The Project Gutenberg eBook of Jenseits der Schriftkultur — Band 5

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Title: Jenseits der Schriftkultur — Band 5

Author: Mihai Nadin

Release date: August 1, 2003 [eBook #4375]
Most recently updated: August 22, 2012

Language: German

Credits: Produced by Michael Pullen

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK JENSEITS DER SCHRIFTKULTUR — BAND 5 ***

Produced by Michael Pullen

Jenseits der Schriftkultur
(C)1999 by Mihai Nadin

Das Zeitalter des Augenblicks

Aus dem Englischen von Norbert Greiner

Inhalt

VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE
EINLEITUNG: SCHRIFTKULTUR IN EINER SICH WANDELNDEN WELT
Alternativen

Jenseits der Schriftkultur

BUCH I.

KAPITEL 1: DIE KLUFT ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN

Kontrastfiguren
Taste wählen—drücken
Das Leben ist schneller geworden
Aufgeladene Schriftkultur
Der Mensch entwirft, der Mensch verwirft.
Jenseits der Schriftkultur
Ein bewegliches Ziel
Der weise Fuchs
"Und zwischen uns der Abgrund"
Wiedersehen mit Malthus
In den Fesseln der Schriftkultur

KAPITEL 2: DIE USA—SINNBILD FÜR DIE KULTUR DER SCHRIFTLOSIGKEIT

Dem Handel zuliebe
"Das Beste von dem, was nützlich ist und schön"
Das Rückspiegelsyndrom

BUCH II.

KAPITEL 1: VON DEN ZEICHEN ZUR SPRACHE

Wiedersehen mit semeion
Erste Zeichenspuren
Skala und Schwelle
Zeichen und Werkzeuge

KAPITEL 2: VON DER MÜNDLICHKEIT ZUR SCHRIFTLICHKEIT

Individuelles und kollektives Gedächtnis
Kulturelles Gedächtnis
Existenzrahmen
Entfremdung von der Unmittelbarkeit

KAPITEL 3: MÜNDLICHKEIT UND SCHRIFT IN UNSERER ZEIT: WAS VERSTEHEN WIR, WENN WIR SPRACHE VERSTEHEN?

Bestätigung als Feedback
Mündlichkeit und die Anfänge der Schrift
Annahmen
Wie wichtig ist Literalität?
Was ist Verstehen?
Worte über Bilder

KAPITEL 4: DIE FUNKTIONSWEISE DER SPRACHE

Ausdruck, Kommunikation, Bedeutung
Die Gedankenmaschine
Schrift und der Ausdruck von Gedanken
Zukunft und Vergangenheit
Wissen und Verstehen
Eindeutig, zweideutig, mehrdeutig
Die Visualisierung von Gedanken
Buchstabenkulturen und Aphasie

KAPITEL 5: SPRACHE UND LOGIK

Logiken hinter der Logik
Die Pluralität intellektueller Strukturen
Die Logik von Handlungen
Sampling
Memetischer Optimismus

BUCH III.

KAPITEL 1: SCHRIFTKULTUR, SPRACHE UND MARKT

Vorbemerkungen
Products "R" Us
Die Sprache des Marktes
Die Sprache der Produkte
Handel und Schriftkultur
Wessen Markt? Wessen Freiheit?
Neue Märkte, Neue Sprachen
Alphabetismus und das Transiente
Markt, Werbung, Schriftlichkeit

KAPITEL 2: SPRACHE UND ARBEITSWELT

Innerhalb und außerhalb der Welt
Wir sind, was wir tun
Maschine und Schriftkultur
Der Wegwerfmensch
Die Skala der Arbeit und die Skala der Sprache
Angeborene Heuristik
Alternativen
Vermittlung der Vermittlung

KAPITEL 3: SCHRIFTKULTUR, BILDUNG UND AUSBILDUNG

Das Höchste und das Beste
Das Ideal und das Leben
Relevanz
Tempel des Wissens
Kohärenz und Verbindung
Viele Fragen
Eine Kompromißformel
Kindheit
Welche Alternativen?

BUCH IV.

KAPITEL 1: SPRACHE UND BILD

Wie viele Worte in einem Blick?
Das mechanische und das elektronische Auge
Wer hat Angst vor der Lokomotive?
Hier und dort gleichzeitig
Visualisierung

KAPITEL 2: DER PROFESSIONELLE SIEGER

Sport und Selbstkonstituierung
Sprache und körperliche Leistung
Der illiterate Athlet
Ideeller und profaner Gewinn

KAPITEL 3: WISSENSCHAFT UND PHILOSOPHIE - MEHR FRAGEN ALS ANTWORTEN

Rationalität, Vernunft und die Skala der Dinge
Die verlorene Balance
Gedanken über das Denken
Quo vadis, Wissenschaft?
Raum und Zeit: befreite Geiseln
Kohärenz und Diversität
Computationale Wissenschaft
Wie wir uns selbst wegerklären
Die Effizienz der Wissenschaft
Die Erforschung des Virtuellen
Die Sprache der Weisheit
In wissenschaftlichem Gewand
Wer braucht Philosophie und wozu?

KAPITEL 4: EIN GESPÜR FÜR DESIGN

Die Zukunft zeichnen
Die Emanzipation
Konvergenz und Divergenz
Der neue Designer
Virtuelles Design

KAPITEL 5: POLITIK: SO VIEL ANFANG WAR NOCH NIE

Die Permissivität der kommerziellen Demokratie
Wie ist es dazu gekommen?
Politische Sprachen
Kann Schriftlichkeit zum Scheitern der Politik führen?
Die Krabben haben pfeifen gelernt
Von Stammeshäuptlingen, Königen und Präsidenten
Rhetorik und Politik
Die Justiz beurteilen
Das programmierte Parlament
Eine Schlacht, die wir gewinnen müssen

KAPITEL 6: GEHORSAM IST ALLES

Der erste Krieg jenseits der Schriftkultur
Krieg als praktische Erfahrung
Das Militär als Institution
Vom schriftgebundenen zum schriftlosen Krieg
Der Nintendo-Krieg
Blicke, die töten können

BUCH V.

KAPITEL 1: DIE INTERAKTIVE ZUKUNFT: DER EINZELNE, DIE GEMEINSCHAFT UND DIE GESELLSCHAFT IM ZEIT-ALTER DES INTERNETS

Das Überwinden der Schriftkultur
Das Sein in der Sprache
Die Mauer hinter der Mauer
Die Botschaft ist das Medium
Von der Demokratie zur Medio-kratie
Selbstorganisation
Die Lösung ist das Problem. Oder ist das Problem die Lösung?
Der Umgang mit den Wahlmöglichkeiten
Der richtige Umgang mit den Wahlmöglichkeiten
Abwägungen
Aus Schnittstellen lernen

KAPITEL 2: EINE VORSTELLUNG VON DER ZUKUNFT

Kognitive Energie
Falsche Vermutungen
Netzwerke kognitiver Energie
Unebenheiten und Schlaglöcher
Die Universität des Zweifels
Interaktives Lernen
Die Begleichung der Rechnung
Ein Weckruf
Konsum und Interaktion
Unerwartete Gelegenheiten

NACHWORT: UMBRUCH VERLANGT UMDENKEN
LITERATURHINWEISE
PERSONENREGISTER
ÜBER DEN AUTOR

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Unsere Welt ist in Unordnung geraten. Die Arbeitslosigkeit ist eine große Belastung für alle. Sozialleistungen werden weiter drastisch gekürzt. Das Universitätssystem befindet sich im Umbruch. Politik, Wirtschaft und Arbeitswelt durchlaufen Veränderungen, die sich nicht nach dem gewohnten ordentlichen Muster des sogenannten Fortschritts richten. Gleichwohl verfolgen Politiker aller Couleur politische Programme, die mit den eigentlichen Problemen und Herausforderungen in Deutschland (und in Europa) nicht das Geringste zu tun haben. Das vorliegende Buch möchte sich diesen Herausforderungen widmen, aus einer Perspektive, die die Zwangsläufigkeit dieser Entwicklung betont.

Wenn man eine Hypothese vorstellt, benötigt man ein geeignetes Prüffeld. In meinen Augen ist Deutschland am besten dafür geeignet. In keinem anderen Land der Welt läßt sich die Dramatik des Umbruchs so unmittelbar verfolgen wie hier. In Deutschland treffen die Kräfte und Werte, die zu den großen historischen Errungenschaften und den katastrophalen historischen Fehlleistungen dieses Landes geführt haben, mit den neuen Kräften und Werten, die das Gesicht der Welt verändern, gewissermaßen in Reinform zusammen.

An Ordnung, Disziplin und Fortschritt gewöhnt, beklagen die Bürger heute eine allgegenwärtige lähmende Bürokratie, die von Regierung und Verwaltung ausgeht. Früher galt das, verbunden mit dem Namen Bismarcks, als gute deutsche Tugend, eine der vielen Qualitätsmaschinen Made in Germany. Im Verlauf der Zeit aber wurde der Bürger abhängig von ihr und konnte sich nicht vorstellen, jemals ohne sie auszukommen. Die Mehrheit schreckt vor Alternativen zurück und möchte nicht einmal über sie nachdenken. Geprägt von Technik und Qualitätsarbeit ist die Vorstellung, daß das Industriezeitalter seinem Ende entgegengeht, den meisten eine Schreckensvision. Sie würden eher ihre Schrebergärten hergeben als die digitale Autobahn zu akzeptieren, die doch die Staus auf ihren richtigen Autobahnen zu den Hauptverkehrszeiten abbauen könnte—ich betone das könnte. Noch immer lebt es sich gut durch den Export eines technischen und wissenschaftlichen Know-how, dessen Glanzzeit allerdings vorüber ist.

Als ein hochzivilisiertes Land ist Deutschland fest entschlossen, den barbarischen Teil seiner Vergangenheit hinter sich zu lassen. Der Klarheit halber sei gesagt, was ich unter barbarisch verstehe: Hitler-Deutschland verdient keinen anderen Namen, ebensowenig wie alle anderen Äußerungen von Aggression, Antisemitismus und Rassismus, die noch immer nicht der Vergangenheit angehören. Aber bis heute hat man nicht verstanden, daß eben jene pragmatische Struktur, die die industrielle Kraft Deutschlands begründete, auch die destruktiven Kräfte begünstigte. (Man denke nur an die Technologieexporte, die die wahnsinnigen Führer ölreicher Länder erst jüngst in die Hände bekommen haben.) Das wiedervereinigte Deutschland ist bereit, in einer Welt mit globalen Aufgaben und globalen Problemen Verantwortung zu übernehmen. Es setzt sich unter anderem für den Schutz des tropischen Regenwaldes ein und zahlt für Werte—den Schutz der Umwelt—statt für Produkte. Aber die politischen Führer Deutschlands und mit ihnen große Teile der Bevölkerung haben noch nicht begriffen, daß der Osten des Landes nicht unbedingt ein Duplikat des Westens werden muß, damit beide Teile zusammenpassen. Differenz, d. h. Andersartigkeit, ist eine Qualität, die sich in Deutschland keiner großen Wertschätzung erfreut. Verlorene Chancen sind der Preis, den Deutschland für diese preußische Tugend der Gleichmacherei bezahlen muß.

Die englische Originalfassung dieses Buches wurde 1997 auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt und in der Folge von der Kritik wohlwollend aufgenommen. Dank der großzügigen Unterstützung durch die Mittelsten-Scheid Stiftung Wuppertal und die Alfred und Cläre Pott Stiftung Essen, für die ich an dieser Stelle noch einmal Dank sage, konnte dann Anfang 1998 die Realisierung des von Beginn an bestehenden Plans einer deutschsprachigen Ausgabe konkret ins Auge gefaßt werden. Und nachdem Prof. Dr. Norbert Greiner, bei dem ich mich hier ebenfalls herzlich bedanken möchte, für die Übersetzung gewonnen war, konnte zügig an die Erarbeitung einer gegenüber der englischen Ausgabe deutlich komprimierten und stärker auf den deutschsprachigen Diskussionskontext zugeschnittenen deutschen Ausgabe gegangen werden. Einige Kapitel der Originalausgabe sind in der deutschsprachigen Edition entfallen, andere wurden stark überarbeitet. Entfallen sind vor allem solche Kapitel, die sich in ihren inhaltlichen Bezügen einem deutschen Leser nicht unmittelbar erschließen würden. Ein Nachwort, das sich ausschließlich an die deutschen Leser wendet, wurde ergänzt.

Die deutsche Fassung ist also eigentlich ein anderes Buch. Wer das Thema erweitern und vertiefen möchte, ist selbstverständich eingeladen, auf die englische Version zurückzugreifen, in die 15 Jahre intensiver Forschung, Beobachtung und Erfahrung mit der neuen Technologie und der amerikanischen Kultur eingegangen sind. Ein Vorzug der kompakten deutschen Version liegt darin, daß die jüngsten Entwicklungen—die so schnell vergessen sein werden wie alle anderen Tagesthemen—Fortsetzungen meiner Argumente darstellen und sie gewissermaßen kommentieren. Sie haben wenig miteinander zu tun und sind dennoch in den folgenden Kapiteln antizipiert: Guildos Auftritt beim Grand Prix dEurovision (liebt er uns eigentlich immer noch, und warum ist das so wichtig?), die enttäuschende Leistung der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft (standen sich im Endspiel Brasilien und Frankreich oder Nike und Adidas gegenüber?), die Asienkrise, das Ergebnis der Bundestagswahlen, der Euro, neue Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie, die jüngsten Arbeitslosenzahlen, die Ökosteuer und vieles mehr. Wer sich der Mühe einer gründlichen Lektüre des vorliegenden Buches unterzieht, wird sich auf diese Entwicklungen einen eigenen Reim machen können, sehr viel besser als die Mediengurus, die uns das Denken abnehmen wollen. Zumindest wird er über die wortreichen Artikel halbgebildeter Akademiker und opportunistischer Journalisten schmunzeln, die allzeit bereit sind, anderen zu erklären, was sie selbst nicht verstehen.

Wie in der englischen Version möchte ich auch meine deutschen Leser einladen, mit mir in Kontakt zu treten und mir ihre kritischen Kommentare oder Fragen per e-mail zukommen zu lassen: nadin@acm.org. Im Einklang mit dem Ziel des Buches, für die Kommunikation jenseits der Schriftkultur das schriftkulturelle Eins-zu-Viele-Verhältnis (Autor:Leser) zu überwinden, wird für dieses Buch im World Wide Web ein Forum eingerichtet. Die Zukunft gehört der Interaktion zwischen Vielen.

Wuppertal, im November 1998

Mihai Nadin

Buch V.

Kapitel 1:

Die interaktive Zukunft: Der Einzelne, die Gemeinschaft und die
Gesellschaft im Zeitalter des Internets

Zusammenbruch und Katastrophe gegenüber Hoffnung und ungeahnten Möglichkeiten—dies sind die extremen Positionen in der hitzigen Debatte um die Dynamik des weltweit sich vollziehenden Umbruchs. Paul Virilio spricht vom Ende der Schrift in einem Zeitalter des Fernsehens und der Bildverarbeitung und sagt das Ende des Sprechens voraus—das Schweigen der Lämmer. Ähnlich weitreichende, aber optimistischere Äußerungen kommen von denjenigen, die in den von der Schriftkultur losgelösten Interaktionen eine Chance für soziale Erneuerung sehen. Das elektronische Forum der Europäischen Kommission, das sich mit dem Projekt Informationsgesellschaft beschäftigt, hat eine Liste mit Zehn Kernpunkten aufgestellt, von denen einer die radikale Reformierung des Kommunikations- und Bildungssystems fordert.

Beide Positionen sind auf ihre Weise intolerant.

Während in der öffentlichen Diskussion immer wieder neue, wichtige Aspekte des für diese Zeit der Diskontinuitäten charakteristischen Konflikts auftauchen, konstituieren sich Milliarden von Menschen auf unserem Planeten durch eine breite Vielfalt praktischer Erfahrungen. Wir haben sie in den vorausgegangenen Kapiteln eingehend behandelt. Angesichts dieses breiten pragmatischen Spektrums ist es fast unmöglich, die Zukunft der virtuellen Gemeinschaften oder der elektronischen Demokratie auszumalen, ohne naiv oder nachgerade dumm zu erscheinen. Wir wissen, wie weit wir gekommen sind, aber wir wissen nicht genau, wo wir stehen.

Da ich eine umfassendere pragmatische Perspektive anstrebe, wähle ich einen Ansatz, der über die aktuellen kurzatmigen Argumentationen hinausgeht. Eine These dieses Buch besteht ja darin, daß sich Lösungen nicht aus euphorischer Technologieverherrlichung, aus kultureller Selbstreplikation, aus auf biologischen Mechanismen beruhenden Modellen, aus unfokussierten bionomischen Überlegungen oder starrsinniger Kapitalismuskritik ergeben werden. Positive Lösungsansätze, die über die Rhetorik intellektueller Kontroversen und politischer Diskussionen hinausgehen, müssen sich aus den positiven Handlungen ergeben, die unsere Identität als Individuum, Gemeinschaft und Gesellschaft formen. Die Metapher der interaktiven Zukunft drückt eine einfache These aus: Innerhalb der globalen Skala ist menschliche Interaktion, als konkreter Ausdruck der Einbindung unendlich vielfältiger kognitiver Ressourcen, die letzte verfügbare Ressource, von der die Zukunft unserer Gattung abhängen könnte.

Das Überwinden der Schriftkultur

Das Überwinden der Schriftkultur geschieht in der Praxis eines hocheffizienten Pragmatismus, der der globalen Skala des Menschen entspricht. Diese Skala erfaßt die Bildung menschlicher Gemeinschaften und die Interaktionen zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft. Wie schon erwähnt, haben Beduinen in der Sahara und Indianer in den Anden genauso Zugang zum Fernsehen, wie die Menschen in hochtechnologisierten Industrienationen. Die Identität von Bevölkerungsgruppen in weniger entwickelten Gesellschaften ist auf der globalen Landkarte wirtschaftlicher und politischer Verflechtungen bereits zum Zielobjekt hochentwickelter Verarbeitungssysteme geworden. In den Büchern der Weltwirtschaft ist ihre Existenz im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit, ihre Bedürfnisse und ihre Kaufkraft genau verzeichnet. Menschen, die im Silicon Valley, in Frankreich, Japan, Israel oder an einem anderen Ort dieses Planeten virtuelle Gemeinschaften bilden, werden mit Hilfe unterschiedlichster Methoden Gegenstand globaler Integration.

Die Ausweitung nicht-schriftgebundener Erfahrungen der Selbstkonstituierung gibt berechtigten Anlaß zur Frage nach dem sozialen Status des Individuums und der Natur der Beziehungen und Abhängigkeiten in einer Gesellschaft. Kinder werden beispielsweise stärker mit Bildern konfrontiert als mit Sprache. Sie neigen dazu, Zeit als einen ständigen Jetzt-Zustand wahrzunehmen, und sie erwarten, daß Befriedigung, so wie sie es im Fernsehen erleben, augenblicklich eintritt und daß sie so leicht zu erlangen ist wie der Zugang zu einer spannenden Seite im Internet. Sie werden zu Experten für interaktive Spiele und für die Kontrolle extrem schneller Prozesse. Losgelöst von Kultur und Tradition, sind sie besonders anpassungsfähig an neue Situationen und bestrebt, eine eigene Form der Unabhängigkeit zu finden. Sex, Drogen, Rap-Musik, Zugehörigkeit zu Sekten oder Gangs sind Teil ihres widersprüchlichen Profils. Diese Jugendlichen sind die Piloten in den Nintendo-Kriegen, aber auch die zukünftigen Entdecker des Kosmos, die Physiker, Biologen und Gentechniker, die neue Materialien gestalten und Maschinen von atemberaubender Komplexität erfinden, bei denen jedes Millionstel einer Sekunde das Ergebnis beeinflußt. Sie sind die Künstler und rekordhungrigen Sportler von morgen; sie sind die Programmierer und Designer der Zukunft. Sie werden Dienstleistungen in einem Wirtschaftssystem bereitstellen, das durch seinen schnellen Wandel—wegen der ständig wachsenden Nachfrage nach Ressourcen—nicht mehr mit den trägen und wenig flexiblen Mitteln der Schriftkultur betrieben wird.

Daten belegen, daß diese Individuen weniger am Leben in der Gemeinschaft interessiert und weniger an ethische Grundsätze der Vergangenheit gebunden sind. Moralische Absolutismen und Anteilnahme spielen keine große Rolle in diesem Leben, das geprägt ist durch praktische Erfahrungen, die zur Selbständigkeit, oft verwechselt mit Unabhängigkeit, führen sollen. Angesichts all dieser Entwicklungen drängt sich die Frage auf, welche Form die Beziehung zwischen Gemeinschaft und hocheffizienten Individuen, die sich in der Regel in Abkapselung von den anderen entfalten, annehmen wird. Welchen Status wird die Gemeinschaft bekommen?

Heutzutage klagen viele Bürger und Organisationen über die geringe Lebensqualität in den urbanen Zentren (in den USA und überall auf der Welt), hohe Arbeitslosigkeit und ein Gefühl der Randexistenz. Einwanderer in vielen verschiedenen Gastländern, Gastarbeiter in der Europäischen Union, junge Menschen in Asien, Afrika und den ehemaligen Ostblockstaaten, Minderheiten in den USA, Arbeitslose auf der ganzen Welt—jede dieser Gruppen steht vor Problemen, die sich aus ihrer Andersartigkeit ergeben. Einwanderer sind nicht immer willkommen, und wenn sie aufgenommen werden, wird von ihnen erwartet, daß sie sich anpassen. Gastarbeiter müssen Arbeiten verrichten, an denen sich die Bürger des Gastlandes nicht die Finger schmutzig machen möchten. Die junge Menschen sollen nach Möglichkeit in die Fußstapfen ihrer Eltern treten. Die Empfänger von Sozialhilfe sollen sich diese verdienen und jeden angebotenen Arbeitsplatz annehmen. Schriftlichkeit impliziert Erwartungen von Homogenität. Einwanderer mußten und müssen heute noch die Sprache des jeweiligen Gastlandes erlernen, um ganz normale Bürger zu werden. Von Gastarbeitern, definiert durch ihre Funktion auf dem Arbeitsmarkt, erwartet man eine reibungslose Rückkehr in ihr Heimatland. Jugendliche wurden durch ein einheitliches Bildungssystem geschleust, und Arbeitslose sollten nach einer kurzen Phase der Umschulung von der Maschine Volkswirtschaft wieder geschluckt werden.

Historisch hat sich das Phänomen Gemeinschaft folgendermaßen entwickelt: Individuen nehmen "lockere" Beziehungen zum herrschenden Adel auf. Im nächsten Schritt werden individuelle Überlebensgemeinschaften gebildet. Es folgt die Übertragung individueller Eigenschaften (Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit) auf die Gemeinschaft, und schließlich kommt es zur Aufgabenteilung, zur Dezentralisation. Jeder Schritt ist durch das Ausmaß der optimalen Leistung des Individuums definiert: von sehr hoher individueller Leistungsfähigkeit als Voraussetzung für das Überleben zu geteilten Verantwortungsbereichen bis hin zur Übertragung der individuellen Verantwortung auf die Gesellschaft. Die liberale Demokratie zelebriert das Paradoxon eines sozialisierten Individualismus. In dieser Hinsicht beendet dies die Zeit politischer Kämpfe (und auch der Geschichte, wie man uns weismachen will), und läutet die Zeit des Wohlstands ein. Die kommerzielle Demokratie ist weder das Ergebnis politischen Handelns, noch ist sie Ausdruck einer Ideologie. Innerhalb ihres Bereiches sind die Grenzen zwischen Individuum und einer aus dem Gleichgewicht gebrachten Gemeinschaft ein ständiger Konfliktherd. Moralischer Individualismus siegt oder verliert in einer Welt feindlicher menschlicher Beziehungen. Da moralischer Individualismus den Liberalismus sozusagen untermauert—"Sei dir selbst der Nächste"—ist die vom Liberalismus angestrebte Freiheit eine Freiheit des Wettbewerbs um den Zugang zum Wohlstand. Sozialisierter Individualismus akzeptiert den Staat nur als Lieferanten von Rechten und Möglichkeiten (sofern der Hegelsche Gedanke von der Priorität des Staates vor dem Individuum de facto akzeptiert wird), nicht aber als moralische Instanz.

Definitorisch für diese Prozesse ist der Übergang zu einer Lebenspraxis, in der angesichts zahlreicher Koordinierungsmechanismen individuelle Leistung marginal wird. Die relative Bedeutung von Funktionsstörungen—Zusammenbrüche des Rechts- und Sozialsystems etwa—als Momente der Selbsterkenntnis und des Neuanfangs, die durch die Notwendigkeit einer Überholung veralteter Praktiken ausgelöst werden, ist in jedem der erwähnten Stadien eine andere.

Gleiches gilt für die Chance des Wandels und der Erneuerung. Kreativität ist in der heutigen Praxis weniger eine Angelegenheit des einzelnen als das Ergebnis orchestrierter Bemühungen innerhalb eines großen Interaktionsnetzes. Die zugrundeliegende Struktur einer Kultur jenseits der Schriftkultur unterstützt eine Praxis, die durch Heterogenität, verteilte Aufgaben und Vernetzung gekennzeichnet ist. Die Selbstkonstituierung des Menschen erzeugt nicht mehr Uniformität, sondern Mannigfaltigkeit. Dauerhaftigkeit, stabile Hierarchien und Zentralismus sind irrelevant geworden. Wir stehen vor neuen Problemen. Ihre schriftkulturelle Formulierung wäre irreführend; die Herausforderung, die sie im neuen Kontext der Schriftlosigkeit darstellen, ist von bislang unbekannter Größe. Deshalb müssen wir uns damit befassen.

Das Sein in der Sprache

Die zwei Aspekte der menschlichen Selbstkonstituierung durch Sprache—Individuum und Gemeinschaft (Gesellschaft)—ergeben sich aus der Grundfrage nach den sozialen Beziehungen. Die Sprache des Einzelnen existiert nicht unabhängig von der Sprache der Gesellschaft, obwohl sich innerhalb einer Gesellschaft Menschen durch offensichtliche Besonderheiten in Sprache, Schrift, Lektüre und Gesprächsverhalten identifizieren. Die biologische Struktur des Menschen beinhaltet Elemente, die sprachrelevant sind. Sprache entwickelt sich jedoch nicht von innen heraus wie die Sinne, sondern wird schrittweise erworben. Ungeachtet des jeweiligen Stadiums des Spracherwerbs dominiert die Sprache die Sinne. Das menschliche Wesen projiziert sich durch Sprache in die Kultur, die es selbst kontinuierlich verändert und innerhalb welcher sie sich gegenseitig identifizieren. Natur und Sprache bilden eine immer wechselnde Einheit.

Während die Natur ein relativ stabiles Bezugssystem ist, verändert sich die Kultur mit den Menschen. In einer Sprache zu sein, wie es alle Menschen sind, und in einer Gemeinschaft zu sein, bedeutet, am Prozeß individueller Integration und sozialer Koordination teilzuhaben. Individueller Sprachgebrauch und Sprachgebrauch der Gesellschaft sind nicht identisch. Individuen konstituieren sich anders als Gemeinschaften. Daß jede Gemeinschaft Merkmale aufweist, die den diese Gemeinschaft konstituierenden Individuen gemeinsam sind, besagt lediglich, daß die Summe individueller Sprachhandlungen sich von der für die soziale Erfahrung charakteristischen Sprache unterscheidet. Der Unterschied zwischen der Sprache des Individuums und der Sprache der Gemeinschaft zeigt soziale Beziehungen an. Eine allgemeinere These soll hier angeführt werden: Die Natur und die Vielfalt menschlicher Interaktionen bei der Selbstkonstituierung durch Sprache beschreiben die Komplexität des pragmatischen Rahmens. Diese Interaktionen sind Teil des ständigen Identifikationsprozesses des Einzelnen oder der Gruppe im Verlauf der Identitätsfindung als besondere Gattung.

Anerkannte Beziehungsformen im Rahmen von Arbeitsplatz, Familie, Leben, Magie, Ritual, Mythos, Religion, Kunst, Wissenschaft oder Bildung werden durch ihre jeweiligen Muster dargelegt. Solche Muster, umschrieben durch die Selbstkonstituierung im natürlichen und kulturellen Kontext, sind erst rückwirkend von Bedeutung. Sie bezeugen das soziale Wesen des Menschen und zeigen, wo der kulturelle Teil und der natürliche Teil dieses Wesens liegen. Aktive Teilhabe von Individuen in der Praxis der Sprache bezeugt deren Bedürfnis, ihre Identität in den erwähnten Beziehungsmustern zu suchen. Menschen treten nicht deshalb zueinander in Beziehung, weil das jeweilige Gegenüber ein netter Mensch ist. Der Bezug zum anderen ist Teil einer ständigen Definition des Individuums in einem Kontext, der von Konflikt und Kooperation und von der Anerkennung von Unterschieden und Ähnlichkeiten geprägt ist. Jegliche Dynamik, ob in der Biologie oder in der Kultur, ergibt sich aus Unterschieden.

Man sieht Sprache als naturgegeben an und stellt ihre Konventionen nie in Frage. Als eine natürliche, (nach Chomsky) vererbte Eigenschaft wird Sprache nicht jedes Mal neu erfunden, wenn sich Selbstkonstituierungen durch Sprache vollziehen. Auch steht ihre Nützlichkeit niemals in Frage, wenn wir ihre Grenzen zu spüren bekommen. Das Versagen eines Werkzeugs—z. B. wenn es für eine bestimmte Aufgabe ungeeignet ist—legt nahe, ein neues Werkzeug zu entwickeln. Das Versagen von Sprache hingegen deutet auf Grenzen der menschlichen Erfahrung hin, nicht auf die des Werkzeugs. Funktionsstörungen der Sprache verweisen auf die biologische Anlage und die Art und Weise, wie sie durch das menschliche Handeln auf die Realität projiziert wird. Dies gilt nicht für andere, weniger natürliche Zeichensysteme: Symbole, künstliche Sprachen, Meta-Sprachen.

Was sich von einer Skala des Menschen zu einer anderen verändert, ist der Koeffizient der linearen Gleichung, nicht die Linearität als solche. Eine kleine Gruppe von Menschen kann durch Jagen, Sammeln von Früchten und Landbestellung überleben. Die Anstrengungen, die notwendig sind, um eine größere Gruppe zu versorgen, wachsen proportional zur Größe der Gruppe. In jenen Augenblicken der Entwicklung, in denen eine kritische Masse, eine Schwelle erreicht wurde (Spracherwerb, Landbewirtschaftung, Schrift, industrielle Produktion und jetzt die post-industrielle Produktion), verursachten die Effizienzerwartungen, die der jeweiligen Skala entsprachen, Veränderungen im pragmatischen Rahmen. Das Bewußtsein eines Versagens der Sprache entsteht durch Erfahrungen, die neue Sprachen notwendig machen.

