig behandelt werden? Kein Mensch wird so albern sein vorzuschlagen, daß man ihnen gestatten solle, gegen die Regierung zu complottiren oder das Volk aufzuwiegeln. Sie stehen unter dem Gesetze wie andere Leute. Machen sie sich des Verraths schuldig, so hänge man sie auf. Machen sie sich der Empörung schuldig, so lege man ihnen Geldbußen und Gefängnißstrafe auf. Unterlassen sie bei ihrem öffentlichen Gottesdienste für den König Wilhelm, für die Königin Marie und für das unter diesen allerreligiösesten Souverainen versammelte Parlament zu beten, so bringe man die Strafbestimmungen der Uniformitätsacte in Anwendung. Genügt das noch nicht, so ermächtige man Se. Majestät, von irgend einem Geistlichen die Eide zu verlangen, und werden die Eide verweigert, so möge Absetzung erfolgen. Auf diese Weise kann jeder eidverweigernde Bischof oder Pfarrer, der zwar gesetzlich nicht zu überführen ist, doch aber in dem Verdachte steht, gegen die bestehende Ordnung der Dinge zu intriguiren, zu schreiben und zu sprechen, sofort seines Amtes entsetzt werden. Warum aber darauf bestehen, einen frommen und fleißigen Diener der Religion zu vertreiben, der gegen die Regierung nie einen Finger erhebt oder ein Wort ausspricht und der bei jedem Morgen- und Abendgottesdienste aus vollem Herzen um einen Segen für die von der Vorsehung über ihn gesetzten Regenten fleht, der aber einen Eid nicht leisten will, durch welchen er dem Volke das Recht zuzugestehen XI.73 glaubt, einen Souverain abzusetzen? Wir thun gewiß Alles was nothwendig ist, wenn wir Leute dieser Art der Gnade des Fürsten preisgeben, dem sie Treue zu schwören sich weigern. Ist er geneigt, sich ihre Scrupel gefallen zu lassen, will er sie, trotz ihrer Vorurtheile, als unschuldige und nützliche Mitglieder der Gesellschaft betrachten, wer hat ein Recht, sich darüber zu beklagen?

Die Whigs stritten heftig für die entgegengesetzte Ansicht. Sie analysierten mit einem durch Haß noch erhöhten Scharfsinn die Ansprüche der Geistlichkeit auf die öffentliche Dankbarkeit und gingen mitunter so weit, es gänzlich in Abrede zu stellen, daß der Stand sich im vorhergehenden Jahre um die Nation verdient gemacht habe. Es sei wohl wahr, daß Bischöfe und Priester gegen die Tyrannei des vorigen Königs aufgestanden seien, aber eben so wahr sei es, daß er, hätten sie sich nicht so hartnäckig der Ausschließungsbill widersetzt, niemals König geworden wäre und daß er, ohne ihre Schmeichelei und ihre Lehre vom passiven Gehorsam, es nie gewagt haben würde, sich solcher Tyrannei schuldig zu machen. Ihre Hauptthätigkeit habe seit einem Vierteljahrhundert darin bestanden, das Volk kriechen und den Fürsten dominiren zu lehren. Sie hätten das Blut Russel’s, Sidney’s und jedes muthigen, rechtschaffenen Engländers auf ihrem Gewissen, der hingeschlachtet worden sei, weil er das Land vom Papismus und Despotismus zu befreien versucht habe. Nie hätten sie einen Laut gegen Willkürherrschaft vernehmen lassen, bis die Willkürherrschaft sie selbst in ihrem Eigenthum und ihrer amtlichen Stellung zu bedrohen angefangen habe. Dann hätten sie freilich ihre alten Gemeinplätze von Unterwerfung unter Nero vergessen und nicht gesäumt, sich zu retten. Zugegeben, sagten diese eifrigen Disputanten, daß sie, indem sich selbst retteten, auch die Verfassung retteten. Sollen wir deshalb vergessen, daß sie sie vorher gefährdet hatten? und sollen wir sie dafür belohnen, indem wir ihnen jetzt gestatten, sie zu vernichten? Wir haben hier eine Klasse von Leuten vor uns, die mit dem Staate eng verwachsen ist. Ein großer Theil der Bodenerzeugnisse ist ihnen zu ihrem Unterhalte angewiesen. Ihre Oberhäupter haben Sitze in der gesetzgebenden Versammlung, große Landgüter und prächtige Paläste. Durch diesen privilegirten Stand wird die große Masse des Volks allwöchentlich vom Sitze der Autorität herab belehrt. Diesem privilegirten Stande ist die oberste Leitung der liberalen Erziehung übertragen. Oxford und Cambridge, Westminster, Winchester und Eton stehen unter priesterlicher Direction. Die Priesterschaft wird in bedeutendem Umfange den Character des hohen Adels und der Gentry der nächsten Generation bilden. Einige Mitglieder der höheren Geistlichkeit haben zahlreiche und einträgliche Pfründen zu vergeben. Andere haben das Privilegium, Richter zu ernennen, welche hochwichtige, die Freiheit, das Eigenthum und den Ruf der Unterthanen Ihrer Majestäten berührende Fragen entscheiden. Und ein vom Staate so begünstigter Stand soll dem Staate keine Bürgschaft geben? Nach welchem Prinzipe kann behauptet werden, daß es unnöthig sei, von einem Erzbischof von Canterbury oder einem Bischof von Durham das Gelöbniß der Treue gegen die Regierung zu verlangen, das nach Aller Überzeugung von jedem Laien verlangt werden muß, der der Krone in der bescheidensten amtlichen Stellung dient? Jeder Acciseinnehmer, jeder Zollbeamte, der den Eid verweigert, soll seines Brodes beraubt werden. Für diese geringen Märtyrer des passiven Gehorsams und des erblichen Rechts hat Niemand ein XI.74 Wort. Ein geistlicher Magnat aber, der sich weigert zu schwören, soll Einkünfte, Patronat und Macht behalten dürfen, welche denen eines hohen Staatsbeamten gleichkommen. Man sagt es sei überflüssig, von einem Geistlichen die Eide zu verlangen, weil er bestraft werden könne, wenn er die Gesetze übertrete. Warum wendet man das nämliche Argument nicht auch zu Gunsten der Laien an? Und warum trägt der Geistliche Bedenken, die Eide zu leisten, wenn es sein ernster Wille ist, die Gesetze zu beobachten? Das Gesetz schreibt ihm vor, Wilhelm und Marien als König und Königin zu bezeichnen, dies an der heiligsten Stätte und bei Ausübung des feierlichsten aller religiösen Gebräuche zu thun. Das Gesetz verlangt von ihm zu beten, daß eine besondere Vorsehung über dem erlauchten Paare walte, daß es jeden Feind besiegen und daß sein Parlament durch Gottes Hand dahin geleitet werden möge, diejenigen Maßregeln anzuordnen, welche seine Sicherheit, seine Ehre und sein Wohlergehen fördern können. Können wir glauben, daß sein Gewissen ihm gestatte, dies Alles zu thun, nicht aber zu versprechen, daß er ein treuer Unterthan des Herrscherpaares sein wolle?

Auf den Vorschlag, daß die eidverweigernden Geistlichen der Gnade des Königs preisgegeben werden sollten, erwiederten die Whigs mit einigem Rechte, daß kein gegen Se. Majestät ungerechterer Plan ersonnen werden könne. Die Angelegenheit, sagten sie, ist von nationaler Bedeutung, es ist eine Angelegenheit, an der jeder Engländer, der nicht der Sklave Frankreich’s und Rom’s sein will, das größte Interesse hat. In einem solchen Falle ist es der Stände des Reichs unwürdig, vor der Verantwortlichkeit, für das Gemeinwohl zu sorgen, zurückzuschrecken, sich selbst womöglich das Lob der Nachsicht und Liberalität zu verschaffen und dem Souverain das gehässige Werk der Proscription zu überlassen. Ein Gesetz, das von allen öffentlichen Beamten, bürgerlichen, wie militärischen und kirchlichen, ohne Unterschied der Person, die Eide verlangt, ist wenigstens unparteiisch. Es schließt jeden Verdacht der Parteilichkeit, des persönlichen Hasses, der geheimen Espionage und Ohrenbläserei aus. Wenn aber der Regierung ein willkürliches Schalten zugestanden wird, wenn der eine eidverweigernde Priester eine einträgliche Pfründe behalten darf, während man einen andren mit Weib und Kindern auf die Straße setzt, so wird jede Absetzung als ein Act der Grausamkeit betrachtet und dem Souverain und dessen Ministern als ein Verbrechen angerechnet werden.94

So hatte das Parlament in einem und dem nämlichen Augenblicke zu entscheiden, welche Quantität von Erleichterung dem Gewissen der Dissenters gewährt und welche Quantität von Zwang dem Gewissen des Klerus der Landeskirche auferlegt werden sollte. Der König hoffte, daß es in seiner Macht stehen werde, einen allen Parteien angenehmen Vergleich zu Stande zu bringen. Er schmeichelte sich, daß die Tories bewogen werden könnten, den Dissenters ein Zugeständniß zu machen, unter der Bedingung, daß die Whigs mild gegen die Jakobiten verführen. Er beschloß, die Wirkung seiner persönlichen Intervention zu versuchen. Der Zufall wollte, daß er wenige Stunden, nachdem die Lords die Comprehensionsbill zum zweiten Male und die Bill wegen der Eide zum ersten Male XI.75 verlesen hatten, Gelegenheit hatte, sich ins Parlament zu verfügen, um zu einem Gesetze seine Zustimmung zu geben. Er sprach vom Throne herab zu beiden Häusern und äußerte den ernstlichen Wunsch, daß sie einwilligen möchten, die bestehenden Gesetze dergestalt zu modificiren, daß die öffentlichen Ämter allen Protestanten zugänglich würden.95 Man wußte wohl, daß er, wenn die Legislatur seinem Verlangen willfahrte, Geistliche, welche bereits Pfründen besaßen, im Genusse derselben zu lassen gedachte, ohne daß sie ihm den Huldigungseid leisteten. Sein Verfahren bei dieser Gelegenheit verdient unzweifelhaft das Lob der Uneigennützigkeit. Es gereicht ihm zur Ehre, daß er seinen Unterthanen Gewissensfreiheit zu erkaufen suchte, indem er ein Bollwerk seiner eignen Krone aufgab. Aber man muß gestehen, daß er weniger Klugheit als Tugendhaftigkeit bewies. Wenn Burnet gut unterrichtet war, so war Richard Hampden der einzige Engländer seines Geheimraths,96 den er befragte, und Richard Hampden war, obgleich ein höchst ehrenwerther Mann, doch so weit davon entfernt, für die Whigpartei stehen zu können, daß er nicht einmal für seinen eignen Sohn Johann bürgen konnte, dessen von Haus aus rachsüchtiger Character durch den Stachel der Reue und Scham bis zum Ingrimm aufgereizt worden war. Der König überzeugte sich bald, daß die beiden Parteien einander mit einer Energie haßten, die ihrer Liebe fehlte. Die Whigs waren zwar fast einhellig der Meinung, daß der Sakramentstest abgeschafft werden müsse, sie waren aber keineswegs darin einig, daß der Augenblick dazu gut gewählt sei, und selbst diejenigen Whigs, welche am sehnlichsten wünschten, die Nonconformisten unverzüglich von der Nichtbefähigung zu bürgerlichen Ämtern entbunden zu sehen, waren fest entschlossen, sich die Gelegenheit zur Demüthigung und Bestrafung der Klasse nicht entgehen zu lassen, deren Mitwirkung hauptsächlich der furchtbare Umschwung der öffentlichen Stimmung zuzuschreiben war, der auf die Auflösung des Oxforder Parlaments folgte. Die Jane, die South, die Sherlock in die Lage zu versetzen, daß sie entweder verhungern oder öffentlich und mit dem Evangelium auf den Lippen alle prahlerischen Erklärungen vieler Jahre widerrufen mußten: das war eine zu köstliche Rache, als daß man sie sich hätte entgehen lassen können. Der Tory dagegen achtete und bemitleidete aufrichtig diejenigen Geistlichen, die sich wegen der Eide Gewissensscrupel machten. Der Test aber war seiner Ansicht nach für die Sicherheit der herrschenden Religion wesentlich nothwendig und durfte nicht aufgegeben werden zu dem Zwecke, einen wenn auch noch so ausgezeichneten Mann von einem wenn auch noch so schweren Ungemach zu befreien. Es würde allerdings ein schmerzlicher Tag für die Kirche sein, wenn die Bischofsbank, die Kapitelhäuser der Kathedralen und die Hallen der Collegien einige durch ihre Frömmigkeit und Gelehrsamkeit berühmte Männer vermißten. Aber ein noch viel schmerzlicherer Tag würde es für die Kirche sein, wenn ein Independent den weißen Stab trüge, oder ein Baptist auf dem Wollsack säße. Jede Partei suchte Denen zu dienen, für die sie sich interessirte, aber keine von beiden wollte ihren Feinden günstige Bedingungen zugestehen. Die Folge davon war XI.76 daß die Nonconformisten vom Staatsdienste ausgeschlossen blieben und die Eidverweigerer von den kirchlichen Ämtern vertrieben wurden.

Im Hause der Gemeinen hielt kein Mitglied es für zweckmäßig, die Aufhebung der Testacte zu beantragen. Aber es wurde Erlaubniß gegeben, eine Bill zur Aufhebung der Corporationsacte einzubringen, die kurz nach der Restauration vom Cavalierparlamente erlassen worden war und eine Bestimmung enthielt, welche allen Municipalbeamten vorschrieb, das heilige Abendmahl nach den Formen der englischen Kirche zu empfangen. Als diese Bill in Begriff war dem Ausschusse überwiesen zu werden, beantragten die Tories, daß der Ausschuß bedeutet werden sollte, in dem Gesetz über das Sacrament keine Änderung vorzunehmen. Diejenigen Whigs, welche eifrig für die Comprehension waren, müssen durch diesen Antrag in große Verlegenheit gesetzt worden sein. Für denselben zu stimmen wäre eine prinzipielle Inconsequenz gewesen; dagegen zu stimmen hätte so viel geheißen als mit Nottingham brechen. Es wurde ein Mittelweg gefunden. Die Vertagung der Debatte wurde beantragt, mit 116 gegen 114 Stimmen angenommen und der Gegenstand nicht wieder in Anregung gebracht.97 Im Hause der Lords wurde ein Antrag auf Abschaffung des Sacramentstestes gestellt, aber mit großer Majorität verworfen. Viele von Denen, welche die Bill im Prinzip für richtig hielten, erachteten sie für nicht zeitgemäß. Es wurde ein Protest aufgesetzt, aber nur von einigen wenigen minder angesehenen Peers unterzeichnet. Es ist ein auffallender Umstand, daß zwei bedeutende Häupter der Whigpartei, welche in der Regel ihre parlamentarischen Pflichten sehr gewissenhaft erfüllten, bei dieser Gelegenheit abwesend waren.98

Auf die Debatte über den Test folgte im Oberhause bald eine Debatte über die letzte Klausel der Comprehensionsbill. Diese Klausel bestimmte, daß dreißig Bischöfe und Priester beauftragt werden sollten, die Liturgie und die Kirchengesetze zu revidiren und Abänderungen vorzuschlagen. Über diesen Punkt waren die whiggistischen Peers fast Alle eines Sinnes. Sie waren in großer Zahl anwesend und sprachen warm. Warum, fragten sie, sollten nur Mitglieder des Priesterstandes mit dieser Revision beauftragt werden? Gehöre der Laienstand nicht auch zur englischen Kirche? Wenn die Commission ihren Bericht erstattet habe, würden Laien über die darin enthaltenen Änderungsvorschläge zu entscheiden haben. Keine Zeile im allgemeinen Gebetbuche könne anders als durch die Autorität des Königs, der Lords und der Gemeinen abgeändert werden. Der König sei ein Laie, fünf Sechstel der Lords seien Laien, und die Mitglieder des Hauses der Gemeinen seien sämmtlich Laien. Sei es nicht widersinnig zu behaupten, daß Laien nicht befugt seien, in einer Angelegenheit zu prüfen, über welche anerkanntermaßen Laien in letzter Instanz entscheiden müßten? Und könne etwas dem ganzen Geiste des Protestantismus mehr zuwider sein als die Ansicht, daß einer besonderen Kaste, und dieser Kaste allein, XI.77 eine außergewöhnliche Urtheilsfähigkeit in geistlichen Dingen verliehen sei, daß Männer wie Selden, wie Hale, wie Boyle, weniger competent seien, über eine Collecte oder einen Glaubensartikel ein Urtheil abzugeben, als der jüngste und einfältigste Kaplan, der in einem abgelegenen Schlosse sein Leben mit Aletrinken und Beilkespielen hinbringe? Was Gott festgesetzt habe, könne keine irdische Macht, sei es eine weltliche oder eine geistliche, abändern, und in Dingen, welche menschliche Wesen festgesetzt hätten, habe ein Laie sicherlich ein eben so competentes Urtheil als ein Geistlicher. Daß die anglikanische Liturgie und das anglikanische Kirchengesetz rein menschlichen Ursprungs seien, erkenne das Parlament an, indem es die Revision und Verbesserung derselben einer Commission übertrage. Wie könne man da behaupten, daß in einer solchen Commission der Laienstand, der eine so große Mehrheit der Bevölkerung bilde, dessen Erbauung der Hauptzweck aller kirchlichen Einrichtungen sei und dessen unschuldige Neigungen bei Feststellung der öffentlichen Religionshandlungen sorgfältig zu Rathe gezogen werden müßten, nicht einen einzigen Vertreter zu haben brauche? Die Präcedenzfälle sprächen direct gegen diese gehässige Unterscheidung. Zu wiederholten Malen, seit das Licht der Reformation über England aufgegangen, seien durch ein Gesetz Commissionen ermächtigt worden, die Kirchengesetze zu revidiren, und bei jeder solchen Gelegenheit seien einige von den Commissaren Laien gewesen. Im gegenwärtigen Falle könne man gegen den vorgeschlagenen Modus noch besondere Einwendungen machen, denn der Zweck der Maßregel sei die Verhöhnung der Dissenters, und es sei daher äußerst wünschenswerth, daß die Commissare Männer wären, auf deren Unparteilichkeit und Mäßigung die Dissenters bauen könnten. Würden dreißig solcher Männer in den höheren Rangstufen des geistlichen Standes leicht zu finden sein? Es sei die Pflicht der Legislatur, zwischen zwei einander feindlich gegenüberstehenden Parteien, den nonconformistischen Theologen und den anglikanischen Theologen, zu entscheiden, und es würde demnach die gröbste Unbilligkeit sein, einer der beiden Parteien das Schiedsrichteramt zu übertragen.

Aus diesen Gründen schlugen die Whigs ein Amendement des Inhalts vor, daß die Commission aus Geistlichen und Laien bestehen sollte. Der Kampf war heiß. Burnet, der eben seinen Sitz unter den Peers eingenommen hatte und dem darum zu thun gewesen zu sein scheint, fast um jeden Preis die Zuneigung seiner Amtsbrüder zu gewinnen, stritt mit dem ganzen ihm eignen Feuer für die gegenwärtige Fassung der Klausel. Bei der Abstimmung ergab sich eine völlig gleiche Stimmenzahl für und wider, und somit war, den Regeln des Hauses gemäß, das Amendement abgeworfen.99

Endlich wurde die Comprehensionsbill ins Haus der Gemeinen gesandt. Hier würde sie leicht mit zwei Stimmen gegen eine durchgebracht worden sein, wenn sie von allen Freunden der Religionsfreiheit unterstützt worden wäre. Aber in dieser Angelegenheit konnten die Hochkirchlichen auf den Beistand eines großen Theils der Niederkirchlichen rechnen. Diejenigen Mitglieder, welche Nottingham’s Plane wohlwollten, sahen, daß sie in der Minorität waren, und begannen daher, am Siege verzweifelnd, auf den Rückzug zu denken. Gerade in diesem Augenblicke XI.78 wurde ein Antrag gestellt, der alle Stimmen für sich hatte. Nach dem herkömmlichen Gebrauche mußte gleichzeitig mit einem Parlamente eine Convocation einberufen werden, und man durfte wohl behaupten, daß der Rath einer Convocation dann am nöthigsten sein müßte, wenn es sich um Abänderungen in dem Ritual und der Disciplin der Kirche handelte. In Folge des unregelmäßigen Modus aber, nach welchem die Stände des Reichs während der Erledigung des Thrones zusammenberufen worden waren, gab es diesmal keine Convocation. Es wurde daher beantragt, daß das Haus dem Könige rathen solle, Maßregeln zur Abhülfe dieses Mangels zu ergreifen, und daß das Schicksal der Comprehensionsbill nicht entschieden werden solle, bis der Klerus Gelegenheit gehabt habe, durch das alte und rechtmäßige Organ seine Meinung auszusprechen.

Dieser Antrag wurde mit allgemeiner Acclamation angenommen. Die Tories freuten sich, daß dem Priesterstande eine solche Ehre erzeugt wurde; diejenigen Whigs, welche gegen die Comprehensionsbill waren, freuten sich, sie zuverlässig für ein Jahr, wahrscheinlich aber für immer bei Seite gelegt zu sehen; und diejenigen Whigs, welche für die Comprehensionsbill waren, freuten sich, ohne Niederlage davon zu kommen. Viele unter ihnen hofften in der That, daß milde und freisinnige Rathschläge im geistlichen Senate vorherrschen würden. Eine Adresse, welche den König ersuchte die Convocation einzuberufen, wurde ohne Abstimmung angenommen, die Lords wurden zum Beitritt aufgefordert, sie traten bei, die Adresse wurde durch beide Häuser dem Könige überreicht, der König versprach, zur geeigneten Zeit den Wunsch seines Parlaments zu erfüllen, und Nottingham’s Bill ward nicht wieder erwähnt.

Viele mit der Geschichte der damaligen Zeit unvollkommen bekannte Schriftsteller haben aus diesem Verfahren gefolgert, daß das Haus der Gemeinen eine Versammlung von Hochkirchlichen gewesen sei; aber nichts ist gewisser, als daß zwei Drittel der Mitglieder entweder Niederkirchliche oder Nichtanhänger der Landeskirche waren. Wenige Tage vor dieser Zeit hatte ein an sich unbedeutender, als Kennzeichen der Gesinnung der Majorität aber höchst wichtiger Vorgang stattgefunden. Es war beantragt worden, daß das Haus dem alten Herkommen gemäß seine Sitzungen bis nach den Osterfeiertagen suspendiren solle. Die Puritaner und Latitudinarier machten Einwendungen dagegen, es entspann sich eine heftige Debatte, die Hochkirchlichen wagten es nicht, abstimmen zu lassen, und zum großen Ärgerniß vieler angesehenen Personen nahm der Sprecher am Ostermontag um neun Uhr seinen Stuhl ein und es wurde eine lange und lebhafte Sitzung gehalten.100

XI.79

Dies war indessen keineswegs der stärkste Beweis, den die Gemeinen dafür gaben, daß sie in der That weit entfernt waren eine besondere Ehrerbietung oder Liebe zur anglikanischen Hierarchie zu hegen. Die Bill zur Festsetzung der Eide war aber in einer dem Klerus günstigeren Fassung von den Lords ins Unterhaus gekommen. Allen weltlichen Beamten war bei Strafe der Absetzung vorgeschrieben, dem Könige und der Königin Treue zu schwören. Jeder Geistliche aber, der bereits eine Pfründe besaß, sollte dieselbe auch ohne zu schwören, behalten dürfen, wenn die Regierung keinen Grund sah, von ihm speciell eine Versicherung seiner Loyalität zu verlangen. Burnet hatte, theils ohne Zweifel aus der seinem Character eignen Gutherzigkeit und Großmuth, theils um seine Amtsbrüder zu gewinnen, diese Anordnung im Oberhause mit großer Energie unterstützt. Im Unterhause aber war die Stimmung gegen die jakobitischen Priester unbesiegbar. An dem nämlichen Tage, an welchem dieses Haus ohne Abstimmung die Adresse votirte, welche den König ersuchte, die Convocation einzuberufen, wurde eine Klausel vorgeschlagen und angenommen, welche von Jedem, der ein kirchliches oder akademisches Amt bekleidete, bei Strafe der Suspension verlangte, am 1. August 1689 die Eide zu leisten. Sechs Monate von diesem Tage an gerechnet, wurden dem sich Weigernden zur nochmaligen Überlegung bewilligt. Beharrte er auch dann noch auf seiner Weigerung, so sollte er am 1. Februar 1690 definitiv abgesetzt werden.

So abgeändert wurde die Bill den Lords zurückgeschickt. Diese aber blieben bei ihrem ursprünglichen Beschlusse. Conferenz auf Conferenz wurde gehalten, Vergleich auf Vergleich wurde vorgeschlagen. Aus den unvollkommenen Berichten, welche auf uns gekommen sind, geht hervor, daß jedes Argument zu Gunsten der Milde von Burnet energisch hervorgehoben wurde. Doch die Gemeinen blieben fest, die Zeit drängte, der ungewisse Zustand des Rechts machte sich in allen Zweigen des Staatsdienstes in nachtheiliger Weise fühlbar, und so gaben die Peers mit Widerstreben endlich nach. Zu gleicher Zeit fügten sie eine Klausel hinzu, durch welche der König ermächtigt wurde, von den verwirkten Pfründen einigen wenigen nicht schwörenden Geistlichen Geldunterstützungen zu gewähren. Die Anzahl der so begünstigten Geistlichen sollte zwölf nicht übersteigen und die bewilligte Unterstützung durfte höchstens ein Drittheil des verwirkten Einkommens betragen. Einige eifrige Whigs wollten selbst diese Vergünstigung nicht gelten lassen; doch die Gemeinen waren mit dem errungenen Siege zufrieden und dachten mit Recht, daß es ungefällig sein würde, wenn sie ein so geringfügiges Zugeständiß verweigerten.101

92. Siehe unter vielen anderen Schriften Dodwell’s Cautionary Discourse, seine Vindication of the Deprived Bishops, seine Defence of the Vindication und seine Paraenesis, sowie Bisby’s Unity of Priesthood, gedruckt 1692. Ferner vergleiche man Hody’s Gegenschriften, das Baroccianische Manuscript und Salomon and Abiathar, a Dialogue between Eucheres and Dyscheres.

93. Burnet II. 135. Der albernste von allen Versuchen, zwischen den Absetzungen von 1559 und denen von 1689 einen Unterschied nachzuweisen, wurde von Dodwell gemacht. Siehe seine Doctrine of the Church of England concerning the Independency of the Clergy on the lay Power, 1697.

94. Über diese Polemik sehe man Burnet II. 7, 8, 9; Grey’s Debates, April 19, 22. 1689; Commons’ Journals, April 20, 22.; Lords’ Journals, April 21.

95. Lords’ Journals, March 16. 1689.

96. Burnet II. 7. 8.

97. Burnet sagt (II. 8.), daß der Antrag, den Sacramentstest abzuschaffen, in beiden Häusern mit großer Majorität verworfen worden sei. Hierin täuschte ihn jedoch sein Gedächtniß, denn im Hause der Gemeinen fand keine andre Abstimmung über den Gegenstand statt als die oben erwähnte. Bemerkenswerth ist es, daß Gwyn und Rowe, welche die Stimmen der Majorität zählten, zwei der entschiedensten Whigs im ganzen Hause waren.

98. Lords’ Journals March 21. 1689.

99. Lords’ Journals, April 5. 1689; Burnet II. 10.

100. Commons’ Journals, March 28., April 1. 1689.; Pariser Gazette vom 23. April. Ein Theil der Stelle in der Pariser Gazette verdient angeführt zu werden. „Il y eut ce jour là (am 28. März) une grande contestation dans la Chambre Basse, sur la proposition qui fut faite de remettre les séances après les fêtes de Pasques observées toujours par l’Eglise Anglicane. Les Protestans conformistes furent de cet avis; et les Presbytériens emportèrent à la pluralité des voix que les séances recommenceroient le Lundy, seconde feste de Pasques.“ Die Niederkirchlichen werden von den damaligen französischen und holländischen Schriftstellern häufig Presbyterianer genannt. Es waren nicht zwanzig eigentliche Presbyterianer im Hause der Gemeinen. Siehe A. Smith and Cutler’s plain Dialogue ahout Whig and Tory, 1690.

101. Berichte über das was in den Conferenzen vorging, findet man in den Protokollen der beiden Häuser, und sie sind lesenswerth.

Die Bill zur Festsetzung des Krönungseides. Diese Debatten wurden auf kurze Zeit durch die Feste und Feierlichkeiten der Krönung unterbrochen. Als der zu dieser wichtigen Ceremonie bestimmte Tag heranrückte, verwandelte sich das Haus der Gemeinen in einen Ausschuß behufs Festsetzung der Wortformel, durch welche unsere Landesherren hinfüro ihren Vertrag mit der Nation schließen sollten. Darüber waren alle Parteien einig, daß es angemessen sei, vom Könige den Eid zu verlangen, daß er in weltlichen Angelegenheiten dem Gesetz gemäß regieren und die Gerechtigkeit mit Milde üben wolle. Über die Ausdrücke des XI.80 Eides aber, die sich auf die kirchlichen Institutionen des Landes bezogen, wurde viel debattirt. Sollte der höchste Beamte im Staate bloß einfach versprechen, die protestantische Religion aufrecht zu erhalten, wie sie durch das Gesetz aufgestellt war, oder sollte er versprechen, diese Religion aufrecht zu erhalten, wie sie später durch das Gesetz festgestellt werden würde? Die Majorität war für die erstere Phrase. Die andre wurde von denjenigen Whigs vorgezogen, welche für eine Comprehension waren. Es wurde jedoch allgemein zugestanden, daß beide Phrasen eigentlich gleichbedeutend seien und daß der Eid, mochte er lauten wie er wollte, den Souverain nur in seiner executiven Gewalt binden werde. Dies ging in der That aus der ganzen Natur des Actes klar hervor. Jeder Vertrag kann durch die freiwillige Zustimmung der Partei, welche allein die Erfüllung zu verlangen berechtigt ist, annullirt werden. Die strengsten Casuisten hatten es nie in Zweifel gestellt, daß ein Schuldner, der sich unter den feierlichsten Schwüren verpflichtet hat zu zahlen, rechtmäßigerweise die Zahlung unterlassen kann, wenn der Gläubiger ihn seiner Verbindlichkeit entheben will. Eben so klar ist es, daß keine von einem Könige durch die Stände seines Reichs verlangte Zusicherung ihm die Verpflichtung auferlegen kann, seine Zustimmung zu etwas zu verweigern, was diese Stände später einmal wünschen mögen.

Es wurde eine mit den Beschlüssen des Ausschusses übereinstimmende Bill entworfen, welche rasch durch alle parlamentarischen Stadien ging. Nach der dritten Lesung erhob sich ein thörichtes Mitglied, um einen Zusatz zu beantragen, in welchem erklärt werde, daß der Eid den Souverain, nicht hindern solle, in eine etwaige Änderung im Ceremoniell der Kirche zu willigen, immer vorausgesetzt, daß das Episkopat und eine geschriebene Gebetsform beibehalten würden. Die plumpe Absurdität dieses Antrags wurde von mehreren ausgezeichneten Mitgliedern dargelegt. Eine solche Klausel, bemerkten sie ganz richtig, würde den König binden, während sie ihm freieren Spielraum geben sollte. Der Krönungseid, sagten sie, hat nicht den Zweck, ihn in seiner gesetzgebenden Gewalt zu behindern. Man lasse diesen Eid in seiner jetzigen Fassung, und kein Fürst kann ihn mißverstehen. Kein Fürst kann ernstlich glauben, die beiden Häuser wollten das Versprechen von ihm verlangen, daß er sein Veto gegen Gesetze einlegen werde, die sie späterhin für das Wohl des Landes nöthig erachten könnten. Sollte aber einmal ein Fürst den zwischen ihm und seinen Unterthanen abgeschlossenen Vertrag so wunderlich mißverstehen, dann wird jeder Theolog, jeder Jurist, den er um Rath fragt, ihn sogleich beruhigen. Würde dieser Antrag angenommen, so könnte man unmöglich leugnen, daß der Krönungseid bestimmt sei, den König zu verhindern, seine Zustimmung zu Bills zu geben, die ihm von den Lords und Gemeinen vorgelegt würden, und daraus würden sehr ernste Nachtheile hervorgehen. Diese Argumente wurden als unwiderleglich erkannt und der Zusatz ohne Abstimmung verworfen.102

Jeder, der diese Debatten gelesen hat, muß vollständig überzeugt sein, daß die Staatsmänner, welche den Krönungseid entwarfen, den König in seiner gesetzgebenden Gewalt nicht zu binden gemeint waren.103 Leider XI.81 erwachte hundert Jahre später in einem zwar wackeren und gewissenhaften, aber von Natur beschränkten und starrsinnigen und durch Krankheit zu gleicher Seit geschwächten und aufgeregten Geiste ein Scrupel, den jene Staatsmänner für zu widersinnig hielten, als daß irgend ein menschliches Geschöpf ihn im Ernste hegen könne. Der Ehrgeiz und die Perfidie eines Tyrannen hat in der That selten größere Übel erzeugt als die waren, welche jene unselige Gewissenhaftigkeit über unser Land gebracht hat. Einen außerordentlichen günstigen Augenblick, einen Augenblick, in welchem Weisheit und Gerechtigkeit Völkerschaften und Secten, die einander lange feindlich gegenübergestanden, hätten versöhnen und die britischen Inseln zu einem wahrhaft Vereinigten Königreiche machen können, ließ man unbenutzt vorübergehen. Die einmal verlorne Gelegenheit kehrte nicht wieder. Zwei Generationen von Staatsmännern haben sich seitdem mit unvollkommenem Erfolge bemüht, den damals begangenen Fehler wieder gut zu machen, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß einige von den schlimmen Folgen dieses Fehlers sich bis auf die spätere Nachwelt fortwährend fühlbar machen werden.

102. Journals, March 28. 1689; Grey’s Debates.

103. Ich will einige Äußerungen anführen, welche in den gedrängten Berichten über diese Debatten der Nachwelt aufbewahrt worden. Diese Neuerungen sind bezüglich des Sinnes, in welchem der Eid von den Gesetzgebern, die ihn entworfen, verstanden wurde, ganz entscheidend. Musgrave sagte: „Es ist kein Grund zur Aufnahme dieses Vorbehalts. Es ist undenkbar, daß irgend eine von hier ausgehende Bill jemals die gesetzgebende Gewalt vernichten werde.“ Finch sagte: „Die Worte: ‚durch das Gesetz festgestellt‘ hindern den König nicht, eine Bill zur Erleichterung der Dissenters anzunehmen. Der Vorbehalt ruft den Scrupel erst hervor und giebt Veranlassung dazu.“ Sawyer sagte: „Dies ist der erste Vorbehalt dieser Art, der je in einer Bill enthalten war. Er scheint die gesetzgebende Gewalt anzugreifen.“ Sir Robert Cotton sagte: „Obgleich der Vorbehalt zweckmäßig und heilsam aussieht, scheint er doch einen Fehler zu haben. Unfähig die Gesetze den Umständen gemäß abzuändern! Dies ruft nicht einen, sondern mehrere Scrupel hervor; als ob Ihr so an das kirchliche Regiment gebunden wäret, daß Ihr keine neuen Gesetze ohne einen solchen Vorbehalt ins Leben rufen könntet!“ Sir Thomas Lee sagte: „Ich fürchte es wird dahin kommen, daß auch andere Gesetze nicht ohne einen solchen Vorbehalt geschaffen werden können, und deshalb möchte ich denselben beseitigt wissen.“

Die Krönung. Die Bill, durch welche die Eidformel festgestellt wurde, passirte das Oberhaus ohne Amendement. Alle Vorbereitungen waren getroffen, und am 11. April fand die Krönung statt. In einigen Punkten unterschied sie sich von gewöhnlichen Krönungen. Die Vertreter des Volks nahmen in Masse an der Ceremonie Theil und wurden im Schatzkammergebäude glänzend bewirthet. Marie, die jetzt nicht bloß Königin-Gemahlin, sondern auch regierende Königin war, wurde in allen Punkten gleich einem Könige inaugurirt, mit dem Schwerte gegürtet, auf den Thron gesetzt und ihr die Bibel, die Sporen und der Reichsapfel überreicht. Die weltlichen Großen des Reichs waren mit ihren Frauen und Töchtern zahlreich und glänzend vertreten. Es konnte nicht Wunder nehmen, daß die Whigaristokratie sich bemühte, den Triumph der Whigprinzipien zu erhöhen. Aber die Jakobiten sahen zu ihrem großen Leidwesen, daß viele Lords, die für eine Regentschaft gestimmt hatten, eine bedeutende Rolle bei der Feierlichkeit spielten. Die Krone des Königs wurde von Grafton, die der Königin von Somerset getragen. Das scharfe Schwert, das Emblem der weltlichen Justiz, trug Pembroke. Ormond war Großconstabel für den Tag und ritt durch den Saal zur Rechten des erblichen Kämpen, der dreimal seinen Handschuh auf den Boden warf XI.82 und dreimal zum Kampfe auf Leben und Tod den Verräther herausforderte, der Wilhelm’s und Mariens Recht bestreiten sollte. Unter den Edelfräuleins, welche die prachtvolle Schleppe der Königin trugen, befand sich ihre schöne und liebenswürdige Cousine, Lady Henriette Hyde, deren Vater, Rochester, bis zuletzt gegen den Beschluß gestritten hatte, der den Thron für erledigt erklärte.104 Die Bischöfe waren allerdings nur spärlich zu sehen. Der Primas war nicht erschienen; er war durch Campton vertreten. Zur einen Seite Campton’s trug Lloyd, Bischof von St. Asaph, der sich unter den sieben Bekennern des vorhergehenden Jahres ausgezeichnet hatte, den Hostienteller. Zur andren Seite ging Sprat, Bischof von Rochester, unlängst noch Mitglied der Hohen Commission, mit dem Kelche. Burnet, der jüngste Prälat, predigte mit seinem ganzen gewohnten Talent und mit mehr als gewohntem Takt und Urtheil. Sein würdevoller und beredter Vortrag war weder durch Schmeichelei noch durch boshafte Ausfälle verunziert. Es soll lebhaft applaudirt worden sein, und es ist in der That wohl zu glauben, daß der begeisterte Schluß seiner Rede, wo er den Himmel anflehte, das königliche Paar mit langem Leben und gegenseitiger Liebe, mit gehorsamen Unterthanen, weisen Räthen und treuen Bundesgenossen, mit tapferen Flotten und Armeen, mit Sieg, mit Frieden und schließlich mit ruhmvolleren und unvergänglicheren Kronen als welche zur Zeit auf dem Altare der Abtei glänzten, zu beglücken, das lauteste Beifallsgemurmel der Gemeinen erweckte.105

Die Ceremonie nahm im Ganzen einen guten Verlauf und bewirkte ein wenn auch schwaches und vorübergehendes Wiederauflodern der Begeisterung vom vergangenen December. Der Tag war in London und an vielen anderen Orten ein allgemeiner Freudentag. Am Vormittag waren die Kirchen gefüllt. Der Nachmittag wurde mit allerhand Vergnügungen und Gelagen hingebracht und am Abend wurden Freudenfeuer angezündet, Raketen losgelassen und die Fenster illuminirt. Dessenungeachtet wußten die Jakobiten reichen Stoff zu Spötteleien und Sarkasmen zu entdecken oder zu erfinden. Sie beschwerten sich bitter darüber, daß der Weg von der Halle bis zum westlichen Thore der Abtei mit holländischen Soldaten besetzt gewesen sei. Sei es schicklich, daß ein englischer König den feierlichsten Vertrag mit der englischen Nation hinter einer dreifachen Hecke fremder Schwerter und Bajonette schließe? Kleine Händel, wie sie bei jeder öffentlichen Feierlichkeit zwischen den Schaulustigen und den zur Freihaltung der Communication Angestellten fast unvermeidlich vorkommen, wurden mit allen Kunstgriffen der Rhetorik übertrieben. Einer der fremden Söldlinge hatte mit seinem Pferde einen achtbaren Bürger zurückgetrieben, der sich vorgedrängt, um den königlichen Baldachin einen Augenblick zu sehen. Ein Andrer hatte mit dem Flintenkolben eine Frau in roher Weise zurückgestoßen. Auf solche Gründe hin wurden die Fremden mit den Lord Dänen verglichen, welche vor Zeiten durch ihren Übermuth XI.83 die angelsächsische Bevölkerung zu Aufstand und Blutvergießen angereizt hatten. Das fruchtbarste Thema für den Tadel war jedoch die Krönungsmedaille, die allerdings eben so abgeschmackt entworfen als schlecht ausgeführt war. Der Hauptgegenstand des Reverses war ein Wagen, und der gemeine Mann konnte sich nicht erklären, was dieses Emblem mit Wilhelm und Marien zu thun hatte. Die mißvergnügten Witzlinge lösten die Schwierigkeit, indem sie sagten, der Künstler habe auf den Wagen anspielen wollen, den eine aller Kindesliebe bare und den Interessen eines ehrgeizigen Gemahls blindlings ergebene römische Prinzessin über die noch warmen Überreste ihres Vaters hatte fahren lassen.106

104. Lady Henriette, die ihr Oheim Clarendon in seinem Tagebuche (Januar 1687/88) die „hübsche kleine Henriette“ und „das beste Kind von der Welt“ nennt, verheirathete sich bald nachher mit dem Earl von Dalkeith, dem ältesten Sohne des unglücklichen Herzogs v. Monmouth.

105. Die Predigt verdient gelesen zu werden. Siehe die London Gazette vom 14. April 1689; Evelyn’s Diary; Narcissus Luttrell’s Diary, und die Depesche der holländischen Gesandten an die Generalstaaten.

106. Eine Probe von der Prosa, welche die Jakobiten über diesen Gegenstand schrieben, findet man in den Somers’schen Schriften. Die jakobitischen Verse waren meist zu unanständig, als daß man sie anführen konnte. Ich wähle einige von den glimpflichsten Zeilen aus einem sehr seltenen Spottgedicht:

Der elfte des Monats April erschien,

Da wälzt sich der Pöbel nach Westminster hin

Zu sehn wie ein Lumpenbündel man krönt:

Ein schöner König, fürwahr.

Dem Orangenbaum er entsprossen ist,

Doch wenn man im Buche des Schicksals liest

Wird einst ihm noch werden ein andrer Baum:

Ein schöner König, fürwahr.

Von Gestalt ist er nur zur Hälfte ein Mann,

Desto mehr ein Affe, das leugne wer kann;

Hat den Kopf einer Gans und des Kranich’s Bein’,

Ein schöner König, fürwahr.

Ein Franzos, Namens Le Noble, der seiner Schandthaten wegen aus seinem Vaterlande verwiesen worden war, sich aber, von der Polizei geduldet, in Paris versteckt hielt und im Dienste eines Buchhändlers nothdürftig sein Leben fristete, veröffentlichte bei dieser Gelegenheit zwei jetzt sehr seltene Pasquille: „Le Couronnement de Guillemot et de Guillemette, avec le Sermon du grand Docteur Burnet“ und „Le Festin de Guillemot.“ An Witz, Geschmack und Verstand stehen Le Noble’s Schriften dem angeführten englischen Gedicht nicht nach. Er erzählt uns, daß der Erzbischof von York und der Bischof von London einen Boxerkampf in der Abtei aufführen, daß der Kämpe auf einem Esel durch die Halle ritt, welcher stätig wurde und die königliche Tafel mit dem ganzen Geschirr umstieß, und daß das Banket mit einer Schlägerei zwischen den mit Stühlen und Bänken bewaffneten Peers und den mit Bratspießen bewaffneten Köchen endete. Merkwürdigerweise fand diese Art Witz Leser, und das Portrait des Autors wurde splendid gestochen mit dem Motto: „Latrantes ride: te tua fama manet.“

Beförderungen. Ehren wurden, wie gewöhnlich, auch bei dieser festlichen Gelegenheit freigebig gespendet. Drei Hosenbandorden, über welche die Krone zur Zeit verfügen konnte, wurden Devonshire, Ormond und Schomberg verliehen. Der Prinz Georg wurde zum Herzog von Cumberland ernannt. Mehrere hochstehende Männer erhielten neue Titel, mit denen wir sie von jetzt an bezeichnen müssen. Danby wurde Earl von Caermarthen, Churchill Earl von Marlborough und Bentinck Earl von Portland. Mordaunt ward zum Earl von Monmouth ernannt, nicht ohne einiges Murren von Seiten alter Exclusionisten, die sich noch immer mit Liebe ihres protestantischen Herzogs erinnerten und welche hofften, sein Urtel werde umgestoßen und seinen Nachkommen die Führung seines Titels gestattet werden. Man wunderte sich, daß der Name Halifax nicht auch auf der Liste der Beförderungen stand. Niemand konnte zweifeln, daß er sehr leicht ein blaues Band oder eine Herzogskrone hätte erlangen können, und obgleich er sich von den meisten seiner Zeitgenossen durch seine Verschmähung XI.84 unrechtmäßigen Gewinns vortheilhaft auszeichnete, wußte man doch sehr wohl, daß er auf Ehrentitel mit einer Begierde brannte, der er sich selbst schämte und die seines glänzenden Geistes unwürdig war. Allerdings wurde sein Ehrgeiz damals durch Besorgnisse niedergeschlagen. Leuten, die sein Vertrauen besaßen, theilte er seine Befürchtung mit, daß schlimme Zeiten bevorständen. Für des Königs Leben könne man kein Jahr mehr stehen, die Regierung sei unter sich uneinig, die Geistlichkeit und das Heer unzufrieden, das Parlament von Factionen zerrissen; der Bürgerkrieg wüthe bereits in einem Theile des Landes und auswärtiger Krieg sei vor der Thür. In einem solchen Augenblick habe wohl jeder Minister, ob Whig oder Tory, Grund sich zu beunruhigen, aber weder ein Whig noch ein Tory habe so viel zu fürchten als der Trimmer, der nicht unwahrscheinlich die gemeinschaftliche Zielscheibe des Hasses beider Parteien werden würde. Aus diesen Gründen beschloß Halifax, sich jeder Ostentation von Macht und Einfluß zu enthalten, durch ein geflissentliches Zurschautragen von Mäßigung den Neid zu entwaffnen und durch Artigkeiten und Wohlthaten Personen an sich zu ziehen, deren Dankbarkeit ihm im Fall einer Contrerevolution von Nutzen sein konnten. Die nächsten drei Monate, sagte er, würden die Probezeit sein. Halte sich die Regierung den Sommer über, so werde sie wahrscheinlich fest stehen.107

107. Reresby’s Memoirs.

Die Coalition gegen Frankreich. Inzwischen gewannen Fragen der auswärtigen Politik eine immer größere Bedeutung. Das Werk, an welchem Wilhelm viele trübe und angstvolle Jahre hindurch unermüdlich gearbeitet hatte, war endlich vollbracht. Die große Coalition war zu Stande. Es war klar, daß ein verzweifelter Kampf bevorstand. Der Bedrücker Europa’s sollte sich gegen das mit Karl II. von Spanien, mit dem Kaiser Leopold und mit dem deutschen und dem batavischen Bunde alliirten England vertheidigen, ohne wahrscheinlich einen andren Bundesgenossen zu haben als den Sultan, der an der Donau gegen das Haus Österreich Krieg führte.

