The Project Gutenberg eBook of Jenseits der Schriftkultur — Band 3

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Title: Jenseits der Schriftkultur — Band 3

Author: Mihai Nadin

Release date: August 1, 2003 [eBook #4373]
Most recently updated: August 22, 2012

Language: German

Credits: Produced by Michael Pullen

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK JENSEITS DER SCHRIFTKULTUR — BAND 3 ***

Produced by Michael Pullen

Jenseits der Schriftkultur
(C)1999 by Mihai Nadin

Das Zeitalter des Augenblicks

Aus dem Englischen von Norbert Greiner

Inhalt

VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE
EINLEITUNG: SCHRIFTKULTUR IN EINER SICH WANDELNDEN WELT
Alternativen

Jenseits der Schriftkultur

BUCH I.

KAPITEL 1: DIE KLUFT ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN

Kontrastfiguren
Taste wählen—drücken
Das Leben ist schneller geworden
Aufgeladene Schriftkultur
Der Mensch entwirft, der Mensch verwirft.
Jenseits der Schriftkultur
Ein bewegliches Ziel
Der weise Fuchs
"Und zwischen uns der Abgrund"
Wiedersehen mit Malthus
In den Fesseln der Schriftkultur

KAPITEL 2: DIE USA—SINNBILD FÜR DIE KULTUR DER SCHRIFTLOSIGKEIT

Dem Handel zuliebe
"Das Beste von dem, was nützlich ist und schön"
Das Rückspiegelsyndrom

BUCH II.

KAPITEL 1: VON DEN ZEICHEN ZUR SPRACHE

Wiedersehen mit semeion
Erste Zeichenspuren
Skala und Schwelle
Zeichen und Werkzeuge

KAPITEL 2: VON DER MÜNDLICHKEIT ZUR SCHRIFTLICHKEIT

Individuelles und kollektives Gedächtnis
Kulturelles Gedächtnis
Existenzrahmen
Entfremdung von der Unmittelbarkeit

KAPITEL 3: MÜNDLICHKEIT UND SCHRIFT IN UNSERER ZEIT: WAS VERSTEHEN WIR, WENN WIR SPRACHE VERSTEHEN?

Bestätigung als Feedback
Mündlichkeit und die Anfänge der Schrift
Annahmen
Wie wichtig ist Literalität?
Was ist Verstehen?
Worte über Bilder

KAPITEL 4: DIE FUNKTIONSWEISE DER SPRACHE

Ausdruck, Kommunikation, Bedeutung
Die Gedankenmaschine
Schrift und der Ausdruck von Gedanken
Zukunft und Vergangenheit
Wissen und Verstehen
Eindeutig, zweideutig, mehrdeutig
Die Visualisierung von Gedanken
Buchstabenkulturen und Aphasie

KAPITEL 5: SPRACHE UND LOGIK

Logiken hinter der Logik
Die Pluralität intellektueller Strukturen
Die Logik von Handlungen
Sampling
Memetischer Optimismus

BUCH III.

KAPITEL 1: SCHRIFTKULTUR, SPRACHE UND MARKT

Vorbemerkungen
Products "R" Us
Die Sprache des Marktes
Die Sprache der Produkte
Handel und Schriftkultur
Wessen Markt? Wessen Freiheit?
Neue Märkte, Neue Sprachen
Alphabetismus und das Transiente
Markt, Werbung, Schriftlichkeit

KAPITEL 2: SPRACHE UND ARBEITSWELT

Innerhalb und außerhalb der Welt
Wir sind, was wir tun
Maschine und Schriftkultur
Der Wegwerfmensch
Die Skala der Arbeit und die Skala der Sprache
Angeborene Heuristik
Alternativen
Vermittlung der Vermittlung

KAPITEL 3: SCHRIFTKULTUR, BILDUNG UND AUSBILDUNG

Das Höchste und das Beste
Das Ideal und das Leben
Relevanz
Tempel des Wissens
Kohärenz und Verbindung
Viele Fragen
Eine Kompromißformel
Kindheit
Welche Alternativen?

BUCH IV.

KAPITEL 1: SPRACHE UND BILD

Wie viele Worte in einem Blick?
Das mechanische und das elektronische Auge
Wer hat Angst vor der Lokomotive?
Hier und dort gleichzeitig
Visualisierung

KAPITEL 2: DER PROFESSIONELLE SIEGER

Sport und Selbstkonstituierung
Sprache und körperliche Leistung
Der illiterate Athlet
Ideeller und profaner Gewinn

KAPITEL 3: WISSENSCHAFT UND PHILOSOPHIE - MEHR FRAGEN ALS ANTWORTEN

Rationalität, Vernunft und die Skala der Dinge
Die verlorene Balance
Gedanken über das Denken
Quo vadis, Wissenschaft?
Raum und Zeit: befreite Geiseln
Kohärenz und Diversität
Computationale Wissenschaft
Wie wir uns selbst wegerklären
Die Effizienz der Wissenschaft
Die Erforschung des Virtuellen
Die Sprache der Weisheit
In wissenschaftlichem Gewand
Wer braucht Philosophie und wozu?

KAPITEL 4: EIN GESPÜR FÜR DESIGN

Die Zukunft zeichnen
Die Emanzipation
Konvergenz und Divergenz
Der neue Designer
Virtuelles Design

KAPITEL 5: POLITIK: SO VIEL ANFANG WAR NOCH NIE

Die Permissivität der kommerziellen Demokratie
Wie ist es dazu gekommen?
Politische Sprachen
Kann Schriftlichkeit zum Scheitern der Politik führen?
Die Krabben haben pfeifen gelernt
Von Stammeshäuptlingen, Königen und Präsidenten
Rhetorik und Politik
Die Justiz beurteilen
Das programmierte Parlament
Eine Schlacht, die wir gewinnen müssen

KAPITEL 6: GEHORSAM IST ALLES

Der erste Krieg jenseits der Schriftkultur
Krieg als praktische Erfahrung
Das Militär als Institution
Vom schriftgebundenen zum schriftlosen Krieg
Der Nintendo-Krieg
Blicke, die töten können

BUCH V.

KAPITEL 1: DIE INTERAKTIVE ZUKUNFT: DER EINZELNE, DIE GEMEINSCHAFT UND DIE GESELLSCHAFT IM ZEIT-ALTER DES INTERNETS

Das Überwinden der Schriftkultur
Das Sein in der Sprache
Die Mauer hinter der Mauer
Die Botschaft ist das Medium
Von der Demokratie zur Medio-kratie
Selbstorganisation
Die Lösung ist das Problem. Oder ist das Problem die Lösung?
Der Umgang mit den Wahlmöglichkeiten
Der richtige Umgang mit den Wahlmöglichkeiten
Abwägungen
Aus Schnittstellen lernen

KAPITEL 2: EINE VORSTELLUNG VON DER ZUKUNFT

Kognitive Energie
Falsche Vermutungen
Netzwerke kognitiver Energie
Unebenheiten und Schlaglöcher
Die Universität des Zweifels
Interaktives Lernen
Die Begleichung der Rechnung
Ein Weckruf
Konsum und Interaktion
Unerwartete Gelegenheiten

NACHWORT: UMBRUCH VERLANGT UMDENKEN
LITERATURHINWEISE
PERSONENREGISTER
ÜBER DEN AUTOR

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Unsere Welt ist in Unordnung geraten. Die Arbeitslosigkeit ist eine große Belastung für alle. Sozialleistungen werden weiter drastisch gekürzt. Das Universitätssystem befindet sich im Umbruch. Politik, Wirtschaft und Arbeitswelt durchlaufen Veränderungen, die sich nicht nach dem gewohnten ordentlichen Muster des sogenannten Fortschritts richten. Gleichwohl verfolgen Politiker aller Couleur politische Programme, die mit den eigentlichen Problemen und Herausforderungen in Deutschland (und in Europa) nicht das Geringste zu tun haben. Das vorliegende Buch möchte sich diesen Herausforderungen widmen, aus einer Perspektive, die die Zwangsläufigkeit dieser Entwicklung betont.

Wenn man eine Hypothese vorstellt, benötigt man ein geeignetes Prüffeld. In meinen Augen ist Deutschland am besten dafür geeignet. In keinem anderen Land der Welt läßt sich die Dramatik des Umbruchs so unmittelbar verfolgen wie hier. In Deutschland treffen die Kräfte und Werte, die zu den großen historischen Errungenschaften und den katastrophalen historischen Fehlleistungen dieses Landes geführt haben, mit den neuen Kräften und Werten, die das Gesicht der Welt verändern, gewissermaßen in Reinform zusammen.

An Ordnung, Disziplin und Fortschritt gewöhnt, beklagen die Bürger heute eine allgegenwärtige lähmende Bürokratie, die von Regierung und Verwaltung ausgeht. Früher galt das, verbunden mit dem Namen Bismarcks, als gute deutsche Tugend, eine der vielen Qualitätsmaschinen Made in Germany. Im Verlauf der Zeit aber wurde der Bürger abhängig von ihr und konnte sich nicht vorstellen, jemals ohne sie auszukommen. Die Mehrheit schreckt vor Alternativen zurück und möchte nicht einmal über sie nachdenken. Geprägt von Technik und Qualitätsarbeit ist die Vorstellung, daß das Industriezeitalter seinem Ende entgegengeht, den meisten eine Schreckensvision. Sie würden eher ihre Schrebergärten hergeben als die digitale Autobahn zu akzeptieren, die doch die Staus auf ihren richtigen Autobahnen zu den Hauptverkehrszeiten abbauen könnte—ich betone das könnte. Noch immer lebt es sich gut durch den Export eines technischen und wissenschaftlichen Know-how, dessen Glanzzeit allerdings vorüber ist.

Als ein hochzivilisiertes Land ist Deutschland fest entschlossen, den barbarischen Teil seiner Vergangenheit hinter sich zu lassen. Der Klarheit halber sei gesagt, was ich unter barbarisch verstehe: Hitler-Deutschland verdient keinen anderen Namen, ebensowenig wie alle anderen Äußerungen von Aggression, Antisemitismus und Rassismus, die noch immer nicht der Vergangenheit angehören. Aber bis heute hat man nicht verstanden, daß eben jene pragmatische Struktur, die die industrielle Kraft Deutschlands begründete, auch die destruktiven Kräfte begünstigte. (Man denke nur an die Technologieexporte, die die wahnsinnigen Führer ölreicher Länder erst jüngst in die Hände bekommen haben.) Das wiedervereinigte Deutschland ist bereit, in einer Welt mit globalen Aufgaben und globalen Problemen Verantwortung zu übernehmen. Es setzt sich unter anderem für den Schutz des tropischen Regenwaldes ein und zahlt für Werte—den Schutz der Umwelt—statt für Produkte. Aber die politischen Führer Deutschlands und mit ihnen große Teile der Bevölkerung haben noch nicht begriffen, daß der Osten des Landes nicht unbedingt ein Duplikat des Westens werden muß, damit beide Teile zusammenpassen. Differenz, d. h. Andersartigkeit, ist eine Qualität, die sich in Deutschland keiner großen Wertschätzung erfreut. Verlorene Chancen sind der Preis, den Deutschland für diese preußische Tugend der Gleichmacherei bezahlen muß.

Die englische Originalfassung dieses Buches wurde 1997 auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt und in der Folge von der Kritik wohlwollend aufgenommen. Dank der großzügigen Unterstützung durch die Mittelsten-Scheid Stiftung Wuppertal und die Alfred und Cläre Pott Stiftung Essen, für die ich an dieser Stelle noch einmal Dank sage, konnte dann Anfang 1998 die Realisierung des von Beginn an bestehenden Plans einer deutschsprachigen Ausgabe konkret ins Auge gefaßt werden. Und nachdem Prof. Dr. Norbert Greiner, bei dem ich mich hier ebenfalls herzlich bedanken möchte, für die Übersetzung gewonnen war, konnte zügig an die Erarbeitung einer gegenüber der englischen Ausgabe deutlich komprimierten und stärker auf den deutschsprachigen Diskussionskontext zugeschnittenen deutschen Ausgabe gegangen werden. Einige Kapitel der Originalausgabe sind in der deutschsprachigen Edition entfallen, andere wurden stark überarbeitet. Entfallen sind vor allem solche Kapitel, die sich in ihren inhaltlichen Bezügen einem deutschen Leser nicht unmittelbar erschließen würden. Ein Nachwort, das sich ausschließlich an die deutschen Leser wendet, wurde ergänzt.

Die deutsche Fassung ist also eigentlich ein anderes Buch. Wer das Thema erweitern und vertiefen möchte, ist selbstverständich eingeladen, auf die englische Version zurückzugreifen, in die 15 Jahre intensiver Forschung, Beobachtung und Erfahrung mit der neuen Technologie und der amerikanischen Kultur eingegangen sind. Ein Vorzug der kompakten deutschen Version liegt darin, daß die jüngsten Entwicklungen—die so schnell vergessen sein werden wie alle anderen Tagesthemen—Fortsetzungen meiner Argumente darstellen und sie gewissermaßen kommentieren. Sie haben wenig miteinander zu tun und sind dennoch in den folgenden Kapiteln antizipiert: Guildos Auftritt beim Grand Prix dEurovision (liebt er uns eigentlich immer noch, und warum ist das so wichtig?), die enttäuschende Leistung der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft (standen sich im Endspiel Brasilien und Frankreich oder Nike und Adidas gegenüber?), die Asienkrise, das Ergebnis der Bundestagswahlen, der Euro, neue Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie, die jüngsten Arbeitslosenzahlen, die Ökosteuer und vieles mehr. Wer sich der Mühe einer gründlichen Lektüre des vorliegenden Buches unterzieht, wird sich auf diese Entwicklungen einen eigenen Reim machen können, sehr viel besser als die Mediengurus, die uns das Denken abnehmen wollen. Zumindest wird er über die wortreichen Artikel halbgebildeter Akademiker und opportunistischer Journalisten schmunzeln, die allzeit bereit sind, anderen zu erklären, was sie selbst nicht verstehen.

Wie in der englischen Version möchte ich auch meine deutschen Leser einladen, mit mir in Kontakt zu treten und mir ihre kritischen Kommentare oder Fragen per e-mail zukommen zu lassen: nadin@acm.org. Im Einklang mit dem Ziel des Buches, für die Kommunikation jenseits der Schriftkultur das schriftkulturelle Eins-zu-Viele-Verhältnis (Autor:Leser) zu überwinden, wird für dieses Buch im World Wide Web ein Forum eingerichtet. Die Zukunft gehört der Interaktion zwischen Vielen.

Wuppertal, im November 1998

Mihai Nadin

Buch III.

Kapitel 1:

Schriftkultur, Sprache und Markt

Märkte sind vermittelnde Maschinen. Heutzutage verstehen wir unter Maschine allerdings etwas anderes als das, was das industrielle Maschinenzeitalter darunter verstand—ein Zeitalter, das wir eng mit dem pragmatischen Handlungsrahmen der Schriftkultur verbunden sehen. Heute ruft der Begriff Maschine eher Assoziationen an Software, d. h. Programme, weniger an Hardware, d. h. Dinge, hervor. Insgesamt umfaßt der Begriff Maschine jedoch Input und Output, Verarbeitungsprozeß, Kontrollmechanismen und vorhersagbare Funktionsfähigkeit. Hier beginnen unsere Schwierigkeiten, und zwar weil uns Märkte bestenfalls als willkürlich, planlos, alles andere als programmiert erscheinen. Marktvoraussage ist fast ein Oxymoron. Was für eine Formel Fachleute auch ersinnen—der Markt geriert sich vollkommen anders.

Eine unglaubliche Zahl von Transaktionen unterwirft die Produkte der menschlichen Selbstkonstituierung ständig dem Test der Markteffizienz. Nichts kann sich diesem Test entziehen: Ideen, Waren, Individuen, Kunst, Sport, Unterhaltung. Wie eine Kaulquappe scheint sich der Markt selbst in seinen Transaktionen zu ändern. Bisweilen erscheinen diese uns so esoterisch, daß wir nicht einmal ahnen, was Input und was Output in dieser Maschine ist. Aber wir alle erwarten, daß sich am Ende der häßliche Frosch in einen Märchenprinzen verwandelt!

Ohne allzuviel vorwegzunehmen, können wir allerdings sagen, daß dieser ständig wachsende Mechanismus menschlicher Selbstevaluierung mit seiner gegenwärtigen Dynamik und im gegenwärtigen Umfang sich nicht innerhalb des pragmatischen Rahmens der Schriftkultur hätte entwickeln können. Gewiß können wir überall auf der Welt in Basaren und Einkaufszentren Marktabläufe erleben, die wir mit vorausgegangenen pragmatischen Handlungsrahmen (etwa dem Tauschhandel) in Verbindung bringen. Als die wirklichen neuen Marktformen in einer quasi reinen Form, also jene, die für ein Erfahrungsstadium jenseits der Schriftkultur typisch sind, muß man sich aber die Aktienbörsen und die im Internet abgewickelten Formen des Warentausches und der Auktionen vergegenwärtigen. Man muß sich jene unsichtbaren, weit verzweigten, im Netzwerk sich vollziehenden Transaktionen vorstellen, bei denen kaum noch zu sagen ist, wer sie in Gang gebracht, diese oder eine andere fortgeführt oder einen Handel erfolgreich abgeschlossen hat, bzw. nach welchen Kriterien sich dies vollzog. Diese Transaktionen führen gleichsam ein Eigenleben, haben eine Eigendynamik.

Der Begriff Vermittlungsmaschine konnotiert auch die Vorstellung von einem Programm. Manch ein Börsenmakler steht der Entwicklung, in der viele Vermittlungen durch Entitäten stattfinden, die weder sprechen noch schreiben können, reserviert gegenüber. Dennoch ist der Börsenhandel mit Hilfe von Programmen heute eine Selbstverständlichkeit. Wirtschaftsexperten und Marktforscher, die gemeinsam Software auf der Grundlage von biologischen Analogien, der Genetik und dynamischen Systemmodellen entwickeln, belegen dies nachdrücklich.

Vorbemerkungen

Wenn wir das Verhältnis zwischen Markt und Schriftkultur, bzw. einem Stadium jenseits der Schriftkultur, näher betrachten, brauchen wir zunächst einen begrifflichen Rahmen, innerhalb dessen die spezifische Rolle der Sprache als Vermittlungselement auf diesem Markt genauer zu fassen ist. Insbesondere müssen wir die Funktionen betrachten, die die Schriftkultur bei der Diversifizierung von Märkten und deren Effizienzsteigerung erfüllt hat. Wenn nämlich die Grenzen der Vermittlungsfähigkeiten der Schriftkultur erreicht sind, wird auch ihre Effizienz in Frage gestellt. Das geschieht nicht etwa außerhalb des Marktes, wie einige Wissenschaftler und Politiker uns glauben machen wollen. Diese Erkenntnis stellt sich auf dem Markt selbst ein, auf dem im übrigen auch geistige Arbeit einschließlich der Schriftkultur als Ware gehandelt wird.

Im folgenden sei Markt verstanden als ein Zeichenprozeß, durch den sich die Menschen in der Welt konstituieren. Insofern können Transaktionen auf dem Markt als Erweiterungen der menschlichen biologischen Anlagen gesehen werden: Die Produkte unserer Arbeit verkörpern die strukturalen Merkmale unserer natürlichen Anlagen und genügen den Bedürfnissen und Erwartungen, die diesen Merkmalen entsprechen. Diese Produkte sind Ausdruck unserer Persönlichkeit und unserer Kultur, sie ergeben sich aus den Erwartungen und Werten, die für die menschliche Gattung charakteristisch sind, und lassen das Selbstbewußtsein und die Zukunftsziele dieser Gattung erkennen. Mit der Sprache, mehr noch mit der Schriftkultur, werden Märkte zu Auslegungsinstanzen, projektive Instantierungen (d. h. Materialisierungen) von uns selbst auf dem Weg zu einer neuen Entwicklungsschwelle, einer neuen Skala. Die Selbstkonstituierung des Menschen durch Märkte versinnbildlicht die erreichten Ebenen der produktiven und kreativen Kräfte und die Ziele, die ursprünglich dem Überleben dienten, später dem Wohlstand und nunmehr der Komplexität einer globalen Skala gegenwärtiger und zukünftiger Handlungsformen.

Von den frühesten Formen des Tauschhandels bis zum heutigen Handel mit Futures und Optionen, von der Geldwirtschaft zur bargeldlosen Gesellschaft haben Märkte seit jeher den Rahmen für eine immer höhere Handelseffizienz geschaffen, die oft genug gleichbedeutend mit Profit ist. Die allgemeinen Erklärungen, zum Beispiel der Zeichencharakter des Marktes, lassen dennoch einige spezifische Fragen offen: Wie kommt es z. B., daß ein Gerücht über eine Firma deren Börsenwert beeinflussen kann, während veröffentlichte Rechenschaftsberichte nahezu unbeachtet und wirkungslos bleiben? Es könnte sein, daß die verborgenen Strukturen der im vorliegenden Buch diskutierten Abläufe mehr zur Erklärung und Vorhersage solcher Phänomene beitragen können als die vielfältigen mit akademischer Aura versehenen Theorien.

Products "R" Us

Wenn wir den Menschen als ein Zeichen setzendes Wesen (zoon semeiotikon) verstehen, so will das besagen, daß der Mensch seine individuelle Wirklichkeit in die Realität des allgemeinen Daseins durch semiotische Mittel hineinprojiziert. Auf dem Markt treffen die drei Einheiten des Zeichenprozesses zusammen: das Darstellende (Representamen), das, was dargestellt ist (Gegenstand) und der Interpretationsvorgang (Interpretant). Diese Begriffe können auch in Bezug auf den Markt definiert werden. Das Representamen ist das auf dem Markt erkennbare Zeichenrepertoire. Dabei kann es sich um vielerlei Dinge handeln, um Nützlichkeit (eines bestimmten Produktes), Seltenheit, Quantität, das zur Herstellung verwendete Material, die für die Entwicklung und Hervorbringung eines Produktes aufgewendete Phantasie oder die für den Herstellungsprozeß verwendete Technologie oder verbrauchte Energie. Die Menschen können durch völlig unerwartete Eigenschaften eines Produktes angezogen werden, können geradezu eine Abhängigkeit von Farbe, Form, Markennamen, Geruch usw. entwickeln. Manchmal ist das Representamen der Preis, der die an einem Produkt beteiligten Elemente oder andere Preiskriterien wie Verkaufstrend, die Attraktivität (sexiness) eines Produkts, die Leichtgläubigkeit oder die mangelnden wirtschaftlichen Kenntnisse von Käufern benennt. In jedem Fall repräsentiert der Preis das Produkt, wenn auch nicht immer auf angemessene Weise. Dem Gegenstand des Zeichenprozesses entspricht das Produkt, sei es ein hergestellter Gegenstand, ein Gedanke, eine Handlung, ein Ablauf oder ein Geschäft. Wenn wir einmal vom unmittelbaren Tauschhandel absehen, ist jeder Marktgegenstand durch einige der oben aufgelisteten Eigenschaften repräsentiert. Daß diese Darstellungselemente keinen unmittelbar einsichtigen Bezug zum Gegenstand haben müssen, zeigt nur, wie viele Vermittlungseinheiten auf dem Markt wirksam sind.

Nichts ist ein Zeichen, solange es nicht als Zeichen interpretiert wird. Wir verstehen diesen Interpretanten als einen Ablauf, denn Interpretationen können ad infinitum fortlaufen. Ein Beispiel: Brot ist ein Nahrungsmittel; ein akademischer Titel bezeugt die Tatsache, daß ein Studium erfolgreich beendet wurde; Computer können als verbesserte Schreibmaschinen oder für die Hervorbringung von Daten verwendet werden. Als Zeichen aber kann Brot für alles stehen, was es verkörpert: unser tägliches Brot; eine bestimmte Ernährungskultur; das Wissen, das in den Getreideanbau und in die Getreideverarbeitung, in die Hefeherstellung und in den Ofenbau, in die Kontrolle des Backvorgangs eingeht. Selbst symbolische, auf Mythos oder Religion bezogene Interpretationen gehören zur Interpretation des Brotes als Zeichen. Ganz ähnlich verhält es sich mit akademischen Titeln, die auf einen allgemeinen Bildungshintergrund, auf ein berufliches Umfeld, auf eine Funktion und auf bestimmte Zukunftserwartungen hinweisen. Und ganz ähnlich können Computer über ihre Funktionen hinaus auf die Art der Anbindung an die Welt, auf die Art der Vernetzung, auf den finanziellen Hintergrund seines Besitzers verweisen.

Aus der Voraussetzung, daß ein Zeichen nur durch Interpretation zu einem solchen wird, ergibt sich, daß die Interpretation gleichbedeutend ist mit der Selbstkonstituierung des Menschen als Zeichen: Der Mensch wird re-präsentiert durch seine Produkte. Die Nützlichkeit wird einem Produkt abgelesen; ein Produkt kann auf Wohlwollen oder Ablehnung treffen; es kann Bedürfnisse und Erwartungen wecken. Die sich selbst konstituierenden Individuen erfahren durch ihr Handeln eine Selbstwertung (Erfolg oder Mißerfolg), die durch das Produkt (Ergebnis) ihrer Handlungsweise repräsentiert wird; dabei kann es sich um ein greifbares oder immaterielles Ergebnis handeln, einen konkreten Gegenstand, einen Ablauf (auch Vermittlungsprozesse) oder einen Gedankenhandel. Diese Lesarten gehören ebenfalls zum Interpretationsvorgang. Das Konglomerat aller Lesarten ist das Portrait des abstrakten Konsumenten, der all diejenigen verkörpert, die ihre Individualität in den Transaktionen konstituieren, die den Markt ausmachen. Ein Gebrauchtwagenhändler oder ein Computerverkäufer, ein Einzelhändler oder ein Universitätsprofessor identifizieren sich jeweils auf ihre Weise im Markt und durch den Markt. Jeder wird durch einige charakteristische Merkmale seiner Arbeit dargestellt. Jeder wird auf dem Markt, jeweils mit Blick auf den lebenspraktischen Zusammenhang der Transaktion, als zuverlässig, kompetent oder kreativ usw. interpretiert. Die Interpretationsformen des Marktes sind sehr unterschiedlich; sie reichen von der einfachen Beobachtung des Marktes bis zur unmittelbaren Eingebundenheit in die Marktmechanismen durch Produkte, Warentausch oder Gesetzgebung.

Der Markt ist der Ort, an dem die drei Elemente des Zeichenprozesses—das, was vermarktet wird (Gegenstand), die Sprache oder Zeichensysteme der Vermarktung (Representamen), die Interpretation (abgeschlossene oder nicht vollzogene Transaktion)—zusammentreffen. Der Markt kann unmittelbar oder vermittelt sein, wirklich oder symbolisch, geschlossen oder offen, frei oder reguliert. Wochenmarkt, Supermarkt, Direktverkauf der Hersteller oder eine Einkaufszeile sind Beispiele für reale Märkte. Der Markt gewinnt vermittelte oder symbolische Züge in solchen Fällen, wo das Produkt nicht unmittelbar in seiner dreidimensionalen Realität dargeboten, sondern durch ein Bild, eine Beschreibung oder ein Versprechen präsentiert wird. Hierher gehören Versandhäuser oder Aktien- und Termingeschäfte, die allerdings aus den direkten, realen Märkten abgeleitet sind. Früher einmal war die Wall Street von zahlreichen Märkten umgeben: Sie boten vielfältige exotische Produkte feil, die die Schiffe aus aller Welt herangetragen hatten. Heute ist die Wall Street ein System von Geräten und Händlern, die auf Bestellzetteln oder Computerbildschirmen Zeichen entschlüsseln, die sich auf Handelsprodukte beziehen, von denen sie nichts verstehen.

Die Börse ist heute ein Datenverarbeitungszentrum. Nur so konnten die Erwartungen an eine optimale Markteffizienz erfüllt werden. Dennoch müssen die Zeichenprozesse dieses neuen Marktes in Echtzeit stattfinden, die so real und notwendig ist wie die Zeit, die beim Tauschhandel oder bei persönlichen Verhandlungen über Produkte im Spiel war. Nur verändert die neue Praxis des Marktes die Dauer von Marktzyklen und die Geschwindigkeit geschäftlicher Transaktionen. Das Feilschen auf einem Basar erfordert Zeit, digitale Transaktionen mit Hilfe von entsprechenden Programmen sind abgeschlossen, bevor irgend jemand ihre Folgen kalkulieren kann. Regulierungsmechanismen können die Dynamik solcher Vermittlungsabläufe beeinflussen.

Die Sprache des Marktes

Zeichen vermitteln zwischen dem auf dem Markt repräsentierten Gegenstand und dem Interpretant bzw. dem Interpretationsvorgang—den Menschen also, die sich im Interpretationsprozeß, Bedürfniserfüllung eingeschlossen, konstituieren. Jeder Markt, gleich welchen Typus, ist ein Vermittlungsraum. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Markttypen (Tauschhandel, Wochenmärkte und Lebensmittelmessen, stark regulierte Märkte, sogenannte freie Märkte, Untergrundmärkte) liegen nicht so sehr im Produkt oder im Produktionsprozeß, sondern im jeweiligen Vermittlungstypus. Dabei spielt die jeweilige dynamische Struktur des Marktes eine besondere Rolle.

Gegenstände (Sachen, Geld, Gedanken, Abläufe), die Sprache, in der der Gegenstand ausgedrückt wird, und die zum Abschluß oder Mißerfolg führende Interpretation sind die drei strukturalen Invariablen, die jedem sozioökonomischen Umfeld zu eigen sind. Im sogenannten freien Markt (der mehr ein abstrakter Begriff als eine Wirklichkeit ist) und in strengen Formen der Planwirtschaft sind die Beziehungen zwischen den drei Elementen variabel, nicht aber die Elemente selbst. In einem konkreten Zusammenhang kann der Interpretationsprozeß nachhaltig durch die Assoziationen zwischen einem Produkt und seinen Darstellungsformen beeinflußt werden.

Zahlreiche Dokumente der Sprachgeschichte zeugen von den Handelsbeziehungen des Menschen, von den einfachen bis zu den sehr komplexen Formen. Besitzverhältnisse und Besitzmerkmale werden ebenso versprachlicht wie die Veränderungen von Wechselkursen und des sich durch die Marktabläufe stets erweiternden Lebenshorizonts. Aus diesem Zusammenhang sind die ersten schriftlichen Dokumente überliefert; sie unterstützen unsere These, daß die für eine begrenzte Skala des Werteaustausches charakteristischen Marktabläufe die Wiege für Notation, Schrift und Schriftkultur darstellten.

Die enorme Komplexität der Marktmaschinerie ist durch eine Dynamik gekennzeichnet, die ab einem bestimmten Entwicklungsstadium nicht mehr durch die Gesetze und Erwartungen der Schriftkultur in den Griff zu bekommen war. Marktabläufe unterliegen einer Form der Selbstorganisation, die durch viele Parameter gesteuert wird; einige von ihnen können wir kontrollieren, andere entziehen sich unserem direkten Einfluß. Zunehmend wird diese Dynamik von spezialisierten Sondersprachen unterstützt, die den praktischen Kontext für neue Typen der Transaktion liefern. Netconomy war ursprünglich ein aus net, network und economy zusammengesetztes Modewort. In weniger als einem Jahr setzte es sich als geläufiger Begriff für eine neue Form des Marktes durch, der mit einer außerordentlichen Effizienz immer größere Teile der Weltwirtschaft für sich vereinnahmte. Die Folgen dieser Netconomy wirken sich auch jeweils vor Ort aus. Traditionelle Distributionskanäle können sich erübrigen, Wirtschaftszyklen werden beschleunigt und Preise gesenkt. In den virtuellen Geschäften der Netconomy werden heute schon Computer, Autos, Software und juristische Dienstleistungen in großem Umfang abgewickelt.

