Title: Singapore, Malacca, Java.
Author: Fedor Jagor
Release date: December 10, 2013 [eBook #44405]
Language: German
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REISESKIZZEN
VON
F. JAGOR.
MIT VIERUNDZWANZIG FEDERZEICHNUNGEN.
BERLIN 1866.
VERLAG VON JULIUS SPRINGER.
MONBIJOU-PLATZ 3
Das Recht der Uebersetzung ist vorbehalten.
Die Absicht des Verfassers ist, in den vorliegenden Reiseskizzen, welche achtzehn Monate einer fast fünfjährigen Reise umfassen, kurze Schilderungen der hervorragendsten Gegenstände zu geben; die rein persönlichen Erlebnisse und rein wissenschaftlichen Einzelnheiten sind daher in der Regel fortgelassen worden, während Dinge, die für einen grösseren Leserkreis von Interesse schienen, etwas ausführlicher behandelt worden sind. — Die Angaben über den Kaffee- und Reisbau in Java sind zum grossen Theil aus zwei von der Maatschappij tot nut van 't algemeen herausgegebenen Schriften „de Koffij” und „de Rijst” entnommen, viele Angaben über die Cinchonen aus: Travels in Peru and India von Markham, der die Pflanzen nach Indien übersiedelte. Ferner sind benutzt worden: Journal of the Indian Archipelago, Crawfurd Dictionary, Singapore Free Press, Singapore Straits Times, Royle fibrous plants of India, Porter Tropical agriculturist, Nassau-Lees Tea Cultivation in India, Tijdschrift voor Nederlandsch Indie, Tijdschrift voor taal-, land- en volkenkunde, Junghuhn's Java.
Die Bilder sind nach Originalzeichnungen und Photographien des Verfassers ausgeführt, zum Theil von ihm befreundeten bedeutenden Künstlern, die ihm mit der liebenswürdigsten, uneigennützigsten Bereitwilligkeit entgegengekommen sind; die Bilder zu S. 35, 36, 50, 54, 101 nach Photographien, die zu 129, 138, 215, 218, 226 nach Camera-lucida-Aufnahmen, so dass sie fast die Genauigkeit von Photographien haben. Die Schiffe zu S. 7 und 50 sind Dumont d'Urville's Atlas entnommen, die Vögel S. 198 und die Fledermaus 216 nach ausgestopften Exemplaren gezeichnet.
Die malayischen Namen sind nach der deutschen Aussprache geschrieben; s muss aber = ss gesprochen werden.
1 Seemeile, 60 auf den Grad, = 1/4 deutsche Meile. 1 Mile (engl.) = 2/9 deutsche Meilen.
Bei Singapore und Malacca sind englische, bei Java folgende Maasse gebraucht: Pariser Fuss = 0,325 M. = 1,035' rh., Paal = 1/5 preuss. Meile = 4800' rh., Bau = 71 ares = 500 Quadratruthen.
In Singapore und Malacca wird der Pikul (= 100 Katti), wie in China, = 1331/3 ℔ engl. a. d. p. = 120,96 Zoll ℔, in Java = 125 ℔ = 136 ℔ engl. = 123,4 Zoll ℔ gerechnet. 1 Ton = 20 Cwts. = 2240 ℔ engl. = 2032 Zoll ℔. 1 Dollar = 42,4 Sgr., 1 Rupie = 20 Sgr.