Die Verwüstung der Pfalz. Ludwig hatte gegen das Ende des vergangenen Jahres die ungünstige Lage seiner Feinde zu seinem Vortheile benutzt und den ersten Schlag geführt, ehe sie darauf vorbereitet waren, ihn zu pariren. Doch dieser wenn auch schwere Schlag hatte nicht da getroffen, wo er hätte tödtlich werden können. Wären an der batavischen Grenze Feindseligkeiten ausgebrochen, so würde Wilhelm mit seiner Armee wahrscheinlich auf dem Continent zurückgehalten worden sein, und Jakob hätte ungestört in England fortregieren können. Glücklicherweise hatte Ludwig in einer Verblendung, welche viele fromme Protestanten aus voller Überzeugung dem gerechten Urtheile Gottes zuschrieben, den Punkt aus den Augen gelassen, von dem das Geschick der ganzen civilisirten Welt abhing, und hatte auf einer Seite, wo die glänzendsten Erfolge ihm nichts als eine Illumination und ein Tedeum eintragen konnten, einen großen Aufwand von Streitkräften, Schnelligkeit und Energie entfaltet. Eine französische Armee unter den Befehlen des Marschalls Duras war in die Pfalz und einige benachbarte Fürstenthümer eingefallen. Dieser Feldzug aber, konnte, obwohl er vollkommen glücklich ausgefallen war und obwohl die Geschicklichkeit und Energie, mit der er geleitet worden, XI.85 allgemeine Bewunderung erregt hatten, keinen erheblichen Einfluß auf den Ausgang des herannahenden furchtbaren Kampfes ausüben. Frankreich sollte bald von allen Seiten angegriffen werden, und dann konnte Duras die Provinzen, welche er überfallen und überwältigt, unmöglich lange behaupten. Ein entsetzlicher Gedanke erwachte im Geiste Louvois’, der in militärischen Angelegenheiten zu Versailles die erste Stimme hatte. Er war ein Mann, der sich durch Eifer für das was ihm im öffentlichen Interesse nöthig erschien, sowie durch Talent und durch Kenntniß alles dessen was sich auf die militärische Verwaltung bezog, auszeichnete, aber er besaß einen harten und grausamen Character. Wenn die Städte der Pfalz nicht zu behaupten waren, so konnten sie zerstört werden. Wenn der Boden der Pfalz den Franzosen keine Hülfsmittel lieferte, so konnte er so verwüstet werden, daß er wenigstens auch den Deutschen keine Hülfsmittel lieferte. Der hartherzige Staatsmann unterbreitete Ludwig seinen Plan, wahrscheinlich mit großer Behutsamkeit und einigen Auslassungen, und Ludwig genehmigte denselben in einer für seinen Ruhm verderblichen Stunde. Duras erhielt Befehl, eine der schönsten Gegenden Deutschland’s in eine Wüste zu verwandeln. Funfzehn Jahre früher hatte Turenne einen Theil dieses herrlichen Landes verwüstet. Aber Turenne’s Verheerungen waren, obgleich sie einen tiefen Schatten auf seinen Ruhm geworfen hatten, ein bloßes Kinderspiel im Vergleich mit den Greueln dieser zweiten Verwüstung. Der französische Oberbefehlshaber kündigte einer halben Million Menschen an, daß er ihnen eine dreitägige Gnadenfrist bewillige und daß sie bis dahin auf ihre Sicherheit bedacht sein müßten. Bald bedeckten sich die Landstraßen und Felder, welche damals tief in Schnee vergraben lagen, mit zahllosen Massen von Männern, Frauen und Kindern, die von ihrem heimathlichen Herde flohen. Viele kamen vor Hunger und Kälte um; aber es blieben genug am Leben, um alle Städte Europa’s mit abgezehrten, schmutzigen Bettlern zu füllen, die einst wohlhabende Pächter und Handelsleute gewesen waren. Inzwischen begann das Zerstörungswerk. Von jedem Marktplatze, jedem Weiler, jeder Pfarrkirche und jedem Landsitze in den dem Untergange geweihten Provinzen loderten die Flammen empor. Die Felder, auf denen Getreide gesäet war, wurden umgepflügt. Die Obstbäume wurden umgehauen. Jede Hoffnung auf eine Ernte wurde auf der fruchtbaren Ebene in der Nähe der Stelle wo einst Frankenthal gestanden, von Grund aus zerstört. Kein Weinstock, kein Mandelbaum war an den Abhängen der sonnigen Hügel mehr zu sehen, welche das nicht mehr vorhandene Heidelberg umgaben. Kein Palast, kein Tempel, kein Kloster, kein Krankenhaus, kein Kunstwerk, kein Grabmal berühmter Verstorbener ward geschont. Das weit und breit berühmte Schloß des Kurfürsten von der Pfalz wurde in einen Schutthaufen verwandelt. Das anstoßende Hospital wurde geplündert. Die Vorräthe, die Medicamente und die Betten, auf denen die Kranken lagen, wurden vernichtet. In Mannheim wurden, selbst die Steine, aus denen die Stadt erbaut war, in den Rhein geworfen. Der prächtige Dom von Speier ging zu Grunde, mit ihm die marmornen Grabmäler von acht Cäsaren. Die Särge wurden aufgebrochen und die Asche in alle Winde verstreut.108 Trier mit seiner XI.86 herrlichen Brücke, seinem Amphitheater, seinen ehrwürdigen Kirchen, Klöstern und Collegien war zu demselben Schicksale ausersehen. Bevor aber dieses letzte Verbrechen verübt werden konnte, wurde Ludwig durch die Verwünschungen alter Nachbarvölker, durch das Stillschweigen und die Bestürzung seiner Schmeichler und durch die Vorstellungen seine Gemahlin auf bessere Gedanken gebracht. Er war seit mehr als zwei Jahren mit Franziska von Maintenon, der Gouvernante seiner natürlichen Kinder, heimlich vermählt. Es wird schwerlich eine zweite Frau gegeben haben, die bei einem so wenig romanhaften Character eine so romanhafte Laufbahn aufzuweisen hatte. Sie hatte ihre Jugendjahre in Armuth; und Dunkel hingebracht. Ihr erster Gatte hatte sich durch Verfassung burlesker Possen und Gedichte ernährt. Als sie die Aufmerksamkeit ihres Souverains auf sich zog, konnte sie sich nicht mehr der Jugend oder Schönheit rühmen, aber sie besaß in ungewöhnlichem Grade jene dauernderen Reize, welche gesetzte Männer, deren Leidenschaften das Alter gezähmt hat und deren Leben ein Leben voll Mühen und Sorgen ist, an einer Lebensgefährtin am höchsten schätzen. Ihr Character war einer von denen, die man sehr richtig mit dem sanften Grün verglichen hat, auf welchem das durch grelle, Farben und blendende Lichter ermüdete Auge mit Wohlgefallen ruht. Ein treffendes Urtheil, ein unerschöpflicher, doch nie überfluthender Strom verständiger, liebenswürdiger und geistvoller Rede, ein Temperament, dessen heitere Ruhe nicht einen Augenblick getrübt wurde, ein Takt, der den Takt ihres Geschlechts in eben dem Maße übertraf, wie der Takt ihres Geschlechts den des unsrigen übertrifft: dies waren die Eigenschaften, welche die Wittwe eines Possenreißers zuerst zur vertrauten Freundin, dann zur Gattin des mächtigsten aller Könige Europa’s machten. Man sagte damals Ludwig sei nur mit Mühe durch Louvois’ dringende Vorstellungen und Bitten abgehalten worden, sie zur Königin von Frankreich zu erklären. Es ist ausgemacht, daß sie Louvois als ihren Feind betrachtete, und ihr Haß gegen ihn, mit dem sich vielleicht auch bessere Gefühle verbanden, bestimmte sie, sich der unglücklichen Rheinbewohner anzunehmen. Sie appellirte an das Mitgefühl, das, obwohl durch manche verderbliche Einflüsse geschwächt, im Herzen ihres Gemahls noch nicht völlig erloschen war, und an die religiösen Gefühle, welche ihn nur zu oft zur Grausamkeit getrieben hatten, die aber im gegenwärtigen Falle auf Seiten der Humanität waren. Er ließ sich erweichen und Trier ward verschont.109 Er mußte in der That wohl einsehen, daß er einen Fehler begangen hatte. Die Verwüstung der Pfalz hatte, während sie die Macht seiner Feinde nicht erheblich vermindert, ihre Erbitterung noch mehr angefacht und ihnen unerschöpflichen Stoff zu Schmähungen geliefert. Von allen Seiten erscholl das Geschrei nach Rache. Jedes Bedenken, das die eine oder die andre Linie des Hauses Österreich gehegt haben mochte, sich mit Protestanten zu verbünden, war völlig beseitigt. Ludwig beschuldigte den Kaiser und den katholischen König, die Sache der Kirche verrathen, sich mit einem Usurpator, XI.87 der der erklärte Vorkämpfer des großen Schisma’s war, verbündet und an dem abscheulichen Unrecht Theil genommen zu haben, das einem legitimen Souverain zugefügt worden, der sich keines andren Verbrechens als des Eifers für den wahren Glauben schuldig gemacht habe. Jakob schrieb herzbrechende Briefe nach Wien und Madrid, in denen er sein Unglück schilderte und den Beistand seiner königlichen Brüder, die auch im Glauben seine Brüder seien, gegen die unnatürlichen Kinder und die rebellischen Unterthanen erflehte, die ihn in’s Exil getrieben hätten. Es war jedoch nicht schwer, auf Ludwig’s Vorwürfe wie auf Jakob’s Bitten eine plausible Antwort zu geben. Leopold und Karl erklärten, daß sie sich, selbst zum Zwecke der gerechten Selbstvertheidigung, nicht eher mit Ketzern verbündet hätten, als bis ihr Feind sich zum Zwecke eines ungerechten Angriffs mit Mohamedanern verbündet habe. Und dies sei noch nicht das Schlimmste. Nicht genug, daß der französische König den Moslems gegen die Christen beistehe, behandle er selbst die Christen mit einer Grausamkeit, welche sogar die Moslems empört haben würde. Man müsse seinen ungläubigen Verbündeten die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie an der Donau keine solchen Gewaltthätigkeiten gegen die Gebäude und die Mitglieder der heiligen katholischen Kirche verübt hätten, wie er, der sich den ältesten Sohn dieser Kirche nenne, sie am Rhein verübe. Aus diesen Gründen antworteten die Fürsten, an welche Jakob appellirt hatte, ihm damit, daß sie unter vielen Versicherungen der Bereitwilligkeit und des Mitleids an ihn selbst appellirten. Er sei gewiß zu gerecht, als daß er sie tadeln könnte, daß sie es für ihre erste Pflicht hielten, ihr eignes Volk gegen solche Gewaltthätigkeiten zu schützen, wie sie die Pfalz in eine Wüste verwandelt hätten, oder daß sie den Beistand der Protestanten gegen einen Feind anriefen, der kein Bedenken getragen habe, die Hülfe von Türken anzurufen.110

108. Über die Geschichte der Verwüstung der Pfalz sehe man die Memoiren von La Fare, Dangeau, Frau von Lafayette, Villars und Saint-Simon, sowie den Monthly Mercury vom März und April 1689. Der Pamphlet und Flugblätter sind zu viele, als daß ich sie hier aufzählen könnte. Ein Blatt, betitelt: „A true Account of the barbarous Cruelties committed by the French in the Palatinate in January and February last,“ ist vielleicht das interessanteste.

109. Memoiren Saint-Simon’s.

110. Ich will einige Zeilen aus Leopold’s Brief an Jakob anführen: „Nunc autem quo loco res nostrae sint, ut Serenitati vestrae auxilium praestari possit a nobis, qui non Turcico tantum bello impliciti, sed insuper etiam crudelissimo et iniquissimo a Gallis, rerum suarum, ut putabant, in Anglia securis, contra datam fidem impediti sumus, ipsimet Serenitati vestrae judicandum relinquimus... Galli non tantum in nostrum et totius Christianae orbis perniciem foedifraga arma cum juratis Sanctae Crucis hostibus sociare fas sibi ducunt; sed etiam in imperio, perfidiam perfidia cumulando, urbes deditione occupatas contra datam fidem immensis tributis exhaurire, exhaustas diripere, direptas funditus exscindere aut flammis delere, Palatia Principum ab omni antiquitate inter saevissima bellorum incendia intacta servata exurere, templa spoliare, dedititios in servitutem more apud barbaros usitato abducere, denique passim, imprimis vero etiam in Catholicorum dictionibus, alia horrenda, et ipsam Turcorum tyrannidem superantia immanitatis et saevitiae exempla edere pro ludo habent.“

Kriegserklärung gegen Frankreich. Während des Winters und der ersten Hälfte des Frühjahrs zogen die Frankreich feindlich gesinnten Mächte ihre Streitkräfte zu einer energischen Anstrengung zusammen und standen in fortdauernder Communication mit einander. Als die zu militärischen Operationen geeignete Zeit heranrückte, erschienen in rascher Aufeinanderfolge die feierlichen Berufungen beleidigter Nationen an den Gott der Schlachten. Das Manifest der Deutschen erschien im Februar, das der Generalstaaten im März, das des Hauses Brandenburg im April und das Spanien’s im Mai.111

XI.88

Bei uns beschloß, sobald die Krönungsfeier vorüber war, das Haus der Gemeinen die Inbetrachtnahme der neuesten Schritte des Königs von Frankreich.112 In der Debatte brach der Haß gegen den mächtigen, rücksichtslosen und herrschsüchtigen Ludwig, der seit zwanzig Jahren der Vasallenschaft in den Herzen der Engländer gohr, mit Heftigkeit hervor. Er wurde der allerchristlichste Türke, der allerchristlichste Verwüster der Christenheit, der allerchristlichste Barbar genannt, der gegen Christen Gewaltthätigkeiten verübt habe, deren seine ungläubigen Verbündeten sich geschämt haben würden.113 Ein vornehmlich aus heftigen Whigs bestehender Ausschuß wurde mit der Abfassung eines Adreßentwurfs beauftragt. Johann Hampden, der glühendste Whig unter ihnen, erhielt den Vorsitz und arbeitete einen Entwurf aus, der zu lang, zu rhetorisch und zu vorwurfsvoll war, als daß er sich für den Mund des Sprechers wie für das Ohr des Königs hätte eignen können. Schmähungen gegen Ludwig würden bei der damaligen Stimmung des Hauses ungerügt hingegangen sein, wären sie nicht von harten Äußerungen über den Character und der Verwaltung Karl’s II. begleitet gewesen, dessen die Tories, trotz aller seiner Fehler, mit liebevoller Zuneigung gedachten. Es fanden sich darin einige sehr deutliche Anspielungen auf Karl’s Verkehr mit dem Hofe von Versailles und auf das fremde Weib, das dieser Hof ihm gesendet habe, um wie eine Schlange an seinem Busen zu liegen. Das Haus war mit gutem Grunde unzufrieden damit. Die Adresse wurde dem Ausschusse zurückgegeben, und nachdem sie kürzer und weniger wortreich und hämisch gefaßt worden, angenommen und überreicht.114 Wilhelm’s Aufmerksamkeit war auf die Nachtheile gelenkt, welche Frankreich ihm und seinem Königreiche zugefügt, und ihm die Versicherung gegeben, daß, sobald er zur Abstellung dieser Nachtheile die Waffen ergriffe, er von seinem Volke kräftig unterstützt werden würde. Er dankte den Gemeinen herzlich. Ehrgeiz, sagte er, werde ihn nie bestimmen, das Schwert zu ziehen; allein er habe keine Wahl, denn Frankreich habe bereits England angegriffen, und es sei nothwendig, das Recht der Selbstvertheidigung auszuüben. Wenige Tage darauf wurde der Krieg erklärt.115

Unter den Gründen zu diesem Schritte, welche die Gemeinen in ihrer Adresse und der König in seinem Manifeste anführten, war der gewichtigste die Einmischung Ludwig’s in die Angelegenheiten Irland’s. In diesem Lande waren seit mehreren Monaten wichtige Ereignisse in rascher Aufeinanderfolge eingetreten. Der Augenblick ist jetzt gekommen, die Geschichte dieser Ereignisse mitzutheilen, eine Geschichte eben so reich an Verbrechen und erschütternden Begebenheiten, wie an Interesse und Belehrung.

111. Siehe die London Gazette vom 25. Febr., 11. März, 22. April, 2. Mai und die Monthly Mercuries. Einige von den Erklärungen findet man in Dumont’s Corps Universel Diplomatique.

112. Commons’ Journals, April 15. 16. 1689.

113. Oldmixon.

114. Commons’ Journals, April 19. 24. 26. 1689.

115. Die Kriegserklärung ist vom 7. Mai datirt, erschien aber erst am 13. in der London Gazette.

 
XII.1

Zwölftes Kapitel.


Wilhelm von Oranien.

  XII.3

Inhalt.


Seite

Zustand Irland’s zur Zeit der Revolution

5

Die Civilgewalt in den Händen der Katholiken

5

Die Militärgewalt in den Händen der Katholiken

7

Gegenseitige Feindschaft zwischen den Engländern und Iren

7

Panischer Schrecken unter den Engländern

8
Geschichte der Stadt Kenmare 9
Enniskillen 12
Londonderry 13
Schließung der Thore von Londonderry 14

Mountjoy wird abgesandt, um Ulster zu pacificiren

16

Wilhelm tritt in Unterhandlung mit Tyrconnel

17
Die Temple werden zu Rathe gezogen 19

Richard Hamilton wird auf Temple’s Wort nach Irland gesandt

19

Tyrconnel schickt Mountjoy und Rice nach Frankreich

20

Tyrconnel ruft das irische Volk zu den Waffen

21
Verwüstung des Landes 22

Die Protestanten im Süden unfähig Widerstand zu leisten

26
Enniskillen und Londonderry halten sich 27

Richard Hamilton marschirt mit einer Armee nach Ulster

27

Jakob entschließt sich nach Irland zu gehen

28

Unterstützung, welche Jakob von Ludwig gewährt wird

29

Wahl eines französischen Gesandten zum Begleiter Jakob’s

30
Der Graf von Avaux 31
Jakob landet in Kinsale 32
Jakob’s Einzug in Cork 33
Reise Jakob’s von Cork nach Dublin 34
Unzufriedenheit in England 36
Parteispaltungen im Dubliner Schlosse 36
Jakob beschließt nach Ulster zu gehen 40
Jakob’s Reise nach Ulster 41
Der Fall Londonderry’s erwartet 43
Es kommt Succurs aus England 44
Verrätherei Lundy’s 45

Die Bewohner von Londonderry beschließen sich zu vertheidigen

45
Ihr Character 46
Londonderry belagert 50

Die Belagerung in eine Blokade verwandelt

52
Seegefecht in der Bantry-Bai 52

Ein von Jakob einberufenes Parlament tagt in Dublin

53
XII.4 Es wird eine Toleranzacte erlassen 57

Acte zur Confiscation des Eigenthums der Protestanten

57
Prägung schlechten Geldes 61
Die große Verurtheilungsacte 62
Jakob prorogirt sein Parlament 65
Verfolgung der Protestanten in Irland 65

Wirkung der aus Irland kommenden Nachrichten in England

67
Thaten der Enniskillener 69
Noth in Londonderry 70

Ankunft des Expeditionscorps unter Kirke im Foylesee

70
Grausamkeit Rosen’s 71

Die Hungersnoth in Londonderry steigt aufs Höchste

73
Angriff auf den Sperrbaum 74

Die Belagerung von Londonderry aufgehoben

76
Operationen gegen die Enniskillener 79
Schlacht bei Newton-Butler 80
Bestürzung der Irländer 81
XII.5

Zustand Irland’s zur Zeit der Revolution. Wilhelm hatte zu gleicher Zeit mit dem Titel eines Königs von England auch den eines Königs von Irland angenommen. Denn alle unsere Juristen betrachteten damals Irland als eine bloße Colonie, zwar wichtiger als Massachusetts, Virginien oder Jamaika, aber, wie diese, abhängig vom Mutterlande und verpflichtet, den Souverain anzuerkennen, den das Mutterland auf den Thron berufen hatte.1

1. Die allgemeine Ansicht der Engländer über diesen Gegenstand spricht sich deutlich in einer kleinen Schrift aus, betitelt: „Aphorisms relating to the Kingdom of Ireland“, welche während der Erledigung des Thrones erschien.

Die Civilgewalt in den Händen der Katholiken. Thatsächlich aber hatte die Revolution Irland von der Oberherrschaft der englischen Colonie emancipirt gefunden. Schon im Jahre 1686 hatte Jakob beschlossen, diese Insel zu einem Waffenplatze, der Großbritannien Respect einflößen könnte, und zu einem Asyle zu machen, wo die Mitglieder seiner Kirche eine Zuflucht finden könnten, wenn in Großbritannien sich ein Unglück ereignete. Zu dem Ende hatte er Alles aufgeboten, um das Verhältniß zwischen den Eroberern und der eingebornen Bevölkerung umzukehren. Die Ausführung seines Planes hatte er, trotz der Gegenvorstellungen seiner englischen Rathgeber, dem Vicekönig Tyrconnel übertragen. Im Herbst des Jahres 1688 war der Prozeß vollendet. Die höchsten Ämter bei der Staatsverwaltung, der Armee und den Gerichtshöfen waren fast ohne Ausnahme mit Papisten besetzt. Ein Rabulist, Namens Alexander Fitton, der einer Fälschung überführt, wegen schlechter Aufführung vom Hause der Lords zu Westminster mit einer Geldstrafe belegt worden war und viele Jahre im Gefängniß zugebracht hatte, dem es eben so sehr an juristischen Kenntnissen fehlte wie an gesundem Verstande und Scharfsinn, welche den Mangel an juristischen Kenntnissen zuweilen ersetzt haben, war Lordkanzler. Sein einziges Verdienst bestand darin, daß er vom protestantischen Glauben abgefallen war, und dieses Verdienst wurde für hinreichend erachtet, um selbst den Flecken seiner sächsischen Abstammung zu verwischen. Er zeigte sich bald des Vertrauens seiner Gönner würdig. Er erklärte auf der Richterbank, daß es unter vierzigtausend Ketzern nicht einen gebe, der nicht ein Schurke sei. Oftmals, nachdem er einen Rechtsfall angehört, bei dem die Interessen seiner Kirche im Spiele waren, verschob er seinen Ausspruch, um, wie er selbst eingestand, seinen Seelsorger, einen spanischen Priester, der wahrscheinlich im Escobar wohl belesen war, zu Rathe zu ziehen.2 Thomas Nugent, ein Katholik, der sich im Gerichtssaale durch nichts als durch seinen irischen Accent und durch seine XII.6 Schnitzer ausgezeichnet hatte, war Oberrichter der King’s Bench.3 Stephan Rice, ein Katholik, dessen Talente und Gelehrsamkeit selbst von den Feinden seiner Nation und Religion nicht bestritten wurden, dessen wohlbekannte Hostilität gegen die Ansiedlungsacte aber im Herzen aller Derjenigen, welche kraft dieser Acte Grundeigenthum besaßen, die ernstesten Besorgnisse erweckte, war erster Baron der Schatzkammer.4 Richard Nagle, ein scharfsinniger und wohlbelesener Jurist, der in einem Jesuitencollegium erzogen war und der die Vorurtheile besaß, die man von seiner Erziehung erwarten konnte, war Generalfiskal.5

Keating, ein höchst ehrenwerther Protestant war noch Oberrichter der Common Pleas; aber zwei römisch-katholische Richter standen ihm zur Seite. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß der eine von diesen Richtern, Daly, ein verständiger, gemäßigter und rechtschaffner Mann war. Aber die Klagsachen, welche vor die Schranken der Common Pleas kamen, waren nicht von großem Belang. Selbst die King’s Bench war damals fast verödet. Dagegen war das Schatzkammergericht mit Geschäften überhäuft, denn es war der einzige Gerichtshof in Dublin, von dem nicht nach England appellirt werden konnte, und folglich der einzige Gerichtshof, an welchem die Engländer ohne Hoffnung auf Abhülfe unterdrückt und ausgeplündert werden konnten. Rice sollte erklärt haben, daß sie von ihm genau das haben sollten, was das Gesetz nach strictester Auslegung ihnen gewähre, aber auch nicht mehr. Was aber seiner Ansicht nach das Gesetz nach strictester Auslegung ihnen gewährte, das konnten sie leicht aus einer Äußerung schließen, die er, bevor er Richter wurde, häufig im Munde führte. „Ich werde,“ pflegte er zu sagen, „mit Sechsen durch die Ansiedlungsacte fahren.“ Jetzt brachte er seine Drohung tagtäglich zur Ausführung. Alle Protestanten klagten, daß es gleichgültig sei, was für Beweise sie ihm vorlegten, daß die schamlosesten Lügen, die ehrlosesten Zeugenaussagen seines Schutzes gewiß sein könnten, wenn er sonst ihren Ansprüchen nicht gerecht werden wolle. Zu seinem Gerichtshofe drängten sich seine Landsleute in Masse mit Gesuchen um Vertreibung und Eigenthumsverletzung. Vor seinem Gerichtshofe griff die Regierung mit einem Male die Freibriefe alter irischen Städte und Landgemeinden an, und er fand ohne Mühe Vorwände, um alle diese Freibriefe für verwirkt zu erklären. Die Municipalcorporationen, etwa hundert an Zahl, waren als Bollwerke des reformirten Glaubens und des englischen Interesses eingeführt worden, und sie wurden daher von den irischen Katholiken mit einem Widerwillen betrachtet, den man nicht für unnatürlich oder unvernünftig halten kann. Wären diese Corporationen auf eine verständige und unparteiische Weise umgestaltet worden, so hätte die Unregelmäßigkeit des Verfahrens, durch welches ein so wünschenwerthes Resultat erzielt worden war, verziehen werden können. Aber es zeigte sich bald, daß ein exclusives System nur beseitigt worden war, um einem andren Platz zu XII.7 machen. Die Burgflecken wurden der unumschränkten Autorität der Krone unterstellt. Städte, in denen fast jeder Hausvater ein englischer Protestant war, erhielten katholische Obrigkeiten. Viele von den neuen Aldermen hatten die Städte, zu deren Behörden sie ernannt werden, noch nie gesehen. Zu gleicher Zeit wurden die Sheriffs, denen die Vollziehung der richterlichen Befehle und die Ernennung der Juries zukam, fast immer aus der Kaste gewählt, welche bis vor ganz Kurzem von jedem öffentlichen Amte ausgeschlossen gewesen war. Man versicherte, daß einige von diesen wichtigen Beamten wegen Diebstahls in der Hand gebrandmarkt gewesen seien. Andere hatten im Dienste von Protestanten gestanden, und die Protestanten setzten mit bitterer Geringschätzung hinzu, daß die Grafschaft, der solche Beamte zu Theil würden, von Glück sagen könne, denn ein Diener, der das Geschirr eines englischen Gentleman gereinigt und sein Pferd geputzt habe, könne im Vergleich zu Vielen von der eingebornen Aristokratie, die ihr Leben mit Aufliegen und Marodiren hingebracht, für ein civilisirtes Geschöpf gelten. Solchen Sheriffs würde kein Colonist, selbst wenn er das unerhörte Glück gehabt hätte, einen ihm günstigen Ausspruch zu erlangen, eine Execution anzuvertrauen gewagt haben.6

2. King’s State of the Protestants of Ireland, II. 6, und III. 3.

3. King III. 3. Clarendon nennt Nugent in einem Briefe an Rochester (vom 1. Juni 1686) „einen höchst lästigen, impertinenten Menschen.“

4. King, III. 3.

5. King, II. 6, und III. 3. Clarendon spricht in einem Briefe an Ormond (vom 28. Sept. 1686) mit rühmender Anerkennung von Nagle’s Kenntnissen und Fähigkeiten; in seinem Tagebuche aber (31. Jan. 1686/87) nennt er ihn „einen habsüchtigen, ehrgeizigen Mann.“

6. King II. 5. 1.; III. 3. 5. A Short View of the Methods made use of in Ireland for the Subversion and Destruction of the Protestant Religion and Interests, by a Clergyman lately escaped from thence, licensed Oct. 17, 1689.

Die Militärgewalt in den Händen der Katholiken. So war die Civilgewalt in Zeit von wenigen Monaten von der sächsischen auf die celtische Bevölkerung übertragen worden. Die Übertragung der Militärgewalt war nicht minder vollständig gewesen. Die Armee, welche unter Ormond’s Befehlen das Hauptbollwerk des englischen Übergewichts gewesen war, existirte nicht mehr. Ganze Regimenter waren aufgelöst und neu organisirt worden. Sechstausend ihres Brodes beraubte protestantische Veteranen brüteten in ihrer Zurückgezogenheit über das ihnen zugefügte Unrecht, oder waren über den Kanal gegangen und hatten sich dem Banner Wilhelm’s angeschlossen. Ihre Stellen wurden durch Männer besetzt, welche, nachdem sie lange unterdrückt worden, sich plötzlich aus Sklaven in Herren verwandelt sahen und es nun nicht erwarten konnten, die schwere Schuld der Unbilden und Kränkungen mit Wucherzinsen zurückzuzahlen. Man sagte, die neuen Soldaten seien nie an einem Engländer vorübergegangen, ohne ihn zu verwünschen und ihm ein Schimpfwort anzuhängen. Sie waren der Schrecken jedes protestantischen Gastwirths, denn von dem Augenblicke an wo sie unter sein Dach kamen, aßen und tranken sie Alles weg, ohne zu bezahlen, und verscheuchten durch ihr rohes Bramarbasiren anständigere Gäste von seiner Thür.7

7. King, III. 2. Ich kann nicht finden, daß Karl Leslie, ein eifriger Vertheidiger der andren Partei, in seiner Antwort an King, einer dieser Thatsachen widersprochen hätte. Er verwirft sogar selbst Tyrconnel’s Verwaltung. „Ich wünsche einem Einwurfe zu begegnen, der sicherlich erhoben werden wird, daß ich nämlich Alles was Lord Tyrconnel und andere Minister Jakob’s, besonders vor dieser Revolution, gethan haben und was mehr als irgend etwas Andres dieselbe hervorgerufen hat, völlig rechtfertigen wolle. Nein, davon bin ich weit entfernt. Ich bin überzeugt, daß ihr Verfahren in vielen Punkten den Feinden König Jakob’s gegründetere Ursache zu klagen gab als alle anderen seiner Regierung zur Last gelegten Verwaltungsfehler.“ Leslie’s Answer to King, 1692.

Gegenseitige Feindschaft zwischen den Engländern und Iren. So war der Zustand Irland’s, als der Prinz von Oranien bei XII.8 Torbay landete. Von diesem Augenblicke an, brachte jedes in Dublin anlangende Packetboot Nachrichten mit, welche die gegenseitige Furcht und Abneigung der feindlichen Stämme nur vermehren konnten. Sowohl der Colonist, der, nachdem er lange die Macht besessen und gemißbraucht, jetzt für einen Augenblick die Bitterkeit der Knechtschaft gekostet hatte, als auch der Eingeborne, der, nachdem er den bitteren Kelch der Knechtschaft bis zur Hefe geleert, endlich auf einen Augenblick die Macht besessen und gemißbraucht hatte, erkannten Beide, daß eine wichtige Krisis, eine Krisis wie die von 1641, bevorstehe. Die Mehrheit erwartete mit Ungeduld, in Tyrconnel einen Phelim O’Neil wieder erstehen zu sehen; die Minderheit erblickte in Wilhelm einen zweiten Oliver.

Auf welcher Seite der erste Schlag erfolgte, dies war eine Frage, über welche Wilhelmiten und Jakobiten nachher mit viel Schärfe debattirten. Doch keine Frage konnte gleichgültiger sein. Die Geschichte muß beiden Parteien die Gerechtigkeit widerfahren lassen, die keine von beiden der andren jemals zugestanden, und muß zugeben, daß beide triftige Beschwerden und heftige Provocationen zu ihrer Rechtfertigung anführen konnten. Beide waren durch ein Geschick, für welches keine von beiden verantwortlich war, in eine Lage versetzt worden, daß sie einander, da die menschliche Natur nun einmal so und nicht anders geschaffen ist, nothwendig als Feinde betrachten mußten. Drei Jahre lang hatte die Regierung, die sie hätte versöhnen können, systematisch Alles aufgeboten, ihre Feindschaft zu einer rasenden Wuth zu entflammen. Es war jetzt unmöglich, in Irland eine gerechte und wohlthätige Regierung herzustellen, eine Regierung, die keinen Racen- oder Sectenunterschied kannte, eine Regierung, welche die den neuen Grundeigenthümern durch das Gesetz gewährleisteten Rechte streng respectirte, zu gleicher Zeit aber durch eine vernünftige Liberalität das Mißgeschick der vorigen Gentry linderte. Eine solche Regierung hätte Jakob zur Zeit seiner Macht einsetzen können. Aber die günstige Gelegenheit war vorbei, ein gütlicher Vergleich war nicht mehr möglich, die beiden erbitterten Kasten waren gleichermaßen von der Nothwendigkeit überzeugt, daß sie entweder unterdrücken, oder unterdrückt werden müßten, und daß nur in Sieg, Rache und Herrschaft ihr Heil zu finden sei. Nur darin stimmten sie überein, daß sie jeden Vermittler, der es versuchen wollte, sie mit einander zu versöhnen, zurückwiesen.

Panischer Schrecken unter den Engländern. Seit einigen Wochen waren Excesse, Insulten, schlimme Gerüchte und panische Schrecken, die natürlichen Vorläufer des herannahenden furchtbaren Zusammenstoßes, an der Tagesordnung. Durch die ganze Insel verbreitete sich das Gerücht, daß am 9. December eine allgemeine Niedermetzelung der Engländer stattfinden solle. Tyrconnel ließ die vornehmsten Protestanten Dublin’s in’s Schloß kommen und rief in seiner gewohnten kräftigen Redeweise die ganze Rache des Himmels auf sich herab, wenn jenes Gerücht nicht eine verfluchte, niederträchtige Lüge wäre. Aus Wuth darüber, daß seine Flüche nicht die erwartete Wirkung hervorriefen, soll er seinen Hut und seine Perrücke vom Kopfe gerissen und ins Feuer geworfen haben.8 XII.9 Aber man kannte den lügenhaften Dick Talbot so genau, daß seine Verwünschungen und Gestikulationen die Besorgniß, die sie vermindern wollten, nur noch vermehrten. Seit Clarendon’s Zurückberufung hatte fortwährend eine starke Auswanderung ängstlicher und friedliebender Leute aus den irischen Häfen nach England stattgefunden. Diese Auswanderung nahm jetzt zu. Es war nicht leicht, auf einem gutgebauten und bequemen Schiffe einen Platz zu erlangen. Aber viele Leute, deren Muth das Übermaß der Furcht bis zur Kühnheit steigerte, wollten sich lieber Wind und Wellen als den erbitterten Iren anvertrauen und setzten sich daher allen Gefahren einer Seereise über den St. Georgskanal und die Küste von Wales entlang in offenen Fahrzeugen und mitten im Winter aus. Die zurückbleibenden Engländer begannen sich in fast jeder Grafschaft eng aneinander anzuschließen. Jedes große Landhaus wurde eine Festung. Jeder, der nach Einbruch der Dunkelheit Einlaß begehrte, wurde durch ein Schießloch oder durch ein verrammeltes Fenster angerufen und wenn er ohne Parole und Erklärungen einzudringen versuchte, ward ihm eine Blunderbüchse vorgehalten. In der gefürchteten Nacht des 9. Decembers gab es von der Riesen-Chaussee bis zur Bantry-Bay kaum ein protestantisches Landhaus, in welchem vom frühen Untergang bis zum späten Aufgang der Sonne nicht bewaffnete Männer gewacht und Lichter gebrannt hätten.9

8. A True and Impartial Account of the most material Passages in Ireland since December 1688, by a Gentleman who was an Eyewitness; licensed July 22, 1689.

9. A True and Impartial Account etc. 1689; Leslie’s Answer to King, 1692.

Geschichte der Stadt Kenmare. Über die damaligen Vorgänge in einem Districte ist ein ausführlicher Bericht auf uns gekommen, nach dem man sich ein Bild von dem allgemeinen Zustande des Königreichs machen kann. Der südwestliche Theil von Kerry ist jetzt als die schönste Gegend der britischen Inseln bekannt. Die Berge, die Schluchten, die sich weit ins Meer hinaus erstreckenden Vorgebirge, die Felsen, auf denen Adler horsten, die Bäche, welche von den Gebirgspässen herniederrauschen, die Seen, von dichten Wäldern umsäumt, in denen das Hochwild Schutz findet, ziehen jeden Sommer Schaaren von Touristen herbei, welche des Treibens und der Vergnügungen der großen Städte überdrüssig sind. Die Schönheiten dieses Landes werden zwar nur zu häufig durch Nebel und Regen verschleiert, welche der Westwind von dem unermeßlichen Ocean herbeiführt. An den seltenen Tagen aber wo die Sonne in ihrem vollen Glanze strahlt, zeigt die Landschaft eine Frische und eine Wärme des Colorits, die man in unseren Breitengraden selten findet. Die Myrthe liebt den Boden, der Erdbeerbaum gedeiht hier besser als selbst an den sonnigen Gestaden Calabrien’s.10 Die Wiesen haben eine saftigere Färbung als anderwärts, die Hügel erglühen in prächtigerem Purpur, die Blätter der Stechpalme und des Epheus zeigen einen höheren Glanz, und Beeren von feurigerem Roth schimmern durch Laub von schönerem Grün. Aber während der größeren Hälfte des 17. Jahrhunderts war dieses Paradies der civilisirten Welt noch so wenig bekannt wie Spitzbergen oder Grönland. Wenn es ja einmal erwähnt wurde, sprach man davon als von einer traurigen Wüste, einem Chaos von Sümpfen, Dickichten und Abgründen, wo die Wölfe noch hausten und wo einige halbnackte Wilde, XII.10 die kein Wort Englisch sprachen, sich unterirdische Baue in den Schlamm gruben und von Wurzeln und saurer Milch lebten.11

Im Jahre 1670 endlich beschloß der menschenfreundliche und erleuchtete Sir Wilhelm Petty, in diesem wüsten Districte eine Niederlassung zu gründen. Er besaß dort eine große Herrschaft, die auf eine ihres Ahnherrn würdige Nachkommenschaft fortgeerbt ist. Man sagte damals, daß er auf die Verbesserung dieses Gutes nicht weniger als zehntausend Pfund Sterling verwendet habe. Die kleine Stadt, welche er gründete und die nach der Bucht von Kenmare benannt wurde, lag an der Spitze dieser Bucht am Fuße eines Bergrückens, auf dessen Gipfel der Reisende jetzt verweilt, um den lieblichsten der drei Seen von Killarney zu betrachten. Ein von einer Gesellschaft unternehmender Neuengländer, weit entfernt von den Wohnungen ihrer Landsleute in den Jagdgründen der rothen Indianer erbautes Dorf konnte kaum vollständiger außer dem Bereiche der Civilisation liegen als Kenmare. Von Petty’s Ansiedelung bis nach dem nächsten englischen Wohnplatze hatte man zu Lande zwei Tage durch eine wilde und gefahrvolle Gegend zu reisen. Doch der Ort gedieh. Es wurden zweiundvierzig Häuser gebaut und die Bevölkerung belief sich auf hundertachtzig Seelen. Das Land um die Stadt herum war gut angebaut, der Viehstand war zahlreich und zwei kleine Bote vermittelten den Fischfang und Handel längs der Küste. Der Ertrag an Heringen, Pilchards, Makrelen und Lachsen war bedeutend und würde noch bedeutender gewesen sein, wäre nicht der Strand in der schönsten Jahreszeit mit Massen von Robben bedeckt gewesen, welche den Fischen der Bucht nachstellten. Die Robbe war jedoch kein unwillkommener Gast, denn ihre Haut war werthvoll und ihr Thran lieferte das Beleuchtungsmaterial für die langen Winterabende. Mit dem glücklichsten Erfolge wurde der Versuch gemacht, Eisenhütten anzulegen. Man bediente sich damals noch nicht der Steinkohlen zum Schmelzen und es wurde den Fabrikbesitzern von Kent und Sussex sehr schwer, sich Brennholz zu mäßigem Preise zu verschaffen. Die Umgebung von Kenmare war damals reich bewaldet, und Petty erkannte es als eine gewinnbringende Spekulation, Erz dahin zu transportiren. Die Freunde von Naturschönheiten bedauern noch heute den Verlust der Wälder von Eichen und Erdbeerbäumen, welche geschlagen wurden, um seine Hohöfen zu speisen. Außerdem war noch ein andrer Plan in seinem thätigen und intelligenten Kopfe entstanden. Einige von den benachbarten Inseln waren reich an buntem Marmor, roth und weißem und roth und XII.11 grünem. Petty wußte wohl, mit welchen großen Kosten die alten Römer ihre Bäder und Tempel mit buntfarbigen Säulen schmückten, welche in den Marmorbrüchen Lakonien’s und Afrika’s gebrochen wurden, und er scheint die Hoffnung genährt zu haben, daß die Felsen seiner wilden Herrschaft in Kerry vielleicht Verzierungen für die Paläste von St. James-Square und für das Chor der St Paulskirche liefern könnten.12

Die Ansiedler hatten von Anfang an erkannt, daß sie darauf vorbereitet sein müßten, das Recht der Selbstvertheidigung in einer Ausdehnung zu üben, die in einem wohleingerichteten Staate unnöthig und unverantwortlich gewesen sein würde. In den Hochlanden südlich vom Thale von Tralee war das Gesetz völlig machtlos. Kein Justizbeamter wagte sich gern in diese Gegenden. Ein Staatsbote, der im Jahre 1680 dort einen gerichtlichen Befehl zu vollziehen versuchte, wurde ermordet. Es scheint jedoch, daß bis zu Ende des Jahres 1688 die Bewohner von Kenmare durch ihre Einigkeit, ihre Intelligenz und ihren Muth hinreichend geschützt waren. Um diese Zeit aber begannen sich die Wirkungen der Politik Tyrconnel’s selbst in diesem entlegenen Winkel Irland’s fühlbar zu machen. In den Augen des Landvolks von Munster waren die Colonisten Fremdlinge und Ketzer. Die Gebäude, die Böte, die Maschinen, die Kornspeicher, die Meiereien und Hohöfen wurden von der eingebornen Bevölkerung ohne Zweifel mit dem Gemisch von Neid und Geringschätzung betrachtet, mit dem der Unwissende ganz natürlich auf die Triumphe der Wissenschaft herabsieht. Auch ist es gar nicht unwahrscheinlich, daß die Einwanderer sich der Fehler schuldig gemacht hatten, von denen civilisirte Menschen, die sich unter einem uncivilisirtem Volke niederlassen, selten frei bleiben. Es läßt sich wohl annehmen, daß die aus höherer Intelligenz entspringende Macht bald rücksichtslos zur Schau getragen, bald ungerecht ausgeübt wurde. Als sich daher jetzt von Altar zu Altar und von Hütte zu Hütte die Nachricht verbreitete, daß die Fremden vertrieben und ihre Häuser und Grundstücke den Söhnen des Landes als Beute preisgegeben werden sollten, begann ein förmlicher Raubkrieg. Schaaren von Plünderern zu dreißig, vierzig, ja siebzig Köpfen, theils mit Schießgewehren, theils mit Piken bewaffnet, durchstreiften die Umgegend der Stadt. Die Scheunen wurden geplündert, und Pferde wurden gestohlen. Bei einem einzigen Raubzuge wurden hundertvierzig Stück Vieh weggenommen und durch die Schluchten von Glengariff fortgeführt. In einer Nacht wurden sechs Wohnungen erbrochen und ausgeplündert. Endlich beschlossen die auf’s Äußerste getriebenen Colonisten, lieber wie Männer zu sterben, als sich in ihren Betten ermorden zu lassen. Das Haus, welches Petty für seinen Agenten erbaut hatte, war das größte im Orte. Es stand auf einer felsigen Landzunge, an deren Ufern die Wogen der Bucht sich brachen. Hier versammelte sich die ganze Einwohnerschaft, bestehend aus fünfundsiebzig streitbaren Männern mit etwa hundert Frauen und Kindern. Sie besaßen sechzig Feuergewehre und eine gleiche Anzahl Piken und Schwerter. In aller Eile wurde rings um das Haus des Agenten ein funfzehn Fuß hoher und zwölf Fuß dicker Erdwall aufgeworfen. Die so eingefriedigte Bodenfläche war etwa einen halben Acker groß. Innerhalb dieses Walles wurden sämmtliche Waffen, Munitions- und Lebensmittelvorräthe XII.12 zusammengebracht und mehrere schwache Breterhütten errichtet. Als diese Vorbereitungen getroffen waren, begannen die Männer von Kenmare kräftige Repressalien gegen ihre irischen Nachbarn zu üben; sie ergriffen Räuber, nahmen gestohlenes Eigenthum wieder und verfuhren einige Wochen lang in allen Stücken wie eine unabhängige Gemeinschaft. Die obrigkeitlichen Functionen wurden durch erwählte Beamte verrichtet, denen jedes Mitglied der Commun auf das Evangelium Treue gelobte.13

Während die Bewohner des Städtchens Kenmare sich dergestalt regten, wurden von größeren Gemeinschaften ähnliche Vertheidigungsmaßregeln in größerem Maßstabe getroffen. Eine beträchtliche Anzahl Gentlemen und Freisassen verließ das platte Land und zog sich in die Städte, welche zu dem Zwecke gegründet und incorporirt worden waren, um die eingeborne Bevölkerung im Zaume zu halten, und die, obwohl unlängst unter das Regiment katholischer Behörden gestellt, doch noch hauptsächlich von Protestanten bewohnt waren. Eine ansehnliche Schaar bewaffneter Colonisten sammelte sich in Sligo, eine andre in Charleville, eine dritte in Mallow, eine vierte noch stärkere in Bandon.14 Die wichtigsten Bollwerke der englischen Bevölkerung in dieser schlimmen Zeit waren jedoch Enniskillen und Londonderry.