Fehlkommunikation ist dann gegeben, wenn die verwendete Sprache für die praktische Erfahrung unpassend ist. Ein Mangel an Kommunikation zeigt die Grenzen der Menschen, die in eine bestimmte Tätigkeit eingebunden sind. Fehlkommunikation führt dazu, daß Menschen (sich und andere) fragen, was und warum etwas schief gelaufen ist und was getan werden kann, um negative Folgen für die Effektivität ihrer Tätigkeit zu verhindern. Andere Arten der Fehlfunktion von Sprache können Menschen als Individuen oder als Mitglieder einer Gemeinschaft auf einer anderen Ebene als der der Kommunikation betreffen: Das Versagen von politischen Systemen, Ideologien, Religion(en), Märkten, von Ethik oder Familie drückt sich im Zusammenbruch menschlicher Beziehungsmuster aus. Wir halten aber die Sprache dieser politischen Systeme, Ideologien, Religionen und Märkte selbst nach ihrem Scheitern am Leben; nicht zufällig oder aus Nachlässigkeit, sondern weil wir selber alle diese Sprachen sind—als Beteiligte an politischen Prozessen, Objekte ideologischer Indoktrinierung, Anhänger einer Religion, Güter eines Marktes, Familienmitglieder oder aufrechte Bürger. Die Ineffizienz dieser praktischen Erfahrungen spiegelt unsere eigene Ineffizienz wider, die schwieriger zu überwinden ist als eine Rechtschreibschwäche, etymologische Ignoranz oder phonetische Taubheit.

Die Mauer hinter der Mauer

Ein gutes Beispiel für die Solidarität zwischen Spracherfahrung und dem sich durch Sprache konstituierenden Individuum liefert der Zusammenbruch des osteuropäischen Blocks, und pointierter noch der Zusammenbruch der Sowjetunion. Niemand hatte damit gerechnet, daß nach dem Fall der Berliner Mauer die Menschen im östlichen Teil Deutschlands in diesem System gefangen bleiben würden, obwohl sich rechtliche, soziale und wirtschaftliche Umstände veränderten. Trotz der gemeinsamen Sprache blieben die Ostdeutschen Gefangene der strukturellen Merkmale der alten Gesellschaft, die die Schriftkultur ihnen aufgeprägt hatte: Zentralismus, klare Trennlinien, Determinismus, hierarchische Strukturen, begrenzte (Wahl-) Freiheit. Die unsichtbare, doch wirksame Konditionierung durch die ostdeutsche Bildung—derjenigen Westdeutschlands kategorisch überlegen—ist der neuen, in Westdeutschland erreichten Pragmatik unangemessen und erweist sich als Hürde für die Integration der Ostdeutschen in eine dynamische Gesellschaft. Die hocheffiziente Pragmatik—verbunden mit hohen Erwartungen, die die tatsächliche Leistung zu übersteigen scheinen—wurde den Ostdeutschen von der Regierung auf der anderen Seite der Grenze, die es nie hätte geben dürfen, aufoktroyiert.

In anderen Teilen der Welt sieht es ähnlich aus—in Korea, Ungarn, Rumänien, in der Tschechische Republik, in der Slowakei, in Polen, Kroatien, Serbien usw., wo pragmatische Entwicklungen und soziale, politische, wirtschaftliche, nationale und kulturelle Entwicklungen vollkommen asynchron vor sich gehen. Auf die großen kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen des Ostblocks habe ich in anderem Zusammenhang schon hingewiesen; auch darauf, daß die Stärke dieser auf Schriftkultur basierenden Kulturen illusorisch und reine Selbsttäuschung war.

In nicht allzu entfernter Vergangenheit lasen die Menschen dieser Länder Bücher, besuchten Konzerte, Opern und Museen. Heute jagen sie, wenn ihre Lebensumstände es noch zulassen, mit der gleichen Leidenschaft hinter den Dingen her, die früher für sie unerreichbar waren, auch wenn das einer Aufgabe ihrer geistigen Errungenschaften gleichkommt. Die neue Sprache ist die Sprache des Konsums. Die alte Beziehung zwischen der Sprache des Einzelnen und der Sprache der Gesellschaft wies Merkmale von Täuschung oder Feigheit auf. Die neue Beziehung zeigt Erwartungsstrukturen, die die erreichte Effizienz weit übersteigen. Die Mauer hinter der Mauer zeigt sich in den sehr resistenten Mustern der Interaktion, die aus einer schriftkulturellen Praxis erwachsen sind. Angesichts dieses Beispiels müssen wir fragen, ob es Alternativen gibt zu den Ausdrucksmitteln, die die Menschen verwenden, und zu dem sozialen Programm, dem sie sich verpflichtet haben.

Die Botschaft ist das Medium

Sprache ist eine Form des sozialen Gedächtnisses. Wenn wir etwas sagen oder jemandem zuhören, gehen wir von einem einheitlichen Gebrauch der Wörter und der übergeordneten linguistischen Einheiten aus. Als gespeichertes Zeugnis ähnlicher praktischer Erfahrungen wurde die Sprache, stabilisiert in der Schrift, zum Medium, das sie auf einen gemeinsamen Durchschnitt anglich.

Die in Sprache gefaßten menschlichen Beziehungsmuster machen den Menschen rückblickend die Bedeutung dieser Muster für die menschliche Effizienz bewußt. Es sieht also so aus, als würden wir uns über die eigenen Betrachtungen unserer Interaktionsmuster konstituieren. Diese Betrachtungen können wir Erkenntnis nennen, da wir einander mittels Interaktion kennenlernen und durch Interaktion erfahren, wie, durch was und wann unsere dringendsten und weniger dringenden Bedürfnisse befriedigt werden. Das Paradigma der Schriftkultur behauptet, daß die Selbstkonstituierung in der Sprache stattfindet, und zwar nur in der Sprache, schriftlich niedergelegt und anderen durch Lektüre zugänglich. Tatsächlich haben wir unser Wissen aus der Praxis menschlicher Interaktion und dem auf Sprache basierenden Informationsaustausch gewonnen. Dieses Wissen prägte die politischen, ideologischen, religiösen und wirtschaftlichen Erfahrungen, unsere Bemühungen zur ständigen Verbesserung der Technologien und die Entwicklung der Wissenschaft. Die Zukunftsdimension ist Grundbestandteil des Lebens, und sie erfaßt Sprache und Schriftkultur, Arbeit und pragmatische Erwartungen.

Die Sprache verkörpert, wie jede andere semiotische Praxis, Art und Zustand des durch Sprache Konstituierten; dies gilt auch für die Identität des Menschen. Die Projektion biologischer und kultureller Merkmale auf die Alltagswelt schafft Bezugselemente. Die Fähigkeit zu sehen, zu hören, zu riechen und Werkzeuge zu benutzen, wird durch menschliche Interaktion bestätigt. Fähigkeiten und Leistung unterscheiden sich stark. Wenn es darum geht, gemeinsame Ziele zu verfolgen, fallen Selbsteinschätzung und die Einschätzung durch andere unterschiedlich aus. Sprache vermittelt, folglich werden Verpflichtungen Teil der Erfahrung. Wenn diesen nicht Folge geleistet wird, kann die Sprache zum Ersatzmedium für Konfrontation werden.

Einigung und Konfrontation gehören zu den Beziehungsmustern, die die Art der Beziehung zwischen der Sprache des einzelnen und der Sprache der Gemeinschaft definiert. Die Sozialisierung von Sprache führt zu paradoxen Situationen: die sich durch die Sprache konstituierenden Menschen glauben, daß sich Konfrontationen nicht zwischen ihnen, sondern zwischen ihren Sprachen abspielen. Vor wenigen Jahren konnte man hören, daß Russen und Amerikaner sich gegenseitig sehr schätzten, obwohl in den Sprachen der Politik und der Ideologien Konflikt angelegt war. Heute hören wir, daß das Verhältnis von Ossis und Wessis emotional stark belastet ist (die einen gelten als faul, die anderen als arrogant; die einen sind kultiviert, die anderen ignorant; eine Seite ist ehrlich, die andere korrupt), obwohl sie (fast) dieselbe Sprache sprechen.

Die neue Skala der Menschheit, in der auch Demokratie—die Macht des Volkes—nicht mehr überzeugend funktioniert, wirft viele schwierige Fragen auf: Was, wenn überhaupt irgend etwas, kann die Schriftkultur ersetzten? Was könnte die Demokratie ersetzten? Wie befreien wir uns aus dem eisernen Griff der Bürokratie? Bevor wir eine Antwort darauf versuchen, muß deutlich werden, daß die kulturelle Praxis der Schriftlichkeit und die soziale Praxis der Demokratie ihren Höhepunkt überschritten haben.

Die Frage nach dem Verhältnis von Schriftkultur und Macht stellt sich in einem post-schriftkulturellen Zeitalter neu, aber mit der alten Dringlichkeit. Nicht das, was ein Politiker sagt, ist wichtig, sondern wie er es sagt. Bilder, gute Regie, ein gutes Bühnenbild oder der richtige Hintergrund werden selbst zur Botschaft. Deswegen ist die Feststellung: "Die Botschaft ist das Medium", keine respektlose Umkehrung von McLuhans berühmter Formel, sondern sie verzeichnet die veränderte Beziehung zwischen Sprache und Welt. Die Interaktionen in der vernetzten Welt verdeutlichen diese Umformulierung noch besser. Die neu definierte Beziehung zwischen den vielen Sprachen unserer neuen Lebenspraxis und der Realität wird durch die Mittel und Werte einer Kultur jenseits der Schriftkultur wiedergegeben.

In der pompösen Architektur von Mitterands Palast und in der Monumentalität des "neuen" Berlin verwandelt sich die Botschaft der Schriftkultur—in Höhe von mehreren Milliarden Mark—zu Stein und Mörtel. Im Zeitalter von Aufgabenteilung und Dezentralisierung liegt die angemessene Alternative in der virtuellen Welt und in einer verbesserten Infrastruktur für den Zugang zu Denken und Wissen. "Die Botschaft ist das Medium": das läßt sich auch übersetzen in die Forderung, die Vergangenheitsfixiertheit aufzugeben. Das setzt allerdings voraus, daß wir alternative Medien schaffen, die die Position des Einzelnen stärken, und nicht jene Machtstrukturen, die in der Vergangenheit wichtig waren, aber heute die Entfaltung der Zukunft verhindern.

Von der Demokratie zur Medio-kratie

Demokratie ist ein Spielfeld für Erwartungen. Die Menschen konstituieren sich als Bürger einer Demokratie, indem sie in ihren praktischen Erfahrungen Gleichheit, Freiheit und Selbstbestimmung anerkennen. Der Demokratiebegriff hat sich mit der Zeit verändert. In der Antike gab es die Gleichheit des demos und freie Bürger—keine Frauen, keine Sklaven—hatten Stimmrecht. Nach zahlreichen Emanzipationen bezeichnete der Begriff Demokratie schließlich die Freiheit der Menschen, ihre Regierung zu wählen. Wie diese Selbstverwaltung tatsächlich funktioniert—durch direkte oder indirekte Repräsentation, in Form von Regierungen, die auf der Gewaltenteilung von Exekutive und Legislative basieren, oder durch Monarchien—ist eine Frage der jeweiligen pragmatischen Einrichtungen. Die Demokratie der Armut ist eine andere als die Demokratie des Wohlstands. Gleiches Recht auf Arbeit, Bildung, medizinische Versorgung und Kunst und gleiches Recht auf Drogen, Mord, Arbeitslosigkeit, geringen Bildungsstand und Krankheit sind sehr verschiedene Dinge. Eine Stadtratssitzung in Vermont oder in einem Schweizer Kanton, wo das Leben ordentlich und effektiv geregelt ist, unterscheidet sich von einer Staatsregierung in Ländern, in denen die zentrale Macht jede Form der Selbstverwaltung unterdrückt.

Demokratie ist eine unserer wesentlichen sozialen und politischen Erfahrungen. Die Macht der Mehrheit, ermittelt in Wahlen, ist nur eine der möglichen Ausdrucksformen. Wenn aber nur ein kleiner Teil der Bevölkerung zur Wahl geht, ist nicht die Mehrheit repräsentiert. Die demokratische Praxis beruht oft auf Täuschung, und wir verstärken dies durch den schriftkulturellen politischen Diskurs. Als ein Erwartungsbereich, in dem sich schriftkulturell verankerte Hoffnungen artikulieren, erlangt Demokratie nur eine Bedeutung, wenn damit eine Partizipation an sozialen und politischen Erfahrungen einhergeht. Wenn sich eine der beiden Größen in dieser wichtigen gesellschaftlichen Praxis verringert—etwa die Partizipation—, verringert sich die Demokratie proportional. Es gibt viele Gründe für eine abnehmende Partizipation der Bürger. In Ländern, in denen ein funktionierendes demokratisches System durch demokratische Demagogie ersetzt wurde, mobilisieren Veränderungen, ob durch Revolutionen, Aufstände oder Reformen, zu Beginn fast die ganze Bevölkerung. Wir können dies gerade in Osteuropa und in den Republiken der ehemaligen Sowjetunion beobachten. Nach der anfänglich fast ungetrübten Begeisterung für den Neuanfang, die zu demokratischen Bedingungen führte, nimmt jetzt die individuelle Teilhabe an der Regierung wieder ab. Wo liegen die Gründe für dieses Phänomen, das sich auch am abnehmenden Interesse für Religion, Kunst und Solidarität äußert?

Es gibt viele Antworten und noch mehr Hypothesen: Ermüdungserscheinungen, Mangel an demokratischer Tradition, Egoismus, das Bestreben, mit reichen Nationen gleichzuziehen. In Wahrheit aber liegen die Gründe im Konflikt zwischen den schriftkulturellen Werten und den neuen Effizienzerwartungen, die sich aus der neuen Skala der Menschen ergeben. Die Effizienz, die sich aus einer Pragmatik ergibt, die sich von den in der Schriftkultur reifizierten Strukturmerkmalen emanzipiert hat, verwandelte Demokratie in eine kommerzielle Demokratie. Die Menschen können kaufen und verkaufen, was immer sie wollen. Ihre Gleichheit heißt gleicher Zugang zum Markt des Wohlstands; Freiheit ist durch das von allen anerkannte Recht auf Überfluß besiegelt. Demokratisierung, von der die Menschen glauben, daß sie überall auf der Welt stattfindet, ist ein Prozeß, der immer neue Gruppen von Menschen einbindet, in eine Welt des Wohlstands, der oberflächlichen Unterhaltungskultur (einschließlich des Sports) und der Regierungen, die ein Recht auf Reichtum und Konsum garantieren.

Man könnte leicht ins Moralisieren verfallen. Die Schriftkultur trägt bestimmte Erwartungen an demokratische Institutionen heran. Wie andere Institutionen, müssen auch sie sich dem Effizienztest unterziehen. Wenn die Institutionen diesen Test nicht bestehen, bekräftigen sie—in der Sprache der Demokratie—nicht mehr die Demokratie als praktische Erfahrung des Volkes, sondern sich selbst als Institution. Bürokratien entstehen dadurch, daß die Demokratie ihren sozialen und politischen Blickwinkel aufgibt und sich gleichsam in ihre eigene Sprache verliebt, in der ihre Prinzipien formuliert sind.

Die Medien werden in Form der Massenmedien zu einem eigenen Faktor in der Formel der Macht. Wird das Potential der neuen Ausdrucksmittel voll ausgeschöpft—die Macht der Bilder, der direkte Zugang zu Ereignissen, die Macht der Vernetzung, der kommunikativen Ressourcen, neuer Technologien—dann spielen die Medien eine Doppelrolle als Repräsentanten des Volkes und Repräsentanten der Macht. Da ihr eigener Praxisbereich die Darstellung ist, sind die Medien von der Effizienz der Selbstkonstituierung des Menschen in produktiven Tätigkeiten abhängig. Die Tätigkeit der Massenmedien folgt nicht eigenen Zielen, sondern wird durch den Markt, der in ihnen verortet ist, motiviert. Folglich wird die Formel der Demokratie zur Formel von Wettbewerb und wirtschaftlichem Erfolg. Die Medien wählen die Ursachen und Persönlichkeiten aus, die für den Prozeß der Demokratievermarktung geeignet erscheinen. Demokratie steht nicht mehr für Regierung und die damit verbundene Verantwortung, sondern vielmehr für das Recht der Menschen zu kaufen; unter anderem, die Regierung zu kaufen und den Luxus, die eigene Verantwortung an ihre Institutionen zu übertragen.

Medienkritik wird immer dann zur Lieblingsbeschäftigung der Politiker, wenn die Dinge nicht wie erwartet funktionieren. Die Öffentlichkeit beteiligt sich an solchen Auseinandersetzungen besonders in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit oder politischer Entwicklungen, die außer Kontrolle geraten (Kriege, gewalttätige Massendemonstrationen, Wahlen). Die Kritik an den Medien bezeugt, daß deren Beteiligung an der Macht gewachsen ist. Die schriftkulturellen Methoden der Hierarchiebildung werden durch neue Technologien verstärkt, die jeden Adressaten selbst in vollkommen übersättigten Kontexten der Informationsverbreitung erreichen.

Informationsvermarktung, Feedbackstrategien, Massenmedien, soziales Engineering, Psychologie und Veranstaltungsdesign bilden eine merkwürdig eklektische Praxis. Ihr einen bestimmten Namen zu geben, wie etwa Medio-kratie mag tendenziös klingen. Aber es trifft den Kern. Ihre Bemühungen sind nicht darauf gerichtet, Exzellenz und Qualität zu fördern oder gesellschaftliche Gruppen davon zu überzeugen, daß Demokratie Qualität garantiert und selbstverwaltende Systeme vor Korruption schützt. Vielmehr ist ihr daran gelegen, glaubhaft zu vermitteln, daß Mediokrität der Ausdruck von Gleichheit ist, und daß mehr nicht zu erwarten ist, wenn die Menschen nicht entschlossener von ihren Rechten Gebrauch machen. Die Mittel, die zur Verteidigung der Demokratie verwendet werden, und das gesamte politische System, das auf ihren Grundsätzen aufgebaut ist, machen nur allzu deutlich, daß die Demokratie als ein Kind sprachgebundener Praxis alles andere als die ewige und universelle Antwort oder der Höhepunkt der Geschichte ist. Auch hier müssen alternative Partizipationsformen gefunden werden, die der neuen Skala entsprechen. Solche Alternativen müssen die entscheidenden neuen Faktoren beinhalten: die verteilte Natur der Arbeit; ein besseres Verständnis der Beziehung (oder fehlenden Beziehung) zwischen Individuum und Gemeinschaft; das Bewußtsein von Veränderung als einzig dauerhaftem Zustand; und Strategien der Koevolution, die alle Menschen und die Natur, deren Teil der Mensch immer noch ist, als gleich betrachten. Demokratie ist das Produkt menschlicher Erfahrungen, die auf dem Postulat des Gleichseins beruhen. Alternativen entstehen durch die Dynamik des Unterschieds. Sobald die Grünen eine Partei wie jede andere werden, verschwimmt ihre Farbe.

Selbstorganisation

Zeit, Energie, Ausrüstung und Verstand sind in die Erforschung des künstlichen Lebens (ALife) investiert worden. Das Wissen, das wir aus dieser Forschung bezogen haben, kann zur Verbesserung von Modellen für individuelles und gesellschaftliches Leben genutzt werden. Derartige Forschungsergebnisse besagen, daß Vielfalt und Selbstorganisation, die durch strukturelle Merkmale hervorgerufen und in emergenten Funktionen veräußerlicht sind, den Evolutionsimpuls in einem lebenden System erhalten. Die Menschen gehören einem solchen System an. In der Vergangenheit haben wir uns auf soziale Formen mit variabler Organisation konzentriert. Iterative Optimierung und Lernprozesse waren darin Ausdruck innerer Notwendigkeiten, nicht Ausdruck angenommener oder aufgezwungener Funktionsregeln.

Die gesamte Reproduktionsdynamik, die die gegenwärtigen Anstrengungen von Staaten und Organisationen bei der Kontrolle des Bevölkerungswachstums kennzeichnen, muß wieder an die Praxis gebunden werden. Wir können davon ausgehen, daß Gemeinschaften, die nach solchen Prinzipien strukturiert sind, mit einer Art sozialem Immunsystem ausgestattet sind, das es ihnen ermöglicht, soziale Erkrankungen zu erkennen und zu bekämpfen. Eine Rückbindung an den pragmatischen Kontext muß als neue Strategie verstanden werden, die den Menschen nicht mehr sagt, was zu tun wäre, sondern sie zu wirklichem Tun motiviert. Alle Vorteile eines sich rapide entwickelnden Netzwerks der Netzwerke basieren auf dieser Grundvoraussetzung. Ein soziales Immunsystem sollte ein Mechanismus sein, der die für das Funktionieren eines jeden Einzelnen und aller Mitglieder der Gemeinschaft schädlichen Handlungen verhindert. Der Begriff der sozialen Erkrankung läßt Merkmale eines Systems von gut und böse, richtig und falsch anklingen. Hier ist aber die fehlende Verbindung von individueller Leistung und pragmatischem Fokus gemeint. Mechanismen zur Wiederherstellung dieser Verbindung gründen auf der Anerkennung von Vielfalt und auf einer Definition von Einheit, Mitteln, Zielen und Idealen.

Anpassungsfähigkeit ergibt sich aus Vielfalt; das gilt für die Fähigkeit, Ressourcen innerhalb einer dynamischen Gemeinschaft zu mobilisieren. Stärker als in der Vergangenheit wird der Einzelne in mehr als nur einer Gemeinschaft eingebunden sein. Neue Interaktionsformen und geteilte Ressourcen werden es möglich machen. Die heutige Telekommunikation ist erst der Anfang. Das traditionelle Verständnis von Gemeinschaft, das identisch ist mit Ortsgebundenheit, wird dem Begriff der Interessengemeinschaften weichen. Virtuelle Gemeinschaften im Internet zeigen, was das bedeuten kann. Das Hauptmerkmal solcher selbstorganisierender sozialer und kultureller Zellen ist ihre Modifikationsstruktur während der Koevolution, die die Einsicht verrät, daß sich politische und soziale Interaktion verändert, wenn die Menschen sich verändern.

Ausgangspunkt für das beschriebene Modell war ursprünglich, das Phänomen des Lebens genauer zu verstehen und bestimmte Aspekte davon zu simulieren; es läßt sich auf natürliches und künstliches Leben gleichermaßen anwenden. Eine globale Wirtschaft, globale politische Anliegen, globale Verantwortung für unser Versorgungssystem, globales Interesse an Transport- und Kommunikationsnetzen, globales Engagement für die sinnvolle Nutzung von Energie sollten nicht zu einem Weltstaat führen, sondern zu einem Staat mit vielen Welten. Die Skala der politischen Praxis hat eine solche Komplexität erreicht, daß das Kokettieren mit globalen Institutionen zur Selbstzerstörung durch soziale Implosion führen könnte. Die Alternative wäre Dezentralisierung, leistungsstarke Netzwerke, verbunden mit hochspezialisierter Aufgabenteilung und effektiven Integrationsverfahren.

Konkret bedeutet dies, daß Individuen ihre Identität in Erfahrungen finden, die ihren persönlichen Beitrag in verschiedene Geschehensabläufe oder Produkte einbindet. Sie werden Ressourcen teilen und Kommunikationsmittel zur Optimierung ihrer Arbeit nutzen. Zugang zum Wissen anderer mit Hilfe von Mitteln, die die gleichzeitige Nutzung durch viele ermöglichen, ist Teil des globalen Vertrags, den die Menschen abschließen werden, wenn sie die Vorteile eines für alle zugänglichen Informationskomplexes und der Möglichkeiten einer weltweiten Vernetzung erkannt haben. Selbstorganisierende Zellen menschlicher Gemeinschaft verschiedenster Art werden die Vielfalt der Sprachen in der Kultur jenseits der Schriftkultur, die Freiheit von Bürokratie und eine direktere Teilhabe am Leben jeder dieser sozialen Einheiten betreiben.

Hochspezialisiertes Wissen, das es den Menschen ermöglicht, ihre
praktischen Ziele mit Hilfe von neuen Sprachen (mathematischer
Notation, Visualisierung, Diagrammen usw.) zu verfolgen, isoliert die
Experten meist von der Welt. Wenn Bedingungen geschaffen werden,
relevante Praxiserfahrungen miteinander zu verknüpfen, können
Fragmentarisierung und Synthese gleichzeitig verfolgt werden. Im
Fragmentarisieren sind wir erfahren—es bestimmt unsere eng gefaßten
Spezialgebiete. Aber bei der Synthese sind wir weit weniger versiert.
Es geht also um Integration.

Da menschliche Aktivitäten die Multidimensionalität des Menschen widerspiegeln, ist es klar, daß Zentren, in denen sich Erfahrungen überlappen—die allerdings aus unterschiedlichen Perspektiven gewonnen sein können—, gerade in den Umfeldern entstehen, in denen Ressourcen gemeinsam genutzt und die Ergebnisse zum Ausgangspunkt für weitere Erfahrung gemacht werden. Die Identität von Menschen, die sich im Rahmen einer effizienz- und vielfaltsorientierten Praxis konstituieren, spiegelt Erfahrungen durch viele Schriftformen und Überlebenskonzepte wider, die auf Koevolution und nicht auf Beherrschung angelegt sind. Die Entwicklung der Technologie ist hierfür ein Beispiel. Von den Bulletin Boards der frühen sechziger Jahre bis zum Internet und dem World Wide Web in unserer Zeit hat Koevolution zur Konstituierung des vernetzten Bürgers geführt. Michael Hauben, der den englischen Begriff des Netizen prägte, wollte damit Individuen beschreiben, die um kooperative und kollektive Tätigkeit bestrebt waren, welche der gesamten Welt von Nutzen sein sollte. Konflikte wurden dadurch nicht abgeschafft. Die Netz-Gemeinschaft zeichnet sich keinesfalls durch Perfektion, sondern durch bewußt erstrebte Vielfalt aus, in der Unvollkommenheit keinen Mangel darstellt. Ihre Dynamik gründet auf Unterschieden in Quantität und Qualität; ihre Effizienz kommt darin zum Ausdruck, wieviel Vielfalt sie weiterhin schaffen kann.

Die Lösung ist das Problem. Oder ist das Problem die Lösung?

Die Unangemessenheit der Schriftkultur und der natürlichen
Sprache—zweifellos das wesentliche Zeichensystem der Menschen—wird
vor dem Hintergrund neuer Praxiserfahrungen deutlich, die zur
Selbstkonstituierung des Menschen durch viele unterschiedliche
Zeichensysteme führen. Die neue Pragmatik verlangt, daß die
Schriftlichkeit um alternative Ausdrucks-, Kommunikationsund
Bedeutungsmittel ergänzt wird. Unsere Analyse der verschiedenen
Formen menschlicher Praxis und Kreativität läßt nur eine
Schlußfolgerung zu: Die Muster der menschlichen Beziehungen und die
auf der Grundlage der Schriftkultur geschaffenen Werkzeuge sind keine
optimale Antwort mehr auf die Anforderungen einer gesteigerten
Dynamik unseres Daseins.

Von der Hoffnung verleitet, daß, wenn wir erst einmal die sprachlichen Extensionen—alles, was Menschen im Akt ihrer praktischen Selbst-Identifikation unternehmen—erfaßt haben, wir daraus auch Rückschlüsse auf die Intensionen—wie sich eine einzelne Komponente entfaltet—ziehen können, haben wir die intensionalen Aspekte des menschlichen Handelns selbst übersehen. Wir kennen z. B. die vielfältigen Komponenten der mathematischen Praxis: analytisches Denken, Rationalität, Symbolismus, Intuition, Ästhetik. Aber über die einzelnen Komponenten wissen wir fast gar nichts. Einige können sprachlich nicht ausgedrückt werden; andere werden durch Sprache lediglich auf Stereotype reduziert. Liegt die Kraft des mathematischen Ausdrucks in der mathematischen Notation oder in den ästhetischen Qualitäten? In welcher Beziehung stehen diese beiden Aspekte? Wo und wie beeinflußt die Intuition das mathematische Denken?

Die gleichen Kriterien gelten, allerdings folgenreicher, für soziale Handlungen. Menschliche Interaktion erfordert physische Präsenz; ihr Auftreten (schön, passend oder angemessen); ihre Fähigkeit, Gedanken zu artikulieren; ihre Überredungskunst; und vieles mehr. Jede Komponente ist wichtig, aber wir wissen nur sehr wenig über die spezifischen Auswirkungen einer jeden einzelnen. Wir sind überrascht darüber, wie Diktatoren an die Macht kommen, und noch mehr, wie sich die Massen verführen lassen. Aber wir richten unsere Aufmerksamkeit noch immer nicht auf auf die Motive, die Menschen zu Rassisten, Kriegstreibern, Scheinheiligen oder auch zu aufrichtigen Philanthropen werden lassen. Wenn die Argumente nichts taugen, die Massen ihnen aber dennoch folgen, dann ist mehr am Werk als nur Worte, Erscheinung und Psychologie. Die Sprache hat die Erfahrung unserer Kulturpraxis dargelegt, ansonsten aber nichts davon, was für unsere natürliche Existenz von besonderer Relevanz wäre. Die Muster des kulturellen Verhaltens, die in der Sprache zum Ausdruck kommen, sind von den Mustern unseres biologischen Lebens offenbar recht unabhängig oder haben zumindest eine merkwürdige, schwer erklärbare Unabhängigkeit gewonnen.

Wir müssen uns über unsere Besessenheit von Unverletzbarkeit, die wir begrifflich leicht fassen können, ernsthaft Gedanken machen. Sie zeigt sich in der Schriftkultur der Medizin besonders deutlich. Die plötzliche Entdeckung von AIDS, die der Euphorie der Unverletzbarkeit ein Ende setzte, kann uns vielleicht dabei helfen, das zunehmende Auseinanderdriften unseres kulturellen Lebens—zu dem die Sexualität gehört—und unseres natürlichen Lebens—zu dem die Fortpflanzung gehört—zu verstehen. Die Magie war ein Versuch, eine harmonische Beziehung zur äußeren Welt beizubehalten. Es ist noch immer nicht klar, ob es die Medizin oder die Umarmung der Eltern ist, die die Kolik eines Kindes heilt; oder ob die psychosomatische Natur vieler moderner Krankheiten von der Technologie des heutigen Gesundheitssystems in den Griff zu bekommen ist. Wir wissen indes, daß die Bevölkerungszahlen zurückgingen, wenn den Menschen neue Ernährungs- und Hygienevorschriften aufgezwungen wurden, weil die Lebensmuster beeinflußt werden, wenn ein bestehendes Gleichgewicht wegen einer fremden Form verworfen wird. Dies geschah nicht nur mit den Völkern in Asien, Afrika, Australien und Neuseeland, sondern auch mit den Eingeborenen der amerikanischen Kontinente. Die aus der analytischen Praxis der Selbstkonstituierung entstandenen medizinischen Konzepte—von denen viele in der Schriftkultur der Medizin verdinglicht sind—verwerfen die Vielfalt möglicher Gleichgewichte und legen den Verdacht nahe, daß hier die Lösung das eigentliche Problem ist.