In der Unterschrift zur Zeichnung S. 210 lese man Bandjar-negara statt Wonosobo. |
Erstes Kapitel. Seereise. — Flaggensprache. — Feuer an Bord. — Gefärbte See. — Ankunft in Singapore
Zweites Kapitel. Rhede von Singapore. — Junken. — Prauen. — Nipa-Palme. — Rhizophoren. — Palankinfahrt. — Hindufest
Drittes Kapitel. Landhaus. — Klima. — Muskatnuss-Pflanzung. — Europäer. — Früchte. — Nahrungsmittel. — Diener
Viertes Kapitel. Ueberblick der Stadt. — Strassenleben. — Reis. — Chinesen. — Malayen. — Malayische Sprache
Fünftes Kapitel. Fischen mit Toba. — Tiger. — Termiten. — Pfeffer. — Gambir. — Sago
Sechstes Kapitel. Opium
Siebentes Kapitel. Gründung und schnelles Aufblühen Singapores. — Rhiow. — Seeräuberei. — Malayische Kronik. — Uebersicht der Verkehrsverhältnisse, sonst und jetzt. — Ausbreitung der Chinesen. — Dampfschiffe
Anblick von Malacca. — Portugiesen. — Chinesen. — Melaleuca. — Mission unter den Mintras und Jakuns. — Guttapercha. — Neuer Pungulu in Allor-gadja. — Rückkehr zu den Mintras. — Ehepärchen. — Blasrohr. — Pfeilgift. — Fahrt nach Lingi. — Der Dato von Lingi. — Zustände in den kleinen Malayenstaaten. — Zinn. — Leben im Walde. — Zweckmässige Kleidung. — Insektenpulver. — Chinesischer Leichenzug. — Geschichte von Malacca. — Tapioka. — Djaggeri
Erstes Kapitel. Batavia. — Buitenzorg. — Botanischer Garten. — Gunong Salak. — Reisbau. — Kultursystem. — Warongs. — Erdnüsse. — Megamendong-Pass. — Telaga warna. — Pasanggrahans und Gasthäuser. — Preanger Regentschaften. — Bandong. — Junghuhn
Zweites Kapitel. Reise nach Trogon. — Strassen. — Waringibäume. — Bogenschiessen. — Religion der Javanen. — Vulkan Guntur. — Erdtransport durch Wasser. — Solfataren. — Theebau. — Vulkan Papandayan. — Telaga bodas. — Kaffeebau. — Schattenspiel. — Hirschjagd. — Malayische Küche. — Tänzerinnen in Sumedang. — Gamelang-Musik
Drittes Kapitel. Reise nach dem Malabar. — Cinchonenpflanzungen daselbst. — Cinchonenbau in Java und Vorderindien. — Tischchen deck' dich. — Bambus. — Gärtnerei. — Pangerango
Viertes Kapitel. Vulkan Tankubang-prau. — Kostbare Waffen. — Tiger. — Kawali. — Schirme. — Fest in Pandjalu. — Ausbruch des Gelungung. — Büffelkarren. — Teakholz. — Kindersee. — Universalmittel. — Pfahldorf. — Zimmet. Loro-Kidul. — Essbare Vogelnester und abergläubische Gebräuche beim Einsammeln derselben. — Kampf zwischen Tiger und Büffel. — Tigerstechen. — Reise nach dem Slamat. — Rhinozerosse
Fünftes Kapitel. Hochebene von Dïeng. Vulkane. Solfataren. Tempel. — Vogelscheuchen. — Tempel Perot. — Affengemeinde. — Bad. - Fliegende Hunde. — Borobudor. Pavon. Mundut. — Sultan von Jokjokarta und seine Familie. — Salzgewinnung. — Karang-tritis. — Getäuschter Gastfreund. — Landpächter. — Indigofabriken. — Begräbnissplatz Imogiri. — Tempel bei Kalasan und Prambanan. — Surakarta. — Der Kaiser und sein Hofstaat. — Betelkauen. — Pangerans. — Tanz. — Der alte Blücher. — Batek. — Berg Lawu. Raden Rio. — Neujahrsfest in Surakarta
Sechstes Kapitel. Festung Ambarawa. — Samarang. Schule. Waisenhaus. — Surabaya. Maschinenfabrik. — Tempel um Malang. — Ardjuno. Legende. — Semeru. — Lamongan. Gewitter. — Rückkehr nach Batavia
Seereise. — Flaggensprache. — Feuer an Bord. — Gefärbte See. — Ankunft in Singapore.
Im Juni 1857 verliess ich Hamburg und landete nach 105 Tagen in Singapore. Für unser Schiff, das selbst bei dem besten Winde selten mehr als sechs Seemeilen in der Stunde machte, war es eine sehr schnelle Reise, die ohne die besondere Gunst des Wetters und den rastlosen Eifer des Kapitäns nicht möglich gewesen wäre. Klipperschiffe fahren oft mit mehr als doppelter Geschwindigkeit und dennoch pflegen sie den Weg kaum in kürzerer Zeit zurückzulegen, da sie bei Windstillen, deren fünf Zonen zu passiren sind, leicht wieder einbüssen, was sie bei gutem Winde gewonnen haben. So kam es auf hoher See mehrere Male vor, dass bessere Segler uns überholten, und dennoch fand sich bei Vergleichung unserer Daten, dass sie Europa vor uns verlassen hatten, also länger unterwegs waren, als wir.