10. In der Gegend von Killarney hat es Erdbeerbäume von dreißig Fuß Höhe und fünfthalb Fuß Umfang gegeben. Siehe die Philosophical Transactions, 227.

11. In einer sehr ausführlichen Beschreibung der britischen Inseln, welche 1690 in Nürnberg erschien, ist Kerry als „an vielen Orten unwegsam und voller Wälder und Gebirge“ geschildert. Wölfe hausten noch in Irland. „Kein schädlich Thier ist da außerhalb Wölff und Füchse.“ Noch im Jahre 1710 wurde auf Antrag der großen Jury von Kerry eine Abgabe zum Behufe der Ausrottung der Wölfe in dieser Grafschaft erhoben. Siehe Smith’s Ancient and Modern State of the County of Kerry, 1750. Es ist mir nie ein besseres Buch dieser Art und dieses Umfangs vorgekommen. In einem 1719 erschienenen Gedicht, betitelt: Macdermot, or the Irish Fortune Hunter, in sechs Gesängen, wird die Wolfsjagd als ein sehr gewöhnliches Sportvergnügen dargestellt. Unter Wilhelm’s Regierung gab man Irland zuweilen den Spottnamen Wolfsland. So wird in einem Gedicht über die Schlacht von la Hogue, betitelt: Advice to a Painter, der Schrecken der irischen Armee wie folgt geschildert:

Ein Nebel, der das Blut erstarren macht

Und Wolfland’s Heulen dringt durch’s ganze Lager.

12. Smith’s Ancient and Modern State of Kerry.

13. Exact Relation of the Persecution, Robberies, and Losses sustained by the Protestants of Killmare in Ireland, 1689; Smith’s Ancient and Modern State of Kerry, 1756.

14. Ireland’s Lamentation, licensed May 18. 1689.

Enniskillen. Enniskillen, obwohl die Hauptstadt der Grafschaft Fermanagh, war damals ein bloßes Dorf. Es war auf einer Insel des Flusses erbaut, welcher die unter dem gemeinschaftlichen Namen des Ernesees bekannten zwei schönen Wasserbecken mit einander verbindet. Der Strom und beide Seen waren auf allen Seiten von natürlichen Wäldern umgeben. Enniskillen bestand aus etwa achtzig Wohnhäusern, in deren Mitte sich ein altes Schloß erhob. Die Einwohner waren fast ohne Ausnahme Protestanten und stolz darauf, daß ihre Stadt während der furchtbaren Revolution, welche 1641 ausbrach, der protestantischen Sache treu geblieben. Anfangs December erhielten sie von Dublin die Anzeige, daß zwei Compagnien papistischer Infanterie demnächst bei ihnen ins Quartier gelegt werden würden. Die kleine Gemeinde war in der größten Bestürzung, um so mehr als man erfuhr, daß ein Predigermönch sich bemüht hatte, die irische Bevölkerung der Umgegend wider die Ketzer aufzureizen. Man faßte den kühnen Entschluß, die Truppen nicht einzulassen, mochte es kommen wie es wollte. Die Vertheidigungsmittel waren indessen sehr spärlich. Nicht zehn Pfund Pulver, nicht zwanzig brauchbare Schießgewehre konnten innerhalb der Festung aufgetrieben werden. Es wurden deshalb Boten mit dringenden Schreiben ausgesandt, welche die protestantische Gentry der Nachbarschaft aufforderten, zur Unterstützung herbeizueilen, und dem Aufrufe ward mit hochherziger Bereitwilligkeit Folge geleistet. Binnen wenigen Stunden hatten sich zweihundert Bewaffnete zu Fuß und hundertfunfzig Reiter versammelt. Tyrconnel’s Soldaten waren schon im Anzuge. Sie führten einen beträchtlichen Vorrath von Waffen mit sich, welche unter das Landvolk vertheilt wurden. Die Bauern begrüßten das königliche Banner mit Jubel und schlossen sich in großer Anzahl XII.13 dem Zuge an. Anstatt den Angriff zu erwarten, kamen die Bürger mit ihren Verbündeten muthig heraus und stellten sich den Eindringenden entgegen. Die Offiziere Jakob’s hatten keinen Widerstand erwartet, und sie waren daher nicht wenig erstaunt, als sie eine Colonne Fußvolk, von einem starken Corps berittener Gentlemen und Freisassen flankirt, auf sich anrücken sahen. Die Bauern liefen entsetzt davon und die Soldaten traten den Rückzug so eilig an, daß er eine Flucht genannt werden konnte. Erst in Cavan, dreißig Meilen davon, machten sie wieder Halt.15

Durch diesen leichten Sieg kühn gemacht, trafen die Protestanten Anordnungen zur Regierung und Vertheidigung von Enniskillen und der umliegenden Ortschaften. Gustav Hamilton, ein Gentleman, der in der Armee gedient, dem aber Tyrconnel unlängst sein Offizierspatent entzogen hatte, und der seitdem auf einem Gute in Fermanagh lebte, wurde zum Gouverneur ernannt und nahm seine Residenz im Schlosse. Zuverlässige Männer wurden in aller Eil angeworben und bewaffnet. Da es an Schwertern und Piken fehlte, mußten die Schmiede improvisirte Waffen anfertigen, bestehend aus Sensenklingen, welche an Stangen befestigt wurden. Sämmtliche Landhäuser rings um den Ernesee erhielten Besatzungen. Kein Papist durfte frei in der Stadt umhergehen, und der Mönch, den man beschuldigte, seine Beredtsamkeit gegen die Engländer aufgeboten zu haben, wurde ins Gefängniß geworfen.16

15. A True Relation of the Actions of the Inniskilling men, by Andrew Hamilton, Rector of Kilskerrie, and one of the Prebends of the Diocese of Clogher, an Eyewitness thereof and Actor therein, licensed Jan. 15. 1689/90. — A Further Impartial Account of die Actions of the Inniskilling men, by Captain William Mac Cormick, one of the first that took up Arms, 1691.

16. Hamilton’s True Relation; Mac Cormick’s Further Impartial Account.

Londonderry. Die andre Hauptfeste des Protestantismus war eine Stadt von größerer Bedeutung. Achtzig Jahre früher, während der durch den letzten Kampf der Häuser O’Neil und O’Donnel gegen die Autorität Jakob’s I. verursachten Unruhen war die ehemalige Stadt Derry von einem der eingebornen Häuptlinge überfallen, die Bewohner niedergemetzelt und die Häuser in Asche gelegt worden. Die Insurgenten wurden bald überwältigt und bestraft, die Regierung beschloß, die zerstörte Stadt wieder aufzubauen, der Lordmayor, die Aldermen und der Gemeinderath von London wurden zur Betheiligung an dem Werke aufgefordert und König Jakob I. überwies ihnen in ihrer corporativen Eigenschaft den von den Trümmern des alten Derry bedeckten Grund und Boden nebst ungefähr sechstausend englischen Ackern umliegenden Landes.17

Dieser damals unangebaute und unbewohnte District ist jetzt ein blühender Sitz des Gewerbfleißes und des guten Geschmacks und macht selbst auf Augen, welche an den Anblick der üppigen Fluren und stattlichen Schlösser England’s gewöhnt sind, einen wohlthuenden Eindruck. Bald erhob sich eine neue Stadt, die wegen ihrer Connection mit der Hauptstadt des Reichs Londonderry genannt wurde. Die Gebäude bedeckten den Gipfel und den Abhang einer Anhöhe, welche den breiten Strom des Foyle beherrschte, der zu jener Zeit von Schaaren wilder Schwäne XII.14 besucht wurde.18 Auf dem höchsten Punkte stand die Kathedrale, eine Kirche, die, obwohl zu einer Zeit erbaut, wo das Geheimniß der gothischen Architectur verloren gegangen war, und wenn auch nicht geeignet, einen Vergleich mit den ehrwürdigen Tempeln des Mittelalters auszuhalten, doch nicht ohne Anmuth und stattliches Ansehen ist. Unweit der Kathedrale erhob sich der Palast des Bischofs, dessen Sitz einer der bedeutendsten in Irland war. Die Stadt hatte eine fast elliptische Form und die Hauptstraßen bildeten ein Kreuz, dessen Arme auf einem Platze zusammentrafen, welcher der Diamant hieß. Die ursprünglichen Häuser sind theils umgebaut, theils so verändert, daß ihr anfänglicher Character nicht mehr zu erkennen ist; mancher derselben aber können sich jetzt Lebende noch erinnern. Sie waren meist zwei Stock hoch und mehrere hatten steinerne Treppen an der Außenseite. Die Stadt war von einer Mauer umgeben, deren Umfang nicht viel weniger als eine Meile betrug. Auf den Bastionen waren Feldschlangen und Falkonetts aufgepflanzt, welche die reichen Gilden London’s der Colonie zum Geschenk gemacht hatten. Auf einigen dieser alten Geschütze, welche einer großen Sache denkwürdige Dienste geleistet haben, kann man noch heute die Devisen der Fischhändlergilde, der Weinhändlergilde und der Kleiderhändlergilde erkennen.19

Die Einwohner waren Protestanten von angelsächsischem Geblüt. Zwar gehörten sie nicht alle einem Lande und einer Kirche an, aber Engländer und Schotten, Episkopalen und Presbyterianer scheinen im Allgemeinen in Freundschaft miteinander gelebt zu haben, eine Freundschaft, welche durch ihre gemeinsame Abneigung gegen die irische Race und gegen die papistische Religion genügend erklärt wird. Während des Aufstandes von 1641 hatte Londonderry muthig gegen die eingebornen Häuptlinge Stand gehalten und war zu wiederholten Malen vergebens belagert worden.20 Seit der Restauration entwickelte sich die Stadt mehr und mehr. Zur Zeit der Fluth konnten schwer beladene Schiffe bis an den Quai fahren. Die Fischereien nahmen einen großartigen Aufschwung. Die Netze sollen zuweilen so voll gewesen sein, daß man Massen von Fischen wieder ins Wasser werfen mußte. Das Gewicht der alljährlich gefangenen Lachse wurde auf elfmalhunderttausend Pfund geschätzt.21

17. Concise View of the Irish Society, 1822; Mr. Heath’s interessanter Account of the Worshipful Company of Grocers, Appendix 17.

18. The Interest of England in the Preservation of Ireland, licensed July 17. 1689.

19. Diese Dinge beobachtete oder erfuhr ich an Ort und Stelle.

20. Die besten Mittheilungen über die Ereignisse in Londonderry während des 1641 begonnenen Kriegs habe ich in Dr. Reid’s History of the Presbyterian Church in Ireland gefunden.

21. The Interest of England in the Preservation of Ireland, 1689.

Schließung der Thore von Londonderry. Die Bevölkerung von Londonderry theilte die Besorgniß, welche gegen das Ende des Jahres 1688 unter den in Irland ansässigen Protestanten allgemein verbreitet war. Es war bekannt, daß das eingeborne Landvolk der Umgegend sich mit Piken und Messern versah. Die Priester hatten in einem Tone, über den, wie sich nicht leugnen läßt, der puritanische Theil der angelsächsischen Bevölkerung wenig Recht hatte sich zu beklagen, über die Niedermetzelung der Amalekiter und über die Verdammungsurtheile, welche Saul sich dadurch zugezogen, daß er Einen von dem geachteten Stamme schonte, das Volk haranguirt. Gerüchte von verschiedenen Seiten und XII.15 anonyme Briefe von verschiedener Hand bezeichneten den 9. December als den zur Vertilgung der Fremden festgesetzten Tag. Während die Gemüther der Bürger durch diese Gerüchte beunruhigt wurden, traf die Nachricht ein, daß ein Regiment von zwölfhundert Papisten unter dem Commando eines Papisten, Alexander Macdonnell, Earl von Antrim, von dem Vicekönig Befehl erhalten habe, Londonderry zu besetzen, und bereits von Coleraine abmarschirt sei. Die Bestürzung war groß. Einige waren für Schließung der Thore und Widerstand, Andere für Unterwerfung, noch Andere für Temporisiren. Der Gemeindekörper war, wie die anderen Corporationen Irland’s, reorganisirt worden. Die Magistratsbeamten waren Männer von niederer Herkunft und unedlem Character. Nur ein einziges Mitglied von angelsächsischem Geblüt befand sich unter ihnen, und dieser Eine war Papist geworden. Zu einer solchen Behörde konnten die Einwohner kein Vertrauen haben.22 Der Bischof, Hesekiel Hopkins, hielt fest an der Lehre vom Nichtwiderstande, die er viele Jahre gepredigt hatte, und ermahnte seine Herde, lieber geduldig zur Schlachtbank zu gehen, als die Schuld des Ungehorsams gegen den Gesalbten des Herrn auf sich zu laden.23 Inzwischen rückte Antrim immer näher heran. Endlich sahen die Bürger von den Wällen herab seine Truppen auf dem jenseitigen Ufer des Foyle aufgestellt. Es existirte damals noch keine Brücke, nur eine Fähre unterhielt die regelmäßige Verbindung zwischen beiden Ufern, und vermittelst dieser Fähre setzte ein Detaschement von Antrim’s Regiment über. Die Offiziere erschienen am Thore, zeigten einen an den Mayor und die Sheriffs gerichteten Befehl vor und begehrten Einlaß und Quartier für die Soldaten Seiner Majestät.

Gerade in diesem Augenblicke eilten dreizehn junge Handwerker, ihren Namen nach meist schottischer Geburt oder Abstammung, in die Wachtstube, bewaffneten sich, ergriffen die Schlüssel der Stadt, stürzten nach dem Fährthore, verschlossen es angesichts der königlichen Offiziere und ließen das Fallgatter nieder. Jakob Morison, ein Bürger in reiferen Jahren, redete nun die unwillkommenen Gäste von der Höhe des Walles an und rieth ihnen wieder abzuziehen. Sie blieben, unter einander berathschlagend, draußen am Thore stehen, bis sie ihn oben rufen hörten: „Bringt eine große Kanone hierher!“ Da endlich hielten sie es für gerathen, sich aus der Schußweite zu entfernen. Sie zogen ab, schifften sich wieder ein und kehrten zu ihren Kameraden ans jenseitige Flußufer XII.16 zurück. Inzwischen hatte sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet, und die ganze Stadt war auf den Beinen. Die anderen Thore wurden ebenfalls verschlossen, überall auf den Wällen wurden Schildwachen ausgestellt, die Magazine wurden geöffnet, Gewehre und Schießpulver vertheilt und unter dem Schutze der einbrechenden Dunkelheit Boten an die protestantischen Gentlemen der benachbarten Grafschaften ausgesandt. Der Bischof machte vergeblich Vorstellungen. Die heftigen und waghalsigen jungen Schotten, welche bei dieser Gelegenheit mit kühnem Beispiele vorangegangen waren, scheinen in der That wenig Respect vor seinem Amte gehabt zu haben. Einer von ihnen unterbrach die Rede, durch welche er den militärischen Vorkehrungen Einhalt thun wollte, mit dem Ausrufe: „Eine gute Predigt, Mylord, eine sehr gute Predigt, wir haben nur jetzt gerade nicht Zeit sie anzuhören.“24

Die Protestanten der Umgegend leisteten der Aufforderung Londonderry’s bereitwillig Folge. Innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden kamen Hunderte zu Roß und zu Fuß auf verschiedenen Wegen zur Stadt, und Antrim, der sich entweder nicht für stark genug hielt, um einen Angriff zu wagen, oder nicht Lust hatte, ohne weiteres die Verantwortlichkeit für den Anfang eines Bürgerkriegs auf sich zu nehmen, zog sich mit seinen Truppen nach Coleraine zurück.

22. Meine Autorität für diesen ungünstigen Bericht über die Corporation ist ein episches Gedicht, betitelt: The Londeriad. Dieses merkwürdige Gedicht muß bald nach den Ereignissen, auf die es Bezug hat, geschrieben sein, denn es ist Robert Rochfort, dem Sprecher des Hauses der Gemeinen, gewidmet, und Rochfort bekleidete dieses Amt von 1695 bis 1699. Der Dichter hatte kein Erfindungstalent und besaß augenscheinlich eine genaue Kenntniß der Stadt, die er besang; daher sind seine Knittelverse nicht ohne geschichtlichen Werth. Er sagt:

Sie wählten für des Parlamentes Pforten

Nur Schuster, Fleischer und Consorten,

Die ganze Körperschaft enthielt nicht einen Mann

von brit’scher Abkunft, außer Buchanan.

Dieser Buchanan wird weiterhin geschildert als

Ein Schurke durch und durch,

Der längst zuvor schon seinen Rosenkranz gebetet.

23. Siehe eine von ihm am 31. Januar 1689 zu Dublin gehaltene Predigt. Der Text derselben ist: „Seid unterthan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen.“

24. Walker’s Account of the Siege of Derry, 1689; Mackenzie’s Narrative of the Siege of Londonderry, 1689; An Apology for the Failures charged on the Reverend Mr. Walker’s Account of the late Siege of Derry, 1689; A Light to the Blind. Die letztgenannte Schrift, ein Manuscript im Besitze Lord Fingal’s, ist das Werk eines eifrigen Katholiken und eines Todfeindes England’s. Umfängliche Auszüge daraus finden sich unter den Mackintosh-Manuscripten. Auf dem Titelblatte steht die Jahrzahl 1711.

Mountjoy wird abgesandt, um Ulster zu pacificieren. Man hätte glauben können, daß der Widerstand Enniskillen’s und Londonderry’s Tyrconnel zu einem verzweifelten Schritte treiben werde. Und in der That wurde sein wildes und herrschsüchtiges Temperament auch anfangs durch die Nachricht in eine an Wahnsinn grenzende Wuth versetzt. Nachdem er aber seine Wuth, wie gewöhnlich, an seiner Perrücke ausgelassen, wurde er etwas ruhiger. Es waren ihm eben Nachrichten von sehr abkühlender Natur zugekommen. Der Prinz von Oranien marschirte unaufgehalten gegen London; fast jede Grafschaft und jede große Stadt hatte sich für ihn erklärt. Jakob, von seinen geschicktesten Heerführern und seinen nächsten Verwandten verlassen, hatte Commissarien abgeschickt, die mit den Eingedrungenen unterhandeln sollten, und hatte Ausschreiben zur Einberufung eines Parlaments erlassen. So lange das Ergebniß der in England schwebenden Unterhandlungen ungewiß war, durfte der Vicekönig es nicht wagen, an den widerspenstigen Protestanten Irland’s blutige Rache zu nehmen. Er hielt es daher für gerathen, vorläufig eine Nachsicht und Mäßigung zu heucheln, die seinem Character durchaus fremd waren. William Stewart, Viscount von Mountjoy, wurde beauftragt, die englische Bevölkerung von Ulster zu beschwichtigen. Mountjoy, ein tapferer Soldat, ein ausgezeichneter Gelehrter, ein eifriger Protestant und dabei doch ein eifriger Tory, war eines von den wenigen Mitgliedern der Staatskirche, die in Irland noch ein Amt bekleideten. Er war Feldzeugmeister dieses Königreichs und Oberst eines Regiments, in welchem das XII.17 englische Element noch ungewöhnlich stark vertreten war. In Dublin war er die Seele eines kleinen Kreises gelehrter und geistreicher Männer, die sich unter seinem Vorsitz zu einer Königlichen Societät vereinigt hatten, einer Nachbildung im Kleinen der Londoner Königlichen Societät. In Ulster, mit dem er in besonders enger Verbindung stand, genoß sein Name bei den Colonisten eines hohen Ansehens.25 Er eilte mit seinem Regiment nach Londonderry und wurde mit offenen Armen empfangen, denn man wußte, daß er zwar ein entschiedener Anhänger der erblichen Monarchie, aber nicht minder ein treuer Freund des reformirten Glaubens war. Die Bürger gestatteten ihm bereitwillig, eine ausschließlich aus Protestanten bestehende kleine Garnison, unter dem Commando seines Oberstleutnants Robert Lundy, der den Titel eines Gouverneurs annahm, in der Stadt zurückzulassen.26

Die Nachricht von Mountjoy’s Besuch in Ulster war den Vertheidigern von Enniskillen höchst angenehm. Einige von dieser Stadt abgeordnete Gentlemen machten ihm ihre Aufwartung, um seine Unterstützung zu erbitten, wurden aber durch den Empfang, der ihnen zu Theil ward, enttäuscht. „Ich kann Euch nur den Rath geben,“ sagte er, „daß Ihr Euch der Autorität des Königs unterwerfet.“ — „Wie, Mylord?“ versetzte einer der Abgeordneten, „sollen wir uns geduldig abschlachten lassen?“ — „Der König,“ sagte Mountjoy, „wird Euch beschützen.“ — „Wenn Alles was uns zu Ohren kommt wahr ist, wird es Sr. Majestät schwer genug werden, sich selbst zu schützen.“ So endete die Conferenz ohne befriedigendes Resultat. Enniskillen behielt seine trotzige Haltung bei und Mountjoy kehrte nach Dublin zurück.27

Unterdessen hatte es sich in der That klar herausgestellt, daß Jakob nicht einmal sich selbst schützen konnte. Man erfuhr in Irland, daß er geflohen, daß er angehalten worden, daß er wieder geflohen und daß der Prinz von Oranien im Triumph zu Westminster angelangt war, die Verwaltung des Reichs übernommen und eine Convention einberufen hatte.

25. Über Mountjoys Character und Stellung siehe Clarendon’s Briefe aus Irland, besonders den an Lord Dartmouth vom 8. Febr. und den an Evelyn vom 24. Februar 1685/86. „Bon officier et homme d’esprit,“ sagt Avaux.

26. Walker’s Account; Light to the Blind.

27. Mac Cormick’s Further Impartial Account.

Wilhelm tritt in Unterhandlung mit Tyrconnel. Die Lords und Gentlemen, auf deren Ansuchen der Prinz die Regierung übernommen hatte, waren ernstlich in ihn gedrungen, den Zustand Irland’s sofort in Erwägung zu ziehen, und er hatte ihnen darauf die Versicherung gegeben, daß er sein Möglichstes thun werde, um die protestantische Religion und das englische Interesse in diesem Lande aufrecht zu erhalten. Seine Feinde beschuldigten ihn nachmals der völligen Nichtbeachtung dieses Versprechens, ja sie behaupteten sogar, er habe Irland absichtlich immer tiefer und tiefer in den Abgrund des Verderbens versinken lassen. Halifax, sagten sie, habe mit grausamem und perfidem Scharfsinn das Mittel ausgedacht, der Convention eine Art von Zwangsjacke anzulegen, und der Streich sei nur zu gut gelungen. Der Beschluß, welcher Wilhelm auf den Thron berief, würde nicht so leicht durchgegangen sein, wäre der Staat nicht von so großen Gefahren bedroht gewesen, und nur in Folge seiner eignen schmachvollen Unthätigkeit hätten diese Gefahren einen solchen XII.18 Grad erreicht.28 Da diese Anschuldigung durch keine Beweise unterstützt wird, sind Diejenigen, die sie wiederholen, wenigstens verpflichtet nachzuweisen, daß Wilhelm ein offenbar besserer Weg zu Gebote stand als der, welchen er einschlug, und das dürfte ihnen schwer werden. Ja, hätte er wenige Wochen nach seiner Ankunft in London eine große Armee nach Irland schicken können, so würde sich dieses Königreich vielleicht nach einem kurzen Kampfe, oder selbst ohne allen Kampf seiner Autorität unterworfen haben, und eine lange Reihe von Verbrechen und Drangsalen hätte abgewendet werden können. Aber die factiösen Redner und Pamphletisten, die ihn so unüberlegt tadelten, daß er keine solche Armee absendete, würden in nicht geringe Verlegenheit gekommen sein, wenn sie die nöthigen Truppen, Schiffe und Gelder hätten beschaffen sollen. Die englische Armee hatte ihm vor kurzem noch feindlich gegenübergestanden, ein Theil derselben war ihm noch immer abgeneigt, und das Ganze war im höchsten Grade desorganisirt. Von der Armee, die er aus Holland mitgebracht, war nicht ein Regiment entbehrlich. Er hatte den Schatz leer und den Gold der Flotte in Rückstand gefunden. Es stand nicht in seiner Macht, irgend einen Theil der Staatseinkünfte zu verpfänden. Wer ihm Geld lieh, lieh es ihm auf keine andre Sicherheit als auf sein bloßes Wort. Nur die patriotische Freigebigkeit der londoner Kaufleute hatte ihn in den Stand gesetzt, bis zum Zusammentritt der Convention die laufenden Regierungsausgaben zu bestreiten. Es ist also gewiß ungerecht, ihn zu tadeln, daß er unter solchen Umständen nicht auf der Stelle eine Flotte ausrüstete, welche hinreichte, ein Königreich zu erobern.

Da er einsah, daß es, so lange die englische Regierung nicht befestigt war, nicht in seiner Macht stehen würde, mit bewaffneter Hand wirksam in die Angelegenheiten Irlands einzugreifen, beschloß er einen Versuch mit Unterhandlungen zu machen. Diejenigen, welche nach dem Ausgange urtheilten, behaupteten er habe bei dieser Gelegenheit nicht seinen gewohnten Scharfblick gezeigt. Sie sagten er hätte wissen sollen, daß es ungereimt sei, von Tyrconnel Unterwerfung zu erwarten. Dies war jedoch damals nicht die Ansicht gutunterrichteter Männer, deren Interesse hinreichende Gewähr für ihre Aufrichtigkeit bot. Eine zahlreiche Versammlung von Cavalieren und Gentlemen, welche in Irland Güter besaßen, wurde während des Interregnums im Hause des Herzogs von Ormond am St. James Square gehalten. Sie riethen dem Prinzen zu versuchen, ob der Vicekönig nicht zu einer ehrenvollen und vortheilhaften Kapitulation bewogen werden könnte. 29 Man hat in der That starken Grund zu glauben, daß Tyrconnel wirklich schwankte. Denn so heftig auch seine Leidenschaften waren, vergaß er darüber doch nie sein Interesse und er konnte wohl in Zweifel sein, ob es nicht in seinem Interesse liege, sich bei vorgerücktem Alter und abnehmender Gesundheit mit völliger Straflosigkeit für alle früheren Vergehen und mit hohem Range und großem Vermögen lieber von den Geschäften zurückzuziehen, als Leben und Eigenthum den Zufällen eines Kriegs gegen die ganze Macht England’s preiszugeben. Es ist notorisch, daß er sich bereit zeigte nachzugeben. Er setzte sich in Communication XII.19 mit dem Prinzen von Oranien und zog zum Schein Mountjoy und Andere zu Rathe, die sich zwar von ihrer Unterthanenpflicht gegen Jakob noch nicht losgesagt hatten, aber entschiedene Anhänger der Landeskirche und des Staatsverbandes mit England waren.

28. Burnet I. 897 und Swift’s und Dartmouth’s Noten. Tutchin wiederholt im „Observator“ diese grundlose Verleumdung.

29. Orange Gazette, Jan. 10. 1688/89.

Die Temple werden zu Rathe gezogen. Auf einer Seite, von welcher Wilhelm den einsichtsvollsten Rath zu erwarten berechtigt war, glaubte man fest an die Aufrichtigkeit der Versicherungen Tyrconnel’s. Kein andrer britischer Staatsmann genoß damals in ganz Europa eines so hohen Rufes wie Sir Wilhelm Temple. Seine diplomatische Gewandtheit hatte zwanzig Jahre früher den Fortschritt der französischen Macht gehemmt. Er war ein treuer und nützlicher Freund der Vereinigten Provinzen und des Hauses Nassau gewesen, stand seit langer Zeit auf dem vertrautesten Freundschaftsfuße mit dem Prinzen von Oranien und hatte die Vermählung zu Stande gebracht, der England seine kürzliche Befreiung verdankte. Mit den Angelegenheiten Irland’s galt Temple für besonders vertraut. Seine Familie hatte dort ansehnliche Besitzungen, und er selbst hatte mehrere Jahre daselbst zugebracht; er hatte die Grafschaft Carlow im Parlament vertreten und ein großer Theil seiner Einkünfte floß ihm aus einem einträglichen irischen Amte zu. Die höchste Stufe der Macht, des Ranges und des Reichthums würden ihm erreichbar gewesen sein, wenn er eingewilligt hätte, seine Zurückgezogenheit aufzugeben und der neuen Regierung seine Unterstützung und das Gewicht seines Namens zu leihen. Aber Macht, Rang und Reichthum hatten für seinen epikuräischen Character bei weitem weniger Reiz als Behaglichkeit und Ruhe. Er wies die lockendsten Anträge zurück und beschäftigte sich nach wie vor in ländlicher Abgeschiedenheit mit seinen Büchern, Tulpen und Ananas. Nach einigem Zaudern willigte er indessen ein, seinen ältesten Sohn Johann in Wilhelm’s Dienste treten zu lassen. Während der Erledigung des Thrones war Johann Temple in wichtigen Geschäften verwendet worden und in Angelegenheiten, welche Irland betrafen, hatte seine Meinung, von der man füglich annehmen konnte, daß sie mit der seines Vaters übereinstimmte, großes Gewicht. Dieser junge Staatsmann schmeichelte sich, einen Agenten gefunden zu haben, der vortrefflich geeignet schien, die Unterhandlung mit Tyrconnel zu einem guten Ende zu führen.

Richard Hamilton wird auf Temple’s Wort nach Irland gesandt. Dieser Agent gehörte einer angesehenen Familie an, die von einem schottischen Adelsgeschlecht abstammte, aber schon seit langer Zeit in Irland ansässig war und sich zum römischkatholischen Glauben bekannte. Unter der heiteren Schaar, die sich während der unmittelbar auf die Restauration folgenden Jahre des zügellosen Jubilirens in Whitehall tummelte, hatten die Hamilton eine hervorragende Rolle gespielt. Die schönen langen Locken, die strahlende Jugendfrische und die schmachtenden blauen Augen der liebenswürdigen Elisabeth entzücken uns noch heute auf dem Bilde Lely’s. Sie hatte den Ruhm, keine geringe Eroberung zu machen. Ihrer üppigen Schönheit und ihrem schelmischen Geiste war es vorbehalten, den Widerwillen des kaltherzigen und spottsüchtigen Grammont gegen das unauflösliche Band zu besiegen. Einer ihrer Brüder, Anton, schrieb die Chronik jener glänzenden und leichtfertigen Gesellschaft, zu deren glänzendsten und leichtfertigsten Mitgliedern er gehört hatte. Er verdient das seltene Lob, als Nichtfranzos ein Werk geschrieben zu haben, das dem Geiste wie dem Style nach eines der vorzüglichsten französischen XII.20 Bücher genannt werden muß. Ein andrer Bruder, Namens Richard, hatte sich in fremden Diensten einige militärische Erfahrung erworben. Sein Geist und seine Artigkeit hatten ihn selbst in dem glänzenden Cirkel von Versailles ausgezeichnet. Man munkelte, daß er es gewagt habe, den Blick zu einer hochgestellten Dame, der natürlichen Tochter des großen Königs, der Gemahlin eines legitimen Prinzen des Hauses Bourbon zu erheben und daß es geschienen, als ob die Aufmerksamkeiten ihres vermessenen Anbeters ihr nicht mißfallen hätten.30 Der Verwegene war nachher in sein Vaterland zurückgekehrt, war zum Brigadegeneral in der irischen Armee ernannt und in dem irischen Geheimrath vereidigt worden. Als man die holländische Invasion erwartete, kam er mit den Truppen, welche Tyrconnel zur Verstärkung der königlichen Armee schickte, über den St. Georgskanal. Nach Jakob’s Flucht unterwarfen sich diese Truppen dem Prinzen von Oranien. Jetzt schloß Richard Hamilton nicht nur ebenfalls Frieden mit der herrschenden Gewalt, sondern sprach auch die zuversichtliche Überzeugung aus, daß, wenn man ihn nach Dublin senden wolle, er die daselbst angeknüpften Unterhandlungen glücklich würde zu Ende führen können. Sollte ihm dies nicht gelingen, so versprach er auf sein Ehrenwort, in drei Wochen nach London zurückzukehren. Man wußte, daß er in Irland großen Einfluß hatte, seine Ehrenhaftigkeit war nie angezweifelt worden und er genoß die hohe Achtung der Familie Temple. Johann Temple erklärte, daß er für Richard Hamilton stehen könne wie für sich selbst. Diese Bürgschaft wurde für genügend erachtet und Hamilton ging nach Irland ab, nachdem er seine englischen Freunde versichert hatte, daß er Tyrconnel bald zur Vernunft bringen werde. Die Anerbietungen, die er den Katholiken und dem Vicekönig persönlich zu machen autorisirt war, waren höchst liberal.31

30. Mémoires de Madame de la Fayette.

31. Burnet I. 808; Life of James, II. 320; Commons’ Journals, July 29. 1689.

Tyrconnel schickt Mountjoy und Rice nach Frankreich. Es ist nicht unmöglich, daß Hamilton sich wirklich vorgenommen hatte, sein Versprechen zu erfüllen. Bei seiner Ankunft in Dublin aber sah er wohl, daß er eine Aufgabe übernommen hatte, der er nicht gewachsen war. Tyrconnel’s Unschlüssigkeit, mochte sie nun wahr oder erheuchelt gewesen sein, war zu Ende. Er war zu der Überzeugung gelangt, daß ihm keine Wahl mehr blieb. Mit leichter Mühe hatte er die unwissenden und empfänglichen Irländer zur Wuth aufgestachelt. Zu beruhigen vermochte er sie nicht wieder. Es hatte sich das Gerücht verbreitet, der Vicekönig correspondire mit den Engländern, und dieses Gerücht hatte die Nation in Flammen gesetzt. Das gemeine Volk sagte: wenn er es wagen sollte, sie für Geld und Ehrenstellen zu verkaufen, würden sie das Schloß verbrennen und ihn darin, und würden sich unter Frankreichs Schutz stellen.32 Er sah sich genöthigt, die gleichviel ob wahre oder falsche Erklärung abzugeben, daß er nie daran gedacht, sich zu unterwerfen, und nur um Zeit zu gewinnen zum Schein Unterhandlungen angeknüpft habe. Ehe er sich jedoch offen gegen die englischen Ansiedler und gegen England selbst erklärte, was einen Krieg auf XII.21 Tod und Leben zur Folge haben mußte, wünschte er sich Mountjoy’s zu entledigen, der bislang der Sache Jakob’s treu gewesen war, der aber, wie man sehr gut wußte, niemals eingewilligt haben würde, an der Beraubung und Unterdrückung der Colonisten Theil zu nehmen. Heuchlerische Versicherungen von Freundschaft und friedlichen Absichten wurden nicht gespart. Es sei eine heilige Pflicht, sagte Tyrconnel, das drohende Unheil abzuwenden. König Jakob selbst würde, wenn er den ganzen Sachverhalt kannte, nicht wünschen, daß seine irischen Freunde sich in diesem Augenblicke in ein Unternehmen einließen, das für sie verderblich werden müsse und ihm nichts nützen könne. Er würde ihnen daher erlauben, ja ihnen sogar befehlen, sich der Nothwendigkeit zu unterwerfen und ihre Kräfte für bessere Zeiten aufzusparen. Wenn sich ein loyaler, geschickter und wohl unterrichteter Mann von Gewicht nach Saint-Germains begebe und Sr. Majestät den Stand der Dinge auseinandersetze, so würde der König leicht zu überzeugen sein. Wolle nicht Mountjoy diese so ehrenvolle und wichtige Mission übernehmen? Mountjoy zauderte und gab zu verstehen, daß man Jemanden schicken sollte, von dem sich mit größerer Wahrscheinlichkeit erwarten lasse, daß er dem Könige angenehm sein werde. Tyrconnel aber erklärte fluchend und tobend, daß Irland in den Abgrund der Hölle versinken würde, wenn man König Jakob nicht wohl beriethe, und er bestand darauf, daß Mountjoy als Repräsentant der loyalen Mitglieder der Staatskirche nach Saint-Germains gehen und daß der erste Baron der Schatzkammer, Rice, ein in der königlichen Gunst sehr hoch stehender Katholik, ihn begleiten solle. Mountjoy gab nach und die beiden Gesandten reisten zusammen, aber mit ganz verschiedenen Instructionen versehen, ab. Rice war beauftragt, Jakob zu sagen, daß Mountjoy im Herzen ein Verräther und nur deshalb nach Frankreich geschickt worden sei, damit den Protestanten Irland’s ein Lieblingsführer entzogen würde. Ferner sollte Rice den König versichern, daß er mit Ungeduld in Irland erwartet werde und daß er, wenn er sich daselbst mit einer französischen Heeresmacht zeigen wolle, seine gesunkene Größe bald wiederherstellen könne.33 Außerdem war der erste Baron noch mit anderen Instructionen versehen, die wahrscheinlich selbst vor dem Hofe von Saint-Germains geheimgehalten wurden. Für den Fall, daß Jakob nicht geneigt sein sollte, sich an die Spitze der eingebornen Bevölkerung Irland’s zu stellen, war Rice angewiesen, um eine Privataudienz bei Ludwig nachzusuchen und ihm den Vorschlag zu machen, Irland in eine französische Provinz zu verwandeln.34

32. Avaux an Ludwig, 25. März (4. April) 1689.

33. Clarke’s Life of James, II. 321. Mountjoy’s Circulardepesche vom 10. Jan. 1688/89; King IV. 8. In „Light to the Blind“ wird Tyrconnel’s „kluge Verstellung“ gerühmt.

34. Avaux an Ludwig, 13.(23.) April 1689.

Tyrconnel ruft das irische Volk zu den Waffen. Sobald die beiden Gesandten abgereist waren, begann Tyrconnel sich auf den unvermeidlich gewordenen Kampf vorzubereiten, und der treulose Hamilton unterstützte ihn dabei auf das Kräftigste. Die irische Nation wurde zu den Waffen gerufen und sie leistete dem Aufrufe mit merkwürdiger Bereitwilligkeit und Begeisterung Folge. In die Flagge, welche auf dem Schlosse von Dublin wehte, waren die Worte gestickt: „Now or never: now and XII.22 for ever,“ (jetzt oder nimmer: jetzt und für immer) und diese Worte fanden durch das ganze Land ein Echo.35 Nie hat Europa in der neueren Zeit eine solche Erhebung eines ganzen Volks gesehen. Die Gewohnheiten des celtischen Bauern waren von der Art, daß er kein Opfer brachte, wenn er sein Kartoffelfeld mit dem Lager vertauschte. Er liebte Aufregung und Abenteuer, und scheute die Arbeit viel mehr als Gefahren. Seine nationalen und religiösen Gefühle waren seit drei Jahren durch die beständige Anwendung von Reizmitteln aufgestachelt worden. Auf jeder Messe und jedem Jahrmarkte hatte er gehört, daß bald eine gute Zeit kommen werde, daß die Tyrannen, welche sächsisch sprächen und in Häusern mit Schieferdächern wohnten, vertrieben werden und daß das Land dann wieder seinen eigenen Kindern gehören würde. Um die Torffeuer von hunderttausend Hütten waren allnächtlich rohe Balladen gesungen worden, welche die Befreiung des unterdrückten Volks verkündeten. Die Priester, welche größtentheils den alten Familien angehörten, die die Ansiedelungsacte zu Grunde gerichtet hatte, welche aber von der eingebornen Bevölkerung noch immer verehrt wurden, hatten von tausend Altären herab jedem Katholiken ans Herz gelegt, seine Anhänglichkeit an die wahre Religion durch Anschaffung von Waffen für den Tag zu beweisen, an welchem es nöthig werden dürfte, zum Heile ihrer Sache das Glück der Schlachten zu versuchen. Die Armee, welche unter Ormond nur aus acht Regimentern bestanden hatte, wurde jetzt auf achtundvierzig Regimenter gebracht, und die Reihen waren bald übervoll. Es war unmöglich, in kurzer Zeit nur ein Zehntel der benöthigten Anzahl guter Offiziere zu finden. Patente wurden mit verschwenderischer Freigebigkeit müßigen Aufliegern verliehen, welche Anspruch darauf machten, von guten irischen Familien abzustammen. Doch selbst auf diese Weise konnte der Bedarf an Hauptleuten und Leutnants nicht beschafft werden und viele Compagnien wurden von Schuhflickern, Schneidern und Lakaien befehligt.36

35. Gedruckter Brief aus Dublin vom 25. Febr. 1689: Mephibosheth and Ziba, 1689.

36. Die Verwandschaft der Priester mit den alten irischen Familien ist in Petty’s Political Anatomy of Ireland erwähnt. Siehe auch: Short View by a Clergyman lately escaped, 1689; Ireland’s Lamentation, by an English Protestant that lately narrowly escaped with life from thence, 1689; A True Account of the State of Ireland, by a person who with great difficulty left Dublin, 1689; King II. 7. Avaux bestätigt Alles was diese Schriftsteller über die irischen Offiziere sagen.