Wir wollen uns nun dem Marktprozeß als Zeichenprozeß in allen seinen Aspekten zuwenden. Indem die Menschen Waren darbieten, so hatten wir gesagt, bieten sie sich selber dar. Die verschiedenen Eigenschaften des Produktes (Farbe, Geruch, Textur, Stil, Design usw.) wie auch die Qualitäten seiner Darbietung (Werbung, Verpackung, Ähnlichkeit zu anderen Produkten) und damit zusammenhängende Eigenschaften (Prestige, Ideologie) gehören zu den Komponenten dieses Vorgangs. Bisweilen ist der Gegenstand an sich—ein neues Kleidungsstück, Werkzeug, Haus, Getränk—weniger wichtig als das "Image", das er besitzt. Sekundäre Funktionen wie Schönheit, Vergnügen oder Anpassung überlagern die primäre Funktion der Bedürfnisbefriedigung. Im Zeichenprozeß des Marktes erweist sich eine derart motivierte Sehnsucht nach einem Produkt als mindestens ebenso wichtig wie das tatsächliche Bedürfnis. In einem großen Teil unserer Welt ist Selbstkonstituierung nicht mehr länger eine Frage des Überlebenstriebs, sondern eine Frage des Vergnügens. Je höher in einem Kontext des dekadenten Überflusses die semiotische Ebene des Marktes liegt, desto bedeutungsloser wird das Marktgesetz der lebensnotwendigen Bedürfnisbefriedigung.

Die auf Lebenserhaltung abzielende menschliche Tätigkeit unterscheidet sich erheblich von jenen Tätigkeiten, die zu einem Überschuß führen und dementsprechend für den Handel auf dem Markt zur Disposition stehen. Überschuß und Tausch, die durch die landwirtschaftliche Tätigkeit ermöglicht wurden, hatten die Skala der menschlichen Tätigkeiten erweitert und Zeichen, Zeichensysteme und schließlich Sprache erforderlich gemacht. Überschüsse können vielfältig genutzt werden. Hierfür waren Zeichen und später die Differenzierungsformen der Sprache nötig. Rituale, Schmuck, Krieg, Religion, Akkumulationstechniken und Mittel der Überredung sind Beispiele für solche Ausdifferenzierungen. Alle diese Verwendungen sind charakteristisch für Interaktionsformen zwischen Menschen, die sich als Siedler niedergelassen haben, und sie brachten Produkte hervor, die mehr waren als materielle Konsumgüter. Sie waren allesamt Projektionen individueller Selbstkonstituierung.

Jedes Produkt geht aus einem Zyklus von Entwicklung, Herstellung, Handel und dem daran geknüpften Verständnis von Nützlichkeit und Dauerhaftigkeit hervor. Als die rudimentären Formen von Schreiben und Lesen, später die hochentwickelten Formen der Schriftkultur am Markt teilhatten, waren die Möglichkeiten dafür geschaffen, die über die unmittelbaren Bedürfnisse der Lebenserhaltung hinausgehenden Produkte so zu verwenden, daß weitere Überschüsse erzeugt werden konnten. Der Markt der Handelsgüter, der Dienstleistungen, der Sklaven und der Ideen wurde ergänzt durch den Markt der bezahlten Arbeitskräfte, die sich, wie die römischen Soldaten, das Geld für ihren Lebensunterhalt verdienten. Diese neue Kategorie Mensch setzt sich in einen pragmatischen Handlungsrahmen, in dem Produktion (Arbeit) und die Produktionsmittel voneinander getrennt waren. Eine ähnliche Differenzierung vollzog sich mit der Sprache, mit der diese Arbeiter sich konstituierten. In dem Maße, in dem die Arbeit vom letztendlichen Produkt der Arbeit entfremdet wurde, entstand auch eine Sprache des Produktes.

Die Sprache der Produkte

Der ausschließlich auf die Notwendigkeiten des Lebens bezogene Warenaustausch entsprach einer Skala, die Zusammenhang und Homogenität garantierte. In dieser überschaubaren kleinen Welt bedurfte es keiner Gebrauchsanweisungen für die im Tauschhandel erworbenen Produkte. Der langsame Rhythmus der Produktionszyklen blieb auf den natürlichen Lebensrhythmus bezogen. Dieser begrenzte Markt war Teil eines sozialen Mechanismus, der alle Individuen in die gleiche begrenzte Erfahrung einband und sie an ihr teilhaftig werden ließ.

Die heutigen Märkte sind durch sehr komplexe Vermittlungsmechanismen gekennzeichnet und stellen daher kein Umfeld mehr für eine allen Menschen gemeinsame Erfahrung dar. Im Gegenteil sind die heutigen Märkte eher Rahmen, innerhalb derer verschiedene Formen menschlicher Erfahrung in Konkurrenz zueinander treten. Das bedarf noch einiger Erläuterungen. Produkte verkörpern nicht nur Materialien, Design und Fertigkeiten, sondern auch eine Sprache für ihre optimale Funktionsfähigkeit. Insofern stellen sie auch eine Vielzahl von Wegen dar, in denen sich die Menschen durch die Sprache dieser Produkte konstituieren. Der Markt wird so zu einem Umschlagsort für die vielen Sprachen, die die Produkte sprechen. Die heute erreichten Effizienzebenen haben zu Erwartungen geführt, die ihrerseits die komplexen Myriaden dessen ermöglichten, was heute produziert wird. In diesem pragmatischen Rahmen spielt Schriftkultur und Alphabetismus nur noch eine marginale Rolle.

Abgesehen von der Zurückdrängung der Schriftkultur müssen wir allerdings noch einen anderen Preis bezahlen: Weil jedes Produkt nicht nur seine eigene Sprache beinhaltet, sondern auch seine eigenen Wertkriterien, verzeichnen wir insgesamt einen Qualitätsverlust. Fast jedes Produkt ist nur noch eines unter vielen anderen, aus denen wir auswählen; ein jedes trägt seine eigene Rechtfertigung in sich. Der Wert wird dadurch relativiert, und oft genug liegt der Grund für einen Kauf oder für die Suche nach etwas Neuem gar nicht im Wert des Produkts. Grammatikregeln, die uns eine Vorstellung von der Ordnung und der Qualität des Schriftgebrauchs vermittelten, sind auf Produkte nicht anwendbar. Ebenso waren unsere Moralvorstellungen in die Sprache eingebettet und durch Schrift und Bildung getragen. Die Moralvorstellungen, die in den partiellen Alphabetismen der miteinander konkurrierenden Produkte verkörpert sind, wollen den Konsumenten nicht mehr als religiöse oder ethische Prinzipien erscheinen, sondern allenfalls als Rechtfertigung für politischen Einfluß. Über bestimmte Regulierungen des Marktes bringt sich die Politik als Selbstbedienungsfaktor in die Handelsbeziehungen ein.

Handel und Schriftkultur

Früher haben die kleinen Geschäfte in unserer Nachbarschaft nicht nur unseren täglichen Bedarf abgedeckt, sondern waren gleichzeitig Kommunikationszentren. Ein Supermarkt muß sich an Lagerkapazitäten und optimaler Raumnutzung, an schnellem Warendurchgang und einer relativ geringen Verdienstspanne am einzelnen Produkt orientieren: Hier sind Kommunikation und Gespräch kontraproduktiv. Versandhäuser und elektronische Bestellung haben das Gespräch völlig erübrigt. Sie operieren jenseits von Schriftlichkeit und Schriftkultur und jenseits von menschlicher Interaktion. Die Handelsabläufe sind auf ein Minimum reduziert: Auswahl, Bestätigung, Angabe der Kreditkarte oder ihre automatische Erkennung und Bestätigung durch einen Netzwerkservice.

Die auf der Schriftkultur basierenden Handelsformen haben alle Merkmale der geschriebenen Sprache und des Lesens erfordert, so weit sie sich auf diese Transaktion bezogen. Die Schriftkultur trug dazu bei, daß die Bedürfnisse breiter ausgefächert und die Wünsche genauer artikuliert wurden, dementsprechend konnten sich die Märkte entwickeln und eine bis dahin nicht gekannte Effizienz erreichen. Die dafür nötige Ausbildung und das Verbot von Kinderarbeit verkürzten einerseits den produktiven Teil des menschlichen Lebens, andererseits wurde dessen Effizienz durch die aus der Schriftkultur hervorgehenden Lebensformen erhöht. Höhere Produktivität und eine breitere Nachfrage optimierten die Marktzyklen. Seit der Zeit der phönizischen Kaufleute haben die Schrift und die aus ihr hervorgehende Schriftkultur ihren Beitrag geleistet zu den Strategien des Warentausches, zur Besteuerung—die direkteste Form des politischen Eingriffs in den Markt—und zu den regulierenden Eingriffen in die vielfältigen Formen, in denen sich die Menschen im und durch den Markt konstituieren. Schriftliche Verträge weckten Erwartungen bezüglich einer weitergehenden, allgemeineren Planung auf der Grundlage der Schriftlichkeit.

Zwischen der Gewinnung und Verarbeitung von Rohmaterialien und dem Verkauf und Konsum eines Produktes sind viele Ebenen geschaltet. Auf jeder Ebene ist eine andere Sprache wirksam, manchmal sehr konkret, bisweilen sehr abstrakt. Diese Sprachen sollen die Verarbeitungsprozesse und Handelsabläufe beschleunigen, die Risiken reduzieren, den Profit erhöhen und die Effektivität weltweiter Handelsbeziehungen sichern. Ohne negativen Einfluß auf die Effizienz der Vermittlung können diese neuen Handelsformen jedoch nicht mehr im Zentralismus einer Schriftkultur befangen bleiben. Die Ergebnisse einer 70jährigen Planwirtschaft in der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten—allesamt hochgebildete Gesellschaften—ist hierfür ein sichtbarer Beweis. Die Geschwindigkeit der heutigen Handelsabläufe und der parallele Verlauf der Verhandlungen erfordern Sprachen von optimaler Funktionalität und minimaler Ambiguität. Manche Transaktionen müssen auf visuelle Argumente zurückgreifen, die über die Möglichkeiten der Telekonferenz weit hinausgehen. Produkte und Verfahren werden noch im Verlauf der Verhandlungen durch die interaktive Verknüpfung aller am Design, an der Herstellung und an der Vermarktung Beteiligten modifiziert.

Die Überschreitung nationaler oder politischer (auch kultureller und religiöser) Allianzen führt zu einer neuen Form von Freiheit, die allerdings auch Freiheit von der schriftkulturellen Form einer Nationalsprache und von allen im schriftkulturellen Diskurs beheimateten Darstellungen und Definitionen von Freiheit bedeutet. Da Zeichensysteme und ganz besonders Sprachen keine neutralen Ausdrucksmittel sind, müssen wir uns zunehmend auch in den Zeichen anderer Kulturen zurechtfinden. Heute gibt es schon Unternehmensberatungen, die sich auf die Probleme der Interkulturalität und die unterschiedlichen Kulturformen verschiedener Länder spezialisieren. Sie handeln mit dem, was Robert Reich Symbolmanipulation genannt hat. Deren Rat erstreckt sich auch auf Bereiche und Sitten, die jenseits der in der Schriftkultur festgehaltenen Werte liegen: also etwa auf die Frage, in welchen Ländern Bestechung der effizienteste Weg zum geschäftlichen Erfolg ist.

Wessen Markt? Wessen Freiheit?

Ein Markt, der an die moralischen und politischen Begriffe des schriftkulturellen Diskurses gebunden bleibt, erreicht schnell die Grenzen seiner Effizienz. Wir begegnen diesen Grenzen auf andere Weise, wenn wir in bestimmten gesellschaftlichen Zusammenhängen mit Idealen oder Verhandlungspositionen konfrontiert werden, deren implizite Wertvorstellungen sich aus Erwartungen (bezüglich eines bestimmten Lebensstandards oder irgend welcher Vorteile) ergeben, die in Verträgen und Gesetzen eingefroren sind. Viele europäische Länder erleben derzeit die Krise ihres schriftkulturellen Erbes, weil überholte, den neuen Effizienzerwartungen nicht mehr entsprechende Arbeitsverhältnisse in Arbeitsgesetzen kodifiziert sind.

Andererseits müssen wir sehen, daß die in der amerikanischen Verfassung garantierten Menschenrechte auf dem weltweiten Markt gerade von denen vergessen werden, für die sie angeblich selbstverständlich sind. Kein Amerikaner—nicht einmal ein Angehöriger einer Minderheit—schert sich beim Kauf von neuen Turnschuhen auch nur einen Deut darum, daß die Frauen und manchmal sogar Kinder, die diese Turnschuhe in fernöstlichen Ländern anfertigen, damit nicht einmal ihren Lebensunterhalt verdienen können. Und diese unmoralische oder opportunistische Haltung können wir nicht einmal dem Markt zuschreiben, sondern jenen Konsumenten, die das Größte und Beste zum kleinsten Preis erwarten. Es ist fraglich, ob Bildung und Schriftkultur wirksamer als die heutigen Effizienzerwartungen jene Gerechtigkeit bewirken würden, die im Elfenbeinturm der Literatur eingeklagt wird. Wer an einen Markt, der durch Wettbewerb gekennzeichnet ist und auf dem nur Effizienz und Profit zählen, ethische Erwartungen heranträgt, wird schnell enttäuscht sein, wenngleich es vielleicht die Gewissensbisse lindern mag. Märkte sind der Ausdruck derer, die sie konstituieren; sie sind realistisch, wenn nicht sogar zynisch.

Allein aus Gründen der Effizienz geben Märkte die Rahmenbedingungen für die Selbstkonstituierung des Menschen ab, der Freiheiten und Rechte genießt, die zu seinen produktiven Fähigkeiten beitragen. Der Gedanke, daß Märkte nicht nur von großen Spannungen gekennzeichnet und ohne Moral, sondern auch die Wiege für Freiheit, Toleranz (politische, soziale, religiöse und geistige) und Kreativität sind, wird nicht jedem gefallen. Aber wir sollten nicht vergessen, daß die amerikanische Revolution nicht zuletzt durch Handelsstreitigkeiten hervorgerufen wurde. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in den Sowjetländern setzen sich im ehemaligen Ostblock allmählich und mühsam Formen des Waren- und Gedankenaustausches durch, die denen im Westen ganz ähnlich sind. Und trotz aller gegenwärtiger Schwierigkeiten erkennen wir deutlich eine Entwicklung zu mehr Freiheit und weniger Regulierungswut. Lediglich die Volksrepublik China ist noch im Griff einer zentralistisch geregelten Planwirtschaft. Und doch zeichnet sich auch dort ab, daß die Konkurrenz zwischen offenen Märkten und der freie Fluß von Gütern auf ein klares zukünftiges Ziel hinsteuert. Es wird vielleicht noch etwas dauern, aber dann werden auch die Chinesen auf dem Festland so frei sein wie ihre Nachbarn in Taiwan. Letztlich entscheidet die Interaktion auf dem Markt das Schicksal der Menschen.

Und der Markt wird die Schriftkultur hinter sich lassen, wenn diese seine Effizienz beeinträchtigt; er wird sich mit Hilfe von Mechanismen weiterentwickeln, die den neuen Bedingungen des neuen Marktes angemessen sind. Wenn wir verstehen wollen, wie Märkte funktionieren, hat es überhaupt keinen Sinn mehr, auf Erklärungen zurückzugreifen, die aus überholten Formen der Lebenspraxis entwikkelt wurden. Es wäre Zeitverschwendung und würde in Nostalgie enden. Die neue komplexe Lebenspraxis des neuen Marktes und damit die neuen Möglichkeiten unserer Selbstkonstituierung würden wir dadurch nicht besser beherrschen.

Neue Märkte, Neue Sprachen

Unser Beschreibungsmodell, das den Markt als Zeichenprozeß definiert, machte den offenen Charakter jeder Transaktion sichtbar; unsere Erörterung der zahlreichen Phasen, in denen sich die Konstitution von Märkten vollzieht, hat die distributive Natur von Marktprozessen dargelegt. Um die veränderten Bedingungen der menschlichen Selbstkonstituierung auf dem Markt in einer radikal veränderten Skala mit einer entsprechend neuen Dynamik näher zu erklären, müssen wir zu beiden Bereichen einige Ergänzungen machen.

Die Verwendung von Zeichen und von Sprache ist eine spezifisch menschliche Tätigkeit. Die Verfasser eines gesprochenen oder geschriebenen Textes konstituieren damit ihre Identität und richten sich gleichzeitig darauf ein, die Antwort einer potentiellen oder intendierten Leserschaft entgegenzunehmen und zu interpretieren. Dieses gilt für alle zeichenhaften Ausdrucksformen und ihre Kombinationen. Text, Musik, Geruch können Bilder assoziieren oder auch Assoziationen untereinander hervorrufen. Diese Assoziation kann weitervermittelt werden an andere, die sie wiederum ad infinitum verbreiten, und zwar oft so, daß das Ausgangszeichen (d. h. also die Ausgangsperson, die ein Zeichen in Antizipation der durch andere vollzogenen Interpretation des Zeichens entwirft) am Ausgangspunkt dieses Übermittlungsprozesses vollkommen vergessen ist.

Wenn wir nun diesen Gedanken auf die Produkte menschlicher Tätigkeit übertragen, können wir die Hervorbringungen des Menschen unter drei Gesichtspunkten betrachten: 1. unter ihrer Ausdrucksleistung—etwa das von einer Maschine, einem Produkt, einem bestimmten Nahrungs- oder Kleidungsmittel, einem Wirtschaftszweig erfüllte Bedürfnis; 2. der Kommunikationsleistung—erfüllt das Produkt ein Bedürfnis weniger oder vieler, auf welche Weise wird das Bedürfnis erfüllt, was wird ausgesagt über die, die dieses Produkt hergestellt haben, und die, die ihre Identität durch die Verwendung dieses Produktes setzen, was erfahren wir über realisierte Chancen und eingegangene Risiken; und 3. der Bedeutungsleistung—der in dem Produkt ausgedrückte Wissens- und Kompetenzstandard. Das heißt natürlich nicht, daß jedes Alltagsprodukt ein Zeichen oder eine Sprache ist. Aber es kann als Zeichen für einen Gegenstand (der Produktionsstand in einem bestimmten Bereich, die Qualität des Designs, die Kompetenz in der Ausführung) interpretiert werden und damit etwas aussagen über den pragmatischen Lebenszusammenhang des Menschen und seine durch diese Pragmatik ermöglichte Identitätsfindung. Wir alle kennen Fälle, in denen dem Sprecher das Wort auf den Lippen erstirbt, weil ihm niemand zuhört. Analog hierzu kann auch ein Produkt aus unserem Leben verschwinden, weil es für unsere Lebenspraxis irrelevant geworden ist. Es gibt viele solcher Fälle, in denen Zeichen diese Qualität der Interpretierbarkeit verloren haben.

Eine Firma, die an die Börse geht, wird an zahlreichen Eigenschaften gemessen. Das Wachstumspotential ist eine dieser Eigenschaften, deshalb werden z. B. die im Internetbereich tätigen Firmen bei ihrem Gang an die Börse so hoch bewertet. Dieses Potential kann in schriftlicher Form dargelegt werden mittels veröffentlichter Daten über die erworbenen Patente, mittels Marktanalysen oder aber über die intuitive Einsicht, daß sich in diesem Marktzeichen mehr verbirgt als nur der Name und der anfängliche Börsenwert. In einer begrenzten Skala der menschlichen Erfahrung konnte ein jeder an der Erfahrung teilhaben; mit der Erweiterung der Skala hat die Schriftkultur die Informationen übermittelt und so die Rolle eines partiellen Garantieträgers übernommen. Heutzutage gibt es nicht nur ein Unternehmen für ein bestimmtes Produkt und eine Handlung, sondern viele ähnliche und immer neue erhöhen den Konkurrenzdruck; Angebot und Nachfrage regeln sich auf einem Markt, auf dem der Verlust des einen der Gewinn des anderen ist. Die Schriftkultur kann nicht länger als Hintergrund für die Dynamik dieser Veränderung und Erneuerung dienen. Würde sie sich für die Kontrolle derartiger Marktabläufe eignen, hätte sich die Firma Netscape—ein Synonym schlechthin für den Internet-Browser—niemals so entwickeln können; Ähnliches gilt für die Unternehmen, die die Software für das Telefonieren via Internet (voice over ISP) entwickelt haben.

Bei einem relativ homogenen Markt erwies sich die Sprache als ein angemessenes Kommunikationsmittel. Solange die verschiedenen Kontexte, die gemeinsam den heutigen Weltmarkt ausmachen, sich nicht so erheblich unterschieden, wie es sich derzeit abzeichnet, waren Schriftsprache und Schriftkultur ein gut funktionierender Kompromiß. Aber nicht nur die Märkte, sondern auch die Handelsformen selbst haben sich verändert: vom Austausch von Gütern gegen Güter oder vom Austausch von Gütern gegen einen universellen Ersatz (Gold, Silber, Edelsteine) oder gegen konventionelle (Geld-) Einheiten hin zu Größen wie den Euro oder das über die Netzwerke gehandelte e-Money; in diesem Entwicklungsschritt wird die eine allein gültige Schriftkultur durch eine Vielzahl von Alphabetismen und "Literalitäten" ersetzt, die an die einzelnen Transaktionssegmente gebunden sind. Aktienanteile an einer italienischen oder spanischen Firma, Warentermingeschäfte oder Obligationen für Investmentfonds der Dritten Welt—sie alle unterliegen ihren eigenen Handelsgesetzen mit einer jeweils eigenen Sprache.

Die Spezialisierung, die zur Effizienzsteigerung des Marktes führte, hat auch die Zahl von Sondersprachen und neuen Bildungsformen erhöht. Diese bringen das Produktionspotential von Unternehmen und den Wert ihres Managements auf den Markt. Sie verzeichnen z. B. die Höhe der erwarteten landwirtschaftlichen Produktivität (einschließlich des Risikos der Wetterbedingungen) und die im Zusammenhang der fortschreitenden wirtschaftlichen Globalisierung sich abzeichnenden unternehmerischen Risiken. Sie können ihrerseits wiederum in Programme eingebracht werden, die mit anderen Programmen in Beziehung treten. Darüber hinaus binden die Mechanismen, die für den distributiven Charakter des heutigen globalen Marktes verantwortlich sind, weitere Sprachen in den Markt ein, in diesem Fall die Sprachen der "weichen" Maschinen, die unabhängig von Schriftkultur mit Fähigkeiten zur Informationssuche und heuristischen Planung ausgestattet sind.

Marktsimulationen ermöglichen die Erstellung von intelligenten Programmen für die Abwicklung des Handels und die Entwicklung zahlreicher selbständiger intelligenter Agenten, die sich selbst modifizieren, auf neue Bedingungen einstellen und so immer bessere Handelsergebnisse erzielen können. Kurz: Vor dem Hintergrund eines starken integrativen Prozesses spielen sich viele Vermittlungsformen ab. Dieser Hintergrund ist eben jener neue pragmatische Rahmen, der die globale Plattform für eine in viele Teilbereiche aufgegliederte Wirtschaft mit immer kürzeren Produktionszyklen abgibt. Der Prozeß kennt kaum noch sequentielle Abläufe und keinen Zentralismus. Mit anderen Worten: Nahezu die gesamte Marktaktivität vollzieht sich in parallel ablaufenden verteilten Prozessen. Darüber hinaus ergeben sich in den fließenden Koordinaten der weltweiten Handelsbeziehungen neue Konfigurationen, d. h. sich verändernde Interessenszentren. Jedes einzelne Geschäft entwickelt als ein sich selbst organisierender Nukleus seine eigene Dynamik. Auch die Beziehungen zwischen solchen Konfigurationsnuklei sind dynamisch. Die Beziehungen zwischen den daran beteiligten Elementen sind nicht linear und verändern sich kontinuierlich. Solidarität wird durch Wettbewerb ersetzt, der nicht selten feindlich ist oder Formen der Feindlichkeit annimmt. So verzehrt der Markt sich selbst und damit auch das Erbe der Schriftkultur, an deren Stelle er provisorische und für spezielle programmierbare Funktionen eingerichtete Spezialsprachen setzt.

Wann immer Individuen ihre Identität in ein Produkt hineinprojizieren, wird die in diesem Produkt verkörperte vieldimensionale Erfahrung zum Tausch mit anderen dargeboten. Auf dem Markt wird die Erfahrung auf diejenige Dimension reduziert, die dem gegebenen Kontext der Transaktion entspricht. Mit seinem Verhalten auf dem Markt drückt der Mensch das Bewußtsein seiner selbst aus, seine kritischen und selbstkritischen Fähigkeiten und seine Gerichtetheit auf die Zukunft. Die abstrakte Natur der Marktprozesse, die Befreiung von der Schriftkultur und die Überantwortung an Technologien, die einen effizienten Austausch ermöglichen, verweisen auf eine Zukunft, die manchen, die in anderen pragmatischen Zusammenhängen aufgewachsen sind, besorgniserregend erscheinen mag.

Die sozialistischen Modelle, deren ideologische Säulen Begriffe wie bürgerlicher Besitz, Klassenunterschied, Reproduktion der Arbeitskraft und ähnliche Kategorien waren und die aus einem pragmatischen Rahmen hervorgingen, der die Schriftkultur möglich und notwendig gemacht hatte, haben sich erübrigt. Besitz und Märkte sind verteilt (nicht immer in einer Weise, die unserem Verständnis von Fairneß entspricht). Wir definieren uns zunehmend in einem gesellschaftlichen Kontinuum, das in mancherlei Hinsicht keinen Platz mehr für das Außergewöhnliche hat und an dessen Stelle das Durchschnittliche und Mediokre setzt. Die selbstkonstitutive Kraft des Menschen wird nicht nur in den neuen Formen der Lebenspraxis reproduziert, sondern multipliziert in einer Lebenspraxis des Überschusses, der neuen Überschuß produziert. Damit verliert der Mensch seinen Sinn für Dauerhaftigkeit und für das Außergewöhnliche als Merkmale seiner Produkte und seiner Selbstkonstituierung durch Arbeit.

Alphabetismus und das Transiente

Wenn ein Produkt mit einer lebenslangen Garantie auf den Markt kommt und der Hersteller wenige Monate nach dem Verkauf des Produktes bankrott geht, stellen sich normalerweise Fragen nach dem korrekten Verhalten des Herstellers, nach falschen Angaben über das Produkt und nach der Qualität der Werbung. Solche Vorgänge, gegen die niemand immun ist, können nicht einfach abgetan werden, denn das Agieren auf dem Markt bedeutet immer einen Umgang mit menschlichen Werten, wie relativ diese auch sein mögen. Ehrenhaftigkeit, Wahrheit und eine Achtung vor dem gegebenen Wort gehören zur Schriftkultur und sind entsprechend in den Büchern dieser Schriftkultur ausgedrückt. Diese und alle anderen Bücher verlieren ihren Sinn, wenn wir die Schriftkultur hinter uns gelassen haben. Das heißt allerdings nicht, daß in einem Stadium jenseits der Schriftkultur alle Werte korrumpiert und bedeutungsleer werden. Märkte leisten etwas anderes: Sie bauen die Erwartungen der Menschen in ihre eigenen Mechanismen ein. Das heißt, sie müssen nicht deshalb bestimmte menschliche Erwartungen erfüllen, weil diese schriftlich niedergelegt sind, sondern weil die Märkte anders nicht erfolgreich funktionieren würden. Wie dies im einzelnen geschieht, bedarf einer ausführlicheren Erörterungen. Wir wollen dabei mit der eingangs gestellten Frage beginnen: Was geschieht mit der lebenslangen Produktgarantie, wenn der Hersteller bankrott geht?

Wir haben bereits in verschiedenen Zusammenhängen gesehen, daß die sich in der Schriftkultur vollziehende sprachliche Selbstkonstituierung des Menschen Stabilität und progressives Wachstum insinuiert. Die in dieser Lebenspraxis gefundenen Produktionsmittel weisen ebenfalls Eigenschaften auf, die Dauerhaftigkeit garantieren. So erscheint das industrielle Modell als Erweiterung des in der Schriftkultur verwurzelten Schöpfungsmodells. Maschinen waren leistungsstark und beherrschend. Sie und ihre Produkte überdauerten die Generation derer, die sie entwickelten und verwendeten.

Schriftkultur und Bildung waren an den komplexen Lebensumständen beteiligt, die zur industriellen Revolution führten, und sie wurden durch diese dann weiter gefördert und unterstützt. Elektrisches Licht verlängerte die Zeiträume, die zum Lesen zur Verfügung standen. Bücher konnten schneller und billiger gedruckt werden, weil das Papier schneller und billiger hergestellt und die Druckmaschinen durch stärkere Motoren angetrieben wurden. Somit stand auch mehr Zeit für Ausbildung und Studium zur Verfügung; die industrielle Gesellschaft erkannte, daß mit der Entwicklung komplizierterer Maschinen qualifizierte Arbeitskräfte produktiver waren. All dies vollzog sich vor einem Erwartungshorizont, der wesentlich durch Dauerhaftigkeit gekennzeichnet war und sich auch auf die Struktur der Märkte auswirkte. Im Gegensatz zu landwirtschaftlichen Produkten, die den Einflüssen von Wetter und Zeit ausgesetzt sind, können industrielle Produkte auf Kommission bestellt und gelagert werden. In diesen heterogenen und vermehrt auf Kredit kalkulierten Marktstrukturen war die Schriftkultur ein wesentliches Vermittlungsinstrument. Produktionszyklen waren lang und folgten aufeinander wie die Jahreszeiten, wie die Buchstaben in einem Wort. Ein großer Hersteller verkörperte mit seinen Produkten geradezu Dauerhaftigkeit. Eine lebenslange Garantie auf solche Produkte beinhaltet eine Aussage über seine auf Dauer angelegte Leistungsfähigkeit und versinnbildlicht in gewisser Weise die Sprache, die die Leistungsfähigkeit des Produktes beschreibt.

Jenseits der Schriftkultur gelten diese Verhältnisse nicht mehr. Weder das Design eines Produkts, noch die verwendeten Materialien und angewandten Prinzipien sind darauf ausgelegt, über einen Zyklus optimaler Effizienz hinaus zu funktionieren. Das ist weder eine moralische Entscheidung noch ein abwegiger Plan. In unseren Produkten drücken sich lediglich andere Erwartungen aus. Ihre Lebensdauer entspricht der Dynamik des Wandels, der neuen Skala menschlicher Selbstkonstituierung und der für diese Skala typischen Effizienzbesessenheit. Unsere Produkte werden flüchtiger, weil die relativ gleichförmigen Zyklen unserer Selbstkonstituierung kürzer geworden sind.

Die Lebenserwartung ist gestiegen, und diejenigen, die den Höhepunkt ihrer produktiven Kraft überschritten haben, werden wohl bald die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen. Durch diese Veränderung wird die durch die neuen Vermittlungsstrategien erreichte hohe Produktivitätsebene nicht beeinträchtigt. Ein längeres Leben heißt heute lediglich, daß man in mehrere Zyklen der Veränderung eingebunden ist (was allerdings andere Veränderungen, etwa im Bereich von Bildung und Ausbildung und im Familienleben, mit einschließt). Im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrhunderten, in denen sich die Entwicklung langsam vollzog, bezeugt eine abrupte Veränderung ihrerseits eine neue conditio humana.