Ausgenommen zwei kleine wüste Felsen, Martin Vas und Trinidad, die in 201/2° südlicher Breite vor der Küste von Brasilien liegen, sahen wir auf der ganzen Reise kein Land; zwar hätten wir den 12,172 Fuss hohen Pik von Teneriffa erblicken müssen, da wir nur 30 Seemeilen davon vorüberfuhren, der Nebel verhüllte ihn aber.[1]
Als wir Ende Juli bei Tagesanbruch mit dem leisesten Luftzug an jenen Felsen vorübertrieben, waren vom Mast aus dreizehn Schiffe in Sicht, deren Wege sich hier kreuzten. Mit Hülfe der Marryat'schen Flaggensignale entstand bald eine lebhafte Unterhaltung; jeder fragt und versteht die Antwort in seiner eigenen Sprache, unbekümmert um das Idiom seines Korrespondenten, man tauscht die Namen aus, erkundigt sich, woher, wohin, und schliesst nach einigen Spezialfragen gewöhnlich mit einem freundlichen Gruss. Ein schönes Schiff, nach seiner Reisedauer[S. 4] gefragt, erwiderte aber barsch: das geht Niemand etwas an; wahrscheinlich war es lange unterwegs und ärgerte sich darüber.[2]
Maury hat so anschaulich geschildert, wie das scheinbar pfadlose Meer in Wirklichkeit von grossen Handelsstrassen durchschnitten wird, auf welchen sich alle Schiffe bewegen, wie die Karawanen in der Wüste, und hier befanden wir uns offenbar an einem Kreuzpunkt: Schiffe, die um das Kap Horn, andere, die um das Kap der guten Hoffnung gekommen waren, und solche, die von Europa kamen und nach den östlichen oder westlichen Gestaden des stillen Meeres wollten, begegneten sich hier. Bei gutem Winde eilen die Schiffe schnell an einander vorüber; eine so zahlreiche Versammlung ist nur bei Windstillen auf solchen Hauptstrassen möglich.
Wir befanden uns zwischen der südlichen Grenze des SO.-Passats und der nördlichen des westlichen Gegenstromes. Am Nachmittag begannen wir allmälig den Einfluss des letzteren zu fühlen und schon am folgenden Tage empfanden wir seine volle Wirksamkeit. Diese westlichen Winde sind viel kräftiger und konstanter, als der SO.-Passat,[S. 5] sie brachten uns schnell um's Kap; wir fuhren aber 5° südlich daran vorbei, sowohl um die Agulhas-Strömung zu vermeiden, die, aus dem indischen Ozean kommend, sich dicht um's Kap herum drängt und dann im südatlantischen Ozean fächerförmig ausbreitet (sie wird von den heimkehrenden Schiffen benutzt), als auch, um den Weg abzukürzen, indem wir nicht einem Parallel-, sondern einem grössten Kreise folgten. Auf der Mercators Projection scheint unser Kurs ein Umweg zu sein, auf dem Globus ergiebt sich der Vortheil sogleich.
So lange wir uns in diesen Breiten befanden, waren, da der August unserm Februar entspricht, Sturmvögel, Sturzwellen, Schnee und kaltes Wetter unsere beständigen Begleiter, freilich hatten wir auch immer frische Brisen, die sich zuweilen bis zum Sturm steigerten. Das Schiff war aber schon seit Wochen darauf vorbereitet; alles, was nicht fortgestaut werden konnte, war festgemacht, alle nicht ganz zuverlässigen Segel und Taue durch neue ersetzt und, da gegen die Tüchtigkeit des Schiffes wie des Kapitäns kein Zweifel bestand, so war es ein grosses Vergnügen, pfeilschnell durch die hohen Wellen getrieben zu werden.[3]
Als wir uns schon wieder in wärmeren Breiten im indischen Ozean befanden, brach Nachts Feuer aus. Es schlief Alles, ausgenommen der Steuermann und vielleicht die wachthabenden Matrosen, die sich auf dem Vorderdeck aufhielten. Durch einen Zufall wurde die Gefahr bemerkt, als schon der ganze Salon mit dichtem Rauch erfüllt war. Die Wand einer Kajüte brannte in hellen Flammen, und wenig fehlte, so wäre der daneben liegende Raum, in welchem Theer, Firniss und andere Brennstoffe aufbewahrt wurden, von der Flamme ergriffen worden und jede Rettung unmöglich gewesen. Wir hatten 1000 Centner Pulver an Bord, die der Rheder bis zum Tage vor der Abfahrt klug verschwiegen hatte. Das Feuer wurde schnell gelöscht. Wie so häufig bei wirklich grosser Gefahr, verlor Niemand den Kopf; eine gewisse Aufregung war nur an dem Schiffsjungen zu bemerken, der als Urheber des Brandes eine Tracht Prügel erhielt.