Verwüstung des Landes. Die Löhnung der Soldaten war sehr gering. Der Gemeine hatte nur drei Pence den Tag. Davon bekam er nie mehr als die Hälfte baar ausgezahlt, und selbst diese Hälfte war oft in Rückstand. Aber ein viel verlockenderer Köter als dieser karge Lohn war die Aussicht auf unbegrenzte Zügellosigkeit. Wenn die Regierung ihm weniger gab als für seine Lebensbedürfnisse ausreichte, so nahm sie es dagegen nicht zu genau mit den Mitteln, durch welche er dem Mangel abzuhelfen suchte. Obwohl vier Fünftel der Bevölkerung Irland’s Celten und Katholiken waren, so kamen doch vier Fünftel des irischen Eigenthums auf die protestantischen Engländer. Die Kornspeicher, die Keller, und vor Allem die Viehheerden der Minderheit wurden der Mehrheit preisgegeben. Denn die Bewaffnung war jetzt allgemein. Niemand wagte XII.23 es mehr, ohne eine Waffe, sei es eine Pike, ein langes Messer, skean genannt, oder wenigstens einen zugespitzten und im Feuer gehärteten Eschenholzstock, in der Messe zu erscheinen. Selbst die Frauen wurden von ihren Seelsorgern ermahnt, Skeans bei sich zu führen. Alle Schmiede, Zimmerleute und Schwertfeger waren fortwährend mit der Anfertigung von Gewehren und Klingen beschäftigt. Es war kaum möglich ein Pferd beschlagen zu lassen. Weigerte sich ein protestantischer Handwerker, an der Verfertigung von Kriegsgeräth Theil zu nehmen, das gegen seine Nation und Religion gebraucht werden sollte, so wurde er ins Gefängniß geworfen. Es läßt sich mit Wahrscheinlichkeit annehmen, daß Ende Februar mindestens hunderttausend Irländer unter den Waffen standen. Nahe an funfzigtausend davon waren Soldaten; die übrigen waren Banditen; deren Gewaltthätigkeit und Zügellosigkeit die Regierung zum Schein mißbilligte, sich aber nicht bemühte, denselben Einhalt zu thun. Die Protestanten wurden nicht allein nicht beschützt, sondern sie durften sich nicht einmal selbst schützen. Es war beschlossen, daß sie inmitten einer bewaffneten und feindseligen Bevölkerung unbewaffnet bleiben sollten. Ein Tag wurde festgesetzt, an welchem sie alle ihre Schwerter und Feuergewehre in die Pfarrkirchen bringen sollten, und zu gleicher Zeit angekündigt, daß jedes protestantische Haus, in welchem nach diesem Tage eine Waffe gefunden würde, der Plünderung durch die Soldaten preisgegeben werden sollte. Man beklagte sich bitter über diese Maßregel, da der erste beste Schurke, der eine Lanzenspitze oder ein altes Pulverfaß in einem Winkel eines Hauses verberge, vollständigen Ruin über den Eigenthümer desselben bringen könne.37

Der Oberrichter Keating, selbst Protestant und fast der einzige Protestant, der noch ein hohes Amt in Irland bekleidete, stritt muthig für die Sache der Gerechtigkeit und Ordnung wider die vereinte Macht der Regierung und des Pöbels. Bei den Frühjahrsassisen zu Wicklow schilderte er vom Richterstuhle herab in energischen Ausdrücken die traurige Lage des Landes. Ganze Grafschaften, sagte er, würden durch ein Gesindel verwüstet, das den Geiern und Raben gleiche, welche dem Marsche einer Armee folgen. Die meisten dieser Elenden seien gar keine Soldaten und handelten unter keiner dem Gesetze bekannten Autorität. Dennoch sei es nur zu offenbar, daß sie durch einige hohe Befehlshaber ermuthigt und protegirt würden. Wie könne sonst in geringer Entfernung von der Hauptstadt ein offner Markt für geraubtes Gut gehalten werden? Die Geschichten, welche Reisende von den Hottentotten am Kap der guten Hoffnung erzählten, sehe man in Leinster verwirklicht. Nichts sei gewöhnlicher, als daß ein rechtlicher Mann sich des Abends reich XII.24 an Schaf- und Rinderheerden, die er durch den Fleiß und die Thätigkeit eines langen Lebens erworben, niederlege und am andren Morgen als Bettler erwache. Keating bemühte sich indessen mit nur geringem Erfolge, inmitten jener entsetzlichen Anarchie das Ansehen des Gesetzes aufrecht zu erhalten. Priester und Heerführer traten auf, um den Oberrichter einzuschüchtern und die Räuber in Schutz zu nehmen. Ein solcher Schurke kam straflos davon, weil kein Kläger gegen ihn aufzutreten wagte. Ein Andrer erklärte, daß er sich auf den Befehl seines Seelsorgers und nach dem Beispiele vieler höher stehender Leute, die er hier im Gerichtssaal sehe, bewaffnet habe. Nur zwei von den Merry Boys (lustigen Burschen), wie man sie nannte, wurden überführt; die schlimmsten Verbrecher kamen ohne Strafe davon, und der Oberrichter sagte entrüstet zu den Geschwornen, daß die Schuld an dem Ruin des Landes vor ihrer Thür liege.38

Wenn solche Gesetzlosigkeit in Wicklow herrschte, so kann man sich leicht vorstellen, wie es in uncultivirteren und vom Sitze der Regierung weiter entfernten Districten zugegangen sein muß. Keating war der einzige richterliche Beamte, der sich kräftig bemühte, dem Gesetze Ansehen zu verschaffen. In der That, der Oberrichter des höchsten Criminalgerichtshofes im Königreiche, Nugent, erklärte auf der Richterbank zu Cork, daß ohne Gewaltthätigkeit und Beraubung die Absichten der Regierung nicht durchgeführt werden könnten, und daß unter solchen Umständen Räubereien als ein nothwendiges Übel geduldet werden müßten.39

Die Zerstörung von Eigenthum, welche binnen wenigen Wochen stattfand, wäre unglaublich, würde sie nicht durch einander fern stehende und ganz verschiedenen Interessen ergebene Zeugen bestätigt. Die Schilderungen von Protestanten, welche während jener Schreckensherrschaft mit Lebensgefahr nach England entkamen, und die von Gesandten, Commissarien und Heerführern Ludwig’s stimmen genau, mitunter sogar wörtlich überein. Alle erklärten einstimmig, daß es vieler Jahre bedürfen werde, um die Verwüstungen wieder gut zu machen, welche das bewaffnete Landvolk in einigen Wochen angerichtet habe.40 Mehrere von der sächsischen Aristokratie besaßen glänzend möblirte Schlösser mit Schränken, die von Silbergeschirr strotzten. All’ dieser Reichthum verschwand. In einem Hause, welches für dreitausend Pfund Sterling Silberzeug enthalten hatte, blieb nicht ein einziger Löffel.41 Der Hauptreichthum Irland’s aber bestand in Vieh. Zahllose Schaf- und Rinderheerden bedeckten diesen ungeheuren, durch die Feuchtigkeit des Atlantischen Oceans befruchteten Wiesenteppich. Mehr als ein Gentleman besaß zwanzigtausend Stück Schafe und viertausend Rinder. Die Freibeuter, welche jetzt das Land überzogen, gehörten einer Klasse an, welche gewohnt war, von Kartoffeln und saurer Milch zu leben, und die das Fleisch jederzeit als einen nur den Reichen zu Gebote stehenden Luxus betrachtet hatten. Diese Leute schwelgten anfangs im Genusse von Rind- und Hammelfleisch, wie die rohen Horden, die sich XII.25 vor Alters aus den Wäldern des Nordens über Italien ergossen, im Genusse der kostbarsten Weine schwelgten. Die Protestanten schilderten mit Abscheu und Ekel die unglaubliche Gefräßigkeit ihrer befreiten Sklaven. Die geschlachteten Thiere wurden halb roh und halb zu Kohle verbrannt, bald noch blutend, bald schon im Zustande der Verwesung, in Stücke zerrissen und ohne Salz, Brot oder Gemüse verschlungen. Diejenigen, welche gekochtes Fleisch vorzogen, machten, da es ihnen oft an Kesseln fehlte, mit gutem Erfolge den Versuch, einen ganzen Ochsen in seiner eignen Haut zu kochen. Es existirt noch eine alberne Tragikomödie, welche in diesem und dem darauffolgenden Jahre auf einem kleinen Theater zum Ergötzen des englischen Pöbels aufgeführt wurde. Ein Haufen halbnackter Wilder erschien, ein celtisches Lied brüllend und um einen Ochsen herumtanzend, auf der Bühne. Hierauf begannen sie von dem lebenden Thiere Stücke loszuschneiden und das blutende Fleisch auf die Kohlen zu werfen. Die Barbarei und Scheußlichkeit der Freßgelage der „Rapparees“ war in der That so arg, daß die Dramatiker in Grub Street sie kaum zu karrikiren vermochten. Mit dem Eintritt der Fastenzeit hörten die Plünderer im Allgemeinen auf zu schwelgen, aber sie fuhren fort zu zerstören. Ein Bauer war im Stande eine Kuh zu tödten, bloß um ein Paar Schuhe zu bekommen. Oft wurde eine ganze Heerde Schafe oder fünfzig bis sechzig Stück Rinder geschlachtet, die Thiere abgezogen, die Vließe und Häute mitgenommen und die Cadaver liegen gelassen, um die Luft zu verpesten. Der französische Gesandte berichtete seinem Gebieter, daß in Zeit von sechs Wochen funfzigtausend Stück Hornvieh auf diese Art getödtet worden seien und nun im ganzen Lande unter freiem Himmel verfaulten. Die Zahl der in dem nämlichen Zeitraum geschlachteten Schafe soll sich auf drei- bis viermalhunderttausend Stück belaufen haben.42

Jede Schätzung, die man jetzt von dem Werthe des Eigenthums machen kann, das während jenes furchtbaren Racenkampfes zerstört wurde, muß nothwendig sehr ungenau sein. Indessen fehlt es uns nicht gänzlich an Material zu einer solchen Schätzung. Die Quäker waren weder eine sehr zahlreiche noch eine sehr wohlhabende Klasse. Wir dürfen schwerlich XII.26 annehmen, daß sie mehr als ein Fünfzigstel der protestantischen Bevölkerung Irland’s bildeten oder daß sie mehr als ein Fünfzigstel des protestantischen Vermögens in Irland besaßen. Überdies wurden sie unzweifelhaft schonender behandelt als irgend eine andre protestantische Secte. Jakob war stets für sie eingenommen gewesen, sie gestehen selbst, daß Tyrconnel sein Möglichstes that, um sie zu schützen, und sie scheinen selbst vor den Augen der Rapparees Gnade gefunden zu haben.43 Und doch schlugen die Quäker ihre pekuniären Verluste auf hunderttausend Pfund Sterling an.44

37. Im französischen Kriegsministerium befindet sich ein Bericht über den Zustand Irland’s im Februar 1689. In diesem Bericht heißt es, daß die Zahl der als Soldaten eingereihten Irländer fünfundvierzigtausend betrage, daß sie aber auf hunderttausend gestiegen sein würde, wenn Alle die sich freiwillig stellten, angenommen worden wären. Siehe auch: The Sad and Lamentable Condition of the Protestants in Ireland, 1689; Hamilton’s True Relation, 1690; The State of Papist and Protestant Properties in the Kingdom of Ireland, 1689; A true Representation to the King and People of England how Matters were carried on all along in Ireland, licensed Aug. 16. 1689; Letter from Dublin, 1689; Ireland’s Lamentation, 1689; Compleat History of the Life and Military Actions of Richard, Earl of Tyrconnel, Generalissimo of all the Irish forces now in arms, 1689.

38. Siehe die Verhandlungen in den State Trials.

39. King, III. 10.

40. Zehn Jahre, sagt der französische Gesandte; zwanzig Jahre, sagt ein protestantischer Flüchtling.

41. Animadversions an the proposal for sending back the nobility and gentry of Ireland, 1689/90.

42. King, III. 10; The Sad Estate and Condition of Ireland, as represented in a Letter from a Worthy Person who was in Dublin on Friday last, March 4. 1689; Short View by a Clergyman, 1689; Lamentation of Ireland, 1689; Compleat History of the Life and Actions of Richard, Earl of Tyrconnel, 1689; The Royal Voyage, aufgeführt 1689 und 1690. Dieses Stück, das, wenn ich nicht irre, in der Bartholomäusmesse gegeben wurde, ist eines der interessantesten von einer interessanten Gattung von Compositionen, welche zwar jedes literarischen Werthes ermangeln, aber deshalb von Bedeutung sind, weil sie zeigen, was damals die erfolgreichste Lockspeise für ein aus gemeinem Volke bestehendes Publikum war. „Der Zweck dieses Schauspiels,“ sagt der Verfasser in seiner Vorrede, „ist namentlich der, den perfiden, gemeinen, feigen und blutdürstigen Character der Irländer vor Augen zu führen.“ Was die flüchtigen Protestanten von der muthwilligen Vernichtung des Viehes erzählen, wird von Avaux in einem vom 13.(23.) April 1689 datirten Briefe an Ludwig, und von Desgrigny in einem vom 17.(27.) Mai 1690 datirten Schreiben an Louvois bestätigt. Die meisten Depeschen, welche Avaux während seines Aufenthalts in Irland schrieb, sind in einem Werke enthalten, das vor einigen Jahren im englischen auswärtigen Amte in wenigen Exemplaren gedruckt wurde. Viele habe ich auch im französischen Ministerium des Auswärtigen abgeschrieben. Die Briefe von Desgrigny, der im Commissariat angestellt war, fand ich in der Bibliothek des französischen Kriegsministeriums. Ich kann die Bereitwilligkeit und Zuvorkommenheit, mit der mir die reichen und vortrefflich geordneten Schätze interessanter Belehrung in Paris geöffnet wurden, nicht genug rühmen.

43. „Eine eigenthümliche Erscheinung, welche nie vergessen werden darf, war, daß Diejenigen, welche damals (zu Ende des Jahres 1688) an der Spitze der Regierung standen, uns zu begünstigen und sich unsre Freundschaft bewahren zu wollen schienen.“ History of the Rise and Progress of the People called Quakers in Ireland, by Wight and Rutty, Dublin 1751. King wirft in der That (III. 17.) den Quäkern vor, daß sie Verbündete und Werkzeuge der Papisten gewesen seien.

44. Wight and Rutty.

Die Protestanten in Süden unfähig Widerstand zu leisten. In Leinster, Munster und Connaught war es den englischen Ansiedlern ihrer geringen und zersplitterten Anzahl wegen rein unmöglich, dem furchtbaren Andrange der eingebornen Bevölkerung einen erfolgreichen Widerstand entgegenzusetzen. Charleville, Mallow und Sligo fielen in die Gewalt der Eingebornen. Bandon, wo die Protestanten eine ansehnlichere Streitmacht zusammengezogen hatten, wurde durch den Generalleutnant Macarthy, einen Officier, der aus einer der vornehmsten celtischen Familien abstammte und unter einem angenommenen Namen lange in der französischen Armee gedient hatte, zur Übergabe gezwungen.45 Die Bewohner von Kenmare hielten sich in ihrer kleinen Festung, bis sie von dreitausend regulären Soldaten angegriffen wurden und bis sie erfuhren, daß mehrere Kanonen herbeigeschafft würden, um den Erdwall zu zerstören, der das Haus des Agenten umgab. Da endlich wurde eine Capitulation abgeschlossen, und den Colonisten gestattet, sich auf einem mit Lebensmitteln und Wasser spärlich versehenen kleinen Fahrzeuge einzuschiffen. Sie hatten keinen erfahrenen Schiffer an Bord; doch nach einer vierzehntägigen Seereise, während der sie wie die Neger auf einem Sklavenschiffe zusammengepfercht waren und vor Hunger und Durst fast umkamen, erreichten sie wohlbehalten den Hafen von Bristol.46 Wenn solcher Art das Schicksal der Städte war, so lag es auf der Hand, daß die Landsitze, welche die protestantischen Gutsbesitzer unlängst in den drei südlichen Provinzen befestigt hatten, sich nicht länger zu halten vermochten. Viele Familien unterwarfen sich, lieferten ihre Waffen ab und schätzten sich glücklich, daß sie mit dem Leben davon kamen. Viele beherzte und tapfere Gentlemen und Freisassen aber waren entschlossen lieber umzukommen, als sich zu ergeben. Sie packten das leicht transportable werthvolle Eigenthum zusammen, verbrannten das was sie nicht mitnehmen konnten und brachen wohl bewaffnet und beritten nach den Orten in Ulster auf, welche die Besten ihres Stammes und ihres Glaubens waren. Die Elite der protestantischen Bevölkerung von Munster und Connaught fand in Enniskillen XII.27 ein Asyl. Die Tapferen und Entschlossenen von Leinster schlugen den Weg nach Londonderry ein.47

45. Life of James, II. 327. Orig. Mem. Macarthy und sein fingirter Name werden mehrere Male von Dongeau erwähnt.

46. Exact Relation of the Persecutions, Robberies and Losses sustained by the Protestants of Killmare in Ireland, 1689.

47. A true Representation to the King and People of England how Matters were carried on all along in Ireland by the late King James, licensed Aug. 16. 1689; A True Account of the Present State of Ireland by a Person that with Great Difficulty left Dublin, licensed June 8. 1689.

Enniskillen und Londonderry halten sich. Der Muth Enniskillen’s und Londonderry’s stieg angesichts der Gefahr immer höher und höher. An beiden Orten wurden die Nachrichten von dem was die Convention zu Westminster gethan, mit unbeschreiblicher Freude aufgenommen. Wilhelm und Marie wurden in Enniskillen mit einmüthigem Enthusiasmus und mit demjenigen Pomp proklamirt, den die kleine Stadt erschwingen konnte.48 Lundy, der in Londonderry commandirte, durfte es nicht wagen, der allgemeinen Gesinnung der Bürger und seiner eigenen Soldaten entgegenzutreten. Er kündigte daher seinen Beitritt zu der neuen Regierung an und unterschrieb eine Erklärung, durch die er sich verpflichtete, treu zu dieser Regierung zu stehen, widrigenfalls er als ein Feigling und Verräther betrachtet sein wollte. Ein Schiff aus England brachte bald ein Patent von Wilhelm und Marien, das ihn in seinem Posten bestätigte.49

48. Hamilton’s Actions of the Inniskilling Men, 1689.

49. Walker’s Account, 1689.

Richard Hamilton marschirt mit einer Armee nach Ulster. Die Protestanten von Ulster zur Unterwerfung zu zwingen, bevor Unterstützung aus England eintreffen konnte, war jetzt Tyrconnel’s Hauptzweck. Eine starke Truppenmacht wurde unter dem Commando Richard Hamilton’s nach dem Norden dirigirt. Dieser Mann hatte alle Verpflichtungen, welche einem Gentleman und Soldaten am heiligsten sind, mit Füßen getreten, war gegen seine Freunde, die Temple, meineidig geworden, hatte sein militärisches Ehrenwort gebrochen, und schämte sich jetzt nicht als General gegen eine Regierung ins Feld zu ziehen, der er sich als Gefangener zu stellen verpflichtet war. Sein Marsch hinterließ in dem Aussehen des Landes Spuren, welche auch dem sorglosesten Auge viele Jahre hindurch nicht unbemerkt bleiben konnten. Seine Armee war von einem Gesindel begleitet, das Keating sehr richtig mit den unsauberen Raubvögeln verglichen hatte, die sich jederzeit da sammeln, wo es stark nach Aas riecht. Der General erklärte, daß es sein aufrichtiger Wille sei, alle Protestanten, welche ruhig zu Hause blieben, vor Verderben und Gewaltthätigkeiten zu behüten, und gewährte ihnen mit größter Bereitwilligkeit von ihm eigenhändig unterschriebene Schutzbriefe. Aber diese Schutzbriefe erwiesen sich als nutzlos und er mußte eingestehen, daß er zwar seine Soldaten im Zaume halten könne, aber unter dem Pöbeltroß, der seiner Armee folgte, keine Ordnung zu halten vermöge. Das Land hinter ihm war eine Wüste, und bald war auch das Land vor ihm in gleichem Maße verödet. Denn bei der Nachricht von seiner Annäherung verbrannten die Colonisten ihre bewegliche Habe, rissen ihre Häuser nieder und zogen sich nach dem Norden zurück. Einige von ihnen versuchten es, bei Dromore Stand zu halten, aber sie wurden durchbrochen und auseinandergesprengt. Nun wurde die Flucht wild und tumultuarisch. Die Fliehenden brachen die Brücken ab und verbrannten die Fähren. Ganze XII.28 Städte, die Sitze der protestantischen Bevölkerung, wurden zerstört, und kein einziger Bewohner blieb darin. Die Einwohner von Omagh zerstörten ihre Häuser so vollständig, daß kein Dach übrig blieb, das den Feind gegen Wind und Regen hätte schützen können. Die Bewohner von Cavan zogen sämmtlich nach Enniskillen. Es war ein regnerischer, stürmischer Tag und die Wege waren grundlos. Einen herzerschütternden Anblick gewährten die weinenden und ausgehungerten Frauen und Kinder, welche mitten unter den bewaffneten Männern bis an die Knie im Kothe waten mußten. Ganz Lisburn floh nach Antrim, und als der Feind heranrückte, strömte ganz Lisburn und Antrim zusammen nach Londonderry. Dreißigtausend Protestanten beider Geschlechter und jeden Alters waren hinter den Bollwerken der Zufluchtsstadt zusammengedrängt. Hier endlich, am Rande des Oceans, bis in das letzte Asyl gehetzt und zu einer Verzweiflung aufgestachelt, in der der Mensch sich umbringen läßt, sich aber so leicht nicht unterwirft, machte die herrschende Race Front, um dem andringenden Feinde die Spitze zu bieten.50

50. Mackenzie’s Narrative; Mac Cormick’s Further Impartial Account; Story’s Impartial History of the Affairs of Ireland, 1691; Apology for the Protestants of Ireland; Brief von Dublin vom 25. Febr. 1689; Avaux an Ludwig von 15.(25.) April 1689.

Jakob entschließt sich nach Irland zu gehen. Inzwischen waren Mountjoy und Rice in Frankreich angelangt. Mountjoy wurde sogleich festgenommen und in die Bastille geworfen. Jakob beschloß, der von Rice überbrachten Einladung nachzukommen, und bat Ludwig um ein französisches Hülfsheer. Dieser aber, obwohl er in allen Dingen, welche die persönliche Würde und Bequemlichkeit seiner königlichen Gäste betrafen, eine fast romantische Aufmerksamkeit und eine an Verschwendung grenzende Freigebigkeit bewies, hatte keine Lust, ein starkes Truppencorps nach Irland zu schicken. Er sah, daß Frankreich auf dem Continent einen langwierigen Krieg gegen eine mächtige Coalition zu bestehen haben werde, der ungeheure Ausgaben verursachen mußte, und so groß auch die Hülfsquellen des Landes waren, sah er doch ein, wie wichtig es war, nichts zu vergeuden. Er betrachtete die unglücklichen Verbannten, denen er eine so fürstliche Aufnahme hatte zu Theil werden lassen, mit aufrichtigem Mitleid und gutem Willen; doch bei allem Mitleid und gutem Willen konnte es seinem Scharfblicke nicht lange verborgen bleiben, daß sein Bruder von England der einfältigste und verderbteste Mensch von der Welt war. Jakob’s Thorheit, seine Unfähigkeit, die Charactere der Menschen und die Zeichen der Zeit zu erkennen, sein Starrsinn, der sich gerade in solchen Fällen, wo die Klugheit zum Nachgeben rieth, am unbeugsamsten zeigte, und sein Schwanken, das immer am kläglichsten bei solchen Gelegenheiten hervortrat, welche Festigkeit erheischten, hatten seine Vertreibung aus England zur Folge gehabt und konnten auch über Frankreich großes Unheil bringen, wenn man seine Rathschläge blindlings befolgte. Als ein von Rebellen vertriebener legitimer Souverain, als ein von Ketzern verfolgter Bekenner des wahren Glaubens und als ein naher Verwandter des Hauses Bourbon, der um einen Platz am Herde dieses Hauses gebeten, hatte er Anspruch auf Gastfreundschaft, liebevolle Behandlung und Achtung. Es gehörte sich, daß ihm ein stattlicher Palast und ein großer Forst angewiesen XII.29 wurde, daß die Haustruppen ihm die höchsten militärischen Ehren bezeigten und daß alle Hunde des Großjägermeisters und alle Falken des Großfalconiers zu seiner Verfügung standen. Wenn aber ein Fürst, der, an der Spitze einer großen Flotte und eines großen Landheeres, ein Reich verloren hatte, ohne einen Schlag zu thun, Pläne zu See- und Landfeldzügen vorschlug, wenn ein Fürst, der durch seine völlige Unkenntniß des Characters seiner eigenen Landsleute, seiner eigenen Soldaten, seiner eigenen Diener und seiner eigenen Kinder zu Grunde gegangen war, sich beikommen ließ, für den Eifer und die Treue des irischen Volks stehen zu wollen, dessen Sprache er nicht verstand und dessen Land er noch nie betreten, so mußten seine Vorschläge nothwendig mit Vorsicht aufgenommen werden. Dies waren die Ansichten Ludwig’s und er wurde darin durch seinen Kriegsminister Louvois bestärkt, der aus privaten wie aus öffentlichen Gründen nicht wünschte, daß Jakob von einer starken Truppenmacht begleitet werde. Louvois haßte Lauzun und Lauzun war ein Günstling in Saint-Germain. Er trug den Hosenbandorden, ein Ehrenzeichen, das sehr selten Fremden, welche nicht souveraine Fürsten waren, verliehen worden ist. Man glaubte sogar am französischen Hofe, daß er, um ihn vor den anderen Rittern des höchsten aller europäischen Orden auszuzeichnen, mit dem nämlichen Georg decorirt worden sei, den Karl I. auf dem Schaffot den Händen Juxon’s übergeben hatte.51 Es war ihm außerdem Hoffnung gemacht worden, daß er, wenn französische Truppen nach Irland geschickt wurden, dieselben commandiren solle, und diese ehrgeizige Hoffnung wollte Louvois vereiteln.52

51. Mémoires de Madame de la Fayette; Frau von Sévigné an Frau von Grignan vom 28. Febr. 1689.

52. Burnet II. 17; Clarke’s Life of James, II. 320—322.

Unterstützung, welche Jakob von Ludwig gewährt wird. Eine Armee wurde daher vor der Hand verweigert, sonst aber Alles bewilligt. Die in Brest liegende Flotte erhielt Befehl sich zum Absegeln bereit zu machen, Waffen für zehntausend Mann und große Massen von Munition wurden an Bord geschafft. Etwa vierhundert Kapitäns, Leutnants, Cadetten und Kanoniere wurden für den wichtigen Dienst, die neuauszuhebenden irischen Truppen zu organisiren und einzuüben, ausgewählt. Den Oberbefehl erhielt ein alter Kriegsveteran, der Graf von Rosen. Unter ihm standen Maumont mit dem Range eines Generalleutnants, und ein Brigadier Namens Pusignan. Eine halbe Million Kronen in Gold, eine Summe die ungefähr hundertzwölftausend Pfund Sterling entsprach, wurde nach Brest gesandt.53 Für Jakob’s persönliche Bequemlichkeit war mit einer Ängstlichkeit gesorgt, welche der einer liebenden Mutter glich, die ihren Sohn zu seinem ersten Feldzuge ausstattet. Das Ameublement für die Kajüte, das Lagergeräth, die Zelte, die Betten und das Tafelgeschirr, Alles war luxuriös und kostbar. Nichts was dem Verbannten angenehm oder nützlich sein konnte, war zu kostspielig für die Freigebigkeit oder zu geringfügig für die Aufmerksamkeit seines artigen und splendiden Wirthes. Am 15. Februar machte Jakob seinen Abschiedsbesuch in Versailles. Er wurde mit allen Beweisen von Achtung und Zuvorkommenheit in den Gebäuden und Anlagen herumgeführt. Die XII.30 Wasserwerke waren ihm zu Ehren im Gange. Es war gerade die Carnevalszeit, und nie hatten der große Palast und die prächtigen Gärten einen heiterern Anblick gewährt. Am Abend erschienen die beiden Könige nach einer langen und ernsten Privatconferenz in einem glänzenden Cirkel von Herren und Damen. „Ich hoffe,“ sagte Ludwig in seiner edelsten und liebenswürdigsten Weise, „daß wir scheiden, um uns in diesem Leben nie wieder zu begegnen. Dies ist der beste Wunsch, den ich für Sie hegen kann. Sollte jedoch ein böses Geschick Sie zur Rückkehr zwingen, so sein Sie versichert, daß Sie mich bis zum letzten Augenblicke so finden werden, wie Sie mich bisher gefunden haben.“ Am 17. stattete Ludwig in Saint-Germains seinen Gegenbesuch ab. Im Augenblicke der letzten Umarmung sagte er mit seinem freundlichsten Lächeln: „Wir haben noch etwas vergessen: einen Brustharnisch für Sie. Sie sollen den meinigen haben.“ Der Brustharnisch wurde herbeigebracht und gab den Schöngeistern des Hofes Gelegenheit zu geistreichen Anspielungen auf die von Vulcan verfertigte Rüstung, welche einst Achilles seinem schwächeren Freunde lieh. Jakob reiste nach Brest ab und seine durch Krankheit und Kummer niedergedrückte Gemahlin schloß sich mit ihrem Kinde ein um zu weinen und zu beten.54

Mehrere von Jakob’s eigenen Unterthanen begleiteten ihn oder folgten ihm schleunigst nach; die Vornehmsten darunter waren sein Sohn Berwick, Cartwright, Bischof von Chester, Powis, Dower und Melfort. Keiner von dem ganzen Gefolge war dem großbritannischen Volke so verhaßt als Melfort. Er war ein Apostat, Viele hielten ihn für einen nicht aufrichtigen Apostaten, und die anmaßende, willkürliche und drohende Sprache seiner Staatsschriften war selbst den Jakobiten zuwider. Daher war er ein Liebling seines Gebieters, denn in Jakob’s Augen waren Unpopularität, Starrsinn und Unversöhnlichkeit die gewichtigsten Empfehlungen für einen Staatsmann.

53. Maumont’s Instructionen.

54. Dangeau vom 15.(25.) und 17.(27.) Febr. 1689; Frau von Sévigné vom 18.(28.) Febr. und 10. Febr. (2. März); Mémoires de Madame de la Fayette.

Wahl eines französischen Gesandten zum Begleiter Jakob’s. Welcher Franzos den König von England in der Eigenschaft eines Gesandten begleiten sollte, war ein Gegenstand ernster Berathung zu Versailles gewesen. Barillon konnte ohne auffallende Geringschätzung nicht übergangen werden. Aber seine Lässigkeit, sein Mangel an Energie und vor Allem die Leichtgläubigkeit, mit der er auf Sunderland’s Versicherungen gehört, hatten auf Ludwig einen ungünstigen Eindruck gemacht. Was in Irland zu thun war, war keine Arbeit für einen Tändler oder Gimpel. Der Geschäftsträger Frankreich’s in diesem Lande mußte mehr als den gewöhnlichen Functionen eines Gesandten gewachsen sein. Er war berechtigt und verpflichtet, in allen Zweigen der politischen und militärischen Verwaltung des Reichs, in welchem er den mächtigsten und freigebigsten Bundesgenossen vertreten sollte, gute Rathschläge zu geben. Barillon wurde daher übergangen. Er stellte sich als ob er seine Ungnade mit Fassung ertrüge. Wenn auch seine politische Laufbahn große Calamitäten über das Haus Stuart wie über das Haus Bourbon gebracht hatte, so war sie doch keineswegs ohne Gewinn für ihn selbst gewesen. Er sagte er sei alt und korpulent, er beneide jüngere Männer nicht um XII.31 die Ehre, in den irischen Sümpfen von Kartoffeln und Whiskey zu leben, er wolle es versuchen, sich mit Rebhühnern, mit Champagner und mit der Gesellschaft der geistreichsten Männer und hübschesten Frauen von Paris zu trösten. Man sprach jedoch davon, daß er von sehr peinlichen Gefühlen gequält werde, die er zu verbergen sich bestrebte; seine Gesundheit und sein Frohsinn nahmen mehr und mehr ab und er versuchte es nun, in religiösen Übungen Trost zu finden. Manche Leute waren sehr erbaut durch die Frömmigkeit des alten Wüstlings; Andere aber schrieben seinen Tod, der bald nach seinem Rücktritt aus dem öffentlichen Leben erfolgte, der Scham und dem Ärger zu.55

55. Memoiren La Fare’s und Saint-Simon’s; Note von Renaudot über die englischen Angelegenheiten, 1697, in den französischen Archiven, Frau von Sévigné vom 20. Febr. (2. März) und vom 11.(21.) März 1689; Brief von Frau von Coulanges an Herrn von Coulanges vom 23. Juli 1691.

Der Graf von Avaux. Der Graf von Avaux, dessen Scharfblick alle Pläne Wilhelm’s durchschaut und der vergebens zu einer Politik gerathen hatte, die jene Pläne wahrscheinlich vereitelt haben würde, war der Mann, auf den Ludwig’s Wahl fiel. In Bezug auf Talent und Befähigung wurde Avaux von keinem der vielen geschickten Diplomaten, welche sein Vaterland damals besaß, übertroffen. Sein Benehmen war ungemein anziehend, seine persönliche Erscheinung angenehm und sein Gemüth sanft und liebreich. Seine Manieren und seine Conversation waren die eines Cavaliers, der an dem elegantesten und prächtigsten aller Höfe erzogen worden, der diesen Hof sowohl in katholischen wie in protestantischen Ländern vertreten und der auf seinen Wanderungen die Kunst erlernt hatte, den Ton jeder Gesellschaft zu treffen, in welche der Zufall ihn führen mochte. Dabei war er höchst umsichtig und gewandt, fruchtbar an Auskunftsmitteln und geschickt in Entdeckung der schwachen Seiten eines Characters. Indessen war sein eigner Character nicht frei von Schwächen. Der Gedanke von plebejischer Herkunft zu sein, war die Qual seines Lebens. Er schmachtete nach dem Adel mit einer eben so bedauernswerthen als lächerlichen Sehnsucht. Bei aller seiner Geschicklichkeit, Erfahrung und ausgezeichneten Bildung stieg er doch zuweilen unter dem Einflusse seines geheimen Grames auf das Niveau von Molière’s Jourdain herab und ergötzte boshafte Beobachter durch Scenen, welche eben so komisch waren wie die, in der der ehrliche Tuchhändler zum Mamamuschi gemacht wird.56 Es möchte noch sein, wenn dies das Schlimmste gewesen wäre. Aber es ist nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß Avaux von dem Unterschiede zwischen Recht und Unrecht so wenig einen Begriff hatte wie ein unvernünftiges Thier. Ein Gefühl vertrat bei ihm die Stelle der Religion und Moral: eine abergläubische und unduldsame Ergebenheit für die Krone, der er diente. Dieses Gefühl durchdringt alle seine Depeschen und leuchtet aus allen seinen Gedanken und Worten hervor. Nichts was dem Interesse der französischen Monarchie förderlich sein konnte, schien ihm ein Verbrechen. Er hielt es in der That für ausgemacht, daß nicht nur die Franzosen, sondern alle Menschen dem Hause Bourbon eine natürliche Unterthanentreue schuldeten und daß Jeder, der Anstand nehme, XII.32 das Glück und die Freiheit seines Vaterlandes dem Ruhme dieses Hauses aufzuopfern, ein Verräther sei. Während seines Aufenthalts im Haag bezeichnete er stets diejenigen Holländer, die sich Frankreich verkauft hatten, als den gutgesinnten Theil. In den Briefen, die er aus Irland schrieb, tritt das nämliche Gefühl noch stärker hervor. Er würde ein noch scharfsichtigerer Staatsmann gewesen sein, wenn er mehr mit den unter dem Volke herrschenden Gefühlen von moralischer Billigung und Mißbilligung sympathisirt hätte. Denn seine Gleichgültigkeit gegen alle Rücksichten der Gerechtigkeit und Nachsicht war so groß, daß er in seinen Plänen das Gewissen und das Zartgefühl seiner Mitmenschen gänzlich außer Acht ließ. Mehr als einmal empfahl er wissentlich so haarsträubende Abscheulichkeiten, daß selbst schlechte Menschen darüber empört waren. Es gelang ihnen aber nie, ihm ihre Bedenken nur begreiflich zu machen. Alle derartigen Vorstellungen hörte er mit einem cynischen Lächeln an und war selbst in Zweifel darüber, ob Die welche ihm den Text lasen wirklich solche Thoren waren, für die sie sich ausgaben, oder ob sie sich nur so stellten.

Dies war der Mann, den Ludwig zum Begleiter und Aufseher Jakob’s erwählte. Avaux war beauftragt, sich womöglich mit den Mißvergnügten im englischen Parlament in Verbindung zu setzen, und war ermächtigt, nöthigenfalls etwa hunderttausend Kronen unter sie zu vertheilen.

56. Siehe Saint-Simon’s Erzählung der List, durch welche Avaux sich in Stockholm für einen Ritter des Heiligen-Geistordens auszugeben versuchte.

Jakob landet in Kinsale. Jakob traf am 5. März in Brest ein, ging hier an Bord eines Kriegsschiffs, der St. Michael genannt, und segelte binnen achtundvierzig Stunden ab. Er hatte indessen bis zu seiner Abreise vollauf Zeit einige von den Fehlern zu zeigen, durch die er England und Schottland verloren hatte und durch die er auch Irland zu verlieren im Begriff stand. Avaux schrieb aus dem Hafen von Brest, daß es wohl nicht leicht sein werde, irgend eine wichtige Angelegenheit in Gemeinschaft mit dem König von England durchzuführen. Se. Majestät sei nicht im Stande ein Geheimniß zu bewahren, denn selbst die Matrosen des St. Michael hätten ihn bereits Dinge sagen hören, welche nur für die Ohren seiner vertrautesten Freunde hätten aufgespart werden sollen.57

Die Reise ging glücklich und ohne Störung von statten und am Nachmittag des 12. März landete Jakob im Hafen von Kinsale. Die katholische Bevölkerung empfing ihn mit Äußerungen ungeheuchelter Freude, und die wenigen Protestanten, welche in diesem Theile des Landes geblieben waren, schlossen sich ihnen, vielleicht ebenfalls nicht unaufrichtig, zu seiner Begrüßung an. Denn obgleich ein Feind ihrer Religion, war er doch kein Feind ihrer Nation, und sie durften vernünftigerweise hoffen, daß auch der schlechteste König etwas mehr Achtung vor Gesetz und Eigenthumsrechten zeigen werde als die Merry Boys und Rapparees gezeigt hatten. Der Vikar von Kinsale befand sich auch unter Denen, die ihm ihre Aufwartung machten; er wurde vom Bischof von Chester vorgestellt und nicht unfreundlich aufgenommen.58

XII.33

Jakob erfuhr, daß seine Sache gut stehe. In den drei südlichen Provinzen des Landes waren die Protestanten entwaffnet und durch den Schrecken so wirksam niedergehalten, daß er von ihrer Seite nichts zu fürchten hatte. Im Norden zeigte sich ein Schein von Widerstand; aber Hamilton war im Anrücken gegen die Mißvergnügten, und es unterlag kaum einem Zweifel, daß sie leicht überwältigt werden würden. Ein Tag ward in Kinsale darauf verwendet, die Waffen und Munitionsvorräthe in Sicherheit zu bringen; nicht ohne Schwierigkeit verschaffte man sich die zur Beförderung einiger Reisenden nöthige Anzahl Pferde, und am 14. März brach Jakob nach Cork auf.59

57. Dieser Brief befindet sich in den Archiven des französischen Ministeriums des Auswärtigen, fehlt aber in dem sehr seltenen Bande, der in Downing Street gedruckt wurde.

58. A full and true Account of the Landing and Reception of the late King James at Kinsale, in a Letter from Bristol, licensed April 4. 1689; Leslie’s Answer to King; Ireland’s Lamentation; Avaux vom 13.(23.) März.

59. Avaux vom 13.(23.) März 1689; Life of James, II. 327. Orig. Mem.

Jakob’s Einzug in Cork. Wir würden sehr irren, wenn wir glaubten, daß die Straße, durch welche er in diese Stadt einzog, die geringste Ähnlichkeit gehabt habe mit dem stattlichen Zugange, der den Reisenden des 19. Jahrhunderts mit Bewunderung erfüllt. Gegenwärtig nimmt Cork, obwohl noch durch manche häßliche Überbleibsel aus früherer Zeit verunziert, unter den Hafenplätzen des Reichs keine geringe Stelle ein. Der Schiffsverkehr ist mehr als halb so stark als der Schiffsverkehr London’s zur Zeit der Revolution war. Der Ertrag der Zölle übersteigt das ganze Einkommen, welches das gesammte Königreich Irland in den ruhigsten und blühendsten Zeiten den Stuarts lieferte. Die Stadt besitzt breite und schön gebaute Straßen, reizende Gärten, einen korinthischen Porticus, der einem Palladio Ehre machen würde, und ein gothisches Collegium, das würdig wäre in High Street zu Oxford zu stehen. Im Jahre 1689 nahm die Stadt etwa den zehnten Theil der Bodenfläche ein, den sie jetzt bedeckt und war von schlammigen Wassergräben durchschnitten, welche längst überwölbt und bebaut sind. Ein öder Sumpf, in welchem der Jäger, der den Wasservögeln nachstellte, bei jedem Schritte tief in Wasser und Schlamm einsank, bedeckte das Areal, auf dem jetzt stattliche Gebäude und die Paläste großer Handelsgesellschaften stehen. Damals gab es nur eine einzige Straße, in der zwei Wagen einander ausweichen konnten. Von dieser Straße gingen zu beiden Seiten enge Gäßchen aus, schmutziger und übelriechender als selbst Diejenigen sich vorstellen können, die sich ihre Begriffe von Elend nach den ärmlichsten Theilen der Stadtviertel St. Giles und Whitechapel gebildet haben. Eines dieser Gäßchen, das vergleichsweise nicht mit Unrecht Broad Lane genannt wird, ist zehn Fuß breit. Aus diesen Straßen, gegenwärtig Sitzen von Hunger und Krankheit, die man der Hefe der Gesellschaft überlassen hat, strömten die Bürger herbei, um Jakob zu bewillkommnen. Er wurde von Macarthy, der in Munster das Obercommando führte, mit militärischen Ehren empfangen.

Es war dem Könige unmöglich, sofort nach Dublin weiter zu reisen, denn die südlichen Grafschaften waren durch das Gesindel, welches die Priester zu den Waffen gerufen hatten, so vollständig verwüstet, daß die Transportmittel nicht leicht zu beschaffen waren. Pferde waren eine Seltenheit geworden; in einem großen Districte gab es nur zwei Wagen und diese erklärte Avaux für unbrauchbar. Es dauerte mehrere Tage, bis das von Frankreich mitgebrachte Geld, obwohl eben keine so ungeheure Masse, XII.34 die paar Meilen Wegs, welche Cork von Kinsale trennten, mühsam transportirt werden konnte.60

Während der König und sein Kriegsrath sich bemühten, Wagen und Pferde aufzutreiben, kam Tyrconnel von Dublin an. Seine Berichte lauteten ermuthigend. Den Widerstand Enniskillen’s scheint er für kaum der Beachtung werth gehalten zu haben. Londonderry, sagte er, sei der einzige wichtige Punkt, den die Protestanten im Besitz hätten, und selbst Londonderry werde sich seiner Ansicht nach nur wenige Tage halten können.

60. Avaux vom 15.(25.) März 1689.

Reise Jakob’s von Cork nach Dublin. Endlich war Jakob im Stande sich von Cork nach der Hauptstadt zu begeben. Unterwegs machte der kluge und wachsame Avaux mancherlei Bemerkungen. Zuerst ging die Reise durch wildes Hochland, wo man sich nicht wundern durfte, nur wenige Spuren von Kunst und Industrie zu finden. Von Kilkenny aber bis vor die Thore von Dublin führte der Weg durch eine wellenförmige Ebene mit reicher natürlicher Vegetation. Dieser fruchtbare Distrikt hätte mit Viehheerden, mit Gemüsegärten und mit Kornfeldern bedeckt sein sollen, war aber eine unbebaute und unbevölkerte Wüste. Selbst in den Städten gab es nur wenig Handwerker. Manufacte waren kaum zu sehen, und wo sich solche fanden, waren sie nur zu enormen Preisen zu erlangen.61 Dies Alles kam daher, weil die meisten englischen Einwohner geflüchtet und Kunst, Industrie und Kapital mit ihnen gegangen waren.