Wo sie anwendbar ist, funktioniert die Schriftkultur sehr gut, aber sie ist nicht die universelle Antwort auf die immer komplexere Praxis der Menschheit. Da die Menschen die Erfahrungen mit anderen nichtsprachlichen Zeichensystemen nicht völlig außer acht gelassen haben, konnten sie die Muster der Schulung, der Einweisung, der industriellen Produktion, der modernen Landwirtschaft und des Gesundheitswesens ändern. Davon ist auch das Verständnis von Bereichen betroffen, die lange Zeit durch die Schriftkultur verdeckt waren: das Erkennen von Mustern, Bildmanipulation, Design. Dadurch ergeben sich neue Methoden, mit denen neue Bereiche der menschlichen Erfahrung in Angriff genommen werden können: Statt Bilder durch Worte zu beschreiben und einen Handlungsverlauf oder ein Ziel mit Hilfe eines Textes zu definieren und dann durch den Text den Gebrauch der visuellen Elemente steuern zu lassen, nutzen wir heute die Vermittlungskraft von Designsystemen mit integrierten Planungs- und Managementeinrichtungen. Ein neues Produkt, ein neues Gebäude und Konzepte im Bereich der Städteplanung werden hervorgebracht, während das entsprechende Computerprogramm die Daten zu den Kosten, den ökologischen Folgen, den sozialen Auswirkungen und der zwischenmenschlichen Kommunikation verarbeitet. Diese Praxis, die die Schriftkultur überwindet, ohne sie ganz aufzugeben, hat neue Fähigkeiten freigelegt: visuelles Bewußtsein, Verarbeitung von Informationen aller Art, Vernetzung und neue Formen menschlicher Integration, die sehr viel weniger starr sind als die, die für die ausschließlich durch die Sprache erfolgende Integration typisch sind.

Die Schriftkultur muß nicht abgeschafft, aber ebensowenig muß alles auf sie reduziert werden. Wo sie noch sinnvoll Anwendung findet, ist sie lebendig und gesund. Im Internet und dem World Wide Web vervollständigt sie das Repertoire der für die computergestützte Kommunikation typischen Interaktionsmittel. Das Fernsehen fesselt ein breites Publikum mit einseitiger Kommunikation. Die Ambition des World Wide Web liegt darin, sinnvolle Interaktionen zwischen zwei oder mehr Menschen zu ermöglichen.

Die Kultur jenseits der Schriftkultur zeichnet sich durch Vielfalt aus und stützt sich auf die Dynamik der Selbstorganisation. Um aber Erfolg zu haben, müssen mehrere Bedingungen erfüllt werden: Wir haben z. B. bei allen Formen der Selbstkonstituierung noch nicht die Fähigkeit entwickelt, in anderen Medien als der natürlichen Sprache zu denken. Wie beim Erlernen einer Fremdsprache übersetzen viele Menschen immer noch von einer Sprache in die andere. Wenn das nicht funktioniert, suchen sie in der Sprache nach Hilfe, die sie beherrschen, statt in der alternativen Sprache zu fragen, in der sie die Antwort erwarten. Nachdem Intuition von Rationalität und System verdrängt wurde, werden nur noch geringfügige Anstrengungen unternommen, den Ursprung der Intuition, ob in der Mathematik, in der Medizin, im Sport, in den Künsten, den Markttransaktionen, im Krieg, bei der Essenszubereitung oder in sozialen Aktivitäten zu verstehen.

Innerhalb der neuen Skala und der neuen Dynamik hängt die Zivilisation vom Zusammenspiel mehrerer Elemente ab. Die an der Integration dieser Vielfalt beteiligte Logistik kann kaum durch schriftkulturelle Methoden erfolgen, und sie ist für das Ergebnis entscheidend. Die Schriftkultur drückt die groben und linearen Beziehungsebenen aus. Neue Praxiserfahrungen mit erhöhter Effizienz verlangen differenziertere Ebenen und auf nichtlineare Phänomene ausgerichtete Werkzeuge, um mit den parallel verlaufenden Prozessen der Selbstkonstituierung des einzelnen und der Gesellschaft umgehen zu können.

Der Umgang mit den Wahlmöglichkeiten

Wenn die Multiplikation von Möglichkeiten nicht auch die effektiven Mittel ermöglichen würde, zwischen ihnen auszuwählen, wären wir vom Strudel der Entropie erfaßt. In der Praxis führt dies zu einem ganz natürlichen Verlauf der Dinge: neue Möglichkeiten zuzulassen, die sich als Alternativen ausweisen, bedeutet, bekannte und erprobte Optionen auszuschließen. Wo z. B. in einer Demokratie die Bürokratie die Oberhand gewinnt, erfüllt eine Ratssitzung nur noch dekorative Funktionen. Die Rede des amerikanischen Präsidenten zur Lage der Nation zieht keinerlei Konsequenzen nach sich.

Die Möglichkeit, andere Zeichensysteme zu nutzen, ist keineswegs neu. Selbst die Möglichkeit des Synkretismus ist alles andere als neu. Neu ist das Bewußtsein von Fehlfunktionen und möglichem Verlust der Kontrolle über eine komplexe Praxis. Unter den vielen Formen, die die Beziehung zwischen dem einzelnen und der Gesellschaft festlegen, ist das Rechtssystem vermutlich das beste Beispiel. Ob unabhängig, als Regel- und Kontrollbereich mit eigenen Motivationen oder als Teil anderer Komponenten des sozialen und politischen Lebens, kodifiziert die Institution der Gerechtigkeit ihre Typologien, Klassifikationen und Regeln in Gesetzen. Hier werden Werte ständig durch pragmatische Handlungen überprüft. An der Integrität des einzelnen und seiner rechtmäßig erworbenen Güter, an der Verbindlichkeit von Verpflichtungen und an vielen anderen Regeln, die für das Gemeinwohl wichtig sind, hat sich die Rechtspraxis entwickelt. Richtig oder falsch, Kriterien, die sich entwickelt haben, als sich praktisches Handeln noch unmittelbar auf das Wohlergehen der Gemeinschaft auswirkte, werden jetzt in einem Bereich mit eigenem Leben und eigenen Regeln definiert. Töten, Stehlen und Fälschen sind Handlungen, die in den schriftlich niedergelegten Gesetzen klar definiert sind. Aber das in der Schriftkultur verankerte Recht hat sich von der tatsächlichen Welt losgelöst und konstituiert eine eigene Wirklichkeit mit eigenen Beweggründen. Da dies so ist, überrascht es nicht, daß die Rechtspraxis nichts anderes ist als die Interpretation von Texten und der Versuch, mit Hilfe der Sprache Lösungen zu finden, auch wenn die Lösung eigentlich eine Chimäre ist und nicht auf der Wirklichkeit gründet.

Das Rechtssystem reagiert auf Innovationen, indem es Regeln, die einer anderen Praxis entspringen—die DNA-Analyse als Beweismittel vor Gericht ist hier ein gutes Beispiel—, in ihre eigenen Evaluationskriterien zwängt. Statt einen pro-aktiven Kontext für die Entfaltung des menschlichen Geistes zu schaffen, verteidigt die Rechtspraxis letztlich nur ihre eigenen Interessen.

Als Erweiterung der aus der Schriftkultur hervorgegangenen Sprache entwickelt die Rechtssprache ihre eigenen Effizienzregeln und legt Erfolgskriterien fest, die den Prozeß der Gerechtigkeit korrumpieren. Sie ist ein typisches Beispiel für sprachliche Funktionsdefekte, genauso erhellend wie die Sprache der Politik. Juristische und politische Praxis dokumentieren auf unterschiedliche Weise, wie die Demokratie scheitert, wenn sie die in der Bürokratie des Rechtssystems und der reifizierten Machtbeziehungen manifeste symbolische Phase erreicht.

Der richtige Umgang mit den Wahlmöglichkeiten

Selbstdefinition impliziert die Fähigkeit, einen Bereich von Möglichkeiten einzurichten. Aber die Möglichkeiten ergeben sich nicht von alleine. Im Übergang von der Schriftkultur zu einem Stadium jenseits von ihr erweitern sich die globalen Möglichkeiten dramatisch, während sich die lokalen, individuellen Bereiche proportional verringern. Dies geschieht, weil das, was auf globaler Ebene nach einer Multiplikation von Möglichkeiten aussieht, auf der Ebene des einzelnen eine Sache effektiver Selektionsprozeduren wird. Solange die Auswahl nicht sehr groß ist, stellt die Selektion kein Problem dar.

Die primitive Familie hatte bei der Wahl von Nahrungsmitteln, Fortpflanzung und Gesundheitsvorkehrungen wenig Möglichkeiten. Die Auswahl wurde größer, als die Praxiserfahrung der Selbstkonstituierung sich diversifizierte. Herumziehende Populationen trafen eine Auswahl, die anders war als die, die sich dem seßhaften Menschen bot. Die ersten Städte wiesen Beziehungsstrukturen auf, für die die geschriebene Sprache gerade angemessen war. Die heutige Megalopolis bietet Wahlmöglichkeiten von ganz anderem Ausmaß. Innerhalb eines solchen Bereichs von Möglichkeiten gibt es keine effektiven Selektionsmethoden. Die Reduzierung von praktisch unendlich vielen Wahlmöglichkeiten auf eine endliche Zahl von Realisierungen ist bestenfalls eine Sache des Zufalls. Umgekehrt kann das Motto "Lokal handeln, global denken" schnell zum Scheitern führen. Viele Leistungen auf lokaler Ebene würden bei einer globalen Umsetzung scheitern, wenn sie nicht von vornherein auf Globalität angelegt wären.

Zur Schriftkultur gehörte die Erwartung, daß Menschen, die lesen und schreiben können, durch ihr Sprachwissen zugleich auch über gute Selektionsmethoden verfügen. Jenseits der Schriftkultur gibt es fortlaufende, stets nur kurzfristige, begrenzte und wertfreie Entscheidungen. Es scheint, als wählten sich die Wahlmöglichkeiten ihre Subjekte selbst. Das erklärt, warum heute immer mehr Menschen in den Städten leben wollen. Ist eine Wahlmöglichkeit einmal ausgeschöpft, folgt die nächste automatisch, als Folge der Skala, und nicht etwa als Suche nach Alternativen. Dies gilt im übrigen auch für das Berufsleben, das ebenfalls den kürzeren Zyklen der Neuerung und des Wandels ausgesetzt ist.

Die Mechanismen der sozialen Segmentierung, die das Ergebnis der mannigfaltigen Vermittlungsmechanismen sind, macht aus der Frage nach dem richtigen Umgang mit den Wahlmöglichkeiten ein demokratisches Prinzip. Schauen wir uns einige konkrete Optionen an: sollen wir Kondome an Schüler verteilen oder nicht; sollen wir das Recht, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, einräumen oder nicht (Pro-Wahl oder Pro-Leben); sollen wir heterosexuelle Familienprivilegien auf homosexuelle Lebensgemeinschaften übertragen oder nicht; sollen wir einheitliche Prüfungsmaßstäbe im Bildungssektor einführen oder nicht? Diese Beispiele werden aus dem großen Zusammenhang menschlicher Selbstkonstituierung herausgenommen und der Evaluierung durch den (von den Medien beherrschten Meinungsbildungs-) Markt überantwortet, nicht aber der verantwortungsvollen Ausübung zivilstaatlicher Verpflichtungen.

Die Vermittlungsmechanismen der neuen Zeit bewirken, daß die Auswahlmöglichkeiten, denen sich eine Gemeinschaft gegenübersieht, auf der Ebene des einzelnen nahezu irrelevant werden. Im neuen ständig anwachsenden Universum der Möglichkeiten geben die Menschen ihre Autonomie und Selbstbestimmung auf und werden zu Mitgliedern verschiedener Gemeinschaften. Sie haben an den Wahlmöglichkeiten der Gesellschaft in dem Maße Teil, in dem diese ihren Möglichkeiten und Erwartungen entsprechen. Aber sie haben die Mittel, sich aus einer Gesellschaft zurückzuziehen, wenn sich ihre Entscheidungen (bezüglich Frieden, Krieg, Freiheit des einzelnen, Lebensart usw.) von denen des Staates unterscheiden. Die Bürger der transnationalen Welt nehmen an der Dynamik der Veränderung in einem weitaus stärkeren Maß teil als diejenigen, die sich dem schriftgebundenen Ideal des Nationalismus und der ethnischen Zugehörigkeit widmen.

Wir können zum Mond fliegen. Wir können es uns leisten, an einzigartigen Ereignissen teilzunehmen—an großen Konzerten, Wettbewerben, Auktionen—einige persönlich, andere mit Hilfe der digitalen Mittel. Jeder Mensch könnte Präsident oder Mitglied einer gesetzgebenden Instanz werden; aber nur wenige können es sich leisten, sich für eine solche Position zu bewerben. Ob nun aufgrund von Reichtum, Intelligenz, Sensibilität, Herkunft, Geschlecht, Alter oder Glauben—bei der Wahrnehmung der Wahlmöglichkeiten sind wir nicht alle gleich, obwohl wir alle die gleichen Rechte haben. Mit dem Wahlangebot richtig umzugehen, heißt also auch, Ziele und Mittel miteinander in Einklang zu bringen. Die Schriftkultur kann das nicht leisten. Dieses vollzieht sich zwischen den einzelnen Individuen und zwischen den vielen Gemeinschaften, denen sie angehören. Die verschiedenen Sprachen, die bei der praktischen Entfaltung all derer involviert sind, die sich in diese Vielfalt der Möglichkeiten einbinden, funktionieren effektiver.

Das Netz der Beziehungen, aus denen unser Dasein besteht, und die Beziehungsmuster werden sich weiter verändern und auf globaler Ebene komplexer werden, im Gegensatz zur lokalen Ebene, auf der sie begrenzter werden. Mit einer Zunahme von globaler Freiheit verlieren wir lokale Dynamik. Auf der jeweiligen Ebene, auf der wir unsere Vermittlungsleistung ausüben, haben wir eine fast totale Kontrolle über unsere eigene Effizienz. Jeder der zahlreichen Anbieter von Dienstleistungen, jeder Arzt, Rechtsanwalt oder Schriftsteller gibt ein Beispiel ab für die lokalen Wahlmöglichkeiten, die sich aus der gesteigerten Produktivität derer, denen sie ihre Dienstleistungen anbieten, ergibt. Auf einer höheren Ebene, die diese Dienstleistungen integriert—ganz gleich, ob es sich um Rostschutz, Röntgenverarbeitung, Kommunikationsdesign oder Buchhaltung handelt—, wird die Zahl der Auswahlmöglichkeiten geringer. Folglich wird die Koordinierung ausschlaggebend. Die Strategie des Outsourcing gründet auf der Überzeugung, daß maximale Effizienz eine Form der Spezialisierung verlangt, die Firmen nicht erreichen können. Wenn sich der Prozeß in diese Richtung weiterentwickelt, wird die Koordinierung bald das schwierigste Problem unserer Praxis sein. Das liegt an der Komplexität des Problems sowie daran, daß es keine effektiven Prozeduren gibt, um sie zu vereinfachen. Je einfacher eine Aufgabe ist, desto komplexer gestaltet sich ihre Integration. Daraus läßt sich vielleicht kein Gesetz, aber eine weitere These ableiten: die allgemeine Komplexität bleibt erhalten, ganz gleich, wie Systeme unter- oder Aufgaben verteilt werden. Wenn Aufgaben für eine effiziente Ausführung aufgeteilt werden, wird die Komplexität von der Aufgabe auf die Integration übertragen.

Abwägungen

Kulturelle, historische, wirtschaftliche, soziale und andere Entwicklungen tragen zu unserer Vorstellung von Schriftkultur bei. Ihre Krise ist symptomatisch für all das, was die Schriftkultur notwendig hervorgebracht hat und was auf den Funktionsweisen schriftkultureller Gesellschaften begründet ist. Die Krise der Schriftlichkeit ist nicht eine allgemeine kulturelle oder wirtschaftliche Krise. Die Emanzipation der Frau begann z. B. nicht mit der Emanzipation der Sprache, nimmt aber Sprache in Anspruch. Als Ausdruck besonderer sozialer Beziehungen geben geschlechtsspezifische Strukturen einer Sprache einen Status wieder, dem zu widersetzen sich Frauen aufgefordert fühlen könnten.

Viele andere Muster menschlicher Interaktionen, die zu Handlungen führen, die wiederum Veränderungen hervorrufen, sind tief in der Sprache verwurzelt. Wenn wir die Entwicklung unserer Kinder in der ihnen von uns auferlegten Schriftkultur beobachten, zählen wir geradezu die Wörter, die sie gelernt haben und messen ihren Fortschritt an der Fähigkeit, Wünsche, Meinungen und Fragen zu artikulieren. Dabei vernachlässigen wir die Frage, welche Art von Welt die Sprache ihnen im Prozeß des Spracherwerbs eröffnet. Welche Art der Praxiserfahrung ermöglicht die Sprache? Wenn die Kinder sich von unserer Sprache lösen, ist es fast zu spät, das Problem zu verstehen. Der Sprachgebrauch erscheint so natürlich, daß seine syntaktischen und wertebeladenen Konventionen nicht in Frage gestellt werden. Wir akzeptieren die Sprache so, wie sie auf uns übertragen wird. Sie kommt mit den Göttern oder mit Gott, mit Güte, Recht, Wahrheit, Schönheit und anderen Werten sowie mit Kategorisierungen (nach Geschlecht, Herkunft oder Generation), die wir für so ewig halten wie die Sprache selbst. Wir übertragen die Sprache auf unsere Kinder, nur um uns durch ihre eigene Sprache, die ihrem eigenen pragmatischen Bezugsrahmen angepaßt ist, herausgefordert zu sehen.

Als ein Rahmen, in dem Kinder auf Wunsch ihrer Eltern und der Gesellschaft denken, kommunizieren und handeln, weist die Sprache zwei widersprüchliche Merkmale auf: Freiheit und Zwang. Der allumfassende Umbruch, dem wir uns ausgesetzt sehen, betrifft beide. Um in einer Gesellschaft mit hochspezialisierten Interaktionsmustern effektiv bestehen zu können, ist ein Abwägen zwischen Freiheiten und Zwängen unausweichlich. Auf sozialer und kultureller Ebene beeinträchtigen die Zwänge, die in allgemein verbreiteten Vorurteilen und Ideologien zum Ausdruck kommen, unseren begrenzten Entscheidungsspielraum und unsere persönliche Integrität. Die Sprache entpuppt sich nicht nur als Medium zum Ausdruck von Idealen, sondern auch als widerspenstiger Träger alter und neuer Vorurteile. Sie ist auch ein Instrument der Täuschung und birgt im Ideal der Schriftkultur die offenkundigste und folgenreichste aller Täuschungen, die Schriftlichkeit als Allheilmittel für jedes Problem der Menschheit herauszustellen: für Armut, Ungerechtigkeit und Ignoranz, bei militärischen Konflikten, für Krankheit, Hunger und schließlich sogar für die Unfähigkeit, mit neuen Entwicklungen in Wissenschaft und Technik Schritt zu halten. Interessanterweise glauben die Netoyens das gleiche im Hinblick auf das Internet! In ihrer Kampagne für eine freie Wahl der Literalität sind sie genauso dogmatisch bezüglich ihrer Kommunikationsformen wie die Modern Language Association und vergleichbare Organisationen in anderen Ländern bezüglich der altmodischen Schriftkultur.

Wir müssen akzeptieren, daß unsere Welt mit ihren diversifizierten Formen der Praxis (die der Vielfalt der Menschen entsprechen) mehr als nur eine Form von Schriftlichkeit benötigt. Aber das allein würde kein ausreichender Grund für eine Veränderung des gegenwärtigen Bildungssystems sein, wenn nicht gleichzeitig auch neue Wege des Wissenserwerbs entwickelt werden. Die Annahme, daß Sprache ein hochentwickeltes Zeichensystem ist, trifft zwar zu, besagt aber nicht unbedingt, daß jedes Mitglied einer Gesellschaft diese Sprache beherrschen muß, um in der Gesellschaft zu bestehen. Um uns von dieser Vorstellung zu befreien, brauchen wir mehr als das Beispiel einzelner Menschen, die in Bereichen, in denen Schriftkultur und Schrift nicht vorherrschend oder gänzlich überflüssig sind, ein hohes Maß an Effizienz an den Tag legen.

Aus Schnittstellen lernen

Das aufregende Abenteuer, menschliche Merkmale und Funktionen
künstlich nachzubilden, ist vermutlich so alt wie das Bewußtsein des
Selbst und anderer. Werkzeuge und Maschinen zu beherrschen, um die
Effizienz der Praxis zu maximieren, war immer eine Erfahrung, die mit
Sprachgebrauch und Handwerk zu tun hatte. Die größte Herausforderung
bestand vielleicht im Gebrauch von Computern mit dem Ziel, die
Fähigkeit zu rechnen, Worte und Bilder zu verarbeiten,
Produktionsvorgänge zu steuern, komplexe Daten zu deuten und sogar
Teile des menschlichen Denkens nachzubilden.

Programmiersprachen dienen als Vermittlungseinheiten. Mit einem eingeschränkten Vokabular und äußerst präziser Logik übersetzen sie Teilschritte eines Vorgangs, die nach Ansicht der Programmierer ausgeführt werden müssen, um erfolgreich Zahlen zu berechnen, Wörter zu verarbeiten, Bilder zu verarbeiten und sogar logische Operationen vorzunehmen, um Schach zu spielen und einen menschlichen Gegner bei diesem Spiel zu schlagen. Eine Programmiersprache ist die Übersetzung eines Ziels in eine Beschreibung logischer Prozesse, mit deren Hilfe das Ziel erreicht werden kann. Benutzer von Computern haben mit der Programmiersprache nichts zu tun; sie wenden sich über die Sprache der Schnittstelle an den Computer: Wörter auf Deutsch oder Englisch (oder einer anderen Sprache, für die die Schnittstelle entworfen ist) oder Bilder, die für die gewünschten Ziele oder Handlungen stehen. Die Maschine spricht oder versteht die höhere Sprache der Schnittstelle nicht. Die Interaktion des Benutzers mit der Maschine wird von Schnittstellen-Programmen in das übersetzt, was eine Maschine verarbeiten kann. Effiziente Schnittstellen anzubieten ist vermutlich ebenso wichtig wie die Gestaltung hochgradig abstrakter Programmiersprachen und das Schreiben von Programmen in diesen Sprachen. Ohne solche Schnittstellen könnten wahrscheinlich nur wenige Menschen mit einem Computer umgehen. Die Erfahrung der Schnittstellen-Gestaltung kann uns dabei helfen, die Richtung des Wandels, zu dem uns ein neuer pragmatischer Rahmen verpflichtet, zu verstehen. Die Entwicklung läuft darauf hinaus, daß der Computer von unserem Schreibtisch verschwindet. Der Zugang zu digitaler Verarbeitung, nicht jedoch zur digitalen Maschine ist nötig. Das gleiche galt für die Elektrizität. Früher wurde sie zu Hause oder am Arbeitsplatz erzeugt, wo sie gerade gebraucht wurde. Jetzt kommt sie über Verteilernetze zu uns.

Die natürliche Sprache erfüllte die Funktion einer Schnittstelle, lange bevor dieses Konzept entstand. Die Schriftkultur sollte die ständige Schnittstelle menschlicher Praxiserfahrungen sein, ein Bindeglied in der Beziehung zwischen dem einzelnen und der Gesellschaft. Im Idealfall sollte die Schnittstelle die Art, wie Menschen sich konstituieren, nicht beeinflussen, d. h. sie sollte hinsichtlich der menschlichen Identität neutral sein. Das bedeutet, daß die Menschen sich verändern und die Aufgaben variieren können. Die Schnittstelle würde die Veränderung berücksichtigen und neuen Zielen Rechnung tragen. Selbst in ihren kühnsten Träumen würden Computerwissenschaftler und Forscher im Bereich der Kognitionswissenschaft und künstlichen Intelligenz, die mit intelligenten Schnittstellen arbeiten, eine solche lebendige Schnittstelle nicht erwägen. Schnittstellen wirken sich auf die Natur praktischer Erfahrungen im Rechenbereich aus. Wenn diese komplexer werden, kommt es zu einem Zusammenbruch, da die Schnittstellen nicht mehr Schritt halten können. Statt eine bessere Interaktion zu unterstützen, kann eine Schnittstelle sie beeinträchtigen und das Ergebnis einer Berechnung beeinflussen. Die Sprache hat dem Druck recht gut standgehalten. Sie wächst mit jeder neuen menschlichen Erfahrung und kann sich einer Vielzahl von Aufgaben anpassen, weil sich die Menschen anpassen, die sich mit Hilfe der Sprache konstituieren. Aber wegen der engen Beziehung zwischen den Menschen und ihrer Sprache werden neue Erfahrungen durch die Sprache eingeschränkt, weil sie diese den Erwartungen von Kohärenz unterwirft. Das ausdrucksvolle und kommunikative Potential der Sprache erreicht seinen Höhepunkt, wenn die Pragmatik, die sie möglich und notwendig machte, ihr eigenes Effizienzpotential erschöpft hat. Schriftkultur kann die menschlichen Fähigkeiten in der Praxis außerhalb ihres eigenen pragmatischen Bereichs nicht mehr unterstützen. Die Schriftlichkeit schränkt den Erfahrungsraum der Menschen auf ihren eigenen Erfahrungsraum ein und begrenzt damit menschliches Wachstum.

Viele beeindruckende menschliche Leistungen, vermutlich die Mehrheit von ihnen, sind ein Zeugnis der Leistung der Sprache als Schnittstelle. Aber diese Leistungen zeugen auch davon, was passiert, wenn die Schnittstelle zu ihrem eigenen Motivationsbereich wird oder Ziele verfolgt, die zu einer erzwungenen Uniformität von Erfahrungen führen. Wäre die Schriftkultur ein neutrales Vermittlungsinstrument gewesen, hätte sie mit der neuen Skala und den entsprechenden Effizienzerwartungen Schritt gehalten als diese Schwelle einmal erreicht wurde. Aufeinanderfolgende Formen religiöser, wissenschaftlicher, ideologischer, politischer und wirtschaftlicher Dominanz sind Beispiele für mächtige Schnittstellenmechanismen. Um das Dilemma besser zu verstehen, können wir die Abfolge von Schnittstellen bezüglich der religiösen Praxis mit der Abfolge von Schnittstellen für Computerbenutzer vergleichen. Ungeachtet der grundlegenden Unterschiede zwischen diesen beiden Bereichen zeigt sich eine verblüffende Ähnlichkeit. Beide beginnen als eingeschränkte Erfahrungen, die anfänglich wenigen Auserwählten zugänglich sind, und erweitern sich von einem begrenzten Zeichensystem zu sehr reichhaltigen multimedialen Umfeldern. Aus der Entwicklung von einem begrenzten, geheim gehaltenen Bereich zur breiten, durch triviales Vokabular ermöglichten Öffnung treten beide als zweiköpfige Phänomene hervor: Die Sprache der ursprünglich wenigen Auserwählten wird zu einer Schnittstelle mit der Sprache der Menschen, die nach und nach in diese Erfahrung integriert werden. Niemand sollte diesen Vergleich, der nur die grundsätzliche Natur der Schnittstellenerfahrung beschreiben soll, falsch verstehen. Wir könnten uns genausogut auf Erfahrungen in der Wirtschaft, der Politik, der Ideologie, der Wissenschaft, der Mode oder der Kunst beziehen.

Die Schriftkultur hat zu einer gewissen Beständigkeit, aber auch zu einem Verlust an Vielfalt geführt. Jede Interaktions- oder Schnittstellensprache hatte mit ihrem Verblassen auch Erfahrungen mitgenommen, die nicht wieder zurückzugewinnen waren. Die Beziehung zwischen dem einzelnen und der Gemeinschaft, die früher einmal auf verschiedenen Ebenen sehr intensiv war, schwächte sich mit Zunahme der Schriftkultur ab. Die Schriftkultur normiert diese Beziehung, indem sie sie in einen Multiple-choice-Test umwandelt. Informationsverarbeitungstechniken, die auf schriftgebundene Formen sozialer Interaktion angewandt werden, verlangen eine noch stärkere Standardisierung, um effizient zu sein. Damit wird das Individuum wegrationalisiert, und die Gemeinschaft entwickelt sich zu einem Ort für Datenmanagement statt für menschliche Interaktion. Dieser Prozeß verdeutlicht, was passiert, wenn die Schnittstelle die Oberhand gewinnt und mit sich selbst interagiert.

Die bisherigen Überlegungen illustrieren, wie wichtig ein Verständnis vom Wesen der Schnittstellenprozesse ist. Aber die Erfahrung, die in der computergestützten Wissensforschung gemacht wurde, deutet auf weitere, für die Beziehung zwischen dem Individuum und der Gesellschaft entscheidende Aspekte hin: Die Menschen konstituieren sich durch eine Vielfalt praktischer Erfahrungen, die nach Alternativen zur Sprache verlangen. Leistungsstarke mathematische Notationen, Diagramme, Visualisierungstechniken, Akustik, Holographie und der virtuelle Raum sind solche Alternativen. Nichtlineare Verbunde und kognitive Pfade, die in der Hypertext-Struktur des World Wide Web verkörpert sind, gehören ebenfalls dazu. Sprache zu verarbeiten, heißt noch nicht, diese Möglichkeiten zu integrieren.

Kognitive Erfordernisse legen den auf nichtsprachlichen Mitteln gründenden Erfahrungen wegen der Intensität und der Natur kognitiver Prozesse sowie der benötigten Speicherleistung starke Einschränkungen auf. Die genetischen Anlagen, die aus der sprachgebundenen Praxis der Selbstkonstituierung entstanden sind, eignen sich nicht unbedingt für grundlegend andere Ausdrucksmöglichkeiten. Die Kommunikation erfordert ein gemeinsames Substrat, das in einem Akkulturierungsprozeß über mehrere Generationen hinweg aufgebaut wird. Unterstützt von den "Neuen Medien" wird die Kommunikation nicht präziser. Programme werden entworfen, um das Verständnis von Sprachen zu ermöglichen. Alles, was je geschrieben wurde, wird eingescannt und für die Zeichenerkennung gespeichert. Abbildungen werden in kurze Beschreibungen übersetzt. Eine semantische Komponente wird an alles gehängt, was die Menschen mit dem Computer verarbeiten. Man hofft, daß solche Mittel routinemäßig eingesetzt werden können, auch wenn der Kompaß auf ein schwer faßbares Ziel gerichtet sein mag. Selbst wenn die Maschinen verstehen, was wir von ihnen wollen—d. h. wenn sie Sprach- und Schrifterkennungsfunktionen in ihre Betriebssysteme eingebaut bekommen—, müssen immer noch wir unsere Ziele artikulieren. Eine Technologie, die viele heute noch von Menschen ausgeführte Handlungen automatisieren kann, wird das Ergebnis und damit die Effizienz des Aufwands erhöhen. Aber die eigentliche Herausforderung liegt darin herauszufinden, wie die Beziehung zwischen dem Möglichen und dem Notwendigen optimiert werden kann. Vorgänge, die das Ergebnis mit den vielen Kriterien korrelieren, anhand derer die Menschen oder die Maschinen bestimmen, wie sinnvoll das Ergebnis ist, sind wichtiger als die bloße technologische Leistung. Die Schriftkultur hat sich dafür nicht als das geeignete Instrument angeboten.

Menschen und Sprache verändern sich gemeinsam. Individuen werden durch die Sprache geformt; ihre praktischen Erfahrungen formen ihrerseits die Sprache und schaffen einen Bedarf an neuen Sprachen. Wenn wir die Sprache und den Menschen nicht entkoppeln können, besonders mit Blick auf die Parallelentwicklung von genetischen Anlagen und sprachlicher Fertigkeit, werden wir uns weiterhin im Teufelskreis von Ausdruck und Darstellung bewegen. Das Thema ist nicht die Sprache an sich, sondern die Behauptung, daß die Darstellung das dominante, man darf sagen ausschließliche Paradigma menschlichen Handelns ist. Weder die Wissenschaft noch die Philosophie haben eine Alternative zur Darstellung geschaffen.