Wo früher Bildung und Schriftkultur für die Koordination der vielfältigen Beiträge des Menschen zur Lebenspraxis nötig waren, stehen heute neue Formen der Koordination und Integration. Die ihnen entsprechende Lebenspraxis ist durch Intensität und Verteilung gekennzeichnet, und die Produkte tragen anstelle des Prinzips der Dauerhaftigkeit das Prinzip der Veränderung in sich, das alle menschliche Erfahrung beherrscht. Auf diese Weise machten sich Marktbedingungen für das Flüchtige, Vorübergehende geltend. Wenn ein lebenslanges Funktionieren von Produkten garantiert wird, dann wird unter lebenslang der relativ kurze Zyklus des gesamten Sortiments verstanden. Und auch die Möglichkeit, daß ein Hersteller bankrott geht, kommt nicht überraschend, denn die strukturellen Merkmale unserer Effizienzerwartungen führen zu Produktionseinheiten, deren Dauer (oder Kürze) sich nach der Bedarfsdauer ihrer Produkte richtet. Auf diese Weise werden also unsere Erwartungen in die Marktmechanismen integriert. Diese Produkte werden durch viele Alphabetismen vermittelt, die dem Produkt innewohnen. Nun wird auch klar, warum wir auf eine lebenslange Produktgarantie verzichten können: Wir entsorgen nicht nur die hergestellten Produkte, sondern auch die in ihnen verkörperte Sprache (bzw. Sprachen). Jede Transaktion auf dem Markt des Flüchtigen entspricht einer Lebenspraxis, die das faustische Prinzip in einen Werbeslogan verwandelt.

Markt, Werbung, Schriftlichkeit

Die Rolle der Werbung in Markt und Gesellschaft ist durchaus umstritten. Die Meinungen reichen von Robert L. Heilbroners Urteil, daß die Werbung die Moral der kapitalistischen Gesellschaft am nachhaltigsten untergrabe, bis zu McLuhans Apologie, daß die Werbung unserer Zeit unsere Werte, Sehnsüchte und Tätigkeiten am besten widerspiegele. Wir wollen nicht Partei ergreifen. Ob wir nun Werbung bewundern oder verachten, ignorieren oder genießen, sie spielt in unserem heutigen Leben eine enorm wichtige Rolle. Wer aber mit der Geschichte der Werbung einigermaßen vertraut ist, wird wissen, daß sich die Skala dieses Tätigkeitsbereichs als Bestandteil des Marktes radikal verändert hat. Uns interessiert an der Werbung nicht nur, wieviel Bildung und Schriftkultur (oder nicht-schriftkulturelle, analphabetische Elemente) in ihr stecken, sondern auch, wie sich die Mittel der Schriftkultur für die psychologischen, ethischen und rationalen (oder irrationalen) Aspekte der Handelsabläufe auf dem Markt eignen.

Im übrigen zeigt uns ein Blick auf die Werbung der vergangenen Jahrhunderte, welche Rolle die Schriftkultur in der Gesellschaft und in der kaufmännischen Welt gespielt hat. Mund-zu-Mund-Werbung und Angebotstafeln vor einem Geschäft stehen für eine Zeit, in der Handelsabläufe von geringem Umfang und mit geringer Reichweite an der Tagesordnung waren. Die Werbestrategien um die Jahrhundertwende verdeutlichen ihrerseits die damals erreichten Standards der Schriftkultur und die Effizienzerwartungen, die man bezüglich der Handelszusammenhänge und der Skala jener Zeit an sie richtete. Die Werbung jener Zeit enthält mehr Text als Bild und spricht mehr den Verstand als die Sinne an. Als Zeitungen und Wochenmagazine die bestimmenden Kommunikationsmittel waren, verließ man sich in der Werbung auf die Überredungskraft des Wortes. Nicht wirkliche Ehrenhaftigkeit oder Werte wurden in ihnen ausgedrückt, sondern nur der Anschein davon. Das schwarz auf weiß zu Papier gebrachte Wort mußte einfach und wahrhaftig erscheinen.

Das jedenfalls galt für Amerika. In Europa hatte die Werbung zu jener Zeit einen anderen Stil entwickelt, verriet aber noch immer das Vertrauen in die alten Werte. Viele bekannte Künstler wurden für die Werbung gewonnen. Henri Toulouse-Lautrec, El Lissitzky und Herbert Bayer sind die bekanntesten. Für den gebildeten und auf Schriftkultur fixierten, aber künstlerisch interessierten Europäer jener Zeit besaßen solche Werbungen für hochwertige Produkte und Ereignisse eine größere Suggestionskraft. Vermutlich in der Nachfolge dieser europäischen Tradition experimentierten dann auch amerikanische Designer nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Bild als Werbeträger und schufen die Wiege für das Graphik-Design in den USA. Als dann noch leistungsfähigere Visualisierungsmedien zur Hand waren, die zur Erhöhung ihrer Effektivität auf psychologische Daten zurückgreifen konnten, wurde das Bild in der Werbung zum beherrschenden Faktor. So offen und mehrdeutig ein Bild auch sein mag, steigende Verkaufszahlen bestätigten allemal die Wirkmächtigkeit des Bildes in der Werbung. Sofern heute auf Schrift in der Werbung zurückgegriffen wird, geschieht es im wesentlichen mit Blick auf die visuellen Aspekte der Schrift.

Auf den Märkten herrscht alles andere als ein einfacher, klarer Kausalzusammenhang. Der Übergang von einer wohl strukturierten, rationalen Interpretation des Marktes und von seinem ethischen Gebaren zu Irrationalität und Entstellung ist leicht vollzogen und läßt sich an den neuen Formen ablesen, die die Märkte genommen haben, und an den neuen Techniken ihrer Transaktion und der damit verbundenen Werbung. Mit Irrationalität meinen wir die Aufgabe allgemeiner Vernunftregeln (oder ökonomischer Theorien) bezüglich des Warentausches. In den 80er Jahren zeigte sich dies auf dem Ölmarkt, dem Kunstmarkt, dem Markt für Adoptivkinder und bei den Angeboten neuer Werte auf dem Aktienmarkt.

Wirtschaftstheorien oder der Text einer Werbung können diese Irrationalität nur anerkennen und Erklärungen vorschlagen. Es gibt Ansätze und Schulmeinungen im Bereich der Marktanalyse, die auf Spieltheorie, Psychodrama, zyklischer Modellierung, den Mondphasen usw. beruhen. Sie alle produzieren eine Unmenge von Informationsbroschüren, die die schwer vorhersagbaren wirtschaftlichen und finanziellen Phänomene zu erklären und zu verstehen suchen. Sprachähnliche Erklärungen und Ratschläge sind Teil der Werbung, Teil der Sprache des Marktes, die ihre eigene Schriftlichkeit entwickelt und viele darin einbindet. Doch selbst der gebildetste Teilhaber an den Marktabläufen kann diesen Prozeß nicht anhalten, denn die an diesen Ablauf teilhabende Schriftlichkeit unterscheidet sich von der Schriftlichkeit, die in einem Produkt oder seiner Werbung verkörpert ist. Zu jeder Zeit sind, wie im Leben, irrationale Elemente auf dem Markt präsent; diese sind aber nicht zu vergleichen mit dem Ausmaß, in dem die Sprache des Marktes die Hysterie etwa des Schwarzen Montags im Jahr 1987 an der New Yorker Börse reflektierte oder ihre pragmatische Funktion bisweilen gänzlich aufgibt.

Wir alle klagen darüber, daß unsere Intimsphäre kleiner wird, erlauben aber gleichzeitig durch unsere Präsenz auf dem Markt, daß uns die vom Markt ausgeübte Integrationskraft erfaßt, ohne zu sehen, wie eng diese beiden Aspekte zusammenhängen. Die Schriftkultur hatte früher auch eine Schutzfunktion ausgeübt und Regeln der Diskretion und des Anstands festgeschrieben. Die Illiteralität indes versetzt uns in Furcht; sie macht uns zwar effizienter, öffnet aber all den Mitteln Tür und Tor, die uns unserer Identität berauben. Wenn wir unsere Geschäfte online betreiben, geben wir, ohne zu zögern, unsere persönlichen Daten und die Nummer unserer Kreditkarte preis und setzen dabei stillschweigend einen Bereich der Privatheit voraus, der für den Kode unseres schriftkulturellen Verhaltens selbstverständlich war. Aber gerade diejenigen, die Bildung und Kommunikationsformen aus dem Umgang mit Computern gewonnen haben, sollten wissen, wie unbegrenzt die Macht des Netzes ist, wenn es darum geht, für alle nur denkbaren Verwendungen Informationen zu suchen, zu finden und zu klassifizieren.

In diesem neuen Stadium jenseits der Schriftkultur wendet sich die Werbung nicht mehr nur an einen undifferenzierten großen Markt, sondern sehr differenziert auch an kleinere Gruppen, selbst an das Individuum. "Sag mir, was du kaufen oder verkaufen möchtest, und ich sage dir, wer du bist": Diese Feststellung beschreibt sehr genau, wie der Zeichenvorgang auf dem Markt uns die Beteiligten transparent macht. Der enorme Aufwand, mit dem heute ein neues Müsli, eine neue Software, ein Wahlkampf, ein Film oder eine Sportveranstaltung vermarktet werden, hat aus der Sprache der Werbung eine eigene Sprache gemacht mit einem eigenen Vokabular und einer eigenen Grammatik. Diese verändern sich stetig, weil sich die von ihnen dargestellte Welt schnell und stetig verändert. "Sag mir, was du kaufst, und ich sag dir, wer du bist." Unaufhörlich und überall machen enorm erfindungsreiche Digitaltechniken Aufnahmen von uns, die Feinabstimmung übernimmt der Markt. Das Kaufen von Produkten ist längst vorbei. Heute kaufen uns die Produkte.

Werbung ist nicht mehr nur Mitteilung oder Erläuterung. Werbung ist Informationsverarbeitung mit bisweilen bizarren Ausmaßen und darüber hinaus sehr erfindungsreich, wenn es um die Querverweisung von Information und die Feinabstimmung der Botschaft auf die individuellen Bedürfnisse hin geht. Automatische Datenanalyse wird ergänzt durch Abstimmungsmethoden, die das Gewicht der Wörter den spezifischen Bedürfnissen des Adressaten anpassen. In der Realität des Marktes und seines Gehilfen, der Werbung, werden Sprachen, die sich auf Kunst, Erziehung, Ideologie oder Sexualität beziehen, von der grenzenlosen Vermittlungsmaschinerie eingenommen, die den pragmatischen Rahmen unserer heutigen Existenz ausmacht. Nichts ist wertvoller als das Wissen darum, wer wir sind. Vermutlich sind jene Makler, die mit den Informationen über einen jeden einzelnen von uns handeln, auf diesem Markt der vielen miteinander konkurrierenden partiellen Literalitäten die erfolgreichsten.

Im Verlauf dieser Entwicklung hat die Sprache ihre Möglichkeiten erschöpft und die Schriftkultur ihre beherrschende Rolle in unserer Kultur verloren. Eine jede schriftkulturelle Äußerung ging stillschweigend davon aus, daß der Mensch die optimale Informationsquelle und der ideale Empfänger sei. Die illiterate Botschaft kann sich automatisch vermitteln, als Bild oder als Text, als Video oder als Internet-Spamming, was immer für das auserkorene menschliche Ziel am treffsichersten erscheint. Wir haben gar keine andere Wahl. Direkte Verhandlungen zwischen Personen sind längst dem Austausch über Faxgeräte gewichen und werden zukünftig als Verhandlungen zwischen Softwareprogrammen geführt werden. Die Folgen davon werden so weitreichend sein, daß es wenig Sinn ergäbe, auf diese Situation emotional mit reiner Begeisterung oder bloßer Verachtung zu reagieren.

Die Pragmatik des heutigen Marktes unterliegt der Notwendigkeit, den Überfluß ständig auszuweiten, um den von Begehr und Erwartung getriebenen Austausch von Gütern und Dienstleistungen anzutreiben. Derartiges Begehren und derartige Erwartungen in der globalen Skala der menschlichen Interaktionen sind von einer einzigen beherrschenden Form von Bildung und Schriftkultur nicht mehr in den Griff zu bekommen. Hunderte von Literalitäten, die ihrerseits eine ebenso große Zahl von Selbstkonstituierungsformen überall auf der Welt verkörpern, sind unter dem Superzeichen, das wir Markt nennen, zusammengefaßt.

Der Markt—im engen Sinne als Umschlagplatz von Gütern und als Zeichenprozeß, der Struktur und Dynamik verbindet—bringt all das zusammen, was die Beziehungen zwischen dem Individuum und seinem sozialen Umfeld regelt: Sprache, Sitten, Gebräuche, Wissen, Technologie, Bilder, Klänge, Gerüche und vieles andere. Durch den Markt werden Wirtschaftsformen bestätigt oder einer schmerzlichen Umstrukturierung unterworfen. Die zurückliegenden Jahre haben diesbezüglich sehr viel Unruhe verursacht, aber auch ökonomische Chancen geboten—ein Ausdruck neuer pragmatischer Umstände. Konkurrenz, Spezialisierung und Kooperation haben sich verstärkt. Ein aufregendes und zugleich für manche beunruhigendes Wachstum der wirtschaftlichen Aktivität hat neue Hochleistungsmärkte hervorgebracht. Phänomene wie just in time, point of sale und elektronischer Austausch mußten sich entwickeln, weil die neue Lebenspraxis sie erforderlich machte.

Deshalb können wir auch nicht so ohne weiteres den Erklärungen folgen, die die Dynamik des Wirtschaftslebens auf die technologischen Veränderungen zurückführen. Die schnelleren Wirtschaftszyklen verlaufen nicht neben den neuen praktischen Erfahrungen menschlicher Selbstkonstituierung, sondern sind auf sie bezogen. Kognitive Ressourcen zählen zu den wichtigsten Gütern der neuen wirtschaftlichen Erfahrungen. Und der Markt richtet sich darauf ein, indem er für den beschleunigten Umschlag dieser Güter Mechanismen und Zeichenprozesse entwickelt, die eine bislang nicht erreichte technologische Komplexität aufweisen. Dynamische Systeme für intelligente Agenten und verbesserte Möglichkeiten für die Einschätzung von Marktchancen und Prognosen haben neue Algorithmen hervorgebracht, die diese neuen kognitiven Ressourcen angemessen ausdrücken. Sie könnten aufblühen in einem Kontext, der Freiheit von jeglicher Hierarchie und Zentralismus, Loslösung von Sequentialität und Determinismus erfordert. Selbst das interessante Wirtschaftsmodell, das Wirtschaft als ein Ökosystem versteht (ich beziehe mich hier auf Rothschilds Bionomics), verrät doch in letzter Konsequenz eine deterministische Sehweise.

Zeichenprozesse (auch Semiosen genannt) können keine wirtschaftlichen Veränderungen hervorrufen. Aber Zeichenprozesse reflektieren in der Form hochentwickelter Transaktionen die Veränderungen, die sich in der pragmatischen Grundlage des Menschen vollzogen haben. Die zahlreichen neuen Unternehmen von Fast-food-Ketten über Mikrochip-Hersteller bis zu RoboterEntwicklern, die das menschliche Wissen in die neuen Waren und Dienstleistungen umsetzen, zeigen die Notwendigkeit dieser pragmatischen Veränderungen. Angebotsvielfalt und Überfluß können vielleicht auf Wettbewerb und Zusammenarbeit zurückgeführt werden, aber die eigentliche Triebkraft der Wirtschaft und des Marktes ist das objektive Bedürfnis nach Effizienzebenen, die der heute erreichten globalen Skala menschlicher Tätigkeit entsprechen. Eine zentrale Planung wie überhaupt jegliche zentralistische Struktur hat sich nicht wegen des technologischen Fortschritts erübrigt, sondern weil sie nicht mehr mit effizienten praktischen Erfahrungen in Einklang zu bringen war.

Wie die Märkte in einer Zivilisation jenseits der Schriftkultur aussehen, hat sich aus den vorausgegangenen Überlegungen herauskristallisiert. Sie sind gekennzeichnet durch vielfältige Vermittlungsinstanzen, rasche Entwicklungszyklen sowie eine globale Verknüpfung und Abhängigkeit. An die Stelle des Menschen als optimaler Informationsquelle und idealem Empfänger treten elektronisch vermittelte Datenverarbeitungsprozesse, die sich jederzeit an jeden in einem jeden Kontext wenden können: an die Produzenten von Rohmaterialien, an Energielieferanten, an Hersteller und Verkäufer. Die Analyse des Käuferverhaltens beim Scannen der Internetangebote geht direkt in Programme ein, die Produktion, Marketing und Distribution steuern. Kauf und Verkauf regeln sich nicht mehr über persönliche Verkaufsgepräche, Fax oder e-mail, sondern als Interaktion zwischen Programmen. An die Stelle von Massenmärkten treten spezialisierte Einzelmärkte. Die Dynamik dieser Märkte, die sich in den einzelnen Zellen der Selbstorganisation ausdrückt, entspricht dabei der Dynamik der Menschen, die sich in dieser ihrer Realität konstituieren.

Kapitel 2:

Sprache und Arbeitswelt

Arbeit ist ein Mittel der Selbsterhaltung, das über den primitiven Kampf um das Überleben hinausgeht. Den Begriff Arbeit können wir eigentlich erst verwenden, wenn wir von einem Bewußtsein des Menschen seiner selbst und von einem Bewußtsein seiner Selbstkonstituierung in praktischen Erfahrungen ausgehen können. Das Bewußtsein von Arbeit und die Anfänge der Sprache gehören eng zusammen.

Unter Arbeit verstehen wir nicht die spezifische Ausführung dieser oder jener Tätigkeit, sondern Muster und Profile menschlichen Handelns. Wir betrachten sie also vor allem unter einem funktionalen Gesichtspunkt, der auch die Frage aufwirft, wie sich diese Muster reproduzieren. Interaktion, Veränderung, Wachstum, Verbreitung und Beendigung sind Bestandteile dieser Profile. Es ist offensichtlich, daß die Arbeitsprofile der landwirtschaftlichen Tätigkeit sich von denen der vorindustriellen, der industriellen oder der postindustriellen Zeit unterscheiden. Wir wollen im folgenden die Arbeitsprofile der durch Schriftkultur gekennzeichneten Arbeitswelt mit denen im Stadium jenseits der Schriftkultur vergleichen.

Die landwirtschaftliche Tätigkeit ist wesentlich von topographischen und klimatischen Bedingungen abhängig. Gleichwohl hat sich bei den in diese Tätigkeit eingebundenen Menschen unabhängig von ihrer jeweiligen geographischen Lage eine kohärente Erfahrung eingestellt. Die in der jeweiligen Sprache zum Ausdruck gebrachte Erfahrung weist einen klar umrissenen Satz von Problemen, Fragen und Wissen auf, der trotz des jeweils fragmentarisierten Weltblicks insgesamt homogener ist, als wir erwartet hätten. Im Vergleich dazu sprechen die Chiphersteller im Silicon Valley oder in entlegenen chinesischen Provinzen, in Rußland oder in einem Entwicklungsland Osteuropas, in Asien oder Afrika von vornherein dieselbe Sprache und stehen vor denselben Problemen.

Landwirtschaftliche Tätigkeit verläuft nach dem bottom-up-Prinzip, das in diesem Fall ein reaktives Prinzip ist. Die Reaktion auf gegebene Probleme führte langsam, aber stetig zu Entscheidungen zwischen Handlungsalternativen. Erfahrung führte zu repetitiven Handlungsmustern. Effiziente Erfahrungen setzten sich durch, andere wurden verworfen. So formte sich allmählich ein Bestand an Wissen, der einem jeden, der in diese Überlebenspraktiken eingebunden war, zur Verfügung stand. Im Falle der Chipfabrik ist die Struktur nach dem top-down-Prinzip gestaltet: Von vornherein sind bestimmte und klar definierte Ziele und Gründe sowie das notwendige, seiner Natur nach nicht in Schriftlichkeit eingebundene Wissen Teil der Erfahrungsstruktur. Nur so ist die hohe Effizienz zu erreichen. Durch begleitende Maßnahmen werden die verfügbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten unablässig verbessert. Die Tätigkeit ist programmiert. Eine klare Vorstellung von den Zielen des Unternehmens—hohe Qualität, hohe Effizienz, ausgeprägte Anpassungsfähigkeit an neue Erfordernisse—ist in das gesamte Unternehmenssystem eingebaut.

In beiden Modellen entwickelt sich die Sprache als Teil und Ausdruck dieser Erfahrung. Koordination, Kommunikation, Aufzeichnung und Wissensvermittlung erfordern für den reproduktiven Prozeß der Arbeit die Transferleistung der Sprache. Gewiß ist die Sprache der landwirtschaftlichen Lebenspraxis natürlicher und stärker auf den Naturzustand des damaligen Menschen bezogen gewesen als die Sprache im Chipzeitalter jenseits der Schriftkultur, die von einer außerordentlichen Präzision sein muß, um den hochspezialisierten und hocheffizienten Arbeitsabläufen zu genügen. Die Funktionen der letzteren Sprachform unterscheiden sich von denen der natürlichen Sprache, die als allgemeines Mittel menschlicher Interaktion jedoch nach wie vor gültig bleibt.

Diese einleitenden Bemerkungen zum sich verändernden Verhältnis zwischen Sprache und Arbeit mögen genügen. Unsere Terminologie orientiert sich am heute gängigen Jargon der Genetik und ihrem Gegenstück, der Memetik. Dennoch ist in diesem Zusammenhang Vorsicht geboten, denn Memetik ist auf die quantitative Analyse kultureller Dynamik gerichtet, wohingegen sich die Semiotik vornehmlich mit qualitativen Aspekten beschäftigt.

Wie wir bereits erörtert haben, liefert die biologische Evolutionstheorie heute die Metaphern für die neueren Wirtschaftswissenschaften wie auch für die Theorien über Wissenserwerb und Wissensverbreitung oder die Reproduktion von Gedanken. Viele beschäftigen sich bereits mit der neuen Sparte der memetischen Forschung. Die Mehrheit widmet sich effektiven, d. h. meist computergestützten Verfahren zur Entwicklung von Mechanismen, die die menschlichen Interaktionen verbessern sollen. So aufregend dies alles ist, könnten sich jedoch qualitative Überlegungen als mindestens ebenso nützlich erweisen, wenn wir sie in konkrete praktische Erfahrungen umsetzen könnten. Wenn sich aus der Evolutionstheorie ergibt, daß jeder lebendige Organismus zweckbestimmt ist, dann läßt sich die Dynamik der menschlichen Tätigkeit, wie sie sich in aufeinanderfolgenden pragmatischen Rahmen ihrer Entwicklungsstadien niedergeschlagen hat, mit dem Mechanismus der natürlichen Auslese allein nicht erklären. An diesem Punkt zeigt sich der Unterschied zwischen der Auffassung vom Zeichencharakter der menschlichen Interaktion, auch der in der Arbeit sich vollziehenden Interaktion, und der quantitativen Auffassung. Solange natürliche Auslese selbst als praktische Erfahrung—als Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten—verstanden wird, kann man sie nicht gleichzeitig zur Erklärung dafür, wie sie sich vollzieht, heranziehen.

Wir können Arbeit in Analogie zu den Maschinen—denen von gestern und denen von heute—als eine Maschine betrachten, die sich selbst reproduziert. In der Terminologie der Memetik würde man Arbeit als eine komplexe replikative Einheit beschreiben, als eine Meta-Meme. Aber beide Vergleiche beziehen sich auf den Aspekt des Informationsaustausches, der nur ein Teil des Zeichenprozesses ist. Damit wollen wir nicht sagen, daß Arbeit auf Zeichenprozesse oder auf Sprache reduzierbar ist. Uns interessiert hier die Verbindung zwischen Arbeit und Zeichen bzw. zwischen Arbeit und Sprache. Uns interessiert ferner, inwieweit und inwiefern pragmatische Handlungsrahmen und die Merkmale der Spracherfahrung sich gegenseitig beeinflussen und voneinander abhängig sind und inwieweit dieser Zusammenhang memetisch zu verstehen ist, ohne allerdings darauf reduziert zu werden.

Innerhalb und außerhalb der Welt

Wenn wir die Leistungsfähigkeit der unmittelbaren Erfahrung mit der Leistungsfähigkeit von vermittelten Erfahrungsformen—vermittelt durch Werkzeuge, Zeichen oder Sprachen—vergleichen, so zeigt sich, daß die Effizienz der durch Zeichensysteme vermittelten Handlungen höher ist. Die Quelle dieser Effizienzsteigerung liegt in der kognitiven Leistung, die die angemessenen Mittel mit dem erstrebten Ziel koordiniert. Im Rückblick können wir verstehen, wie ungeheuer groß diese Aufgabe war: Beobachtung, Vergleich, Entwicklung und Abwägung von Alternativen mußten ins Spiel gebracht werden. Die Nachbildung solcher kognitiven Prozesse ist nach allem, was wir nach jüngsten wissenschaftlichen und technologischen Forschungen in diesem Bereich wissen, noch lange nicht absehbar, zumal solche kognitiven Prozesse sich über lange Zeiträume entwickelt haben.

Sprache ist wie jedes andere Zeichensystem ein integraler Bestandteil bei der Selbstkonstituierung und Selbstbehauptung des Menschen. Sie spielt in diesem Prozeß eine dynamische Rolle. Sie entspricht den verschiedenen pragmatischen Zusammenhängen, in denen die Menschen ihre strukturale Wirklichkeit in die Wirklichkeit ihres Lebens hineinprojizieren. Das biophysische System, innerhalb dessen sich diese Projektion abspielt, wurde und wird nachhaltigen Veränderungen unterworfen. Diese Veränderungen spiegeln sich in der biophysischen Veränderung des Menschen wider. Als Teil dieser sich verändernden Welt und als deren Beobachter befindet sich der Mensch mithin gleichzeitig innerhalb und außerhalb der Welt: innerhalb der Welt als eine genetische Sequenz, außerhalb der Welt als ihr Bewußtsein und Gewissen, das sich neben allen anderen Formen des Bewußtseins auch in der Arbeit ausdrückt.

Ob wir nun Sprache in ihrem sehr begrenzten frühen Stadium oder als ein potentiell universelles Ausdrucks-, Darstellungs- und Kommunikationssystem betrachten, wir müssen sie immer in ihrer Abhängigkeit von der menschlichen Natur sehen. Ebenso müssen wir ihr Verhältnis zu anderen Ausdrucks-, Darstellungs- und Kommunikationsformen miteinbeziehen. Die Notwendigkeit von Sprache zeigt sich in dem Maß, in dem die evolutionäre Bestimmung und die Selbstbestimmung des Menschen oder der Gesellschaft korrelieren. Sprache ergibt sich aus den praktischen Erfahrungen des Menschen. Gleichzeitig aber ist sie für diese konstitutiv, und zwar zusammen mit vielen anderen Elementen der menschlichen Praxis, wie etwa der biologischen Anlage, der Heuristik und Logik, Dialektik und Ausbildung. Das gilt für alle Stadien der Sprachentwicklung. In der Form, die sie innerhalb der Schriftkultur bekommen hat, bewirkte die Sprache die zunehmende Spezialisierung und Fragmentarisierung der menschlichen Praxis. Wir sind heutzutage Zeugen und zugleich Betreiber eines Prozesses, in dem der schriftkulturelle Gebrauch von Sprache durch die Analphabetisierung der vielen Sprachen in der Arbeitswelt, auf dem Markt und sogar im gesellschaftlichen Leben ersetzt wird.

Zeichensysteme aller Art, vor allem aber die Sprache, haben die vielen Projekte aufgenommen und gespeichert, die die Bedingungen der Lebenspraxis, wie sie in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben wurden, verändert haben. Eine jede Veränderung hat die strukturalen Grenzen der Sprache evidenter gemacht. Diese Grenzen sind heute um so schärfer konturiert, je mehr neue Sprache, vor allem Visualisierungen, entwickelt werden, die sich den neuen Erwartungen stellen, Erwartungen bezüglich verbesserter Expressivität, höherer Verarbeitungsgeschwindigkeit und Interoperabilität—ein Bild kann weitere Handlungen veranlassen.

Die vielen nebeneinander existierenden Sprachen sind zwar alle sehr spezialisiert, aber insofern ihrem Charakter nach global, als sie überall auf der Welt für diesen speziellen Bereich Verwendung finden. Eine Chipfabrik, um bei unserem Beispiel zu bleiben, eine Pizzabäckerei oder eine Hamburgerküche kann jederzeit in jede Ecke dieser Welt schlüsselfertig geliefert werden. Die Sprachen der Mathematik, der Ingenieurwissenschaft oder der Genetik können für sich allein genommen durch all die Merkmale beschrieben werden, die die natürliche Sprache aufweist und die sie aus diesem Grunde für die Komplexitäten in der heute erreichten Skala unserer Aktivität unbrauchbar gemacht haben: Sequentialität, Dualismus, Zentralismus und Determinismus. Aber sie können in andere praktische Erfahrungshorizonte, etwa der Automatisierung, integriert werden, so daß sich aus ihnen eine neue Dynamik entwickeln kann. Sie sind sicherlich weniger ausdrucksfähig als die natürliche Sprache, aber dafür um so präziser.

Wir sind, was wir tun

In unserer heutigen Welt ist Kommunikation weitgehend versachlicht und vollzieht sich über die Vermittlung durch ein Produkt. Ihre Quelle ist die menschliche Arbeit. Insofern trägt sie auch viele Merkmale jener Sprachen, die in diese Arbeit eingebunden sind. In der durch das Produkt gegebenen physischen oder geistigen Wirklichkeit werden Spezialsprachen in die universale Sprache der Bedürfnisbefriedigung oder der Schaffung neuer Bedürfnisse rückübersetzt, wobei diese Bedürfnisse durch die Vermittlungsmechanismen des Marktes weiterverarbeitet werden. Die Versachlichung der Sprache (von lateinisch res: die Umformung von Leben, Sprache, Gefühl, Arbeit in Sachen) ergibt sich aus der verfremdenden Logik des Marktes und seiner Natur als Zeichenprozeß.

Märkte abstrahieren die individuellen Beiträge zu einem Produkt. Zuallererst wird die Sprache selbst versachlicht und konsumiert. Der Markt verdinglicht diesen Sprachbeitrag, indem er das Leben, die Energie, die Zweifel, die Zeit, vor allem aber die Sprache zu einer Ware macht, die als Produkt auf dem Markt angeboten wird. Dieses hohe Maß an Integration führt zu Bedingungen, in denen hohe Effizienz—so viel wie möglich so billig wie möglich—zum Überlebenskriterium wird. Menschliche Individualität wird durch das Produkt absorbiert. Die Menschen legen im wahrsten Sinne des Wortes ihr Leben und alles, was dazugehört—Geschichte, Erziehung, Familie, Gefühle, Kultur, Wünsche und Sehnsüchte—in die Ergebnisse ihrer praktischen Erfahrungen. Diese Absorbierung des Menschen im Produkt vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen. Neben der Sprache wird aber auch das sich in der Arbeit konstituierende Individuum versachlicht und konsumiert: Das Produkt beinhaltet einen Teil der begrenzten Lebenszeit derer, die es entwickelt haben.

Jede Form vermittelter Arbeit hängt von den vermittelnden Instanzen ab. So wie eine bestimmte Arbeitsform durch eine andere, effizientere, ersetzt werden kann, wird auch die vermittelnde Sprache durch andere Mittel ersetzt. Jene Sprachen, die ursprünglich die Jagd koordinierten oder die Frühformen der Landwirtschaft organisierten, mußten den nachfolgenden praktischen Erfahrungen der Selbstkonstituierung durch Sprache Platz machen. Dies gilt für jede Form von Arbeit, ob sie nun landwirtschaftliche, industrielle, künstlerische oder ideologische Produkte hervorbringt. Hier greifen die Metaphern aus der Genetik und der Evolutionstheorie. Wir können die Evolution der Arbeit in memetischer Begrifflichkeit beschreiben, wir können damit allerdings nicht hinreichend die aktive Rolle von Zeichenprozessen beschreiben. Die menschliche Reproduktion in ihren sexuellen und kulturellen Ausprägungen würde darüber hinaus bedeutungslos, wenn wir sie losgelöst von dem pragmatischen Rahmen betrachten würden, in dem sich die menschliche Selbstkonstituierung vollzieht.