Jakob erhielt auf seiner Reise vielfache Beweise von der Bereitwilligkeit des Landvolks, aber es waren Beweise, welche Männern, die an den Höfen Frankreich’s und England’s erzogen waren, sonderbar und unheilverkündend vorkommen mußten. Auf den Feldern sah man wenig Arbeiter; auf der Landstraße aber wimmelte es von mit Skeans, Knütteln und Halbpiken bewaffneten Rapparees, welche herbeiströmten, um den Befreier ihres Stammes zu sehen. Die Straße hatte ungefähr das Aussehen, als ob ein Jahrmarkt auf derselben gehalten würde. Spielleute kamen herbei und musicirten vor ihm in einer Weise, die sich stark von der der französischen Oper unterschied, und die Dorfbewohner führten nach dieser Musik wilde Tänze auf. Lange Friesmäntel, ähnlich denen, welche Spenser hundert Jahre früher als zu Lagerdecken für Rebellen und zu Mänteln für Diebe geeignet beschrieben hatte, waren auf den Weg gebreitet, den die Cavalcade ziehen mußte, und Kränze, in denen Krautstrünke die Stelle der Lorbeern vertraten, wurden der königlichen Hand dargereicht. Die Weiber wollten durchaus Se. Majestät küssen; aber sie müssen wenig Ähnlichkeit mit ihren heutigen Nachkommen gehabt haben, denn diese Aufmerksamkeit war ihm so widerlich, daß er seinem Gefolge befahl, sie in gemessener Entfernung zu halten.62

Am 24. März zog er in Dublin ein. Diese Stadt war damals nach Umfang und Einwohnerzahl die zweite auf den britischen Inseln. Sie bestand aus sechs- bis siebentausend Häusern und hatte wahrscheinlich über dreißigtausend Einwohner.63 An Wohlstand und Schönheit stand jedoch XII.35 Dublin vielen englischen Städten nach. Von den eleganten und prächtigen Gebäuden, welche gegenwärtig beide Seiten des Liffey zieren, war damals noch kaum eines nur projectirt. Die Universität, ein Gebäude, das ganz anders aussah als das, welches sich jetzt auf der nämlichen Stelle erhebt, lag völlig außerhalb der Stadt.64 Der Flächenraum, den jetzt Leinster House und Charlemont House, Sackville Street und Merrion Square einnehmen, war eine unbebaute Wiese. Die meisten Wohnhäuser waren von Holz und haben längst massiveren Gebäuden Platz gemacht. Das Schloß war 1686 fast unbewohnbar gewesen. Clarendon hatte sich bitter beklagt, daß er keinen Gentleman in Pall Mall kenne, der nicht eine bequemere und freundlichere Wohnung habe, als der Vicekönig von Irland. Keine öffentliche Ceremonie könne unter dem viceköniglichen Dache auf anständige Weise abgehalten werden. Obgleich fortwährend neue Glasscheiben und Ziegel eingesetzt würden, dringe der Regen doch beständig in die Zimmer.65 Tyrconnel hatte, seit er Vicekönig war, ein etwas bequemeres neues Gebäude aufführen lassen. Nach diesem Gebäude wurde der König mit festlichem Gepränge durch den südlichen Theil der Stadt geführt. Man hatte Alles aufgeboten, um dem Stadttheile, durch den er kommen mußte, einen festlichen und glänzenden Anstrich zu geben. Die gewöhnlich mit tiefem Koth bedeckten Straßen waren mit Sand und mit Zweigen und Blumen bestreut. Draperien und Teppiche hingen aus den Fenstern Derer, welche die Mittel zu solchem Luxus besaßen. Die Ärmeren ersetzten die kostbaren Stoffe durch Betttücher und Überzüge. Hier stand ein Trupp Mönche mit einem Kruzifix, dort eine Schaar von vierzig weißgekleideten Mädchen mit Blumensträußern, Stadtpfeifer und Harfner spielten die Melodie des Liedes: „The King shall enjoy his own again.“ Der Vicekönig trug das Staatsschwert vor seinem Gebieter her. Die Richter, die Herolde, der Lord Mayor und die Aldermen erschienen in dem ganzen Pomp ihrer Amtswürde. Zu beiden Seiten waren Soldaten aufgestellt, um die Passage frei zu halten. Eine Reihe von zwanzig Karossen, welche öffentlichen Beamten gehörten, folgte dem Zuge. Vor dem Eingange ins Schloß kam dem Könige die Hostie unter einem von vier Bischöfen seiner Kirche getragenen Baldachin entgegen. Als er derselben ansichtig wurde, kniete er nieder und betete eine Weile. Dann erhob er sich wieder und ward in die Kapelle seines Palastes geführt, einst — so sonderbar ist der Wechsel alles Irdischen — die Reitbahn Heinrich Cromwell’s. Hier wurde zur Feier der Ankunft Sr. Majestät ein Te Deum abgehalten. Am folgenden Morgen hielt er eine Geheimrathssitzung, entband den Oberrichter Keating von jedem ferneren Besuche des Staatsraths, ließ Avaux und den Bischof Cartwright vereidigen und erließ eine Proklamation, welche auf den 7. Mai ein Parlament nach Dublin berief.66

61. Avaux, 25. März (4. April) 1689.

62. A full and true Account of the Landing and Reception of the late King James; Ireland’s Lamentation; Light to the Blind.

63. Siehe die Berechnungen Petty’s, King’s und Davenant’s. Wenn die durchschnittliche Zahl der Bewohner eines Hauses in Dublin die nämliche war wie in London, so würde die Bevölkerung von Dublin sich auf etwa vierunddreißigtausend Seelen belaufen haben.

64. Johann Dunton spricht von College Green bei Dublin. Ich habe Briefe aus jener Zeit gesehen, die nach dem Collegium bei Dublin adressirt waren. Im Britischen Museum befinden sich einige interessante alte Pläne von Dublin.

65. Clarendon an Rochester, 8. Febr. 1685/86, 20. April, 12. August und 30. November 1686.

66. Clarke’s Life of James, II. 330.; Full and True Account of the Landing and Reception etc.; Ireland’s Lamentation.

XII.36

Unzufriedenheit in England. Als die Nachricht von Jakob’s Ankunft in Irland in London eintraf, war die Angst und Bestürzung groß und mit ernster Unzufriedenheit gemischt. Der große Haufe, der den Schwierigkeiten, welche Wilhelm von allen Seiten umgaben, nicht hinreichend Rechnung trug, tadelte laut seine Sorglosigkeit. Allen Schmähungen der Unwissenden und Böswilligen setzte er, seiner Gewohnheit nach, nur eine unerschütterlich ernste Ruhe und das Stillschweigen der tiefsten Verachtung entgegen. Aber Wenige waren von der Natur mit einem so festen Character begabt wie der seinige und noch Wenigere hatten eine so lange und so harte Schule durchgemacht. Die Vorwürfe, welche seine von Jugend auf durch beide Extreme des Geschicks geprüfte Seelenstärke nicht zu erschüttern vermochten, schlugen einem weniger entschlossenen Herzen eine tiefe Wunde.

Während alle Kaffeehausclubs einstimmig erklärten, daß schon längst eine Flotte und eine Armee hätten nach Dublin geschickt werden sollen, und sich wunderten, wie ein so berühmter Staatsmann wie Se. Majestät sich von einem Hamilton und Tyrconnel habe täuschen lassen können, ging ein Gentleman zur Wassertreppe des Temple, rief ein Boot herbei und befahl, ihn nach Greenwich zu fahren. Er nahm ein Briefcouvert aus der Tasche, schrieb mit Bleistift einige Zeilen darauf und legte das Papier nebst einem Silberstück als Fahrlohn auf die Bank. Als das Boot durch den dunklen Mittelbogen der London-Brücke fuhr, sprang er in’s Wasser und verschwand. Er hatte auf das Couvert die Worte geschrieben: „Meine Thorheit, etwas zu unternehmen, was ich nicht durchführen konnte, hat dem Könige großen Schaden gebracht, der nicht mehr gut zu machen ist. — Es giebt keinen bequemeren Weg für mich als diesen. — Möge er in seinen Unternehmungen glücklich sein. — Möge der Himmel ihm seinen Segen geben.“ Die Zeilen hatten keine Unterschrift, aber der Leichnam wurde bald gefunden und als der Johann Temple’s erkannt. Er war jung und hochgebildet, war der Erbe eines angesehenen Namens, besaß eine liebenswürdige Gattin und ein großes Vermögen und die höchsten Staatsämter standen ihm offen. Das Publikum scheint überhaupt gar nicht gewußt zu haben, in welchem Umfange er für die Politik verantwortlich war, die der Regierung so viel Tadel zugezogen hatte. So streng der König auch war, besaß er doch ein viel zu edles Herz, als daß er einen Irrthum als ein Verbrechen hätte behandeln können. Er hatte den unglücklichen jungen Mann eben zum Kriegssekretär ernannt und seine Bestallung war in der Ausfertigung begriffen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß gerade die kalte Großmuth des Gebieters die Reue des Dieners unerträglich machte.67

67. Clarendon’s Diary; Reresby’s Memoirs; Narcissus Luttrell’s Diary. Ich habe mich in Bezug auf Temple’s letzte Worte an die Angabe Luttrell’s gehalten. Sie stimmt im Wesentlichen mit der Clarendon’s überein, hat aber mehr von der bei einer solchen Gelegenheit sehr natürlichen Hast. Wenn irgend etwas ein so tragisches Ereigniß lächerlich machen konnte, so waren es die Wehklagen des Verfassers der „Londeriade“:

Dem Freunde sendet einen Brief der arme Knab’

und springt verzweifelnd in der Themse feuchtes Grab.

Parteispaltungen im Dubliner Schlosse. Doch so groß auch die Unannehmlichkeiten waren, mit denen Wilhelm zu kämpfen hatte, diejenigen durch welche der Gleichmuth seines Schwiegervaters damals geprüft wurde, waren noch größer. Kein Hof in Europa war von mehr XII.37 Hader und Intriguen zerrissen als solche innerhalb der Mauern des Dubliner Schlosses zu finden waren. Die zahlreichen kleinen Cabalen, welche ihren Ursprung in der Habgier, der Eifersucht und der Böswilligkeit Einzelner hatten, sind kaum der Erwähnung werth. Aber es bestand eine Ursache zu Zwiespalt, welche zu wenig beachtet worden ist und durch die sich Vieles erklären läßt, was in der Geschichte der damaligen Zeiten für räthselhaft gehalten wurde.

Der englische Jakobitismus und der irische Jakobitismus hatten nichts mit einander gemein; der englische Jakobit war von hoher Begeisterung für das Haus Stuart beseelt, und in seinem Eifer für die Interessen dieses Hauses vergaß er nur zu oft die Interessen des Staats. Sieg, Frieden und Wohlstand erschienen dem unerschütterlichen Eidverweigerer als Übel, wenn sie darauf hinzielten, die Usurpation populär und permanent zu machen. Niederlage, Staatsbankerott, Hungersnoth und Invasion waren in seinen Augen öffentliche Wohlthaten, wenn sie die Aussicht auf eine Restauration vermehrten. Er würde lieber sein Vaterland als die letzte der Nationen unter Jakob II. oder Jakob III. gesehen haben, denn als den Beherrscher der Meere, den Schiedsrichter zwischen verfeindeten Potentaten, den Sitz der Künste und den Bienenstock der Industrie unter einem Prinzen des Hauses Nassau oder Braunschweig.

Die Gesinnungen des irischen Jakobiten waren ganz andrer, und man muß es offen gestehen, edlerer Art. Die gestürzte Dynastie galt ihm nichts. Es war ihm nicht, wie dem Cavalier von Cheshire oder Shropshire, von der Wiege an gelehrt worden, treue Anhänglichkeit an jene Dynastie als die erste Pflicht eines Christen und eines Edelmannes zu betrachten. Alle seine Familientraditionen, alle Lehren, die er von seiner Amme und von seinen Priestern empfangen, hatten eine ganz andre Tendenz gehabt. Er war dazu angehalten worden, die fremden Beherrscher seines Vaterlandes mit dem Gefühle zu betrachten, mit dem der Jude Caesar, der Schotte Eduard I., der Castilianer Joseph Bonaparte, der Pole den russischen Autokraten betrachtet. Der hochadelige Milesier bildete sich etwas darauf ein, daß vom 12. bis zum 17. Jahrhundert jede Generation seiner Familie gegen die englische Krone unter Waffen gestanden hatte. Seine ältesten Ahnen hatten gegen Fitzstephen und De Burgh gekämpft, sein Urgroßvater hatte die Soldaten Elisabeth’s in der Schlacht am Blackwater geschlagen. Sein Großvater hatte mit O’Donnel gegen Jakob I. conspirirt. Sein Vater hatte unter Phelim O’Neil gegen Karl I. gefochten. Die Confiscation des Familiengutes war durch eine Acte Karl’s II. bestätigt worden. Kein Puritaner, der von Laud vor die Hohe Commission citirt worden war, der unter Cromwell bei Naseby gekämpft, der kraft der Conventikelacte verfolgt worden war und der sich wegen seiner Betheiligung an dem Ryehousecomplot hatte verbergen müssen, war dem Hause Stuart weniger zugethan als die O’Hara und die Macmahon, von deren Unterstützung das Schicksal dieses Hauses jetzt abzuhängen schien.

Der feststehende Vorsatz dieser Männer war, das fremde Joch abzuschütteln, die sächsische Ansiedelung zu vertilgen, die protestantische Kirche zu zerstören und den Boden seinen früheren Eigenthümern zurückzugeben. Um diese Zwecke zu erreichen, würden sie sich ohne das mindeste Bedenken gegen Jakob erhoben haben, und um diese Zwecke zu erreichen, erhoben sie sich für ihn. Die irischen Jakobiten wünschten daher keineswegs, daß er wieder in Whitehall regieren möchte, denn sie mußten nothwendig einsehen, XII.38 daß ein Beherrscher von Irland, der zugleich Beherrscher von England war, die Verwaltung des kleinen und ärmeren Königreichs nicht lange würde in directem Widerspruch mit der Gesinnung des größeren und reicheren leiten wollen, und, wenn er auch gewollt hätte, nicht würde leiten können. Ihr eigentlicher Wunsch war, daß beide Kronen völlig getrennt werden und daß ihre Insel, ob unter Jakob oder ohne Jakob kümmerte sie wenig, einen abgesonderten Staat unter dem mächtigen Schutze Frankreich’s bilden möchte.

Während eine Partei im Staatsrathe zu Dublin Jakob als ein bloßes Werkzeug zur Durchführung der Befreiung Irland’s betrachtete, betrachtete eine andre Partei Irland als ein bloßes Werkzeug zur Herbeiführung der Restauration Jakob’s. In den Augen der englischen und schottischen Lords und Gentlemen, die ihn von Brest aus begleitet hatten, war die Insel, auf der sie gegenwärtig weilten, nichts als eine Brücke, auf der sie nach Großbritannien zu gelangen hofften. Sie waren noch ebensosehr Verbannte, als sie es in Saint-Germains gewesen, und sie hielten sogar Saint-Germains für einen viel angenehmeren Verbannungsort als das Dubliner Schloß. Sie sympathisirten nicht mit der eingebornen Bevölkerung der entlegenen und halb barbarischen Region, in die ein sonderbarer Zufall sie geführt. Ja sie waren sogar durch gemeinsame Abkunft wie durch gemeinsame Sprache mit der Colonie verbunden, deren Ausrottung der Hauptzweck der eingebornen Bevölkerung war. Sie hatten in der That, wie die große Masse ihrer Landsleute, die eingebornen Irländer mit höchst ungerechter Verachtung angesehen, weil sie sie als den anderen europäischen Nationen nicht nur an erworbenen Kenntnissen, sondern auch an natürlicher Intelligenz und natürlichem Muth nachstehend, kurz als geborne Gibeoniten betrachteten, gegen die man sich sehr liberal gezeigt, indem man ihnen erlaubt hatte, für ein klügeres und mächtigeres Volk Holz zu hauen und Wasser zu tragen. Diese Politiker meinten auch — und darin hatten sie unzweifelhaft Recht — daß, wenn es der Endzweck ihres Gebieters sei, den englischen Thron wieder zu erlangen, es Wahnsinn von ihm sein würde, sich der Führung der O und der Mac zu überlassen, welche England mit tödtlicher Feindschaft betrachteten. Ein Gesetz, das die irische Krone für unabhängig erklärte, ein Gesetz, das Mitren, Kirchengüter und Zehnten von der protestantischen auf die katholische Kirche übertrug, ein Gesetz, das zehn Millionen Acker Land von den Sachsen auf die Celten übertrug, würde, in Clare und Tipperary ohne Zweifel mit lautem Beifall aufgenommen werden. Aber welchen Eindruck würden diese Gesetze in Westminster, welchen in Oxford gemacht haben? Es wäre eine traurige Politik gewesen, sich Männer wie Clarendon und Beaufort, Ken und Sherlock zu entfremden, um den Beifall der Rapparees vom Allen-Moor zu erlangen.68

So lagen die englischen und irischen Factionen im Rathe zu Dublin in einem Streite, der keine gütliche Beilegung zuließ. Avaux betrachtete inzwischen diesen Streit aus einem ihm ganz eigenthümlichen Gesichtspunkte. Sein Ziel war weder die Emancipation Irland’s, noch die Wiedereinsetzung XII.39 Jakob’s, sondern die Größe der französischen Monarchie. Auf welchem Wege dieses Ziel am besten erreicht werden konnte, war allerdings ein sehr schwieriges Problem. Ein französischer Staatsmann mußte unzweifelhaft eine Contrerevolution in England wünschen. Eine solche Contrerevolution mußte nothwendig zur Folge haben, daß die Macht, welche Frankreich’s furchtbarster Feind war, sein treuester Bundesgenosse wurde, daß Wilhelm zur Bedeutungslosigkeit herabsank und daß die europäische Coalition, deren Haupt er war, sich auflöste. Aber welche Aussicht war auf eine solche Contrerevolution? Die englischen Verbannten hofften allerdings, wie alle Verbannten, zuversichtlich auf eine baldige Rückkehr in ihr Vaterland. Jakob rühmte sich laut, daß seine Unterthanen jenseit des Kanals, obgleich durch die verführerischen Worte Religion, Freiheit und Eigenthum auf einen Augenblick irre geleitet, ihm im Grunde aufrichtig zugethan seien und sich um ihn schaaren würden, sobald er in ihrer Mitte erschiene. Aber der kluge Gesandte bemühte sich vergebens, einen haltbaren Grund für diese Hoffnungen zu entdecken. Er wußte gewiß, daß sie sich nicht auf eine aus irgend welchem Theile Großbritanniens angelangte Nachricht stützten und er betrachtete sie lediglich als Träume eines schwachen Geistes. Er hielt es für unwahrscheinlich, daß der Usurpator, dessen Talent und Entschlossenheit er während eines zehnjährigen ununterbrochenen Kampfes würdigen gelernt hatte, sich den durch so gewaltige Anstrengungen und durch so gelehrte Combinationen errungenen großen Preis leicht wieder werde entreißen lassen. Es mußte daher erwogen werden, welches Arrangement für Frankreich am vortheilhaftesten sein würde, im Fall es sich als unmöglich herausstellte, Wilhelm aus England zu vertreiben. Und es lag auf der Hand, daß, wenn Wilhelm nicht aus England vertrieben werden konnte, das für Frankreich vortheilhafteste Arrangement das sein mußte, welches man anderthalb Jahre früher, als Jakob keine Aussicht auf einen männlichen Erben hatte, im Sinne gehabt. Irland mußte von der englischen Krone losgetrennt, von den englischen Colonisten gesäubert, wieder mit der römischen Kirche vereinigt, unter den Schutz des Hauses Bourbon gestellt und in allen Beziehungen, den Namen ausgenommen, zu einer französischen Provinz gemacht werden. Im Kriege standen dann seine Hülfsquellen seinem Schutzherrn zur unumschränkten Verfügung; es lieferte seinem Heere Rekruten, bot seiner Flotte schöne Häfen dar, welche alle großen westlichen Kanäle des englischen Handels beherrschten, und die starke nationale und religiöse Antipathie, mit der seine eingeborne Bevölkerung die Bewohner der Nachbarinsel betrachtete, war eine hinreichende Garantie für ihre Treue gegen die Regierung, welche allein sie gegen die Sachsen schützen konnte.

Im Ganzen genommen schien es daher Avaux, daß von den beiden Parteien, in welche der Dubliner Geheimrath gespalten war, die irische Partei diejenige sei, welche zu unterstützen im Interesse Frankreich’s lag. In Folge dessen verband er sich innig mit den Häuptern dieser Partei, erlangte von ihnen die vollständigsten Aufschlüsse über Alles was sie beabsichtigten, und war bald im Stande seiner Regierung zu berichten, daß die Gentry sowohl als das gemeine Volk durchaus nicht abgeneigt seien, französisch zu werden.69

XII.40

Die Ansichten Louvois’, unstreitig des größten Staatsmannes, den Frankreich seit Richelieu hervorgebracht hatte, scheinen mit denen Avaux’ völlig übereingestimmt zu haben. Das Beste, schrieb Louvois, was König Jakob thun könne, sei, zu vergessen, daß er in Großbritannien regiert habe, und nur daran zu denken, Irland in eine gute Verfassung zu bringen und sich darin festzusetzen. Ob dies das wirkliche Interesse des Hauses Stuart war, darf wohl bezweifelt werden; jedenfalls aber war es das wirkliche Interesse des Hauses Bourbon.70

Über die schottischen und englischen Verbannten, und besonders über Melfort, ließ sich Avaux beständig mit einer Schärfe aus, die man von einem so einsichtsvollen und erfahrenen Manne kaum hätte erwarten sollen. Melfort befand sich in einer eigenthümlich unglücklichen Lage. Er war ein Renegat, er war ein Todfeind der Freiheiten seines Vaterlandes, er besaß einen schlechten und tyrannischen Character, und doch war er in gewissem Sinne ein Patriot. Die Folge davon war, daß er allgemeiner verabscheut wurde als irgend einer seiner Zeitgenossen. Denn während sein Abfall und seine Willkürherrschaftsmaximen ihn zum Gegenstande des Abscheus für England und Schottland machten, wurde er wegen seiner ängstlichen Sorge für das Ansehen und die Integrität des Reichs auch von den Irländern und Franzosen verabscheut.

Die erste zu entscheidende Frage war, ob Jakob in Dublin bleiben, oder ob er sich an die Spitze seiner Armee in Ulster stellen sollte. Über diese Frage geriethen die irischen und die britischen Factionen hart aneinander. Auf beiden Seiten wurden Gründe von keinem besonderen Gewicht geltend gemacht, denn keine der beiden Parteien wagte es, sich unumwunden darüber auszusprechen. Der eigentliche streitige Punkt war, ob der König in irischen oder in britischen Händen sein sollte. Blieb er in Dublin, so war es ihm kaum möglich, irgend einer Bill, die ihm von dem Parlament, welches er dahin berufen, vorgelegt wurde, seine Zustimmung zu verweigern. Er war dann gezwungen, unschuldige protestantische Gentlemen und Geistliche zu Hunderten zu berauben, vielleicht gar zu verurtheilen, und dadurch mußte er seiner Sache jenseit des St. Georgkanals nicht wieder gut zu machenden Schaden thun. Begab er sich hingegen nach Ulster, so war er nur wenige Segelstunden von Großbritannien entfernt. Sobald Londonderry gefallen war, und man war allgemein der Ansicht, daß es sich nicht lange werde halten können, konnte er sich mit einem Theile seiner Truppen einschiffen und in Schottland landen, wo seine Freunde für zahlreich gehalten wurden. War er aber einmal auf britischem Boden und unter britischen Anhängern, so lag es nicht mehr in der Macht der Engländer, seine Zustimmung zu ihren Beraubungs- und Racheplänen zu erzwingen.

68. Ein interessanter Brief vom Bischof Maloney an den Bischof Tyrrel, den man im Anhange zu King’s State of the Protestants findet, bringt viel Licht in den Streit zwischen englischen und irischen Parteien in Jakob’s Geheimen Rathe.

69. Avaux, 25. März (4. April), 13.(23.) April 1689. Ich habe mir jedoch weniger aus einem einzelnen Briefe als aus der ganzen Tendenz und dem ganzen Geiste der Correspondenz Avaux’ meine Ansicht über seine Pläne gebildet.

70. „Il faut donc, oubliant qu’il a esté Roy d’Angleterre et d’Ecosse, ne penser qu’à ce qui peut bonifier l’Irlande, et luy faciliter les moyens d’y subsister.“ Louvois an Avaux. 3.(13.) Juni 1689.

Jakob beschließt nach Ulster zu gehen. Die Debatten im Staatsrathe waren lang und heiß. Tyrconnel, der eben zum Herzog erhoben worden war, rieth seinem Gebieter in Dublin zu bleiben. Melfort drang in Se. Majestät, daß er nach Ulster gehen solle. Avaux bot seinen XII.41 ganzen Einfluß zur Unterstützung Tyrconnel’s auf; aber Jakob, dessen persönliche Neigung natürlich für die britische Seite der Frage war, beschloß dem Rathe Melfort’s zu folgen.71 Avaux fühlte sich tief gekränkt. In seinen officiellen Schreiben drückte er mit großer Bitterkeit seine Verachtung des Characters und des Verstandes des Königs aus. Über Tyrconnel, welcher gesagt hatte, er verzweifle an dem Glückssterne Jakob’s und die eigentliche Frage schwebe zwischen dem Könige von Frankreich und dem Prinzen von Oranien, sprach sich der Gesandte in Worten aus, die ein warmes Lob sein sollten, aber vielleicht mit mehr Recht ein Tadel genannt werden dürften. „Wenn er ein Franzose wäre, könnte er keinen größeren Eifer für die Interessen Frankreich’s an den Tag legen.“72 Dagegen wurde Melfort’s Benehmen mit einem Tadel bedacht, der einem Lobspruche sehr ähnlich steht: „Er ist weder ein guter Irländer, noch ein guter Franzos. Alle seine Neigungen concentriren sich auf sein Vaterland.“73

71. Siehe die Depeschen Avaux’ vom April 1689; Light to the Blind.

72. Avaux, 6.(16.) April 1689.

73. Avaux, 8.(18.) Mai 1689.

Jakob’s Reise nach Ulster. Da der König nun einmal beschlossen hatte, nach dem Norden zu gehen, so hielt Avaux es nicht für gerathen zurückzubleiben. Die königliche Reisegesellschaft brach auf, Tyrconnel in Dublin zurücklassend, und kam am 13. April in Charlemont an. Es war eine sonderbare Reise. Längs des ganzen Weges war das Land von der betriebsamen Bevölkerung verlassen und durch Räuberbanden verwüstet. „Es ist als wenn man durch die Wüsten Arabiens reiste,“ sagte einer der französischen Offiziere.74 Was die Colonisten nur irgend hatten fortbringen können, befand sich in Londonderry oder Enniskillen. Das Übrige war gestohlen oder vernichtet. Avaux schrieb seinem Hofe, daß er mehrere Meilen weit nach Heu für seine Pferde habe schicken müssen. Kein Landmann wagte es, etwas zum Verkauf zu bringen, aus Furcht daß es ihm unterwegs von einem Herumstreicher abgenommen werden möchte. Einmal mußte der Gesandte die Nacht in einer elenden Schenkstube voll rauchender Soldaten, ein andermal in einem demolirten Hause ohne Fenster oder Läden zum Schutze gegen den Regen zubringen. In Charlemont erlangte man mit großer Mühe und nur durch besondere Gunst einen Sack Hafermehl für die französische Gesandtschaft. Weizenbrot gab es nur auf der Tafel des Königs, der ein wenig Mehl von Dublin mitgenommen und dem Avaux einen Diener geliehen hatte, welcher das Backen verstand. Wer die Ehre hatte, zur königlichen Tafel geladen zu werden, bekam Brot und Wein zugemessen. Jeder Andre, so vornehm er immer sein mochte, aß Haferbrot und trank Wasser oder ein abscheuliches Bier, das aus Hafer, anstatt aus Gerste gebraut und mit einem namenlosen Kraute an Stelle des Hopfens gewürzt war.75 Und die Fama sagte, daß die Gegend zwischen Charlemont und Strabane noch verödeter sein sollte als die Gegend zwischen Dublin und Charlemont. Es war unmöglich, einen großen Vorrath von Proviant mit sich zu führen. Die Wege XII.42 waren so schlecht und die Pferde so schwach, daß die Baggagewagen alle weit zurückgeblieben waren. Es fehlte daher den Oberoffizieren der Armee an dem Nothwendigsten, und die Mißstimmung, eine natürliche Folge dieser Entbehrungen, wurde noch vermehrt durch die Theilnahmlosigkeit Jakob’s, der es gar nicht zu bemerken schien, daß es seinen Begleitern an dem nöthigen Comfort gebrach.76

Am 14. April reiste der König mit seinem Gefolge weiter nach Omagh. Es war regnerisch und windig, die Pferde vermochten kaum sich dem Sturme entgegen durch den Schmutz zu arbeiten, und der Weg war häufig von Gießbächen durchschnitten, welche fast Flüsse genannt werden konnten. Die Reisenden mußten mehrere Furthen passiren, wo das Wasser den Pferden bis an die Brust ging. Einige von der Gesellschaft waren ganz erschöpft von Hunger und Anstrengung. Das ganze Land ringsumher war eine grauenvolle Wildniß. Auf einer Strecke von vierzig Meilen zählte Avaux nur drei elende Hütten. Sonst war Alles Felsen, Sumpf und Moor. Als die Reisenden endlich Omagh erreichten, fanden sie es in Trümmern. Die Protestanten, welche die Mehrheit der Einwohner bildeten, waren geflohen und hatten kein Bund Stroh, kein Faß Branntwein zurückgelassen. Die Fenster waren zerbrochen, die Kamine zertrümmert, sogar die Schlösser und Riegel waren von den Thüren losgerissen.77

Avaux hatte nicht aufgehört, den König zur Rückkehr nach Dublin aufzufordern; aber seine Vorstellungen waren bisher erfolglos geblieben. Jakob’s Starrsinn war jedoch ein solcher, der mit männlicher Entschlossenheit nichts gemein hatte und über den zwar Vernunftgründe nichts vermochten, der aber durch Launen leicht zu erschüttern war. In Omagh erhielt er am Morgen des 16. April Briefe, die ihn sehr besorgt machten. Er erfuhr, daß ein starkes Corps Protestanten in Strabane unter Waffen stand und daß unweit der Mündung des Foylesees englische Kriegsschiffe gesehen worden waren. Drei Boten wurden in einer Minute an Avaux abgeschickt, um ihn in das verfallene Gemach zu bescheiden, in welchem das königliche Bett aufgeschlagen worden. Hier kündigte Jakob, halb angekleidet und mit der Miene eines Mannes, den ein vernichtender Schlag getroffen, ihm seinen Entschluß an, auf der Stelle nach Dublin zurückzueilen. Avaux vernahm diese Mittheilung mit Erstaunen und billigte den Entschluß des Königs. Melfort schien in völliger Verzweiflung zu sein. Die Reisenden kehrten also um und kamen spät am Abend wieder in Charlemont an. Hier empfing der König Depeschen ganz andren Inhalts wie die, welche ihn vor einigen Stunden erschreckt hatten. Die Protestanten, die sich bei Strabane gesammelt hatten, waren von Hamilton angegriffen worden. Unter einem rechtschaffenen Anführer würden sie wahrscheinlich Stand gehalten haben. Aber Lundy, der sie befehligte, hatte ihnen gesagt, daß Alles verloren sei, hatte ihnen geheißen, auf ihre Rettung bedacht zu sein, und hatte ihnen selbst das Beispiel zur Flucht gegeben.78 In Folge dessen hatten sie sich in Unordnung nach Londonderry zurückgezogen. Die Correspondenten des Königs erklärten es für eine Unmöglichkeit, XII.43 daß Londonderry sich halten könne. Se. Majestät brauche nur vor den Thoren zu erscheinen und sie würden augenblicklich geöffnet werden. Dies brachte Jakob wieder auf andere Gedanken, er machte sich Vorwürfe, daß er sich zur Rückkehr nach dem Süden hatte überreden lassen, und er bestellte seine Pferde, obgleich es schon spät Abends war. Die Pferde waren fast gänzlich erschöpft und ausgehungert; trotzdem aber wurden sie gesattelt. Melfort geleitete seinen Gebieter triumphirend ins Lager. Avaux erklärte nach erfolglosen Gegenvorstellungen, daß er entschlossen sei, nach Dublin zurückzukehren. Man darf annehmen, daß die großen Unbequemlichkeiten, die er bisher zu ertragen gehabt, einigen Antheil an diesem Entschlusse hatten, denn Klagen über diese Unbequemlichkeiten füllen einen großen Theil seiner Briefe, und in der That war auch der langjährige Aufenthalt in den Palästen Italiens, in den sauberen Zimmern und Gärten Holland’s und in den prächtigen Pavillons der pariser Vorstädte eine schlechte Vorbereitung auf die verfallenen Hütten von Ulster. Seinem Gebieter aber führte er für seine Weigerung, mit nach dem Norden zu gehen, einen gewichtigeren Grund an. Jakob’s Reise war im Widerspruch mit der einstimmigen Meinung der Irländer unternommen worden und hatte ernste Besorgnisse unter ihnen erweckt, sie fürchteten, daß er sie verlassen wolle, um eine Landung in Schottland zu versuchen, und sie wußten, daß er, war er einmal in Großbritannien gelandet, weder den Willen noch die Macht haben würde das zu thun, was sie am meisten wünschten. Indem sich nun Avaux weigerte, Jakob weiter zu begleiten, gab er ihnen einen Beweis, daß, wer sie auch sonst verrathen möchte, Frankreich ihr steter Freund bleiben werde.79

Während Avaux sich auf dem Rückwege nach Dublin befand, eilte Jakob nach Londonderry. Er fand seine Armee einige Meilen südlich von der Stadt concentrirt. In seinem Gefolge befanden sich die französischen Generäle, welche mit ihm von Brest abgesegelt waren, und zwei von ihnen, Rosen und Maumont, wurden über Richard Hamilton gestellt.80 Rosen war ein geborner Liefländer, der in früher Jugend ein Glückssoldat geworden, der sich zur Auszeichnung emporgekämpft hatte und der, obgleich ihm die den Hof von Versailles characterisirenden körperlichen und geistigen Vorzüge gänzlich abgingen, dennoch daselbst in hoher Gunst stand. Er besaß ein heftiges Temperament und rohe Manieren, und seine Sprache war ein seltsames Gemisch verschiedenartiger französischer und deutscher Dialecte. Selbst Diejenigen, welche die beste Meinung von ihm hegten und behaupteten, seine rauhe Außenseite berge einige gute Eigenschaften, mußten zugestehen, daß sein Äußeres gegen ihn sprach und daß es ihnen nicht angenehm sein würde, wenn sie im Dunklen an einem Waldsaume einer solchen Gestalt begegneten.81 Das Wenige, was man von Maumont weiß, gereicht ihm zur Ehre.

74. Pusignan an Avaux, 30. März (9. April) 1689.

75. Dieser traurige Bericht über das irische Bier ist einer Depesche entlehnt, welche Desgrigny von Cork aus an Louvois schrieb und die sich in den Archiven des französischen Kriegsministeriums befindet.

76. Avaux, 13.(23.), 20.(30.) April 1689.

77. Avaux an Ludwig vom 15.(25.) April 1689, und an Louvois von dem nämlichen Datum.

78. Commons’ Journals, Aug. 12. 1689; MacKenzie’s Narrative.

79. Avaux, 17.(27.) April 1689. Die Geschichte dieses sonderbaren Planwechsels ist in Life of James, II. 330—332. Orig Mem. ganz unrichtig erzählt.

80. Life of James, II. 334, 335. Orig. Mem.

81. Memoiren Saint-Simon’s. Einige englische Schriftsteller sind der irrigen Meinung, Rosen sei damals schon Marschall von Frankreich gewesen. Dies wurde er erst 1703. Er war lange Maréchal de Camp gewesen, was etwas ganz Andres ist, und war kürzlich zum Generalleutnant befördert worden.

Der Fall Londonderry’s erwartet. Man erwartete im Lager XII.44 allgemein, daß Londonderry ohne Schwertstreich fallen werde. Rosen prophezeite mit großer Zuversicht, der bloße Anblick der irischen Armee werde die Besatzung zur Übergabe bestimmen. Richard Hamilton aber, der den Character der Colonisten besser kannte, hatte schlimme Ahnungen. Eines wichtigen Bundesgenossen innerhalb der Mauern der Stadt waren die Belagerer gewiß. Der Gouverneur Lundy bekannte sich zwar zum protestantischen Glauben und hatte an der Proklamirung Wilhelm’s und Mariens Theil genommen, aber er stand in geheimer Communication mit den Feinden seiner Kirche und der Souveraine, denen er Treue geschworen. Einige haben vermuthet, daß er ein verkappter Jakobit gewesen sei, und sich die Revolution nur deshalb zum Schein habe gefallen lassen, um desto leichter eine Restauration herbeiführen zu helfen, doch ist es wahrscheinlich, daß sein Verhalten eher der Zaghaftigkeit und Geistesarmuth als dem Eifer für irgend eine öffentliche Sache zuzuschreiben ist. Er scheint den Widerstand für hoffnungslos gehalten zu haben, und in der That mußten die Vertheidigungsmittel Londonderry’s einem militärischen Auge kläglich vorkommen. Die Festungswerke bestanden aus einem mit Gras und Unkraut bewachsenen einfachen Walle; selbst vor den Thoren war kein Graben; die Zugbrücken waren seit langer Zeit vernachlässigt, die Ketten waren verrostet und kaum noch zu gebrauchen; die Brustwehren und Thürme waren nach einem Systeme erbaut, das Schülern Vauban’s wohl ein Lächeln abzwingen konnte, und diese schwachen Vertheidigungswerke waren fast auf jeder Seite von Anhöhen beherrscht. Die Erbauer der Stadt hatten allerdings nie daran gedacht, daß sie eine regelmäßige Belagerung auszuhalten haben würde, und hatten sich damit begnügt, Werke anzulegen, welche hinreichten, die Einwohner gegen einen tumultuarischen Angriff der celtischen Bauern zu schützen. Avaux versicherte Louvois, daß ein einziges französisches Bataillon solche Vertheidigungswerke leicht erstürmen werde. Und selbst wenn der Platz trotz aller dieser Nachtheile im Stande sein sollte, eine Armee zurückzuschlagen, welche von der Kenntniß und Erfahrung von Generälen, die unter Condé und Turenne gedient hatten, geführt würde, so müsse doch der Hunger den Kampf bald beendigen. Die Lebensmittelvorräthe seien gering und die Bevölkerung sei durch eine Menge von Colonisten, welche vor der Wuth der Eingebornen geflohen, um das Sieben- bis Achtfache der gewöhnlichen Zahl vermehrt worden.82

Lundy scheint daher von dem Augenblicke an, wo die irische Armee in Ulster einrückte, jeden Gedanken an einen ernsthaften Widerstand aufgegeben zu haben. Er sprach in einem so verzagten Tone, daß die Bürger und seine eignen Soldaten gegen ihn murrten. Er scheine es, sagten sie, darauf abgesehen zu haben, sie zu entmuthigen. Inzwischen rückte der Feind mit jedem Tage näher heran, und man erfuhr, daß Jakob selbst das Commando seiner Truppen zu übernehmen gedenke.

82. Avaux, 4.(14.) April 1689. Unter den Manuscripten im britischen Museum befindet sich ein interessanter Bericht über die Vertheidigungsmittel Londonderry’s, der 1705 von einem französischen Ingenieur, Namens Thomas, für den Herzog von Ormond abgefaßt wurde.

Es kommt Succurs aus England. Gerade in diesem Augenblicke zeigte sich ein Schimmer von Hoffnung. Am 14. April gingen XII.45 englische Schiffe in der Bai vor Anker. Sie hatten zwei Regimenter an Bord, welche unter den Befehlen eines Obersten, Namens Cunningham, zur Verstärkung der Garnison abgesandt worden waren. Cunningham und mehrere von seinen Offizieren kamen ans Land, um sich mit Lundy zu besprechen. Dieser rieth ihnen davon ab, ihre Mannschaften landen zu lassen, indem die Stadt sich nicht halten könne. Noch mehr Truppen hineinzuwerfen, würde daher schlimmer als nutzlos sein, denn je zahlreicher die Besatzung sei, um so mehr Gefangene würden dem Feinde in die Hände fallen. Die beiden Regimenter könnten nichts besseres thun als nach England zurückzukehren. Er gedenke, sagte er, heimlich auf und davon zu gehen, und die Einwohner müßten dann zusehen, wie sie unter möglichst vortheilhaften Bedingungen kapituliren könnten.

Verrätherei Lundy’s. Er ließ sich die Formalität eines Kriegsraths gefallen, von dem er aber alle diejenigen Offiziere ausschloß, deren Gesinnungen er als von den seinigen abweichend kannte. Einige, die sonst immer zu solchen Berathungen gezogen worden waren und die deshalb jetzt unaufgefordert kamen, wurden aus dem Zimmer gewiesen. Was der Gouverneur sagte, wurde von seinen Creaturen bestätigt. Cunningham und seine Kameraden durften es kaum wagen, ihre Ansicht der eines Mannes entgegenzusetzen, der natürlich viel bessere Lokalkenntniß hatte als sie und dem sie überdies zu gehorchen angewiesen waren. Einer der wackeren Soldaten erhob jedoch Einwürfe. „Bedenken Sie,“ sagte er, „Londonderry aufgeben heißt Irland aufgeben.“ Aber seine Einwendungen wurden mit Verachtung zurückgewiesen.83 Der Kriegsrath ging auseinander, Cunningham kehrte mit seinen Offizieren auf die Schiffe zurück und traf Anstalten zur Abreise. Unterdessen schickte Lundy heimlich einen Boten ins Hauptquartier des Feindes, mit der Versicherung, daß die Stadt auf die erste Aufforderung ohne Kampf übergeben werden würde.

83. Commons’ Journals, Aug. 12. 1689.

Die Bewohner von Londonderry beschließen sich zu vertheidigen. Sobald aber das was im Kriegsrathe vorgegangen, in der Stadt ruchbar wurde, empörte sich der Geist der Soldaten und Bürger gegen den feigen und treulosen Anführer, der sie verrathen hatte. Viele von seinen eigenen Offizieren erklärten, daß sie sich nicht länger für verpflichtet hielten, ihm zu gehorchen. Drohende Stimmen ließen sich vernehmen, bald daß ihm der Hirnschädel eingeschlagen, bald daß er auf den Wällen der Stadt aufgehängt werden solle. Es wurde eine Deputation an Cunningham abgesandt, um ihn flehentlich zu bitten, das Commando der Stadt zu übernehmen. Er entschuldigte sich jedoch mit dem plausiblen Grunde, daß er Ordre habe, in allen Stücken den Befehlen des Gouverneurs Folge zu leisten.84 Inzwischen ging das Gerücht, daß Einer nach dem Andren von Lundy’s Vertrauten sich aus der Stadt stehle. Am Abend des 17. fand man, daß lange nach Einbruch der Dämmerung die Thore noch offen und die Schlüssel verschwunden waren. Die Offiziere, welche diese Entdeckung machten, nahmen es auf sich, die Parole zu XII.46 ändern und die Wachen zu verstärken. Die Nacht ging jedoch ohne einen Angriff vorüber.85

Nach einigen angstvollen Stunden brach der Morgen an. Die Irländer mit Jakob an ihrer Spitze, waren jetzt nur noch vier Meilen von der Stadt entfernt. Es wurde nun ein tumultuarischer Kriegsrath der angesehensten Einwohner zusammenberufen. Einige von ihnen sagten dem Gouverneur mit Heftigkeit gerade ins Gesicht, daß er sie verrathen habe. Er habe sie, riefen sie aus, ihrem erbittertsten Feinde verkauft und habe die Truppen nicht eingelassen, die der gute König Wilhelm zu ihrer Vertheidigung gesandt habe. Während der Wortwechsel seinen Höhepunkt erreicht hatte, meldeten die auf den Wällen ausgestellten Schildwachen, daß die Vorhut der feindlichen Armee in Sicht sei. Lundy hatte Befehl gegeben, daß nicht gefeuert werden sollte, aber seine Autorität war zu Ende. Zwei tapfere Soldaten, Major Heinrich Baker und Kapitain Adam Murray, riefen das Volk zu den Waffen. Sie wurden unterstützt durch die Beredtsamkeit eines bejahrten Geistlichen, Georg Walker, Rectors der Gemeinde Donaghmore, der mit vielen seiner Amtsbrüder in Londonderry ein Asyl gesucht hatte. Die ganze Bevölkerung der überfüllten Stadt war von einem Gefühle beseelt. Soldaten, Gentlemen, Freisassen und Handwerker eilten auf die Wälle und bemannten die Geschütze. Jakob, der sich, des Sieges gewiß, dem südlichen Thore bis auf hundert Schritt genähert hatte, wurde mit dem Geschrei: „Keine Übergabe!“ und mit einer Kanonensalve von der nächsten Bastion empfangen. Ein Offizier von seinem Stabe fiel neben ihm todt nieder. Der König und seine Begleiter beeilten sich, aus dem Bereiche der Kanonenkugeln zu kommen. Lundy, der jetzt in der größten Gefahr schwebte, von denen die er verrathen hatte, in Stücken zerrissen zu werden, verbarg sich in einem entlegenen Gemache. Hier blieb er den Tag über, und während der Nacht entkam er unter dem großmüthigen und weisen Beistande Murray’s und Walker’s, als Lastträger verkleidet.86 Noch jetzt wird der Theil des Walles gezeigt, wo er sich herunterließ, und noch lebende Leute rühmen sich die Früchte eines Birnbaumes gekostet zu haben, der ihm das Herabsteigen erleichtert hatte. Sein Name ist noch heutigen Tages den Protestanten im Norden Irland’s ein Greuel und sein Bild wurde lange und wird vielleicht jetzt noch alljährlich mit ähnlichen Zeichen des Abscheus, wie sie in England dem Guy Faux zu Theil werden, aufgehängt und verbrannt.

84. Den besten Bericht über diese Vorgänge findet man in den Verhandlungen des Hauses der Gemeinen vom 12. August 1689. Siehe auch die Erzählungen von Walker und Mackenzie.