Die physische Realität ist mehr als das, was die Sprache erfassen kann. Und die Dynamik unseres Daseins in einer Welt, deren eigene Dynamik wiederum die unsere integriert und zugleich weit über sie hinausgeht, ist ebenfalls umfassender. Fähigkeiten für das Überleben in der physischen Welt—Fähigkeiten, die Kinder und neugeborene Tiere besitzen—werden nur teilweise in der Sprache dargestellt. Das gesamte Reich des instinktiven Verhaltens gehört hierher sowie die Koordination und die mannigfaltige Art, eine Beziehung zu Raum, Zeit und zu anderen Lebewesen herzustellen. Fortgeschrittene biologische und kognitive Forschung (Maturanas Werk ist in diesem Bereich führend) zeigt, daß verschiedene Organismen ohne die Vorzüge der sprachlichen Darstellung überleben. Sehr persönliche menschliche Erfahrungen—darunter Schmerz, Liebe, Haß und Freude—stellen sich ohne die Vorzüge und Beschränkungen der Sprachdarstellung ein.

Es gibt Fähigkeiten, für die wir keine Darstellung in der Sprache haben. Man hat versucht, sie unter solchen Begriffen wie Parapsychologie, Magie und nichtsprachliche Kommunikation zu fassen. Beschreibungen ihrer Leistungen lösen Zweifel oder Lächeln aus. Das ungewöhnliche und unerklärliche Verhalten von sogenannten idiots savants gehört ebenfalls in diese Kategorie. Ein idiot savant hört ein Klavierkonzert und spielt es brillant nach, obwohl er oder sie eins und eins nicht zusammenzählen kann. Eine Streichholzschachtel fällt hinunter, und der idiot savant kann nach einem Blick auf die Schachtel sagen, wie viele Streichhölzer herausgefallen sind. Diese Leistungen sind nachgewiesen. Einige idiots savants können zahllose Telefonnummern und komplette Reihen von Primzahlen hersagen sowie unglaubliche Multiplikationen und Divisionen durchführen. Die Forschung kann solche Leistungen nur beobachten und festhalten. Für andere unerklärliche Phänomene steht uns kein Konzept zur Verfügung: die erstaunlichen letzten Momente vor dem Tod, die Macht der Illusion und die Visualisierungskraft einiger Menschen. Die Forschung hat Erkenntnisse zur Macht des Gebets und des Glaubens und zu paranormalen Manifestationen gesammelt. Das vorliegende Buch will keine Erklärung dieser Phänomene versuchen, sondern die umfassende Vielfalt von Erfahrungen aufzeigen, die in die menschliche Praxis integriert werden könnten, aber nicht werden, nur weil sie sich einer sprachlichen Erklärung entziehen.

In einer Welt zu funktionieren, die wir durch die Brille der Schriftkultur lesen, macht uns oft blind für das, was die Schriftkultur nicht einschließt. Ein Reich der Tatsachen und möglicher Abstraktionen, das mit der Welt des Seins, über die die Sprache berichtet, nur schwer verglichen werden kann, bleibt noch zu erforschen. Als Richard Feynman, Nobelpreisträger der Physik, über den Unterschied zwischen maschinellem und menschlichem Rechnen berichtete, wies er auf Aspekte hin, für die die Sprache als nützliche Schnittstelle nicht geeignet ist, bis hin zu einem Bereich, der sich der sprachlichen Darstellung entzieht.

Krisen, Katastrophen und Zusammenbrüche zeigen die Grenzen eines gegebenen pragmatischen Kontextes auf. Sie geben Hinweise auf das Ausmaß, das ein solcher Kontext haben kann. Jenseits dieses Kontextes beginnt das Universum des grundlegenden Umbruchs und der Revolution. Die wirklich interessante Ebene der Sprache und anderer Zeichensysteme ist nicht die Bezugsebene, sondern die Ebene, aus der neue Welten hervorgehen. Diese neuen Welten gehen nicht unbedingt über die alte hinaus. Telecommuting ist eine Ausweitung vorheriger Arbeitsmuster. Kooperative Echtzeit-Erfahrungen sind mehr als die Summe der individuellen Beiträge. Sie sind konstitutiv für nichtlineare Formen der Komplementarität. Das virtuelle Büro ist auch nur eine andere Art von Büro. Die virtuelle Gemeinschaft ist eine konstitutive Erfahrung. Das Ziel liegt nicht darin, zu informieren, sondern neue Möglichkeiten und Kräfte zu schaffen. Die ausgeklügelte Kombination von Chemikalien, die man für wirksame Arzneimittel, Baumaterialien oder elektronische Komponenten ersann, setzt frühere Muster fort. Atomare Manipulation mit dem Ziel, intelligente Materialien und selbstregenerierende Substanzen und Mittel herzustellen, stellt einen weiteren neuen Bereich praktischer Erfahrungen dar.

Jedes dieser Beispiele gehört in einen pragmatischen Rahmen, der sich in seiner Natur von dem unterscheidet, der die Schriftkultur bestimmte und den die Schriftkultur nunmehr unserer Erfahrung aufzwingt. Viele Formen des Zentrismus, ob nun Euro-, Ethno-, Techno- oder irgendeine andere Form, sowie des Dualismus—gut und schlecht, richtig und falsch, gerecht und ungerecht, schön und häßlich—und der Hierarchie haben ihre Möglichkeiten erschöpft. Der Versuch, die neue Pragmatik an Idealen zu messen, die sich nicht aus ihr heraus entwickelt haben, kann nur zu leeren Phrasen führen. Wenn wir das Vermächtnis der Sprache am Übergangspunkt von schriftgebundenem zu schriftlosem Sprachgebrauch betrachten, dann sehen wir nicht nur Errungenschaften, sondern auch eine Diskrepanz zwischen dem, was die Welt ist, und den Beschreibungen von der Welt in unseren Köpfen und Büchern. Dinge sind real, soweit sie versprachlicht wurden. Diese Auffassung zu überwinden, ist eine Herausforderung, die über die Kraft der meisten Menschen hinausgeht. Aus dem neuen pragmatischen Rahmen der distribuierten Praxis und der kooperativen, parallelen menschlichen Interaktionen tritt ein Mensch hervor, der sich in der Pluralität voneinander abhängiger Ausdrucks-, Kommunikations- und Bedeutungsmittel konstituiert. Wir könnten auf der Schwelle zu einem neuen Zeitalter stehen.

Kapitel 2:

Eine Vorstellung von der Zukunft

Für viele von uns ist der Bereich jenseits der Schriftkultur der Bereich der Sciencefiction. Die Bezeichnung Jenseits der Schriftkultur kann auch nur die Richtung anzeigen und einige Wegzeichen benennen. Der Reichtum und die Vielfalt dieses Bereiches deutet dabei die Natur an, die unsere praktischen Erfahrungen im Verlauf unserer Selbstkonstituierung angenommen haben. Sofern bezüglich der erkennbaren Wegweiser Ungewißheit besteht, so gibt es doch an einem nicht den geringsten Zweifel: an der digitalen Grundlegung unseres pragmatischen Handlungsrahmens. Das soll indessen nicht heißen, daß der gegenwärtige Umbruch allein auf den Siegeszug des Digitalen oder auch nur auf den allgemeinen Siegeszug der Technologie zurückgeführt werden kann.

Wir haben die Vorstellung von einem einzigen beherrschenden Zeichensystem—der Sprache in ihrer schriftkulturellen Ausformung—in Frage gestellt und zugleich vermerkt, daß eine Vielzahl unterschiedlicher Zeichenprozesse die Notwendigkeit und Legitimation der Schriftkultur im Zusammenhang höherer Effizienzerwartungen erkennbar überflügelt hat. Wir könnten das Stadium jenseits der Schriftkultur allerdings auch als ein semiotisches Stadium bezeichnen, in dem Sinne, daß die menschlichen Erfahrungen zunehmend Gegenstand von Zeichenprozessen werden. Die digitale Maschine ist letztendlich eine semiotische Maschine mit einem enormen Auswurf vielfältiger Zeichen. Die Semiotik der menschlichen Erfahrung geht allerdings über Computer und Symbolverarbeitung weit hinaus.

Wir haben auch zeigen können, daß das semiotische Bewußtsein sich in Optionen (zwischen Ausdrucks- und Kommunikationsmitteln) und Interaktionsmustern ausdrückt. Aufeinanderfolgende Modetrends, die neuen Medien, globale Interaktionen in den Netzwerken, Kooperation und distributive Konfigurationen entwickeln alle ihre eigenen Semiologien. Schnittstellen sind semiotische Einheiten, mittels derer schwierige Aspekte des Verhältnisses zwischen Individuen und Gesellschaft behandelt werden. Genauer noch, to interface, Schnittstellen einzurichten, heißt, neue Methoden und Vorstellungen der Kulturtechnik zu entwickeln, die von der selben Natur ist wie die Gentechnik, wenn sie auch nicht auf den selben Mechanismen beruht, wie uns die Verfechter der Memetik glauben machen wollen.

Das entscheidende Element in der Dynamik des Umbruchs sind jene pragmatischen Merkmale, die den Quantensprung der Effizienz innerhalb der neuen Skala der Menschheit möglich machen. Darin liegen unvorstellbar neue Möglichkeiten und zugleich Anlaß zu Zweifel und Sorge. Unsere Sorge richtet sich dabei nicht so sehr auf die törichte und bisweilen bösartige Rhetorik gegen jegliche Technologie und deren Mißbrauch, sondern auf einen falschen Optimismus, mit dem manch einer die Auswüchse der menschlichen Kreativität begleitet. Aber angesichts der spektakulären Multimediaprogramme, der um sich greifenden Erscheinungsformen der virtuellen Realitäten, der Genmedizin und Gentechnik, der auf Breitband vernetzten menschlichen Interaktionen oder der weltweit gespannten Kooperationsformen zählt letztlich nur eines: die enormen kognitiven Ressourcen, die in der Form von semiotischen Abläufen, die nicht mehr auf Sprache und Schriftkultur reduzierbar sind, in einem globalen Rahmen zur Entfaltung kommen.

Kognitive Energie

Die Aufzählung jener nützlichen und für sehr viele Menschen segensreichen Anwendungen, die gleichwohl von vielen Menschen abgelehnt werden, noch bevor sie wirklich ausgereift sind, wäre endlos. Sie alle sind erst denkbar in einer Welt jenseits der Schriftkultur, denn sie basieren auf strukturell unterschiedlichen Ausdrucks-, Kommunikations- und Signifikationsmitteln. Wir haben alle auf diese oder jene Weise erste Eindrücke von den Möglichkeiten dieser neuen Verfahren gewonnen: Gelähmte können sich mit Hilfe von Sensoren, die an unversehrten Nervenzentren angeschlossen sind, wieder bewegen; an den Rollstuhl gebundene Kinder können unabhängig von der Welt, in der sie als behindert gelten, in der virtuellen Realität Entfaltungsmöglichkeiten finden; durch Übertragung von Verhaltensmustern der körperlichen Welt in simulierte Welten können wichtige neue Fertigkeiten entwickelt werden; Simulationen führen zu erfolgreicheren Rehabilitationsformen nach Unfällen und Krankheit; in Japan bereiten sich die Menschen mittels virtueller Realität auf Erdbeben und das richtige Verhalten in entsprechenden Notsituationen vor; die vernetzten virtuellen Welten fördern Interaktionen im Bereich wissenschaftlicher, dichterischer oder künstlerischer Interessen und nähren die Hoffnung auf eine neue Renaissance.

Nicht alles muß dabei virtueller Natur sein. Active badgesTM, d. h. aktive Namensschilder, speichern und vermitteln Daten, die die Identität eines Individuums ausweisen. Das heißt nicht nur, daß man Personen leichter lokalisieren kann, sondern daß auch alle Formen der Interaktion—in Form von digitalen Spuren gespeichert—als Gedächtnishilfe für Menschen und Maschinen dienen. Auch das Gedächtnis nimmt digitale Formen an. Von jemandem, der einen Raum betritt, wird automatisch Kenntnis genommen. Der Computer informiert sofort darüber, wie viele Botschaften auf ihn warten und wer die Absender sind. Er berechnet eigenständig die Entfernung der Person vom Bildschirm und bietet die Information auf eine Weise dar, daß man sie aus der entsprechenden Entfernung sehen kann. Er führt den Terminkalender und er erinnert selbständig an Termine. Er führt auf Wunsch auch ein persönliches Tagebuch mit allem, was notiert werden soll: Handlungen, Gespräche, gedankliche Notizen usw. Diese Art der Speicherung von Daten aus den active badges und aus Bildern, die im Verlauf bestimmter Tätigkeiten aufgezeichnet wurden, ist weniger aufdringlich als Sekretärinnen oder Assistenten, die einen ständig umgeben. Jeglicher Datenschutz ist in jedem gewünschten Maße gewährleistet. Ein solches Tagebuch kann auch Routineereignisse aufzeichnen, die zunächst irrelevant erscheinen—Bewegungsabläufe, Gespräche, Essen, Trinken, Zeichnen, Entwerfen, Datenanalyse. Verhaltensmuster, die einen besonderen emotionalen oder kognitiven Wert haben, Angeln, Bergsteigen oder auch Tanzen oder Nichtstun können je nach Bedarf aufgezeichnet werden. Und schließlich kann dieses Tagebuch am Ende des Tages per e-mail an seinen Verfasser geschickt werden. Er kann die Ereignisse des Tages dann noch einmal vor sich ablaufen lassen oder diejenigen Augenblicke herausfiltern, die im Verlauf des Tages besondere Bedeutung gewonnen haben.

Natürlich können wir in dieser Welt jenseits der Schriftkultur auch künstlerische Erfahrungen sammeln. Wir können uns eine Shakespeare-Aufführung auf die Monitore unserer Augen projizieren lassen, dort, wo die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion beginnen. So bekommen wir die Inszenierung unserer Wahl oder die Schauspieler unserer Wahl. Wir können uns an die Stelle der Schauspieler setzen und eine Rolle selbst übernehmen. In Sport und Spiel wird eine ähnliche Teilnahme möglich. Wir können mit jeder gewünschten Person in Beziehung treten oder Kontakt aufnehmen zu einer Gemeinschaft, zu der wir gehören wollen. Überhaupt bekommen "Dazugehörigkeit" und "Dabeisein" einen anderen Sinn. Sie ergeben sich nicht mehr zufällig, sondern aus unserer bewußten Wahl. Dabeisein heißt nicht mehr, nur Nachrichten und politische Ereignisse auf dem Fernsehschirm zu sehen und dabei ein Gefühl der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins zu empfinden. Alle diese Erfahrungen können sich als sehr private intensive Erfahrungen vollziehen oder als Interaktion mit anderen, ob sie nun physisch gegenwärtig sind oder nicht. Die Welt anders zu sehen heißt auch, den Standpunkt eines anderen Menschen oder einer anderen Kreatur im wahrsten Sinne des Wortes einzunehmen. Wie sieht ein Immigrant oder ein ausländischer Besucher ein bestimmtes Land? Wie erscheint der Mensch einem Wal, einer Biene, einer Ameise oder einem Hai? Mit den neuen Möglichkeiten können wir uns nicht nur in die Lage, sondern in den Körper von Schwerbehinderten versetzen und auf diese Weise am "eigenen Leibe" erfahren, wie sich zum Beispiel ein Blinder in unserer gnadenlosen Welt rasender Autos und hastender Menschen zurechtfindet. Indem wir diese Erfahrung im Rahmen der Identität des anderen nachvollziehen, lernen wir sehr viel mehr voneinander und können die Möglichkeiten und Grenzen anderer besser teilen oder verstehen. Im günstigsten Falle tritt an die Stelle leerer Sympathiebekundungen aufrichtige Solidarität.

Es kann gar nicht genug betont werden, wie all diese semiotischen Mittel—Ausdrucksmittel in sehr komplexen dynamischen Zeichensystemen—die Natur unserer individuellen Erfahrungen und unseres gesellschaftlichen Lebens verändern. Alles Erdenkliche kann gesehen, kritisiert, gefühlt, empfunden, durchgespielt und evaluiert werden, bevor wir es tatsächlich produzieren. Auch simulierte Personen können mit einem active badge versehen werden und als Avatar durch die Pläne für ein neues Gebäude wandern oder auf den geplanten Wegen einer schwierigen Gebirgsexpedition. Ein Tagebuch der Raumforschung ist mindestens ebenso wichtig wie das persönliche Tagebuch eines Menschen, der in einer Fabrik, einer Forschungseinheit oder zu Hause arbeitet. Bevor weitere Bäume abgeholzt, weitere Flußbetten verlegt, Wohnsiedlungen geplant oder in irgendeinem anderen Bereich ein neuer Weg beschritten wird, können wir herausfinden, welche unmittelbaren und langfristigen Folgen sich ergeben würden.

Wir können auch noch einen Schritt über die integrierte Welt der digitalen Verarbeitung hinausgehen und höchst komplizierte Abläufe und Verfahren neuronalen Netzwerken überantworten, die darauf ausgerichtet sind, Befehls-, Kontrolls-, Evaluationsfunktionen auszuführen. Unvorhersehbare Situationen werden so zu Lernerfahrungen. Und dort, wo Menschen z. B. unter emotionaler Belastung gelegentlich versagen, können neuronale Netzwerke an ihre Stelle treten, ohne daß wir damit das Risiko des letztlich unvorhersagbaren menschlichen Verhaltens eingehen müssen. Ein active badge kann mit neuronalen Netzwerkverfahren verknüpft werden, die die oftmals verschwendeten zahlreichen Fragmentpartikel unseres Wissens verarbeiten. So erfahren wir mehr über unsere Kreativität und die damit verbundenen kognitiven Prozesse. Aus der Masse unserer nicht-aktivierten Gedanken und Handlungen können wir eine Menge zusätzlichen Wissens beziehen. Und die Allgegenwärtigkeit, unbegrenzte Einsatzfähigkeit und Unaufdringlichkeit solcher Mittel macht sie besonders geeignet für medizinische Versorgung, Kindererziehung und Altenbetreuung. Optische Computer und Verarbeitungsmittel für biologische Daten werden letztendlich unser Verhältnis zu Daten und Informationsverarbeitung und die zwischenmenschlichen Beziehungen völlig neu strukturieren. Der einzelne Mensch wird seine individuellen Merkmale genauer erkennen und fortentwikkeln und auf diese Weise seine Position im Netzwerk der sozio-politischen Interaktion verbessern.

Noch immer gibt es eine Reihe von Bereichen, in denen wenige Menschen die Entscheidungen für andere treffen: Wie sollen unsere Kinder spielen? Wie sollen sie lernen? Welche Verhaltensregeln gelten in Familie und Gesellschaft? Wie versorgen wir die alten Menschen? Welche medizinischen Eingriffe sind gerechtfertigt? Wie definieren wir Leben und Tod? Die Menschen, die darüber entscheiden, üben eine Macht aus auf der Grundlage von Werten, die in einer hierarchisch strukturierten Lebenspraxis entstanden sind und die wir gemeinhin mit Schriftkultur und Bildung verbinden. Das muß nicht zwangsläufig so sein, vor allem wenn wir uns vor Augen halten, welche komplexen Fragen und Entscheidungsprozesse hinter diesen scheinbar so offensichtlichen Fragen stehen. Auch unser Verhältnis zum Leben und zum Tod, zu Universalität, Dauerhaftigkeit, zu nicht-hierarchischen Lebens- und Arbeitsformen, zu Religion und Wissenschaft, vor allem aber zu all den anderen Menschen, die unsere Erfahrungswelt konstituieren, wird sich verändern. Unser Begriff von Politik wird neu definiert werden müssen, wenn wir die Individualität neu definieren als eine durch umfangreiche Zeichensysteme konstituierte Interaktionsinstanz, und nicht mehr nur als eine Identität, die sich in einer Allgemeinheit verflüchtigt, in welcher Individualität gnoseologisch aufgehoben ist.

Falsche Vermutungen

Die Geisteswissenschaften haben sich in einzelnen Fällen den Herausforderungen gestellt, die sich aus der immer zentraleren Rolle der Naturwissenschaften und der damit einhergehenden Marginalisierung der schriftkulturell bezogenen Geisteswissenschaften ergeben. Dies geschieht nicht ohne das entsprechende Selbstbewußtsein und nicht ohne eine provokante Note. So behauptet George Steiner, daß kein Forschungsergebnis der Genetik an das heranreicht, was Proust über den Zauber oder die Last von Abstammung und Blutsverwandtschaft zu sagen hat. Eine solche Feststellung ist weder wahr noch falsch, denn es gibt für sie keine objektiven Kriterien. Eine solche Feststellung besagt lediglich, daß in Steiners Lebenspraxis nicht die Pragmatik der Genetik, sondern die Pragmatik der Literatur und Literaturwissenschaft die zentrale Rolle spielt. Diese Tatsache ist nicht zu widerlegen und ihr ist nichts hinzuzufügen. Aber abgesehen davon heißt das keineswegs, daß für die Mehrheit der Menschen, die vermutlich nie etwas von der Genetik verstehen werden, diese nicht doch erhebliche Folgen hat. Wir könnten weitere Beispiele anführen. Der Hinweis, daß Othellos Worte über die vom Tau rostigen, blanken Schwerter uns mehr über die sinnliche, vergängliche Wirklichkeit erfahren lassen als die Physik es je wollte und könnte, entbehrt nicht einer gewissen rhetorischen Eleganz, verkennt aber die Tatsache, daß die physikalischen Berechnungen über die ersten Minuten oder Sekunden bei der Entstehung des Universums ebenso metaphysisch und bewegend sind wie irgendein Beispiel aus den Künsten oder der Philosophie. Die Naturwissenschaften sind lediglich von unterschiedlichen Erkenntnisinteressen geleitet und drücken sich in einer jeweils anderen Sprache aus. Als solche sind sie jedoch eine Herausforderung für jegliches Denken und Empfinden und für die Art und Weise, wie wir uns unserer selbst und anderer, wie wir uns des Raumes und der Zeit bewußt werden; sie stellen somit auch eine Herausforderung für die Literatur dar, deren Entwicklung im übrigen in dem Maße zu stagnieren scheint, indem sich das Potential der Schriftkultur erschöpft hat. Sie muß sich fragen lassen, inwieweit diese Art des Schreibens den neuen Erfahrungen von Selbstkonstituierung und Identitätsfindung in dem heutigen Stadium jenseits der Schriftkultur noch gerecht wird. Wie lassen sich solche Fragen überhaupt beantworten? Gar nicht oder ganz einfach: Das Ausmaß, in dem irgend etwas—Kunst, Arbeit, Wissenschaft, Politik, Sexualität, Familie—etwas bedeutet, ergibt sich aus den Formen der Selbstkonstituierung, die der Mensch findet, und kann von nichts durch außen diktiert werden, nicht einmal durch unsere humanistische Tradition. Die Luft, ob sauber oder verschmutzt, ist wichtig, soweit sie zur Lebenserhaltung beiträgt. Homer, Proust, Van Gogh, Beethoven oder auch der unbekannte Künstler eines afrikanischen Stammes sind alle wichtig, sofern sie Teil einer bestimmten Form menschlicher Selbstsetzung sind. Menschen erfahren und bestimmen ihre natürliche Wirklichkeit, indem sie ihre biologische Anlage in die Welt hineinprojizieren—wir alle atmen, sehen, hören, benutzen unsere Körperkraft und erkennen die Welt. Die Erfahrung der Selbstkonstituierung kann sich in ganz einfachen Formen, etwa der Nahrungsoder der Schutzsuche, vollziehen oder sehr komplex verlaufen—durch das Komponieren oder den Genuß einer Symphonie, eines Bildes, eines literarischen Werkes oder aber auch durch Nachdenken über die eigene Lage. Und wenn man für diese Erfahrung einen Stein oder einen Stock benötigt, ein Geräusch, einen Rhythmus, oder wenn sich das Individuum in eine Plastik oder ein Musikstück hineinprojiziert, dann ist die Bedeutung eines jeden solchen Elementes durch den pragmatischen Zusammenhang im Vollzug der Selbstkonstituierung bestimmt.

Es gibt zahlreiche Zusammenhänge, aus denen auch die Bedeutung von Erfahrungen hervorgeht, die auf der Schriftkultur basieren. Geschichte zum Beispiel, auch in den rechnergestützten oder genetischen Formen, gehört zweifellos dazu. Eine Reihe auch heute wichtiger praktischer Erfahrungen ist aus der Schriftkultur erwachsen: Bildung und Ausbildung, die Massenmedien, politische Arbeit und industrielle Produktionsweisen. Das heißt aber nicht, daß diese Bereiche auf ewig an die Schriftkultur gebunden sein müssen. Wichtige, noch heute bedeutsame Formen der Lebenspraxis, wie z. B. das Handwerk, sind der Schriftkultur vorausgegangen. Informationsverarbeitung, Visualisierung nichtalogorithmischer Rechenverfahren, Genetik und Simulation sind ebenfalls aus einer Pragmatik heraus entstanden, die an die Schriftkultur gebunden war. Gleichwohl sind sie relativ unabhängig von ihr. Einer anderen Feststellung George Steiners wollen wir zustimmen, nämlich, daß wir die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, daß die Beschäftigung mit Literatur zukünftig eher von marginaler Bedeutung sein wird, ein wichtiger Luxus wie die Bewahrung des Alten. Nur müssen wir seine These von der Literatur auf die gesamte Schriftkultur ausweiten.

Die Einsicht, daß wir die Schriftkultur hinter uns lassen müssen, kann sich nur mühsam durchsetzen und steht durchaus im Widerspruch zum gegenwärtigen modus operandi jener Wissenschaftler und Pädagogen, die fest in der Schriftkultur und in der Tradition verwurzelt sind, so sehr, daß sie den Verlust der Schriftkultur mit dem Verlust der fundamentalen Dimension des Menschen gleichsetzen. Sie gehen fälschlicherweise davon aus, daß der Erfahrungsbereich der Sprache identisch mit dem der Schriftkultur ist. Wir wissen, daß das nicht stimmt. Mündlichkeit, die heutzutage viel wichtiger ist, als es die Mehrheit von uns realisiert, und darüber hinaus in vielen Sprachen ohne ein Schriftsystem fungiert, bildet die Grundlage sehr ausdrucksreicher und vielfältiger Erfahrungen in der heutigen Welt.

Seit den frühen Argumenten der Antike gegen die Schriftlichkeit ist immer wieder Kritik an den beengenden Auswirkungen der Schriftkultur vorgebracht worden, die, so die Argumentation, die zahlreichen Dimensionen der Sprachen beschränkt, indem sie den Menschen regelhafte Verwendung aufzwingt. Auch hier können wir Steiners pluralistischer Ansicht folgen, derzufolge die Sprachmatrix keineswegs die einzige Form sein müssen in der sich geistige Arbeit vollzieht und artikuliert. Ikonen und Musik dienen ihm als Beispiele für eine auf Geist und Empfindungen gründende Wirklichkeit, die andere kommunikative Energien freisetzt. Er erinnert daran, wie sich unter dem Einfluß Leibniz und Newtons die Mathematik als eine eigene dynamische Sprache entwickelt hat, die es Mathematikern unterschiedlicher Kulturkreise ohne Kenntnis der jeweiligen anderen Sprache ermöglicht, mit Hilfe ihrer mathematischen Symbole, gewissermaßen in stiller Kommunikation, gemeinsam zu arbeiten.

Netzwerke kognitiver Energie

Chemie, Physik, Biologie und eine ganze Reihe anderer Erfahrungsbereiche haben ihre eigene Sprache entwickelt. Das Ausdrucksmedium, innerhalb dessen sich eine bestimmte Erfahrung ergibt und äußert, ist nicht bloß deren passive Ausdruckskomponente; es weist vielmehr durch alle seine Merkmale die Notwendigkeit auf, mit der es aus der spezifischen Erfahrung heraus entstanden und daher zugleich ein konstitutiver Bestandteil dieser Erfahrung geworden ist. Das gilt für alle Sprachen und für alle Entwicklungsstufen der einzelnen Sprachen. Dementsprechend tragen alle Entwicklungsstadien der Schrift ihre eigenen Charakteristika und verfolgen unterschiedliche Funktionen.

Alle Merkmale, die wir mit Schriftlichkeit und Schriftkultur verbinden, kennzeichnen eine Grundstruktur praktischer Erfahrungen, Werte und Sehnsüchte, die in der Druckmaschine verkörpert sind. Linearität und Sequentialität sind die Modi des Maschinenzeitalters, denen auch die Schriftkultur unterworfen ist: als Sprachmaschine, die den Sprachgebrauch vereinheitlicht. Der sequentielle Modus wird auch für elaboriertere Arbeitszusammenhänge wie etwa für vollautomatisierte Produktionsketten kennzeichnend bleiben. Gleichwohl werden sich daneben auch Parallelfunktionen durchsetzen. Handlungsabläufe ähnlicher und unterschiedlicher Art, die sich gleichzeitig an verschiedenen Orten vollziehen, unterscheiden sich qualitativ von sequentiellen Tätigkeiten. Die sich daraus ergebenden veränderten Bedingungen der Selbstkonstituierung setzen neue kognitive Merkmale und entsprechend neue, effizientere kognitive Ressourcen frei. In der deterministischen Komponente, die wir aus den schriftkulturell bestimmten Erfahrungen in unsere Zeit hinüber genommen haben, spiegelt sich unser Denkund Erfahrungsmuster von Aktion und Reaktion, Ursache und Wirkung. Dieser dualistische Grundzug setzt sich fort in den Unterscheidungen unseres Sprachgebrauchs zwischen richtig und falsch und in der dazugehörigen Logik.

Eine ganze Reihe unserer pragmatischen Effizienzerwartungen mündete auch in den Versuch, eben diesen deterministischen Denk- und Arbeitsmodus zusammen mit Linearität, Sequentialität und Dualismus zu überwinden. Eine neue Grundstruktur führt zu einer durch nicht-lineare Relationen, durch eine andere Dynamik, durch Konfigurationen und Systeme mehrwertiger Logik ausgewiesenen Pragmatik, die Zentralismus und Hierarchien durch (Um-) Verteilung der Aufgaben und nicht-hierarchische Interaktionsformen ersetzt. Die weltweite Vernetzung verleiht ihr globale Dimensionen, wobei die neue, integrative Rolle der Vermittlung die Effektivität dieser Lebenspraxis entscheidend erhöht. Anstelle der tradierten analytischen Strategien setzen sich dadurch aber auch synthetisierende Ansätze zu einer Gesamtschau aller partikularen Hypothesen durch. All das läuft auf eines hinaus: Die Weiterentwicklung von Computern in Leistungsfähigkeit und Design, ihre Produktion, Distribution und vor allem ihre Integration in unser Leben; die Anwendungsbereiche reichen dabei von der simplen Datenverwaltung zur hochentwickelten Simulation, und dies stets vor einem globalen Horizont.

Die klügsten Köpfe aus vielen Ländern sind heute an der Entwicklung von neuen Rechnerkonzepten beteiligt. Viele unterschiedliche Berufsfelder tragen zur Entwicklung von Computern bei, Maschinenbau, Chipdesign, Betriebssysteme, Telekommunikation, Ergonomie, Interfacedesign, Produktdesign und Kommunikationsforschung. Die Leistungsskala unterscheidet sich dabei von allem, was wir bislang kennengelernt haben. Bevor ein solcher Computer als Hardware und als Software auf unseren Schreibtischen landet, sind alle seine Funktionen modelliert, simuliert und schließlich getestet worden; er verkörpert zahllose Hypothesen und Ziele, die im neuen Produkt zu einer leistungsfähigen Synthese zusammengefügt worden sind.