Um zu zeigen, wie Sprache konsumiert wird, wollen wir einen kurzen Blick auf den Arbeitsbereich werfen, den wir Erziehung nennen. Heutzutage hat sich der Bedarf an fortlaufender Ausbildung drastisch erhöht. Das Paradigma einer einmaligen, lebenslang gültigen Ausbildung hat sich gemeinsam mit Schriftkultur und der auf sie gründenden Bildung erschöpft. Kürzere Produktionszyklen erfordern veränderte Werkzeuge und eine dazugehörende veränderte Ausbildung. Eine für eine Lebensdauer gültige Berufsausbildung, die möglich war, als der Fortschritt der Technologie sich noch linear vollzog, erforderte lediglich die Pflege der einmal erworbenen Fähigkeiten und geringfügige Anpassung des vorhandenen Wissens. Dieses Ideal gehört der Vergangenheit an. Die heutigen Effizienzanforderungen müssen in Ausbildungsstrategien umgesetzt werden, die weniger kostenaufwendig, aber auch weniger lange gültig sind als die, die man mit der Schriftkultur erwarb. Diese Strategien produzieren die heute benötigten gebildeten Operatoren aller Art, Ausbildung wird selbst zu einem Produkt, das von vielen Weiterbildungsfirmen angeboten wird. Zu deren Kunden gehören die Angestellten von Fast-food-Ketten, die Betreiber von Atomkraftwerken, Tiefkühleinrichtungen, Mitglieder der Parlamente und Netzwerkbetreiber. Alle diese Produkte werden auf dem Markt gehandelt, und auf dem Markt wird die Sprache der Werbung, des Designs und der Öffentlichkeitsarbeit ebenso konsumiert wie die Ausbildung, die sich zunehmend auf außersprachliche Kommunikationsmittel verlegt.

Maschine und Schriftkultur

Der Mensch hat Maschinen gebaut, die den menschlichen Arm und seine Funktionen imitiert und auf diese Weise die Natur der Arbeit verändert haben. Die Fähigkeiten, die man zur Beherrschung dieser Maschinen benötigte, unterschieden sich von den handwerklichen Fähigkeiten, die nun nicht mehr von Generation zu Generation übertragen wurden und daher an Gültigkeit und Dauerhaftigkeit verloren. Die industrielle Revolution erreichte Effizienzebenen, die für den Unterhalt von Maschinen und Arbeitern ausreichten. Diese Maschinen wurden permanent verbessert und erforderten immer besser ausgebildete Operatoren, deren Ausbildung darauf ausgerichtet war, das Maximum aus den ihnen anvertrauten Produktionsmitteln herauszuholen.

Heute verliert die natürliche Sprache für die praktischen Erfahrungen des Menschen immer mehr an Bedeutung. Das, was uns als verminderte Schreib-, Leseund Ausdrucksfähigkeit erscheint, ist tatsächlich ein Symptom für eine neue Grundlage der Lebenspraxis. Die Ausdrucks- und Kommunikationsmittel der Schriftkultur werden nicht nur durch andere Ausdrucks- und Kommunikationsformen ergänzt, sondern zunehmend durch sie ersetzt. Oder sie werden auf ein stereotypes Repertoire reduziert, das man leicht mechanisieren, automatisieren und schließlich als erledigt betrachten kann. Die Kontrolle eines automatisierten Montagebandes, der Betrieb einer komplizierten Maschine, die Ausführung einer sehr begrenzten Tätigkeit ohne Überblick über den gesamten Arbeitszusammenhang und viele ähnliche Funktionen bringen den Menschen heute in eine Situation, in der die Kompetenz des Einzelnen darauf reduziert ist, die gestellte spezifische Aufgabe kompetent zu lösen. Bevor diese Aufgabe wegrationalisiert wird, wird sie stereotypisiert. Sofern Sprache ergänzend zu der involvierten Fachsprache hier noch eine Rolle spielt, wird sie komprimiert und auf den begrenzten, d. h. nötigen und möglichen Kommunikationsbedarf hin zugeschnitten und der sich verändernden Situation permanent und schnell angepaßt.

Ein Handbuch für den Betrieb oder die Reparatur einer hochkomplizierten Maschine oder Waffe beinhaltet heute weniger Wörter als Bilder. Und die verwendeten Wörter sind auf das Bild bezogen. Oft ist aber das Handbuch bereits durch ein Video, eine Laserdiskette, eine CD-ROM oder durch im Netzwerk verankerte und jederzeit aufrufbare Bedienungshilfen ersetzt. Oder aber die Maschine selbst beinhaltet ein computerisiertes Handbuch, dessen Pages (auf dem Bildschirm) aufgerufen werden können und die notwendigen Informationen für die einzelnen Bedienungsschritte liefern; dies kann auch in Form synthetischer Sprache für kurze Äußerungen und vorfabrizierte Dialoge geschehen. Hierfür nur einige Beispiele: In den USA werden bereits Dollarnoten entwickelt, die uns ihren Wert nennen; Autos sind mit Geräten ausgestattet, die uns ansprechen, wenn wir die Tür nicht geschlossen oder den Sicherheitsgurt nicht angelegt haben; Glückwunschkarten können bereits mündlich aufgezeichnete Botschaften des Absenders (und zukünftig vermutlich sogar laufende Bilder) enthalten. Auch wenn derartige Artifakte den oberflächlichen Geschmack ihrer Benutzer verraten, verweisen sie letztlich doch alle auf eine neue Lebenspraxis und die ihr zugrundeliegende Struktur, die der Komplexität der neuen Skala der Menschheit gerechter wird.

Vielleicht landen die Stimmen, die wir heute in unseren Autos hören, schon bald in einem Museum, wenn das allgemeine Leitsystem für unsere Autos installiert ist und wir nur noch den Zielort und bestimmte Routen und Vorlieben eingeben müssen. Und selbst das Supertech-Auto könnte sich schnell zu seinen musealen Vorläufern gesellen, wenn die Energieorgien, die wir täglich zu den Stoßzeiten auf Straßen und Autobahnen erleben, durch rationellere Arbeits- und Lebensstrategien ersetzt werden. Die Telekommunikation befindet sich noch in den Kinderschuhen und läßt erst vage erkennen, was sich daraus noch alles entwickeln könnte. Die sprechende Glückwunschkarte könnte durch ein Programm ersetzt werden, das sich an die Geburtstage unserer Verwandten und Freunde erinnert, das Profil des Adressaten aus den gespeicherten Daten (Vorlieben, Lebensumstände, etc.) heraussucht und daraus eine Originalbotschaft erstellt, die mit der elektronischen Zeitung zum Morgenkaffee auf den Tisch kommt. All das könnte bereits heute mit geringem Aufwand von den Herstellern von Bildschirmschonern angefertigt werden.

Wie immer die Zukunft aussehen wird, deutlich ist, daß sich gerade auch die Produktionsmittel immer weiter entwickeln. Der Bildungsstand in bezug auf die von der Schriftkultur bereitgestellte Bildung bleibt jedoch auf einem relativ geringem Niveau, weil die Menschen für die meisten heutigen Arbeitsformen diese Form von Bildung nicht mehr benötigen. Einer der Gründe liegt sicherlich darin, daß die meisten neuen Maschinen das Wissen, das man für ihren Betrieb benötigt, in sich einprogrammiert haben. Sie sind allesamt viel effizienter als Menschen. Diese Entwicklung hat auch ihre Auswirkungen auf die Universitätsausbildung. Sofern Universitäten ihre Studenten auf die Arbeitswelt vorbereiten sollen, müssen sie sich denselben hohen Effizienzerwartungen stellen. Daher sind Universitäten heute zunehmend Ausbildungsstätten für bestimmte hochqualifizierte Berufe und weniger Orte der Bildung im traditionellen Sinne der allgemeinen kulturellen Bildung und der Vermittlung von Grundlagenwissen in allen Bereichen.

Wenn wir auf den niedrigen Bildungsstand verweisen, wollen wir damit nicht in die Klage der Humanisten einstimmen, sondern die tatsächliche Situation auf dem Arbeitsmarkt beschreiben. Die Tatsache, daß die natürliche Sprache zumindest in ihrer schriftsprachlichen Form weder die wichtigste Vermittlungsinstanz für kollektive Erfahrung noch das allgemeingültige Ausbildungsmittel darstellt, ist struktural bedingt. Die heutige praktische Erfahrung menschlicher Selbstkonstituierung beruht in allen ihren Aspekten—Arbeit, Markt, Ausbildung, gesellschaftliches Leben—mehr auf Bildern als auf Schriftlichkeit. Wo immer eine bestimmte Norm oder ein Gesetz zu befolgen ist, verwenden wir heute piktographische Darstellungen, und zwar nicht nur, um die Grenzen der einzelnen Nationalsprachen zu überwinden (wie auf Flughäfen, in Olympiastadien, bei Verkehrszeichen oder bei internationalen Handelsbeziehungen), sondern als Ausdruck einer bestimmten Lebensart und Funktionsweise des Menschen. Die heutige Kommunikation ist eindeutig vom visuellen Element beherrscht.

Wörter und Sätze, die im Verlauf ihrer historischen Verwendung in unterschiedlichen sozialen, geographischen und historischen Zusammenhängen zu mehrdeutig geworden sind, erfordern zuviel Bildungsanstrengungen, um einer erfolgreichen Kommunikation zu dienen. Die auf Schriftkultur basierende Kommunikation erfordert einen höheren Aufwand als den, der für das Hervorbringen, Erkennen und Betrachten von Bildern nötig ist. Bilder verkörpern eine positivistische Einstellung und bringen eine relativistische Haltung mit sich. Sie müssen nicht in sequentieller Abfolge gelesen werden, ihre Lektüre erfordert keine zeitlichen und finanziellen Lernanstrengungen, sie weisen nicht die der Schriftkultur eigene Regelstrenge auf, kurz: Der Gebrauch von Bildern spiegelt unsere Effizienzerwartungen wider, die sich aus der neuen Skala des Menschen ergeben. Die Verlagerung von einer eher schriftlich orientierten zu einer eher visuell orientierten Kultur ergibt sich nicht aus den Entwicklungen der Medientechnologie, sie ist vielmehr das Ergebnis fundamentaler Veränderungen der Arbeits- und Wirtschaftswelt, die diese neuen Medien erst erforderlich und schließlich ihre Produktion und Verbreitung möglich gemacht haben.

Die hier diskutierte Veränderung ist sehr komplex. Die Bedürfnisse einer vermittelten Praxis und die neuen leistungsfähigen Vermittlungsmechanismen der Massenkommunikation, die das Individuum in den Mechanismus einer globalen Wirtschaft integrieren, kommen in dieser Veränderung zum Ausdruck. Der Übergang von einer Sprache zu einer Vielfalt von Spezialsprachen und von direkter zu indirekter durch Multimedien vielfach vermittelter Kommunikation beschränkt sich dabei nicht einfach nur darauf, den Logozentrismus (ein strukturelles Merkmal von auf Schriftkultur gründenden Kulturen) und die daran gebundene Logik abzulegen. Wir alle sind eingebunden in den Prozeß, der viele Bedeutungszentren an die Stelle des Wortes und der traditionellen Sprachkompetenzen setzt. Diese Zentren können in der Subkultur oder in der etablierten Kultur angesiedelt sein. Nehmen wir als Beispiel nur die Internet-Cafés, in denen man beim Kaffeetrinken über die Kontinente hinweg kommuniziert, oder die Gespräche, die ein japanischer Journalist in einer sowjetischen Raumstation mit seinen Kollegen führt, oder die Bilder, die wir von einer Kunstausstellung in Bogotá vermittelt bekommen. Alles dies sind die Ausdrucksformen der neuen Erfahrungen, die sich im sogenannten Cyberspace nachvollziehen lassen.

Der Wegwerfmensch

Für jedes Phänomen wird es je nach Standpunkt des Betrachters unterschiedliche Erklärungen geben. Aber unabhängig von den Erklärungen, die man für das hier beschriebene Phänomen anbieten kann, bleibt die allen Erklärungen zugrundeliegende Tatsache, daß sich nachhaltige Veränderungen vollzogen haben und daß diese Veränderungen darauf zurückzuführen sind, daß der Mensch seine Identität zunehmend in solchen Formen der Selbstkonstituierung findet, die nicht an Schriftkultur und schriftkulturelle Bildung geknüpft sind. Mit dem allmählichen Verzicht auf Lese- und Schreiberfahrungen und dem Aufkommen anderer Kommunikations- und Rezeptionsformen ist der Mensch noch einer weiteren Strukturveränderung unterworfen: der Verlagerung von Zentralismus auf Dezentralismus, von einem zentripetalen Existenz- und Handlungsmodell, in dessen Mittelpunkt das traditionelle Wertsystem (religiöse, ästhetische, moralische, politische Werte usw.) steht, zu einem zentrifugalen Modell: von einem monolithischen zu einem pluralistischen Modell. Der Verlust des Zentrums bedeutet paradoxerweise, daß der Mensch auch seine zentrale Rolle und seinen Bezugswert verliert. Das führt zu einer dramatischen Situation: Wenn die menschliche Kreativität den begrenzten Vorrat an Ressourcen (Mineralien, Energie, Nahrungsmittel, Wasser usw.) dadurch auszugleichen versucht, daß sie Ersatzquellen oder eine effizientere Verwendung der traditionellen Ressourcen findet, dann wird der Mensch selbst zu einer Wegwerfware; je begrenzter seine praktische Selbstkonstituierung ist, desto disponibler wird er.

Innerhalb der durch die Schriftkultur gekennzeichneten Lebenspraxis wurden Maschinen weniger oft ausgewechselt; selbst wenn sie ausgewechselt oder verändert wurden, behielt der, der sie betrieb, seinen Platz. Die einmal erworbenen Grundfertigkeiten reichten für die Dauer eines Arbeitslebens. Ebenso waren die konstruierten Gegenstände auf lebenslange Dauer angelegt.

Die von uns beschriebene Lebenspraxis jenseits der Schriftkultur mit ihren schnellen Veränderungen und immer kürzer werdenden Zyklen machte auch den Menschen ersetzbar. In der neuen Skala der menschlichen Tätigkeit verliert das große und wachsende Angebot der Ware Mensch zunehmend an Wert: an Marktwert, an geistigem und an tatsächlichem Wert. Die Würde des Lebens gibt der ausgeklügelten Technologie der Lebenserhaltung, dem mechanischen Verlauf des Daseins und den Studios für Fitneß und Bodybuilding Raum. An der unbegrenzten Börse der Ersatzteile werden Nieren oder Herzen (mechanische oder natürliche) fast genauso geführt wie Schweinemägen und Zement, van Goghs Gemälde, CD-Geräte und höchstentwickelte medizinische Instrumente. Alles gilt als Ware. Hinter all diesen Waren verbirgt sich hochspezialisierte Arbeit, die auf dem Niveau des Profisports oder des Managementprofis bezahlt wird.

Der arbeitende Mensch, der sich mit seiner Arbeit in kurzlebige Produkte hineinprojiziert, projiziert zugleich deren Disponibilität als neuen moralischen Wert in sie hinein, was nicht ohne Auswirkungen auf seine eigenen Lebensbedingungen bleibt und schließlich zur Auflösung der traditionellen Werte führt. Die hohe Effizienz unserer Arbeit garantiert der Menschheit zwar ausreichende Überlebensressourcen, aber nicht mehr die praktischen Erfahrungen, die die Integrität des Individuums und die Würde des menschlichen Daseins sichern. Innerhalb eines schriftkulturellen Diskurses und der dazugehörigen Ideologie der Dauerhaftigkeit sorgt diese neue Moral der Disponibilität für Schlagzeilen; aber da die Strukturbedingungen, die zu dieser Moral führten, davon unbetroffen bleiben, verlieren sich die Schlagzeilen unter den zahllosen anderen kulturkritischen Kommentaren, einschließlich derjenigen, die den Niedergang der Schriftkultur beklagen.

Natürlich gehört die Disponibilität der Sprache in diesen Zusammenhang. Wenn Grundfertigkeiten in unserer schnellebigen Welt des Umbruchs immer weniger bedeutsam werden, wird auch dem Individuum immer weniger Gewicht beigemessen. Unter dem Schlagwort von Grundfertigkeiten werden junge und weniger junge Arbeiter einer Ausbildung im Lesen und Schreiben unterzogen, die mit den praktischen Erfahrungen immer kürzer werdender Arbeitszyklen immer weniger zu tun haben. Auf der Suche nach billigen Arbeitskräften haben viele Unternehmen die Vereinigten Staaten entdeckt; hier treffen sie in weiten Bereichen auf eine Effizienz, die sie unter den aus der Schriftkultur hervorgegangenen Arbeitsgesetzen ihrer Länder niemals erreichen könnten. Mercedes Benz, BMW, Porsche und viele japanische Unternehmen bilden ihre Arbeitskräfte in South Carolina, Mississippi, Arkansas und anderen Staaten aus. Die Einsatzfähigkeit dieser Arbeitskräfte ist fast mit der von Maschinen zu vergleichen, wenn diese Arbeitskräfte nicht ohnehin durch Automatisierung ersetzt werden.

Der technologische und der menschliche Zyklus sind so eng ineinander verwoben, daß man von der hybriden Natur der heutigen Technologie ohne weiteres sagen kann: Maschinen mit einer life-Komponente. Viele Maschinen sind nicht mehr uns zu Diensten, sondern wir ihnen. Unsere Ausstattung zum Desktop-Publishing auf allerhöchstem Qualitätsniveau, zur Datenverarbeitung für finanzielle Transaktionen oder zur Visualisierung wissenschaftlicher Phänomene erfordert es, daß wir die Maschinen mit Daten füttern und das entsprechende Programm fahren, damit sich ein vernünftiges Ergebnis einstellt. Lediglich in solchen Fällen, in denen die Maschine vielleicht nicht den Unterschied zwischen guter und schlechter Schrift erkennt, muß der Operator mit seinem Wissen eingreifen, das immaterielle Faktoren wie Stil, Gefühl oder Geschmack umfaßt.

Die Skala der Arbeit und die Skala der Sprache

In allen unseren gegenwärtigen und unserer Zeit vorausgegangenen Handlungsrahmen war es relativ einfach, eine Kontinuität von Mitteln, Methoden und zeitlichen Prozessen herzustellen. Von größerem Interesse sind aber die Diskontinuitäten. Wir sehen uns einem solchen Umbruch ausgesetzt. Der Gegensatz zwischen der Schriftkultur und einem Zivilisationsstadium jenseits der Schriftkultur ist dafür spürbarer Ausdruck. Am unmittelbarsten nehmen wir diesen Umbruch in seiner Auswirkung auf unsere Identitätserfahrung im schnellen wirtschaftlichen Wandel wahr. Manche Industriezweige verschwinden gleichsam über Nacht. Viele innovative Ideen schaffen ebenso schnell neue Arbeit, die allerdings neue Arbeitsbedingungen mit sich bringt. Dieser Umbruch schlägt sich nicht nur in Statistiken nieder; er ist kennzeichnend für eine qualitative Veränderung, die wir an den neuen Beziehungen zwischen Arbeit und Sprache ablesen können.

Eine der Hauptthesen dieses Buches besagt, daß Umbrüche, in der Theorie dynamischer Systeme auch Phasenverschiebungen genannt, sich als Skalaveränderungen äußern. Schwellenwerte kennzeichnen die Herausbildung neuer Zeichenprozesse. Wir konnten zeigen, wie die praktischen Erfahrungen, durch die sich der Mensch seiner Wirklichkeit vergewissert, durch die Skala beeinflußt werden, innerhalb derer sie sich abspielen. Ein wesentliches Merkmal der Menschheitsentwicklung bestand darin, daß mit zunehmender Komplexität der zu lösenden Aufgabe die dafür notwendige Arbeit geteilt werden mußte. Doch erst in der für unsere Zeit charakteristischen Skala hat die fortschreitende Arbeitsteilung ihren kritischen Punkt erreicht. In der Industriegesellschaft und in allen vorausgegangenen Zivilisationsstadien war die Beziehung zwischen dem Ganzen (Aufgabe, Ziel, Plan) und seinen Teilen (Teilaufgaben, Teilziele, aufeinander folgende Planschritte) im Prinzip vom Menschen zu überblicken und zu beherrschen. Allenthalben erwies sich die Arbeitsteilung als eine effiziente und erfolgreiche teile-und-herrsche-Strategie für die zunehmende Komplexität der sich jeweils stellenden Aufgaben.

Auch die Schriftkultur und die Form der Schriftlichkeit, die selbst eine Praxis von nicht zu unterschätzender Komplexität darstellen, erwiesen sich in diesem Prozeß als hilfreich, solange die Differenzierung der Arbeit und das Ausmaß der zu leistenden Integration im Rahmen der schriftkulturellen Komplexität lagen. Ist deren Komplexität allerdings einmal überschritten, dann ist es zwar vielleicht noch vorstellbar, daß die von der Schriftkultur bereitgestellten Mittel die Reintegration der Teile in das gewünschte Ganze leisten, aber das Management dieser Mittel jenseits einer von uns zu überblickenden Komplexität liegen würde. Obwohl also die Schriftkultur auch heute noch in mancherlei Hinsicht leistungsfähig ist, erweist sie sich doch gegenüber den vielen von der Sprache unabhängigen pragmatischen Ebenen als relativ flach. Und nicht nur Schrift und Schriftkultur, auch die hochgelobte menschliche Intelligenz könnte sich als flach erweisen.

Die veränderte Bevölkerungsskala und der damit verbundene Bedarf, der exponentiell höher als jede Erfahrungsbreite eines Individuums ist, hat zu einer vertieften Segmentierung der Arbeit und damit zu einer Fülle von Verschiedenheiten geführt, die von einem einzelnen Bewußtsein (mind) nicht mehr erfaßt werden können. Da aber die Beschaffenheit eines jeden Bewußtseins (mind) für die Selbstkonstituierung des Menschen von der Interaktion mit anderen Bewußtseinsformen abhängig ist, ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit neuer Interaktionsmittel, die sich wesentlich von den auf Sequentialität, Linearität und Dualismus bezogenen Interaktionsmitteln unterscheiden. Dieses neue Stadium ist nicht einfach eine Fortschreibung eines vorausgegangenen, und noch weniger ist es das Ergebnis eines stets wachsenden Fortschrittsprozesses. Die Erfindung des Rades, an deren Anfang die Verwendung abgerundeter Steine stand, öffnete mit anderen an das Rad geknüpften Erfahrungsformen eine Erneuerungsperspektive. Die Erfindung des Hebels leistete Ähnliches, möglicherweise auch die Erfindung der Buchstabenschrift und des Zahlensystems. Deshalb konnte das Alte und das Neue durch Vergleich, Metaphern und Analogien innerhalb einer vorgegebenen Skala des Menschen zueinander in Beziehung gesetzt werden. Aber aus dem gleichen Grunde haben wir es bei einer Veränderung der Skala mit einem Umbruch zu tun, der die Übersetzung unserer Erfahrungen in die Sprache der Vergangenheit verbietet.

Ein Auto ist in gewisser Hinsicht Teil des zunehmenden Fortschrittsprozesses, der mit der Pferdekutsche begann. Flugzeug und später Rakete lassen sich schon weniger problemlos in einen allmählichen Veränderungsprozeß einordnen, stehen aber noch immer in relativer begrifflicher Nähe zu unseren Erfahrungen mit Fliegen und Vögeln oder mit einer auf Ursache und Wirkung gründenden Physik. Ein Atomkraftwerk hingegen ist jenseits solcher Erfahrungen. Hier liegt die Leistung darin, den Prozeß zu zähmen, ihn innerhalb einer Skala zu halten, die ihn als neue Energiequelle verwendbar macht. Das Verhältnis zwischen den in diesem Prozeß eingebundenen Größenordnungen—Materie auf atomarer Ebene im Vergleich zu der enormen Maschinerie und Architektur—liegt nicht nur jenseits des Wahrnehmungshorizonts eines individuellen Bewußtseins, sondern auch jenseits derer, die diese Reaktoren betreiben, wenn sie nicht von einer enormen Technologie von ebenfalls außerordentlich hoher Komplexität unterstützt würden. Das Schmelzen des Tschernobyl-Reaktors hat uns die Ungeheuerlichkeit des Vorgangs demonstriert und zugleich gezeigt, wie bedeutungslos dagegen die in die Schriftkultur eingebetteten Erfahrungen des traditionellen Energiemanagements sind.

Die großen Satelliten—und funktelefonischen Netzwerke, die den früher geläufigen Begriff des Äthers konkret verkörpern, bieten ein neues Beispiel für die durch die neue Skala der menschlichen Tätigkeit bewirkte Skala menschlicher Arbeit; ein Gleiches gilt für die Telefonnetzwerke—mit Kupfer-, Koaxial- oder Glasfaser. Diese Netzwerke, die die umfassende Kommunikation von Stimme, Daten und Bildern mit einer ausgeklügelten Hochleistungstechnologie leisten, verbieten jeden Vergleich mit Edisons Telefon, mit Briefen oder mit Videokassetten. Die Menge der vermittelten Informationen, die Geschwindigkeit der Vermittlung und die dafür entwickelten Synchronisierungsmechanismen erstellen einen Rahmen für die Interaktion zwischen den entlegensten Positionen, der für alle Beteiligten die Zeit neu stellt und jegliche physische Distanz eliminiert. Schriftlichkeit und Schriftkultur hätten mit ihren Möglichkeiten solche Ebenen niemals erreichen können.

Und schließlich läßt uns der Computer, allein oder eingebunden in Netzwerke, die Grenzen unserer Wahrnehmungsfähigkeit für komplexe Zusammenhänge in aller Deutlichkeit erkennen. Die Tatsache, daß ein Flugzeug etwa 200mal schneller ist als ein Fußgänger und daß es 300-450 Passagiere einschließlich deren Gepäck fassen kann, bereitet uns offenbar noch keine Probleme. Der Computerchip hingegen ist eine geistige Errungenschaft, die jenseits unserer Verständnismöglichkeiten liegt. Die Funktionsweise eines digitalen Computers—sowohl als Ganzes, als auch in allen seinen kleinen mit vielfältigen und komplizierten Funktionen ausgestatteten Komponenten—gehört einer Skala an, zu der wir weder intuitiven noch unmittelbaren Zugang haben. Computer sind nicht einfach bessere Rechenmaschinen oder Ladenkassen. Das Zeitalter des Computers ist vielmehr gekennzeichnet durch eine semiotische Fokussierung, in der auf die Sprachverarbeitung der Schriftkultur die Symbolmanipulation im Computer folgt.

Neben seiner unüberschaubaren Komplexität hat der Computer jedoch auch noch andere Folgen: Er ersetzt die als Kontinuum aufgefaßte Welt durch eine aus verschiedenen diskreten Zuständen bestehende Welt. Das könnte auf den ersten Blick nur wie ein qualitativer Unterschied anmuten, wenn sich die Abkehr von einer aus zusammenhängenden Funktionen und monotonem Verhalten bestehenden Welt—was immer auf Extremfälle zutrifft, gilt auch für alles zwischen den extremen Polen—nicht konkretisieren würde als radikal veränderte Bedingungen für die identitätsstiftende praktische Erfahrung.

Die Welt der Schriftkultur ist durch Analogerwartungen gekennzeichnet, denen zufolge Akkumulation zu Fortschritt führt: Mehr Wissen (Sprache, Wissenschaft, Kunst) führt zu vermehrten Mitteln (Ressourcen) und vermehrtem Besitz. Auch Fleiß und Strebsamkeit—in allgemeiner oder spezifischer Form—ist Teil dieser analogen Denkstruktur. Das Digitale ist seiner Natur nach nicht linear. Im digitalen Bereich verändert eine kleinste Abweichung das Verarbeitungsresultat so drastisch, daß allein das Auffinden und Beheben des Fehlers eine neue Erfahrung und oftmals eine neue Wissensquelle darstellt.

Im geschriebenen Satz wird ein Schreib- oder Druckfehler fast automatisch korrigiert. Die Schriftlichkeit gibt uns ein Modell für die Unterscheidung zwischen richtig und falsch in die Hand. In der digitalen Welt sind die Sprache des Programms und die Daten, die es bearbeitet, schwer, wenn überhaupt, zu unterscheiden. Diese Maschinen können Symbole in einer viel größeren Menge und Vielfalt verarbeiten als der menschliche Verstand. Da sie auch nicht die Last vorangegangener praktischer Erfahrungen zu tragen haben, können solche Maschinen auf potentielle Erfahrungen in einem Bezugsrahmen hinarbeiten, zu dem Schriftkultur und Schriftlichkeit keinen Zugang besitzen. Das Verhalten eines Gegenstandes in einem multidimensionalen Raum (vier, fünf, sechs oder noch mehr Dimensionen), Handlungen in einem regressiven Zeitverlauf oder in verschiedenen unterschiedlichen und bezugslosen Zeitrahmen oder Modellierungen, die über die Fähigkeit des menschlichen Verstandes weit hinausgehen—diesen und vielen anderen Phänomenen, die für das Überleben und die Weiterentwicklung der Menschheit von unmittelbarer Bedeutung sind, widmet sich der digitale Computer. Allerdings, so könnte man einwenden, formuliert der Computer nicht die Probleme, die er löst. Darum geht es aber nicht. Auch die Schriftkultur hat nicht die Probleme formuliert, für die sie die Antworten lieferte. Beide verkörpern auf ihre Weise Formulierungen und Antworten, die der Skala entsprechen, der sie zuzuordnen sind. Die weniger expressive Sprache aus Nullen und Einsen (ja/nein, offen/geschlossen, weiß/schwarz) ist dafür präziser und für die Komplexitätsebenen unseres neuen Evolutionsstadiums angemessener. Die allgemeine Verwendbarkeit des Computers, die Abstraktionsfähigkeit des Programms für die Symbolmanipulation und die sehr konkreten Daten, auf die die Arbeit des Programms bezogen ist, stellen eine leistungsfähige Verknüpfung aus verdinglichtem Wissen, effektiven Prozeduren für Problemlösungen und hohen Analysefähigkeiten dar. Diejenigen, die im Computer nur eine wichtige technologische Metapher unserer Zeit sehen, verkennen den durch ihn hervorgerufenen und ermöglichten neuen Rhythmus unserer Lebenspraxis und die Rolle, die der Computer eingenommen hat, in dem Maße wie sich die Grenzen unseres Verstandes offenbart haben (so wie der Mensch in der industriellen Gesellschaft die Grenzen seiner körperlichen Leistungsfähigkeit erfahren mußte).

Edsger Dijkstra hat für den Umgang mit dem radikal Neuen einen methodischen Ansatz vorgeschlagen, in dessen Mittelpunkt "die Schaffung und das Erlernen einer neuen fremden Sprache steht, die nicht in irgendeine der bestehenden Muttersprachen übersetzt werden kann." Dieser Vorschlag deutet in die richtige Richtung, geht aber nicht weit genug. Den radikalen Umbruch werden wir nur dann in den Griff bekommen, wenn wir akzeptieren, daß Schriftkultur und schriftkulturelle Bildung ihre Grenzen erreicht haben und an ihre Stelle die Illiteralität, der Analphabetismus der zahllosen Spezialsprachen tritt, die für unsere Selbstkonstituierung in den neuen Lebensumständen erforderlich sind. Dieser Abriß der gegenwärtigen Veränderungen mag zu neuer Verwirrung führen. In dem, was wir üblicherweise eine zivilisierte Gesellschaft nennen, hat bislang die Sprache als Einheitswährung für kulturellen Austausch gegolten. Werden nun die höheren Effizienzgrade und Erwartungen, die den Markt und die Technologie antreiben, ihrerseits die neuen, von ihnen geschaffenen Kommunikationsmittel untergraben? Wird unsere Sprache in einer ihrer neuen, nicht schriftkulturellen Verkörperung, wenn sie mit dem exponentiellen Informationswachstum nicht mehr Schritt halten kann, sich ebenfalls einer Umstrukturierung unterziehen müssen? Werden wir eine völlig neue Art von Symbolen entwickeln oder irgendeine Art von Vorverarbeitung, bevor die Informationen an den Menschen vermittelt werden? Alle diese Fragen bleiben aber auf die Arbeit bezogen, auf die Arbeit als die Erfahrungsform, aus der sich die menschliche Identität gemeinsam mit den menschlichen Produkten, die den Stempel dieser Identität tragen, ergibt.