85. Mackenzie’s Narrative.

86. Walker und Mackenzie.

Ihr Character. Jetzt war Londonderry ohne alle militärische wie bürgerliche Obrigkeit. Niemand in der Stadt hatte das Recht einem Andern zu befehlen, die Vertheidigungsmittel waren schwach, die Vorräthe gering, und ein wüthender Tyrann stand mit einer zahlreichen Armee vor den Thoren. Drinnen aber herrschte ein Geist, der oft in Augenblicken verzweifelter Bedrängniß das gesunkene Glück von Nationen wieder aufgerichtet hat. Obwohl verrathen und verlassen, desorganisirt, von Hülfsmitteln entblößt und von Feinden umringt, war die edle Stadt doch noch immer keine leichte Eroberung. Was auch ein Ingenieur von der Stärke ihrer Mauern halten mochte: hinter diesen Mauern war der intelligenteste, muthigste und hochsinnigste Theil der englischen Bevölkerung von Leinster XII.47 und Nordulster versammelt. Die Anzahl der waffenfähigen Männer betrug siebentausend Mann, und die ganze Welt hätte nicht siebentausend Männer liefern können, welche besser geeignet gewesen wären, einer furchtbaren Nothwendigkeit mit klarem Urtheil, unerschütterlichem Muthe und trotziger Geduld die Stirn zu bieten. Sie waren sämmtlich Protestanten und der Protestantismus der Mehrzahl hatte eine puritanische Färbung. Sie hatten viel Ähnliches von der nüchternen, entschlossenen und gottesfürchtigen Klasse, aus welcher Cromwell sein unbesiegbares Heer gebildet. Die eigenthümliche Lage aber, in die sie versetzt waren, hatte einige Eigenschaften in ihnen entwickelt, die im Mutterlande vielleicht nicht zur Geltung gekommen sein würden. Die englischen Bewohner Irland’s waren eine aristokratische Kaste, die durch höhere Bildung, durch festes Zusammenhalten, durch rastlose Wachsamkeit und durch kaltblütige Unerschrockenheit in den Stand gesetzt worden war, eine zahlreiche und feindliche Bevölkerung in Unterwürfigkeit zu erhalten. Fast Jeder von ihnen war mehr oder weniger zu militärischen wie zu politischen Functionen herangebildet worden. Fast Jeder war mit dem Gebrauche der Waffen vertraut und gewohnt, an der Justizverwaltung Theil zu nehmen. Zeitgenössische Schriftsteller sagten, daß die Colonisten etwas von dem castilischen Stolze, aber nichts von der castilischen Indolenz hätten, daß sie ein ausgezeichnet reines und correctes Englisch sprächen und daß sie sowohl als Milizen wie als Geschworne hoch über ihres Gleichen im Mutterlande ständen.87 Leute in der Lage der Angelsachsen in Irland haben zu allen Zeiten eigenthümliche Fehler und eigenthümliche Tugenden gehabt, die Fehler und Tugenden von Herren im Gegensatz zu den Fehlern und Tugenden von Sklaven. Das Mitglied eines dominirenden Stammes ist in seinem Verkehr mit dem unterworfenen Stamme zwar selten falsch — denn Falschheit ist das Hülfsmittel des Schwachen — aber gebieterisch, anmaßend und grausam. Gegen seine Brüder aber zeigt er sich im allgemeinen gerecht, gütig und selbst edel. Seine Selbstachtung bestimmt ihn alle seinem Stamme Angehörenden zu achten. Sein Interesse treibt ihn an, ein gutes Einvernehmen mit Denen zu unterhalten, deren prompten, kräftigen und muthigen Beistand er vielleicht einmal zur Erhaltung seines Eigenthums und seines Lebens bedürfen kann. Er ist stets der Wahrheit eingedenk, daß sein persönliches Wohl von dem Übergewicht der Klasse abhängt, der er angehört. Dadurch wird selbst sein Egoismus zum Gemeinsinn, und dieser Gemeinsinn wird durch Sympathie, durch das Verlangen nach Beifall und durch die Furcht vor Entehrung zu wilder Begeisterung aufgestachelt. Denn die einzige Meinung, auf die er Werth legt, ist die Meinung seiner Standesgenossen, und ihrer Ansicht nach ist treue Hingebung für die gemeinsame Sache die heiligste aller Pflichten. Der so constituirte Character hat zwei Seiten. Von der einen Seite angesehen, muß er von jedem Rechtschaffenen und Unbefangenen mit Mißbilligung betrachtet werden. Von der andren Seite gesehen, erzwingt er sich unwiderstehlich Beifall. Der Spartaner erregt unsren Abscheu, wenn er den unglücklichen Heloten schlägt und mit Füßen tritt. Den nämlichen Spartaner XII.48 können wir nicht ohne Bewunderung betrachten, wenn wir ihn an dem Tage, von dem er wohl weiß, daß es sein letzter sein wird, im Engpaß von Thermopylä ruhig sein Haar ordnen sehen und seine lakonischen Scherze aussprechen hören. Dem oberflächlichen Beobachter mag es sonderbar vorkommen, daß soviel Böses und soviel Gutes beisammen gefunden werden können. In der That aber stehen dieses Gute und dieses Böse, die auf den ersten Anblick fast unvereinbar scheinen, in innigem Zusammenhange und haben einen gemeinsamen Ursprung. Weil der Spartaner gelernt hatte, sich als einem Herrschergeschlechte angehörend zu betrachten und auf jeden Nichtspartaner als auf einen tief unter ihm Stehenden herabzusehen, deshalb hatte er kein Mitgefühl für die elenden Sklaven, welche vor ihm im Staube krochen, und deshalb kam ihm nie, selbst nicht in der höchsten Noth, der Gedanke, sich einem fremden Herrn zu unterwerfen oder vor einem Feinde zu fliehen. Etwas von diesem nämlichen, aus Tyrannei und Heroismus zusammengesetzten Character hat man bei allen den Nationen gefunden, welche über zahlreichere Nationen dominirten. Nirgend aber hat sich im modernen Europa dieser Character so augenfällig gezeigt wie in Irland. Mit welcher Verachtung, mit welcher Abneigung die herrschende Minderzahl in diesem Lande lange Zeit die unterworfene Mehrzahl betrachtete, kann man am besten aus den gehässigen Gesetzen ersehen, welche noch zu einer Zeit, deren sich gegenwärtig Lebende erinnern, das irische Gesetzbuch schändeten. Diese Gesetze wurden endlich abgeschafft, aber der Geist, der sie zu Tage gefördert hatte, überlebte sie und macht sich noch jetzt zuweilen in Excessen Luft, welche dem Gemeinwohl zum größten Nachtheil und der protestantischen Religion zur Unehre gereichen. Dessenungeachtet kann man unmöglich leugnen, daß die englischen Colonisten mit leider zu vielen Fehlern einer herrschenden Kaste alle edelsten Tugenden einer solchen verbanden. Die Fehler haben sich ganz natürlich im schlimmsten Grade zu Zeiten des Gedeihens und der Ruhe gezeigt, wie die Tugenden sich am glänzendsten in Zeiten der Noth und Gefahr bewährt haben, und nie traten diese Tugenden sichtbarer in den Vordergrund als bei den Vertheidigern von Londonderry in dem Augenblicke da ihr Commandant sie im Stich gelassen und das Lager ihres Todfeindes vor den Mauern ihrer Stadt aufgeschlagen war.

Sobald der erste Ausbruch der durch Lundy’s Treulosigkeit erregten Wuth sich gelegt hatte, ergriffen Die, welche er verrathen, mit einer der berühmtesten Senate würdigen Kaltblütigkeit und Umsicht Maßregeln zur Aufrechthaltung der Ordnung und zur Vertheidigung der Stadt. Es wurden zwei Gouverneurs, Baker und Walker, erwählt. Baker übernahm das militärische Kommando, und Walker’s specielles Geschäft bestand in der Erhaltung der inneren Ruhe und in der Vertheilung der Bedürfnisse aus den Magazinen.88 Die kampffähigen Einwohner wurden in acht Regimenter eingetheilt und Obersten, Hauptleute und Subalternoffiziere ernannt. In wenigen Stunden kannte Jedermann seinen Posten und war bereit, sich beim ersten Trommelschlage auf denselben zu begeben. Das Verfahren, durch welches Cromwell in der vorhergehenden Generation unter XII.49 seinen Soldaten eine so glühende und beharrliche Begeisterung erhalten hatte, wurde auch hier wieder mit nicht minder vollständigem Erfolge angewendet. Ein großer Theil des Tages ward mit Predigen und Beten hingebracht. Achtzehn Geistliche der Landeskirche und sieben bis acht nonconformistische Priester befanden sich in der Stadt. Sie alle strengten sich mit unermüdlichem Eifer an, den Muth des Volks zu heben und zu erhalten. Unter ihnen selbst herrschte für diese Zeit vollkommene Einigkeit. Aller Streit über Kirchenregiment, Stellungen und Ceremonien war vergessen. Der Bischof hatte sich, als er gesehen, daß seine Sermone über den passiven Gehorsam selbst von den Episkopalen bespöttelt wurden, zuerst nach Raphoe und dann nach England begeben, wo er jetzt in einer londoner Kapelle predigte.89 Auf der andren Seite war ein schottischer Fanatiker, Namens Hewson, der die Presbyterianer ermahnt hatte, nicht mit Leuten, die sich weigerten den Covenant zu unterschreiben, gemeinschaftliche Sache zu machen, dem wohlverdienten Abscheu und Hohn der gesammten Protestanten verfallen.90 Die Kathedrale gewährte einen eigenthümlichen Anblick. Auf der Höhe des breiten Thurmes, der jetzt durch einen von andrer Bauart ersetzt ist, waren Kanonen aufgefahren, unter den Bogengängen war Munition aufgehäuft und im Chore wurde jeden Morgen die Liturgie der anglikanischen Kirche verlesen. Am Nachmittag versammelten sich die Dissenters zu einem einfacheren Gottesdienst.91

Jakob hatte vierundzwanzig Stunden gewartet, wahrscheinlich in der Hoffnung, daß Lundy seine Versprechungen erfüllen werde, und diese vierundzwanzig Stunden hatten hingereicht, um die Anstalten zur Vertheidigung Londonderry’s zu vollenden. Am Abend des 19. April erschien ein Trompeter am südlichen Thore und fragte, ob die vom Gouverneur eingegangenen Verpflichtungen erfüllt werden würden. Die Antwort lautete, daß die Männer, welche diese Mauern bewachten, mit den Verpflichtungen des Gouverneurs nichts zu thun hätten und entschlossen wären, sich bis aufs Äußerste zu vertheidigen.

Am folgenden Tage wurde ein Bote höheren Ranges gesandt: Claudius Hamilton, Lord Strabane, einer der wenigen römisch-katholischen Peers von Irland. Murray, der zum Obersten eines der acht Regimenter ernannt war, in welche die Besatzung eingetheilt worden, ging hinaus vor das Thor und es fand eine kurze Besprechung mit dem Parlamentair statt. Strabane war ermächtigt, große Versprechungen zu machen. Die Bürger sollten volle Verzeihung für alles Geschehene haben, wenn sie sich ihrem rechtmäßigen Landesherrn unterwürfen. Murray selbst sollte ein Oberstenpatent und tausend Pfund Sterling an Gelde bekommen. „Die Männer von Londonderry,“ antwortete Murray, „haben nichts gethan, was der Verzeihung bedürfte, und erkennen keinen andren Souverain als König Wilhelm und Königin Marie an. Es dürfte nicht rathsam für Eure XII.50 Lordschaft sein, noch lange hier zu verweilen oder in gleicher Absicht wiederzukommen. Gestatten Sie mir die Ehre, Sie bis über die Linien hinaus zu geleiten.“92

Jakob war versichert worden und hatte mit Bestimmtheit erwartet, daß die Stadt sich ergeben würde, sobald sein Erscheinen vor den Mauern derselben zur Kenntniß der Einwohner gelangte. Als er sich jedoch in dieser Erwartung getäuscht sah, wollte er von Melfort’s Rath nichts mehr wissen und er beschloß, sofort nach Dublin zurückzukehren. Rosen begleitete den König und die Leitung der Belagerung wurde Maumont übertragen. Unter ihm standen Richard Hamilton als Zweiter, und Pusignan als Dritter im Commando.

87. Siehe The Character of the Protestants of Ireland, 1689, und The Interest of England in the Preservation of Ireland, 1689. Erstere Flugschrift ist das Werk eines Feindes, letztere das eines warmen Freundes.

88. Es entspann sich nachher ein müßiger Streit über die Frage, ob Walker wirklich Gouverneur gewesen sei oder nicht. Mir scheint es vollkommen unzweifelhaft, daß er es war.

89. Mackenzie’s Narrative; Funeral Sermon on Bishop Hopkins, 1690.

90. Walker’s True Account, 1689. Siehe auch The Apology for the True Account und The Vindication of the True Account, beide in dem nämlichen Jahre erschienen. Ich habe diesen Mann mit dem Namen bezeichnet, unter welchem er in Irland bekannt war. Sein wirkliche Name aber war Houstoun. Er wird häufig in dem wunderlichen Buche, betitelt: Faithful Contendings Displayed, erwähnt.

91. A View of the Danger and Folly of being publicspirited, by William Hamill, 1721.

92. Siehe Walker’s True Account und Mackenzie’s Narrative.

Londonderry belagert. Die Operationen begannen nun ernstlich. Die Belagerer fingen damit an, daß sie die Stadt beschossen, und bald brannte sie an mehreren Stellen. Dächer und obere Stockwerke stürzten ein und erschlugen die Hausbewohner. Eine kurze Zeit lang schien die Besatzung, von der Viele noch niemals die Wirkung eines Bombardements gesehen, durch das Gekrach der einstürzenden Schornsteine und durch den Anblick der mit entstellten Leichnamen vermischten Trümmerhaufen entmuthigt zu werden. Aber das Vertrautwerden mit Gefahr und Greueln brachte binnen wenigen Stunden die natürliche Wirkung hervor. Der Muth des Volks steigerte sich bis zu einem solchen Grade, daß seine Anführer es für zweckmäßig hielten, die Offensive zu ergreifen. Am 21. April wurde unter Murray’s Commando ein Ausfall gemacht. Die Irländer hielten ihrerseits entschlossen Stand und es kam zu einem heftigen und blutigen Kampfe. Maumont eilte an der Spitze eines Reitertrupps nach der Stelle, wo das Gefecht wüthete. Eine Flintenkugel traf ihn am Kopfe und streckte ihn todt nieder. Die Belagerer verloren außerdem noch mehrere andere Offiziere und ungefähr zweihundert Mann, bevor es gelang, die Colonisten in die Stadt zurückzuwerfen. Murray entkam mit knapper Noth. Sein Pferd war ihm unter dem Leibe getödtet worden und er war von Feinden umringt, aber er vertheidigte sich noch so lange gegen dieselben, bis einige von seinen Freunden, mit dem greisen Walker an der Spitze, aus dem Thore heraus stürzten und ihn befreiten.93

Da Maumont gefallen war, übernahm Hamilton wieder das Commando der irischen Armee. Seine Thaten als Befehlshaber trugen keineswegs zur Erhöhung seines Ruhmes bei. Er war ein eleganter Cavalier und ein tapferer Soldat, aber auf den Titel eines großen Feldherrn konnte er keinen Anspruch machen; auch hatte er noch nie in seinem Leben eine XII.51 Belagerung gesehen.94 Pusignan besaß mehr Kenntniß und Energie, aber er überlebte Maumont um wenig mehr als vierzehn Tage. Am 6. Mai um vier Uhr Morgens unternahm die Besatzung einen zweiten Ausfall, eroberte mehrere Fahnen und tödtete viele von den Belagerern. Pusignan, welcher tapfer focht, wurde durch den Leib geschossen; die Wunde war von der Art, daß ein geschickter Chirurg sie wohl hätte heilen können; aber einen solchen gab es im irischen Lager nicht und die Verbindung mit Dublin war langwierig und unregelmäßig. So starb der Unglückliche unter bitteren Klagen über die rohe Unwissenheit und Nachlässigkeit, die seine Tage abgekürzt hatten. Ein Arzt, der expreß aus der Hauptstadt abgesandt worden, traf erst nach der Beerdigung ein. Wahrscheinlich in Folge dieses beklagenswerthen Unglücks richtete Jakob eine tägliche Postverbindung zwischen dem Schlosse von Dublin und Hamilton’s Hauptquartier ein. Doch selbst auf diese Art wurden die Briefe nicht rasch befördert, denn die Couriere gingen zu Fuß und machten, wahrscheinlich aus Furcht vor den Enniskillenern, einen Umweg von einem Militärposten zum andren.95

Der Mai verging, der Juni kam heran, und Londonderry hielt sich noch immer. Es hatten viele Ausfälle und Scharmützel mit verschiedenem Erfolge stattgehabt; im Ganzen aber war der Vortheil auf Seiten der Garnison gewesen. Mehrere hohe Offiziere waren als Gefangene in die Stadt gebracht worden, und zwei französische Fahnen, welche den Belagerern nach hartem Kampfe entrissen worden, waren als Trophäen in der Altarstätte der Kathedrale aufgehängt. Es schien nothwendig, die Belagerung in eine Blockade zu verwandeln. Ehe man aber die Hoffnung aufgab, die Stadt durch Waffengewalt zu nehmen, beschloß man noch einen energischen Versuch zu machen. Der zum Sturm ausersehene Punkt war ein Außenwerk, nicht weit vom südlichen Thore, welches der Windmühlenhügel hieß. Religiöse Anfeuerungsmittel wurden angewendet, um den gesunkenen Muth zu beleben. Viele Freiwillige verpflichteten sich eidlich in die Festungswerke einzudringen oder bei dem Versuche umzukommen. Kapitain Buttler, ein Sohn Lord Mountgarret’s, übernahm es, die Eidgenossen zum Angriff zu führen. Die Colonisten waren in drei Reihen auf den Wällen aufgestellt. Die Hinteren hatten nur die Musketen der Vorderen zu laden. Die Irländer rückten kühn und mit einem entsetzlichen Geschrei heran, wurden aber nach einem langen und heißen Kampfe zurückgeschlagen. Im dichtesten Kugelregen sah man die Frauen von Londonderry, ihren Gatten und Brüdern Wasser und Munition reichend. An einer Stelle, wo der Wall nur sieben Fuß hoch war, gelang es Buttler und einigen seiner Eidgenossen, das Plateau zu erreichen; aber sie wurden sämmtlich XII.52 getödtet oder gefangen genommen. Endlich, nachdem vierhundert Irländer gefallen waren, ließen ihre Anführer zum Rückzug blasen.96

93. Walker; Mackenzie; Avaux, 26. April (6. Mai) 1689. Unter den Protestanten von Ulster herrscht die traditionelle Meinung, Maumont sei von Murray’s Hand gefallen; allein über diesen Punkt ist der Bericht des französischen Gesandten an seinen Gebieter entscheidend. In der That existiren über die Belagerung von Londonderry fast eben so viele märchenhafte Geschichten wie über die Belagerung von Troja. Die Sage von Murray und Maumont datirt von 1689. In The Royal Voyage, welches Stück in jenem Jahre aufgeführt wurde, wird der Kampf zwischen den beiden Helden in folgenden wohlklingenden Strophen geschildert:

„Sie trafen sich, und auf den ersten Streich

Fiel Monsieur fluchend auf den staub’gen Grund

Und sterbend biß er noch in’s Gras.“

94. Si c’est celuy qui est sorti de France le dernier, qui s’appelloit Richard, il n’a jamais veu de siège, ayant toujour’s servi en Roussillon. — Louvois an Avaux, 3.(13.) Juni 1689.

95. Walker; Mackenzie; Avaux an Louvois, 2.(12.), 4.(14.) Mai 1689; Jakob an Hamilton vom 28. Mai (8. Juni) in der Bibliothek der Royal Irish Academy. Louvois schrieb sehr entrüstet an Avaux: „La mauvaise conduite que l’on a tenue devant Londonderry a cousté la vie à M. de Maumont et à M. de Pusignan. Il ne faut pas que sa Majesté Britannique croye qu’en faisant tuer des officiers generaux comme des soldats, on puisse ne l’en point laisser manquer. Ces sortes de gens sont rares en tout pays et doivent estre menagez.“

96. Walker; Mackenzie; Avaux, 16.(26.) Juni 1689.

Die Belagerung in eine Blokade verwandelt. Es blieb nun nichts weiter übrig als die Wirkung des Hungers zu versuchen. Man wußte, daß die Lebensmittelvorräthe der Stadt nur gering waren, ja man wunderte sich sogar, daß sie so lange ausgereicht hatten. Jetzt wurden alle Maßregeln getroffen, um die fernere Zufuhr von Lebensmitteln abzuschneiden. Alle zur Stadt führenden Landwege wurden auf das Sorgfältigste bewacht. Auf der Südseite am linken Ufer des Foyle lagerten die Reiter, welche Lord Galmoy aus dem Barrowthale begleitet hatten. Ihr Anführer war von allen irischen Offizieren derjenige, den die Protestanten am meisten fürchteten und verabscheuten. Denn er hatte seine Mannschaft mit seltener Geschicklichkeit und Sorgfalt disciplinirt, und man erzählte sich haarsträubende Geschichten von seiner Grausamkeit und Perfidie. Lange Reihen Zelte, bedeckt mit der Infanterie Buttler’s und O’Neils, Lord Slane’s und Lord Gormanstown’s, den Leuten aus Westmeath unter Nugent, den Leuten aus Kildare unter Eustace und den Leuten aus Kerry unter Cavanagh.97 Der Fluß war mit Forts und Batterien besäumt, welche kein Schiff ohne große Gefahr passiren konnte. Nach einiger Zeit beschloß man, zur noch größeren Sicherheit ungefähr anderthalbe Meile unterhalb der Stadt eine Barrikade quer durch den Strom aufzuwerfen. Zu dem Ende wurden mehrere mit Steinen beladene Böte versenkt und eine Reihe Pfähle in den Grund des Flusses eingerammt. Starke Fichtenstämme, fest an einander gebunden, bildeten einen über eine Viertelmeile langen Sperrbaum, der mit fußdicken Tauen an beiden Ufern wohl befestigt war.98 Ein großer Steinblock, an welchem das Tau am linken Ufer befestigt war, wurde viele Jahre später fortgeschafft, um behauen und zu einer Säule verarbeitet zu werden. Die Idee wurde jedoch wieder aufgegeben und die rohe Steinmasse liegt noch jetzt nicht weit von ihrem ursprünglichen Platze unter den Bäumen, welche ein reizendes Landhaus, Boom Hall genannt, beschatten. Dicht daneben befindet sich der Brunnen, aus dem die Belagerer tranken, und ein Stück weiter hin ist der Begräbnißplatz, wo sie ihre Gefallenen beerdigten und wo noch in unseren Tagen der Spaten des Gärtners in geringer Tiefe unter dem Rasen und den Blumen auf zahlreiche Schädel und Gebeine gestoßen ist.

97. Über die Disciplin der Galmoy’schen Reiter siehe Avaux’ Brief an Louvois vom 10.(20.) September. Entsetzliche Geschichten von der Grausamkeit des Obersten sowohl wie seiner Leute werden in der Short View, by a Clergyman, 1689, und in mehreren anderen Flugschriften aus diesem Jahre erzählt. In Bezug auf die Vertheilung der irischen Truppen sehe man die damals erschienenen Pläne der Belagerung. Eine Liste der Regimenter, die vermuthlich ein Seitenstück zu der im zweiten Buche der Iliade vorkommenden Liste bilden sollte, findet man in der Londeriade.

98. Life of Admiral Sir John Leake, by Stephen M. Leake, Clarencieux King at Arms, 1750. Von diesem Buche wurden nur funfzig Exemplare gedruckt.

Seegefecht in der Bantry-Bai. Während diese Ereignisse im Norden stattfanden, hielt Jakob seinen Hof in Dublin. Bei seiner Wiederankunft daselbst von Londonderry erhielt er die Nachricht, daß die französische Flotte unter dem Commando des Grafen von Chateau Renaud in der Bantry-Bai vor Anker gegangen sei und eine große Masse von Kriegsvorräthen sowie eine Geldsendung ans Land geschafft habe. XII.53 Herbert, der eben mit einem englischen Geschwader nach jenen Gewässern abgegangen war, um die Verbindung zwischen der Bretagne und Irland abzuschneiden, erfuhr wo der Feind lag und segelte in die Bucht mit der Absicht, eine Schlacht zu liefern. Doch der Wind war ihm ungünstig, die feindliche Flotte war der seinigen weit überlegen, und nach einem kurzen Feuer, das auf keiner Seite erhebliche Verluste herbeiführte, hielt er es für rathsam, die hohe See wieder zu gewinnen, während die Franzosen sich tiefer in den Hafen zurückzogen. Er steuerte nach Scilly, wo er Verstärkungen zu finden hoffte, und Chateau Renaud, zufrieden mit dem Ruhme, den er sich erworben, und besorgt, daß er denselben durch längeres Verweilen wieder verlieren möchte, eilte trotz der dringenden Aufforderung Jakob’s, nach Dublin zu kommen, nach Brest zurück.

Beide Theile machten Anspruch auf den Sieg. Die Gemeinen zu Westminster beschlossen albernerweise ein Dankvotum für Herbert, Jakob ließ, nicht minder albernerweise, Freudenfeuer anzünden und ein Te Deum singen. Aber diese Freudenbezeigungen befriedigten Avaux keineswegs, denn seine Nationaleitelkeit war selbst noch stärker als die Klugheit und Courtoisie, durch die er sich auszeichnete. Er beschwerte sich, daß Jakob so ungerecht und undankbar sei, den Ausgang des kürzlichen Gefechts dem Widerstreben zuzuschreiben, mit dem die englischen Seeleute gegen ihren rechtmäßigen König und ihren alten Commandeur gefochten hätten, und daß Se. Majestät eben nicht sehr erfreut gewesen zu sein scheine, als er gehört habe, daß sie, von den siegreichen Franzosen verfolgt, über den Ocean flüchteten. Auch Dover sei ein schlechter Franzos. Er scheine sich eben so wenig über die Niederlage seiner Landsleute gefreut zu haben, und man habe ihn äußern hören, daß das Gefecht in der Bantry-Bai den Namen einer Schlacht nicht verdiene.99

99. Avaux, 8.(18.) Mai, 26. Mai (5. Juni) 1689; London Gazette vom 9. Mai; Life of James, II. 370; Burchet’s Naval Transactions; Commons’ Journals May 18, 21. Aus den Memoiren der Frau von la Fayette ersieht man, daß dieses unbedeutende Treffen in Versailles nach Gebühr gewürdigt wurde.

Ein von Jakob einberufenes Parlament tagt in Dublin. Den Tag darauf, nachdem in Dublin zu Ehren dieses unentschiedenen Gefechts ein Te Deum gesungen worden war, eröffnete das von Jakob zusammenberufene Parlament seine Sitzungen. Die Zahl der weltlichen Peers von Irland betrug bei seiner Ankunft in diesem Königreiche ungefähr hundert. Davon kamen nicht mehr als vierzehn seiner Aufforderung nach, und von diesen vierzehn waren zehn Katholiken. Durch Umstoßen früherer Verurtheilungen und durch neue Creirungen wurden noch siebzehn Lords, sämmtlich Katholiken, ins Oberhaus gebracht. Die protestantischen Bischöfe von Meath, Ossory, Cork und Limerick erschienen, ob aus der aufrichtigen Überzeugung, daß sie rechtmäßigerweise selbst einem Tyrannen den Gehorsam nicht verweigern könnten, oder in der eitlen Hoffnung, daß selbst das Herz eines Tyrannen durch ihre Geduld erweicht werden möchte, in der Mitte ihrer Todfeinde.

Das Haus der Gemeinen bestand fast ausschließlich aus Irländern und Papisten. Zugleich mit den königlichen Ausschreiben hatten die Wahlbeamten von Tyrconnel Briefe erhalten, in denen die Personen namhaft gemacht waren, die er gewählt zu sehen wünschte. Die größten Wahlkörper XII.54 des Königreichs waren damals sehr klein, denn außer den Katholiken wagte kaum Jemand sein Gesicht zu zeigen, und katholische Freisassen gab es damals sehr wenige, in manchen Grafschaften nicht mehr als zehn bis zwölf. Selbst in so bedeutenden Städten wie Cork, Limerick und Galway überstieg die Zahl Derer, welche nach den neuen Städteordnungen stimmberechtigt waren, nicht vierundzwanzig. Ungefähr zweihundertfunfzig Mitglieder nahmen ihre Sitze ein, und davon waren nur sechs Protestanten.100 Die Namenliste giebt hinreichenden Aufschluß über die politische und religiöse Gesinnung der Versammlung. Es war das einzige irische Parlament jener Zeit, das mit Dermots und Grohagans, mit O’Neils und O’Donovans, mit Macmahons, Macnamaras und Macgillicuddies angefüllt war. Die Führung übernahmen einige Männer, deren Fähigkeiten durch juristische Studien oder durch in fremden Ländern erworbene Erfahrung entwickelt worden waren. Dem Generalfiskal, Sir Richard Nagle, der die Grafschaft Cork vertrat, gaben selbst die Protestanten das Zeugniß eines scharfsinnigen und gelehrten Juristen. Franz Plowden, der Commissar für die Staatsrevenüen, der für Bannow im Parlamente saß und als erster Finanzbeamter fungirte, war ein Engländer, und da er ein Hauptagent des Jesuitenordens in Geldangelegenheiten gewesen, läßt sich wohl annehmen, daß er ein ausgezeichneter Geschäftsmann war.101 Oberst Heinrich Luttrell, Mitglied für die Grafschaft Carlow, hatte lange in Frankreich gedient und von dort in sein Heimathland einen geschärften Verstand und verfeinerte Sitten, eine glatte Zunge, einige Geschicklichkeit im Kriege und sehr viel Geschicklichkeit im Intriguiren mitgebracht. Sein älterer Bruder, Oberst Simon Luttrell, Vertreter der Grafschaft Dublin und Militärgouverneur der Hauptstadt, hatte ebenfalls in Frankreich gelebt und spielte, obwohl er seinem Bruder Heinrich an Talent und Thätigkeit nachstand, doch eine sehr hervorragende Figur unter den Anhängern Jakob’s. Das andre Mitglied für die Grafschaft Dublin war Oberst Patrick Sarsfield. Diesen tapferen Offizier betrachteten die Eingebornen als einen der Ihrigen, denn seine Vorfahren von Vaters Seite waren zwar ursprünglich Engländer, gehörten aber zu den ersten Colonisten, von denen man sprüchwörtlich sagte, daß sie irischer geworden seien als Irländer. Seine Mutter war von edlem celtischen Geblüt und er war ein treuer Anhänger des alten Glaubens. Als der Erbe eines Vermögens, das ihm etwa zweitausend Pfund jährlicher Einkünfte gewährte, war er einer der reichsten Katholiken des Landes. Von den Höfen und Feldlagern besaß er eine Kenntniß wie nur wenige seiner Landsleute. Er war lange Offizier bei der englischen Leibgarde gewesen, hatte viel mit Whitehall verkehrt und hatte unter Monmouth auf dem Continente und gegen Monmouth bei Sedgemoor tapfer gefochten. Er hatte, wie Avaux schrieb, mehr persönlichen Einfluß als irgend Jemand in Irland und war wirklich ein Gentleman von ausgezeichneten Verdiensten, tapfer, bieder, ehrenwerth, auf das Wohlbefinden seiner Leute im Quartier bedacht und am Tage der Schlacht stets an ihrer Spitze. Seine Unerschrockenheit, seine Freimüthigkeit, seine grenzenlose XII.55 Gutherzigkeit, seine Statur, welche die gewöhnlicher Menschen hoch überragte, und die Körperkraft, welche er im Einzelkampfe entwickelte, hatten ihm die Zuneigung und Bewunderung der Massen erworben. Es ist bemerkenswerth, daß die Engländer ihn allgemein als einen tapferen, geschickten und hochherzigen Feind achteten und daß er selbst in den rohesten Possen, welche von gemeinen Comödianten in Smithfield aufgeführt wurden, stets von den entehrenden Beschuldigungen ausgenommen ward, welche man damals auf die irische Nation zu schleudern gewohnt war.102

Doch solcher Männer waren nicht viele in dem Hause der Gemeinen, das sich zu Dublin versammelt hatte. Es ist kein Vorwurf für die irische Nation, eine Nation, welche seitdem ihr volles Contingent von beredten und gebildeten Senatoren gestellt hat, wenn man sagt, daß von allen Parlamenten, welche je auf den britischen Inseln zusammengetreten sind, Barebone’s Parlament nicht ausgenommen, es dem von Jakob einberufenen am meisten an den Eigenschaften gebrach, die eine Legislatur besitzen muß. Die strenge Herrschaft einer feindlichen Kaste hatte die Geisteskräfte des irischen Gentleman gelähmt. War er so glücklich Grundeigenthum zu besitzen, so hatte er sein Leben in der Regel unter Jagd, Fischfang, Trinkgelagen und Liebeshändeln mit seinen Unterthanen zugebracht. War sein Vermögen confiscirt worden, so war er von Schloß zu Schloß und von Hütte zu Hütte gewandert, um kleine Geldbeiträge zu erheben und auf Kosten Anderer zu leben. Er hatte nie im Hause der Gemeinen gesessen, hatte niemals thätigen Antheil an einer Wahl genommen, und war nie Magistratsbeamter gewesen; kaum daß er einmal Mitglied einer großen Jury gewesen war. Daher fehlte es ihm an aller und jeder Erfahrung in öffentlichen Angelegenheiten. Der englische Squire war zwar auch kein besonders gelehrter und erleuchteter Politiker, aber im Vergleich mit dem katholischen Squire von Munster oder Connaught war er ein Staatsmann und Philosoph.

Die Parlamente Irland’s hatten damals kein bestimmtes Versammlungslocal. Sie kamen in der That so selten zusammen und gingen so bald wieder auseinander, daß es kaum der Mühe werth gewesen wäre, einen Palast zu ihrem ausschließlichen Gebrauche zu erbauen und einzurichten. Erst als die hannöversche Dynastie schon lange auf dem Throne saß, erstand in College Green ein Senatshaus, das mit den schönsten Bauwerken von Inigo Jones einen Vergleich aushält. An der Stelle wo jetzt der Porticus und die Kuppel der Four Courts auf den Liffey herniedersehen, stand im siebzehnten Jahrhundert ein altes Gebäude, das einst ein Dominikanerkloster gewesen, seit der Reformation aber den Männern des Gesetzes zur Benutzung angewiesen worden war und den Namen King’s Inns führte. Dieses Gebäude war zur Aufnahme des Parlaments XII.56 eingerichtet worden. Am 7. Mai nahm Jakob, in königliche Gewänder gekleidet und eine Krone tragend, seinen Sitz auf dem Throne im Hause der Lords ein und ließ die Gemeinen vor die Schranken entbieten.103

Er sprach hierauf den Eingebornen Irland’s seinen Dank dafür aus, daß sie treu zu ihm gehalten, als das Volk seiner anderen Königreiche ihn verlassen habe. Seinen Entschluß, alle religiösen Disabilitäten in allen seinen Landen abzuschaffen, erklärte er für unerschütterlich feststehend. Er forderte das Haus auf, die Ansiedelungsacte in Erwägung zu ziehen und die Beeinträchtigungen zu redressiren, über welche die alten Eigenthümer des Bodens sich zu beschweren Ursache hätten. Zum Schluß erkannte er in warmen Ausdrücken an, wie sehr er dem Könige von Frankreich verpflichtet sei.104

Nach beendeter Thronrede ersuchte der Kanzler die Gemeinen, sich in ihre Kammer zurück zu begeben und einen Sprecher zu wählen. Sie wählten den Generalfiscal Nagle, und die Wahl wurde vom Könige bestätigt.105

Die Gemeinen votirten nun zunächst Resolutionen, welche sowohl Jakob als Ludwig innigen Dank darbrachten. Es wurde sogar vorgeschlagen, durch eine Deputation Avaux eine Adresse überreichen zu lassen; der Sprecher aber setzte die grobe Unziemlichkeit eines solchen Schrittes auseinander, und sein Dazwischentreten hatte bei dieser Gelegenheit den gewünschten Erfolg.106 Sonst war jedoch das Haus selten geneigt, auf Vernunftgründe zu hören. Die Debatten waren eitel Geschrei und Tumult. Der Richter Daly, ein Katholik, aber ein rechtschaffener und begabter Mann, konnte nicht umhin, die Unschicklichkeit und Thorheit zu beklagen, mit der die Mitglieder seiner Kirche das Werk der Gesetzgebung betrieben. Diese Herren, sagte er, seien kein Parlament, sondern ein bloßer Pöbelhaufen; sie glichen auf ein Haar den Fischern und Gemüsehändlern, welche in Neapel zu Ehren Masaniello’s brüllten und die Mützen emporwarfen. Es sei schmerzlich, ein Mitglied nach dem andren tollen Unsinn über seine Verluste schwatzen und nach dem geraubten Vermögen schreien zu hören, während das Leben Aller und die Unabhängigkeit des gemeinsamen Vaterlandes in Gefahr seien. Diese Worte wurden privatim gesprochen, aber einige Ohrenbläser hinterbrachten sie den Gemeinen. Es brach ein heftiger Sturm los. Daly wurde vor die Schranken gefordert, und es unterlag kaum einem Zweifel, daß man mit Strenge gegen ihn verfahren würde. In dem Augenblicke aber als er die Schwelle überschritt, stürzte ein Mitglied mit dem Ausrufe herein: „Gute Nachrichten! Londonderry ist genommen!“ Das ganze Haus erhob sich, alle Hüte flogen in die Luft, und drei laute Hurrahs ertönten. Jedes Herz wurde durch die frohe Botschaft zur Milde gestimmt. Niemand wollte in einem solchen Augenblick etwas von Bestrafung hören. Der Befehl zu Daly’s Erscheinen wurde unter dem Rufe: „Keine Unterwürfigkeit! keine Unterwürfigkeit! wir verzeihen ihm!“ wieder aufgehoben. Wenige Stunden später XII.57 erfuhr man, daß Londonderry sich noch so hartnäckig hielt wie je zuvor. Dieser an sich unbedeutende Vorfall verdient erwähnt zu werden, weil er beweist, wie sehr es dem Hause der Gemeinen an den Eigenschaften fehlte, die in dem großen Rathe eines Landes gefunden werden müssen. Und diese Versammlung, die weder Erfahrung noch würdevollen Ernst, noch Mäßigung besaß, sollte jetzt über Fragen entscheiden, welche dem Scharfsinne der größten Staatsmänner viel zu schaffen gemacht haben würden.107

100. King, III. 12; Memoirs of Ireland from the Restoration, 1716. Listen beider Häuser findet man im Anhang zu King.

101. Beweise für Plowden’s Connection mit den Jesuiten fand ich in einem Briefbuche des Schatzamts unterm 12. Juni 1689.

102. „Sarsfield“, schrieb Avaux unterm 11.(21.) October 1689 an Louvois, „n’est pas un homme de la naissance de mylord Galloway“ (vermuthlich Galmoy) „ny de Makarty; mais c’est un gentilhomme distingué par son mérite, qui a plus de crédit dans ce royaume qu’aucun homme que je connaisse. Il a de la valeur, mais surtout de l’honneur et de la probité à toute épreuve ... homme qui sera toujours à la tête de ses troupes, et qui en aura grand soin.“ — Leslie sagt in seiner Answer to King, daß die irischen Protestanten Sarsfield’s Rechtschaffenheit und Ehre Gerechtigkeit widerfahren ließen. In der That wird Sarsfield selbst in rohen Possen, wie die Royal Flight, gebührende Anerkennung zu Theil.

103. Journal of the Parliament in Ireland, 1689. Der Leser darf nicht glauben, daß dieses Tagebuch einen officiellen Character habe. Es ist eine bloße Compilation von einem protestantischen Pamphletisten und in London gedruckt.

104. Life of James, II. 335.

105. Journal of the Parliament in Ireland.

106. Avaux, 20. Mai (5. Juni) 1689.

107. A True Account of the Present State of Ireland, by a Person that with Great Difficulty left Dublin, 1689; Brief aus Dublin vom 12. Juni 1689; Journal of the Parliament in Ireland.

Es wird eine Toleranzacte erlassen. Jakob bestimmte sie zur Beschließung einer Acte, welche ihm und ihnen zur größten Ehre gereicht haben würde, hätte man nicht zahlreiche Beweise dafür, daß sie nur ein todter Buchstabe sein sollte. Es war dies eine Acte, welche allen christlichen Secten volle Gewissensfreiheit gewährte. Bei dieser Gelegenheit wurde eine Proklamation erlassen, welche in hochtrabenden Worten dem englischen Volke ankündigte, daß sein rechtmäßiger König jetzt augenfällig die Verleumder widerlegt habe, welche ihn beschuldigt hätten, nur um eines einzelnen Zweckes willen Eifer für die Glaubensfreiheit erheuchelt zu haben. Wenn er im Herzen zur Verfolgung geneigt wäre, würde er dann nicht die irischen Protestanten verfolgt haben? Es fehle ihm weder an Macht noch an Herausforderungen dazu. Dennoch habe er sowohl in Dublin, wo die Mitglieder seiner Kirche in der Majorität seien, wie auch in Westminster, wo sie in der Minorität gewesen, fest an den Grundsätzen gehalten, die er in seiner viel geschmähten Indulgenzerklärung ausgesprochen habe.108 Zu seinem Unglück brachte der nämliche Wind, der seine schönen Reden nach England trug, zu gleicher Zeit auch den Beweis hinüber, daß seine Erklärungen nicht aufrichtig waren. Ein einzelnes, eines Turgot oder Franklin würdiges Gesetz nahm sich gar zu lächerlich aus inmitten einer Menge von Gesetzen, die einem Gardiner oder Alva Schande gemacht haben würden.

108. Life of James, II. 361—363. Es wird dort gesagt, die Proklamation sei ohne Vorwissen Jakob’s erlassen worden, er habe sie aber nachher gebilligt. Siehe Melwood’s Answer to the Declaration, 1689.

Acte zur Confiscation des Eigenthums der Protestanten. Ein nothwendiger Vorläufer zu dem großen Beraubungs- und Mordwerke, das die Gesetzgeber von Dublin beabsichtigten, war eine Acte, welche die Autorität annullirte, die das englische Parlament als höchste Legislatur wie als höchster Appellhof bisher über Irland ausgeübt hatte.109 Diese Acte wurde rasch angenommen und ihr folgten in schneller Aufeinanderfolge Confiscationen und Proscriptionen in gigantischem Maßstabe. Das persönliche Vermögen der Abwesenden,110 welche über siebzehn Jahr alt waren, wurde dem Könige zugeschrieben. Wenn man sich in solcher Weise an Laieneigenthum vergriff, so stand nicht zu erwarten, daß die Dotationen, welche im Widerspruch mit jedem gesunden Prinzip an die XII.58 Kirche der Minorität verschwendet worden waren, geschont werden würden. Diese Dotationen ohne Nachtheil für bestehende Interessen zu verringern, würde eine Reform gewesen sein, die eines guten Fürsten und eines guten Parlaments würdig gewesen wäre. Aber eine solche Reform genügte den rachsüchtigen Bigotten nicht, welche in King’s Inns saßen. Durch eine summarische Acte wurde der größte Theil der Zehnten von der protestantischen auf die katholische Geistlichkeit übertragen, und die bisherigen Inhaber ohne einen Farthing Entschädigung dem Hungertode preis gegeben.111 Ferner wurde eine Bill, welche die Ansiedlungsacte aufhob und viele tausend Quadratmeilen Landes von sächsischen auf celtische Grundeigenthümer übertrug, eingebracht und durch Acclamation angenommen.112

Über eine solche Gesetzgebung kann man nicht streng genug urtheilen; aber für die Gesetzgeber lassen sich Entschuldigungen anführen, welche der Geschichtschreiber zu erwähnen verpflichtet ist. Sie handelten unbarmherzig, ungerecht und unklug; aber es wäre ungereimt, wollte man Erbarmen, Gerechtigkeit oder Weisheit von einer Klasse von Menschen erwarten, welche erst durch jahrelange Unterdrückung erniedrigt und dann durch die Freude über ihre plötzliche Erlösung der Besinnung beraubt und mit unwiderstehlicher Macht bewaffnet worden war. Die Vertreter der irischen Nation waren, mit wenigen Ausnahmen, roh und unwissend. Sie hatten in einem Zustande beständiger Gereiztheit gelebt, mit aristokratischen Gefühlen hatten sie eine knechtische Stellung eingenommen, mit dem höchsten Geburtsstolze waren sie tagtäglich Beleidigungen ausgesetzt gewesen, die den Zorn des geringsten Plebejers gereizt haben würden. Angesichts der Felder und Schlösser, die sie als ihr Eigenthum betrachteten, hatten sie froh sein müssen, wenn ein Bauer sie einlud, seine Milch- und Kartoffelmahlzeit zu theilen. Die heftigen Regungen von Haß und Habsucht, welche die Lage des eingebornen Gentleman fast nothwendig hervorrufen mußte, erschienen ihm in dem glänzenden Gewande des Patriotismus und der Frömmigkeit. Denn seine Feinde waren die Feinde seiner Nation, und die nämliche Tyrannei, welche ihn seines Erbes beraubt, hatte auch seine Kirche des großen Reichthums beraubt, den die Frömmigkeit einer früheren Zeit ihr gespendet. Welchen Gebrauch der Gewalt konnte man von einem ungebildeten und unerfahrenen Manne erwarten, der von heftigen Wünschen und Rachegelüsten erfüllt war, welche er irrig für heilige Pflichten ansah? Und was konnte man von einer Versammlung von einigen Hundert solcher Leute anders erwarten, als daß die Leidenschaften, welche jeder Einzelne so lange im Stillen genährt hatte, durch den Einfluß der Sympathie plötzlich zu einer furchtbaren Kraftäußerung heranreifen würden?