Für die neue Pragmatik jenseits der Schriftkultur wird die Digitalisierung zu einer zentralen Ressource, so wie Elektrizität und andere traditionelle Ressourcen in der Vergangenheit zur Steigerung menschlicher Effizienz angezapft wurden. Die Digitalisierung wird in den kommenden Jahren unser Leben bestimmen. So wie die Industrie im Industriezeitalter bestrebt war, jeden Haushalt mit Autos und anderem Gerät auszustatten, so möchte sie heute auf jedem Schreibtisch einen Computer sehen. Die Priorität sollte aber nicht darin liegen, jedermann mit Geräten auszustatten, sondern jedem einen Zugang zu den Computerressourcen zu verschaffen. Und diejenigen, die sich mit dem Internet und dem World Wide Web noch nicht haben anfreunden können, sollten sich darüber klar werden, daß sie nicht etwa wegen ihres Surfingpotentials oder ihrer enormen Publikationsmöglichkeiten so vielversprechend sind, sondern als Zugang zu kognitiven Energien, die über das Netzwerk transportiert werden.

Unebenheiten und Schlaglöcher

Mit neuen Möglichkeiten stellen sich auch neue Risiken ein. Zu Fuß zu gehen ist weniger riskant als zu reiten, Fahrrad oder Auto zu fahren. Mit dem Flugzeug können wir uns zu jedem Punkt auf dem Erdball bringen lassen, aber damit sind wieder größere Risiken verbunden. Die von uns neu erschlossenen kognitiven Ressourcen sind effizienter als Wasserkraft, Dampfmaschine und Strom; aber in dem Maße, in dem wir sie in unsere Lebenspraxis integrieren, nehmen wir entsprechende Unwägbarkeiten in Kauf. Simulierungen komplexer und waghalsiger Projekte lassen sich nicht mit Städtebauprojekten oder massiven technischen Eingriffen in die Natur vergleichen, wie sie unter kognitiven Voraussetzungen von geringerer Komplexität in vergangenen Zeiten durchgeführt worden sind. Natürlich sind nicht zustande kommende Verbindungen im Internet oder entsprechende Störungen im World Wide Web in den Anfangsstadien zu erwarten und ganz normal. Wir sollten indes auch niemals vergessen, daß kognitive Zusammenbrüche sehr viel mehr bedeuten als den Zusammenbruch eines Betriebssystems oder einer Anwendung im Netz, und daß sie entsprechende Folgen zeitigen.

Bei der Entwicklung der neuen Sprachen in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und den Künsten lernen wir mehr über uns, als wir in der gesamten bisherigen Menschheitsgeschichte gelernt haben. Diese Sprachen verbinden das in diesen Bereichen akkumulierte Wissen mit unseren genetisch angelegten, auf Intellekt und Emotion gründenden kognitiven Prozessen. Die damit einhergehenden Veränderungen im allgemeinen Zuschnitt des Menschen spiegeln sich in seinen verbesserten Fähigkeiten im Umgang mit Abstraktionen, in der fortschreitenden Verlagerung von Unmittelbarkeit auf Vermittlung und in neuen zwischenmenschlichen Verpflichtungen, die sich aus bislang unerreichten Ausdrucks-, Kommunikations- und Bezeichnungsmitteln ergeben.

Im Verlauf dieser Entwicklung wurden uns zugleich ernsthafte Grenzen aufgezeigt. Zwar hat sich unser Wissen erweitert und vertieft, gleichzeitig ist es aber auch für den einzelnen zusammenhangloser geworden. Die von uns entwickelte Effizienz setzt uns auch Bedrohungen aus, die mehr an die primitiven Stadien des Menschen als an die vermeintlichen geistigen Errungenschaften anknüpfen. Die neuen Möglichkeiten verändern Politik und Wirtschaft, vor allem anderen verändern sie jedoch die Natur menschlicher Beziehungen und Transaktionen. Und sie verändern unser Zukunftsverständnis.

Orwells Big Brother ist weiterhin allgegenwärtig, allerdings in einem anderen Sinn, als Orwell ihn verstand. In den sich abzeichnenden Interaktionsstrukturen können sich Kontroll- und Unterdrückungsmechanismen nicht so durchsetzen wie in zurückliegenden Gesellschaftsformen. Nicht unsere Begeisterung für das Internet, sondern dessen Natur konstituiert einen nicht kontrollierten, herrschaftsfreien Handlungsrahmen; es läßt sich einfach nicht wie unsere Fahr-, Trink- und Lebensgewohnheiten überwachen. Wir können uns gar nicht leisten, die in den jenseits schriftkultureller Dominanz entwickelten Systemen angelegte Transparenz zu vernachlässigen oder zu mißbrauchen. Einige Parameter können wir beeinflussen, nicht aber ihr globales Funktionieren. Die durch die parallel verlaufenden, hochspezialisierten und verzweigten Arbeitsabläufe erforderliche Integration könnte sich in einem vernetzten System, das durch alle möglichen Kontrollfilter und Vertraulichkeitsnischen behindert ist, gar nicht entfalten. Das wäre so, als müßten wir bei jeder körperlichen Tätigkeit den einzelnen Gliedmaßen und Organen des Körpers eine Einsatzerlaubnis erteilen. Im neuen pragmatischen Zusammenhang übernehmen die einzelnen Individuen dieselbe Funktion von Gliedern und Organen, deren individuellen Beiträge sich zu einem großen Zusammenhang fügen. Darin liegt eine enorme Leistung, die auch nicht immer so ergiebig und befriedigend ist, wie wir es erwarten, und die sich in ihrer Komplexität dem einzelnen fast immer entzieht. Feedback ist zwar ein sichtbarer, nicht aber der wesentliche Teil dieses Systems.

Die Authentizität einer jeder unserer Handlungen trägt zur Integrität des gesamten Prozesses bei. Damit verbunden ist jedoch eine gewisse Insularisierung und eine Entfremdung vom Ganzen und vom übergeordneten Ziel: höhere Erwartungen durch größere Leistungen zu erfüllen. Andererseits sehen wir uns mit einer ganz neuen Art der Selbstbestimmung und mit neuen Interaktionsformen versehen, die viel menschlicher sein können als die Lebens- und Arbeitsbedingungen des Industriezeitalters, in dem der einzelne Mensch ameisengleich zwischen Wohnung und Arbeitsplatz, Einkaufszentrum und Freizeitbeschäftigung pendelte. Kein Big Brother wacht über uns, jeder einzelne ist auf gleiche Weise eingebunden und findet jeden gewünschten Zugang zu allen Teilen des Systems. Ohne Transparenz wäre das gar nicht zu bewerkstelligen. Damit aber können und müssen wir auch jederzeit unseren Beitrag zum Ganzen überprüfen. Es wäre oft bequemer, sich einer vorgegebenen Autorität zu unterwerfen, als sich durch die Feedback-Mechanismen vor sich selbst verantworten und die eigene Leistung beständig überprüfen zu müssen. Die Last der Verantwortung ist von Big Brother, von bürokratischen Instanzen und Gängelungen auf jeden einzelnen übergegangen.

Es erscheint nunmehr ratsam, für einige wichtige, durch diese
Veränderungen besonders betroffenen Bereiche die notwendigen
Handlungsmaßnahmen zu skizzieren. Wenn die an Schriftkultur und
schriftkultureller Bildung orientierten Formen unserer Erziehung und
Ausbildung nicht mehr leistungsfähig sind, dann bedarf es neuer, in
die Zukunft gerichteter Haltungen und Einstellungen und konkreter
Entwürfe, die sich in voller Kenntnis der tragenden
Entwicklungskräfte den Herausforderungen stellen.

Die Universität des Zweifels

Schriftkulturell gebundene Erziehung geht wie alle anderen auf der Schriftkultur gründenden Tätigkeiten davon aus, daß alle Menschen gleich sind und daß jeder lesen und schreiben können muß. Wie die industrielle Produktionsweise auf standardisierte Produkte abzielte, unterzog die Erziehung den Menschen einer Standardisierung, indem sie ihn in die Gußform schriftkultureller Bildung zwängte. Zeugnisse belegen das Ausmaß der Annäherung an diesen Standard. Lese-, Schreib- und Rechenschwierigkeiten werden als krankhafte Abweichungen behandelt. Warum wir aber uniforme kognitive Strukturen beim schriftlichen Gebrauch von Sprache und Zahlen voraussetzen, nicht aber beim Gebrauch von Geräuschen, Farben und Formen, wird niemals hinterfragt. Mit enormem Aufwand widmen wir uns denen, die die Sequentialität des Schreibens nicht beherrschen oder die Bedeutung von Zahlenreihen nicht verstehen. Den kognitiven Merkmalen von Menschen, die in nichtschriftlichen Zeichensystemen besser zu Hause sind, schenken wir hingegen nicht die geringste Beachtung.

Unser Erziehungssystem muß das Individuum mit seinem umfangreichen Repertoire kognitiver Merkmale wiederentdecken. Mit wiederentdecken meine ich ganz ursprüngliche Erziehungsmaßnahmen in Einzel- oder Kleingruppen. Auch müßte die Erziehung ihre am industriellen Modell der Standardisierung orientierte Grundvoraussetzung, die von einem gemeinsamen Nenner jeglicher Erziehung ausgeht, überprüfen. Statt zu zähmen und vermeintlich Krankes zu heilen, sollten Unterschiede in Fähigkeiten und Interessenlagen nicht nur gelten bleiben, sondern gefördert werden. Jede bekannte Energieform ist Ausdruck von Differenz, nicht das Ergebnis von Gleichschaltung.

Zu der Neubesinnung auf die Aufgaben der Erziehung gehört auch, daß ihre Methoden und Inhalte überdacht werden. Visuelle, akustische, kinetische und synästhetische Phänomene müssen einbezogen werden und neben allem anderen ein günstiges Umfeld für Interaktion und Entdeckung schaffen. Die Zeit, die heute für die Aufarbeitung des Vergangenen aufgewendet wird, sollte zumindest auch genutzt werden, um den Bezug zur Gegenwart und, wenn möglich, zur Zukunft herzustellen.

Die Grunderziehung sollte sich den wesentlichen Ausdrucks- und Kommunikationsformen widmen, die Unterschiede zwischen den jeweiligen Zeichensystemen hervorheben und alle an diese Systeme und an deren sinnvolle Verknüpfungen heranführen. Die Einübung in diese Zeichensysteme kann nur über deren praktischen Gebrauch geschehen, nicht über Anweisungen und theoretisch ersonnene Übungen. Im konkreten Umgang mit ihnen kann der Schüler erfahren, wie sie anzuwenden sind; richtige und falsche Antworten ergeben sich aus den jeweiligen pragmatischen Kontexten ihrer Verwendung. Gemeinsames Lernen in Form von Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch steht im Vordergrund.

Ein fundamentales pädagogisches Prinzip muß dabei die heuristische Suche sein, die sich in Programmen für weitergehende Untersuchungen ausdrückt. Solche Programme haben viele Sprachen: Schriftlichkeit, Mathematik, Chemie, computergestütztes Rechnen usw. Da Menschen unterschiedlichster Herkunft in die Lernprozesse eingebunden sind, bringen sie die Erfahrungen ihrer jeweiligen Sprachen mit ein. Welcher Zugang zu einem gegebenen Problem dabei der richtige ist, ergibt sich aus der Relevanz für die jeweils gestellte Aufgabe. Dabei wird vermutlich nicht selten das Rad neu erfunden. Aber auch das Gegenteil wird denkbar: die freigelegte authentische Kreativität und der geförderte Erfindungsreichtum können durchaus zur Entdeckung neuer Räder führen. Die an solchen Lernprozessen teilhabenden Schüler teilen ihre Erfahrungen miteinander und finden so Zugang zu den vielfältigen Perspektiven der Beteiligten und damit zur Vielfalt der Menschen.

Interaktives Lernen

Erziehung, Bildung und Ausbildung müssen lebendige Prozesse sein, die den Zugang zu allen Informationsquellen garantieren, nicht nur zu denen im Schriftformat. Jede Informationsquelle hat ihre eigene epistemologische Voraussetzung—eine gedruckte Enzyklopädie unterscheidet sich von einer elektronischen Datenbank. Die Lektüre eines Buches ist etwas anderes als der Umgang mit einer multimedialen Plattform. Diese Unterschiede stellen sich bei der Verwendung ein, nicht im passiven Erlernen oder durch Nachahmung. Das Erziehungsziel darf nicht darin liegen, Verhaltensmuster nachzuahmen, sondern Wissen und Fähigkeiten in Vorgängen und konkreten Handlungsabläufen zu erwerben. Nach diesem Erziehungsmodell setzen sich Klassen aus Interessengruppen mit gemeinsamen Zielen zusammen, sie sind nicht durch Altersstufen, festgelegte Fächer oder gar durch verwaltungstechnische Prinzipien definiert. Der Klassenraum ist die Welt, nicht ein aus Ziegelsteinen und Mörtel umgrenzter Raum, in dem stereotype Rollen und Beziehungen eingeübt werden. Das mag alles vielleicht etwas unüberlegt oder überzogen klingen, aber die Mittel zur Verwirklichung solcher Erziehungsideale stehen zur Verfügung.

Wir können uns folgendes Szenarium vorstellen: Nach einer ersten Grunderziehungsphase besuchen die Schüler interaktive Bildungszentren. Dabei soll der Begriff des Zentrums keineswegs an schriftkulturelle Bildungsmerkmale anschließen. Diese Zentren sind vielmehr Sammelpunkte für die vielfältigen Wissensrepositorien—Datenbänke, Programme zur Erprobung unterschiedlichster Erfahrungsbereiche, Beispiele und Evaluationsmaßnahmen. Diese Zentren offerieren jederzeit modifizierbares und ergänzungsfähiges Wissen in allen erdenklichen Formaten. Auf Wunsch können eigens dafür entwickelte Programme (sogenannte intelligent agents) entsprechende Wissensquellen erschließen, sei es mit Hilfe derer, die ihrer bedürfen, unabhängig von oder parallel zu ihnen. Der Wunsch kann mündlich artikuliert werden ("Ich wüßte gern…"), handschriftlich, maschinell oder graphisch. Interaktive Bildungszentren vereinigen die Funktionen von Büchereien, heuristischen Erprobungsfeldern, Laboratorien, Testverfahren und Forschungsmedien. Die hybride Maschine aus menschlichen Individuen und Funktionen, die den Kern eines solchen Zentrums ausmacht, verändert sich in dem Maße, in dem das in die Interaktion verwobene Individuum sich ändert.

Wir alle wissen, daß das Lehren die beste Art des Lernens ist. Daher sollten die an das neuronale Netzwerk angeschlossenen Teilnehmer ihre Partner an ihren Erfahrungen teilhaben lassen, soweit diese deren eigene Interessengebiete berühren. Die miteinander verbundenen neuronalen Netzwerke selbst werden ihrerseits zu Partnern bei der Verfolgung von immer komplexeren Zielen. Und da die Kriterien, nach denen sich die Interaktionspartner finden, nicht durch Wohnort und Schulbezirk, Alter oder Herkunft, sondern allein durch gemeinsame Interessen und unterschiedliche Perspektiven bestimmt sind, gewinnt dieser neue Bildungstypus auch eine erhebliche soziale Bedeutung: Alles was wir tun, wirkt sich auf die gesamte Welt aus.

In unserem Modell werden gemeinsame Interessen verfolgt, Ergebnisse verglichen, Fragen verbreitet. Auf diese Weise eignet man sich Denkweisen an, lernt Hypothesen zu überprüfen und Fortschritte festzustellen. Lehrer und Erzieher können sich frei von Verwaltungspflichten auf die entscheidenden Lernprozesse konzentrieren; statt immer wieder Vergangenes aufzuarbeiten, entwickeln sie Interaktionsmöglichkeiten, in denen sich die Schüler lernend entfalten. Auch die Lehrer werden in den Interaktionsprozeß einbezogen, sind an der allmählichen Entwicklung des Wissens beteiligt und entwickeln sich damit selbst weiter. Sie bleuen ihren Schülern nicht die Disziplin einer beherrschenden Sprache ein, sondern öffnen Wahlmöglichkeiten für kurz- oder längerfristiges Engagement.

Und wenn die Schüler nicht mehr eine verbindliche Sprache aufoktroyiert bekommen, sind sie auch von den Fesseln aufgetragener Übungspflichten befreit. Sie treffen ihre eigene Wahl und übernehmen damit ein hohes Maß an Selbstverantwortung. Dabei werden Unterschiede zwischen den Schülern zutage treten, aber gleichzeitig wird auch die Einsicht geschärft, daß bei kooperativer Interaktion das Anderssein ein hohes Gut und kein Nachteil ist. Das Erlebnis, Eigenes zu entdecken und sich in große Zusammenhänge kooperativ einbinden zu können, praktische Erfahrungen nicht im Lernspiel nachzuahmen, sondern selbst zu vollziehen, ist der beste Nährboden für motiviertes Lernen.

Die Begleichung der Rechnung

Auch die Finanzierung der Ausbildung würde auf neue Grundlagen gestellt und von denen getragen, die den Nutzen daraus ziehen. Ein Unternehmen, das an gut ausgebildeten, am Arbeitsmarkt orientierten Schülern interessiert ist, dürfte dafür ohnehin besser geeignet sein. Auch fallen die Kosten wesentlich geringer aus, da die Interaktionskonfigurationen weder aufwendige Schulgebäude noch hohe Verwaltungskosten erfordern. Die Ausbildung würde sich nicht mehr an einem fiktiven Arbeitgeber ausrichten, sie wäre Teil von Industrie, Dienstleistungsbetrieben, Behörden und Kleinbetrieben. Sie würde sich orientieren an praktischen Erfahrungen und tatsächlichem Bedarf, nicht an unbestimmten Erziehungsidealen, die sich nach Abschluß einer teueren Ausbildung als hohl und nutzlos erweisen. Entsprechend gut ist die Motivation der Schüler, die sich in Betriebe eingebunden fühlen, deren zukünftige Bilanz von der Leistung der von ihnen Ausgebildeten abhängt. Aber wird die Wirtschaft sich darauf einlassen? Heute sieht sie sich jedenfalls in der paradoxen Situation, daß sie über eine am Berufsmarkt vorbeigehende Ausbildung klagt, die im übrigen viele Merkmale trägt, die auch die überholten, ineffizienten Formen des Geschäftslebens kennzeichnen.

Die Absolventen solcher Ausbildungsgänge können ab einem gewissen Kompetenz- und Selbstvertrauensgrad ihr Schicksal eigenständig in die Hand nehmen, weiterführende Ausbildungswege beschreiten oder im Unternehmen, das ihre Ausbildung getragen hat, eine Aufgabe übernehmen. Vor allem können sie die selbstgewählten und erprobten kognitiven Fähigkeiten ausbauen. Es wird analytisch oder synthetisch orientierte Menschen geben, viele werden die erlernten Fähigkeiten zur Bildung und Erprobung von Hypothesen erweitern. Manche werden ihren Neigungen zu induktivem Arbeiten folgen, empirisch arbeiten, beobachten und daraus allgemeine Schlußfolgerungen ziehen; andere werden das deduktive Arbeiten vorziehen, von allgemeinen Gesetzmäßigkeiten auf konkrete Anwendungen übergehen. Wieder andere werden sich mit Ableitungen beschäftigen, das Wissen über einen repräsentativen Satz von Phänomenen auf umfangreichere Tatsachenbestände oder Abläufe übertragen.

Keine dieser kognitiven Möglichkeiten sollte verboten, ausgeschlossen oder nachgeordnet werden, solange die menschliche Integrität in allen Aspekten gewahrt bleibt und die Interaktion von Menschen in allen ihren denkbaren Formen ausgeübt wird. Unsere derzeitigen Erziehungs- und Bildungsmethoden fördern integritätshemmende Motivationen; was zählt, ist das für das Zeugnis relevante Ergebnis, ungeachtet der Tatsache, wie es erreicht wurde und was es zur Persönlichkeitsbildung beiträgt. Im gegenwärtigen Bildungssystem stellt sich Integrität allenfalls zufällig ein. Die gemeinsame Arbeit an einem Projekt hingegen fördert die gegenseitige Verantwortung für das angestrebte Ergebnis. Und da das Ergebnis für die zukünftige Entwicklung eines jeden Beteiligten entscheidend ist, erschöpft sich die Ausbildung nicht mehr in Zensuren und Zeugnissen, sondern orientiert sich an der erfolgreichen Zusammenarbeit in der Verfolgung eines gemeinsamen Ziels.

Durch Zwang läßt sich nichts vermitteln und nichts erreichen. Ein bestimmter Standpunkt gegenüber einer Sache oder Werten außerhalb des unmittelbaren Lebenszusammenhangs werden nur in einer lebenspraktischen Erfahrungslage als notwendig erfahren. Wer gezwungen wird, Daten aus Shakespeares Leben und Passagen aus seinen Werken auswendig zu lernen, wird seine Dramen weder verstehen noch schätzen. Aber ein zwangfreies Angebot von Kunst und Wissenschaft, Sport und Unterhaltung, Politik und Religion, Ethik und Rechtssystemen in vielfältigen didaktisch-methodischen Formen wie interaktiven Medien, Büchern, Kunstwerken, Datenbänken und Interaktionsprogrammen bietet die Möglichkeit eigener Entdeckungen und Erfahrungen. So wichtig alle genannten Bereiche sind, wir dürfen niemals vergessen, daß Erziehung nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie die Schüler einigermaßen glücklich und zufrieden macht. Jede Erziehungsmaßnahme, gut oder schlecht, greift in irgendeiner Weise in den Menschen als eine natürliche Einheit ein. Das heißt, daß es im Erziehungsprozeß immer auch Spannungen geben muß; aber statt nur diejenigen zu belohnen, die sich leichter akkulturieren lassen, sollte die Erziehung auch komplementäre Faktoren berücksichtigen. Damit befürworte ich weder interaktives Lernen am Strand oder auf dem Skihügel noch die totale und bedingungslose Einbindung in die Arbeitswelt. Aber wenn sich die Erziehung schon vom Modell industrieller Abläufe lösen sollte—fabrikähnliche Gebäude, Unterricht, der nach Pinzipien der Schichtarbeit und der Teilung von Arbeit, Freizeit und Urlaub organisiert ist—, dann sollten die Schüler den Unterrichtsrhythmus auch besser mit ihren natürlichen Lebensrhythmen vereinbaren können. Statt ständiger physischer Anwesenheit aller zu bestimmten Zeiten sollte sich eine interaktive und kooperative Kreativität entfalten dürfen, die Raum bietet für das Spielerische, Natürliche und Zufällige.

Das klingt vielleicht weit hergeholt, aber es liegt tatsächlich noch in weiter Ferne. Selbst wenn die großen Computerfirmen überall auf der Welt Interaktionszentren einrichten würden, hätte dies keine weitreichenden Veränderungen zur Folge. Zu tief sind die Lernhaltungen der Schüler in den traditionellen Erwartungen verwurzelt. Es läßt sich leichter Übereinstimmung darüber erzielen, was am gegenwärtigen Bildungssystem gut ist, als darüber, was geändert werden könnte und müßte. Aber jeder einzelne kleine Kern selbstorganisierten Lernens, der sich in Online-Klassen mit netzwerkspezifischen Fragestellungen beschäftigt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Überall dort, wo sich der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften besonders dringlich stellt—rechnergestützte Genetik, Nanotechnologie, nicht-lineares elektronisches Publishing—, bietet das hier vorgestellte Modell eine Chance. Wir können nicht mehr erwarten, daß unser Bildungssystem qualifizierten Nachwuchs heranbildet, ohne daß die an diesem Nachwuchs interessierten Firmen an den Kosten dafür beteiligt werden. Statt Stiftungslehrstühle für traditionelle Wissenschaftsdisziplinen bereitzustellen, sollten die Unternehmen in die Ausbildung und die lebenslange berufliche Weiterbildung investieren.

Solange wir davon ausgehen, daß nur derjenige ein guter Architekt wird, der Geschichte, Mathematik, Biologie beherrscht und dazu noch weiß, wer Vitruvius war, halten wir an den überkommenen Regeln der Schriftkultur fest. Die Frage ist auch falsch gestellt. Denn sie unterstellt, daß man im voraus wissen kann, was für veränderte pragmatische Zusammenhänge wichtig wird und wie diese sich darstellen. Die Inhalte verändern sich, die Proportionen verändern sich, vor allem aber verändert sich der Lebenszusammenhang.

Im Gegensatz zur heute verbreiteten Rangordnung zwischen den Fächern, die z. B. Zeichnen und Singen zu Nebenfächern und Lesen und Schreiben zu Hauptfächern erklärt, müssen wir die Komplementarität der einzelnen Fähigkeiten anerkennen. Unsere Erziehung sollte alle die Fähigkeiten fördern, in denen und durch die die jungen Menschen sich in einer Welt definieren, die den Kreislauf ewiger Wiederholungen durchbrochen hat und völlig neue, auf keine Vergangenheit bezogenen Ziele verfolgt. Statt Intuition und Irrationalität rundweg abzulehnen, sollten auch Selbsterkundungswege offenstehen, die sie integrieren. Eine nur auf Problemlösung ausgerichtete Erziehung ist zu eng; alternative Ziele, auf die auch Intuition, Irrationalität oder das Unbewußte hinführen, sollten erlaubt sein.

Ein Weckruf

Unser Modell vertraut bei den Schülern auf Reife und Erfahrung und bei den Erziehern auf die Fähigkeit, ein Unterrichtsklima zu schaffen, in dem sich Selbstverantwortung und Selbstdisziplin entfalten können. Es muß sich den bislang ungeklärten Fragen danach stellen, wann und mit welchen Mitteln die Ausbildung beginnt, welche Rolle die Familie darin spielt—sofern die Familie überhaupt noch ein nennenswerter Erziehungsfaktor bleibt—, wie man Vielfalt und Multiplizität integrieren kann. Öffentlichen Bekundungen nach verfolgen Erziehung und Ausbildung einen Hauptzweck: die nachwachsenden Generationen mit den Fähigkeiten auszustatten, die sie in die Lage versetzen, in der Zukunft zum nationalen Wohl beizutragen. Wenn das so ist, dann sollte die Tatsache, daß unsere wirtschaftliche Lebensfähigkeit von einer globalen Wirtschaft abhängt, die sich nicht mehr durch Landes- und Staatsgrenzen definieren oder lenken läßt, und daß Wettbewerb sich auf dem übernationalen Markt abspielt, nicht unberücksichtigt bleiben.

Insgesamt gerät, ein wenig wohl auch in unserem Modell, die Entfaltung des Individuums durch die Entwicklung seiner geistigen und seelischen Fähigkeiten in Vergessenheit oder wird dem Einschärfen von Fakten und Fertigkeiten untergeordnet. Ästhetische Sensibilität, subtilere geistige Interessen, auch der Erfahrungsreichtum der Gefühlswelt, bleiben sich selbst genügende persönliche Interessen. Die Menschen sehen sich einer Arbeitswelt ausgesetzt, die mit der von Pädagogen, Wirtschaftsvertretern und Politikern antizipierten Berufswelt wenig zu tun hat und immer fragmentarischer und vermittelter wird. Letztendlich wird fast jede Arbeit zu einem "Job" statt zu einem Beruf. Ärzte, Professoren, Geschäftsleute, Schreiner und Fast-food-Verkäufer üben Tätigkeiten aus, die zumindest teilweise automatisiert werden könnten. Damit verliert die Arbeit ihre wichtigste Motivationsgrundlage—die Entfaltung individueller Anlagen zu einer persönlichen Identität. Innere Motivation wird durch äußere Begründungen—die Erhaltung der kommerziellen Demokratie—ersetzt, was schließlich zu abnehmendem Interesse an der Arbeit, geringerem Engagement und weniger Kreativität führt. Eine berufsbezogene Ausbildung verspricht Wohlstand, nicht Selbsterfüllung. Der Verfall der Familie und ein neues Sexual- und Fortpflanzungsverhalten deuten darauf hin, daß eine stärkere Einbindung der Familie in die Bildungsverantwortung, so begrüßenswert sie wäre, wohl eher die Ausnahme bleiben wird. Es wäre also geraten, daß wir uns auf die Veränderungen einstellen und Alternativen entwickeln, statt darauf zu hoffen, daß durch ein Wunder oder die göttliche Intervention des Dollars oder einer anderen starken Währung die Familie wieder zu dem wird, was sie nach den Idealen der Schriftkultur hätte werden sollen.

Zahlreiche Pädagogen haben Theorien zur Erziehungs- und Bildungsreform entwickelt. Sie ignorieren nicht etwa die neuen pragmatischen Erfordernisse, sie werden ihrer überhaupt nicht gewahr. Ihre Empfehlungen laufen daher mehr oder weniger auf dasselbe hinaus: immer das Gleiche und davon noch mehr.

Der allgegenwärtige Fernsehapparat ist das typischste Merkmal unserer Zeit. Er hat längst die Rolle übernommen, die das Buch einmal innehatte. Dennoch ist das Fernsehen ein passives Medium; sein Informationsgehalt ist trotz der gegebenen Möglichkeiten gering. Das digitale Fernsehen mit der Einbeziehung des Computers wird hier entscheidende Veränderungen mit sich bringen; es ist ein aktives Medium und fördert Interaktivität. Bildungszentren werden diese Möglichkeiten aktivieren und mit seiner Hilfe interaktive Bildungsprozesse zwischen Individuen mit unterschiedlichstem Bildungshintergrund ermöglichen. Vor allem dieses Medium wird uns den Umgang mit unterschiedlichen Sichtweisen und Perspektiven lehren und neue Erfahrungs- und Wissenshorizonte erschließen. Sie werden weniger auf Informationsvermittlung konzentriert sein als auf das Verständnis von Veränderungen und den Prozessen, die sie herbeiführen.

In diesem Zusammenhang hat auch die ästhetische Erfahrung einen Platz, nicht als Kunstgeschichte, sondern als ästhetische Erwägung und Tätigkeit, die neben den wissenschaftlichen Kenntnissen zur Optimierung der menschlichen Praxis beiträgt. Wenn sich zukünftige Lerngruppen dynamisch zusammensetzen, werden sie nach Alter, Herkunft und Vorbildung heterogen sein. Angesiedelt im öffentlichen Bereich vernetzter Ressourcen findet jeder den Zugang zu Lerngebieten seiner Wahl, Feedback ist jederzeit gewährleistet und insgesamt ein Klima kreativen Wettbewerbs geschaffen. Hieraus ergeben sich dann nicht nur wissenschaftliche und technologische Leistungen, sondern besonders auch die Relevanz ästhetischer Dimensionen.