Die aktive Rolle, die jedes Zeichensystem ausübt, ist durchaus vergleichbar mit der Funktion von Werkzeugen. Die Hand, die einen Stein wirft, wird von diesem auch "getroffen", d. h. beeinflußt. Hebel, Hämmer, Zangen, Teleskope, Füllhalter, Automaten und Computer unterstützen unsere praktischen Erfahrungen, wirken sich aber gleichzeitig auf die Individuen aus, die sich durch ihren Gebrauch in der Welt konstituieren. Eine Geste, ein geschriebenes Zeichen, ein Laut, eine Körperbewegung, geschriebene oder gelesene Wörter drücken uns aus oder tragen unsere Äußerungen weiter und wirken sich gleichzeitig auf diejenigen aus, die sich im Gebrauch dieser Zeichen als Menschen konstituieren. Der Einfluß der Sprache auf die Arbeit ist daher gleichbedeutend mit dem Einfluß, den Sprache innerhalb eines gegebenen pragmatischen Rahmens auf den Menschen ausübt. Um einige Aspekte dieses äußerst schwierigen Problems zu erhellen, wollen wir die synkretistische Natur des Menschen etwas näher betrachten.

Angeborene Heuristik

Begriffliche Werkzeuge, die auf den Menschen in seiner synkretistischen Natur abzielen, existieren nur in dem Maße, in dem wir sie in der Sprache identifizieren können. In jedem uns bekannten System stehen Vielfalt und Präzision in einem komplementären Verhältnis. Was immer die Menschen tun, ihre Bemühungen sind darauf gerichtet, ihre Leistungen zu optimieren. Zu viele Einzelheiten beeinträchtigen die Effizienz, ungenügende Genauigkeit beeinträchtigt das Ergebnis. Es gibt offenbar zwischen dem Was und dem Wie eine strukturale Relation der Art eins : viele. Wo immer uns Effizienzüberlegungen dazu anhalten, die Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten zu treffen, wird diese Relation durchgespielt. Das Optimale ist immer das, was sich nach bestem Wissen als das für das Erreichen des Ziels am besten geeignete Mittel erweist. Zugleich ist ein solches Optimum kennzeichnend für die Pragmatik eines jeweiligen Kontexts. Jagd kann z. B. allein oder in Gruppen durchgeführt werden, mit Steinen, Speeren, Pfeilen oder Fallen.

Der primitive synkretistische Mensch war (und ist in gegenwärtigen primitiven Kulturen noch immer) in eine praktische Erfahrung eingebunden, die er als Ganzheit erfuhr: natürliche Veranlagung, Beziehung zur natürlichen Umwelt, erlernte Fähigkeiten und Wissen, Gefühle (wie Furcht, Freude, Trauer). Der spezialisierte Mensch konstituiert sich in partiellen Erfahrungen. Gemeinsam ist beiden gleichwohl die natürliche Bedingung ihres Handelns. Der Unterschied zwischen beiden liegt in den entwickelten Überlebens- und Selbsterhaltungsstrategien, die von unmittelbaren Bedürfnissen und direktem Handeln zu vermenschlichten Bedürfnissen und vermittelter Handlung verlaufen. Eine begrenzte Menge von Optionen (etwa der Art "wenn hungrig, such Nahrung") wird ersetzt durch eine Vielfalt von Optionen, die schließlich zu der den Menschen eigenen heuristischen Natur führt. Homo sapiens ist mithin dadurch gekennzeichnet, daß er nach Optionen sucht. Der Mensch ist kreativ und effizient.

Es mag sein, daß die menschliche Sprache angeboren ist (wie Chomsky glaubt). Für die heuristische Dimension des Menschen gilt dies ganz gewiß. Die Auswahl der Mittel (die Bestimmung des Wie) läßt auf das erstrebte Ziel schließen und auch auf das Bewußtsein von dem, was möglich ist, sowie das Bemühen, den Bereich des Möglichen zu erweitern. Das eigentliche Bestreben liegt nicht darin, die Lebensumstände unverändert zu lassen, sondern den Bereich der Möglichkeiten zu erweitern und mehr als nur das Überleben zu garantieren. Dieses Bemühen nennen wir gemeinhin Fortschritt.

Unser einleitender kurzer Überblick über die Geschichte der Schrift hat gezeigt, daß die gleiche heuristische Strategie der Entwicklung der Schriftkultur zugrundeliegt. Vor der Entwicklung unseres Alphabets in seiner heutigen Form gab es eine Reihe weniger optimaler Schriftsysteme, deren konkrete Natur nur eine eingeschränkte Expressivität erlaubte. Alle Sprachalphabete in ihrer heutigen Form gingen aus einer langen Geschichte hervor, deren wesentliche Antriebskraft das Streben nach Optimierung war: Arbeitspraxis beeinflußte die Ausdrucksweise, die Ausdrucksweise schuf neue Rahmen für die Arbeitspraxis, und gemeinsam entwickelten sich auf diese Weise Erklärungsmodelle für die Welt. Das Was und das Wie im Bereich der Sprachhandlung besaß ursprünglich einen Komplexitätsgrad, der dem Komplexitätsgrad der in ihr zum Ausdruck gebrachten Handlungen entsprach. Im Verlauf ihrer Entwicklung gewannen die Sprachen jeweils die Komplexität der heuristischen Erfahrung, während die Handlungsformen einfacher wurden.

In solchen Vermittlungsmechanismen, die von einem höheren Abstraktionsgrad als die Sprache sind, erreichte die Dimension des Was und des Wie eine noch größere Komplexität. Diese spiegelte sich in dem Unterschied wider, der zwischen der Größenordnung der menschlichen Arbeit und derjenigen des Ergebnisses bestand, insbesondere in den bereitgestellten Wahlmöglichkeiten. In dem Maße, in dem der Mensch als Individuum seine synkretistische Natur preisgeben mußte, verzeichnen wir als Parallelentwicklung die Entstehung eines kompositen Synkretismus der Lebensgemeinschaft. Eine relativ stabile individuelle Ganzheit wurde durch eine auf die Lebensgemeinschaft bezogene, sich gleichwohl immer schneller verändernde Ganzheit ersetzt. Die Spracherfahrungen waren in diese Verlagerung einbezogen. Der Mensch, der sich durch den Sprachgebrauch in der Welt konstituierte, erkannte seine soziale Dimension, welche ja ihrerseits ein Beispiel für die im Verlauf seiner Entwicklung erreichte Ausdifferenzierung seiner Optionen ist.

Die heuristische Natur des Menschen äußerte sich in dem Augenblick, in dem sich die Überlebensstrategien des Menschen aus ihrer unmittelbaren Bindung an die natürlichen Zyklen lösten: Wenn sich z. B. die Zahl der Tiere, die auf eine bestimmte Beute Jagd machen, erhöht, so wird die gejagte Gruppe entweder neue Überlebensstrategien suchen oder in einem absehbaren Zeitraum nicht mehr als Nahrung zur Verfügung stehen. Der Mensch hingegen verfolgte andere Strategien. Statt sich auf wenige Methoden der Nahrungsversorgung zu konzentrieren, diversifizierte er seine praktischen Erfahrungen der Selbstkonstituierung und des Überlebens und erschloß sich vielfältige Ressourcen. Der homo habilis entwickelte in einem präagrikulturellen Handlungsrahmen mannigfaltige Formen der Jagd, der Fischerei, der Nahrungsmittelsuche. Während das begrenzte Nahrungsangebot bei allen anderen Gattungen drastische Wachstumskontrollen zur Folge hatte, entwickelte allein der Mensch eine Fähigkeit, die Palette seiner Ressourcen zu erweitern. Im Verlauf dieser Entwicklung wurde das menschliche Wesen zu einem arbeitenden Wesen, und die Arbeit wurde zum eigentlichen Wesensmerkmal der Gattung.

Spracherwerb und der Übergang von den natürlichen Erfahrungen der Selbstkonstituierungen im Überlebenskampf zu den praktischen Erfahrungen in der Arbeit verlaufen parallel. Mit jeder neuen Skala, in der sich der Mensch wiederfand, entfernten sich die menschlichen Arbeitsabläufe von dem einfachen Muster von Aktion/Reaktion. Wir haben in verschiedenen Zusammenhängen gezeigt, daß sich mit der Entwicklung von Zeichenverwendung zu frühen Sprachformen und von frühen Sprachformen zu fest etablierten sprachlichen Ausdrucksmitteln die Skala der Menschheit erweitert und sich eine Grundstruktur der Lebenspraxis durchgesetzt hat, die mit Sequentialität, Linearität, Determinismus und Zentralismus einen neuen pragmatischen Handlungsrahmen setzte.

Die Schriftfähigkeit wurde relativ spät erworben und ergab sich aus dem Prozeß der Arbeitsteilung. Dieser Prozeß war seinerseits gebunden an die Diversifikation der Ressourcen und praktischen Erfahrungen, die den Synkretismus auf der Ebene der Lebensgemeinschaft bewahrte. Nicht jeder schrieb, nicht jeder las. Der neue Handlungsrahmen erforderte Ordnungsprinzipien, Methoden der Aufgabenverteilung und der Überprüfung der Aufgaben, einen gewissen Zentralismus und, vor allem, Organisationsformen, die weitgehend von der Religion und den Regierungsinstanzen gestaltet wurden. Unter diesen Bedingungen galt alles als Arbeit, was die Identitätsfindung, das Überleben, die Veränderung und den Fortschritt der menschlichen Gattung förderte. Das drückte sich in dem Maße in Sprache aus, in dem es ausgedrückt werden mußte. Mit anderen Worten: Auch die Sprache ist Teil des menschlichen Bemühens, Optionen und Ressourcen zu diversifizieren.

Eine begrenzte Vermittlung durch Sprache und Schriftlichkeit wurde nötig, um die Abstimmung von Bedürfnissen und Möglichkeiten zu optimieren. Die Vermittlung nahm dabei ihrerseits den Charakter von Arbeit an. Fragen waren zu stellen und zu beantworten, Verpflichtungen waren einzugehen, Äquivalenzen herzustellen. Alle Tätigkeiten waren darauf ausgerichtet, die verfügbaren Ressourcen zu nutzen und durch neue zu ergänzen. Die jeweiligen Zeichenprozesse mußten mit der jeweiligen Entwicklung der Produktivität, der Verfügbarkeit von Ressourcen und dem daran geknüpften Planungsbedarf Schritt halten. Die Einführung des Geldes markierte z. B. die nächste abstraktere Vermittlungsebene, die die unmittelbaren Lebensbedürfnisse in eine vergleichende Skala von Maßnahmen übersetzte, die diese Bedürfnisse befriedigen konnte. Der Zusammenhang, in dem sich Warentausch abspielte, führte zur Verwendung des Geldes, welches später selbst zu einer Ressource, einer Ware auf höchster Ebene wurde. Wie jede Vermittlungsform entwickelte auch das Geld eine eigene Sprache. Mit dem Aufkommen von universellen Austauschmitteln, wie Sprache eines ist, entwickelten sich das Was und das Wie der menschlichen Tätigkeit noch weiter auseinander. Direkter Handel nahm indirekte Formen an. Die Bedürfnisse wurden nicht mehr durch die zufälligen Angebote eines Marktes gestillt. Der Markt verwandelte sich zunehmend in ein Organisationsmittel, für dessen Abläufe und für dessen Erweiterung die Sprache zu Diensten war. In diesen Formen des Marktes war Sprache noch immer rudimentär, direkt, mündlich, an den unmittelbaren Ausdruck gebunden und oft genug in dem Augenblick verbraucht, in dem sich die Ressource oder die Option erschöpft hatte (sofern keine Alternative entwickelt wurde). Das gilt auch heute noch.

Später erst entwickelte die Sprache ihre Möglichkeiten, Sachverhalte aufzuzeichnen, Transaktionen auszuführen, Pläne zu entwickeln und neue Erfahrungsbereiche zu erschließen. Die Logik dieser Sprachform objektivierte gewissermaßen die Logik der menschlichen Tätigkeit. Sie ergänzte die angeborene heuristische Veranlagung des Menschen. Die Interaktionsformen des Marktes und die zunehmenden Effizienzerwartungen verliehen der menschlichen Tätigkeit vermitteltere Formen. In jenen lange zurückliegenden Zeiten, in denen die ersten Sprachformen Kontur gewannen, vermehrte sich die Zahl der Werkzeuge, bis schließlich diese Werkzeuge zusammen mit anderen Hervorbringungen des Menschen über ihre Funktion als Hilfsmittel hinaus ihrerseits zu Handelsobjekten wurden. Als vermittelndes Element zwischen dem Hersteller und dem Hergestellten war das Werkzeug Arbeitsmittel und zugleich Ziel: Bessere Werkzeuge erforderten eine Unterweisung derer, die sie benutzten. Der angemessene Gebrauch wiederum erhöhte die Effizienz der Arbeit und den Markterfolg der Produkte. Bei der Ausfächerung der praktischen Erfahrungen spielten diese Werkzeuge eine ähnliche Rolle wie bei der Erweiterung der Lebenserhaltungsgrundlagen. Die Mittel, mit denen Werkzeuge und andere menschliche Produkte geschaffen wurden, ließen weitere Sprachen, etwa das Zeichnen, entstehen, auf welche die frühen Formen der Technik zurückgreifen konnten. In diesem Zusammenhang müssen wir an eine bereits getroffene wichtige Feststellung erinnern: Kein Werkzeug wird einfach nur benutzt. Der Benutzer paßt sich den Bedingungen der Benutzung, dem Werkzeug, an und wird in gewisser Weise selbst zum Benutzten, zum Werkzeug des Werkzeugs. Das gilt gerade auch für Sprache, Schrift und Schriftkultur. Sie wurden entwickelt zur Optimierung der menschlichen Lebenspraxis. Aber die Menschen haben sich auch den Zwängen der von ihnen ersonnenen Erfindung unterworfen.

Am Anfang der Schriftkultur führte die Spannung zwischen einer erzwungenen schriftlichen Präzision—die Nähe der Sprache zum Gegenstand, die sprachliche Benennung nur solcher Gegenstände, die auch Piktogramme darstellen könnten—und einer relativ breit gefächerten mündlichen Sprache zu Konflikten zwischen den Verfechtern der Schrift und den Hütern der Mündlichkeit (wie wir es an den verschiedenen Positionen griechischer Philosophen ablesen konnten). Das Geschriebene mußte vom Gegenstand genauso befreit werden wie der Mensch von einer bestimmten Quelle für Proteine oder Nahrungsmittel. Es mußte zu allgemeineren Ausdrucksformen finden und auf Familien, Typen, Klassen usw. von Gegenständen verweisen können. Mündlichkeit mußte gezähmt und mit Schriftlichkeit in Einklang gebracht werden. Und dieser Zähmungsprozeß konnte sich nur durch Arbeit und durch soziale Interaktion vollziehen. Alle menschlichen Bemühungen, das aus der Arbeit gewonnene Wissen in entsprechende Gegenstände umzusetzen (die das Messen, die Orientierung oder die Navigation erleichterten), legen hierfür ein Zeugnis ab. Die phonetische Schrift als Fortentwicklung der menschlichen Bemühungen zur Optimierung der Schrift konnte die mündliche Sprache besser nachahmen. Persönliche Merkmale, die das Mündliche expressiv gestalteten, und soziale Merkmale, die das Geschriebene mit Merkmalen versahen, die sie näher an das Gesprochene heranführten, werden durch das phonetische System unterstützt. Das theokratische System der Piktographen und die von anderen als demokratisch bezeichnete Sprache der phonetischen Schrift verdienen ihre Namen nur dann, wenn wir beide Sprache als konstitutiv und repräsentativ für die menschliche Erfahrung verstehen. Undifferenzierte Arbeit ist theokratisch. Ihre Gesetze ergeben sich aus dem, was Gegenstand der praktischen Erfahrung ist. Geteilte Arbeit ist trotz ihrer Auswirkungen auf die Integrität derer, die nur einen kleinen Teil des gesamten Arbeitsprozesses ausmachen, ihrer Natur nach partizipatorisch in dem Sinne, daß ihre Ergebnisse von der Leistung eines jeden in diesen Arbeitsprozeß eingebundenen Menschen abhängen. Ausübung und Erfahrung von Sprache und Ausübung und Erfahrung von geteilter Arbeit sind wesensmäßig miteinander verbunden und entsprechen dem pragmatischen Rahmen jener menschlichen Skala, aus der sie hervorgingen. Arbeitsteilung und die Bindung von sehr abstrakten phonetischen Einheiten an sehr konkrete Formen der Versprachlichung menschlicher Erfahrung bedingen sich gegenseitig.

Alternativen

Zur Erklärung der Veränderungen, die von einer allumfassenden Schriftkultur zu einem Stadium jenseits der Schriftkultur geführt haben, rekurrierten wir auf das malthusianische Prinzip (die Bevölkerung wächst geometrisch an, die Quellen für Nahrungsmittel hingegen arithmetisch). Nicht in Betracht allerdings zog Malthus die heuristische Natur des Menschen, d. h. die zunehmende Umsetzung des kreativen Potentials dieser Gattung, das nicht nur seine eigene Natur bewahrt, sondern kraft dieser Kreativität eine eigene nicht-natürliche Natur schafft. Im Prozeß seiner Selbstkonstituierung schafft der Mensch die Mittel für sein Überleben und für zukünftiges Wachstum jenseits der Zirkularität einfacher Überlebensstrategien. Henry George hat im vergangenen Jahrhundert diesen Umstand in einem Vergleich zwischen Raubvögeln und Menschen verdeutlicht: Beide Spezies essen Hühner; aber eine Zunahme von Raubvögeln würde zu einer Verringerung der Zahl von Hühnern führen, während ein Bevölkerungswachstum zu einem Zuwachs der Zahl von Hühnern führt. Obwohl dieses Beispiel viele andere Faktoren, die für das Aussterben von Gattungen oder für die Zahlenverhältnisse von Tieren und Menschen verantwortlich sind, außer acht läßt, verweist es doch auf einen wesentlichen Aspekt der menschlichen Gattung, der mit eben dieser erwähnten Kreativität und einer erweiterten Skala der menschlichen Tätigkeit zu tun hat, aus der heraus die Schriftkultur notwendig erwuchs.

Auch zu der Zeit, als George sein Beispiel formulierte, zeichneten sich Probleme ab, die dem malthusianischen Gesetz zu entsprechen schienen. Holz, Kohle und Öl als Brennstoff für Lampen wurden zunehmend knapper, so wie wir heute einer Erschöpfung vieler unserer Ressourcen (Mineralien, Energie- und Nahrungsmittelressourcen, Wasser usw.) befürchten müssen. Diejenigen, die das Versiegen solcher Ressourcen verkünden, übersehen die Tatsache, daß der Mensch bei allen vorangegangenen Verknappungen Alternativen entwickelte, die er in neue praktische Erfahrungen integrieren konnte. Als im 16. Jahrhundert in England das Holz knapp wurde, entdeckte man die Kohle; im 19. Jahrhundert wurde Kerosin für die Beleuchtung nutzbar gemacht (1859); weitere Kohlevorräte wurden entdeckt; man entwickelte Maschinen mit geringerem Energieverbrauch und zur effizienteren Kohlegewinnung; verschiedene Industriezweige stellten sich auf andere Mineralien ein. Die strenge Abhängigkeit von jahreszeitlichen Zyklen und vom Getreide- und Gemüseanbau wurde zunehmend durch neue Techniken zur Verarbeitung und Lagerung von Lebensmitteln ersetzt. Die neue Lebenspraxis des 19. Jahrhunderts weist die strukturalen Merkmale einer erweiterten Skala der Menschheit auf. Diese betrifft die Natur der menschlichen Arbeit und die Natur der gesellschaftlichen, politischen und staatlichen Organisation innerhalb der sich damals herausbildenden Nationalstaaten. Im Rückblick auf die Dynamik des Wachstums und die Verfügbarkeit von Ressourcen zeigt sich heute, daß mit der Entwicklung von Sprache, von Schreiben und Lesen und schließlich mit der Entwicklung von Schriftkultur und Bildung sowie durch die außerhalb der Sprache liegende Technik ein lebenspraktischer Zusammenhang eingerichtet wurde, der die zunehmende Unausgeglichenheit zwischen Bevölkerungswachstum und Ressourcen ausgleichen konnte.

Unsere heutige Zeit ist in mehrfacher Hinsicht Ausdruck eines Zeichenprozesses, dessen Wurzeln tief in den pragmatischen Zusammenhang zurückreichen, in dem die Schrift entstand. Heute sind Technik und Technologie vorherrschend. Wenn wir diesen Zeichenprozeß von Technik und Technologie, also die Entwicklung des Verhältnisses zwischen an Technik und Technologie gebundener Arbeit und der Sprache, beschreiben wollen, stoßen wir sowohl auf Kontinuität—in Form sukzessiver Reproduktion—und auf Diskontinuität—in der grundsätzlich neuen Natur der gegenwärtigen technischen und technologischen Arbeit. Wir können uns dabei sowohl auf die Verbreitung des auf dem phönizischen Alphabet gründenden Schriftsystems beziehen als auch auf die Sprache des Zeichnens, die die Entwicklung der Technik begünstigte.

Phönizische Händler lieferten Materialien an die Minoer. In der minoischen Bestattungskultur war es üblich, den Bestatteten wertvolle Gegenstände, die den Leistungsstand der damaligen Handwerkskunst widerspiegelten, mit ins Grab zu geben. Diese Gegenstände wurden aus Silber, Gold, Zinn und Blei hergestellt. Aufgrund der gesteigerten Nachfrage nach solchen Metallen war der Markt allmählich erschöpft. Auf der Suche nach diesem Handelsgut mußten die phönizischen Händler immer weitere Wege gehen und bessere Werkzeuge zum Abbau und zur Vorverarbeitung der Mineralien entwickeln. Schrift und Zeichnungen waren in diesen Prozeß der Kompensation zwischen Bedürfnissen und verfügbaren Ressourcen eingebunden, und die fortwährende Suche nach neuen Ressourcen führte automatisch zur Verbreitung von Schrift und Handwerk: Wir müssen diesen Vorgang mithin als Teil der Dynamik bestimmter Wirtschaftsräume sehen.

Wir können nur im Rückblick die Frage beantworten, bis zu welchem Punkt diese die schriftkulturellen und technischen Fertigkeiten einbeziehenden Kompensationshandlungen effektiv waren und wann sie ihren Höhepunkt erreichten, der vermutlich irgendwann im Zeitalter der industriellen Revolution liegt. Gibt es einen Zeitpunkt, in dem die Waagschale zugunsten der technischen Ausdrucks- und Kommunikationsmittel ausschlug? Wenn dies so ist, können wir ihn nicht näher bezeichnen. Als sich aber das Potential der Schriftkultur zur Unterstützung der menschlichen Selbstkonstituierungserfahrungen in einem neuen pragmatischen Zusammenhang erschöpft hatte, wurden neue Mittel notwendig. Ziel des vorliegenden Buches ist es, die Dynamik dieses Umbruchs zu erklären. Dazu gehört gewiß die Technologie, aber nicht als Ursache, sondern eher als Ergebnis der neuen Dynamik.

Der mächtige Strom der breit ausgefächerten Erfahrungen, der durch zahlreiche neue Sprachen einschließlich der Sprache des Designs und der Technik befördert wurde, führte zu einem verstärkten Bewußtwerden von der Bedeutung der Vermittlung, die ihrerseits ein Ziel an sich wurde.

Vermittlung der Vermittlung

Wir wollen den Verlauf unserer Argumentation an dieser Stelle für einen Augenblick unterbrechen und uns die Folgen vergegenwärtigen, die die nachgezeichnete Entwicklung für die Gegenwart mit sich bringt. Wir haben gesehen, wie die Formen des jeweiligen Marktes die allgemeine Struktur des menschlichen Handelns spiegelten und wie dieses sich in der Natur der an die jeweiligen Entwicklungsstadien gebundenen Sprache ausdrückte. Wir haben ferner gesehen, wie von einem gewissen Entwicklungsstadium an der Mensch Werkzeuge als Erweiterung seiner körperlichen und geistigen Funktionen verwendete. Heute erleben wir, wie durch die Einschaltung von elektronisch, pneumatisch, hydraulisch oder thermisch übermittelten Anweisung eine Vermittlung der Vermittlung stattfindet. Ein Knopfdruck, die Bewegung eines Hebels, die Bedienung eines Keyboards oder die Auslösung eines Relais setzen vollkommen durchprogrammierte Aktivitäten in Gang und führen zu weiterführenden Vermittlungsprozessen. Zwischen Hand oder Körperteil—die diese Prozesse auslösen—und dem verarbeiteten Material sind vielfältige Verarbeitungsmechanismen und Zeichenfolgen zur Kontrolle geschaltet. Unsere auf Arbeit, Religion, Erziehung, Dichtung und Marktvorgänge ausgerichtete Sprache wird neu strukturiert. Es entstehen neue Sprachebenen und neue, begrenzte, auf spezifische Funktionen ausgerichtete Sprachen, mittels derer diese Vermittlungsprozesse ablaufen. Die Sprache des Zeichenbretts oder allgemeiner die Sprache des Designs gehört dazu. Und es entstehen neue Beziehungen zwischen den verschiedenen Sprachebenen und den neuentwickelten Spezialsprachen.

In welchem Bezug steht nun dieser Vorgang zu der angeborenen heuristischen Natur des Menschen und zu unserer These, daß sich die Skala der menschlichen Tätigkeit nachhaltig verändert? Wir können die von uns beobachteten Veränderungen nicht mehr einfach damit erklären, daß die technologische Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse höhere Effizienzebenen erreicht und damit zu einer minderen Bedeutung der Schriftkultur geführt hat. Das Bevölkerungswachstum und die Dynamik der Diversifikation (mehr Optionen, vermehrte Ressourcen) hat in der neuen Skala eine vollkommen andere Dimension erreicht. Es ist fast irrelevant geworden, daß in den großen Industrieländern manch eine traditionelle Ressource aufgebraucht worden ist. Denn selbst bei den ständig kleiner werdenden Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung in der westlichen Welt nehmen der Pro-Kopf-Verbrauch an Nahrungsmitteln und die Verschiedenartigkeit des Angebots substantiell zu. In der Auseinandersetzung mit den traditionellen, sich ebenfalls erschöpfenden Praxisformen der Schriftkultur haben wir mittlerweile Mittel entwickelt, die uns dadurch gesetzten Grenzen zu überschreiten und unter Einbeziehung von globalen Dimensionen, Konfigurationen, Nichtlinearität und vielwertiger Logik neue Produkte hervorzubringen, die der neuen Lage angemessen sind.

Wir haben gelernt, unsere Kreativität auf die Erschließung neuer Ressourcen zu richten und unsere Bedürfnisse und Möglichkeiten aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Wir dürfen allerdings Globalität nicht mit dem japanischen Sushi-Restaurant in der Provence, mit MacDonalds in Moskau oder Peking, mit multinationalen Unternehmen oder mit Investitionen im Ausland verwechseln. Globalität bedeutet vielmehr, daß wir weltweit die gleichen Ressourcen teilen und unsere kreative Energie auf deren Vermehrung richten müssen, unabhängig von den uns durch Sprache, Kultur, Staat oder Allianzen gesetzten Grenzen. Dieser Umstand hat neben den ungeheuren Möglichkeiten, die er bietet, auch ein häßliches Gesicht. Um den Zugang zu wichtigen Ressourcen zu sichern und die Märkte offen zu halten, würde die Welt selbst vor einem Krieg nicht zurückschrecken (wie sie es immer wieder gezeigt hat). Aber diese häßliche Seite der Medaille prägt nicht unsere effektive Lebenspraxis und bestimmt auch nicht die Bedingungen, unter denen wir uns in dieser Welt mit ihrer neuen Dynamik und unseren neuen Erwartungen setzen.

Unter den neuen Arbeitsformen jenseits der Schriftkultur haben sich die alten Arbeitsformen wie Jagd und Fischen zu Sportarten und Freizeitübungen gewandelt, und der Sammlerinstinkt des Menschen ist z. B. in den Vereinigten Staaten so degeneriert, daß manch einer gar nicht mehr weiß, daß in unseren Wäldern Pilze, Beeren und Nüsse als Nahrungsmittel wachsen. Auch die Landwirtschaft, vermutlich die dauerhafteste Form der praktischen Erfahrung, befreit sich von den durch die Natur vorgegebenen Strukturen und nimmt industrielle Dimensionen an, die sich mit vielen technologischen Mitteln dem jahreszeitlichen Ablauf entziehen. Globale Dimensionen hat auch unser Umgang mit Ressourcen und der Umwelt, haben Kommunikation, Transport und Technologie, hat vor allem aber der Markt angenommen. All das zeigt uns, daß wir die Veränderungen nicht auf eine Erfindung oder eine Verhaltensweise zurückführen können, sondern auf die veränderten Bedingungen der menschlichen Erfahrung, die letztendlich auch das menschliche Individuum verändern wird.

Viele Arbeitsformen verlaufen heute ohne menschliche Kontrolle. Der Mensch als Betreiber von Programmen und Maschinen wurde ersetzt durch eine Technologie, deren Effizienz- und Sicherheitsstandard jenseits des menschlichen Fassungsvermögens liegen. Damit sind viele dieser Arbeitsformen aber auch von den Fesseln der Sprache befreit, insbesondere von denen der Schriftkultur. Maschinen müssen keine Rechtschreibung, Grammatik oder Syntaxregeln lernen. Noch weniger muß zwischen Mensch und Maschine eine vermittelnde Instanz der Schriftlichkeit und Schriftkultur eingeschaltet werden, die nicht nur ineffizient und mehrdeutig ist, sondern durch die verschiedenen religiösen, politischen und ideologischen Verwendungen, die sie im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte genommen hat, belastet ist. Die neuen Sprachen, ob als Interface zwischen Maschinen oder zwischen Menschen und Maschinen, sind nur begrenzt einsetzbar und nicht auf Bestand hin konzipiert. Für die Dynamik der Arbeitswelt sind diese neuen Sprachen gut aufeinander abgestimmt. Insgesamt wird unsere Tätigkeit schneller, präziser, segmentierter, arbeitsteiliger und zugleich komplexer. Sie unterliegt einer mehrwertigen Effizienzlogik, nicht mehr der dualistischen Logik von wahr und falsch.

Man könnte aus dieser Darstellung möglicherweise ein Votum gegen die zahlreichen ökologischen Bewegungen und für Technokratie, für grenzenloses Wachstum oder für die Planung von Wunderwelten ablesen. Nichts davon trifft zu. Ich möchte lediglich versuchen, ein Verstehens- und Handlungsmodell zu entwerfen, das die Komplexität unseres Problems ernst nimmt und nicht verniedlicht, wie es die simplifizierenden Modelle der Schriftkultur oft getan haben.

Kapitel 3:

Schriftkultur, Bildung und Ausbildung

Bildung, Ausbildung und Schriftkultur hängen eng zusammen. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Andererseits hat es auch vor der Schrift Erziehung gegeben, und es gibt Formen der Erziehung, die nicht auf Schriftlichkeit beruhen, oder zumindest nicht ausschließlich. Wir sollten bei unseren Überlegungen, welche Faktoren Bildung und Ausbildung auf Schriftlichkeit gegründet haben und welche Folgen sich daraus für ihre gegenseitige Abhängigkeit ergeben, diese Zusammenhänge nicht ganz aus dem Auge verlieren.