Jakob hatte mit seinem Parlamente wenig mehr gemein als den Haß gegen die protestantische Religion. Er war ein Engländer. Der Aberglaube hatte nicht alles Nationalgefühl in seinem Herzen völlig erstickt und das Übelwollen, womit seine celtischen Anhänger den Volksstamm betrachteten, dem er entsprossen war, mußte ihm nothwendig mißfallen. Der Gesichtskreis seines Verstandes war klein. Da er jedoch in England regiert XII.59 hatte und fortwährend dem Tage entgegensah, wo er wieder in England regieren würde, war es unmöglich, daß er den Horizont seiner Politik nicht mehr erweiterte als Diejenigen, welche nichts Andres als nur Irland im Auge hatten. Die wenigen irischen Protestanten, die ihm noch anhingen, und die britischen Edelleute, protestantische sowohl als katholische, die ihn ins Exil begleitet hatten, baten ihn dringend, die Heftigkeit des raubgierigen und rachsüchtigen Parlaments zu zügeln, das er zusammenberufen hatte. Ganz besonders drangen sie in ihn, daß er die Aufhebung der Ansiedlungsacte nicht zugeben solle. Mit welcher Sicherheit, fragten sie, könne Jemand sein Geld anlegen oder seinen Kindern einen Vermögensantheil zuschreiben, wenn er sich nicht auf bestimmte Gesetze und auf einen jahrelangen ununterbrochenen Besitz verlassen könne? Die militärischen Abenteurer, unter welche Cromwell den Grund und Boden vertheilt, könnten vielleicht als Unrechthandelnde betrachtet werden. Aber ein wie großer Theil ihrer Güter sei durch rechtsgültigen Kauf in andere Hände übergegangen! Wieviel Geld hätten die Grundbesitzer auf Hypothek, auf gesetzmäßige, gerichtlich vidimirte Verschreibung geliehen! Wie viele Kapitalisten seien im Vertrauen auf gesetzliche Bestimmungen und königliche Versprechungen von England herübergekommen und hätten ohne die mindeste Besorgniß wegen des Rechtstitels in Ulster und Leinster Land gekauft! Welche Summen hätten diese Kapitalisten während eines Vierteljahrhunderts auf Bauten, Drainirungen, Einhegungen und Anpflanzungen verwendet! Die Bedingungen des von Karl II. sanctionirten Compromisses möchten allerdings wohl nicht in jeder Beziehung gerecht sein; aber sollte eine Ungerechtigkeit durch eine noch monströsere Ungerechtigkeit wieder gut gemacht werden? Und welchen Eindruck würde voraussichtlich in England der Wehschrei von Tausenden unschuldiger englischer Familien hervorrufen, die ein englischer König zu Grunde gerichtet? Die Klagen einer solchen Masse von Duldern könnten die Restauration, der jeder loyale Unterthan mit Sehnsucht entgegensehe, verzögern, ja ganz verhindern, und selbst wenn Se. Majestät trotz dieser Klagen glücklich wieder eingesetzt werden sollte, würde er doch bis ans Ende seines Lebens die nachtheiligen Folgen der Ungerechtigkeit verspüren, zu deren Ausübung ihn schlimme Rathgeber jetzt drängten. Er würde finden, daß er durch den Versuch eine Klasse von Unzufriedenen zu beschwichtigen, eine andre geschaffen habe. Wenn er in Dublin dem Geschrei nach Aufhebung der Ansiedlungsacte nachgäbe, würde er sicherlich von dem Augenblicke an, wo er nach Westminster zurückkehre, mit einem eben so lauten und beharrlichen Geschrei nach Widerrufung dieser Aufhebung bestürmt werden. Er müsse doch wohl einsehen, daß kein auch noch so loyales englisches Parlament solche Gesetze fortbestehen lassen könne, wie sie jetzt vom irischen Parlament erlassen würden. Sei er entschlossen, die Partei Irland’s gegen die allgemeine Stimme England’s zu ergreifen? Wenn dies wäre, so könnte er sich nur auf eine abermalige Verbannung und Entsetzung gefaßt machen. Oder wolle er, wenn er das größere Königreich wieder habe, die Geschenke zurücknehmen, durch die er sich in seiner Noth die Hilfe des kleineren erkauft habe? Die bloße Vermuthung, daß er den Gedanken an eine solche unfürstliche und unmännliche Perfidie hegen könne, müsse schon als eine Beleidigung gegen ihn erscheinen. Allein was würde ihm Andres übrig bleiben? Und sei es nicht besser für ihn, er verweigere jetzt unbillige Zugeständnisse, als daß er diese Zugeständnisse nachher in einer Weise widerrufe, XII.60 die ihm Vorwürfe zuziehen würden, welche einem edlen Character unerträglich sein müßten? Seine Lage sei allerdings kritisch; aber in diesem, wie in anderen Fällen, werde es sich zeigen, daß der Pfad der Gerechtigkeit auch der Pfad der Weisheit sei.113

Obgleich sich Jakob in seiner Rede bei Eröffnung der Session gegen die Ansiedlungsacte erklärt hatte, sah er doch ein, daß diese Argumente unwiderleglich waren. Er hatte mehrere Conferenzen mit den leitenden Mitgliedern des Hauses der Gemeinen und empfahl dringend Mäßigung. Aber seine Vorstellungen stachelten die Leidenschaften, die er beschwichtigen wollte, nur noch mehr auf. Viele Mitglieder der eingebornen Gentry führten eine laute und heftige Sprache. Es sei unverschämt, sagten sie, von Rechten der Käufer zu sprechen. Wie könne Recht aus Unrecht hervorgehen? Leute, welche unrechtmäßig erworbenes Eigenthum kaufen könnten, müßten auch die Folgen ihrer Thorheit und Habsucht tragen. Es lag klar am Tage, daß das Unterhaus völlig unlenksam war. Vier Jahre früher hatte Jakob sich geweigert, dem dienstwilligsten Parlamente, das jemals in England getagt, das geringste Zugeständniß zu machen, und man hätte erwarten sollen, daß die Hartnäckigkeit, an der es ihm nie gefehlt, wenn sie ein Laster war, ihm auch jetzt nicht fehlen würde, wo sie eine Tugend gewesen wäre. Eine kurze Zeit lang schien er wirklich entschlossen, gerecht zu handeln. Er sprach sogar davon, das Parlament aufzulösen. Auf der andren Seite erklärten die Häupter der alten celtischen Familien ganz öffentlich, daß sie, wenn er ihnen ihr Erbe nicht zurückgebe, nicht für das seinige fechten würden. Seine eigenen Soldaten schmähten ihn in den Straßen von Dublin. Endlich beschloß er, sich, nicht mit Königsmantel und Krone, sondern in der Kleidung, in welcher er früher den Berathungen zu Westminster beizuwohnen pflegte, selbst ins Haus der Peers zu begeben und persönlich die Lords zu ersuchen, die Heftigkeit der Gemeinen zu zügeln. Aber als er eben zu diesem Zwecke in seinen Wagen steigen wollte, wurde er von Avaux zurückgehalten. Avaux nahm sich so eifrig wie nur irgend ein Irländer der Bills an, deren Einbringung die Gemeinen betrieben. Es war ihm genug, daß diese Bills Aussicht darauf eröffneten, die Feindschaft zwischen England und Irland unversöhnlich zu machen. Seine Vorstellungen bewogen Jakob, sich der offenen Opposition gegen die Aufhebung der Ansiedlungsacte zu enthalten. Indessen nährte der unglückliche Fürst doch noch immer eine schwache Hoffnung, daß das Gesetz, dessen Annahme die Gemeinen so eifrig wünschten, von den Peers verworfen oder wenigstens modificirt werden würde. Lord Granard, einer von den wenigen protestantischen Edelleuten, welche in diesem Parlamente saßen, verwendete sich energisch zu Gunsten des öffentlichen Vertrauens und der vernünftigen Politik. Der König ließ ihm seinen Dank dafür aussprechen. „Wir Protestanten,“ sagte Granard zu Powis, der im Auftrage des Königs zu ihm kam, „sind gering an Zahl. Wir können wenig thun. Se. Majestät sollte seinen Einfluß bei den Katholiken aufbieten.“ — „Se. Majestät“, entgegnete Powis mit einem Schwure, „wagt nicht zu sagen was er denkt.“ Wenige Tage darauf begegnete Jakob Lord Granard, als dieser eben nach dem Parlamentshause ritt. XII.61 „Wohin wollen Sie, Mylord?“ fragte der König. „Sire“, antwortete Granard, „ich will meinen Protest gegen die Aufhebung der Ansiedlungsacte einreichen.“ — „Sie haben Recht,“ versetzte der König, „aber ich bin in die Hände von Leuten gefallen, die mir das und noch vieles Andre aufzwingen werden.“114

Jakob fügte sich dem Willen der Gemeinen; aber der ungünstige Eindruck, den sein kurzer und schwacher Widerstand auf sie gemacht, war durch seine Unterwerfung nicht zu verwischen. Sie betrachteten ihn mit großem Mißtrauen, sie waren überzeugt, daß er im Herzen ein Engländer sei und es verging kein Tag ohne ein Anzeichen von dieser Gesinnung. Sie beeilten sich nicht, ihm eine Geldunterstützung zu bewilligen. Eine Partei unter ihnen beabsichtigte eine Adresse, die ihn dringend auffordern sollte, Melfort als einen Feind ihrer Nation zu entlassen. Eine andre Partei entwarf eine Bill zur Absetzung aller protestantischen Bischöfe, selbst der vier, welche damals gerade im Parlamente saßen. Nicht ohne Mühe gelang es Avaux und Tyrconnel, deren Einfluß im Unterhause den des Königs bei weitem überwog, den Eifer der Majorität zu dämpfen.115

109. Light to the Blind; An Act declaring that the Parliament of England cannot bind Ireland against Writs of Error and Appeals, gedruckt in London, 1690.

110. Das heißt derjenigen Irländer, welche nicht in ihrem Vaterlande wohnten. — Der Übersetzer.

111. An Act concerning Appropriate Tythes and other Duties payable to Eclesiastical Dignitaries. London 1690.

112. An Act for repealing the Acts of Settlement and Explanation, and all Grants, and Certificates pursuant to them or any of them. London 1690.

113. Siehe die Schrift, welche der Oberrichter Keating dem König Jakob überreichte, und die Rede des Bischofs von Meath. Beide befinden sich im Anhange zu King. Life of James, II. 357—361.

114. Leslie’s Answer to King; Avaux, 26. Mai (3. Juni) 1689; Life of James, II. 358.

115. Avaux, 28. Mai (7. Juni) und 30. Juni (10. Juli). Der Verfasser von Light to the Blind verwirft entschieden die den protestantischen Bischöfen, welche Jakob anhingen, bewiesene Nachsicht.

Prägung schlechten Geldes. Es ist bemerkenswerth, daß der König, während er das Vertrauen und die Zuneigung der irischen Gemeinen dadurch verlor, daß er auf der einen Seite die Institution des Eigenthums schwach gegen sie vertheidigte, auf einer andren Seite diese Institution mit einer Rücksichtslosigkeit angriff, welche womöglich noch stärker war als die ihrige. Er sah bald, daß kein Geld in seinen Schatz floß. Die Ursache war augenfällig genug. Mit dem Handel war es vorbei. Das bewegliche Kapital war in großen Massen aus der Insel weggezogen worden; von dem festen Kapital war viel zerstört, und das übrige lag todt da. Tausende von den Protestanten, welche den betriebsamsten und intelligentesten Theil der Bevölkerung bildeten, waren nach England ausgewandert. Tausend Andere hatten sich in die Städte geflüchtet, die sich noch für Wilhelm und Marien tapfer hielten. Von den in der Blüthe des Lebens stehenden katholischen Landleuten war die Mehrzahl in die Armee eingetreten oder hatte sich Plündererhorden angeschlossen. Die Armuth des Schatzes war die nothwendige Folge der Armuth des Landes; dem öffentlichen Wohlstande konnte nur durch Wiederherstellung des Privatwohlstandes aufgeholfen werden, und der Privatwohlstand konnte nur durch Jahre der Ruhe und Sicherheit wiederhergestellt werden. Jakob war einfältig genug zu glauben, daß es ein rascheres und wirksameres Mittel gebe. Er glaubte sich ganz einfach dadurch mit einem Male aus seinen finanziellen Verlegenheiten reißen zu können, daß er einen Farthing einen Schilling nannte. Das Recht, Geld zu schlagen, war unstreitig eine Perle der Prärogative, und seiner Ansicht nach schloß das Recht, Geld zu schlagen, auch das Recht in sich, die Münzen zu verschlechtern. Töpfe, Pfannen, Thürhämmer, Kanonen, welche seit langer Zeit unbrauchbar waren, wurden in die Münze geschickt, und in Kurzem waren Massen geringhaltigen Geldes im Nominalwerthe von einer Million Pfund Sterling, die XII.62 aber in Wirklichkeit nicht den sechsten Theil dieser Summe werth waren, in Circulation gesetzt. Ein königliches Edict erklärte diese Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel bei allen Vorkommnissen. Eine Hypothek von tausend Pfund wurde durch einen Sack voll Rechenpfennige, die aus alten Kesseln verfertigt waren, abgelöst. Den Gläubigern, die sich beim Kanzleigerichtshofe beschwerten, sagte Fitton, sie sollten ihr Geld nehmen und stillschweigen. Von allen Klassen aber hatten die Kleinhändler von Dublin, welche größtentheils Protestanten waren, die schwersten Verluste. Zuerst erhöhten sie natürlich ihre Preise; aber die Magistratsbehörde der Stadt begegnete dieser ketzerischen Machination durch Ausgabe eines die Preise regulirenden Tarifs. Jeder, der der jetzt dominirenden Kaste angehörte, konnte in einen Laden gehen, ein drei Pence werthes Geldstück auf den Ladentisch legen und dafür Waaren im Werthe von einer halben Guinee mitnehmen. Von gesetzlicher Abhilfe war keine Rede. Die Leidenden schätzten sich sogar glücklich, wenn sie durch Aufopferung ihres Geschäftsvermögens Sicherheit für ihre Glieder und ihr Leben erkaufen konnten. Es gab keinen Bäckerladen in der Stadt, der nicht beständig von zwanzig bis dreißig Soldaten belagert gewesen wäre. Einige Personen, die das schlechte Geld nicht nehmen wollten, wurden von Soldaten festgenommen und vor den Generalprofoß geführt, der sie mit Flüchen und Verwünschungen überhäufte, sie in dunkle Zellen einsperren ließ und durch die Drohung, sie an ihren eigenen Thüren aufhängen zu wollen, ihren Widerstand bald besiegte. Von allen Plagen der damaligen Zeit machte keine einen tieferen und nachhaltigeren Eindruck auf die Gemüther der Protestanten Dublin’s als die Plage des Kupfergeldes.116 Den Erinnerungen an die Bestürzung und Noth, welche Jakob’s Münzen verursacht hatten, muß zum Theil der beharrliche Widerstand zugeschrieben werden, den fünfunddreißig Jahre später zahlreiche, dem Hause Hannover treuergebene Klassen in der Angelegenheit des Wood’schen Patents der Regierung Georg’s I. entgegensetzten.

Es kann nicht bestritten werden, daß Jakob, indem er so aus eigner Machtvollkommenheit die Bedingungen aller Contracte im ganzen Königreiche umstürzte, sich eine Befugniß anmaßte, welche nur der gesammten Legislatur zukam. Dennoch remonstrirten die Gemeinen nicht dagegen. Es gab keine Befugniß, mochte sie auch noch so verfassungswidrig sein, die sie ihm nicht zuzugestehen bereit waren, so lange er sie zur Mißhandlung und Ausplünderung der englischen Bevölkerung anwendete. Dagegen respectirten sie keine auch noch so alte, noch so gesetzliche und noch so heilsame Prärogative, wenn sie besorgten, daß er sich derselben bedienen könnte, um die verabscheute Race zu beschützen. Sie ruhten nicht eher, als bis sie ihm die mit Widerstreben ertheilte Genehmigung eines empörenden Gesetzes, eines Gesetzes, das in der Geschichte der civilisirten Länder seines Gleichen nicht hat, der großen Verurtheilungsacte (Bill of attainder) erpreßt hatten.

116. King, III. 11; Brief Memoirs by Haynes, Assay Master of the Mint, unter den Lansdownmanuscripten im britischen Museum, Nr. 801. Ich habe mehrere solche Münzen gesehen. Die Ausführung ist, in Berücksichtigung aller Umstände, überraschend gut.

Die große Verurtheilungsacte. Es wurde eine Liste zusammengestellt, welche zwischen zwei- und dreitausend Namen enthielt. An XII.63 der Spitze standen die Hälfte der Peers von Irland. Dann kamen Baronets, Ritter, Geistliche, Squires, Kaufleute, Landwirthe, Handwerker, Frauen und Kinder. Eine Untersuchung fand nicht statt. Jedes Mitglied, das sich eines Gläubigers, eines Nebenbuhlers, eines Privatfeindes entledigen wollte, gab dem Sekretär den Namen an, und er wurde in der Regel ohne Discussion in die Liste eingetragen. Die einzige Debatte, von der eine Nachricht auf uns gekommen ist, bezog sich auf den Earl von Strafford. Er hatte Freunde im Hause, die es wagten, etwas zu seinen Gunsten anzuführen. Doch wenige Worte aus dem Munde Simon Luttrell’s entschieden die Sache. „Ich habe,“ sagte er, „den König einige harte Äußerungen über diesen Lord thun hören.“ Dies wurde für genügend erachtet, und der Name Strafford nimmt in der langen Liste der Proscribirten die fünfte Stelle ein.117

Es wurden bestimmte Tage festgesetzt, bis zu welchen Diejenigen, deren Namen auf der Liste standen, sich einer Justiz stellen mußten, wie sie damals gegen die englischen Protestanten in Dublin ausgeübt wurde. Befand sich die proscribirte Person in Irland, so mußte sie sich am 10. August stellen. War sie seit dem 5. November 1688 von Irland abwesend, so mußte sie sich am 1. September stellen. Hatte sie Irland vor dem 5. November 1688 verlassen, so mußte sie sich am 1. October stellen. Erschien sie an dem festgesetzten Tage nicht, so sollte sie ohne Prozeß aufgehängt, geschleift und geviertheilt und ihr Vermögen confiscirt werden. Es konnte einem Proscribirten physisch unmöglich sein, sich bis zu der durch die Acte festgesetzten Zeit zu stellen. Er konnte bettlägerig sein, er konnte sich in Westindien aufhalten oder er konnte im Gefängniß sitzen. Solche Fälle waren in der That notorisch vorhanden. Unter den verurtheilten Lords befand sich auch Mountjoy. Er war durch Tyrconnel’s Niederträchtigkeit bewogen worden, vertrauensvoll nach Saint-Germains zu gehen, war in die Bastille geworfen worden, wo er noch saß, und das irische Parlament schämte sich nicht zu verfügen, daß, wenn er nicht binnen wenigen Wochen aus seiner Zelle entkommen und sich in Dublin stellen könne, er hingerichtet werden solle.118

Da man nicht einmal vorgab, daß die Schuld der so Geächteten untersucht worden sei, da nicht ein Einziger unter ihnen zu seiner Vertheidigung angehört worden war, und da es ausgemacht war, daß es Vielen physisch unmöglich sein würde, rechtzeitig zu erscheinen, so lag es auf der Hand, daß nur eine umfassende Ausübung des königlichen Begnadigungsrechts die Verübung von so haarsträubenden Ungerechtigkeiten verhüten konnte, die selbst in der traurigen Geschichte der irländischen Wirren ohne Beispiel dastehen. Daher beschlossen die Gemeinen, daß das königliche Begnadigungsrecht beschränkt werden solle. Es wurden verschiedene Formalitäten ersonnen, welche die Erlangung von Begnadigungen erschweren und kostspielig machen sollten, und schließlich wurde verordnet, daß jede Begnadigung, die Se. Majestät nach dem letzten November 1689 irgend einer der vielen Hundert ohne Prozeß zum Tode verurtheilten Personen zu Theil werden ließe, durchaus ungültig und wirkungslos sein sollte. Sir Richard Nagle erschien im Ornate vor den Lords und überreichte die Bill XII.64 mit einer der Gelegenheit würdigen Rede. „Viele von den hier Proscribirten,“ sagte er, „sind durch uns genügende Beweise als Verräther überführt. In Betreff der Anderen haben wir den allgemeinen Ruf, in dem sie stehen, für maßgebend erachtet.“119 Die Liste war mit so rücksichtsloser Barbarei zusammengestellt, daß selbst fanatische Royalisten, die zu der nämlichen Zeit ihr Vermögen, ihre Freiheit und ihr Leben für Jakob auf’s Spiel setzten, nicht sicher vor der Proscription waren. Der gelehrteste Mann, dessen die jakobitische Partei sich rühmen konnte, war Heinrich Dodwell, Camdenianischer Professor an der Universität Oxford. In der Vertheidigung der erblichen Monarchie scheute er kein Opfer und keine Gefahr. Mit Bezug auf ihn sprach Wilhelm die denkwürdigen Worte aus: „Er hat sich vorgenommen ein Märtyrer zu werden, und ich habe mir vorgenommen, sein Vorhaben zu vereiteln.“ Aber Jakob war gegen Freunde grausamer als Wilhelm gegen Feinde. Dodwell war Protestant und besaß etwas Grundeigenthum in Connaught; diese Verbrechen waren hinreichend, um ihn in die lange Liste Derer aufzunehmen, welche zum Galgen und zum Viertheilen verurtheilt waren.120

Daß Jakob seine Zustimmung zu einer Bill geben werde, die ihm das Begnadigungsrecht entzog, hielten viele Leute für unmöglich. Er war vier Jahre früher lieber mit dem loyalsten Parlamente zerfallen, als daß er eine Prärogative aufgegeben hätte, die ihm nicht einmal gehörte. Es ließ sich daher wohl erwarten, daß er jetzt Alles daran setzen würde, um eine Prärogative zu behalten, die seine Vorgänger seit dem Bestehen der Monarchie zu allen Zeiten besessen hatten und die von den Whigs niemals bestritten worden war. Die strenge Miene und die erhobene Stimme, womit er die Torygentlemen zurechtgewiesen, die ihn in der Sprache der tiefsten Ehrerbietung und der innigsten Zuneigung beschworen, sich der Beobachtung der Gesetze nicht zu entziehen, würden jetzt an ihrem Platze gewesen sein. Er hätte wohl sehen können, daß der rechte Weg der weiseste war. Hätte er bei dieser hochwichtigen Gelegenheit den Muth gehabt, zu erklären, daß er unschuldiges Blut nicht vergießen und selbst bezüglich der Schuldigen sich des Rechts nicht entäußern wolle, die Verurtheilungen durch Gnade zu mildern, so würde er in England mehr Herzen gewonnen haben, als er in Irland verloren hätte. Aber sein Unstern wollte jederzeit, daß er widerstand, wo er hätte nachgeben sollen, und daß er nachgab, wo er hätte widerstehen sollen. Das abscheulichste aller Gesetze erhielt seine Sanction, und seine Schuld wird nur sehr wenig dadurch gemildert, daß er diese Sanction mit einigem Widerstreben gab.

Damit nichts fehlen möchte, um dieses große Verbrechen vollkommen zu machen, war man sorgfältig darauf bedacht zu verhüten, daß die verurtheilten Personen ihre Verurtheilung früher als nach Ablauf der in der Acte festgesetzten Gnadenfrist erfuhren. Die Liste der Namen wurde nicht veröffentlicht, sondern in Fitton’s Cabinet sorgfältig verschlossen gehalten. Einige Protestanten, die es noch mit Jakob hielten, aber gern wissen wollten, XII.65 ob einer ihrer Freunde oder Verwandten proscribirt war, gaben sich alle mögliche Mühe, um Einsicht in die Liste zu erlangen; aber Bitten, Vorstellungen und selbst Bestechungen waren erfolglos. Nicht ein einziges Exemplar kam ins Publikum, bis es für die Tausende, welche ohne Prozeß verurtheilt waren, zu spät war, Begnadigung zu erlangen.121

117. King III. 12.

118. An Act for the Attainder of divers Rebels and for preserving the Interest of loyal Subjects, London 1690.

119. King III. 13.

120. Sein Name steht in der ersten Columne auf Seite 30 derjenigen Ausgabe der Liste, welche am 26. März 1690 die Druckerlaubniß erhielt. Ich hatte geglaubt, der Proscribirte müsse ein andrer Heinrich Dodwell gewesen sein. Aber Bischof Kennet’s zweiter Brief an den Bischof von Carlisle vom Jahre 1716 hebt jeden Zweifel über diesen Gegenstand.

121. A list of most of the Names of the Nobility, Gentry and Commonalty of England and Ireland (amongst whom are several Women and Children) who are all, by an Act of a Pretended Parliament assembled in Dublin, attainted of High Treason, 1699; An Account of the Transactions of the late King James in Ireland, 1690; King, III. 13; Memoirs of Ireland 1716.

Jakob prorogirt sein Parlament. Gegen Ende des Monats Juli prorogirte Jakob die beiden Häuser. Sie waren aber zehn Wochen versammelt gewesen, und während dieses Zeitraums hatten sie auf das Vollständigste bewiesen, daß, so groß auch die Übel gewesen sind, welche das Übergewicht der Protestanten in Irland hervorgerufen, die durch das Übergewicht der Papisten erzeugten Übel noch größer gewesen sein würden. Daß die Colonisten, als sie den Sieg errungen hatten, ihn gröblich mißbrauchten und daß ihre Gesetzgebung viele Jahre lang ungerecht und tyrannisch war, ist sehr wahr. Aber nicht minder wahr ist es, daß sie das entsetzliche Beispiel, das ihr besiegter Feind während des kurzen Zeitraums gab, wo er im Besitz der Macht war, nie ganz erreichten.

Verfolgung der Protestanten in Irland. In der That, während Jakob sich laut rühmte, ein Gesetz erlassen zu haben, das allen Religionsgesellschaften völlige Gewissensfreiheit gewährte, wüthete in allen Provinzen, die seine Autorität anerkannten, eine eben so grausame Verfolgung wie die im Languedoc. Diejenigen, welche eine Entschuldigung für ihn zu finden wünschten, sagten, daß fast alle Protestanten, die sich noch in Munster, Connaught und Leinster aufhielten, seine Feinde seien und daß er sie nicht als Schismatiker, sondern als Rebellen von Gesinnung, denen es nur an einer Gelegenheit fehlte, Rebellen der That zu werden, der Unterdrückung und Beraubung preis gebe, und dieser Entschuldigung hätte man einiges Gewicht zugestehen können, wenn er sich ernstlich bemüht hätte, die wenigen Colonisten zu beschützen, welche zwar dem reformirten Glauben treu anhingen, aber doch noch immer an den Lehren vom Nichtwiderstande und von dem unveräußerlichen Erbrechte festhielten. Aber selbst diese ergebenen Royalisten sollten erfahren, daß ihre Ketzerei in seinen Augen ein Verbrechen war, das durch keine Dienste und durch keine Opfer gesühnt werden konnte. Einige Cavaliere, Mitglieder der anglikanischen Kirche, die ihn in Irland willkommen geheißen und in seinem Parlamente gesessen hatten, stellten ihm vor, daß, wenn die Verordnung, welche jedem Protestanten den Besitz irgend einer Waffe verbot, streng durchgeführt werden sollte, ihre Landhäuser den Rapparees preisgegeben sein würden, und erlangten von ihm die Erlaubniß, soviel Waffen behalten zu dürften, als sie für einige Diener brauchten. Allein Avaux machte Gegenvorstellungen. Die Erlaubniß, sagte er, werde gröblich gemißbraucht, man dürfe diesen protestantischen Lords nicht trauen, sie verwandelten ihre Häuser in Festungen, und Se. Majestät werde bald Ursache haben, seine Güte zu bereuen. Diese Vorstellungen gewannen die Oberhand und es wurden katholische Truppen in den verdächtigen Wohnungen einquartiert.122

XII.66

Noch härter war das Loos derjenigen protestantischen Geistlichen, welche mit verzweifelter Treue der Sache des Gesalbten des Herrn anhingen. Von allen anglikanischen Geistlichen scheint Cartwright derjenige gewesen zu sein, der sich der Gewogenheit Jakob’s im bedeutendsten Maße erfreute. Ob Cartwright lange hätte ein Günstling bleiben können, ohne Apostat zu werden, steht zu bezweifeln. Er starb wenige Wochen nach seiner Ankunft in Irland, und von diesem Augenblicke an besaß seine Kirche keinen Verfechter ihrer Sache mehr. Indessen fuhren einige von ihren Prälaten und Priestern noch fort diejenigen Lehren zu predigen, die sie in den Tagen der Ausschließungsbill gepredigt hatten. Aber sie verrichteten ihre Functionen mit Gefahr ihres Lebens oder ihrer Glieder. Jeder, der einen Priesterrock trug, war eine Zielscheibe für die Beleidigungen und Gewaltthätigkeiten der Soldaten und Rapparees. In der Provinz wurde sein Haus geplündert, und er konnte von Glück sagen, wenn es ihm nicht über dem Kopfe angezündet wurde. In den Straßen von Dublin wurde er mit dem Rufe verfolgt: „Da geht so ein Teufel von Ketzer!“ Bald wurde er zu Boden geschlagen, bald mit Stockprügeln regalirt.123 Die Vorsteher der Universität zu Dublin, welche in der anglikanischen Lehre vom passiven Gehorsam erzogen waren, hatten Jakob bei seiner ersten Ankunft im Schlosse begrüßt und von ihm die Zusicherung erhalten, daß er sie im Genusse ihres Eigenthums und ihrer Vorrechte schützen werde. Sie wurden jetzt, ohne Prozeß, ohne Anklage, aus ihrem Hause geworfen. Die Communiongeräthe der Kapelle, die Bücher der Bibliothek, ja selbst die Stühle und Betten der Collegiaten wurden weggenommen. Ein Theil des Gebäudes wurde in ein Magazin, ein andrer in eine Kaserne, ein dritter in ein Gefängniß verwandelt. Simon Luttrell, welcher Gouverneur der Hauptstadt war, wurde mit großer Mühe und nur durch mächtige Fürsprache bewogen, die vertriebenen Fellows und Studenten ungehindert abziehen zu lassen. Er gestattete ihnen endlich in Freiheit zu bleiben unter der Bedingung, daß bei Todesstrafe nicht drei von ihnen sich versammelten.124 Kein protestantischer Geistlicher wurde härter betroffen als Doctor Wilhelm King, Dechant zu St. Patrick. Er hatte sich seit langer Zeit durch die glühende Begeisterung ausgezeichnet, mit der er die Pflicht des passiven Gehorsams selbst gegen die schlechtesten Regenten eingeschärft. Zu einer späteren Zeit, als er eine Vertheidigung der Revolution geschrieben und von der neuen Regierung eine Mitra angenommen hatte, erinnerte man ihn daran, daß er die göttliche Rache auf die Usurpatoren herabgerufen und erklärt hatte, lieber hundert Mal den Tod erleiden zu wollen, ehe er der Sache des erblichen Rechts untreu würde. Er hatte gesagt, daß die wahre Religion wohl oft durch Verfolgung gekräftigt worden sei, aber nie durch Rebellion gekräftigt werden könne, daß der Tag, an welchem ein ganzer Karren voll von Geistlichen der Kirche von England für die Lehre vom Nichtwiderstande zum Galgen ginge, ein glorreicher Tag für diese Kirche sein würde, und daß es sein höchster Ehrgeiz sei, zu einer solchen Gesellschaft zu gehören.125 Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er, als er dies sagte, auch dachte wie er sprach. Aber wenn auch seine Grundsätze XII.67 vielleicht gegen die Strenge und die Versprechungen Wilhelm’s Stand gehalten haben würden, gegen Jakob’s Undankbarkeit waren sie nicht probefest. Die menschliche Natur machte endlich ihre Rechte geltend. Nachdem King von der Regierung, deren fester Anhänger er war, zu wiederholten Malen ins Gefängniß geworfen, nachdem er in seiner eignen Kirche von den Soldaten insultirt und bedroht, nachdem ihm untersagt worden, auf seinem Kirchhofe zu begraben und auf seiner Kanzel zu predigen, nachdem er einem auf der Straße gegen ihn abgefeuerten Flintenschusse kaum mit dem Leben entronnen war, fing er an, die whiggistische Regierungstheorie für weniger unvernünftig und unchristlich zu halten, als sie ihm früher vorgekommen war, und er überredete sich, daß die unterdrückte Kirche mit Fug und Recht die Befreiung annehmen dürfe, wenn es Gott gefiele, ihr solche, gleichviel durch welche Mittel, zu senden.

122. Avaux, 27. Juli (6. August) 1689.

123. King’s State of the Protestants in Ireland, III. 19.

124. King’s State of the Protestants in Ireland, III. 15.

125. Leslie’s Answer to King.

Wirkung der aus Irland kommenden Nachrichten in England. Es zeigte sich bald, daß Jakob wohlgethan haben würde, wenn er auf diejenigen Rathgeber gehört hätte, die ihm gesagt hatten, die Maßregeln, durch welche er sich in einem seiner drei Königreiche beliebt zu machen versuchte, würden ihn in den anderen verhaßt machen. Es war in mancher Hinsicht ein Glück für England, daß er, nachdem er aufgehört hatte, daselbst zu regieren, noch über ein Jahr in Irland regierte. Auf die Revolution war ein Umschwung der öffentlichen Meinung zu seinen Gunsten gefolgt. Hätte diese Reaction ihren ungestörten Fortgang genommen, so würde sie vielleicht angehalten haben, bis er wieder König war; aber sie wurde durch ihn selbst gewaltsam unterbrochen. Er wollte sein Volk nichts vergessen und nichts hoffen lassen; während es sich bemühte, Entschuldigungen für seine vergangenen Fehler aufzufinden, und sich einzureden suchte, daß er nicht wieder in diese Fehler verfallen werde, zwang er den Leuten gegen ihren Willen die Überzeugung auf, daß er unverbesserlich sei, daß die härtesten Strafen des Mißgeschicks ihn nichts gelehrt, und daß, wenn sie schwach genug sein sollten, ihn zurückzurufen, sie ihn bald wieder würden absetzen müssen. Umsonst schrieben die Jakobiten Pamphlets über die Grausamkeit, mit der er von seinen nächsten Blutsverwandten behandelt worden sei, über den herrschsüchtigen Character und die schroffen Manieren Wilhelm’s, über die den Holländern zu Theil gewordenen Begünstigungen, über die drückenden Abgaben, über die Suspension der Habeas-Corpusacte und über die Gefahren, welche der Kirche von Seiten der Feindschaft der Puritaner und der Latitudinarier drohten. Jakob widerlegte diese Pamphlete viel wirksamer als die gewandtesten und beredtesten whiggistischen Schriftsteller zusammengenommen es vermocht haben würden. Jede Woche kam die Nachricht, daß er eine neue Acte zur Beraubung oder Ermordung der Protestanten erlassen hatte. Jeder Colonist, dem es gelang, von Leinster über das Meer nach Holyhead oder Bristol zu entkommen, brachte entsetzliche Berichte mit von der Tyrannei, unter der seine Glaubensbrüder seufzten. Welchen Eindruck diese Berichte auf die Protestanten unsrer Insel machten, kann man leicht aus der Thatsache schließen, daß sie den Unwillen Ronquillo’s, eines Spaniers und bigotten Mitgliedes der römischen Kirche, erregten. Er schrieb seinem Hofe, daß, obwohl die englischen Gesetze gegen den Papismus streng erscheinen möchten, sie doch durch die Besonnenheit und Humanität der Regierung so sehr gemildert würden, daß sie ruhigen Leuten nicht lästig fielen, und er versicherte dem heiligen Stuhle, daß die Leiden eines XII.68 Katholiken in London nichts seien im Vergleich zu den Leiden eines Protestanten in Irland.126

Die englischen Flüchtlinge fanden in England herzliche Theilnahme und freigebige Unterstützung. Viele wurden in den Häusern von Freunden oder Verwandten aufgenommen; viele Andere aber verdankten die Mittel zu ihrem Unterhalt der Freigebigkeit von Fremden. Unter Denen, die sich an diesem Werke der Barmherzigkeit betheiligten, trug Niemand in reicherem Maße und mit weniger Ostentation dazu bei als die Königin. Das Haus der Gemeinen stellte dem Könige funfzehntausend Pfund zur Unterstützung derjenigen Flüchtlinge zur Verfügung, die derselben am dringendsten bedurften, und ersuchte ihn, den zum Militärdienste Befähigten Offizierspatente in der Armee zu geben.127 Auch wurde eine Acte erlassen, welche bepfründete Geistliche, die aus Irland entflohen waren, zur Anstellung in England befähigt erklärte.128 Doch die Theilnahme, welche die Nation diesen unglücklichen Gästen schenkte, war lau im Vergleich zu der Theilnahme, welche derjenige Theil der sächsischen Colonie erweckte, der in Ulster noch immer einen verzweifelten Kampf gegen eine erdrückende Übermacht unterhielt. Über diesen Gegenstand ließ sich auf unsrer Insel kaum eine einzige abweichende Stimme vernehmen. Whigs und Tories, ja selbst diejenigen Jakobiten, in denen der Jakobitismus noch nicht alles patriotische Gefühl erstickt hatte, priesen den Ruhm von Enniskillen und Londonderry. Das ganze Haus der Gemeinen war eines Sinnes. „Es ist jetzt nicht Zeit, die Kosten zu berechnen,“ sagte der wackere Birch, der sich noch sehr wohl der Art der Kriegführung Olivers gegen die Irländer erinnerte. „Sollen wir diese braven Leute in Londonderry im Stich lassen? Wird nicht die ganze Welt Schimpf und Schande über uns rufen, wenn wir sie dem Untergange preis geben? Man hat die Einfahrt in den Fluß versperrt! Warum haben wir den Sperrbaum nicht längst zertrümmert? Sollen unsere Brüder fast angesichts England’s, wenige Stunden Wegs von unseren Küsten umkommen?“129 Howe, der Heftigste der einen Partei, erklärte, daß die Herzen des Volks für Irland schlügen. Seymour, das Haupt der andren Partei, erklärte, daß, obwohl er an der Einsetzung der neuen Regierung nicht Theil genommen, er sie von Herzen gern in Allem, was zur Erhaltung Irland’s für nöthig erachtet werden möchte, unterstützen werde.130 Die Gemeinen ernannten einen Ausschuß, der die Ursache der Verzögerungen und Fehlgriffe untersuchen sollte, welche den englischen Bewohnern von Ulster fast zum Verderben gereicht hätten. Die Offiziere, deren Verrätherei oder Feigheit das Publikum die Calamitäten Londonderry’s zuschrieb, wurden gefänglich eingezogen. Lundy wurde in den Tower, Cunningham in das Gate House geschickt. Die öffentliche Aufregung wurde einigermaßen beschwichtigt durch die Ankündigung, daß noch vor Ablauf des Sommers eine Armee von hinreichender Stärke, um XII.69 das englische Übergewicht wiederherzustellen, über den St. Georgskanal geschickt und daß Schomberg das Commando erhalten sollte. Vor der Hand wurde ein Armeecorps, das man zum Entsatz von Londonderry für genügend hielt, unter Kirke’s Commando von Liverpool abgesandt. Die finstre Hartnäckigkeit, mit der dieser Mann, trotz königlicher Bitten, an seinem Glauben festgehalten, und der Antheil, den er an der Revolution genommen, hatten ihm vielleicht Anspruch auf eine Amnestie für frühere Verbrechen verschafft. Aber es ist schwer zu begreifen, warum die Regierung zu einem Posten von höchster Wichtigkeit einen Offizier wählte, der allgemein und mit Recht verhaßt war, der nie ein eminentes Feldherrntalent gezeigt und der, in Afrika sowohl wie in England, unter seinen Soldaten erwiesenermaßen eine nicht nur die Humanität empörende, sondern auch mit der Disciplin unverträgliche Zügellosigkeit geduldet hatte.

126. „En comparazion de lo que se hace in Irlanda con los Protestantes, es nada.“ 29. April (9. Mai) 1689. — „Para que vea Su Santitad que aqui estan los Catolicos mas benignamente tratados que les Protestantes in Irlanda.“ 19.(29.) Juni.

127. Commons’ Journals, June 15. 1689.

128. Stat. 1 W. & M. sess. I. c. 29.

129. Grey’s Debates, June 19. 1689.

130. Ibid. June 22. 1689.

Thaten der Enniskillener. Am 16. Mai wurden Kirke’s Truppen eingeschifft, und am 20. gingen sie unter Segel; aber widrige Winde verzögerten die Überfahrt und zwangen das Geschwader, lange vor der Insel Man liegen zu bleiben. Unterdessen vertheidigten sich die Protestanten von Ulster mit unerschütterlichem Muthe gegen eine große Übermacht. Die Enniskillener hatten nicht aufgehört, einen energischen Parteikrieg gegen die eingeborne Bevölkerung zu führen. Anfangs Mai marschirten sie einem starken Truppencorps aus Connaught entgegen, das in Donegal eingefallen war. Die Irländer wurden bald geschlagen und flohen mit einem Verlust von hundertzwanzig Todten und sechzig Gefangenen nach Sligo. Zwei kleine Geschütze und mehrere Pferde fielen den Siegern in die Hände. Durch diesen Sieg ermuthigt, fielen die Enniskillener bald darauf in die Grafschaft Cavan ein, trieben funfzehnhundert Mann von Jakob’s Truppen vor sich her, nahmen und zerstörten das Schloß Ballincarrig, das für das festeste in diesem Theile des Königreichs galt, und nahmen die Piken und Gewehre der Besatzung mit sich. Der nächste Einfall erfolgte in Meath. Hier wurden dreitausend Rinder und zweitausend Schafe mit fortgeführt und auf der kleinen Insel des Ernesees in Sicherheit gebracht. Diese kühnen Thaten verbreiteten Schrecken bis vor die Thore Dublin’s. Der Oberst Hugo Sutherland erhielt Befehl, mit einem Regiment Dragonern und zwei Regimentern Infanterie gegen Enniskillen zu marschiren. Er nahm Waffen für das eingeborne Landvolk mit und Viele schlossen sich seiner Fahne an. Die Enniskillener marschirten ihm entgegen. Er nahm jedoch keine Schlacht an, sondern zog sich zurück und ließ seine Vorräthe unter der Obhut eines Detachements von dreihundert Soldaten in Belturbet. Die Protestanten griffen Belturbet kräftig an, besetzten ein hochgelegenes Haus, das die Stadt beherrschte, und eröffneten von hier aus ein so wirksames Feuer, daß nach Verlauf von zwei Stunden die Besatzung sich ergab. Siebenhundert Flinten, eine bedeutende Quantität Schießpulver, eine Menge Pferde, viele Säcke Zwieback und viele Fässer Mehl wurden erbeutet und nach Enniskillen geschickt. Die Böte, welche diese werthvolle Beute brachten, wurden freudig bewillkommnet. Die Besorgniß vor einer Hungersnoth war dadurch beseitigt. Während die eingeborne Bevölkerung in vielen Grafschaften, wahrscheinlich in der Erwartung, daß sich das Maraudiren als eine unerschöpfliche Hilfsquelle erweisen werde, die Bodencultur völlig vernachlässigte, hatten die Colonisten, treu dem vorsorgenden und betriebsamen Character ihres Stammes, mitten im Kriege nicht versäumt, XII.70 den Boden in der Umgebung ihrer Besten sorgfältig zu bebauen. Die Ernte war jetzt nicht mehr fern und bis zur Ernte reichten die dem Feinde abgenommenen Lebensmittel vollkommen aus.131

131. Hamilton’s True Relation; Mac Cormick’s Further Account. Von der Insel im Allgemeinen sagt Avaux: „On n’attend rien de cette recolte cy, les paysans ayant presque tous pris les armes.“ — Brief an Louvois vom 19.(29.) März 1689.

Noth in Londonderry. Doch inmitten des Sieges und des Überflusses wurden die Enniskillener von ängstlicher Besorgniß um Londonderry gequält. Sie waren mit den Vertheidigern dieser Stadt nicht allein durch religiöse und nationale Sympathie, sondern auch durch ein gemeinsames Interesse verbunden. Denn es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß, wenn Londonderry fiel, die ganze irische Armee augenblicklich mit unwiderstehlicher Macht gegen den Ernesee vorrücken würde. Doch was konnte man thun? Einige tapfere Männer waren dafür, einen verzweifelten Versuch zum Entsatz der belagerten Stadt zu machen; aber die Übermacht war zu groß. Es wurden indessen Detachements abgesandt, welche die Nachhut des Belagerungsheeres beunruhigten, die Zufuhren abschnitten und einmal die Pferde von drei ganzen Reitertrupps wegnahmen.132 Die Postenkette aber, welche Londonderry auf der Landseite einschloß, war noch nicht durchbrochen, und auch der Fluß war noch immer versperrt und sorgfältig bewacht. In der Stadt war die Noth auf’s höchste gestiegen. Schon am 8. Juni war fast kein andres Fleisch mehr zu haben als Pferdefleisch und selbst davon war der Vorrath nur gering. Dem Mangel mußte mit Talg abgeholfen werden, und auch dieser wurde mit karger Hand vertheilt.