Das schriftkulturell fixierte pädagogische Establishment wird unsere Überlegungen vermutlich als Wolkenkuckucksheim, bestenfalls als futuristisch abtun. Man wird unter Verweis auf die drängenden Probleme Sofortlösungen fordern, keine Zukunftsmodelle, die auf Selbstorganisation und Finanzierung durch die Wirtschaft setzen. Zukunftsmodelle besitzen weniger Überzeugungskraft als Pläne für die Reformierung einer Bildungspraxis, die auf eine lange Tradition und auf Leistungen in der Vergangenheit verweisen kann. Und die Öffentlichkeit wird trotz aller Kritik am gegenwärtigen Bildungssystem einige Zweifel äußern: Wie sinnvoll und seriös ist es, angesichts von Metalldetektoren in den Schulen, die die Schüler nach Waffen absuchen, eine neue Bildungstheorie zu entwerfen, die auf neue Lernhaltungen abzielt? Wie überzeugend sind Forderungen nach neuen Lernerfahrungen mit hohen ästhetischen Ansprüchen, wo doch gerade die Mittelmäßigkeit für die prekäre Lage an unseren Schulen kennzeichnend ist? Aber: Sollen wir Motivation und Eigenmotivation in einer Schulwirklichkeit, in der immer mehr Teenager schwanger zur Schule kommen oder ihre Kinder in den Unterricht mitbringen, unterbezahlten Lehrern oder Visionären überantworten? Wasser in der Wüste zu verkaufen, ist nicht so einfach, wie es vielleicht klingt.

Warum sollen wir uns nicht ausmalen, daß Lernmittel an die Computerterminals des Kennedy Space Center oder an die Supercomputer des European Center for Research of the Future angeschlossen werden? Wir können uns durchaus vorstellen, daß wir mit digitalem Fernsehen das uns Unbekannte erforschen oder eine Online-Ausbildung einrichten; denn wir leben in einer Welt, in der zur Steigerung unser aller Leistungen der Zugriff auf Ressourcen, die bislang wenigen vorbehalten waren, immer selbstverständlicher wird. Dafür müssen wir aber unsere hergebrachten Vorstellungen von einer homogenen, allgemein verbindlichen Ausbildung, die alle Individuen in dieselben Ausbildungsmuster zwängt, ob sie wollen und können oder nicht, aufgeben. Auch die besten Vorsätze, die soziale und ethnische Rücksichten nehmen und humanistische Ideale verfolgen, helfen nicht weiter. Überall auf der Welt hat die Pro-Kopf-Rate der privaten und öffentlichen Bildungsausgaben die Inflationsrate überschritten; dennoch widmen die Schüler ihre Zeit immer weniger der Schule und den schulischen Aufgaben. Das gilt für die USA ebenso wie für andere Länder mit hohen Zulassungsvoraussetzungen, also etwa Frankreich, Deutschland oder Japan.

Wir können also unser Bildungssystem nicht ohne Blick auf die allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen reformieren. Es ist nicht von den anderen gesellschaftlichen Systemen losgelöst. Schüler, Lehrer, Eltern, politische Institutionen, wirtschaftliche Realitäten, ethnische und kulturelle Voraussetzungen und die Verhaltensmuster in unserer kommerziellen Demokratie binden es in den allgemeinen pragmatischen Kontext ein. Und da herrschen provinzielle Denkweisen vor: Bürokratische Verordnungen von unübertroffener Dummheit unterbinden jegliche Veränderung, die Millionen von zukünftigen Schülern bessere Ausbildungschancen geben könnte. Was sich als Kultivierung von Geist und Seele verstanden wissen will, ist die Hochglanzpolitur eines Ladenfensters, hinter dem nur noch Ladenhüter verstauben. Welcher Sinn liegt darin, Millionen von Schülern täglich in Schulen zu schicken, deren Kosten wir nicht mehr tragen können, und sie Leistungstests zu unterziehen, deren Maßstäbe wir ständig senken müssen?

Konsum und Interaktion

Ob wir es wollen oder nicht, die Wirtschaft wird durch Konsum angetrieben. Das soll nicht gleich heißen, daß wir einen Feedback-Kreislauf begünstigen sollen, der letztendlich die Stabilität des Systems, dem wir angehören, unterminieren würde. Wenn aber Konsum die Hauptantriebskraft bliebe, würden wir uns irgendwann alle zu Tode vergnügen. Die Lösung für unser Problem ist aber nicht in politischen oder pädagogischen Moralpredigten zu suchen. Schuldzuweisungen an Konsum, Wohlstandserwartungen oder Freizeitverhalten lösen keine Bildungsprobleme. Unsere Erziehung muß den Konsumfaktor berücksichtigen und gleichzeitig den gesunden Menschenverstand fördern. Ein gewisses Qualitätsbewußtsein können wir schon dadurch anerziehen, daß wir kooperative Erziehungsprojekte fördern, die nicht nur die Produktion von Dingen, sondern auch die eigene Weiterentwicklung in den Mittelpunkt stellen. Den Generationen, deren Fenster zur Wirklichkeit die Fernsehschirme geworden sind, kann nicht zur Last gelegt werden, daß ihr Interesse am Lesen nachgelassen hat oder daß ihnen die Wirklichkeit als eine inszenierte Show erscheint, die durch halbminütige Werbespots unterbrochen wird. Die jungen Leute von heute verfügen über andere Fähigkeiten; statt sie auszuschalten, muß unser Bildungssystem ihnen dafür die angemessenen Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Das Fernsehen ist eine Tatsache in unserem Leben geworden, wir müssen sie nutzen; allerdings werden sich die Entwicklungen, die das Verhältnis zwischen den Zuschauern und den Sendern von Botschaften verändern, auch auf die Wirklichkeit des Fernsehens auswirken.

Kognitive und motorische Merkmale von Fernsehzuschauern unterscheiden sich von denen, die sich unter der Schiftkultur herausgebildet haben. Und das digitale Fernsehen wird diese Merkmale noch weiter verändern. Bücher zur Geschichte oder über andere Länder werden eine marginale Rolle in unserer Lebenspraxis behalten, aber die Fähigkeit, Bilder zu lesen und zu verstehen, Veränderungen zu erkennen und zu bewirken, Bilder zu veröffentlichen und wiederzuverwenden oder sie zu ergänzen, überhaupt die Fähigkeit, eigene Bilder herzustellen, ist für unsere Leistungsfähigkeit von entscheidender Bedeutung. Wenn es nicht gelingt, den Schüler zu fesseln und zu engagieren, werden alle Bildungsbemühungen nichtig sein. Es ist schwer zu begreifen, daß es keine absoluten Werte gibt; aber wenn nicht alle Generationen zu dieser Einsicht gelangen, werden sich die Generationskonflikte verschärfen. Dagegen ist das Fernsehen gewiß kein Allheilmittel; aber es kann eine breite Grundlage für ein gegenseitiges Verständnis dafür schaffen, wie wir uns den immer bedrohlicheren Herausforderungen stellen können. Natürlich ist von einem Fernsehen die Rede, das den in der Industriegesellschaft erworbenen Status eines Massenkommunikationsmittels abgelegt und sich zu einem Instrument persönlicher Interaktion weiterentwickelt hat.

Ein Verständnis für Unterschiede zu entwickeln, kann nicht nur die Aufgabe der Erziehung sein oder auf den Fernsehkonsum beschränkt bleiben. Dieses Problem gehört zu den wichtigen Aufgaben unseres politischen Lebens. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, und alle bekommen die gleichen Chancen, sich ihren Möglichkeiten entsprechend zu entwickeln; deshalb muß eine Gesellschaft jeglichen Anspruch auf Homogenität und Uniformität zurückstellen und alles dazu tun, die Bedeutung der Unterschiede zwischen ihren unterschiedlichen Mitgliedern herauszustellen. Die Erwartungen, die mit dieser Art von Erziehung einhergehen, richten sich auf Persönlichkeitsentfaltung und Erfüllung in den gewählten Tätigkeitsbereichen als Wissenschaftler, Tänzer, Denker, Facharbeiter, Bauer, Sportler usw. Mit anderen Worten: das Ziel ist nicht primär ein gutbezahlter Job, sondern eine befriedigende Arbeit. Die Mittel und Wege dazu wird uns weder der Staat noch irgendeine Behörde weisen. Wir selbst müssen sie entdecken, erproben und verbessern, und zwar immer im Wissen darum, daß wir an die Stelle einer starren Institution einen nach vorn offenen Prozeß setzen, aus dem heraus wir uns als gebildete und ausgebildete Persönlichkeiten entwickeln.

Läuft Erziehung in Zukunft auf eine allgemeine Handelsschule hinaus? Für die, die wollen, schon. Anderen stehen andere Möglichkeiten offen, solange wir Erziehung als ein offenes Unterfangen begreifen, das sich auf die Bildungsbedürfnisse einrichtet, die sich im Verlauf eines langen, lernwilligen Lebens ergeben. Die Ausbildung von interaktiven Kompetenzen, in Visualisierungstechnologien, im Umgang mit Internet und Datenbänken, die Sensibilisierung der Sinne als Denk- und Erfahrungsorgane—sie alle erfordern einen Lernkontext, den keine Schule und keine Universität der Welt bieten kann. Wenn aber alle bisherigen Bildungsressourcen gemeinsam zur Einrichtung der oben skizzierten interaktiven Lernzentren beitragen würden, dann hätten wir es nicht mehr mit einem maroden und finanziell bankrotten Unternehmen zu tun, sondern Wege in eine erfolgreiche Zukunft gefunden.

Die Menschen werden heute älter, die Altersstruktur der Gesellschaft verändert sich, daraus ergibt sich ein weiterer Bildungsbedarf. Zu den am stärksten anwachsenden Benutzergruppen im Internet gehört die Gruppe der älteren Menschen, die nicht nur sehr motiviert sind, sondern erstaunliche Fähigkeiten aufweisen, von denen die Gesellschaft noch besser profitieren könnte.

Der Zugang zum verfügbaren Wissen über interaktive Projekte im aufgezeigten organisatorischen Rahmen ist weder trivial noch billig. Die vernetzte Welt, alle neuen Kommunikationsmittel und auch das keineswegs mehr utopische digitale Fernsehen sind schon heute vielen und vielerorts zugänglich. Denjenigen, die bislang keinen Zugang zu dieser Technologie gefunden haben, könnte er leicht dadurch ermöglicht werden, daß die hohen Ausgaben für die derzeitige Bildungsbürokratie umverteilt werden. Statt weiterhin in Gebäude, Verwaltungsapparate, Normen und Regulierungen zu investieren, statt verfallende Schulgebäude wiederaufzubauen und all die Lehrer wiederzuverwerten, die mangels richtiger pädagogischer Herausforderungen geistig längst verödet sind, sollten wir ein neues, ein globales Bildungssystem entwerfen. Dieses würde sich nicht nur für ein Land, nicht nur für wenige reiche Länder, sondern kraft seiner allgemeinen Verfügbarkeit für die ganze Welt segensreich auswirken. Die in unabhängigen Modulen erstellten Lehrinhalte würden sich aus authentischer Arbeit, aus wirklichen Problemstellungen der Lebenspraxis ergeben, nicht aus von Lehrern erdachten und in Lehrbüchern festgeschriebenen Schulübungen.

Effizienz in der Lebenspraxis ist der einzige Erfolgsmaßstab. Zensuren werden insofern irrelevant, als sich praktische Tätigkeit, in der sich die Selbstkonstituierung von Individuen vollzieht, nicht durch Multiple-choice-Verfahren überprüfen läßt. Hier ist der Mensch in seiner Gesamtheit angesprochen, dieses Lernen führt zu persönlicher Reifung und erhöhtem sozialen Bewußtsein.

Unerwartete Gelegenheiten

Wir haben es immer wieder zu hören bekommen: Wir leben im Zeitalter des Wissens. Damit ist ein Erfahrungszusammenhang bezeichnet, dessen wesentliche Ressourcen kognitiver Natur sind. Im Zeitalter der Schriftkultur vollzog sich die Aneignung von Wissen eher langsam und erstreckte sich über eine längere Zeitdauer. Das Wissen, daß sich aus den praktischen Erfahrungen und Tätigkeiten der Industriegesellschaft ergab, lief letztendlich auf eine Erleichterung der Lebensbedingungen für den Menschen hinaus. Alles, was ursprünglich durch Muskelkraft des Menschen und seine handwerklichen Fertigkeiten geleistet worden war, wurde zunehmend Maschinen übertragen und mit Hilfe von Energieressourcen durchgeführt, die der Mensch in seiner Umwelt fand. Das menschliche Denken förderte die Weiterentwicklung von immer mehr und immer leistungsfähigeren Maschinen, die sich auf alle nur denkbaren Anwendungsgebiete erstreckten. Energie konnte auf eine so effiziente Weise eingesetzt werden, daß schließlich Maschinen Arbeiten übernahmen, für deren Durchführung die menschliche Arbeitskraft Dutzende oder Hunderte von Menschen benötigt hätte.

Zur Verdeutlichung wollen wir einige Aufgaben des Maschinenzeitalters mit denen unseres heutigen Wissenszeitalters vergleichen. In der industriellen Lebenspraxis ersetzte die Maschine die Muskelkraft und die begrenzten mechanischen Fertigkeiten, die zur Verarbeitung von Rohmaterialien, zur Herstellung von Autos, zum Waschen der Wäsche oder zum Schreiben eines Typoskripts nötig waren. Neu entdeckte Energiequellen hielten die Maschine am Laufen, so daß sie schließlich auch von der Fabrik aus die privaten Haushalte eroberte. Die Schriftkultur, die die wesentlichen Merkmale der industriellen Lebenspraxis verkörperte, hielt mit den Anforderungen und Möglichkeiten des Maschinenzeitalters Schritt. In unserem Zeitalter nun sind Computerprogramme an die Stelle der Maschine getreten; sie ersetzen das Denken und das begrenzte Wissen, daß man zur Überwachung von komplexen Produktionsanlagen benötigt, die Rohmaterialien verarbeiten und neue Materialien herstellen. Computerprogramme überwachen die Herstellung von Automobilen; sie lenken zahlreiche Funktionen in unseren Haushalten—Heizung, Waschen und Trocknen der Wäsche, Kochen, Hausüberwachung. Auch die Publikationstätigkeit im World Wide Web ist vom Computer abhängig. Alle diese Leistungen vollziehen sich in einer globalen Skala. Viele Sprachen dienen als Datenträger für jede spezielle Teilaufgabe und gehen in das Endprodukt ein. Die früheren Abhängigkeiten von natürlichen Ressourcen und von einem gesellschaftlichen Modell, das für die optimale Funktionsfähigkeit der industriellen Lebenspraxis zugeschnitten war, erübrigen sich in dem Maße, in dem sich der Fokus von Dauerhaftigkeit auf flüchtigere Interessengemeinschaften oder auf das Individuum verlagert—die eigentlichen Organisationseinheiten des Wissenszeitalters.

Kognitive Ressourcen ergeben sich aus Erfahrungen, die von denen des Maschinenzeitalters qualitativ unterschieden sind. Digitale Maschinen verbrennen weder Kohle noch Gas—digitale Maschinen verbrennen Wissen. Die Quelle eines jeden Wissens liegt bekanntlich im Geist eines jeden Menschen. Die Ressourcen des Maschinenzeitalters erschöpfen sich allmählich. Alternative Ressourcen lassen sich in den Bereichen erschließen, die üblicherweise unbeachtet blieben. Recycling und die Erfindung von Prozessen, die aus dem Verfügbaren noch mehr herausholen, müssen sehr viel stärker auf menschliches Wissen zurückgreifen als auf rohe Verarbeitungsmethoden. Dabei sind die Wissensquellen prinzipiell unbegrenzt. Wenn jedoch die kognitive Komponente unserer praktischen Erfahrungen stagnieren oder aus irgendeinem unvorstellbaren Grunde zusammenbrechen würde, dann würde mit ihr die gesamte auf dem digitalen Ablauf des Wissenszeitalters basierende Pragmatik zusammenfallen. Man stelle sich einmal vor, daß man mit einem Auto auf einer menschenleeren Straße liegenbleibt, weil der Benzintank leer ist. Was würde im Vergleich dazu passieren, wenn eine komplexe Maschine, die komplizierter als all das ist, was Science-fiction ersinnen könnte, stillstehen würde, weil sie nicht mehr von menschlichem Denken gefüttert wird?

Die Dynamik unseres Wissens, die sich irgendwo zwischen den Polen der Informationsverarbeitung und des Wissenserwerbs und der Wisssensverbreitung zum Ausdruck bringt, steht für die Dynamik unseres gesamten Lebenssystems. Das in neuen Technologien und Verarbeitungsmethoden verkörperte Wissen ist für die fundamentale Trennung des Individuums von den Produktionsaufgaben und von einer Vielzahl weiterer, nicht produktiver Tätigkeiten verantwortlich. Kein Individuum muß über das gesamte Wissen verfügen, das eine lebenspraktische Situation erfordert. Betriebsingenieure in Atomkraftwerken brauchen zum Beispiel keine großartigen Physiker oder Mathematiker zu sein. Nicht alle Arbeiter in einem Raumforschungsprogramm müssen Raumfahrtspezialisten sein. Ein Programmierer braucht nicht unbedingt zu wissen, wie ein Diskettenlaufwerk funktioniert. Ein Gehirnchirurg muß nicht wissen, wie die Instrumente hergestellt werden, die er verwendet. Jede einzelne Facette einer bestimmten pragmatischen Situation hat spezifische Erfordernisse. Die gesamte pragmatische Situation setzt jedoch ein Wissen voraus, über das ein Individuum weder verfügen kann noch verfügen sollte. Das jeweils relevante begrenzte Wissen wird heute nicht mehr einheitlich über schriftkulturelle Methoden verbreitet, es ist in Instrumenten und Methoden, nicht in Menschen eingebaut und wird auf diese Weise verbreitet. Der ungeheure Vorteil liegt darin, daß Programme und Verfahren vereinheitlicht werden, nicht aber die Menschen. Datenmanagement kann fortgeschrittenes Wissen nicht ersetzen; aber ein Datenmanagementsystem kann mit Wissen in Form von routinierten Erfahrungen, Abläufen, Handlungsschemata, Verwaltung und Selbstevaluation ausgestattet werden.

So wie jeder einzelne am reibungslosen Ablauf der mechanischen Maschine beteiligt war, ist jeder einzelne, ob Laie oder Spezialist, auch am reibungslosen Funktionieren der digitalen Maschine beteiligt. Die einzige zuverlässige Wissensquelle liegt in den Menschen, die sich in praktischen Erfahrungen entfaltet haben, welche das Digitale miteinbezog. Nicht jeder wird natürlich ein Denker, und nicht jeder produziert Wissen. Im Wissenszeitalter jenseits der Schriftkultur sind vor allem zwei Wissensquellen relevant. Die eine Quelle speist die hochspezialisierte Arbeit von Spezialisten und Forschern in hohen Abstraktionsbereichen, die weit über dem liegen, was die Schriftkultur artikulieren konnte. Die andere Quelle ist in den auf den gesunden Menschenverstand gründenden Interaktionen angelegt, in der alltäglichen Erfahrung des Menschen.

Daß das Spezialistenwissen wohl auch weiterhin in die Lebenspraxis unseres Zeitalters eingebunden bleiben wird, ist ohne Zweifel. Die spezifischen Motivationen, die zu neuem Wissen führen, müssen erkannt und angeregt werden. Auch müssen wir solche Umstände in Betracht ziehen, die sich negativ auf die neues Wissen hervorbringenden Lebensumstände auswirken könnten.

Über die zweite Wissensquelle wissen wir sehr viel weniger, denn in vorausgegangenen Lebenszusammenhängen war sie weniger wichtig und daher weitgehend ignoriert worden. Wir wissen vor allem nicht, wie wir das unbegrenzte Reservoir jener Wissensressourcen anzapfen können, die sich im Alltag und in der routinierten Arbeit des größten Teils der Weltbevölkerung manifestieren. Jedes einzelne Individuum kann mit eigenen kognitiven Ressourcen zu der allgemeinen Dynamik der Welt beitragen. Aber diese Beiträge sind zufällig, schwierig zu identifizieren und lohnen nicht immer den Aufwand, der zu ihrer Förderung notwendig ist. Viele Entscheidungen, die wir in unserem Leben treffen, beruhen auf außerordentlich wirkkräftigen Prozeduren, derer wir uns als Individuen selten oder nie bewußt werden. In manchen scheinbar banalen Verrichtungen steckt der Keim zu einem Genie. Das Abtauchen in die Tiefe der kollektiven persona scheint aber lohnenswert.

Vor einigen Jahren sprach ich mit einem prominenten Erziehungswissenschaftler, der in seinem Institut bereits mit interaktiven Simulationsprogrammen für Jugendliche arbeitete. Wir unterhielten uns über das damals sehr beliebte Computerspiel Game of Life (von John Horton Conway) und die Möglichkeit, es für neue Unterrichtsformen zu nutzen. Das Game of Life basiert auf der Theorie von Zellularautomaten und simuliert bestimmte Gesetzmäßigkeiten von Geburt und Tod. Die Spielregeln sind relativ einfach, aber innerhalb derselben laufen sehr komplexe Formen des künstlichen Lebens ab: Eine Zelle, die sich voll entwickelt, verkörpert entstehendes Leben, die gegenteilige Richtung Tod. Ziel des Spiels ist es, komplexe Lebensformen zur Ausbildung zu bringen.

Unsere Überlegung ging dahin, dieses Spiel einer großen Spielerschaft im Netzwerk weltweit zugänglich zu machen, so daß Hunderttausende von Mitspielern die Spuren ihrer kognitiven Entscheidung zurücklassen würden. Aus diesen allen würde sich die "Intelligenz" des gesamten Kollektivs herauskristallisieren, das an diesem Spiel beteiligt ist. Die so erreichte kognitive Gesamtsumme hat Gestalt-Charakter—sie ist sehr viel mehr als die Summe aller ihrer Teile, hat also eine qualitativ andere Natur, die vielleicht sogar mit der von Spezialisten oder Genies vergleichbar ist. Aber wenn wir uns die enorme Anzahl von Anwendungen vor Augen halten, die in dieses Projekt eingegangen wären und die von völlig nutzlos bis zu hoch produktiv reichen, dann läßt sich leicht ermessen, daß diese Wissens- und Intelligenzquelle viel interessanter ist als die von Spezialisten und professionellen Denkern in einem bestimmten Bereich. In dem, was wir tun und wie wir uns entscheiden, liegt mehr als nur Rationalität und Denkkraft, von schriftkultureller Rationalität gar nicht zu reden.

Bei einer solchen kollektiven persona bräuchte es sich gar nicht um die gesamte Weltbevölkerung zu handeln (abzüglich der Wissensprofis). Man könnte mit ad hoc-Gruppen beginnen, also Gruppen, die ein bestimmtes Interesse teilen oder nach einer bestimmten Information in einem alltäglichen Zusammenhang suchen. Wir würden auf diese Weise einen wichtigen Einblick in die kognitiven Ressourcen gewinnen, die im Alltag aktiv sind, und könnten davon ausgehend wichtige Prozeduren entwickeln, die die individuelle Leistungsfähigkeit im Alltag enorm erhöhen würden—und das hieße keineswegs, daß individuelles Verhalten in groteske Formen repetitiver Verhaltensmuster gezwängt würde.

Wenn wir wirklich in einem Wissenszeitalter leben, können wir uns nicht auf das Wissen weniger beschränken, so außergewöhnlich diese auch sein mögen. Jenseits der Schriftkultur ist das schriftkulturelle Modell individueller Leistung kein Garant mehr für die Leistungsfähigkeit der gesamten Gesellschaft.

Mit der zunehmenden Komplexität unseres Lebens können wir Zusammenbrüche vermutlich nur auf Kosten weiterer kognitiver Ressourcen verhindern. Es hat Jahrtausende gedauert, bis sich aus den primitiven Formen der Notation die Schrift und schließlich die Schriftkultur herausgebildet haben. Im Wissenszeitalter können wir uns einen derartig langwierigen Zyklus zur Integration der kognitiven Ressourcen nicht leisten. Es ist bedrückend zu sehen, wie wenig Gebrauch wir von der weitgehend verschwendeten Geistestätigkeit vor dem Fernsehgerät oder auch beim Surfen im World Wide Web machen. Natürlich sind Unterhaltung und Entspannung notwendig, dennoch ist die beim Zuschauen eines Fußballspiels verwendete Energie ebenso verschwendet wie beim Surfen im Web, in dem die Suche nach pornographischem Material diejenige nach Mathematik oder Literatur bei weitem übersteigt. Wenn wir aus den Computerspielen kognitive Informationen ableiten könnten, hätten wir nicht nur der Spielwarenindustrie geholfen, die die Natur des menschlichen Spiels nachhaltig verändert hat, sondern auch Einsicht gewonnen in die kognitiven und emotionalen Aspekte dieser elementaren Formen menschlicher Identitätsfindung. Neben den allgemeinen Ansichten über die Natur des homo ludens gibt es auch quantifizierbare Aspekte bezüglich Wettkampf, Vergnügen und Befriedigung im Spiel. Das Internet ermöglicht unsere Reise durch Unmengen von Daten, Informationen und Wissensquellen. Sollen wir den Zugang zu diesen kognitiven Landkarten wirklich Marketing-Experten überlassen, oder wären sie nicht doch besser verwendet, wenn wir mit ihrer Hilfe besser verstehen könnten, was uns im einzelnen bewegt, wenn wir nach einem Wort, einem Bild oder einer Erfahrung suchen. Daten über unser Kaufverhalten sagen nicht unbedingt etwas über unsere Persönlichkeit aus. Für viele Menschen ist der Kauf von Konsumgütern lediglich Vollzug einer Vermittlung, die von den Betreibern der gekauften Dienstleistungen oder Gegenstände getragen wird. Es gibt aber authentische Erfahrungen und Lebensformen, in denen der Mensch durch nichts ersetzt werden kann. Hierzu gehört neben dem Scherzen oder neben gesellschaftlicher Interaktion vor allem der Bereich des Spiels. In diesen authentischen Augenblicken unserer Selbstkonstituierung werden außerordentlich wertvolle kognitive Ressourcen aktiviert.

Die globale Vernetzung ist sehr viel transparenter als irgendein Medium der Schriftkultur es je war. Die Printmedien sind prinzipiell durch ein Verhältnis 1:1 gekennzeichnet; das Fernsehen erweitert dieses Verhältnis allenfalls auf eine Kleingruppe. An einer Web-Seite hingegen können Tausende von Teilnehmern angeschlossen sein. Doch auch hier ist die Transparenz keineswegs uneingeschränkt. Vom Server können sie zwar erfahren, daß eine kleine oder große Anzahl von Teilnehmern gegenwärtig ist, nicht aber deren Identität, das Ziel ihrer Suche oder die kognitiven Komponenten, die in der jeweiligen individuellen Erfahrung aktiviert sind. Diese Anonymität gilt weitgehend unserem Schutz vor uns selbst. Wir müßten also Methoden entwickeln, mit Hilfe derer wir uns im jeweils von uns gewünschten Maß identifizieren und offenbaren und unsere Bereitschaft zur Interaktion bekunden können. Mit diesen Methoden könnten wir kognitive Ressourcen anzapfen, die uns bislang unzugänglich geblieben sind, aber einen enormen Wert darstellen.

Digitale Maschinen, die als Energie unser Wissen und unsere Erkenntnis verbrennen, haben eine Effizienz in einer Größenordnung erreicht, die die Effizienz von Maschinen, die Kohle oder Öl verbrennen, weit übersteigt. Die neuen Möglichkeiten setzen uns allerdings auch unter einen neuen, ungewohnten Druck, der durch die beschleunigte Akkumulation von Daten, durch die Informationsverarbeitung und die Wissensverwertung erzeugt wird. Um das Verhältnis zwischen der digitalen Maschine und unserer eigenen Leistung zu verstehen, müßten wir uns eine Dampfmaschine vorstellen, die eine Lokomotive bergauf treibt. Unser neues Stadium jenseits der Schriftkultur ist ein solcher Steilhang mit mancherlei Hindernissen—unsere begrenzten körperlichen Fähigkeiten, unsere begrenzten natürlichen Ressourcen, ökologische Überlegungen, unsere Fähigkeit zur Behandlung komplexer gesellschaftlicher Probleme. Hier einfach nur die Bremse zu ziehen, würde lediglich die Arbeit der Maschine erschweren; es sei denn, wir hielten es für erstrebenswert, den Steilhang Hals über Kopf hinunter zu purzeln. Jeder kluge Ingenieur weiß, daß die einzig vernünftige Lösung darin liegt, das Feuer anzuheizen. Das könnte fast wie ein Fluch klingen, der über uns lastet. Aber die Spannung, die in der Möglichkeit neuer Entdeckungen liegt, auch in der Erforschung unserer eigenen kognitiven Ressourcen, wiegt das allemal wieder auf.

Genug der Beispiele. Die digitale Maschine wird nicht von irgendwelchen abstrakten Rechenleistungen noch schnellerer Chips angetrieben, sondern von menschlichem Wissen und menschlicher Erkenntnis, die sich in Erfahrungen ausdrücken, welche sich weiter diversifizieren. Noch ist der Fall nicht eingetreten, daß wir zu viel Energie und zu viel Computerkapazitäten hätten und nicht wüßten, wohin damit. Ganz im Gegenteil: Unsere Lebenspraxis ist der verfügbaren Technologie immer einen Schritt voraus, wir stellen uns immer neue Fragen und begegnen uns neuen Herausforderungen, für die die Chips von gestern nicht ausreichen und das verfügbare elektronische Gedächtnis genauso unzureichend ist, wie die Mittel und Methoden der Schriftkultur.

Seit einiger Zeit schon versucht man, die bioelektrischen Signale zu messen, die sich aus der Tätigkeit unseres Gehirns ergeben. Wir haben von diesen Messungen gelernt, daß sich der Geist in Antizipierung praktischer Erfahrungen, in denen wir unsere Identität finden, konstituiert. Das klingt trotz der vorliegenden wissenschaftlichen Beweise etwas weit hergeholt. Denken ist ein Prozeß, und bioelektrische Signale bekunden den Ablauf solcher Prozesse in unserem Gehirn. Sensoren auf unserer Haut können solche Signale lesen; sie können lesen, wie sich die Denkprozesse, die auf unseren kognitiven Ressourcen basieren, entfalten. Wenn wir die digitalen Maschinen mit dieser Energie füttern, können wir mancherlei Nutzen daraus ziehen: durch gedankliche Impulse kontrollierte prothetische Vorrichtungen für Behinderte, aber auch Impulse für den Pinsel eines Malers, für Filmregie und Filmschnitt am Computer, die uns in kinomatographische Projekte und in die Erstellung oder Veränderung von Filmskripten einbinden. Alle unsere bekannten Sportspiele und viele unbekannte neue Spiele öffnen sich als eine neue virtuelle Realität, und unsere Gedanken ermöglichen im Umgang mit ihnen neue Erfahrungen. Gerade auch für Behinderte bietet sich hier ein neuer Horizont von bisher unbekannter Qualität. Viele Wissenschaftler, unter ihnen Einstein, waren davon überzeugt, daß wir in dem, was wir tun, nur ungefähr 10% unserer kognitiven Fähigkeiten verwenden. In dem Maße, in dem die digitale Maschine mit dieser neuen Energie gefüttert wird, ändert sich diese Zahl, und mit ihr vermutlich unsere körperliche Verfassung, die schon jetzt durch Degenerationserscheinungen gekennzeichnet ist.

Wenn wir aber den Grad unserer gegenwärtigen Möglichkeiten mit nur 10% unserer kognitiven Ressourcen erreichen konnten, dann läßt sich leicht ermessen, was wir mit weiteren 10% erreichen könnten. Die neue Phase der Menschheitsentwicklung jenseits der Schriftkultur, mit allen Gefahren und allen Unwägbarkeiten, hat eben erst begonnen. Daß sie von kürzerer Dauer sein wird als die ihr vorausgegangene, ist ein anderes Thema.