Wie viele andere Einrichtungen, die die Merkmale schriftkultureller Erfahrungen tragen, ist auch der gegenwärtige Stand des Bildungswesens alles andere als ideal. Mit der Schriftkultur setzte sich im Bereich der Erziehung das Ideal von Dauerhaftigkeit und Bestand fest. Wir haben gesehen, daß die Schriftkultur für eine Entwicklungsphase, mit der sich viele von uns noch immer eindeutig identifizieren, das richtige Ziel und ein angemessenes Mittel war. Innerhalb dieser Struktur hatten Erziehung und Ausbildung die Aufgabe, optimale Formen der sozialen Interaktion zu fördern und an Werten auszurichten, die in der Sprache zum Ausdruck kamen. Die in der Schriftkultur verankerte Erziehung bezog sich auf eine Dynamik, die innerhalb der begrenzten Skala der Menschheit Veränderungen erlaubte, die schließlich zur Herausbildung von Nationen und Nationalstaaten führten—Einheiten mit relativer Autarkie. Innerhalb nationaler Grenzen konnten Bevölkerungswachstum, Ressourcen und Handlungsoptionen in Balance gehalten werden.

Diese zweifellos vereinfachte Darstellung erlaubt uns, die Entwicklung der Erziehung von ihren frühen Formen—der direkten Weitergabe von Erfahrungen zwischen einzelnen Personen und zwischen den Generationen—zu den religiös begründeten Erziehungsformen nachzuzeichnen. Unter dem Einfluß religiöser Prämissen ging die Erziehung später über die Vermittlung des unmittelbaren, eng an die Lebenspraxis gebundenen Wissens hinaus und wurde, wenn auch nicht ganz mühelos, institutionalisiert in Form von Schulen und Universitäten, in denen Wissen, Wissenschaft und Gelehrsamkeit verbreitet wurden. Auch das war ein langer, viele Stufen durchlaufender Prozeß, der schließlich zu unserem heutigen allgemeinen Bildungssystem führte, in dem Kirche und Staat getrennt sind. Die freie Erziehung und alle damit verbundenen Werte bilden heute die allgemeine Grundlage unseres Bildungssystems.

Wenn man jemandem einen Hammer gibt, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus. Wenn man jemandem ein Alphabet gibt, wird jedes Problem zu einem Problem von Schriftkultur, Bildung und Erziehung—dieser Vergleich charakterisiert einigermaßen den gegenwärtigen Diskussionsstand in Sachen Erziehung und Ausbildung. Daraus folgt allerdings nicht, daß mit dem Aufkommen des World Wide Web Erziehung und Ausbildung darauf reduziert sein sollten, die notwendigen Lehrpläne online anzubieten und die Erziehungsbedürfnisse an dem, was im Netzwerk zufällig zur Verfügung steht, auszurichten. In der heutigen Zeit des Umbruchs ist das Ende von Schriftkultur und schriftkultureller Bildung nicht einfach ein Symptom, sondern eine notwendige, über OnlineBildungsangebote hinausgehende Entwicklung. Dies könnte nach einer voreiligen Kritik an der digitalen Wissensverbreitung aussehen. Wir wollen daher unsere Schlußfolgerung etwas ausführlicher rechtfertigen.

Das Höchste und das Beste

Aus den neuen Formen unserer Selbstkonstituierung in einer Welt, die durch Effizienz, hohe Bedarfsbefriedigung und eine unersättliche Fähigkeit, das Neue durch immer Neueres zu ersetzen, gekennzeichnet ist, stellt sich auch das Problem von Erziehung und Ausbildung in einer Weise neu, für die Schriftkultur und schriftkulturelle Bildung nicht mehr hinreichend sind. Seit etwa 30 Jahren schickt unser Erziehungssystem die nachrückenden Generationen in eine Zukunft, die nur noch wenig mit den Inhalten, Strukturen und Denkweisen zu tun hat, die diese Erziehung vermittelt. Unter dem großen Druck der sozialen, politischen, ökonomischen und moralischen Erwartungen hat unser Bildungssystem als Institution seine Glaubwürdigkeit verloren, sofern es sich in seinen Strukturen nicht analog zum Umbruch in unseren Lebensumständen verändert. Die Inhalte und Denkweisen, die heute in den Schulen, Laboratorien, Handbüchern und Erziehungsmethoden, nicht zu reden vom lebendigen Inventar wie Lehrer und Ausbilder, vermittelt werden, sind—wenn überhaupt—nur noch marginal auf den Umbruch von einer einzigen beherrschenden Schriftkultur auf zahlreiche Alphabetismen eingerichtet. Zum gegenwärtigen Ausbildungsstand junger Menschen hat IBM unverhohlen festgestellt: "Seit 1900 hat sich fast jede Institution auf die jeweiligen Veränderungen einstellen können, mit einer Ausnahme: das Bildungssystem."

Gerade in letzter Zeit ist viel in die Ausbildung junger Menschen investiert worden, aber an der Auffassung von Bildung und an der Auffassungsfähigkeit der Ausgebildeten hat sich wenig geändert. Wenn heute an einem Gymnasium oder an einer Universität ein neues Labor eingerichtet wird, ist es in dem Augenblick, in dem das letzte Ausrüstungsteil bestellt wurde, bereits veraltet. Die Ausbildung selbst unserer besten Lehrer hat sich inhaltlich bereits in dem Augenblick erübrigt, in dem die ersten Schüler in die Berufswelt eintreten. Je mehr sich unsere Schulen und Universitäten bemühen, mit dem Umbruch Schritt zu halten, desto offensichtlicher wird es, daß sie eine falsche Richtung einschlagen oder daß etwas im Kern unseres Bildungssystems dieses Ziel unerreichbar macht. Oft trifft beides zu. Manche schieben dieses Versagen auf die überladene Bürokratie des Bildungssystems. Daran ist sicher einiges wahr. Andere führen das Versagen des Systems auf einen Mangel an guten Lern- und Lehrmethoden zurück. Auch falsche Auffassungen von den Aufgaben der Erziehung oder falsche Prioritäten werden als Grund genannt. Gerade letztere haben zu immensen Fehlinvestitionen im Bildungssektor geführt.

Andere, nicht-schulische Gründe sind für die mangelnde Leistungsfähigkeit des Bildungssystems angeführt worden—falsch verstandene Liberalität und Demokratie, Traditionsverlust, der Zusammenbruch der Familie als Lebensund Erziehungsform, eine ausschließlich auf Tests abgerichtete Unterrichtsform. Es gibt so viele Erklärungen wie es Kritiker unseres Bildungssystems gibt. Manche dieser Erklärungen greifen weit zurück in die Zeit, in der die Schrift entwickelt wurde: Erziehung beeinträchtigt Originalität, dämpft Spontaneität und zerstört Kreativität. Oder aber: Erziehung leugnet in der sensibelsten Phase der individuellen Entwicklung, wenn der Geist junger Menschen offen ist für alle nur denkbaren Eindrücke, die Natürlichkeit.

Wieder andere Argumente richten sich auf die gegenwärtige Situation: Wenn die richtigen Texte gewählt (was immer hier richtig heißt) und die besten Methoden angewandt würden, wäre die Ausbildung für junge Menschen interessanter und sie könnte es mit der Konkurrenz der Unterhaltungsangebote aufnehmen. Andere befürworten einen leicht verdaulichen Zugang zu Texten, die möglicherweise als Comicstrips oder als Internetbotschaften aus maximal sieben Sätzen mit maximal sieben Wörtern bestehen sollten. Alle diese Erklärungen gehen davon aus, daß die Schriftkultur und schriftkulturelle Bildung ihre Gültigkeit bewahrt haben. Sie alle entwerfen Strategien—einige hilflos, einige verstiegen—, die die Funktion der schriftkulturellen Bildung aufrecht erhalten sollen. Ob sich die Bedingungen, die die Schriftkultur entstehen ließen, so weit geändert haben, daß nunmehr eine völlig neue Lebenssituation auch neue Unterrichtsstrukturen erfordern könnte, scheint niemanden zu interessieren. Noch immer scheint Matthew Arnolds traditionslastiges Selbstverständnis zu gelten: "Bemühe dich um das Höchste und Beste, das unser Wissen hervorgebracht hat."

In einer Welt, in der sich das Beste nur noch auf Waren, nicht auf dynamisches Wissen bezieht, hat diese Position an Überzeugungskraft verloren.

Das Ideal und das Leben

Schulen aller Bildungsarten vermitteln ihren Schülern eine traditionelle Erziehung und bekennen sich zur soliden Ausbildungstradition vergangener Zeiten. Trotz allem behaupten die Schulen unter dem Druck des Berufsmarktes, daß sie ihre Schüler auf die neuen pragmatischen Lebensumstände angemessen vorbereiten. Einige Schulen bieten auch berufsbezogene Fächer an oder beziehen berufsrelevante Ausbildungskomponenten in die traditionelle Ausbildung ein. EDV-Kurse gehören dazu. Aber ein im Jahr 1996 in den Vereinigten Staaten durchgeführter Test mit 500 Schulabsolventen hat ergeben, daß nur 7% aller Testpersonen 15 von 20 Fragen richtig beantworten konnten. Fünf Fragen bezogen sich auf Mathematik, der Rest auf Geschichte und Literatur—allesamt also auf traditionellen Bildungsstoff.

Diese und andere Ergebnisse lassen Bildungsexperten von einem allgemein sinkenden Bildungsniveau sprechen, und die Experten klagen darüber, daß das Bildungssystem nicht mehr den demokratischen Bürger hervorbringe. Derartige Analysen und Klagen nehmen ganz offensichtlich keine Kenntnis davon, was sich in der Realität abspielt. Denn sie beziehen sich auf die USA, doch nachweislich das reichste und vermutlich dynamischste Land der Welt, mit der geringsten Arbeitslosenquote und der höchsten Quote an Unternehmensneugründungen—wenn also die Bildung dennoch angeblich versagt, so muß etwas anderes, Positives, an ihre Stelle getreten sein.

Solange die Konzepte von Bildung und Ausbildung nicht neu gedacht werden, können sie mit der Wirklichkeit nicht mehr Schritt halten. Unter den gegenwärtig gefundenen Kompromissen wird unser Bildungssystem weiter vor sich hin wursteln und die Klientel beider Lager verärgern: diejenigen, die noch immer auf eine Bildung im Rahmen des schriftkulturellen Modells fixiert sind, und diejenigen, die Strukturveränderungen für dringend geboten halten.

Vermutlich läßt sich der Universalitätsanspruch des traditionellen Bildungsmodells, der sich in den demokratischen Prinzipien von Freiheit und Chancengleichheit widerspiegelt, in seiner ursprünglichen Form nicht länger aufrechterhalten. Vielmehr sollte sich das Bildungssystem gegenüber den Unterschieden zwischen den Menschen, ihrem unterschiedlichen persönlichen, sozialen und kulturellen Hintergrund, ihrer Ethnizität und ihren individuellen Fähigkeiten flexibler zeigen. Statt zu standardisieren, sollte das Bildungssystem die Unterschiede fördern, um den Nutzen aus diesen Unterschieden ziehen zu können. Statt einen gleichen und allgemeinen Zugang zur Mittelmäßigkeit zu garantieren, sollte das Bildungssystem, unterschiedliche, sich ergänzende Zugänge zur Exzellenz bereitstellen. Heute erweisen sich manche Menschen als unerziehbar. Aber vielleicht weisen sie nur Merkmale auf, die man nicht auf den in der Schriftkultur verankerten gemeinsamen Bildungsnenner reduzieren kann. Vielleicht könnten alternative Bildungswege ihre Fähigkeiten besser erkennen und optimaler fördern; vielleicht werden sich diese Fähigkeiten in der Lebenspraxis als relevant und nützlich erweisen, so unterschiedlich sie auch ausfallen mögen.

Eine Quotengleichheit in bezug auf Minoritäten jeglicher Art geht ebenfalls von einem falschen Demokratieverständnis im Bildungssystem aus. Denn oft genug werden diejenigen, die ermutigt und gefördert werden sollen, damit ihrer speziellen Fähigkeiten und Chancen beraubt. Das Prinzip der Quotengleichheit geht von der falschen Vorstellung aus, daß der Einheitsbrei des perfekt funktionierenden Schmelztiegels der Gesellschaft nützlicher sei als die Anerkennung und Förderung von Unterschieden. Ob man damit eine gleichförmige Mittelmäßigkeit oder arbeitsteilige Exzellenz hervorbringt, scheint niemanden zu interessieren. Angemessener und realitätsnäher wäre ein anderes Verständnis von Chancengleichheit: wenn die Unterschiede anerkannt und bewahrt und die daraus erwachsenden spezifischen Fähigkeit zur vollen Entfaltung gebracht würden.

Das Bildungsprinzip der Schriftkultur bringt ein bestimmtes Verständnis von Konformität und Standardisierung mit sich, das der Lebenspraxis entspricht, die eine standardisierte Bildung notwendig gemacht hatte. Für die heute zur Verfügung stehenden alternativen Ausdrucks- und Kommunikationsmittel hat das derzeitige Bildungssystem offenbar keinen Platz. Aber gerade sie würden die Auswahlmöglichkeit aus einer erweiterten Skala von Optionen erheblich erleichtern; denn gerade sie ermöglichen die geforderte höhere Effizienz. Wir müssen die Bildungswege auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Gruppen besser zuschneiden. Dies kann aber nur geschehen, wenn wir dem unverbrüchlichen Recht auf Ausbildung und Arbeit zum Zwecke der Persönlichkeitsentfaltung die gleiche Bedeutung wie dem Recht auf Freiheit und Gleichheit einräumen.

Die hier skizzierte globale Dimension der Lebenspraxis ist nicht ein von einem waghalsigen Unternehmer erfundenes Szenario. Sie spiegelt vielmehr eine Skala wider, innerhalb derer das Bevölkerungswachstum, die Ressourcenverteilung und die zu neuen Effizienzebenen führenden Handlungsoptionen einen kritischen Zustand erreicht haben. Viele Menschen auf dieser Welt erhalten niemals eine Chance auf Bildung und Ausbildung; viele Menschen sind ständig durch Hungersnöte und Epidemien bedroht und müssen ein menschenunwürdiges Leben führen. Diese Tatsachen stehen allerdings nicht im Widerspruch zu der beschriebenen Dynamik, die die Alternativen zur Schriftkultur und Bildung hervorgebracht hat. Wir müssen daher die Art des vom Bildungssystem vermittelten Wissens und seine Auswirkungen auf die Ausgebildeten hinterfragen.

Relevanz

Schulen und Universitäten werden heute häufig dafür kritisiert, daß sie ihren Schülern und Studenten nicht mehr genügend relevantes Wissen vermitteln. Was aber heißt Relevanz in unserem Zusammenhang? Viele Wissenschaftler meinen, daß die auf unsere kulturelle Tradition bezogenen Fakten und Zusammenhänge relevant seien, wie etwa diejenigen, die im oben erwähnten Test abgefragt wurden. Relevant sind aber auch die Fähigkeit zum logischen Denken, ausreichende naturwissenschaftliche Kenntnisse, um den Reichtum der modernen Technologien zu verstehen, Fremdsprachen und andere Inhalte, die die Schüler und Studenten auf die praktische Lebenswelt vorbereiten.

Kritiker der traditionellen Lehrpläne stellen die Relevanz einer Tradition in Frage, die eher exklusiv als umfassend und integrativ zu sein scheint. Sie würden sich mehr Multikulturalität und Traditionskritik und weniger Konkurrenzdruck wünschen. Doch obwohl solche Empfehlungen den neuen Kontext unseres gesellschaftlichen Lebens und unserer Lebenspraxis berücksichtigen, stellen sie ihn doch nicht in den weiteren Zusammenhang der veränderten allgemeinen Strukturen und lassen so die Relevanzkriterien vermissen, die außerhalb ihres eigenen Kompetenzbereichs liegen.

Die Frage nach der Relevanz lenkt unseren Blick auf die Vergangenheit und bestimmt zugleich unser auf die Zukunft gerichtetes Handeln. Daß die schriftkulturelle Bildung und Erziehung in den Anfängen der Schriftkultur xenophobisch oder rassistisch und vor allem politisch war, braucht nicht sonderlich betont zu werden. Wer nicht zur Polis gehörte und eine andere Sprache sprach, wurde aus politischen Gründen einer Ausbildung unterzogen: Er sollte sich, auf welcher Stufe auch immer, so schnell wie möglich als ein nützliches Mitglied der Lebensgemeinschaft erweisen können. Zwar änderten sich die Bedingungen für Erziehung und Bildung im Verlaufe der Zeit nachhaltig, aber deren politische Dimension blieb erhalten. Deshalb kann es nur hilfreich sein, mit gewissen schriftkulturellen Haltungen aufzuräumen, die nationale, ethnische, rassistische oder ähnliche Elemente aufweisen. Denn es ist völlig irrelevant, ob Pythagoras Grieche und wie originell seine Geometrie war. Auch ist es irrelevant, ob diese oder jene Person aus diesem oder jenem Teil der Welt den Ruhm für ein literarisches Meisterwerk, ein Kunstwerk oder für einen religiösen oder philosophischen Gedanken verdient. Was allein zählt, ist die Frage, inwiefern solche Leistungen für die Menschheit und für ihre immer komplexere Lebenspraxis relevant wurden. Auch leiten wir unsere Werturteile nicht aus dem sportentliehenen Modell ab, also aus der Frage nach dem Besten, dem Schnellsten, dem Meisten; vielmehr orientieren wir sie daran, wie ein jeder von uns seine Identität in noch nie dagewesenen Arbeits- und Freizeitbedingungen und den daraus hervorgehenden Empfindungen konstituiert. Die Frage nach der Relevanz ist also eindeutig zukunftsgerichtet und bringt im übrigen die Erkenntnis, daß die Erfahrungen aus der Vergangenheit für unseren neuen Lebenszusammenhang immer weniger wichtig werden.

Was also sollte unterrichtet werden? Sprachen? Mathematik? Chemie? Philosophie? Wir können nicht zu allem einfach nur "ja" sagen, ohne die Frage nach den angemessenen Unterrichtsstoffen in den Rahmen unserer Lebenspraxis zu stellen. Das heißt aber vor allem, daß wir Erziehung und Bildung nicht wie bisher mit einer religiösen oder dogmatischen Aura versehen dürfen: Die Dozenten kennen die ewigen Wahrheiten; die Studenten folgen den Vorlesungen und empfangen das Sakrament.

Alle schulischen Grundfächer haben sich im Laufe der Zeit verändert, und die Geschwindigkeit, in der sich heute die Veränderungen vollziehen, nimmt zu. Das gegenwärtige Verständnis von Sprache, Mathematik, Chemie und Philosophie muß nicht unbedingt auf dem Prinzip des fortschreitenden Kenntniserwerbs gründen. Naturwissenschaft hat z. B. nicht direkt etwas mit Akkumulation zu tun. Das Gleiche gilt für das Erlernen von Sprachen, trotz aller anderweitigen ersten Eindrücke. Das mechanische Einpauken von Regeln, die als invariabel gelten, ist weniger wichtig als eine Kenntnis von Verfahren, mit denen wir uns das für unsere dynamische Existenz relevante Wissen zugänglich machen können. Es ist geradezu unmöglich, all das zu behalten, was die Schulausbildung—egal wie gut oder schlecht sie ist—unseren Schülern eintrichtert. Viel wichtiger wäre es zu wissen, wie und wo wir das, was wir für eine bestimmte Aufgabe benötigen, finden und verwenden können.

Ist es wichtig, daß wir Square Dance, Heavy-Metal-Musik, Bridge oder chinesische Kochkunst unterrichten? Dieses und vieles mehr steht heute in den Lehrplänen vieler Schulen und Universitäten. Die Frage, wie relevant solche Unterrichtsinhalte für Lehrplan und Studienordnung sind, muß sich nach denselben pragmatischen Kriterien richten, von denen unser Leben und unser Lebensunterhalt abhängen. Die Relativierung von Schriftkultur und Bildung in unserer veränderten Lebenspraxis hat durchaus schon zu neuen Lehrinhalten geführt. Sie allein können allerdings keine Ausbildung ersetzen, die die Denkund Empfindungsfähigkeiten in einem durch erhöhte Komplexität und Dynamik gekennzeichneten Lebensraum fördern.

Die heutige Erziehung muß sich an der Dynamik der Persönlichkeitsentfaltung orientieren, die für die Lebenspraxis unseres neuen Zeitalters charakteristisch ist. Das heißt keinesfalls, daß Erziehung durch ziel- und planlose Fernsehprogramme oder endlose Reisen im Internet ersetzt werden kann. Wir müssen allerdings begreifen, daß wir nicht ohne weiteres Schriftkultur, Bildung und Effizienz gleichzeitig haben können, denn sie sind in mancherlei Hinsicht unvereinbar. Ein solches Unterfangen würde vermutlich nur zu größerer Verwirrung führen. Und schließlich müssen wir erkennen, daß Bildung im sekundären und tertiären Bildungsbereich nicht unbedingt erforderlich ist für diejenigen, die einfach nur eine Berufsausbildung benötigen.

Wir haben bereits zeigen können, wie die zunehmenden
Vermittlungsprozesse auf dem neuen Markt sich auf die Effizienzebenen
ausgewirkt und zahlreiche neue Sprachen für den Zuschnitt, die
Beschreibung, Koordinierung und Synchronisierung der menschlichen
Arbeit hervorgebracht haben. Für viele Arbeitsformen, von den
Künsten bis zu den Naturwissenschaften, benötigen wir
Programmiervorgänge, die nicht nach falsch oder richtig fragen,
sondern nach optimaler Einrichtung und stetiger Weiterentwicklung.
Für die Erfordernisse unserer neuen Lebensskala—für Globalität,
Arbeitsteilung und Ressourcenverteilung, für die zahlreichen neuen
Elemente im Bereich der Wirtschaft, der Technik, der Kommunikation,
des Marketing und des Managements—brauchen wir neue, spezifische
Ausbildungsprogramme. Die Schriftkultur kann dies nicht leisten.

Erziehung beginnt mit der Erfahrung dessen, was nicht gegenwärtig und nicht unmittelbar ist. Sie beinhaltet Erfahrungen, die sich aus Vergleichen, aus Nachahmung von Handlungen und bei der Herausbildung von individuellen Mustern bezüglich der biologischen Merkmale des Menschen ergeben. Erst später kommen Sprache und die Verwendung von sprachlichen Konventionen und Metaphern hinzu, von denen einige Teil der Schriftsprache, andere Teil anderer Sprachen sind. Mit der evolutionsgeschichtlichen Entstehung der Familie beginnen die Erziehung und eine neue Phase der Arbeitsteilung. Die sehr enge Skala eines nomadischen Stammeslebens kannte dabei andere Erziehungsformen als die erweiterte Skala, innerhalb derer zunächst Formen der Notation und schließlich hochentwickelte Schriftsprachen, bzw. die technische Sprache des Zeichnens entstanden. Der Allgemeinheitsgrad der Schriftsprache und die daraus resultierende Schriftlichkeit als Grundlage jeglicher Erfahrungsvermittlung brachte wiederum andere Erziehungsformen mit sich. Wir sehen also, daß die sich verändernden Formen von Erziehung und Bildung aus den Veränderungen der menschlichen Evolution ergeben und daß somit weitere Veränderungen in der Natur dieser Entwicklung liegen. Das veranlaßt uns, die gegenwärtigen Erziehungs- und Ausbildungsformen zu überdenken und sie mit Blick auf den erweiterten Rahmen der menschlichen Tätigkeiten zu verbessern, statt sie zur Wahrung einer historisch gewordenen Kulturphase auf ihre jetzige Form ein für allemal festzulegen.

Wir mußten erst lernen, das zu sein, was wir heute sind. Wir sind es geworden durch das, was wir in Bezug auf unser individuelles und gesellschaftliches Daseins tun. Sprechen, schreiben und lesen heißt, das zu verstehen, was wir sprechen, schreiben und lesen. Die einfache mechanische Reproduktion von Wörtern oder Lautmustern könnte genauso gut von entsprechend programmierten Maschinen vorgenommen werden. Aber sprechen, schreiben und lesen lernen heißt, sich des durch Sprechen, Schreiben und Lesen hervorgerufenen pragmatischen Kontextes der zwischenmenschlichen Beziehungen bewußt zu werden, und die für diese Vorgänge notwendigen Fertigkeiten zu erwerben. Dieses Bewußtsein schließt allerdings das Bewußtsein von der Möglichkeit einer Kontextveränderung mit ein.

Erziehung und Ausbildung bedeuten, andere und sich in einen Prozeß einzubinden, der darauf ausgerichtet ist, dasjenige Wissen zu erwerben und zu vermitteln, das für die weitere Vermehrung des Wissens notwendig ist. Daher können die Erziehungsinhalte nicht Wissen im allgemeinen sein, denn Schulen und Universitäten können die Vielfalt der menschlichen Erfahrungen nicht nachvollziehen. Die post-industrielle, auf einer digitalen Struktur basierende Erfahrung ist so heterogen, daß die Vielfalt dessen, was die heutige Lebenspraxis erforderlich macht, nicht unter vereinheitlichende Ausbildungsgänge subsumiert werden kann. Wichtiger als allgemein zugängliche und allen verfügbare Informationen ist daher die Kenntnis davon, wie und wo ich finde, was ich brauche. Wissen zu besitzen wird in diesem Zusammenhang zweitrangig; entscheidend ist der Zugang zum Wissen und ein gutes Verständnis der auf die neuen Erkenntisformen konzentrierten veränderten Lebenspraxis. Der Umgang mit der Informationsfülle und die Fähigkeit, diese den Technologien der Informationsverarbeitung zuzuführen, muß Teil unserer Ausbildungsprogramme werden. Die Studenten müssen verstehen und erklären lernen, wie sich die heutigen Erkenntnisformen und Erkenntnisinhalte, also das Rohmaterial der digitalen Maschine, aus unseren Erfahrungen ableiten.

Zwischen den von uns entworfenen Wegen, auf denen wir unser biologisches Sein in das Sein der uns beheimatenden Welt projizieren, und dem Ergebnis unserer Bemühungen besteht eine Einheit. Diese kennzeichnet unseren geistigen und emotionalen Zustand und bestimmt unser Denken und Fühlen. An einem bestimmten Punkt der menschlichen Entwicklung, nachdem die Trennung von körperlicher und geistiger Arbeit vollzogen war, wurde das Denken von seiner unmittelbaren Zweckgerichtetheit befreit. Die einmal erreichte Abstraktion des Denkens entsprach der Fähigkeit, in seinen Prozeß eingebunden zu sein, sich seiner bewußt zu sein und ihn zu beurteilen. Das ist die Ebene der Theorie. Die gegenwärtig zu verzeichnende Dynamik wirkt sich auf den Status der Theorie aus, darauf, wie wir sie bilden, und darauf, wie wir sie vermitteln. Zumindest mit Blick auf ihre Vermittlung, wohl aber auch mit Blick auf ihre Formulierung, müssen wir uns im gegebenen Zusammenhang kurz mit der Entwicklung der Universitäten beschäftigen.

Tempel des Wissens

Nachdem einmal in der Schriftkultur ein allgemeines Instrument der Kommunikation und Koordination etabliert war, wurden Ausbildung und Erziehung zur Institution, zur Maschine der Schriftkultur. Dies vollzog sich parallel zur Versachlichung vieler anderer Formen menschlicher Praxis: Religion, Rechtsprechung, Militär. Die Universitäten der westlichen Welt verkörperten das elitäre Ideal der Schriftkultur auf jede nur denkbare Weise: Exklusivität, Philosophie der Pädagogik, Architektur, allgemeine Ziele, Curriculum, Lehrkörper, Studentenschaft, Beziehung zur Öffentlichkeit, religiöser Status. Diese Universitäten kümmerten sich nicht um die Handwerkskünste, kannten und anerkannten keinen Lehrlingsstatus. Anders als die Schulen konnten die Universitäten ihren Einfluß weit über ihre Grenzen hinaus geltend machen, eine führende Rolle im geistigen Leben der Bevölkerung spielen und dabei eine Aura der Exklusivität aufbauen. Das lag nicht nur am religiösen Fundament, auf dem die Universitäten ruhten. Die Universitäten besaßen die wichtigen geistigen Dokumente über die Theorien der Natur- und Geisteswissenschaften und die dazu gehörigen Ausbildungsprogramme. Diese Quellen unterstrichen die Rolle einer allgemeinen Bildung (nicht nur als Spiegelung des katholischen Anspruchs der Kirche), deren grundlegende Komponente einen Tempel des Wissens erstellte, von dem aus die Theorien über die westliche Welt verbreitet wurden. In ihrer Anlage und in den durch sie verkörperten Werten fungierte die Universität als ein Modell für die Gesellschaft und als wichtiger Garant der gesellschaftlichen Dynamik. Tradition, Sprachen (die den direkten Zugang zur Welt der klassischen Philosophie und Literatur eröffneten) und die Künste wurden als Einheit aufgefaßt. Die Technik und alle praktischen Anwendungsformen des Wissens hatten in ihr keinen Platz.

Im Gegensatz zu heute waren jene Universitäten ihrer Zeit so weit voraus, daß sie fast schon wieder den Kontakt mit der Wirklichkeit verloren hatten. Ihre Welt war eine Welt fortschrittlicher Gedanken, idealisierter sozialer und moralischer Werte und neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, die in metaphysischer Abstraktion zelebriert wurden. In unserem Zusammenhang interessiert die dynamische Entwicklung der universitären Ausbildung bis etwa zur Jahrhundertwende und die daran geknüpfte Frage, inwieweit diese den heutigen Ausbildungszielen genügt oder sie verfehlt. Als die ersten Universitäten gegründet wurden, war der Zugang zu ihnen begrenzt. Daher ist ein Vergleich zwischen damals und heute eigentlich irrelevant. Er könnte indes erklären, warum heute noch immer die große Zahl der Studierenden, die vor hundert oder auch nur vor fünfzig Jahren niemals ein Studium hätte aufnehmen können, nicht uneingeschränkt willkommen ist. Die Universität vermittelt eben nicht nur Werte, sondern auch Vorurteile.

Die Bedeutung des historischen Hintergrunds tritt zutage, wenn wir uns die formative Macht der Sprache, ihre Leistung für die Aufbewahrung von Ideen und Idealen, die auf Dauer angelegt sind, und ihre Funktion für die Verbreitung dieser Doktrin von Bestand und Autorität vergegenwärtigen. Die Religion durchdrang die Natur- und Geisteswissenschaften und machte sich nachdrücklich geltend, wenn es darum ging, den Erfindungen und Theorien Bedeutung zuzuweisen. Die in diesen Universitäten vermittelte Bildung sollte für ewig gelten und orientierte sich an einem Modell, das den Menschen als Zentrum der Welt und als Höhepunkt der göttlichen Schöpfung ansah. Das ganze Programm der Universität war auf Kontinuität angelegt und auf das Fundament der Schriftkultur gestellt. Als Organisationsform begünstigte sie Integration anstelle von Differenzierung. Sie war eine Gegenkraft, ein kritisches Instrument und ein Rahmen für geistige Tätigkeit. "Wissen ist Macht": Dieses heute oft mit der politischen Linken assoziierte Motto hat seinen Ursprung in der Universität des Mittelalters und in konservativen Machtbeziehungen, für die Schriftkultur und schriftkulturelle Bildung die grundlegenden Strukturen boten.

Man kann ohne weiteres sagen, daß die Universität des Mittelalters die Verdinglichung der Sprache verkörperte, die Verdinglichung des griechischen logos und der römischen ratio. Alle vorausgegangenen Bemühungen, die Vergangenheit zu versachlichen, wurden in den Forschungs- und Lehrprogrammen der Universität zusammengefaßt und als Modell für die Zukunft entworfen. Alternative Denk- und Kommunikationsformen blieben ausgeschlossen oder wurden den Formen der Sprache angepaßt bzw. ausnahmslos der herrschenden Rationalität unterworfen. Auf diesen Voraussetzungen entwickelte sich die Universität als eine Institution, die den methodischen Zweifel übte. Sie wurde zur intellektuellen Maschine, die immer neue Erklärungen vom Universum als Ganzes und seiner Teile versuchte.