132. Hamilton’s True Account.

Ankunft des Expeditionscorps unter Kirke im Foylesee. Am 15. Juni zeigte sich ein Schimmer von Hoffnung. Die Schildwachen auf dem Thurme der Kathedrale erblickten in einer Entfernung von neun Meilen Segel in der Bucht des Foylesees. Man zählte dreißig Fahrzeuge verschiedener Größe. Man gab auf den Thürmen Signale, welche von den Mastspitzen erwiedert, aber auf beiden Seiten nur unvollkommen verstanden wurden. Endlich umging ein Bote von der Flotte die irischen Schildwachen, schwamm unter dem Sperrbaum hindurch, und benachrichtigte die Besatzung, daß Kirke mit Truppen, Waffen, Munition und Lebensmitteln zum Entsatz der Stadt aus England angelangt sei.133

Mit der ängstlichsten Spannung harrte man in Londonderry der kommenden Dinge; aber auf wenige Stunden fieberhafter Freude folgten Wochen des größten Elends. Kirke hielt es nicht für gerathen, weder zu Lande noch zu Wasser einen Angriff auf die feindlichen Linien zu unternehmen und zog sich an die Einfahrt des Foylesees zurück, wo er mehrere Wochen unthätig vor Anker lag.

Jetzt steigerte sich die Hungersnoth mit jedem Tage. Alle Häuser der Stadt wurden auf das Genaueste durchsucht, und einige Lebensmittel, welche von Leuten, die seitdem gestorben oder geflüchtet, in den Kellern verborgen worden waren, wurden entdeckt und in die Magazine geschafft. Der Vorrath von Kanonenkugeln war fast erschöpft, und man bediente sich anstatt derselben schon mit Blei überzogener Backsteine. Krankheiten XII.71 stellten sich, wie immer, im Gefolge des Hungers ein. An einem Tage starben funfzehn Offiziere am Fieber und der Gouverneur Baker selbst gehörte zu Denen, die der Krankheit erlagen. Seine Stelle wurde durch den Obersten Johann Mitchelburne ersetzt.134

Inzwischen wurde es in Dublin bekannt, daß Kirke mit seinem Geschwader an der Küste von Ulster lag. Die Bestürzung war groß im Schlosse. Schon vor dem Eintreffen dieser Nachricht hatte Avaux sich dahin ausgesprochen, daß Richard Hamilton den Schwierigkeiten der Situation nicht gewachsen sei. Es war daher beschlossen worden, daß Rosen den Oberbefehl übernehmen sollte, und er war unverzüglich nach dem Kriegsschauplatze abgegangen.135

133. Walker.

134. Walker und Mackenzie.

135. Avaux, 16.(26.) Juni 1689.

Grausamkeit Rosen’s. Am 19. Juni kam er im Hauptquartier des Belagerungsheeres an. Zuerst versuchte er die Wälle zu unterminiren; aber sein Vorhaben wurde entdeckt und er gezwungen, es nach einem hitzigen Gefecht, in welchem über hundert seiner Leute fielen, wieder aufzugeben. Jetzt stieg seine Wuth auf eine unglaubliche Höhe. Er, ein alter Soldat, ein zukünftiger Marschall von Frankreich, in der Schule der größten Generäle erzogen und seit vielen Jahren an eine kunstgerechte Kriegführung gewöhnt, sollte sich von einem Hausen von Landjunkern, Pächtern und Krämern beschämen lassen, welche nur durch einen Wall geschützt waren, den jeder gute Ingenieur auf den ersten Blick für unhaltbar erklären mußte! Er tobte und fluchte in einer nur ihm eigenen Sprache, zusammengesetzt aus allen Dialecten, welche vom baltischen bis zum atlantischen Meere gesprochen wurden. Er wollte die Stadt der Erde gleich machen, kein lebendes Wesen sollte geschont werden, nichts, selbst die Mädchen und Säuglinge nicht. Für die Anführer sei der Tod eine zu milde Strafe, die sollten gefoltert und lebendig gebraten werden. In seiner Wuth ließ er eine Bombe mit einem Schreiben, das eine furchtbare Drohung enthielt, in die Stadt werfen. Er sagte darin, er werde alle Protestanten, welche zwischen Charlemont und dem Meere auf ihren Wohnsitzen geblieben wären, Greise, Frauen und Kinder, von denen viele durch Bande des Blutes und der Freundschaft den Vertheidigern von Londonderry nahe standen, zu einem Haufen zusammentreiben. Kein Schutz, von welcher Autorität er auch ausgehen möge, solle respectirt werden. Die so zusammengeholte Menge solle unter die Mauern von Londonderry getrieben und hier angesichts ihrer Landsleute, ihrer Freunde und ihrer Verwandten, dem Hungertode preis gegeben werden. Dies war keine leere Drohung. Es wurden sofort nach allen Richtungen hin Truppenabtheilungen entsendet, um Schlachtopfer herbeizuholen. Am Morgen des 2. Juli bei Tagesanbruch wurden Hunderte von Protestanten, welche keines Vergehens beschuldigt, welche unfähig waren Waffen zu tragen und von denen viele Schutzbriefe besaßen, welche Jakob selbst ihnen gewährt hatte, vor die Thore der Stadt geschleppt. Man hoffte, der jammervolle Anblick werde den Muth der Colonisten brechen; aber er brachte keine andre Wirkung hervor, als daß er ihren Muth zu noch größerer Energie aufstachelte. Es wurde auf der Stelle ein Tagesbefehl erlassen, daß Niemand, bei Todesstrafe, das Wort Übergabe aussprechen solle, und Keiner sprach XII.72 dieses Wort aus. Es befanden sich mehrere Gefangene hohen Ranges in der Stadt. Sie waren bis dahin gut behandelt worden und hatten die nämlichen Rationen erhalten, wie die Besatzung. Jetzt wurden sie in strenge Haft gebracht. Auf einer der Bastionen wurde ein Galgen errichtet und an Rosen ein Schreiben gesandt, das ihn aufforderte, sogleich einen Beichtvater in die Stadt zu schicken, der seine Freunde zum Tode vorbereiten sollte. Die Gefangenen schrieben ihrerseits in großer Angst an den wilden Liefländer, erhielten aber keine Antwort. Hierauf wendeten sie sich an ihren Landsmann, Richard Hamilton. Sie seien bereit, sagten sie, für ihren König ihr Blut zu vergießen, aber es scheine ihnen hart, in Folge der Barbarei ihrer eigenen Waffengefährten den schimpflichen Tod der Diebe zu sterben. Hamilton war, obwohl ein Mann von laxen Grundsätzen, nicht grausam. Rosen’s Unmenschlichkeit hatte seinen tiefen Abscheu erregt, da er aber nur der Zweite im Commando war, so durfte er es nicht wagen, Alles offen auszusprechen was er dachte. Er machte jedoch energische Vorstellungen. Einige irische Offiziere fühlten bei dieser Gelegenheit wie es braven Männern ziemte, und erklärten unter Thränen des Mitleids und Unwillens, daß sie zeitlebens das Geschrei der unglücklichen Frauen und Kinder hören würden, welche mit der Lanzenspitze herbeigetrieben worden waren, um zwischen dem Lager und der Stadt Hungers zu sterben. Rosen beharrte zweimalvierundzwanzig Stunden in seinem Plane, viele unglückliche Geschöpfe kamen in dieser Zeit um; aber Londonderry hielt sich so tapfer als je, und er sah ein, daß sein Verbrechen nur Haß und Schmähungen erzeugen werde. So gab er endlich nach und ließ die noch Lebenden wieder abziehen. Die Besatzung entfernte in Folge dessen alsbald den Galgen, der auf der Bastion errichtet worden war.136

Als die Nachricht von diesen Vorgängen nach Dublin gelangte, entsetzte sich Jakob, obwohl durchaus nicht zum Mitleid geneigt, über eine Grausamkeit, von der die Bürgerkriege England’s noch kein Beispiel aufzuweisen hatten, und vernahm mit großem Mißfallen, daß von ihm gewährte und mit seinem Ehrenwort verbürgte Schutzbriefe öffentlich für null und nichtig erklärt worden waren. Er beklagte sich darüber gegen den französischen Gesandten und äußerte mit einer durch die Gelegenheit vollkommen gerechtfertigten Entrüstung, daß Rosen ein barbarischer Moskowiter sei. Melfort konnte sich nicht enthalten hinzuzusetzen, daß, wenn Rosen ein Engländer gewesen wäre, er gehängt worden sein würde. Avaux begriff diese weibische Sentimentalität nicht. Seiner Ansicht nach war durchaus nichts Verwerfliches geschehen, und es wurde ihm schwer sich zu beherrschen, als er den König und den Sekretär einen Act heilsamer Strenge in starken Ausdrücken tadeln hörte.137 Der französische Gesandte und der französische General waren einander in der That würdig. In der äußeren Erscheinung und den Manieren war allerdings ein großer Unterschied zwischen dem hübschen, eleganten und feingebildeten Diplomaten, XII.73 dessen Gewandtheit und Liebenswürdigkeit an den elegantesten Höfen Europa’s in hohem Rufe gestanden, und dem militärischen Abenteurer, dessen Aussehen und Stimme Alle, die mit ihm in Berührung kamen, daran erinnerte, daß er in einem halbwilden Lande geboren war, daß er sich vom gemeinen Soldaten emporgeschwungen hatte und daß er einmal wegen Marodirens zum Tode verurtheilt worden war.

Rosen wurde nach Dublin zurückberufen, und Richard Hamilton erhielt wieder den Oberbefehl. Er versuchte mildere Mittel als die, welche seinem Vorgänger so harten Tadel zugezogen. Keine List, keine Lüge, von der sich erwarten ließ, daß sie die ausgehungerte Garnison entmuthigen würde, ward gespart. Eines Tages erscholl durch das ganze irische Lager ein allgemeines Freudengeschrei. Die Vertheidiger von Londonderry erfuhren bald, daß die Armee Jakob’s wegen des Falles von Enniskillen in so freudiger Aufregung sei. Man sagte ihnen, daß sie nun keine Aussicht auf Entsatz mehr hätten, und ermahnte sie durch Kapituliren ihr Leben zu retten. Sie willigten ein zu unterhandeln. Allein sie verlangten freien Abzug unter Waffen und in militärischer Ordnung zu Wasser oder zu Lande nach ihrer Wahl. Für die Einhaltung dieser Bedingungen verlangten sie Geiseln und bestanden darauf, daß diese Geiseln auf die im Foylesee liegende Flotte gebracht werden sollten. Auf solche Bedingungen durfte Hamilton nicht eingehen; die Gouverneurs aber wollten davon nichts nachlassen; die Unterhandlung wurde abgebrochen und der Kampf begann von neuem.138

136. Walker; Mackenzie; Light to die Blind, King, III. 13; Leslie’s Answer to King; Life of James, II. 366. Ich muß sagen, daß King bei dieser Gelegenheit ungerecht gegen Jakob ist.

137. Leslie’s Answer to King; Avaux, 5.(15.) Juli 1689. „Je trouvay l’expression bien forte: mais je ne voulois rien répondre, car le Roy s’estoit desja fort emporté.“

138. Mackenzie.

Die Hungersnoth in Londonderry steigt auf’s Höchste. So war inzwischen der Juli weit vorgerückt und die Lage der Stadt wurde von Stunde zu Stunde fürchterlicher. Die Einwohner waren mehr durch Hunger und Krankheit, als durch das feindliche Feuer gelichtet worden. Doch war dieses Feuer jetzt heftiger und anhaltender als je. Eines der Thore und eine der Bastionen waren in Trümmer geschossen, aber die am Tage gemachten Breschen wurden des Nachts mit rastloser Thätigkeit wieder ausgebessert und jeder Angriff noch immer zurückgeschlagen. Aber die kämpfende Mannschaft der Besatzung war so erschöpft, daß sie sich kaum noch auf den Füßen halten konnte. Einige fielen im Gefecht gegen den Feind aus bloßer Schwäche zu Boden. Es war nur noch ein ganz kleines Quantum Getreide vorhanden, das mundvollweise vertheilt wurde. Dagegen hatte man einen beträchtlichen Vorrath gesalzener Häute, und durch Nagen an denselben beschwichtigte die Garnison die Qualen des Hungers. Hunde, mit dem Blute der Gefallenen gemästet, welche unbeerdigt rings um die Stadt lagen, waren ein Luxus, den nur Wenige bezahlen konnten. Der Preis einer einzigen Pfote war fünf Schilling sechs Pence. Neun Pferde waren noch am Leben, aber eben nur noch am Leben. Sie waren so abgemagert, daß man nur wenig Fleisch von ihnen zu erhalten hoffen durfte. Man beschloß jedoch sie zu schlachten, um sie zu verzehren. Die Leute starben so massenhaft, daß es den Überlebenden unmöglich war, sie ordentlich zu begraben. Es gab kaum einen Keller, in dem nicht ein Leichnam verweste. Die Noth war so gräßlich, daß man auf die Ratten, welche in diese grauenvollen Höhlen kamen, um zu schmausen, eifrig Jagd machte und sie gierig verschlang. Ein im XII.74 Flusse gefangener kleiner Fisch war nicht mit Geld zu erkaufen; der einzige Preis, für den ein solcher Schatz zu erlangen war, waren einige Händevoll Hafermehl. Der Aussatz, wie er durch ungewohnte und ungesunde Kost erzeugt wird, machte das Leben zu einer fortwährenden Qual. Die ganze Stadt wurde durch den Gestank verpestet, den die Körper der Todten und Halbtodten verbreiteten. Daß unter Leuten, welche solches Elend erduldeten, Beispiele von Unzufriedenheit und Insubordination vorkamen, war unvermeidlich. Einmal hatte man Walker in dem Verdachte, daß er irgendwo Lebensmittel versteckt halte und im Geheimen schwelge, während er Andere ermahnte, für die gute Sache muthig zu leiden. Eine genaue Durchsuchung seines Hauses erwies seine vollkommene Unschuld; er erlangte seine Popularität wieder, und die Garnison, mit dem Tode vor Augen, drängte sich nach der Kathedrale, um ihn predigen zu hören, sog mit Wonne seine eindringlichen Worte ein und verließ das Gotteshaus mit leichenhaften Gesichtern und schwankenden Schritten, aber mit noch ungebrochenem Muthe. Es wurden allerdings einige geheime Complotte geschmiedet; einige obscure Verräther setzten sich mit dem Feinde in Verbindung. Aber solches Treiben mußte sorgfältig verborgen gehalten werden, und Niemand wagte öffentlich andere Worte als Worte des Trotzes und der hartnäckigen Entschlossenheit auszusprechen. Selbst in dieser entsetzlichen Noth war der allgemeine Ruf: „Keine Übergabe!“ Und es fehlte nicht an Stimmen, welche leise hinzusetzten: „Zuerst die Pferde und die Häute, dann die Gefangenen, dann Einer den Andren!“ Es wurde später halb scherzweise, aber nicht ohne eine fürchterliche Beimischung von Ernst erzählt, daß ein wohlbeleibter Bürger, dessen Körperumfang mit den ihn umgebenden Skeletten seltsam contrastirte, es für rathsam hielt, sich vor den zahlreichen Augen zu verbergen, die ihn mit cannibalischen Blicken verfolgten, sobald er sich auf der Straße zeigte.139

Die Leiden der Garnison wurden nicht wenig dadurch vermehrt, daß die englischen Schiffe während dieser ganzen Zeit weit draußen im Foylesee zu sehen waren. Jede Communication zwischen der Flotte und der Stadt war fast unmöglich. Ein Taucher, der den Sperrbaum zu passiren versucht hatte, war ertrunken. Ein Andrer wurde ergriffen und aufgehängt. Die Signalsprache war kaum verständlich. Am 13. Juli jedoch kam ein in einen Rockknopf genähtes Stück Papier in Walker’s Hände. Es war ein Brief von Kirke und enthielt die Zusicherung baldiger Erlösung. Aber mehr als vierzehn Tage des größten Elends waren seitdem verstrichen, und die Herzen auch der Sanguinischsten begannen zu verzweifeln. Keine Kunst vermochte es einzurichten, daß die Lebensmittel noch zwei Tage ausreichten.140

139. Walker’s Account. „Der fette Mann in Londonderry“ wurde eine sprüchwörtliche Bezeichnung für eine Person, deren Wohlstand den Neid und die Habgier seiner minder glücklichen Nebenmenschen erweckte.

140. So lautete, nach Narcissus Luttrell, der Bericht des Kapitains Withers, eines Offiziers, der sich später sehr auszeichnete und auf den Pope eine Grabschrift machte.

Angriff auf den Sperrbaum. Gerade in diesem Augenblicke erhielt Kirke eine Depesche aus England mit dem bestimmten Befehl, Londonderry zu entsetzen. In Folge dessen entschloß er sich endlich einen Versuch zu machen, den er, soweit es sich beurtheilen läßt, schon sechs XII.75 Wochen früher mit mindestens gleicher Aussicht auf Erfolg hätte unternehmen können.141

Unter den Kauffahrteischiffen, welche unter seinem Geleite in den Foylesee gekommen waren, befand sich eines, welches der Mountjoy hieß. Der Patron desselben, Micajah Browning, gebürtig aus Londonderry, hatte eine bedeutende Ladung Lebensmittel aus England mitgebracht. Er hatte sich zu wiederholten Malen sehr nachdrücklich über die Unthätigkeit des Geschwaders ausgesprochen; endlich erbot er sich, den gefährlichen Versuch, seinen Mitbürgern Unterstützung zu bringen, zuerst zu unternehmen, und sein Anerbieten wurde angenommen. Andreas Douglas, Kapitain des Phönix, der eine große Quantität Mehl aus Schottland an Bord hatte, erklärte sich bereit, die Gefahr und die Ehre zu theilen. Die Fregatte Dartmouth von sechsunddreißig Kanonen, unter den Befehlen des Kapitains Johann Leake, der später ein berühmter Admiral wurde, sollte die beiden Kauffahrer begleiten.

Es war der 30. Juli. Die Sonne war eben untergegangen, die Abendpredigt in der Kathedrale war vorüber und die muthlose Versammlung war auseinandergegangen, als die Schildwachen auf dem Thurme die Segel der drei Schiffe den Foyle heraufkommen sahen. Das irische Lager gerieth bald in Alarm. Mehrere Meilen weit auf beiden Ufern des Flusses waren die Belagerer auf den Beinen. Die Schiffe waren in der größten Gefahr, denn der Wasserstand war niedrig und das einzige schiffbare Fahrwasser zog sich sehr nahe am linken Ufer hin, wo sich das Hauptquartier des Feindes befand und wo die Batterien am zahlreichsten waren. Leake erfüllte seine Pflicht mit einer Geschicklichkeit und einem Muthe, die seines edlen Berufes würdig waren, setzte seine Fregatte dem feindlichen Feuer aus, um die Kauffahrer zu decken und ließ seine Geschütze sehr wirksam spielen. Endlich erreichte das kleine Geschwader die gefährlichste Stelle. Hier segelte der Mountjoy voran und fuhr gerade auf den Sperrbaum los. Die mächtige Barrikade krachte und brach; aber der Stoß war so heftig gewesen, daß der Mountjoy zurückprallte und im Schlamme festsaß. Ein Triumphgeschrei erscholl auf beiden Ufern und die Irländer eilten zu ihren Böten, um das gestrandete Schiff zu entern; aber der Dartmouth schickte ihnen eine wohlgezielte Breitseite zu, die sie in Unordnung brachte. In diesem Augenblicke fuhr der Phönix gegen die Bresche an, welche der Mountjoy gemacht hatte, und war im Nu auf der andren Seite der Sperrung. Mittlerweile stieg die Fluth rasch, der Mountjoy wurde wieder flott und bald hatte auch er die zerbrochenen Balken und schwimmenden Sparren wohlbehalten passirt. Aber sein wackerer Kapitain war nicht mehr. Eine Kugel von einer der Batterien hatte ihn getroffen, und er starb den beneidenswerthesten Tod, angesichts der Stadt, XII.76 die sein Geburts- und Wohnort war und die er so eben durch seinen Muth und seine Selbstverleugnung von der fürchterlichsten Art des Unterganges gerettet hatte. Die Dunkelheit war schon vor dem Beginn des Kampfes am Sperrbaum hereingebrochen; aber die abgemagerte, geisterbleiche Menge, welche die Wälle der Stadt bedeckte, sah den Blitz und hörte den Donner der Geschütze. Als der Mountjoy auf den Grund lief und das Triumphgeschrei der Irländer auf beiden Ufern ertönte, brach den armen Belagerten das Herz. Einer, der die namenlose Angst jenes Augenblicks ertragen hatte, erzählt uns, daß sie einander leichenblaß vor Entsetzen anstarrten. Und selbst nachdem die Barrikade passirt war, durchlebten sie noch eine fürchterliche halbe Stunde angstvoller Ungewißheit. Es war zehn Uhr, als die Schiffe am Quai anlangten. Die ganze Bevölkerung hatte sich hier versammelt, um sie zu bewillkommnen. Eine Verschanzung von mit Erde gefüllten Fässern wurde eiligst errichtet, um den Landungsplatz vor den Batterien des andren Flußufers zu schützen, und dann ging es an’s Ausladen. Zuerst wurden Fässer, welche sechstausend Bushels Mehl enthielten, an’s Ufer gerollt. Dann kamen große Käse, Tonnen voll Rindfleisch, Speckseiten, Kübel mit Butter, Säcke mit Erbsen, und Zwieback und Branntweingebinde. Einige Stunden vorher war jedem der Kämpfer ein halbes Pfund Talg und dreiviertel Pfund gesalzene Haut mit karger Genauigkeit zugewogen worden. Die Ration, welche nun Jeder erhielt, bestand aus drei Pfund Mehl, zwei Pfund Fleisch und einer Pinte Erbsen. Man kann leicht denken, mit welchen Thränen der Freude bei den Mahlzeiten dieses Abends das Tischgebet gesprochen wurde. Von Schlaf war auf beiden Seiten des Walles wenig die Rede. Die Freudenfeuer flackerten lustig den ganzen Wallgürtel entlang. Die irischen Geschütze brüllten die ganze Nacht durch, und die ganze Nacht hindurch antworteten die Glocken der geretteten Stadt den irischen Geschützen mit herausforderndem Geläute. Auch noch den ganzen 31. Juli spielten die feindlichen Batterien. Aber bald nach Sonnenuntergang sah man im Lager Flammen auflodern und als der Morgen des 1. Augusts zu grauen begann, bezeichnete nur noch eine Reihe rauchender Trümmer die Stätte, welche die Zelte der Belagerer kürzlich eingenommen, und die Bürger sahen in weiter Ferne die lange Colonne von Piken und Standarten, die sich das linke Ufer des Foyle entlang auf Strabane zurückzog.142

141. Die Depesche, welche Kirke den bestimmten Befehl brachte, den Sperrbaum anzugreifen, war von Schomberg unterzeichnet, der bereits zum Oberbefehlshaber sämmtlicher englischen Streitkräfte in Irland ernannt war. Eine Abschrift davon befindet sich unter den Nairne’schen Manuscripten in der Bodlejanischen Bibliothek. Wodrow schreibt auf keine andre Autorität hin als das Gerede einer Landgemeinde in Dumbartonshire, den Entsatz Londonderry’s den Ermahnungen eines heldenmüthigen schottischen Predigers, Namens Gordon zu. Ich möchte glauben, daß ein peremtorischer Befehl von Schomberg weit mehr Einfluß auf Kirke hatte, als die vereinte Beredtsamkeit einer ganzen Synode von presbyterianischen Geistlichen.

142. Walker; Mackenzie; Histoire de la Revolution d’Irlande, Amsterdam 1691; London Gazette, Aug. 5.(15.) 1689; Brief von Buchan unter den Nairne’schen Manuscripten; Life of Sir John Leake; The Londeriad; Observations on Mr. Walker’s Account of the Siege of Londonderry, licensed Oct. 4. 1689.

Die Belagerung von Londonderry aufgehoben. So endete diese große Belagerung, die denkwürdigste in den Annalen der britischen Inseln. Sie hatte hundertfünf Tage gedauert und die Garnison war von einem Effectivbestande von ungefähr siebentausend Mann auf etwa dreitausend reducirt worden. Der Verlust der Belagerer kann nicht genau angegeben werden. Walker schätzte ihn auf achttausend Mann. Aus den Depeschen Avaux’ geht mit Gewißheit hervor, daß die Regimenter, welche von der Blokade zurückkehrten, dergestalt zusammengeschmolzen waren, daß viele von ihnen nicht mehr als zweihundert Mann zählten. Von sechsunddreißig französischen Artilleristen, welche die Kanonade geleitet hatten, XII.77 waren einunddreißig getödtet oder dienstunfähig gemacht.143 Die Angriffs- wie die Vertheidigungsmittel waren unzweifelhaft von der Art, daß sie die großen Heerführer des Continents zum Lachen gereizt haben würden; aber eben dieser Umstand verleiht der Geschichte des ganzen Kampfes ein so eigenthümliches Interesse. Es war ein Kampf nicht zwischen Ingenieuren, sondern zwischen zwei Nationen, und der Sieg blieb der Nation, welche zwar an Zahl der andren nachstand, ihr aber in Civilisation, in Fähigkeit zur Selbstherrschaft und in Beharrlichkeit überlegen war.144

Sobald es bekannt wurde, daß die irische Armee abgezogen war, eilte eine Deputation aus der Stadt in den Foylesee und lud Kirke ein, das Commando zu übernehmen. Er kam in Begleitung eines zahlreichen Gefolges von Offizieren und wurde mit militärischem Gepränge von den beiden Gouverneurs empfangen, welche ihm die Autorität abtraten, die sie im Drange der Nothwendigkeit auf sich genommen hatten. Er verweilte nur wenige Tage, zeigte aber in dieser kurzen Zeit genug von den unverbesserlichen Fehlern seines Characters, um sich die Achtung einer durch strenge Moralität und glühenden Gemeinsinn ausgezeichneten Bevölkerung zu verscherzen. Es erfolgte jedoch kein offener Ausbruch, denn die Stadt war in der heitersten Stimmung. Von der Flotte waren solche Massen Lebensmittel gelandet worden, daß in allen Häusern ein nie gekannter Überschuß herrschte. Wenige Tage vorher wäre man froh gewesen, wenn man für zwanzig Pence einen Bissen halbverfaultes, von den Knochen eines verhungerten Pferdes losgekratztes Fleisch bekommen hätte. Jetzt wurde ein Pfund Rindfleisch für anderthalb Pence verkauft. Unterdessen waren alle Hände damit beschäftigt, die nur leicht mit Erde bedeckten Leichname zu entfernen, die Löcher auszufüllen, welche die Bomben in den Erdboden gerissen hatten, und die zerschossenen Dächer der Häuser auszubessern. Die Erinnerung an die überstandenen Gefahren und Entbehrungen und das Bewußtsein, sich um die englische Nation und um alle protestantischen Kirchen verdient gemacht zu haben, erfüllte die Herzen der Bewohner mit einem ehrenwerthen Stolze. Dieser Stolz ward noch erhöht, als sie von Wilhelm ein Schreiben erhielten, welches in den wohlwollendsten Ausdrücken die Verpflichtung anerkannte, die er den wackeren und getreuen Bürgern seiner guten Stadt schulde. Die ganze Einwohnerschaft strömte nach dem Diamantplatze, um die königliche Zuschrift verlesen zu hören. Am Schlusse gaben sämmtliche Kanonen auf den Wällen eine Freudensalve, welche von allen auf dem Flusse liegenden Schiffen erwiedert wurde, dann wurden Alefässer aufgeschlagen und unter lautem Jubel und Gewehrsalven auf die Gesundheit Ihrer Majestäten getrunken.

Fünf Generationen sind seitdem vorübergegangen und noch immer ist XII.78 den Protestanten von Ulster der Wall von Londonderry das was die Trophäe von Marathon den Athenern war. Auf weite Entfernung den Foyle hinauf und hinunter sieht man eine hohe Säule auf einer Bastion, welche viele Wochen lang das heftigste Feuer des Feindes auszuhalten hatte. Auf der Spitze dieser Säule steht die Statue Walker’s, wie er zur Zeit der letzten und furchtbarsten Noth durch seine Beredtsamkeit den sinkenden Muth seiner Brüder wieder belebte. In der einen Hand hält er eine Bibel, die andre zeigt hinaus auf den Fluß und scheint die Blicke seiner ausgehungerten Zuhörer auf die englischen Mastspitzen in der fernen Bucht hinlenken zu wollen. Ein solches Denkmal war wohlverdient, doch kaum nöthig, denn die ganze Stadt ist bis auf diesen Tag ein Denkmal der großen Befreiung. Der Wall ist sorgfältig erhalten und keine Rücksicht der Gesundheit oder Zweckmäßigkeit würde von den Einwohnern für ausreichend gehalten werden, um die Zerstörung dieser geheiligten Mauern zu rechtfertigen, die in schlimmer Zeit ihrem Stamme und ihrer Religion Schutz gewährten.145 Der Kamm der Festungswerke bildet einen angenehmen Spaziergang. Die Bastionen sind in kleine Gärten verwandelt, und hier und da blicken unter den Blumen und Sträuchern die alten Feldschlangen hervor, welche mit Blei überzogene Backsteinkugeln in die irischen Reihen sendeten. Ein alterthümliches Geschütz, ein Geschenk der londoner Fischhändlergilde, zeichnete sich während der hundertfünf denkwürdigen Tage durch seinen lauten Knall aus und führt noch jetzt den Namen Roaring Meg (brüllende Margarethe). Die Kathedrale ist mit Reliquien und Trophäen angefüllt. In der Vorhalle befindet sich eine riesige Bombe, eine von den vielen hunderten, welche in die Stadt geworfen wurden. Über dem Altare sieht man noch die französischen Fahnenstöcke, welche bei einem verzweifelten Ausfalle von der Garnison erobert wurden. Die weißen Feldzeichen des Hauses Bourbon sind längst in Staub zerfallen; aber sie sind durch neue Banner, das Werk der schönsten Hände von Ulster, ersetzt. Der Tag, an welchem die Thore geschlossen und der Tag, an welchem die Belagerung aufgehoben wurde, sind bis auf unsre Zeit alljährlich durch Geschützsalven, Umzüge, Festmahle und Predigten gefeiert worden. Lundy ist in effigie hingerichtet und das Schwert, das der Sage nach das Schwert Maumont’s sein soll, bei feierlichen Gelegenheiten im Triumphe umhergetragen worden. Noch heute giebt es einen Walkerclub und einen Murrayclub. Die einfachen Gräber der protestantischen Anführer sind sorgfältig ausgesucht, wiederhergestellt und verschönert worden. Es ist unmöglich, die Gesinnung nicht zu achten, welche aus diesen Zeichen von Pietät spricht. Es ist eine Gesinnung, welche dem edleren und reineren Theile der menschlichen Natur angehört und welche die Stärke der Staaten nicht wenig vermehrt. Ein Volk, das nicht stolz ist auf die großen Thaten ferner Vorfahren, wird nie etwas vollbringen, was würdig wäre, von fernen Nachkommen mit Stolz in Andenken gehalten zu werden. Doch kann der Moralist oder der Staatsmann unmöglich mit ungetrübtem Wohlgefallen die Festlichkeiten, durch welche Londonderry das Gedächtniß seiner Befreiung feiert, sowie die Ehren betrachten, die es seinen Befreiern erzeigt. Leider haben sich zugleich mit dem Ruhme seiner tapferen Kämpfer auch deren Animositäten fortgeerbt. Die Fehler, XII.79 welche man gewöhnlich bei herrschenden Kasten und Secten findet, haben sich bei seinen Festlichkeiten nicht selten unverhohlen gezeigt, und selbst in die Ausdrücke frommer Dankbarkeit, welche von seinen Kanzeln herab erschollen, haben sich nur zu oft Worte des Zornes und des herausfordernden Trotzes gemischt.

Die irische Armee, die sich nach Strabane zurückgezogen hatte, blieb dort nur sehr kurze Zeit. Der Muth der Truppen war durch den ungünstigen Ausgang der Belagerung von Londonderry schon niedergedrückt und wurde bald völlig gebrochen durch die Nachricht von einem anderweitigen harten Schlage.

143. Avaux an Seignelay, 18.(28.) Juli; an Ludwig, 9.(19.) August.

144. „Man sieht hieraus, wie man es die ganze Zeit her hat sehen können, daß die Kaufleute von Londonderry zu ihrer Vertheidigung mehr Geschick hatten, als die berühmten Offiziere der irischen Armee zu ihren Angriffen.“ Light to the Blind. Der Verfasser dieses Werkes ist wüthend auf die irischen Kanoniere. Er ist der Meinung, daß der Sperrbaum nie durchbrochen worden wäre, wenn sie ihre Pflicht gethan hätten. Waren sie betrunken? oder waren sie Verräther? Er kommt zu keiner Entscheidung über seinen Punkt. „Herr,“ ruft er aus, „der Du in den Herzen der Menschen liesest, wir überlassen es Deiner Barmherzigkeit, in dieser Angelegenheit zu richten.“ Inzwischen stürzten jene Kanoniere Irland ins Verderben.

145. In einer vor mehr als sechzig Jahren unter dem Titel „Derriana“ erschienenen Sammlung findet sich ein interessanter Brief über diesen Gegenstand.

Operationen gegen die Enniskillener. Drei Wochen vor dieser Zeit hatte der Herzog von Berwick über eine Abtheilung der Enniskillener einen Vortheil errungen und, nach ihrem eignen Eingeständniß, mehr als funfzig von ihnen getödtet oder gefangen genommen. Sie hofften auf einige Unterstützung von Kirke, an den sie eine Deputation abgesandt hatten, und beharrten noch immer auf der Zurückweisung aller vom Feinde angebotenen Bedingungen. Es wurde daher in Dublin beschlossen, sie von mehreren Seiten zu gleicher Zeit anzugreifen, Macarthy, der für seine in Munster geleisteten Dienste mit dem Titel eines Viscount von Mountcashel belohnt worden war, marschirte von Osten her mit drei Regimentern Infanterie, zwei Regimentern Dragoner und einigen Reitertrupps gegen den Ernesee. Ein andres starkes Truppencorps, das unweit der Mündung des Flusses Drowes lagerte, sollte gleichzeitig vom Westen her vorrücken, und der Herzog von Berwick sollte mit soviel Reitern und Dragonern, als das Belagerungsheer von Londonderry entbehren konnte, von der Nordseite kommen. Die Enniskillener waren über den ganzen Plan, der zu ihrem Verderben angelegt worden, nicht vollständig unterrichtet; aber sie wußten, daß Macarthy mit einer größeren Streitmacht, als sie je in’s Feld stellen konnten, unterwegs war. Ihre Angst wurde einigermaßen gemildert durch die Zurückkunft der Deputation, die sie an Kirke abgeschickt hatten. Kirke konnte keine Soldaten entbehren, aber er sandte ihnen etwas Waffen und Munition nebst einigen erfahrenen Offizieren, unter denen der Oberst Wolseley und der Oberstleutnant Berry die vornehmsten waren. Diese Offiziere sollten zur See um die Küste von Donegal herum und den Ernesee heraufkommen. Am Sonntag, den 29. Juli erfuhr man, daß ihr Boot sich der Insel Enniskillen nähere. Die ganze männliche und weibliche Bevölkerung kam an’s Ufer, um sie zu bewillkommnen. Nur mit Mühe erreichten sie das Schloß durch die sich um sie drängenden Menschenmassen, welche Gott dafür dankten, daß das theure alte England die Engländer nicht ganz vergessen hatte, die im Herzen von Irland seine Sache gegen eine große Übermacht aufrecht erhielten.

Wolseley scheint für seinen Posten in jeder Hinsicht wohlbefähigt gewesen zu sein. Er war ein unerschütterlicher Protestant, hatte sich unter den Leuten von Yorkshire ausgezeichnet, welche für den Prinzen von Oranien und ein freies Parlament aufgestanden waren, und hatte, wenn anders dies auf Wahrheit beruht, seinen Eifer für die Freiheit und den reinen Glauben dadurch bethätigt, daß er den Mayor von Scarborough, der eine Rede zu Gunsten des Königs Jakob gehalten, auf den Marktplatz führen und hier in einem Betttuche tüchtig prellen ließ.146 Dieser heftige XII.80 Haß gegen den Papismus war in den Augen der Enniskillener die erste aller Qualificationen für das Commando, und Wolseley hatte deren noch andere und gewichtigere. Obgleich er eine regelmäßige militärische Ausbildung genossen hatte, scheint er doch vorzugsweise zur Führung irregulärer Truppen befähigt gewesen zu sein. Kaum hatte er das Obercommando übernommen, so erhielt er die Nachricht, daß Mountcashel das Schloß Crum belagert habe. Crum war die Grenzfeste der Protestanten von Fermanagh. Die Trümmer der alten Festungswerke gehören jetzt zu den Zierden eines schönen Parks, der auf einem den Ernesee beherrschenden waldigen Vorgebirge angelegt ist. Wolseley beschloß, den belagerten Platz zu entsetzen. Er schickte Berry mit soviel Truppen als augenblicklich aufbrechen konnten, voraus und versprach, baldigst mit einem stärkeren Corps nachzufolgen.

146. Bernardi’s Life of Himself, 1787.

Schlacht bei Newton Butler. Nachdem Berry einige Meilen weit marschirt war, stieß er auf dreizehn Compagnieen von Macarthy’s Dragonern unter dem Commando Anton Hamilton’s, des Glänzendsten und Gebildetsten von allen seines Namens, aber als Soldat viel weniger glücklich denn als Hofmann, als Liebesheld und als Schriftsteller. Hamilton’s Dragoner ergriffen beim ersten Feuer die Flucht; er wurde schwer verwundet, und sein Nachfolger im Commando wurde todtgeschossen. Macarthy eilte Hamilton sofort zu Hülfe und zu gleicher Zeit kam Wolseley zur Unterstützung Berry’s an. Die beiden feindlichen Armeen standen einander nun gegenüber. Macarthy hatte ungefähr fünftausend Mann und mehrere Geschütze. Die Enniskillener zählten nicht dreitausend Mann, und sie waren so eilig ausgerückt, daß sie nur auf einen Tag Lebensmittel mitgenommen hatten. Es war daher durchaus nothwendig, daß sie entweder sofort losschlugen oder sich zurückzogen. Wolseley beschloß, die Meinung seiner Leute darüber zu hören, und dieser Entschluß, der unter gewöhnlichen Verhältnissen eines Generals höchst unwürdig gewesen wäre, war vollkommen gerechtfertigt durch die eigenthümliche Zusammensetzung und Stimmung der kleinen Armee, welche aus Gentlemen und Freisassen bestand, die nicht um Sold, sondern für ihr Grundeigenthum, ihre Frauen, ihre Kinder und ihren Gott kämpften. Die Mannschaften wurden unter’s Gewehr gerufen und ihnen die Frage vorgelegt: „Vorrücken oder Zurückgehen?“ Die Antwort war der einstimmige Ruf: „Vorrücken!“ Hierauf gab Wolseley das Feldgeschrei: „Kein Papismus“, das mit lautem Beifall begrüßt wurde, und traf dann sofort seine Anstalten zum Angriff. Als er vorrückte, begann der Feind zu seinem großen Erstaunen sich zurückzuziehen. Die Enniskillener wollten ihn mit aller Hast verfolgen, aber ihr Anführer, der eine Schlinge vermuthete, zügelte ihren Eifer und verbot ihnen auf das Bestimmteste, ihre Reihen aufzulösen. So zog sich die eine Armee in guter Ordnung durch das Städtchen Newton Butler zurück und die andre folgte in eben so guter Ordnung. Ungefähr eine Meile jenseit dieser Stadt machten die Irländer Front und Halt. Ihre Stellung war gut gewählt. Sie waren auf einer Anhöhe aufgestellt, an deren Fuße sich ein tiefer Sumpf befand. Eine schmale gepflasterte Hochstraße war der einzige Weg, auf dem die Reiterei der Enniskillener vorgehen konnte, denn zur Rechten und Linken waren Sumpflachen und Torfgruben, welche den Pferden keinen festen Grund darboten. Macarthy postirte seine Kanonen so, daß ihr Feuer diesen Weg bestrich.

Wolseley commandirte seine Infanterie zum Angriff. Sie arbeitete XII.81 sich durch den Sumpf, gewann wieder festen Boden und warf sich auf die Geschütze. Hier entspann sich nun ein kurzer und verzweifelter Kampf. Die irischen Kanoniere hielten tapfer bei ihren Feldstücken aus, bis sie sämmtlich niedergehauen waren. Jetzt kamen die Enniskillener Reiter, welche nicht mehr Gefahr liefen, durch das Feuer der Artillerie niedergemäht zu werden, rasch den Dammweg herauf. Die irischen Dragoner, welche schon am Morgen Reißaus genommen hatten, wurden abermals von einem panischen Schrecken ergriffen und galoppirten, ohne einen Schlag gethan zu haben, vom Schlachtfelde. Die schwere Reiterei folgte ihrem Beispiele. Das Entsetzen der Fliehenden war so groß, daß viele von ihnen ihre Pferde so lange spornten, bis sie stürzten und dann die Flucht zu Fuß fortsetzten, nachdem sie Carabiner, Säbel und selbst Waffenröcke als beim Laufen hinderlich weggeworfen hatten. Als die Infanterie sich so verlassen sah, warf sie ebenfalls Piken und Gewehre fort und suchte ihr Heil in der Flucht. Die Sieger gaben sich nun der blutdürstigen Wildheit hin, welche gewöhnlich die Bürgerkriege Irland’s befleckt hat. Das Gemetzel war fürchterlich. Nahe an funfzehnhundert der Besiegten wurden niedergemacht. Etwa fünfhundert Andere schlugen, da sie die Gegend nicht kannten, einen Weg ein, der nach dem Ernesee führte. Der See war vor ihnen, der Feind im Rücken; sie sprangen in’s Wasser und ertranken. Macarthy, von seinen Truppen verlassen, stürzte sich mitten unter die Verfolger und war nahe daran, den Tod zu finden, den er suchte. Er war an mehreren Stellen verwundet und zu Boden geschlagen; noch einen Augenblick, und ein Flintenkolben würde ihm das Lebenslicht ausgeblasen haben, wäre er nicht erkannt und gerettet worden. Die Colonisten hatten nur zwanzig Todte und fünfzig Verwundete. Sie machten vierhundert Gefangene und erbeuteten sieben Kanonen, vierzehn Fässer Schießpulver, sowie sämmtliche Trommeln und Fahnen des besiegten Feindes.147

147. Hamilton’s True Account; Mac Cormick’s Further Account; London Gazette, Aug. 22. 1689; Life of James; Avaux an Ludwig vom 4.(14.) August, und an Lourois von dem nämlichen Datum. Story erwähnt eines Gerüchts, daß der panische Schrecken unter den Irländern durch das Versehen eines Offiziers verursacht worden sei, welcher „Rechts um kehrt Euch!“ (Right about face) anstatt „Augen rechts!“ (Right face) commandirte. Weder Avaux noch Jakob hatten etwas von diesem Versehen erfahren. In der That, die Dragoner, welche das Beispiel der Flucht gegeben hatten, waren nicht gewohnt, erst das Commando zu erwarten, ehe sie einem Feinde den Rücken kehrten. Sie waren schon einmal an dem nämlichen Tage davon gelaufen. Avaux giebt eine sehr einfache Erzählung der Niederlage. „Ces mesmes dragons qui avoient fuy le matin laschèrent le pied avec lout le reste de la cavalerie, sans tirer un coup de pistolet; et ils s’enfuirent tous avec une telle épouvante qu’ils jettèrent mousquetons, pistolets, et espées; et la plupart d’eux, ayant erevé leurs chevaux, se deshabillèrent pour aller plus viste à pied.“

Bestürzung der Irländer. Die Schlacht bei Newton Butler wurde an demselben Nachmittage gewonnen, an welchem die durch den Foyle geworfene Barrikade durchbrochen wurde. In Strabane traf die Nachricht die auf dem Rückzuge von Londonderry begriffene celtische Armee. Der Schrecken und die Verwirrung waren groß; die Zelte wurden abgebrochen, ganze Wagenladungen Kriegsvorräthe wurden in den Mourne geworfen, und die entsetzten Irländer flohen unter Zurücklassung vieler XII.82 Kranker und Verwundeter, die sie der Gnade der siegreichen Protestanten preisgaben, nach Omagh und von da weiter nach Charlemont. Sarsfield, welcher in Sligo commandirte, sah sich gezwungen, diese Stadt aufzugeben, welche alsbald von einer Abtheilung Kirke’scher Truppen besetzt wurde.148 Dublin war in großer Bestürzung. Jakob ließ Äußerungen fallen, welche seine Absicht verriethen, nach dem Continent zu fliehen. Schlimme Nachrichten stürmten in der That rasch hintereinander auf ihn ein. Fast zu der nämlichen Zeit, als er erfuhr, daß eine seiner Armeen die Belagerung von Londonderry aufgehoben hatte und daß eine andre bei Newton Butler geschlagen worden war, empfing er kaum minder entmuthigende Botschaften aus Schottland.

Es wird jetzt nöthig, den Gang der Ereignisse zu erzählen, denen Schottland seine politische und religiöse Freiheit, seinen Aufschwung und seine Civilisation verdankt.

148. Hamilton’s True Account.

 


 

Stereotypie und Druck von Philipp Reclam jun. in Leipzig.