Nachwort

Umbruch verlangt Umdenken

Angenommen, wir befinden uns tatsächlich jenseits der Schriftkultur, was heißt das für Deutschland? Das heißt—und zwar nicht nur für Deutschland—, daß wir alle umdenken müssen. Das klingt sehr einfach, ist aber tatsächlich das schwierigste Ziel, das man sich selbst setzen oder von anderen erwarten kann. Aber ohne Umdenken können wir den Umbruch, der sich in der ganzen Welt vollzieht und unter dem Deutschland mehr zu leiden scheint als andere Länder, weder verstehen noch in den Griff bekommen.

Outsourcing ist ein probates Mittel, wenn es um Produktion oder Dienstleistungen geht, nicht aber, wenn wir über unsere Lage nachdenken müssen. Auf allen Ebenen der Gesellschaft sind die Menschen darauf versessen, viel Geld für ein gutes öffentliches Image zu bezahlen. Wie andere Länder auch, ist Deutschland geradezu zwanghaft davon besessen, ein positives öffentliches Bild abzugeben. Oft ist das Erscheinungsbild wichtiger als die Substanz. Weil etwas gut aussieht, sind wir versucht, das Nachdenken zu verdrängen. So akzeptieren wir bereitwillig die ererbten veralteten Strukturen. Gibt es für die Projektion eines guten Image eine bessere Methode, als die Maschine der schriftkulturellen Praxis gründlich zu überholen und zur Höchstleistung zu bringen? Schließlich ist das Geld, das dafür ausgegeben wird, nicht das Geld derer, die es ausgeben. Berater und Redenschreiber arbeiten keineswegs im Verborgenen und streichen hohe Profite ein, selbst in Notzeiten. Diese Imagefabrikanten haben letztendlich nichts anderes zu tun, als mit Variationen der ausgedienten Schriftkultur, deren Ende dieses Buch ausgiebig diskutiert hat, ihr eigenes Dasein zu rechtfertigen. Besser wäre es, sie würden die Entwicklungsschübe erkennen, die ihre Funktion und die Funktion derer, die sie angestellt haben, überflüssig, wenn nicht gar kontraproduktiv machen. Der letzte Wahlkampf in Deutschland ist ein gutes Beispiel für die hier beschriebene Situation. Aber während die Deutschen noch auf die Errungenschaften ihrer Vergangenheit blicken—auf ihre Sozialprogramme, ihre Kunst, ihre Forschung, ihre Wissenschaft und ihre Gelehrsamkeit—, hat die Zukunft längst begonnen. Diese Zukunft fordert Lösungen, die in den Formeln der Vergangenheit nicht zu finden sind.

Wen immer der geneigte Leser bei der letzten Bundestagswahl gewählt hat, die Chancen, daß er sehr schnell enttäuscht sein wird, sind nicht gering. Es ist eine traurige Wahrheit, daß es keine Rolle spielte, wem man seine Stimme gab, weil eine wirkliche Alternative nicht zur Wahl stand. Diese Aussage betrifft Wahlen schlechthin. Ich wage eine solche unbequeme, aber keineswegs seltene Auffassung, weil die Politik, so wie sie überall auf der Welt und besonders in Deutschland betrieben wird, Ausdruck von Erwartungen und Werten ist, die aus der Schriftkultur hervorgegangen sind. Sie ist nicht auf die neue Lebensund Arbeitspraxis der Menschen zugeschnitten. Diese Politik ist schon seit jeher zutiefst opportunistisch. In Zeiten des Wachstums und des Wohlstands konnte sie ihren Einfluß erweitern und praktisch alle Bereiche des menschlichen Lebens ergreifen. In den Jahren des Wirtschaftswunders konnte Deutschland es sich leisten, den Einfluß der Politik so weit auszudehnen, daß sie jeden Aspekt des Lebens erfaßte und regelte: Handelsgesetze (bis hin zu den Öffnungszeiten der Geschäfte), öffentliche Einrichtungen, Parks, Kinderspielplätze, Ruhestand, Autofahren, Heiraten und alles andere nur Denkbare. Auch die Vereinigten Staaten greifen regulierend in das Sexualleben, in die Kinderrechte, in den Umgang mit der Umwelt, die Lehrergewerkschaften, das Internet, den elektronischen Handel und in die Privatsphäre ein. Wirtschaftlicher Erfolg scheint der Politik die Wege zu ebnen, um auf alle Lebensbereiche zugreifen zu können. In Krisenzeiten allerdings zieht sich die Politik der Schriftkultur zurück. Auf alle Schwierigkeiten—hohe Arbeitslosigkeit im heutigen Deutschland, zunehmende Fremdenfeindlichkeit, mangelnde Motivation der Staatsbürger, um nur drei zu nennen—, die sie durch den politischen und sozialen Widerstand gegenüber den Kräften des Umbruchs selbst erzeugt hat, reagiert die Politik mit dem gleichen Lösungsmodell: Wir haben ein Problem. Schuld hat (natürlich) ein anderer, die Opposition, die Fremden, die Globalität unseres Lebens. Also soll auch ein anderer die Lösung suchen oder durch sein Verschwinden das Problem eliminieren.

Die Industriegesellschaft konnte sich nach diesem Modell einrichten, denn es entsprach der Schriftkultur und ihren Merkmalen. Wenn ein Gerät nicht funktioniert, läßt man es von einem Fachmann reparieren. Und Familie, Bildung, Gesundheitssystem erfüllen innerhalb der Schriftkultur die gleichen Funktionen wie Maschinen und werden entsprechend behandelt. Die grundlegende Schwäche dieses Modells ist das reaktive Prinzip: Wenn etwas kaputt geht, muß es repariert werden. Jetzt reparieren wir gerade die Bildung, das Gesundheitssystem, das Familienleben—freilich per Dekret, von oben herab! Auch die "Fortschrittsmaschine" lief im Industriezeitalter reibungslos, solange die grundlegenden politischen Voraussetzungen, die sich in der Form der Nationalstaaten und des internationalen Handels ausdrückten, der Skala der Bevölkerung entsprachen. Heute aber geht dieses reaktive Modell an den Problemen vorbei. An der politisch nicht gerade weitsichtig vollzogenen Vereinigung der beiden Teile Deutschlands läßt sich dies gut demonstrieren. Fest steht, daß Westdeutschland zusammen mit dem Rest der Welt auf den Zusammenbruch des kommunistischen Systems nicht vorbereitet war und die Gründe dafür bis heute nicht verstanden hat. Als Antwort auf diese Entwicklung wurden zwei Einheiten, die einerseits einiges gemeinsam, andererseits sich aber stark auseinanderentwickelt hatten, zusammengefügt, und zwar nach dem überholten Modell des Nationalstaats, nicht mit Blick auf die Bedürfnisse der weltweit operierenden neuen Dynamik, deren wesentlicher Teil Differenz und Differenzierung ist. Die Entscheidung der deutschen Politiker, die aus rein ideologischen Gründen von den Alliierten unterstützt wurden, führen zurück in das Industriezeitalter und zu den Merkmalen der Schriftkultur. Symptomatisch ist zuallererst, daß das Regierungszentrum mit enormem Aufwand nach Berlin zurückverlegt wurde: ein Monument deutscher Einheit aus einer Zeit, die hundert Jahre zurückliegt. Andere Einrichtungen folgten diesem Beispiel. Niemand begreift oder will begreifen, daß in unserer heutigen Zeit Standpunktfragen irrelevant sind. Statt die Vorteile eines effektiven verteilten Modells zu nutzen, das eine Infrastruktur fördern könnte, die vielleicht nicht der Regierung und der Politik, aber dafür um so mehr der Wirtschaft von Nutzen gewesen wäre, verankerte sich Deutschland in den völlig ineffizienten zentralistischen und hierarchischen Strukturen der Vergangenheit. Trotz aller äußeren Anzeichen der Modernisierung wurde der Osten dieses Landes in die Weimarer Zeit zurückversetzt: Die vergangenheitsorientierten Politiker waren mehr daran interessiert, ihre Machtpositionen zu sichern als das enorme kreative Potential des neuen Marktes freizusetzen, der durch die schnelle Einführung der D-Mark so billig akquiriert worden war. Das Geld floß in Beton und Ziegelsteine, nicht in die kognitiven Ressourcen und nicht in die Interaktionsnetzwerke. Bürger aus beiden Teilen Deutschlands sind mit der jetzigen Situation unzufrieden.

Jenseits der Schriftkultur beginnt das Reich der Proaktivität. Proaktiv denken heißt zunächst einmal zu verstehen, daß alle gegenwärtig wirksamen Prozesse—ob sie nun Individuen, Wirtschaftsunternehmen, die Bildung, Handel, Kunst, Ethik oder Einwanderung betreffen—notwendigerweise kürzer sind als die Wirkprozesse der Vergangenheit. Parallel dazu sind die Erneuerungszyklen—für ein stark exportorientiertes Land lebenswichtig—kürzer. Vor allem aber heißt es, daß Zentralismus und Hierarchie, auf die offenbar jeder in diesem Lande setzt, die Effektivität des Staates und damit die Effektivität aller wichtigen Tätigkeiten—von risikofreudigen Individuen, Unternehmen und selbst Regierungsstellen—einschränken. Verschlankte Entscheidungsabläufe (lean management) und Aufgabenverteilung werden zu entscheidenden Wettbewerbsfaktoren—und nicht nur deshalb, weil die USA und England hier schon weiter sind als Deutschland. Das neue Denken muß sich aus der Einsicht ergeben, daß der Umbruch notwendig ist und daß im Zuge dieses Umbruchs eine nationalistische Mentalität abgelegt werden muß. Weil dies eine große historische Chance ist, könnte Deutschland wie kein anderes Land ein Beispiel setzen. Doch wenn es diese Gelegenheit verstreichen läßt, wird es vermutlich einen sehr hohen Preis dafür bezahlen müssen.

Nur wenn sich Deutschland auf allen Ebenen—auf lokaler, staatlicher und nationaler Ebene—von den Normen und Zwängen seines traditionellen Systems, aus Verordnungen und Regulierungen befreit, kann aus den guten Vorsätzen mehr werden als nur vorübergehender Erfolg. Ein proaktives politisches Klima und ein in Verordnungen und Regulierungen stagnierender Geist schließen sich gegenseitig aus. Im übrigen hat sich gezeigt, daß insbesondere im Bereich der Kommunalpolitik, hier wieder besonders bei der Förderung von Existenzgründungen, gute Vorsätze zu nachweisbaren Erfolgen geführt haben. Manch ein Gemeinderat mußte sich dabei um alte Gesetze herummogeln, um Existenzgründungen im Bereich der Telekommunikation oder der Dienstleistungsangebote im Internet fördern zu können. Hierbei waren die Anreize, die man für Existenzgründungen geboten hatte, besonders attraktiv. Sie reichen indes keineswegs aus. Die meisten Existenzneugründungen beruhen noch immer auf Eigeninitiative ohne jegliche öffentliche Hilfe. Auch hier gilt die alte Erfahrung: Je lauter und öfter eine Erfolgsgeschichte wiederholt wird, desto eklatanter sind die insgesamt mageren Ergebnisse, die damit beschönigt werden sollen. Jeder, der sich mit den neuen bürokratischen Mechanismen, die solche Initiativen fördern sollen, etwas auskennt, weiß, wie wenig von der gesamten Investitionssumme tatsächlich für Innovationen aufgewendet wurde. Es fehlt nicht an Geld, sondern an Transparenz. Die bei weitem meisten Gelder fließen noch immer in den Wasserkopf der Schriftkultur: in die semantischen Spielchen demagogischer Argumentation und Rechtfertigung. Die riesigen Plakate, mit denen der Weg in die Selbständigkeit angepriesen wird, kosten weitaus mehr als das, was die jungen Menschen als Starthilfe benötigen würden.

Deutschlands Modernisierungsversuche werden auch dadurch behindert, daß es für jeden Schritt, den es in Sachen Deregulierung nach vorne macht, hinsichtlich der Bürokratisierung der europäischen Verhältnisse zwei Schritte zurückgeht. Die schwerfällige Bürokratie der europäischen Behörden bedürfte dringend einer Neustrukturierung, die der neuen Pragmatik entspricht. Diese aber von denen zu erwarten, die zu dieser Bürokratie gehören und von ihr profitieren, wäre naiv. Sie denken nur in Vor-Schriften, die ihnen Sicherheit, Ordnung und Fortschritt zu versprechen scheinen, selbst wenn der Preis dafür eine hohe Arbeitslosigkeit ist. Man kann nur hoffen, daß die Europäer selbst, wenn sie sich in ihrem neuen Haus erst einmal eingerichtet haben, die Initiative ergreifen und Alternativen entwickeln werden. Diese müßten dann sehr viel stärker auf Dezentralisierung, auf lokale Autonomie, also auf kleine, sich selbst organisierende Kernzentren setzen, ausgerichtet am föderalistischen Vorbild der USA oder, wenn dieses Beispiel in Europa nicht willkommen sein sollte, an der Schweiz. Und dann wird man sehen, woher die richtungsweisenden Ideen kommen: von den Unternehmern, die auf der lokalen Ebene um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen, sich aber der globalen Dimension ihrer Tätigkeit vollkommen bewußt sind; von den Intellektuellen in ihren behaglichen akademischen Schutzhüllen; oder von den Politikern. Eine besondere Rolle werden die Gewerkschaften spielen, die in der Vergangenheit ein wesentlicher Veränderungsfaktor gewesen sind, heute aber aus einer kurzsichtigen Politik heraus eher einen konservativen Kurs betreiben. Kein status quo kann den Interessen derer nützen, die sich in den Gewerkschaften repräsentiert sehen, sondern nur wirksame Veränderungen, die die einzelnen stärken. Heute verhindern die Gewerkschaften die Einführung neuer Technologien oder erschweren sie zumindest. Schon morgen werden sie vielleicht erkennen, daß der Preis für diese kurzsichtige Politik sehr hoch ist: daß sie nämlich niemand mehr haben will.

Loslösung von der Schriftkultur heißt vor allem, daß wir uns auf ein proaktives Denken, auf Deregulierung, Dezentralismus und die Abschaffung von Entscheidungshierarchien einlassen. Proaktives Denken beinhaltet die Bereitschaft zum Experiment, zum Verlassen alter, eingetretener Pfade und zum Beschreiten neuer Wege. Obwohl in Deutschland große Summen für die Forschung ausgegeben werden, die vor allem in die hervorragenden Max-Planck-Institute und die von der DFG finanzierten Forschungsprojekte fließen, hat es lange Zeit keine ausreichenden Rahmenbedingungen für neue Technologien wie Biogenetik, künstliche Intelligenz (KI), künstliches Leben (ALife) und modernes wissenschaftliches Rechnen (advanced scientific computation) gegeben. Die Hochleistungsforschung im Bereich der traditionellen Wissenschaften und Technologiebereiche war und ist ausgezeichnet. Viele Ergebnisse im Bereich der Lasertechnologie, der Hochgeschwindigkeitstelekommunikation, alternativer Energiequellen (um nur einige wenige zu nennen) sind aber im Ausland, von deutschen oder ausländischen Unternehmen, praktisch umgesetzt worden, weil in Deutschland die Voraussetzungen hierfür fehlten! Das ist das direkte Ergebnis einer Fixierung auf Tradition, Kontinuität, Vergangenheit und der mangelnden Bereitschaft, sich auf radikal neue pragmatische Rahmenbedingungen einzulassen. Kultur als Stagnationsfaktor ist jedoch eine falsch verstandene Kultur.

Während also Deutschland seine Vergangenheit erfolgreich exportiert, werden alle zukunftsorientierten Technologien importiert. Ich rede hier nicht von billigem Benzin oder Heizöl. Hinsichtlich einiger wissenschaftlicher Entwicklungen hat sich die bundesdeutsche Regierung geradezu als Zensurinstanz erwiesen. Offenbar unter dem Eindruck einer Vergangenheit, die niemand vergessen will und vergessen sollte, wurde es vermieden, das Wort Genetik direkt zu verwenden. Ironischerweise erinnert mich das daran, daß während meiner Studienzeit in einem kommunistischen Land das Wort Genetik (zusammen mit dem Wort Computer) verboten war. Die Folge einer solchen Einstellung aber ist, daß die Deutschen, die sich des unstrittigen Gefahrenpotentials der Genetik bewußt sind, nunmehr im Ausland darin investieren. Deutsche Firmen unterstützen amerikanische Universitäten mit Forschungsgeldern, weil ihre eigenen Universitäten ihre wissenschaftlichen Möglichkeiten nicht wahrnehmen. Jetzt sucht man in Deutschland verzweifelt den Anschluß in einem zukunftsträchtigen Wissenschaftsbereich, der in der Kultur jenseits der Schriftkultur von zentraler Bedeutung ist. Mittlerweile sind neue Gesetze verabschiedet worden, die den Anschluß an die wissenschaftliche Entwicklung erleichtern sollen. Das Problem liegt aber nicht so sehr im Bereich der Technologie, in dem Deutschland immer noch führend ist, es ist ein Mentalitätsproblem. Neue Gesetze ändern keine Mentalität und stellen nie die ausreichende Antwort auf das dar, was zu unternehmen ist.

Silicon Valley hätte kein amerikanisches Phänomen bleiben müssen. Deutschland hätte genügend Gelegenheiten für eigene wissenschaftliche Erfolgsgeschichten gehabt, wäre es nicht allzu sehr auf die Strukturen fixiert geblieben, innerhalb derer sich vergangener (und kurzlebiger) Ruhm und vergangenes Versagen herausgebildet hatten. Man mag sich gar nicht vorstellen, mit welcher Leichtfertigkeit und Geschwindigkeit unzählige Milliarden zur Subvention völlig veralteter Industriezweige (unter anderem für die Steinkohleindustrie) ausgegeben worden sind. Wäre dieses Geld in neue Technologien und neue Medien investiert worden, hätte Deutschland mehr als eine Erfolgsgeschichte und weniger Arbeitslose zu vermelden gehabt. In der politischen Gleichung einer subventionsgestützten Wirtschaft sind in Deutschland die heutigen Steuerzahler und die zukünftigen Generationen die echten Verlierer. So vergeudet Deutschland nicht nur enorme Summen, sondern seine wertvollste Ressource—eine hoch gebildete Bevölkerung. Einige der führenden Köpfe haben das Land bereits verlassen und im Ausland Erfolg gehabt. Kai Krause von MetaCreations; John Kluge, der deutsche Emigrant, der in den achtziger Jahren ein Mobilfunknetzwerk an Southwestern Bell und eine Ferngesprächfirma an WorldComm verkauft hat. Solche Erfolge könnten der Deutschen Telekom die Farben des Neides oder der Scham ins Gesicht treiben. Auch mit anderen Erfolgen, die allesamt in Deutschland unvorstellbar wären—z. Zt. Metromedia Energy als Strommakler—, macht er von sich Reden. Und es gibt zahlreiche andere Erfolgsgeschichten von Innovatoren, die es in ihrer geliebten Heimat zu nichts bringen konnten wegen der bürokratischen Hindernisse, die man jungem Unternehmergeist in den Weg legt. Solche Beispiele sind weder neu noch außergewöhnlich. Dieser Zustand in Deutschland ist abnormal; er ist das schmerzliche Ergebnis einer politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation, die man hätte vermeiden können. Immer mehr breiten sich in Deutschland Unzufriedenheit und ein Fatalismus aus, den es in diesem Ausmaß seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland nicht mehr gegeben hat.

Falsch wäre es indes, das Silicon Valley oder die erwähnten Erfolgsgeschichten einfach nachschreiben zu wollen, wie es einige Politiker im Bereich der Neuen Medien und der Telekommunikation offenbar versuchen. Eine Neuorientierung müßte in grundsätzlichen politischen und wirtschaftspolitischen Aktivitäten liegen. Um mich nicht in Allgemeinplätzen zu verlieren, will ich versuchen, ein Szenario zu skizzieren, in dem solche Alternativen entwickelt werden könnten.

Dank ihrer Tradition und ihrer besonderen wissenschaftlichen Kompetenz sind die Deutschen hervorragend geeignet, bei der technologischen Entwicklung der allgegenwärtigen Computation eine Führungsrolle zu übernehmen. Das Digitale, ein wesentlicher Bestandteil der neuen Grundstruktur menschlicher Tätigkeit, hat seine ersten Gehversuche gerade hinter sich. Auf einer spektakulären Konferenz unter dem Titel "Die nächsten 50 Jahre der Computation" (1997), die der Entwicklung der Datenverarbeitung in den kommenden fünfzig Jahren gewidmet war, diente als Hintergrund für die Präsentation neuester Computermodelle das Bild einer Höhle aus der Steinzeit. Im Vergleich zu dem, was die Industriegesellschaft produziert hat, vor allem aber hinsichtlich der sich abzeichnenden neuen Möglichkeiten, ist die heutige Computertechnologie relativ primitiv. Das in Presse und Computerkreisen viel diskutierte Problem der Jahrtausendwende (einige Computer sind auf die Umstellung nicht richtig programmiert) ist z. B. das Ergebnis wissenschaftlicher Kurzsichtigkeit und technologischer Grenzen, die die Welt Milliarden von Dollar kosten wird. Kein anderer Industriezweig hat die Gesellschaft auf eine ähnlich gefährliche Weise herausgefordert. Aber nicht die Krise, sondern die Chancen interessieren uns hier. Gewiß, wenn Autos, Züge und Flugzeuge genauso unzuverlässig wären, wäre die halbe Menschheit bei Verkehrsunfällen getötet oder sämtliche Fahrzeuge wären stillgelegt worden. Die Computer müssen sich also weiterentwickeln, sie werden ausreifen und billiger werden. Ihre Leistungsfähigkeit wird sich steigern. Zuverlässigkeit wird dabei im Mittelpunkt stehen, denn die Experten sind sich der Tatsache bewußt, daß hier große Risiken liegen und daß andererseits das Digitale in der neuen Infrastruktur menschlichen Lebens und menschlicher Arbeit von zentraler Bedeutung sein wird. Wir brauchen also neue Konzepte und eine neue Generation von Ingenieuren. Dafür muß unser Bildungs- und Ausbildungssystem auf eine neue Grundlage gestellt werden, die die digitale Struktur zum zugrundeliegenden Prinzip hat. Darin liegen ungeahnte Chancen, freilich auch nicht wenige Gefahren. Das, woran IBM, Microsoft und Siemens nicht interessiert waren, werden kleine risikofreudige Unternehmer bewerkstelligen, die dort ihre Chance sehen, wo große Monopolisten offenbar blind oder schwerfällig sind. In dem großen Bereich der Betriebssysteme hätte Deutschland mehr zu sagen, als es derzeit (als stiller und zufriedener Kunde) geschieht. Auch steht die Integrierung des Computers in die gesamte gesellschaftliche Infrastruktur (ubiquitous computing) in Deutschland noch bevor, wobei diese Entwicklung im übrigen von den Betriebssystemen entscheidend abhängt. Auch kann in dieser Hinsicht die Umweltpolitik, die in Deutschland traditionellerweise eine große Rolle spielt, durch die Produktion umweltfreundlicher Produkte profitieren. Als in Deutschland ein Internetanbieter verurteilt wurde, weil er den Zugang zu unsittlich-ekelhaften Webseiten möglich gemacht hatte, die niemand gutheißt (die sich aber offenbar viele, auch Deutsche, heimlich anschauen), war das ein denkwürdiger Vorgang. Doch müßte man nach der gleichen Logik (oder dem gleichen juristischen Vor-Urteil) die Bundesbahn dafür verurteilen, daß sie Transportmittel bereitstellt, die Frauen nach Holland in die Abtreibungskliniken bringen, die Lufthansa dafür, daß sie deutsche Urlauber in asiatische Länder fliegt, in denen die Kinderprostitution blüht, und die Telekom und ihre Konkurrenten dafür, daß über ihre Dienstleistungen Nazipropaganda und terroristische Anleitungen verbreitet werden. Um die Möglichkeiten und Gefahren einer vernetzten Gesellschaft wirklich abwägen zu können, muß man sich sehr genau und vorurteilslos mit allen technischen Aspekten, besonders aber mit den menschlichen und politischen Dimensionen befassen.

Nach allem, was man in den deutschen Medien über die vernetzte Welt lesen kann, überrascht es nicht, daß kein Bundesbürger daran glaubt, daß ein deutscher Bundeskanzler (egal welcher!) weiß, wie man mit einer Maus oder mit einem ähnlichen Computerbestandteil umgehen muß. Hier ist der—zugegeben kontroverse—peruanische Präsident Fujimori weiter: Er wußte, wie er über seinen Laptop an Daten herankam, mit deren Hilfe er sinnvolle Wirtschaftsprogramme darlegen konnte. Das Bild des Deutschen, das sich aus der gegenseitigen Abhängigkeit der politischen Praxis in einer stark regulierten Gesellschaft und den Methoden, mit denen sie ihre Legitimität verteidigt, ergibt, ist dann etwas folgendes: technologisch versiert, technologisch interessiert und dennoch unwillens, den entscheidenden Schritt vom Ottomotor zur digitalen Maschine zu gehen.

Um den Umbruch wirklich mitgestalten zu können, müßten die Deutschen ihr jetziges System mit allen seinen Grenzen grundsätzlich in Frage stellen. Sie müßten vor allem ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und es nicht denjenigen überlassen, denen sie bislang ihr Geschick allzu leichtfertig anvertraut haben. Eine Top-down-Strategie, wie ich sie in den vorausgegangenen Kapiteln in verschiedenen Zusammenhängen dargestellt habe und wie sie in dem hierarchisch strukturierten Deutschland besonders wirksam etabliert ist, wäre der falsche Ansatz. Schauen wir doch den Tatsachen ins Gesicht: In den vergangenen Jahren haben sich die Politiker in Deutschland darin überboten, eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach der anderen zu entwickeln und enorme Summen in sie zu investieren; nahezu alle zielten auf die Keynessche Lehre von der staatlichen Intervention ab, die auch in die wahnwitzigen Subventionen für die desolate Kohleindustrie eingegangen ist. Wirkliche Abhilfe könnte nur die Einschränkung staatlicher Eingriffe bringen, ein Rückzug der zentralen Staatsgewalt und eine verstärkte Motivation und Kompetenz lokaler Einrichtungen, die natürlich im Netzwerk eingebunden sein müssen, die gegenseitige Hilfe, aber auch kreativen Wettbewerb fördern. Staatliche Einrichtungen müßten nach denselben Prinzipien bewertet und bezahlt werden wie die Vorstandsmitglieder großer Unternehmen: nämlich nach ihrer Leistung bei der Kostenreduzierung, bei der Verschlankung der Bürokratie und bei der Stärkung von Eigeninitiativen. Derartiges Downsizing würde uns vom Wasserkopf der schriftbasierten Regulierungssucht befreien. Gute und erfolgreiche Politik in der heutigen Zeit würde zuallererst darin bestehen, die Regierung mindestens um die Hälfte zu verkleinern. Ist diese Sichtweise realistisch?

Gewiß nicht innerhalb eines Modells der zentralen Mittelvergabe—zentral auf der Ebene der Bundesländer, des Bundes und jetzt auch der Europäischen Union. Beim gegenwärtigen Stand der Dinge sieht es eher so aus, als würde die Interventionspolitik mit staatlichen Subventionen Deutschlands Zukunftschancen zerstören. Zu stark sind die Seilschaften, die Einflußnahme durch Interessengruppen und der politische Opportunismus: allesamt aus der Schriftkultur und auf ihr begründet. Wo Wettbewerb und Motivation fehlen, herrscht Mittelmäßigkeit; Transparenz wird durch Regulierung ersetzt. Einen wirklichen Wettbewerb im Bereich der gesetzlich vorgeschriebenen Ausschreibungen von Projekten kann es schon deshalb nicht geben, weil die Gelder oft schon verteilt sind, bevor die Bürokraten die Ziele einiger dieser staatlichen Programme festgelegt haben. Einige Modethemen beherrschen den politischen Diskurs—überfüllte Autobahnen und Tempolimits, Multimedien, neue Produktstoffe, Umweltschutz—und rufen entsprechende Aktivitäten auf Landes- und Bundesebene hervor. Aber auch hier fließen die Gelder an die, die in den richtigen Positionen sitzen oder die richtigen Beziehungen haben und die, schlimmer noch, die Gutachter über diejenigen sind, die aus einer anderen Position oder einem anderen Blickwinkel heraus diese Probleme angehen würden. Auch hier fördert die staatliche Intervention—ganz wie in Japan—Vorabsprachen und Vorentscheidungen und verhindert Transparenz. Im Mittelpunkt steht weniger das Ergebnis als ein entsprechendes Gutachten: ein weiteres Produkt der Schriftkultur. Die Hoffnungen mancher Unternehmer, Forscher und akademischer Lehrer, daß sich diese Situation auf europäischer Ebene verändern würde, sind weitgehend enttäuscht worden. Bürokratische Strukturen sind am allerwenigsten für Selbstkontrolle und Selbstkorrekturen geeignet. Je weiter sie sich von ihren Geldgebern entfernen, desto mehr wird das System der demokratischen Gewaltenkontrolle unterminiert. Das Brüsseler Modell, auf dem die Europäische Union gründet, wirkt alles andere als integrativ. Oft ist es nichts anderes als organisierte Verschwendung und überregulierte Stagnation. Das gilt ganz besonders für die vielen Kooperationsprogramme, für die erhebliche Summen zur Verfügung stehen. In dem verzweifelten Bemühen, Forschern und Studenten der verschiedenen Mitgliedsländer die Zusammenarbeit zu erleichtern, werden künstliche und in mancherlei Hinsicht unangemessene sogenannte Partnerschaften gegründet. Natürlich gibt es hier auch Erfolge zu vermelden. Im großen und ganzen jedoch hat die eilige Suche nach Partneruniversitäten und der damit verbundene erhebliche Verwaltungsaufwand nur zu neuen bürokratischen Strukturen und Organisationsformen geführt. Man kommt sich nicht näher, indem man Mitteln hinterherläuft, die opportunistisch verteilt werden. Auf dem Papier sieht alles sehr gut aus; aber die Wirklichkeit hat mit den guten Intentionen leider nur sehr wenig zu tun.

Die Alternative zu diesen Mängeln wären kleine, selbstregulierende Einheiten, die ohne diese bürokratischen Regulierungen in einen für alle transparenten Wettbewerb eintreten. Erst wenn die Studenten in Deutschland und in den anderen europäischen Ländern nach einem kurzen, aber zielorientierten Studium mit Eigeninitiativen in den Berufsmarkt eintreten, statt an den Universitäten für ein manchmal Jahrzehnte dauerndes Studium eingeschrieben zu bleiben, hätte sich wirklich Wesentliches verändert. Erst wenn die deutschen Professoren ihren Beamtenstatus (und die damit verbundenen Privilegien einer Lebenszeitanstellung, hoher Sozialleistungen und einer gesicherten Pension) gegen riskante, aber sinnvolle und auch Genugtuung bringende wissenschaftliche Herausforderungen eintauschen würden, hätten wir einen alle überzeugenden Kontext für Kreativität und Kompetenz geschaffen. Schließlich und vor allem aber muß sich die Wissenschaft aus der schützenden Umarmung des Staates lösen und noch mehr als bisher in den Wettbewerb um Ideen und Methoden eintreten. Dann erst wäre in Deutschland ein Umfeld geschaffen, in dem sich Kreativität gegen Selbstzufriedenheit, Redundanz und reine Beschäftigungstherapie durchgesetzt hätte. Die unglaubliche Produktivität, die derzeit für die Beantragung von Forschungsgeldern aufgewendet wird, ist lediglich ein Symptom dafür, daß die Wissenschaft (und die Künste, die sehr ähnlichen Mechanismen unterliegen), noch immer Geiseln der Schriftkultur sind. Wirkliche alternative Mittel und Methoden, wie etwa multimediale Präsentationen oder netzwerkgestützter Wettbewerb um Forschungsgelder, werden weder akzeptiert noch wird dazu ermutigt. Das überrascht und enttäuscht, wissen wir doch, daß wirklicher Wettbewerb in Wissenschaft und Bildung mindestens so wichtig ist wie im Geschäftsleben. Im gegenwärtigen System ist in Deutschland Mißlingen de facto ausgeschlossen, denn es würde dem öffentlichen Ansehen schaden. Es wäre in diesem Zusammenhang vielleicht ganz wichtig, wenn man sich die Folgen vor Augen hielte, die diese Art von Selbsttäuschung in anderen Ländern bewirkt hat.