Die Umstände, die zu einer Trennung zwischen allgemeinen geistigen und erzieherischen Aufgaben führte, sind auf verschiedene, miteinander verknüpfte Faktoren zurückzuführen. Einer dieser Faktoren ist zweifellos die Druckmaschine. Ausschlaggebend aber waren die praktischen Erwartungen. Die Menschen mußten nämlich erkennen, daß sie die von ihnen benötigten Maschinen nicht mit Hilfe ihrer Latein- oder Griechischkenntnisse oder den auswendig gelernten Litaneien bauen konnten, sondern nur mit Mathematik und Mechanik. Ein Teil dieses Wissens fand sich in den griechischen und lateinischen Texten, die von muselmanischen und jüdischen Gelehrten nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches aufbewahrt worden waren. Auch mußte man lernen, wie man seine praktischen Ziele formulieren und wie man technische Pläne so vermitteln konnte, daß sie zum Bau von Straßen, Brücken, Gebäuden und vielem mehr anleiteten. Für die Erkundung neuer Energiequellen reichte das aristotelische Weltbild nicht aus. Mehr physikalisches, chemisches, biologisches und geologisches Wissen war erforderlich. Der Zugang zu diesen Bereichen führte immer noch über Schrift und Schriftkultur, obwohl all diese Bereiche im Ansatz bereits ihre eigene Sprache entwickelt hatten. Maschinen wurden als Metaphern für den Menschen verstanden und gebaut. Sie verkörperten eine animistische Anschauung, obwohl sie tatsächlich die Bedürfnisse und Erwartungen erfüllten, die aus einer Existenzskala jenseits animistischer Erfahrungen hervorgingen.

Die Erfahrung industrieller Arbeit, ihrerseits die Schule eines neuen pragmatischen Erfahrungsrahmens, vermittelte ein Bewußtsein von Kreativität, Produktivität und Vertrauen. Arbeit und gesellschaftliches Leben verloren an Homogenität. Doch in dem Moment, in dem der Anspruch der Schriftkultur, alles erklären zu können und das einzige Medium für neue Theorien zu sein, seine Grenzen erreichte, blieben auch die Universitäten hinter der Entwicklung der Lebenspraxis zurück. Der Unterschied zwischen der Physik Galileo Galileis und der Newtonschen Physik ist kleiner als der Unterschied zwischen diesen beiden und der Einsteinschen Relativitätstheorie; dieser wiederum ist geringer als das, was alle drei von der sich seitdem entwickelten kosmischen Physik trennt. Dieses neue physikalische Denken erschließt eine Skala und einen Bereich, der über alles bisher Gekannte weit hinausgeht, und er beinhaltet vor allem eine völlig neue Art der Problemformulierung. Nicht zuletzt in diesem Bereich zeigt sich, daß die Menschheit neue kognitive Erklärungsmodelle anwendet, denen die Wissensinstrumentarien der Vergangenheit nicht mehr genügen. Ein Gleiches gilt übrigens für die neueren Theorien in Biologie, Chemie und zunehmend auch in Soziologie, Wirtschaft und den Entscheidungswissenschaften. Wir sehen daran, ein wie wichtiges und umfassendes Kriterium dasjenige der Skala und die darin erfaßte Komplexität darstellt, ein Kriterium, das letztendlich auch entsprechende Auswirkungen auf die Theorie und Praxis von Ausbildung und Erziehung hat.

Kohärenz und Verbindung

Erziehung und Ausbildung haben ihr Gebiet gut abgesteckt. Einerseits haben sie die Erwartungen derjenigen nicht erfüllt, die bei der Suche nach einem Platz in der veränderten Lebenspraxis Unterstützung benötigt hätten, andererseits hat sich ein neues Paradigma natur- und geisteswissenschaftlicher Forschung durchgesetzt—das rechnergestützte Arbeiten (computation). Vor allem im Zusammenspiel mit den experimentellen und theoretischen Naturwissenschaften hat die rechnergestützte Arbeit Ebenen erreicht, auf denen sowohl die Erwartungen nach geistiger Kohärenz als auch nach einer Verknüpfung mit Instanzen außerhalb des unmittelbaren Forschungsgebiets befriedigt werden konnten. Rechnergestütztes Arbeiten hat mittlerweile auch die Bildungssysteme erfaßt, ohne daß es allerdings dessen grundlegende Strukturen ersetzt hat. Dennoch haben die Bürokratien, die nach den traditionellen Funktionsregeln organisiert sind, das Ausmaß der Veränderung, welches ihre eigene Existenzberechtigung in Frage stellt, noch nicht erkannt.

In einigen privaten Schulen und Universitäten der USA sind zwar mittlerweile selbst die Studentenwohnheime mit Computerterminals ausgerüstet. Dennoch ist für die Mehrzahl der Studierenden die Arbeitszeit am Computer begrenzt und auf bestimmte Arbeitsbereiche, hauptsächlich Textverarbeitung, beschränkt. Viel zu viel Bildungseinrichtungen setzen Computer lediglich für administrative Arbeit wie Haushaltsführung und Immatrikulation ein. In den europäischen Ländern ist die Situation noch schlechter. Und im Vergleich zu den ärmeren Länder dieser Welt kann man nur hoffen, daß sich der Unterschied nicht noch vertiefen wird. Wenn der Zugang zu den Stromnetzen ähnlich geregelt wäre, gäbe es einen Aufschrei. Dabei sollten heutzutage EDVgestützte Verfahren genauso verbreitet sein wie Elektrizität.

Wenn aber die Universitäten keinen der heutigen Zeit angemessenen
Rahmen für Forschung und Lehre schaffen, versäumen sie ihre ureigene
Aufgabe, neues und originelles Wissen zu gewinnen und zu vermitteln.
Sie können allenfalls die anderswo gewonnenen Ergebnisse aus zweiter
Hand präsentieren. Damit kann man vielleicht ein gutes Verständnis
der Vergangenheit vermitteln, aber nur eine sehr fragwürdige
Durchdringung von Problemen der Gegenwart und Zukunft.

Innerhalb einer Sprache zu leben bedeutet auch, die in dieser Sprache verarbeiteten Erfahrungen zu verinnerlichen. Die natürliche Sprache verkörpert in sich eine bestimmte Erfahrung von Raum und Zeit; Programmiersprachen indes verkörpern bestimmte logische Strukturen oder eine objektbezogene Funktionsweise der Welt. Diese Erfahrungen geben den Bezugsrahmen des Vorverständnisses von Welt ab. Wir haben gesehen, wie die verschiedenen Sprachstufen des Menschen das den Entwicklungsstufen jeweils eigene Wissen und die entsprechenden Erfahrungsstrukturen widerspiegelten. Wir haben auch gesehen, wie durch die Ausdifferenzierung von Sprache, Erfahrungen und Lebenspraxis schließlich auch Schriftsprache und Schriftkultur ihre Rolle als optimales Medium für die Vermittlung und den allen gemeinsamen Zugang zu diesen Erfahrungen der Lebenspraxis verloren, ohne dabei alle ihre Funktionen aufgegeben zu haben. Tatsache aber ist, daß die Pläne für ein neues Gebäude, für Brücken, Maschinen und viele andere Gegenstände nicht mehr im schriftsprachlichen Diskurs formuliert werden können, wie hochentwickelt dieser Diskurs und die diesen Diskurs vermittelnden Bildungsinstanzen auch immer sein mögen. Eine beschleunigte Dynamik und eine allgemein verbreitete Praxis der Vermittlung, die nicht mehr auf der Schriftkultur basiert, sind in unserem neuen Stadium jenseits der Schriftkultur zu einem wichtigen Bestandteil unserer Lebenspraxis geworden und definieren die unserem Leben zugrundeliegenden Strukturen neu. Die Sprache behält darin eine eingeschränkte Funktion. Sie ist ein Zeichensystem unter vielen anderen Zeichensystemen, von denen einige sich besonders gut für Rationalisierung und Automatisierung eignen, und sie wird nun ihrerseits in Maschinen integriert, die für Zeichenverarbeitung (insbesondere für Informationsverarbeitung) entwickelt wurden. Dieser Entwicklungsprozeß kann an einem einfachen Beispiel verdeutlicht werden: Um die in den Homerischen Texten verarbeitete Erfahrung in aller Tiefe und Subtilität verstehen zu können, benötigt man eine gründliche Kenntnis des Altgriechischen. Um die juristischen Texte des Römischen Reiches verstehen zu können, braucht man Lateinkenntnisse und daneben noch einige andere Kenntnisse. Um aber Algebra verstehen zu können—das Wort kommt aus dem Arabischen al-dschabr und heißt soviel wie "Vereinigen gleichartiger Glieder auf beiden Seiten zu einem Glied"—braucht man nicht das Arabische zu beherrschen.

Bildung und Schriftkultur spielen in unserer derzeitigen Erfahrung der Selbstkonstituierung eine viel geringere Rolle als in der Vergangenheit. Dennoch zwingt die daraus hergeleitete Erziehung nahezu allen Bereichen ihre Merkmale auf: Der Nachvollzug bereits bekannten Wissens ist Voraussetzung für die Entdeckung des Unbekannten. Wenn wir uns indes genauer damit beschäftigen würden, wieviel und was genau wir von den zurückliegenden Erfahrungen wissen und verstehen müssen, um neue Formen der Lebenspraxis entwickeln zu können, wären wir ziemlich überrascht. Die erste Überraschung liegt in der Erkenntnis, daß sich nachhaltige Veränderungen vollziehen, und zwar von Arbeits- und Denkformen, die auf fundamentale Weise an vergangene Erfahrungen geknüpft sind, zu Bereichen der Identitätskonstituierung, die die Vergangenheit weder nachvollziehen noch wiederholen. Vielmehr leugnen solche neuen Erfahrungen die Vergangenheit geradezu und machen sie relativ unbedeutend. Wenn wir uns von den Fesseln der Vergangenheit lösen, können wir erkennen, daß das in Texten ausgedrückte Wissen bisweilen unser Verständnis der Gegenwart einschränkt, weil es ein Vorverständnis von der Zukunft in sich trägt, das neue, effektive Erfahrungen verhindert. Die zweite Überraschung ergibt sich aus der Erkenntnis, daß andere nicht schriftkulturelle Mittel die menschliche Selbstkonstituierung viel besser fördern und daß diese neuen Mittel eine andere Grundstruktur aufweisen.

"Ob wir es wollen oder nicht, die Naturwissenschaften stellen vermutlich die größte intellektuelle Leistung des Menschen dar, und jede Form von Erziehung, die diese Tatsache außer acht läßt, verfehlt in eben diesem Maße ihre Aufgaben." Diese Auffassung Searles teilen viele. Nicht deutlich genug wird in diesem Zitat allerdings, daß sich die Naturwissenschaften eigentlich erst entwickeln konnten, nachdem sie ihre der Sprache und Schriftkultur untergeordnete Rolle überwunden hatten. Die Mathematisierung von Naturwissenschaft und Technik, die Konzentration auf computation, die Notwendigkeit, sich auch den Design-Aspekten der menschlichen Tätigkeit zu widmen (etwa innerhalb von Soziologie, Jura, Medizin usw.) gehören allesamt alternativen Erklärungsformen an, die ein schriftkulturelles Denken immer weniger leistungsfähig erscheinen lassen. Sie eröffnen damit neue Horizonte für die Forschung in Astronomie, Genetik und Anthropologie. Neben die kognitiven Fähigkeiten, die der neue pragmatische Zusammenhang erfordert, treten metakognitive Fähigkeiten: Dazu gehört vor allem die Fähigkeit, sein eigenes Wissen und seine eigene Lernfähigkeit in einer Welt der Veränderung, der Vielfalt, der Arbeitsteilung, der vermittelten Arbeit, der weltweiten Verknüpfung und der Heterogenität beständig zu überprüfen.

Wir wissen heute noch nicht genau, wie wir den Ausbildungsbedarf formulieren und quantifizieren, welche Mittel und Kriterien für die Leistungsmessung wir heranziehen sollen. Wenn wir lediglich einen Respekt vor der Tradition, gute Manieren und eine allgemeine Urteilsfähigkeit anstreben, dann beschränken wir uns auf das Persönlichkeitsideal der Vergangenheit. Halten wir uns nur einmal die enormen Kosten vor Augen. In den Vereinigten Staaten werden von Eltern, Schülern, aus privaten und öffentlichen Mitteln jährlich über 370 Milliarden Dollar für das Bildungswesen aufgebracht. Dahinter verbergen sich neben den allgemeinen Kosten unzählige spezielle Ausbildungs- und Stipendienprogramme. Aber wenn wir uns klarmachen, daß eine Gruppe von 25 Schülern bzw. Studenten mit bis zu 250000 Dollar finanziert wird, dann geht in der Gleichung zwischen Finanzierungsaufwand und Ausbildungsergebnis irgend etwas nicht auf, dann ist das Ergebnis dieser Investitionen niederschmetternd. Allein die Tatsache, daß bis zu einer Million Schüler und Studierender jährlich Schule oder Studium abbrechen—die Zahl steigt und ist in vielen anderen westlichen Ländern ähnlich hoch—und daß komplementäre Maßnahmen zur Eingliederung dieser jungen Menschen in den Arbeitsmarkt weitere Finanzaufwendungen erfordern würden, macht deutlich, daß mit unserem Bildungssystem nicht alles in Ordnung sein kann. In anderen Ländern sind die pro Kopf entstehenden Ausbildungskosten und die Detailprobleme anders, aber die allgemeinen Fragen und Unsicherheiten sind die gleichen. In vielen Ländern (Frankreich, Deutschland, Italien, einige Länder in Osteuropa) dauert die Schulzeit länger als das, was man in den USA für normal halten würde. In Deutschland will die Diskussion über die Dauer der Schulzeit nicht enden. Reichen zwölf oder dreizehn Schuljahre? Wie lange darf ein Student an einer deutschen Universität eingeschrieben sein? Und mit der Vereinigung Deutschlands stellten sich neue Probleme: eine ausreichende Zahl ausreichend qualifizierter Lehrer, angemessene Ausstattung, Finanzierung der Schulen in den neuen Bundesländern. In Japan dauert die Schulzeit zwar nur zwölf Jahre, beinhaltet aber insgesamt mehr Schultage (230 Schultage jährlich im Vergleich zu 212 in Deutschland und 180 in den USA). In Frankreich ist sogar das Vorschulstadium staatlich reguliert, hier liegt die Gesamtschulzeit bei 15 Jahren. Dennoch beherrschen 40% aller französischen Schüler am Ende der Schulzeit ihre Sprache nicht fehlerfrei. Als Richelieu vor ungefähr 360 Jahren die Académie Française als Hüter der Sprache gründete, konnte er nicht ahnen, daß die Sprache ihre Bedeutung für das Leben und die Arbeit der Menschen verlieren würde und daß trotz des enormen finanziellen und zeitlichen Aufwands für den Unterricht nicht alle, die das Ausbildungssystem durchlaufen, auch gebildet sein werden.

Der neue pragmatische Kontext braucht andere Erziehungs- und Ausbildungsziele: das Erkennen von Beziehungen und Zusammenhängen in einer sehr dynamischen Welt, die Fähigkeit zu hinterfragen und in Frage zu stellen, den Umgang mit einer Komplexität, die unsere Lebenspraxis nachhaltig beeinflußt und den Umgang mit einem Kontinuum von Werten. Studenten wissen heute aus eigener Erfahrung, daß die Sprache nicht zwangsläufig auf Bestand und Universalität angelegt ist; vermutlich ist es für viele ein Schock zu sehen, wie gut die großen "illiteraten" Gruppen unserer Bevölkerung in die moderne Gesellschaft eingebunden sind, wie sie funktionieren und gedeihen. Ein großer Teil derer, die aus welchen Gründen auch immer aus unserem Ausbildungssystem herausgefallen sind, haben irgendwo im Wirtschaftsleben der westlichen Länder einen Platz gefunden. Im Alphabetismus des Konsums sind sie durchaus zu Hause und erfüllen die von ihnen erwartete Funktion des Konsumenten.

Viele Fragen

Die Industriegesellschaft als Vorläufer unseres heutigen pragmatischen Lebensrahmens benötigte Schriftkultur und Bildung, um die Maschinen optimal nutzen zu können und die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit derer, die sie betrieben, zu bewahren. Das Ergebnis rechtfertigte die Höhe der Bildungsaufwendungen. Ein gut ausgebildeter Arbeiter, Arzt, Chemiker, Jurist, Geschäftsmann waren notwendige Voraussetzungen für den reibungslosen Ablauf der Industriegesellschaft. Man mußte wissen, wie eine Maschine zu betreiben war. In aller Regel war die Betriebsdauer einer Maschine länger als das Leben ihres Betreibers. Daher war das benötigte Wissen (Gesetze, medizinische Therapien, chemische Formeln) fest umrissen und unterlag relativ geringen Änderungen. In der Regel behielt ein Buch seine Gültigkeit für Vater, Sohn und sogar Enkel. Und was durch Schriftlichkeit nicht zu vermitteln war, wurde durch beispielhaftes Handeln weitergegeben, in der Lehrlingsausbildung etwa, von der die Technik enorm profitierte. Das Bildungssystem brachte gebildete Menschen hervor, und die Mitglieder der Gesellschaft waren auf Beziehungen vorbereitet, ohne welche die Maschinen wenig oder keinen Sinn machten. Je komplexer diese Beziehungen wurden, desto mehr Zeit mußte für Bildung und Erziehung aufgewendet werden und desto höher mußte die Qualifikation derer sein, die das Ausbildungssystem trugen.

Für diese Zwecke erfüllte das Ausbildungssystem als Vermittler des notwendigen Wissens seine Aufgabe, es füllte gewissermaßen die leeren Behälter, die von wohlhabenden Familien in die Schulen und Universitäten geschickt wurden. Die Industriegesellschaft schuf die Produkte und zugleich den zunehmenden Bedarf nach ihnen. Einigen mag diese Erklärung simplifizierend erscheinen, und sie könnten ihr entgegenhalten, daß die Industriellen ja keine ausgebildeten oder gebildeten Arbeiter brauchten. Die Tatsache, daß ein großer Teil der Arbeit von Kindern oder Frauen geleistet wurde, könnte dieses Gegenargument unterstützen. Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts nahmen sie (möglicherweise unter dem Einfluß eines religiösen Humanismus) die Kinder aus den Fabriken heraus und unterwiesen sie im Lesen, um (wie es hieß) ihre Seelen zu erheben. Schließlich wurde die Kinderarbeit auch durch entsprechende Gesetze verboten. Aber als dies geschah, hatte die Industrie bereits, was sie benötigte: eine relativ gut ausgebildete Arbeiterklasse und eine hohe Produktivität der Beschäftigten, die die verfügbare Ausbildung optimal nutzten. Unter den entsprechenden pragmatischen Voraussetzungen erwies sich ein ausgebildeter Arbeiter als eine gute Investition.

Im Gegensatz zu den vielen philanthropischen Motiven, die für die Entwicklung des Bildungssystems im 19. Jahrhundert angeführt werden, bin ich der Meinung, daß die Industriegesellschaft zur optimalen Ausnutzung ihres maschinellen Produktionspotentials den Bedarf für das, was sie produzierte, schaffen mußte. Die ersten Produkte der Industriegesellschaft sind mithin die Arbeiter selbst, die ihre körperlichen Merkmale und Fähigkeiten, vor allem aber solche Fähigkeiten wie Verstehen, Interaktion und Koordination in die maschinenbezogene Praxis hineinprojizierten. Alle diese Merkmale sind im übrigen die Strukturmerkmale der Schriftkultur.

Die Industrieprodukte, die aus den qualitativ neuen Formen der menschlichen Selbstkonstituierung hervorgingen, waren für die Illiteraten von geringem Interesse. Was sollte man mit Schreibmaschinen, Büchern und ähnlichem Hausgerät anfangen? Wie sollte jemand, der des Lesens und Schreibens nicht oder nicht genügend kundig war, aus diesen Produkten ein befriedigendes Ergebnis herausholen könne? Und wie könnte eine Koordination mit anderen, die solche Produkte verwendeten, stattfinden? Natürlich waren die Grenzen niemals so scharf gezogen. Nichtgebildete Eltern hatten gebildete Kinder, die das notwendige Wissen aus der Schule mitbrachten. Dieses allmähliche Durchsikkern von Bildung und Schriftkultur gehörte vermutlich sogar zur allgemeinen Strategie. Alles in allem aber war die philanthropische Förderung der Bildung gleichbedeutend mit einer Investition in eine optimal funktionierende Gesellschaft, deren Skala hocheffiziente Arbeitsebenen erforderlich machte. Es gibt durchaus eine philanthropische Motivierung für die Förderung von Bildung und Erziehung, und zwar als eine Form der Verteilung des Reichtums. Aber solche Förderung ergibt sich nicht nur aus reiner Nächstenliebe, sondern auch aus dem klaren Vorteil, den man aus dem zur Verfügung gestellten Geld, den gestifteten Sachmitteln oder den Stiftungslehrstühlen zieht.

Unser Bildungssystem als Ergebnis der Schriftkultur hat niemals so recht verstanden, daß die Schriftkultur einem Entwicklungsstadium entspricht, in dem Schriftsprache das Medium für die gesprochene Sprache war. Es hat allerdings begriffen, daß wir heute das Gesprochene in nichtschriftlicher Form speichern können, und zwar bisweilen effizienter als in der Schriftsprache und ohne die hohen Aufwendungen, die für die Pflege von Schriftkultur und Bildung notwendig sind. Ob mit oder ohne die Hilfe von Philanthropie, das Lernen muß sich heute von der Schriftkultur und deren beengenden Strukturen befreien, so wie es sich vormals von der Kirche befreit hat. Wenn sich aber dieses neue Bewußtsein nur darin äußert, daß die Universitäten Videobänder anstelle von gedruckten Katalogen versenden, dann fragt man sich, ob die für die Erziehung Verantwortlichen oder nur die Marktprofis die gegenwärtige Dynamik verstanden haben. Das Gleiche gilt für die Professoren, die im Glauben, daß Studenten konserviertes Wissen leichter verinnerlichen, ihre Vorlesungen inzwischen auf Videobändern anbieten. Online-Vorlesungen durchbrechen zwar die alten Gewohnheiten, sind aber keine ausreichende Antwort auf unsere neuen Probleme, jedenfalls nicht, solange sie nicht in ein allgemeineres Verständnis von Bildung und Ausbildung integriert sind, das neue Prioritäten setzt und angemessene Inhalte definiert.

Gegen die Verwendung neuer Medien in der Ausbildung ist überhaupt nichts einzuwenden, aber das Speicher- und Vermittlungsmedium stellt nicht das eigentliche Problem dar. Medienlabors kümmern vor sich hin, da sie die gleichen nutzlosen Informationen anbieten wie die Unterrichtsformen, die sie eigentlich ersetzen und verbessern sollten. Auch das zeigt uns, wie nötig eine grundsätzliche Veränderung unseres Systems wäre. Zu den fundamentalen Voraussetzungen des derzeitigen Bildungssystems gehört es z. B., daß das Wissen von Professoren—die mehr wissen sollen—an Studenten—die weniger wissen können—weitervermittelt wird. In Wirklichkeit aber sehen wir uns mit einer völlig neuen und veränderten Wirklichkeit konfrontiert: In manchen Bereichen wissen die Studenten heute mehr als ihre Lehrer. Hinzu kommt, daß das Wissen, das noch vor kurzer Zeit in einem Fach relevant gewesen sein mag—ob in Geschichte, Politikwissenschaft oder Wirtschaft, oder aber in den Fächern, die sich mit den Kulturen der ehemaligen Sowjetunion und Osteuropas befassen—mittlerweile veraltet ist. Physik, Mathematik und Chemie haben sich auf spektakuläre Weise verändert. Die vorhandenen Lehrbücher und das sogenannte Wissen einiger Professoren sind von der Wirklichkeit längst überholt worden.

Sollte sich die heutige Ausbildung an den Nachrichtenmedien orientieren? Sollten die Bildungseinrichtungen zu einer Internetadresse für unbegrenztes und unstrukturiertes Browsing werden? Sollten Bildung und Ausbildung jegliche stabile Grundlage aufgeben? Oder sollten die Universitäten nicht zumindest in regelmäßigen Abständen ihren Zuschnitt so überdenken, daß sie die neuesten Theorien, die neuesten Forschungstechniken und die neuesten Erfindungen problemlos in ihre Curricula einbauen können? Alle diese Fragen drängen sich denen auf, die noch immer ein Wort nach dem anderen schreiben und eine Frage nach der anderen beantworten. Aber wenn wir diese Fragen, auf die ich am Ende dieses Buches einige Antworten zu geben versuche, nicht stellen, können wir keine Lösungen erwarten. Wenn sich alle, die für unser Bildungssystem verantwortlich sind, und alle, die von ihm in irgendeiner Weise betroffen sind, diese und weitere Fragen stellen würden, dann könnten wir uns vielleicht auf angemessene Weise mit einem Problem befassen, für dessen Lösung es keine allumfassende Zauberformel geben kann. Daß dies geschieht, zeichnet sich mittlerweile allerdings in vielen Teilen unserer Welt ab. Endlich!

Eine Kompromißformel

Da in unserer Selbstkonstituierung die Schriftkultur nur noch eines von vielen Medien für die von der neuen Skala geforderte Effizienz ist, begreifen wir allmählich, daß wir uns Schriftkultur und Bildung nicht mehr in dem Maße leisten können, wie wir es bislang getan haben. Und selbst wenn wir es könnten, sollten wir es nicht tun. Allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, daß die schriftkulturelle Maschinerie, die wir merkwürdigerweise noch immer Erziehung oder Bildung nennen, die nachwachsenden Generationen nur noch bedingt auf das Leben vorbereitet. Die Bildungsperspektiven stehen dabei in permanentem Widerspruch zu den sich rasant verändernden menschlichen Erfahrungen, durch die wir das werden, was wir sind. Eine am Paradigma der Schriftkultur orientierte Erziehung ist, wie wir gesehen haben, ein Luxus geworden, den sich keine Gesellschaft, ob reich oder arm, mehr leisten kann. Die im Verlauf der Erziehung erworbenen Fähigkeiten und die Perspektiven, die wir für unser Leben aus der Bildung beziehen, müssen heute als Zusammenhang betrachtet und als eine niemals endgültig abgeschlossene Serie von Ausbildungsschritten konzipiert werden. Die Nützlichkeit der jeweiligen Ausbildung wird vermutlich zeitlich sehr begrenzt sein, die aufeinanderfolgenden Ausbildungsabschnitte möglicherweise nicht nahtlos auseinander hervorgehen.

Niemand wird die Bedeutung eines Sprachenstudiums ernsthaft in Frage stellen, aber nur wenige sind willens, das Sprachenstudium oder das Studium von Fächern, die auf einem Sprachenstudium basieren, als Voraussetzung für eine Serie von verschiedenen Berufstätigkeiten anzusehen, denen die heutigen Studenten im Laufe ihres Lebens werden nachgehen müssen. Noch immer ist die gehobene Schulausbildung (also etwa die Sekundarstufe 2 an deutschen Gymnasien) und ein großer Teil des Universitätsstudiums auf Sprachen und Geisteswissenschaften ausgerichtet; niemand nimmt die offenkundige Verlagerung von diesen Bereichen auf die Sprachen der Mathematik—die heute eine extrem diversifizierte Wissenschaftsdisziplin geworden ist—und der visuellen Darstellung zur Kenntnis und ist bereit, daraus die entsprechenden curricularen Konsequenzen zu ziehen. Die Mathematik bereitet heute auf die Vielzahl der zukunftsweisenden Berufsfelder vor, im Bereich der Technik und des Managements, der Naturwissenschaft und Philosophie, des Designs und der Rechtsprechung. Rechnen ist zuallererst eine Sprache, und Ziel jeder Erziehung müßte die flüssige Beherrschung dieser Sprache sein. Das Gleiche gilt für alle Bereiche, die mit Visualisierung zu tun haben: Zeichnen, Computergraphik, Design. Das Studium der visuellen Techniken und Ausdrucksformen ist heute mindestens so wichtig wie das Studium sprachbezogener Gegenstände.

Vor diesem Hintergrund muß sich unser Bildungssystem neu definieren. Vor allem muß das "Containermodell"—das Kind als leerer Container, das mit Sprachen, Geschichte, Mathematik und leider nicht sehr viel mehr angefüllt wird—durch ein heuristisches Erziehungsmodell ersetzt werden. Wie die Pragmatik unseres Lebens muß auch die Pragmatik der Bildung prozeßhaften Charakter gewinnen. Sie muß zu Interaktion fähig sein und zur Herausbildung von Kriterien, die die Wahl zwischen zahlreichen Optionen erleichtern. Manche Pädagogen verbrämen die traditionellen Erziehungsmodelle mit neuen Begriffen, wenn sie die vermeintlich neuen Erziehungsideale umschreiben als "Erziehung zum Denken". Studenten denken ohnehin, ob wir sie dazu erziehen oder nicht! Und heute stellen sich die Studenten besser auf die ihnen bewußten Veränderungen und die daraus sich notwendig ergebenden Interaktionsformen ein, auch auf Interaktionen mit Technologie, als ihre Lehrer. Die Mehrzahl der neuen jungen Unternehmen im Internet geht aus diesen studentischen Kreisen hervor und ist auf deren Erfindungsgeist und Hingabe zurückzuführen. Interessanterweise sind die Studierenden trotz der dargestellten Misere des Bildungssystems zu den wesentlichen Betreibern der Veränderungen geworden. Sie sind oftmals ihre eigenen Erzieher und schaffen das Umfeld, in dem sie ihre Erfahrungen weitervermitteln.

Kindheit

Niemand kann ernsthaft über die Verbesserung von Bildungssystemen nachdenken, ohne sich die tatsächliche Situation eines Kindes zu vergegenwärtigen. In unserer heutigen durch Freiheit, Flüchtigkeit und fast grenzenlose Mobilität gekennzeichneten Welt kommen immer mehr Kinder aus Familien mit einem alleinerziehenden Elternteil. Viele Kinder unterliegen Umwelteinflüssen, die durch Diskriminierung, Armut, Vorurteil und Gewalt gekennzeichnet sind. Auch diese Umstände charakterisieren eine Gesellschaft, die sich demokratischen Idealen verschrieben hat. Wir müssen einfach in Rechnung stellen, daß die Erziehung und Ausbildung von Kindern zunehmend von der Familie auf Institutionen übergeht, die eine erzogene oder ausgebildete Person produzieren. Die Gesellschaft hat aus den allerbesten Motiven heraus Fabriken für die Bearbeitung (im Sinne von processing) von Kindern geschaffen. Viele Menschen übertragen ihre eigene persönliche Erziehungsverantwortung nicht ungern auf diese sozio-pädagogischen Einrichtungen, die nach dem Prinzip handeln: "Alles ist in Ordnung, wenn die Kinder wie ihre Eltern erzogen werden."