Unter der protektionistischen Atmosphäre, die im früheren Sowjetblock Wissenschaft, Kunst und Bildung beherrschte, haben Wissenschaftler, Künstler und eminente Universitätsprofessoren höchst qualifizierte Arbeit geleistet, aber diese hatte überhaupt keine Auswirkungen auf die Gesellschaft gehabt. Man zollte ihnen Lob und gewährte ihnen einen besseren Lebensstandard als den Durchschnittsbürgern. Aber in dem Land, das seit jeher die besten Mathematiker und Logiker hervorbringt—die nun alle außerhalb ihres Landes leben und arbeiten—, wurden die Computer nicht auf der Grundlage ihrer theoretischen Arbeit gebaut, sondern als Kopien von Computern, die aus dem Westen illegal eingeschmuggelt waren. Mit der heute üblichen Vermischung von Staatssozialismus und Marktwirtschaft nähert sich Deutschland auf gefährliche Weise jenen Zuständen, die zum Zusammenbruch der osteuropäischen Gesellschaften geführt haben und die man völlig zu Recht wegen ihrer mangelnden Flexibilität und Innovationsangst kritisiert hat. Die Deutschen bezweifeln die offiziellen Inflations-, Arbeitslosenund Kriminalitätsraten, ohne allerdings dabei die Politik der schriftkulturellen Selbsttäuschung, die solche Zahlen hervorbringt, in Frage zu stellen.

Die politischen Führer Deutschlands—gleich welcher Couleur—sind weder verlogen noch unfähig, die Komplexität der heutigen Situation zu erfassen. Der politische Diskurs und die politische Streitkultur haben in Deutschland eine Ebene erreicht, um die es die meisten anderen Länder beneiden. Die politischen Skandale, die die USA für die restliche Welt der Lächerlichkeit preisgeben, sind hier nahezu unbekannt. Was aber fehlt, sind der Mut und die Bereitschaft, jene Wege zu verlassen, die die beispielhafte soziale Tradition Deutschlands markiert haben, die aber inzwischen Holzwege geworden sind. Die Politiker sprechen heute leichtfertig über die Gesellschaft und deren Verpflichtungen gegenüber dem Bürger, aber die Gesellschaft, von der sie reden, gibt es gar nicht mehr. Sie berufen sich auf einen Sozialvertrag, der durch die egoistischen Motivationen der Bürger jenseits der Schriftkultur tatsächlich überholt wurde, ob es uns paßt oder nicht. Deutschland ist in einem Maße auf seine Vergangenheit fixiert, daß niemand auch nur auf den Gedanken kommt, daß die Bewahrung der Tradition in der Zukunft nicht mehr die einzig denkbare Alternative ist, so gut sie auch klingen mag.

Konkreter heißt das, daß man entschiedener von einer Produktions- zu einer Dienstleistungsgesellschaft voranschreiten muß. Der Zugang zur Tradition kann auch durch andere als durch schriftkulturelle Mittel geschaffen werden. Natürlich kann man verstopfte Straßen und Autobahnen dadurch entlasten, daß man neue und größere Straßen baut; auf Dauer würde das aber nicht viel ändern, denn als Folge davon würden die Menschen nur noch mehr Autos kaufen. Die mechanische Mobilität, für die wir einen hohen ökologischen und menschlichen Preis bezahlen müssen, sollte zumindest in Teilen durch den digitalen Zugang und die digitale Verbreitung von Wissen ersetzt werden. Physische Kopräsenz (die die geselligen Deutschen so lieben) könnte teilweise durch virtuelle Präsenz ersetzt werden. Es geht längst nicht mehr um die Menge der verarbeiteten Rohstoffe, sondern um die Menge der freigelegten kognitiven Ressourcen. Auf dem Weg vom denkwürdigen Bauhaus zum neuen Denkhaus der Möglichkeiten zeichnen sich viele Wege ab, um aus der Tradition, die heute vielfach nur als Last erscheint, eine Quelle der Erneuerung zu machen.

Ähnlich stellt sich die soziale Tradition Deutschlands dar. Bei der Regelung der sozialen Aspekte des Daseins gilt Deutschland in vielerlei Hinsicht dem Rest der Welt als Beispiel. Die sozialen Leistungen sind vermutlich die besten in der westlichen Welt. Bildung und Ausbildung genießen selbst in wirtschaftlichen Krisenzeiten absolute Priorität und werden gänzlich durch den Steuerzahler finanziert. Lebensqualität, wie sie sich im Lebensstandard, im Reisen, im Gesundheitswesen, in der Länge der Urlaubszeit und im Bildungsangebot ausdrückt, ist ein Grundrecht geworden. Doch zeichnet sich mittlerweile ab, daß Deutschland diesen beneidenswerten Status nur auf Kosten anderer erhalten kann, es sei denn, neue, innovative Impulse würden die Effizienz durch andere Faktoren als nur durch Größenordnungen erhöhen. Eine schmerzliche Alternative wird darin liegen, einige der hart erarbeiteten Leistungen gegen neue Möglichkeiten einzutauschen.

Die erste Option—auf Kosten anderer zu leben—hätte nur kurzfristig Chancen. In weniger als einer Generation wird sich zeigen, daß man für die Erhaltung des hohen Lebensstandards in einigen Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden) nicht mehr einfach andere zahlen lassen kann. Hierbei wird der politische Zusammenschluß Europas eine große Rolle spielen. Niemand kann ernsthaft davon ausgehen, daß es möglich ist, die großen Unterschiede zwischen den deutschen Leistungen im Sozial- und Gesundheitswesen und denen in anderen europäischen Ländern beibehalten zu können. Um aber die anderen Länder zu einem vergleichbaren Standard zu führen, müßten Mittel aufgebracht werden, die schlichtweg nicht zur Verfügung stehen. Das würde bedeuten, daß der allgemeine Lebensstandard zum Zweck der allgemeinen Angleichung in Deutschland gesenkt werden muß. Die zweite Option—technologische Innovationen, die die deutsche Führungsrolle in diesem Bereich stärken—würde sich ebenfalls nicht sehr lange auswirken. Die Wissensverbreitung in einer global vernetzten Welt wird sich noch schneller als bisher vollziehen, so daß auch Führungskonzepte in innovativen Bereichen jeweils sehr viel kürzer existieren werden. Also sind gesellschaftliche Reformen—unsere dritte Option—angezeigt, so schwer diese Medizin auch zu schlucken ist. Diese werden sich vermutlich durch eine gewisse Absenkung des Lebensstandards durchsetzen lassen. Dafür aber werden neue Möglichkeiten entstehen, und das Leben wird sich weniger als Umsetzung von Vorschriften und mehr als Entfaltung der Verschiedenheiten, die uns als Individuen definieren, darstellen.

Gibt es Grund zur Besorgnis? Zwischen 1970 und heute ist das Geldvermögen der privaten deutschen Haushalte von 524 Milliarden DM auf 5344 Milliarden DM angestiegen (Immobilien und Betriebsvermögen nicht eingerechnet). Das heißt, daß jeder deutsche Haushalt durchschnittlich 150000 DM besitzt. Wenn unter den heutigen Bedingungen erhöhter wirtschaftlicher Effektivität diese enormen Summen nicht aktiviert werden, dann sind sie bald weniger wert als all die Nullen, die man zum Schreiben dieser Zahlen benötigt. Jenseits der Schriftkultur etabliert sich ein Bereich der Mitbeteiligung und Mitbestimmung, der allein soziale Gleichheit und Qualitätsmaßstäbe garantiert.

In den vergangenen Jahren hat der Druck des Marktes zu Reformen geführt, die in der Gesellschaft Zweifel an der Globalität (als könnte man sich ihr entziehen) haben aufkommen lassen, weil man sie für einige der verlorenen Sozialleistungen verantwortlich macht. Im gleichen Zug wurden Wettbewerb, Marktwirtschaft und sogar die nach dem Zweiten Weltkrieg erworbene Toleranz gegenüber Fremden in Zweifel gezogen. "Deutschland ist kein Einwanderungsland" ist nicht nur der Kampfruf einer kleinen reaktionären Minderheit, sondern eine durchaus verbreitete Einstellung—sind die Grünen hier eine Ausnahme?—, mit der man die Fremden zum Sündenbock für alle möglichen politischen Probleme erklärt. Das Fremde wird in Deutschland nur unter spezifisch deutschen Gesichtspunkten akzeptiert: als Urlaubsrefugium (Mallorca, Tunesien, die Dominikanische Republik, Türkei), wo man seine Sorgen für einen Augenblick vergessen kann; als billiges Reiseziel für Arbeitslose oder für diejenigen, die ihre Autos billiger als in Deutschland kaufen möchten; oder als Ort (Polen, Rumänien, die Tschechische Republik), an dem Personen mit kleineren Pensionsansprüchen besser als zu Hause leben können. Die Einsicht, daß die Welt jenseits der Schriftkultur eine integrierte Welt ist, stellt sich nur in Ausnahmefällen ein, ungeachtet der Bedeutung, die diesem Thema im offiziellen politischen Diskurs beigemessen wird. Daß Deutschland wie alle anderen Länder in Zukunft höhere Einwanderungszahlen zu verzeichnen haben wird, ist nicht nur eine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit. Ohne Einwanderung würde Deutschland zu einem geistigen Mikrokosmos zusammenschrumpfen, dem die wiederbelebenden Impulse fremder Kulturen fehlen; abgesehen davon, daß es nicht genügend qualifiziert ausgebildete junge Menschen in allen Arbeitsbereichen hätte. Jenseits der Schriftkultur ergibt sich Dynamik aus Unterschieden, nicht aus Uniformität.

Den fundamentalen pragmatischen Zusammenhang von Arbeit und Leben in einer integrierten Welt, deren Sprache die Sprache des Konsums ist, hat man in Deutschland nie wirklich verstanden. Deutschlands führende Denker widmen sich nahezu ausschließlich der Vergangenheit und warten mit immer neuen Auslegungen von ihr auf. Wenn Reformen (von denen die meisten ohnehin nur akute Brandherde löschen statt neue Wege aufzuzeigen) durchgesetzt werden müssen—wie im Fall der Lohnfortzahlung oder von Rationalisierungsmaßnahmen in der Wirtschaft—schallt der Ruf "Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse." Als hätten die Krisen, die die Probleme in der Stahlindustrie, in der Automobilindustrie oder in der Chemie- und Pharmaindustrie hervorgerufen haben, nichts mit den Problemen zu tun, die auch in Amerika und in allen anderen Ländern zu Krisen und zu erhöhtem Wettbewerb, und im übrigen zu erhöhter Wettbewerbsfähigkeit, geführt haben. Wenn die Deutschen ihren Lebensstandard erhalten wollen, müssen sie wie alle anderen Staaten Alternativen finden. Stagnation ist keine Alternative, sondern eine Sackgasse. Manteltarifverträge zum Beispiel, die einer Welt, die immer differenzierter wird, Uniformität aufzwingen wollen, helfen nicht weiter. Viele andere Probleme, die sich aus der festen Bindung an die Tradition ergeben, bedürfen innovativer Alternativen. Zu lange hat man in Deutschland aus Selbstzufriedenheit und Mittelmäßigkeit zukunftsgerichtete Initiativen und Erneuerungsimpulse verworfen.

Ein besonders auffälliges Beispiel ist der Zustand des deutschen Universitätssystems. Einst gab die deutsche Universität das Muster für viele andere Länder ab und zog Studenten aus aller Welt an. Heute ist das Universitätssystem vornehmlich damit beschäftigt, allen, die es wollen, einen freien Zugang zu einer mittelmäßigen Bildung und Ausbildung zu gewähren. Viele Universitäten kämpfen ums Überleben, obwohl Deutschland auf dem Papier die höchsten Studentenzahlen der ganzen Welt hat. Die derzeitigen Finanzprobleme machen sich hier besonders bemerkbar: überall fehlt es an Geld, verbeamtete Professoren kosten mehr, als sich die Gesellschaft leisten kann; die auf eine illustre Geschichte zurückgehenden Studienpläne wurden in fast keinem Fall auf die neue Lebenspraxis ausgerichtet. Die kostbare Bildung, eine Errungenschaft, auf die Deutschland so stolz blickt, ist sehr kostspielig geworden. Unter dem Druck der Verhältnisse werden Reformen in Angriff genommen—für das Jahr 2006. Niemand fragt dabei, ob unter den gegebenen Umständen des technologischen Fortschritts und der rasanten wissenschaftlichen Entwicklung im Jahr 2006 die Universitäten überhaupt noch die richtigen Institutionen für Bildung und Ausbildung sind. Wenn neue Universitäten und Fachhochschulen gegründet werden, geschieht dies immer noch nach dem mittelalterlichen Modell, das sich an einem einige Jahrhunderte alten Bildungsideal orientiert, aber die heute erforderliche Effizienz eher verhindert. Spektabilitäten und Magnifizenzen, von denen einige als Hochschullehrer versagt haben, produzieren Unmengen von beschriebenem Papier, die viel Mittelmaß erkennen und jegliche bildungspolitische Perspektive vermissen lassen. Sofern die Studienpläne in Einzelheiten verändert werden, dauert es Jahre, bis sie durch die universitären Gremien gelaufen und von den Ministerien genehmigt worden sind. Die universitätsinterne Mittelverteilung orientiert sich ebenfalls nicht an zukünftigen Bedürfnissen. Den Rektoren und Kanzlern stehen Dienstwagen mit Chauffeur zur Verfügung, während es in einigen Unterrichtsräumen selbst an Tafeln fehlt, von den neuen Multimedien und den wissenschaftlichen Netzwerken gar nicht zu reden. Wettbewerb unter den Professoren ist oft nicht ein Wettbewerb um bessere Arbeits- und Forschungsbedingungen, sondern um höhere Institutshaushalte oder Gehälter. All diese Regeln und Strukturen haben sich aus der sogenannten Autonomie der Hochschulen ergeben. Strukturreformen mit Blick auf die heute notwendigen interdisziplinären Forschungszentren und eine entsprechend neu orientierte akademische Lehre werden durch diese Verhältnisse schwer, bisweilen sogar unmöglich gemacht. An deutschen Universitäten gilt noch immer als höchstes Prinzip: Stecke dein Gebiet ab, wahre deinen Besitzstand! Und das in einer Zeit, in der in sich geschlossene, autonome Wissenschaftseinrichtungen kaum noch irgendwelche relevanten Forschungstätigkeiten durchführen können.

Die deutsche Universität ist vermutlich mehr als alle anderen Bereiche der Gesellschaft auf die (sehr glorreiche) Vergangenheit fixiert. Entsprechend fehlt den Studierenden die nötige, auf zukünftigen Erfolg ausgerichtete Motivation. So schaffen sie sich Lebensbedingungen, in welchen das Studium im Vergleich zu den anderen Lebenserwartungen eine relativ marginale Rolle spielt. Studenten machen Urlaub unabhängig von den Vorlesungszeiten. Ihre Nebentätigkeit ist ihnen oft wichtiger als Seminare und wissenschaftlichen Projekte; denn wissenschaftliche Leistung ergibt sich kaum noch aus dem Bedürfnis nach wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern aus der Notwendigkeit, Scheine zu sammeln. Wo sollten sie auch diese Leistungsqualität suchen und finden? Sicher nicht bei den Professoren, die nur auftauchen, wenn ihre anderen Verpflichtungen es ihnen erlauben, oder bei denen, die ihre intellektuelle Entwicklung mit der Verbeamtung beendet haben. Die politischen Aktivitäten der Studierenden richten sich ebenfalls auf Fragen des Lebensstandards, nicht auf ungenügende Lehrpläne, sondern auf Sozialleistungen wie BAFöG, das Recht auf unbegrenztes Studium, Preisermäßigungen aller Art, freien Zugang zum Internet und billiges Mensaessen.

Jede Verallgemeinerung ist falsch und gefährlich, und es hilft auch nicht viel weiter, immer nur mit dem Finger auf die derzeitigen Symptome zu zeigen. Ich verfolge hier lediglich die Absicht, das offen auszusprechen, was viele Kollegen untereinander diskutieren und in Privatgesprächen bestätigen. Sie tun nichts dagegen, weil sie befürchten, daß man dagegen nichts mehr tun kann. Natürlich gibt es noch immer diejenigen, die unter großen persönlichen Opfern hochkarätige Forschung betreiben, mit Kollegen aus anderen Disziplinen erfolgreich zusammenarbeiten und ihre Studierenden motivieren. Es wäre unfair, das nicht festzustellen. Es ist allerdings auch kontraproduktiv, die erheblichen Probleme des deutschen Universitätssystems hinter den Erfolgsmeldungen zu verstecken: das würde den Zynismus in der akademischen Welt nur erhöhen.

Ein wichtiger Schritt bei der Reform des deutschen Universitätssystems bestünde darin, daß sich die Universitäten ernsthaft um eine Öffnung für alternative Ausdrucks- und Kommunikationsmittel bemühen. Des weiteren müßten ihre Entscheidungsstrukturen dezentralisiert und der Verwaltungsapparat insgesamt eingeschränkt werden. Wichtiger als neue Hochschulbauten sind Netzwerke für wissenschaftliche Interaktion; wichtiger als neue Studien- und Prüfungsordnungen wären Überlegungen, wie man die universitäre Ausbildung auf die zukünftigen Bedürfnisse der Gesellschaft ausrichten könnte. Statt Uniformität müßten das Außergewöhnliche, das Unterschiedliche, das Innovative gefördert werden, auch und gerade im Bereich der unterschiedlichen Intelligenzen und Veranlagungen. Jegliche Form von geistiger Kreativität in eine uniforme Bildung zu zwängen, hieße die von der Schriftkultur propagierte Demokratie falsch zu interpretieren.

In vielerlei Hinsicht ähnelt die Situation in Deutschland dem, was ich in der englischen Fassung des vorliegenden Buches ausführlicher als Asienkrise dargestellt habe. Es wäre schön, wenn eine europäische Krise, die ganz wesentlich von der Art und Weise abhängt, wie Deutschland (aber nicht nur!) mit seinen Problemen umgeht, durch die weitsichtigen Handlungen derer vermieden würde, die etwas bewirken könnten.

Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, wie notwendig eine proaktive Haltung ist. Und hier, das sei noch einmal in aller Deutlichkeit festgestellt, muß das Bildungssystem als wichtige Quelle der Erneuerung eine Führungsrolle übernehmen und darf sich nicht mit der Rolle eines passiven Zeugen der Stagnation begnügen. Deregulierung, Dezentralisierung und eine Befreiung von hierarchischen Strukturen wären die Stützpfeiler eines zukunftsweisenden politischen Konzepts. Viele deutsche Unternehmen haben kompetitive Methoden wie Aufgabenverteilung und parallele Arbeitsabläufe bereits umgesetzt. Die Anbindung an Netzwerke wird gerade vollzogen. In den Betrieben und den Entwicklungsabteilungen der großen Unternehmen wird die Schriftkultur zunehmend durch eine Kultur des Visuellen und durch Multimedien ersetzt. Viele Studierende, die in diesem Bereich viel weiter sind als ihre Professoren, übernehmen die Rolle von Lehrenden und füllen das Ausbildungsvakuum im Bereich der neuen Technologien. Noch wichtiger jedoch wäre es zu erkennen, daß sich die Dynamik des Umbruchs aus kleineren, selbstorganisierenden Zellen ergibt.

Manche studentischen Versuche, die Herdenmentalität des Bildungssystems (und der deutschen Gesellschaft) zu überwinden und nach Bildungsalternativen zu suchen, sind geradezu aufregend. Statt in überfüllten Hörsälen Vorlesungen zu lauschen, die der Professor zum soundsovielten Male wiederholt, erforschen sie das World Wide Web, studieren im Ausland, kümmern sich in der studentischen Selbstverwaltung um Räume und Ausrüstung, ohne sich dabei groß um die vorgeschriebenen bürokratischen Wege zu scheren. Das sind solche selbstorganisierenden Zellen, aus denen die späteren neuen Kleinunternehmen hervorgehen oder aus denen sich möglicherweise Alternativen zu dem Monstrum entwickeln, das wir Universität nennen. Diese kleinen innovativen Unternehmen im Umfeld der Universitäten halten die Beziehungen zur Universität aufrecht, ermöglichen Wissenstransfer und auch eine stärker an der Wirklichkeit ausgerichtete Ausbildung.

Ein deutscher Politiker, der gern im Rampenlicht steht, hat vorgeschlagen, die Universitäten zu verkaufen, weil sie vom Staat nicht mehr zu finanzieren sind. Das könnte ein erster Schritt sein, die verbürokratisierte Verwaltung zum Sonderpreis anzubieten. Damit wäre eine wichtige Voraussetzung zur Konstituierung von selbstorganisierenden Zentren innerhalb des Universitätssystems geschaffen, die zu einer wirklichen Autonomie der Hochschulen führen könnte. Solche selbstorganisierenden Zellen entstehen überall, wo die Bedingungen für einen Wandel von denen, die die gegenwärtige Dynamik verstanden und Initiativen ergriffen haben, geschaffen werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist Jenoptik, ein Unternehmen, das gerade an die Börse gegangen ist, nachdem es die traditionellen Produktionsweisen, die den früheren Ruhm begründet hatten, durch neue Produkte und Produktionsformen ersetzt hat. Hier werden auch neue Formen der Mitarbeitermotivierung erprobt, in Form von Aktienanrechten, die den Bedingungen eines wettbewerbsorientierten Marktes viel angemessener sind als die mächtigen Tarifverträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Ähnliche Beispiele, auch wenn sie leider eher selten sind, wird der Leser selber kennen. So wichtig Stabilität in den Augen von Pädagogen, Wissenschaftlern, Gelehrten und vor allem Verwaltungsangestellten auch sein mag, Formen der Selbstorganisation sind kennzeichnend für ein dynamisches System, nicht für schale Stabilität oder Egoismus. "Il faut laissez faire les hommes.": Diese Feststellung Colberts aus dem 17. Jahrhundert hat Bismarck überdauert, nicht, weil die den Deutschen so lieb gewordenen Tugenden von Ordnung und Disziplin schlecht sind, sondern weil sich jenseits der Schriftkultur ein Bereich entfaltet, in dem sich die erfolgreiche menschliche Selbstkonstituierung ausschließlich auf menschliche Ressourcen gründet. Die Fähigkeit zum Umdenken ist eine solche Ressource.

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Personenregister

Aristoteles Buch II, Kapitel 5
Barnard, F. R. Buch IV, Kapitel 1
Barthes, R. Buch II, Kapitel 4; Buch IV, Kapitel 6
Barzun, J. Buch III, Kapitel 3
Baudrillard, J. EINLEITUNG
Bayer, H. Buch III, Kapitel 1
Beethoven, L. van Buch V, Kapitel 1
Bell, A. G. Buch I, Kapitel 2; Buch IV, Kapitel 5; NACHWORT
Benn, G. Buch I, Kapitel 2
Berlin, I. Buch IV, Kapitel 5
Bloom, A. Buch I, Kapitel 1
Brown, J. C. Buch I, Kapitel 2
Burgess, A. Buch II, Kapitel 4
Carpenter, E. Buch I, Kapitel 1
Childe, G. V. Buch II, Kapitel 4
Chomsky, N. Buch II, Kapitel 3; Buch III, Kapitel 2; Buch V, Kapitel
1
Chruschtschow, N. Buch IV, Kapitel 5
Clausewitz, Carl von Buch IV, Kapitel 6
Conway, J. H. Buch V, Kapitel 2
Cooper, P. Buch I, Kapitel 2
Darius Buch IV, Kapitel 6
Dawkins, R. Buch II, Kapitel 5
Descartes, R. Buch IV, Kapitel 3
Dewey, J. Buch I, Kapitel 2
Dijkstra, E. Buch III, Kapitel 2
Durkheim, E. Buch IV, Kapitel 3
Edison, T. A. Buch I, Kapitel 2; Buch IV, Kapitel 5
Einstein, A. Buch IV, Kapitel 3; Buch V, Kapitel 2
Emerson, R. W. Buch I, Kapitel 2
Engels, F. Buch IV, Kapitel 5
Enzensberger, H. M. EINLEITUNG; Buch I, Kapitel 1
Epaminondas von Theben Buch IV, Kapitel 6
Fabergé, P. C. Buch IV, Kapitel 4
Faulkner, W. Buch I, Kapitel 2
Feyerabend, P. K. Buch IV, Kapitel 3
Galileo Galilei Buch IV, Kapitel 3
George III. (König v. England) Buch I, Kapitel 2
George, H. Buch III, Kapitel 2
Gestetner, S. Buch IV, Kapitel 4
Grotius, H. Buch I, Kapitel 1
Gutenberg, J. Buch II, Kapitel 4
Guttman, A. Buch IV, Kapitel 2
Hasan, B. Buch IV, Kapitel 2
Hauben, M. Buch V, Kapitel 1
Hausdorf, F. Buch III, Kapitel 1
Hawthorne, N. Buch I, Kapitel 2
Hegel, G. W. F. Buch IV, Kapitel 3
Heidegger, M. Buch II, Kapitel 4
Hemingway, E. Buch I, Kapitel 2
Heuss, T. Buch IV, Kapitel 6
Hildegard von Bingen Buch II, Kapitel 4
Homer Buch V, Kapitel 2
Huxley, A. Buch IV, Kapitel 5
Illich, I. EINLEITUNG
Irving, W. Buch I, Kapitel 2
James, H. Buch I, Kapitel 2
Jefferson, T. Buch I, Kapitel 2
Jewtuschenkos, J. A. Buch IV, Kapitel 5
Kant, I. Buch IV, Kapitel 3
Kerkhove, D. de Buch II, Kapitel 4
Kluge, J. NACHWORT
Korzybski, A. Buch II, Kapitel 3
Krause, K. NACHWORT
Lakatos, I. Buch IV, Kapitel 3
Lakoff, G. EINLEITUNG
Lanier, J. Buch IV, Kapitel 1
Le Corbusier Buch IV, Kapitel 4
Leibniz, G. W. EINLEITUNG; Buch II, Kapitel 5; Buch IV, Kapitel 1;
Buch IV, Kapitel 3
Lenin, V. I. Buch IV, Kapitel 5
Leo der Weise Buch IV, Kapitel 6
Leonardo da Vinci Buch IV, Kapitel 1
Leonidas Buch IV, Kapitel 6
Lindendorf, E. Buch IV, Kapitel 6
Llul, R. Buch II, Kapitel 4
Locke, J. Buch II, Kapitel 5
Longfellow, H. W. Buch I, Kapitel 2
Lotman, J. M. EINLEITUNG
Lukrez Buch IV, Kapitel 3
Malthus, T. R. Buch I, Kapitel 1; Buch III, Kapitel 2
Marx, K. Buch IV, Kapitel 3; Buch IV, Kapitel 5
Maturana, H. R. EINLEITUNG; Buch V, Kapitel 1
Maurice (byzant. Herrscher) Buch IV, Kapitel 6
McLuhan, M. EINLEITUNG; Buch II, Kapitel 4
Moltke, H. von Buch IV, Kapitel 6
Neumann, J. von Buch IV, Kapitel 6
Newton, I. Buch IV, Kapitel 3
Octavian Buch IV, Kapitel 6
Orwell, G. Buch V, Kapitel 2
Otto, N. O. Buch IV, Kapitel 5
Peirce, C. S. EINLEITUNG; Buch I, Kapitel 2; Buch II, Kapitel 5;
Buch IV, Kapitel 3
Platon Buch II, Kapitel 2; Buch II, Kapitel 4; Buch IV, Kapitel 3
Postman, N. Buch I, Kapitel 2
Proust, M. Buch V, Kapitel 2
Pythagoras Buch III, Kapitel 3
Ramses II Buch IV, Kapitel 6
Reich, R. B. Buch III, Kapitel 1
Remington, F. Buch IV, Kapitel 4
Remond, N. de Buch IV, Kapitel 1
Rogers, W. Buch I, Kapitel 1
Royce, J. Buch I, Kapitel 2
Sanders, B. EINLEITUNG; Buch II, Kapitel 5
Schwartzkopf, N. Buch IV, Kapitel 6
Searle, J. Buch I, Kapitel 1
Shakespeare, W. Buch IV, Kapitel 4; Buch V, Kapitel 2
Smith, J. Buch I, Kapitel 2
Snow, C. P. EINLEITUNG
Sokrates Buch I, Kapitel 2; Buch II, Kapitel 4; Buch IV, Kapitel 3
Spencer, H. Buch IV, Kapitel 3
Steiner, G. EINLEITUNG; Buch I, Kapitel 1; Buch V, Kapitel 2
Sterne, L. Buch IV, Kapitel 3
Tesla, N. Buch IV, Kapitel 5
Tiffany, L. C. Buch IV, Kapitel 4
Toqueville, A. de Buch I, Kapitel 2
Toulouse-Lautrec, H. Buch III, Kapitel 1
Turing, A. M. Buch IV, Kapitel 6
Twain, M. Buch I, Kapitel 1
Tzu, S. Buch IV, Kapitel 6
Van Gogh, V. Buch V, Kapitel 2
Vitruvius Buch IV, Kapitel 4; Buch V, Kapitel 2
Wiener, N. Buch I, Kapitel 1
Winograd, T. EINLEITUNG
Wittgenstein, L. Buch II, Kapitel 3; Buch II, Kapitel 5; Buch IV,
Kapitel 3
Zadeh, L. EINLEITUNG

Über den Autor

MIHAI NADIN, geboren 1938 in Brasov (Kronstadt), doppelt promoviert—in Ästhetik und Computerwissenschaften—und zweifach habilitiert—für Ästhetik in Bukarest, für Philosophie, Logik und Wissenschaftstheorie an der Universität München mit einer Arbeit über die Grundlagen der Semiotik—, lehrte seit 1977 u. a. in Braunschweig, München, Essen, Providence (RI), Rochester (NY), Columbus (OH) und New York. Seit 1994 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Computational Design an der Universität-Gesamthochschule Wuppertal. Seine 18 Buchveröffentlichungen und mehr als 140 Aufsätze, CD-ROM- und Internet-Publikationen weisen ihn als einen der weltweit führenden Autoren aus, die die gegenwärtige wissenschaftlich-technologische Revolution und die damit eröffneten Möglichkeiten von Kommunikation und Wissensproduktion sowohl theoretisch reflektieren als auch in der Praxis vorantreiben.

End of Jenseits der Schriftkultur
(C)1999 by Mihai Nadin

End of Project Gutenberg's Jenseits der Schriftkultur - Band 5, by Mihai Nadin