Obwohl wir wissen, daß die Zyklen unseres Lebens (der Produktion, des Designs, der Evaluierung) immer kürzer werden, halten wir unsere Kinder so lange in den Ausbildungsgängen fest, daß sie nicht mehr auf die Stühle in den Klassenräumen passen. Und diese Erwachsenen, voller Energie und voller Frustration darüber, daß nicht ihre kreative Leistungsfähigkeit, sondern ihre Geduld einer Prüfung unterzogen wird, geben ein armseliges Bild ab. Jemand, der heute die Schule oder die Universität vorzeitig verläßt, beweist nicht unbedingt geistige Unreife. Der Anspruch der Gesellschaft, auch für die nachwachsenden Generationen zu bestimmen, was für deren Zukunft das Beste ist, führt zur Festlegung auf einen einzigen Ausbildungstyp und ein bestimmtes Erziehungsideal. Noch immer weigert sich die Gesellschaft anzuerkennen, daß die Menschen ein vielfältiges Leistungspotential aufweisen, das in ebenso vielfältigen Erziehungsidealen zum Ausdruck kommen müßte. Möglicherweise sind die hohen Abbruchquoten nur ein Anzeichen dafür, daß die Ausbildungswege für viele Leistungsprofile unangemessen sind und die Dauer der Ausbildung insgesamt viel zu lang ist.

Ein Bildungsumfeld, das durch Flexibilität und neue Herausforderungen gekennzeichnet ist, zahlt sich auf lange Sicht vermutlich aus. Dennoch ist die Situation für die heutige junge Generation nicht einfach. Der Leistungsdruck, die starke Konkurrenz, der jugendliche Drang nach Neuem und die Suche nach einem Platz in der Welt können das Leben eines jungen Menschen schlagartig verändern. Auch ist im Gegensatz zu früheren Generationen der Weg zwischen Paradies (einem sorgenfreien Leben mit vielen Wahlmöglichkeiten) und Hölle (dem ganzen Spektrum von Krankheiten, Sucht und Abhängigkeit, Einsamkeit, Enttäuschung, Orientierungslosigkeit) heute zu einer schmalen Gratwanderung geworden. Ebenso können die vielfältigen Möglichkeiten, zwischen denen junge Menschen wählen können—Hunderte von Fernsehkanälen, das Internet, Tausende von Musiktiteln (auf CD, Video oder im Radio), Verlockungen von Sport, Drogen, Sex und Hunderten von modischen Firmenmarken—zu einem Alptraum werden. Die Schriftkultur hatte das Leben ordentlich durchorganisiert. War man verliebt, war Romeo und Julia die richtige Lektüre. Wollte man nach Griechenland fahren, begann man mit den Homerischen Epen und ergänzte sie durch den Roman eines zeitgenössischen Schriftstellers.

Drogen und AIDS, Millionen von Verlockungen, der Zwang, seinen eigenen Raum in einer weniger stabilen und auch ungeduldigeren Welt zu finden, passen indes nicht mehr in das ordentliche Schema einer schriftkulturell strukturierten Welt. Die Sprache der Genetik und die Sprache der Persönlichkeitsentfaltung haben heute bessere und andere Artikulationsmöglichkeiten. Helden, Eltern, Lehrer, Priester und Aktivisten fungieren nicht mehr fraglos als sinngebende Ikonen, selbst wenn sie in den Darstellungen besser wegkommen, als sie in Wirklichkeit sind.

Dennoch besuchen viele junge Menschen voller Enthusiasmus und Hoffnung auf eine gute Ausbildung und Selbsterfüllung die Schulen und Universitäten. Aber was heute mit großem zeitlichen Aufwand und unter großen finanziellen Opfern gelernt wird, hat nur wenig mit dem zu tun, was die spätere Berufswelt von ihnen verlangt. Sie lernen schreiben, lesen und rechnen und müssen erfahren, daß im wirklichen Leben ganz andere Fähigkeiten gefragt sind. Eine schlimmere Erfahrung kann es kaum geben als die, daß jahrelanger Fleiß sich schließlich doch nicht auszahlt. Wir können nicht beides gleichzeitig haben, traditionelle Bildung und die dazugehörige Schriftkultur einerseits und andererseits Berufsqualifikationen, die auf der Grundlage von Schriftkultur und Bildung nicht nur nicht zu erwerben sind, sondern von ihr geradezu verhindert werden. Die gegenwärtige Situation ist mithin durch einen Kompromiß gekennzeichnet: zwischen den Interessen von traditionellen Bildungsinstitutionen (und Abertausenden von Lehrern, die arbeitslos würden) und einem neuen pragmatischen Handlungsrahmen, den nur wenige Vertreter der akademischen Welt wirklich verstehen.

Ein wichtiges Element dieser Kompromißformel besteht darin, daß wir die Ausbildung auf einer möglichst kontinuierlicher Grundlage für alle öffnen. Aber wir werden nur unbefriedigende Ergebnisse erzielen, wenn wir sie nicht auf die Vielfalt von Bildungsformen und Literalitäten ausrichten. Die Vielfalt der heutigen Lebenspraxis macht es erforderlich, daß wir verschiedene Kreativitätstypen anerkennen, die notwendigen Ausbildungsgänge für sie schaffen und zu einem integrierten Bildungsangebot finden. Vor allem aber müssen wir Weiterbildungsmaßnahmen treffen. Gerade sie gehören zum wesentlichen Bestandteil jener gegenseitigen Verpflichtungen, durch die unsere neue Lebenspraxis anerkannt wird.

Denen, die sich den menschlichen Aspekten von Politik, Geschäftsleben, Recht und Medizin verpflichtet fühlen und die darüber klagen, daß die Techniker der politischen Entscheidungsprozesse nicht mehr den Weg zu den Herzen der Menschen finden, mag dies als eine Schreckensvision erscheinen. Wir alle verfolgen ein Ideal von Individualität, das uns durch persönliche Würde, durch eigene Persönlichkeitsmerkmale, Überzeugungen, Emotionen und Schmerzen von anderen unterscheidet. Aber wir selbst unterminieren unsere Erwartungen, indem wir immer mehr für immer weniger Geld verlangen und nicht einmal den Preis zu zahlen bereit sind, den die Gesellschaft aufwenden muß, um uns zu dieser Individualität zu verhelfen. Unsere derzeitige Skala nötigt uns Anonymität, vermutlich auch Mediokrität auf. Es ist Zeit, daß wir uns von den in der Schriftkultur festgeschriebenen Erwartungen lösen, denn diese haben keinen Bezug mehr zu unserer neuen Pragmatik.

Ein Kompromiß zwischen den alten Bildungsformen und den neuen Bedürfnissen sieht oft so aus, daß wir die traditionellen Bildungswege und Bildungsinhalte um neue Teilbereiche aus den vielfältigen partiellen Literalitäten ergänzen. Das macht dann aus unserem Bildungssystem eine Art Verpackungsindustrie für Menschen: Man wählt den Verarbeitungstyp, dem man sich unterwerfen möchte, bekommt ein allgemeines schriftkulturelles Alibi und darüber hinaus eine zusätzliche berufsbezogene Ausbildung für sogenannte Eingangsstufenjobs.

Die Parameter, nach denen sich dieser Wirtschaftszweig zur Verarbeitung nachwachsender Generationen richtet, ergeben sich aus der opportunistischen Suche nach einem Platz irgendwo zwischen der akademischen Welt und der Wirklichkeit. Analog zur allgemeinen Arbeitsteilung auf dem Berufsmarkt haben sich auch im Wissenschaftsbereich sehr enge Bereiche herauskristallisiert, in denen die jeweils wissenschaftliche Expertise erworben werden kann; das schlägt sich in den Strukturen der Ausbildungsstätten nieder, ohne daß allerdings die künstliche Distanz zur Wirklichkeit und der dort erwarteten Effizienz überbrückt wird. Die akademische Welt geht nur selten Verpflichtungen gegenüber ihren Absolventen ein. Entsprechend tief ist die Kluft zwischen ihrer Sprache und den Sprachen der gegenwärtigen Lebenspraxis. Der Beamtenstatus bzw. die lebenslange Anstellung von Hochschullehrern trägt zur Verkrustung dieser Strukturen bei. Und wenn das höchste Ziel eines angesehenen Professors darin liegt, von seiner Lehrverpflichtung befreit zu werden, dann kann irgend etwas nicht mehr stimmen mit der Freiheit, die wir den Professoren zur Ausübung ihrer Tätigkeit einräumen.

Häufig spiegeln auch die Prüfungsstrukturen diese Misere wider. Die in den Vereinigten Staaten weitverbreiteten Testverfahren zur Leistungsüberprüfung von Studierenden gründen auf einer Dichotomie, die den Studenten dazu anleitet, auf bestimmte Fragen zu reagieren, statt ihn in seiner kreativen Leistungsfähigkeit zu fördern. Also werden—auch in den Erwartungen der Studierenden—Lehre und Lernen auf das Abschlußexamen abgestellt, nicht auf den Gegenstand. Kein Wunder, daß die wirklich guten Studenten frustriert sind und das Gefühl haben, sich nicht entfalten zu können. Die kreative Neugier, die mit 14 Jahren noch gut ausgebildet war, wird durch die bürokratischen Tests eher abgestumpft, die im übrigen meist nur wegen ihrer niedrigen Kosten durchgeführt werden. Dennoch wirken sie sich nachhaltig auf die Strukturen der Lehre und des Lernens aus. Die eigentlichen Schlüsselaktivitäten—sich auf neue Situationen einstellen zu können und sie kreativ vorherzusehen—werden indes durch solche Strukturen konterkariert.

Die geringste Lehrqualität findet sich heute im Grundstudium der Universität, welches weitgehend von Assistenten und Lehrpersonen vergleichbaren Status durchgeführt wird, während die Professoren ihre Zeit darauf verwenden, Drittmittel für ihre Forschung anzuwerben. Auch diese Tatsache ist darauf zurückzuführen, daß wir bislang weder willens noch in der Lage waren, unsere Bildungsstrukturen an die neuen Lebensumstände anzupassen, die einen von uns selbst verursachten Bedarf an erhöhter Effizienz beinhalten. Im übrigen trägt auch die alleinige Orientierung an den Abschlußzensuren als Leistungsindikator zur Beibehaltung der Unterrichtsstrukturen bei. Denn damit wird gerade das, was die Qualität der Ausbildung negativ beeinflußt, zum einzigen Maßstab gemacht. Es ist daher wohl kein Zufall, daß das in den Vereinigten Staaten am meisten nachgefragte Buch über die Universitäten—die heutigen Erziehungsfabriken—eine Anleitung zum erfolgreichen Täuschen in Prüfungen ist.

In den vergangenen Jahren hat man verschiedentlich die Bildungssysteme der Vereinigten Staaten und Japans oder westeuropäischer Länder und die jeweiligen Absolventenleistungen miteinander verglichen. Dabei traten einige bemerkenswerte Erkenntnisse zutage. So verbringen die japanischen Studierenden etwa genausoviel Zeit vor dem Fernsehapparat wie die amerikanischen Studenten, hingegen wird unterschiedlich viel Zeit für die Lektüre aufgebracht. Japaner lesen doppelt soviel wie amerikanische Studenten, Japaner verwenden auch etwa die doppelte Zeit für ihre Vor- und Nachbereitung zu Hause, entsprechend weniger Zeit steht für Unterhaltung zur Verfügung. Ist also Japan ein Modell für unser Bildungssystem? Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß japanische Studierende bei allen naturwissenschaftlichen Tests hervorragend abschneiden, müßte die Antwort positiv ausfallen. Wenn wir aber die allgemeine Leistungsfähigkeit, das kreative Potential, vergleichen, ist die Lage schon etwas zurückhaltender zu beurteilen und erklärt teilweise die Japankrise. Bei allen Nachteilen zeigt sich nämlich, daß die Studierenden in den Vereinigten Staaten auf die pragmatischen Erfordernisse der Berufswelt besser vorbereitet werden. Das mag an der Dynamik des Landes, nicht unbedingt am Bildungssystem liegen. Insgesamt gilt doch wohl, daß die relative Freiheit von Regulierungen, die Fähigkeit, sich an veränderte Situationen anzupassen, und die Innovationsbereitschaft die Vereinigten Staaten flexibler machen für die Bildungsmöglichkeiten, die sich uns heute bieten.

Der Preis, den die Vereinigten Staaten für den Bildungskompromiß zu zahlen haben, ist allerdings sehr hoch. Als japanische Unternehmen damit begannen, die ersten amerikanischen Universitäten aufzukaufen und damit vor dem Bankrott zu retten, wurde die Höhe dieses Preises allen deutlich. Die amerikanischen Universitäten konnten auf diese Weise der Rigidität ihres eigenen Bildungssystems entgehen, welches anerkanntermaßen am wenigsten geeignet war, sich auf diese veränderte Dynamik einzustellen. Urplötzlich wurde die weltweite Amerikanisierung durch eine Japanisierung ersetzt. Doch bei genauerem Hinsehen erweist sich wohl auch hier, daß Japan versucht, sich von den drastischen Anforderungen einer Schriftkultur zu befreien, die innerhalb des traditionellen japanischen Wertesystems die notwendige Anpassung an die neue Zeit nachhaltig behindert. Natürlich ist mangels ausreichender Kenntnisse des japanischen Bildungssystems bei solchen Beurteilungen Vorsicht geboten, dennoch zeichnet sich ein entsprechender Trend ab. Die Folgen dieses Trends sind selbstredend.

Welche Alternativen?

Bevor wir uns mit Alternativen beschäftigen, sollten wir uns vergegenwärtigen, daß wir mit den gegebenen technischen Möglichkeiten jede Information und jeden Informationstyp an jede denkbare Adresse vermitteln können. Im Gegensatz zur global agierenden Wirtschaft und der Vernetzung von Geschäften und Märkten führen unsere Schulen und Universitäten inhaltlich und organisatorisch ein Leben jenseits der Wirklichkeit; sie sind fast so anachronistisch wie die Schlösser und Paläste, die wir heute mit der Macht und den Aufgaben des Adels assoziieren, bzw. so anachronistisch, wie heute die riesigen Stahlfabriken als Sinnbild für Industrie oder die Städte als Sinnbild für gesellschaftliches Leben. Für die Aufrechterhaltung ausgedienter Strukturen und Haltungen und für Investitionen in feudale Universitätsstrukturen gibt es keine Rechtfertigung mehr. Statt dessen müssen wir unser Augenmerk auf die Dynamik individueller Selbstkonstituierung und auf den pragmatischen Horizont unserer aller Zukunft legen.

Das alte Bildungssystem in den Vereinigten Staaten oder irgendwo anders auf der Welt zu reformieren und auszubauen würde mehr kosten, als ein neues aufzubauen. In einem solchen neuen Bildungssystem müßte ein angemessenes Klima und müßten angemessene Strukturen für Interaktionen geschaffen werden, die die Fortschritte in den Kommunikationstechnologien und im interaktiven Lernen in vollem Umfang nutzen. Dafür müssen wir gar nicht das Internet oder das World Wide Web idealisieren. Aber wenn unsere Zukunft zunehmend durch kommerzielle Erwartungen und weniger durch pädagogische Bedürfnisse bestimmt wird, dann sollte sich niemand überrascht zeigen, wenn das erzieherische Potential der pädagogischen Bedürfnisse erst spät Früchte trägt.

Menschen bringen unterschiedliche Begabungen mit und entwickeln sich daher mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und in verschiedene Richtungen. Die Unterschiede zwischen jedem Einzelnen von uns sind so groß, daß die Hauptaufgabe der Erziehung nicht darin bestehen kann, aufgrund eines falschen Demokratieverständnisses Unterschiede einzuebnen, sondern sie vielmehr zu betonen und zu verstärken. Nur dies gibt einem Jedem die Chance, sich gemäß seiner eigenen Möglichkeiten zu entwickeln. Die Inhalte unserer Erziehung und Bildung, welche wir als einen immerwährenden Prozeß auffassen sollten, müssen die menschliche Erfahrung und die Mittel sein, diese Erfahrung zu schaffen und zu verstehen. An die Stelle der einen beherrschenden Sprache mit den ihr eingebauten Erwartungen, welche der Mehrheit der Studenten zunehmend als weltfremd erscheinen, muß die Fähigkeit treten, mit vielen unterschiedlichen Zeichensystemen, mit vielen Sprachen umzugehen, sich in ihnen auszudrücken, sie an die jeweiligen Umstände anzupassen und darauf anzuwenden und diese Erfahrung mit anderen zu teilen. Nun könnte man dem entgegenhalten, daß man das vor nicht allzu langer Zeit mit der modernen Mathematik versucht hat, mit dem Ergebnis, daß niemand die moderne Mathematik verstanden hat und gleichzeitig die Kenntnisse in der traditionellen Mathematik zurückgegangen sind. Darin liegt gewiß etwas Wahres. Richtig aber ist, daß die mathematisch begabten Schüler keine Probleme mit der neuen Mathematik hatten. Nur diejenigen, die unter dem Einfluß schriftkulturellen Denkens standen, hatten mit Problemen zu kämpfen. Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu können, ist doch das Grundbedürfnis klar: Wir müssen den Geist offen halten, soviel Wissen wie möglich akkumulieren, aber uns auch von nutzlosem Ballast trennen können, sofern neue Erfahrungen eine Öffnung für neue Inhalte und eine Loslösung von Althergebrachtem verlangen. Einige Studenten werden sich (in der Mathematik und in verwandten Fächern) vornehmlich auf visuelle Zeichensysteme konzentrieren, andere auf Laute und Klänge, wieder andere auf Wörter, auf Rhythmen oder auf irgendeine der Formen, in denen sich menschliche Intelligenz ausdrückt. Die interaktiven Multimedien sind nur einige der verfügbaren Medien. Andere Möglichkeiten zeichnen sich ab. Das Gleiche gilt für das Internet. Wir brauchen einen allgemeinen Rahmen, in dem sich jeder Einzelne nach seinen individuellen Bedürfnissen die Lernangebote auswählt und sie in dem Maße verfolgt, wie seine eigene Lebens- und Berufspraxis dies erfordert und anerkennt. Dafür reicht Schriftkultur und schriftkulturelle Bildung längst nicht mehr aus. Hinzutreten müssen mathematische Bildung, biologische, chemische, technische Literalität, ebenso wie das visuelle Denken und der visuelle Ausdruck. Entscheidend wird auch die Verknüpfung zwischen solchen Fächern werden, die traditionellerweise ein isoliertes Dasein führten. In dieser interdisziplinären Verknüpfung liegt ein enormes Kreativitätspotential.

Die atomistische Betreibung isolierter Unterrichtsgegenstände muß einer ganzheitlichen Perspektive weichen, die die einzelnen Fächer zur Totalität der Wirklichkeit und damit zueinander in Beziehung bringt. Effektive Instrumente der Vermittlung zwischen diesen einzelnen Bereichen wird die Effizienz der Arbeit erhöhen, die notwendige Integration bewerkstelligen und zwischen den arbeitsteiligen Wissensformen unserer praktischen Erfahrungen vermitteln. Im Zentrum unserer Bildungserfahrungen muß die Zusammenarbeit stehen, die sich an gemeinsamen Interessens- und Erfahrungsbereichen zu bewähren hat. Erziehung und Bildung müssen darauf abzielen, solche Erfahrungen auszutauschen und zu teilen. Gemeinsames kollaboratives Lernen kann die Vielfalt unterschiedlicher Interessen zu einem Brennpunkt vereinen. Dieser Ansatz weist viele Dimensionen auf: das gemeinsam gesuchte Wissen, die Erfahrung von der Vielfalt der Perspektiven und Anwendungen, das Bewußtsein von Interaktion, die Fähigkeiten zur Interkommunikation und vieles mehr. Die nach wie vor entscheidende Motivation für individuelle Leistung und individuellen Lohn wird ergänzt durch die kollaborative Erfahrung des gemeinsamen effizienten Strebens nach Leistung und Erkenntnis. In einer Zeit, in der die Begrenztheit der Ressourcen offenkundig wird und die Erwartungen dennoch exponentiell ansteigen, sind solche Erziehungsformen lebenswichtig. Dieses neue Bildungsmodell, das Individualität und Differenz in die kollaborative Erfahrung einbindet, würde im übrigen einen neuen ethischen Rahmen schaffen, den wir heute dringend benötigen. Darin wäre Konkurrenz keineswegs ausgeschlossen, aber an die Stelle des Konfliktes—der sich heute darin äußert, daß Studenten Seiten aus den Lehrbüchern herausreißen, damit ihre Kommilitonen benachteiligt sind—könnte ein allgemeines Klima der Kooperation zum gegenseitigen Vorteil treten. Wie weit sind wir von diesem Ziel entfernt?

Jacques Barzun, ganz gewiß ein Verfechter schriftkultureller Bildung, hat unserem Ausbildungssystem vorgehalten, daß es "natürliche Intelligenz nicht ausreichend" entwickele: "Wir wollten den idealen Bürger, den toleranten Nachbarn, das Engagement für den weltweiten Frieden, heile Familien mit glücklichen Familienmitgliedern schaffen, die im Sexual- und im Autoverkehr gleichermaßen erfahren sind." Daran ist natürlich überhaupt nichts auszusetzen, aber als Erziehungsziele gehen sie doch am Wesentlichen vorbei. Bürgerlichkeit bedeutet in der heutigen Gesellschaft etwas anderes als früher. Toleranz muß sich heute auf eine andere Weise als früher zeigen, z. B. in der Anerkennung und Integration von Alterität und Komplementarität. Ja, und auch Frieden bedeutet heute angesichts der vielen lokalen Konfliktherde überall auf der Welt etwas anderes. Und was Familie, Sexualität und Autokultur betrifft, so dürfte hier unsere Erziehung am deutlichsten versagt haben. Die Faktoren, die das zeitgenössische Familienleben ausmachen, finden in unseren Bildungsangeboten kaum Beachtung. Mit der Sexualität steht es nicht besser. Auf die Degradierung der Sexualbeziehungen hat unser Bildungssystem keine bessere Antwort zu bieten als die kostenlose Verteilung von Kondomen an den Schulen, was dann großartig Sexualerziehung genannt wird. Und die versierten Autofahrer haben offenbar niemals die kritischen Stimmen gehört, die sich über die Energieverschwendung Gedanken machen. Mit Wohlwollen betrachten wir, wie viele Schüler und Studenten mit eigenen Autos oder den Autos ihrer Eltern zur Schule oder zur Universität fahren, statt zu begreifen, daß auch die Ausbildung dezentralisiert werden und—warum denn nicht—die heutigen Möglichkeiten der Kommunikation und Interaktion besser genutzt werden müßten. Die jugendlichen Anhänger der Grünen, die sich heute gegen den Energieverbrauch stark machen, sind vermutlich dem Erziehungssystem weit voraus, müssen es aber dennoch durchlaufen. Und schließlich müßte unsere Erziehung auch die anderen Veränderungen zur Kenntnis nehmen, die mit dem Ende der Schriftkultur einhergehen, die Veränderungen im Status der Familie, der Religion, der Rechtsprechung und des Regierungssystems.

Erziehung und Bildung werden unverändert auf den bürgerlichen Status des Individuums bezogen bleiben, aber die neuen Bedingungen für die Tätigkeit unseres Verstandes dürfen dabei nicht außer acht gelassen werden. Im Idealfall tragen Bildung und Erziehung allen Facetten des menschlichen Daseins Rechnung. Die neuen Bedingungen der allgemeinen Verknüpfung verändern das Paradigma der Weiterbildung zu einem Paradigma der niemals endenden, fortlaufenden Bildung, die den anhaltenden Veränderungen in unserer Erfahrung unter immer komplexeren Umständen entspricht. Es könnte durchaus sein, daß wir für einige dieser Erfahrungen auf die Werte zurückgreifen müssen, die die Schriftkultur gekennzeichnet haben. Aber es ist allemal besser, sie neu zu entdecken, als das Ideal der Schriftkultur fraglos zu verteidigen, wenn sich neue Perspektiven und neue Erfahrungen abzeichnen, die viel, sehr viel mehr als nur Schriftkultur, Schriftlichkeit und Bildung verlangen.

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Robert Zoller. The Arabic Parts in Astrology. The Lost Key to Prediction. Rochester VT: Inner Traditions International (distributed by Harper & Row), 1989.

Personenregister

Aristoteles Buch II, Kapitel 5
Barnard, F. R. Buch IV, Kapitel 1
Barthes, R. Buch II, Kapitel 4; Buch IV, Kapitel 6
Barzun, J. Buch III, Kapitel 3
Baudrillard, J. EINLEITUNG
Bayer, H. Buch III, Kapitel 1
Beethoven, L. van Buch V, Kapitel 1
Bell, A. G. Buch I, Kapitel 2; Buch IV, Kapitel 5; NACHWORT
Benn, G. Buch I, Kapitel 2
Berlin, I. Buch IV, Kapitel 5
Bloom, A. Buch I, Kapitel 1
Brown, J. C. Buch I, Kapitel 2
Burgess, A. Buch II, Kapitel 4
Carpenter, E. Buch I, Kapitel 1
Childe, G. V. Buch II, Kapitel 4
Chomsky, N. Buch II, Kapitel 3; Buch III, Kapitel 2; Buch V, Kapitel
1
Chruschtschow, N. Buch IV, Kapitel 5
Clausewitz, Carl von Buch IV, Kapitel 6
Conway, J. H. Buch V, Kapitel 2
Cooper, P. Buch I, Kapitel 2
Darius Buch IV, Kapitel 6
Dawkins, R. Buch II, Kapitel 5
Descartes, R. Buch IV, Kapitel 3
Dewey, J. Buch I, Kapitel 2
Dijkstra, E. Buch III, Kapitel 2
Durkheim, E. Buch IV, Kapitel 3
Edison, T. A. Buch I, Kapitel 2; Buch IV, Kapitel 5
Einstein, A. Buch IV, Kapitel 3; Buch V, Kapitel 2
Emerson, R. W. Buch I, Kapitel 2
Engels, F. Buch IV, Kapitel 5
Enzensberger, H. M. EINLEITUNG; Buch I, Kapitel 1
Epaminondas von Theben Buch IV, Kapitel 6
Fabergé, P. C. Buch IV, Kapitel 4
Faulkner, W. Buch I, Kapitel 2
Feyerabend, P. K. Buch IV, Kapitel 3
Galileo Galilei Buch IV, Kapitel 3
George III. (König v. England) Buch I, Kapitel 2
George, H. Buch III, Kapitel 2
Gestetner, S. Buch IV, Kapitel 4
Grotius, H. Buch I, Kapitel 1
Gutenberg, J. Buch II, Kapitel 4
Guttman, A. Buch IV, Kapitel 2
Hasan, B. Buch IV, Kapitel 2
Hauben, M. Buch V, Kapitel 1
Hausdorf, F. Buch III, Kapitel 1
Hawthorne, N. Buch I, Kapitel 2
Hegel, G. W. F. Buch IV, Kapitel 3
Heidegger, M. Buch II, Kapitel 4
Hemingway, E. Buch I, Kapitel 2
Heuss, T. Buch IV, Kapitel 6
Hildegard von Bingen Buch II, Kapitel 4
Homer Buch V, Kapitel 2
Huxley, A. Buch IV, Kapitel 5
Illich, I. EINLEITUNG
Irving, W. Buch I, Kapitel 2
James, H. Buch I, Kapitel 2
Jefferson, T. Buch I, Kapitel 2
Jewtuschenkos, J. A. Buch IV, Kapitel 5
Kant, I. Buch IV, Kapitel 3
Kerkhove, D. de Buch II, Kapitel 4
Kluge, J. NACHWORT
Korzybski, A. Buch II, Kapitel 3
Krause, K. NACHWORT
Lakatos, I. Buch IV, Kapitel 3
Lakoff, G. EINLEITUNG
Lanier, J. Buch IV, Kapitel 1
Le Corbusier Buch IV, Kapitel 4
Leibniz, G. W. EINLEITUNG; Buch II, Kapitel 5; Buch IV, Kapitel 1;
Buch IV, Kapitel 3
Lenin, V. I. Buch IV, Kapitel 5
Leo der Weise Buch IV, Kapitel 6
Leonardo da Vinci Buch IV, Kapitel 1
Leonidas Buch IV, Kapitel 6
Lindendorf, E. Buch IV, Kapitel 6
Llul, R. Buch II, Kapitel 4
Locke, J. Buch II, Kapitel 5
Longfellow, H. W. Buch I, Kapitel 2
Lotman, J. M. EINLEITUNG
Lukrez Buch IV, Kapitel 3
Malthus, T. R. Buch I, Kapitel 1; Buch III, Kapitel 2
Marx, K. Buch IV, Kapitel 3; Buch IV, Kapitel 5
Maturana, H. R. EINLEITUNG; Buch V, Kapitel 1
Maurice (byzant. Herrscher) Buch IV, Kapitel 6
McLuhan, M. EINLEITUNG; Buch II, Kapitel 4
Moltke, H. von Buch IV, Kapitel 6
Neumann, J. von Buch IV, Kapitel 6
Newton, I. Buch IV, Kapitel 3
Octavian Buch IV, Kapitel 6
Orwell, G. Buch V, Kapitel 2
Otto, N. O. Buch IV, Kapitel 5
Peirce, C. S. EINLEITUNG; Buch I, Kapitel 2; Buch II, Kapitel 5;
Buch IV, Kapitel 3
Platon Buch II, Kapitel 2; Buch II, Kapitel 4; Buch IV, Kapitel 3
Postman, N. Buch I, Kapitel 2
Proust, M. Buch V, Kapitel 2
Pythagoras Buch III, Kapitel 3
Ramses II Buch IV, Kapitel 6
Reich, R. B. Buch III, Kapitel 1
Remington, F. Buch IV, Kapitel 4
Remond, N. de Buch IV, Kapitel 1
Rogers, W. Buch I, Kapitel 1
Royce, J. Buch I, Kapitel 2
Sanders, B. EINLEITUNG; Buch II, Kapitel 5
Schwartzkopf, N. Buch IV, Kapitel 6
Searle, J. Buch I, Kapitel 1
Shakespeare, W. Buch IV, Kapitel 4; Buch V, Kapitel 2
Smith, J. Buch I, Kapitel 2
Snow, C. P. EINLEITUNG
Sokrates Buch I, Kapitel 2; Buch II, Kapitel 4; Buch IV, Kapitel 3
Spencer, H. Buch IV, Kapitel 3
Steiner, G. EINLEITUNG; Buch I, Kapitel 1; Buch V, Kapitel 2
Sterne, L. Buch IV, Kapitel 3
Tesla, N. Buch IV, Kapitel 5
Tiffany, L. C. Buch IV, Kapitel 4
Toqueville, A. de Buch I, Kapitel 2
Toulouse-Lautrec, H. Buch III, Kapitel 1
Turing, A. M. Buch IV, Kapitel 6
Twain, M. Buch I, Kapitel 1
Tzu, S. Buch IV, Kapitel 6
Van Gogh, V. Buch V, Kapitel 2
Vitruvius Buch IV, Kapitel 4; Buch V, Kapitel 2
Wiener, N. Buch I, Kapitel 1
Winograd, T. EINLEITUNG
Wittgenstein, L. Buch II, Kapitel 3; Buch II, Kapitel 5; Buch IV,
Kapitel 3
Zadeh, L. EINLEITUNG

Über den Autor

MIHAI NADIN, geboren 1938 in Brasov (Kronstadt), doppelt promoviert—in Ästhetik und Computerwissenschaften—und zweifach habilitiert—für Ästhetik in Bukarest, für Philosophie, Logik und Wissenschaftstheorie an der Universität München mit einer Arbeit über die Grundlagen der Semiotik—, lehrte seit 1977 u. a. in Braunschweig, München, Essen, Providence (RI), Rochester (NY), Columbus (OH) und New York. Seit 1994 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Computational Design an der Universität-Gesamthochschule Wuppertal. Seine 18 Buchveröffentlichungen und mehr als 140 Aufsätze, CD-ROM- und Internet-Publikationen weisen ihn als einen der weltweit führenden Autoren aus, die die gegenwärtige wissenschaftlich-technologische Revolution und die damit eröffneten Möglichkeiten von Kommunikation und Wissensproduktion sowohl theoretisch reflektieren als auch in der Praxis vorantreiben.

End of Jenseits der Schriftkultur
(C)1999 by Mihai Nadin

End of Project Gutenberg's Jenseits der Schriftkultur - Band 3, by Mihai Nadin