Am 20. September mussten wir nach der Schiffsrechnung ganz nahe bei der Sunda-Strasse sein. 52 Tage waren vergangen, seitdem wir jene Felsen gesehen, deren astronomisch bestimmte Lage uns zum letzten male Gelegenheit gegeben hatte, den Gang unseres Chronometers zu prüfen.[4] Es war ein sehr trüber Tag, alle Augen suchten den Horizont ab, um zuerst Land zu entdecken. Endlich schien an einer Stelle der Nebel etwas dichter zu werden; es war keine Wolke, die Form zeichnete sich immer bestimmter, mehr und mehr Einzelheiten traten hervor, wie bei dem Entwickeln einer Photographie, und bald lag Javahoofd deutlich vor uns in der Gegend, wo es liegen sollte. Das Tageslicht reichte noch aus, um uns den Felsen, die Brandung und die üppige Vegetation der Südostspitze Java's deutlich erkennen zu lassen; da es aber nicht rathsam schien, uns Nachts in die enge Sunda-Strasse zu wagen, so wurde beigedreht, um den Tag abzuwarten. Javahoofd bildet den östlichen Pfeiler des einen Hauptthores zur indischen Inselwelt. Es ist im Besitz der Holländer. Als das zweite Hauptthor muss man die Strasse von Malacca betrachten, durch welche der ganze Handel zwischen China und Indien geht. Es ist durch die Niederlassungen von Pulo-Pinang, Malacca und[S. 7] Singapore in den Händen der Engländer; das südliche Ufer, die Küste von Sumatra, gehört zwar den Holländern, doch ist es für die Schifffahrt nicht geeignet, so dass die Engländer in ungestörtem Besitze dieser Strasse sind.
Von hier an war die Fahrt höchst angenehm; wie ein grosses bewegliches Panorama zogen lange Küstenstriche von Java, Sumatra, Banca und viele kleine Inseln, bis an den Meeresspiegel dicht bewaldet, an uns vorüber. Gleich an der Eingangspforte ragte der Vulkan Krokotan aus dem Meere hervor, stark rauchend, während der dahinter liegende Vulkan Pulo-Besi nur seinen Umriss durch den Nebelschleier erkennen liess. An Anjer, wo die Sundanesen den Schiffen gewöhnlich das erste Willkommen in der Tropenwelt darbringen, kamen wir leider Nachts vorüber, so dass wir von den köstlichen Früchten und anderen Erfrischungen nichts erhielten. Das Meer wurde immer belebter, in ganzen Geschwadern erschienen die sonderbarsten kleinen Schiffe, zwischen deren hohen Mattensegeln fast nackte Eingeborne wie Katzen herumkletterten. Die letzten Sturmvögel hatten uns in 26° südl. Br. verlassen, jetzt schwebten Tropikvögel hoch über uns hin, mehrere kleine bunte Sänger kamen an Bord, um auszuruhen, und die Matrosen litten nicht, dass die Schiffsjungen das Gastrecht gegen sie verletzten. Auch einen Schmetterling trug uns der Wind zu und einige glänzende Käfer.
In diesem von Inseln eingeschlossenen Meere regte sich nur ein sanfter Luftzug, wir brauchten eine Woche bis Singapore, obgleich die Entfernung von Javahead wenig über 500 Seemeilen beträgt. Doch war dies immerhin noch kein ungünstiges Verhältniss. Ein Klipper, der einige Monate nach uns in Singapore eintraf, hatte die Reise von Australien bis zu jenem Kap in ungewöhnlich kurzer Zeit zurückgelegt, und brauchte von dort sechs Wochen, um den Hafen zu erreichen. Die Segelschiffe sind hier so häufigen Windstillen ausgesetzt, dass man die wahrscheinliche Reisedauer nach Europa gehender Schiffe gewöhnlich erst von dem Tage an rechnet, wo sie die Sunda-Strasse passirt haben. In Anjer werden alle aus- und einfahrenden Schiffe verzeichnet und in besonderen Listen bekannt gemacht; die Betheiligten suchen mit Ungeduld den Namen ihres Schiffes darin, weil erst ausserhalb der Sunda-Strasse auf beständige Winde zu rechnen ist.
Am 21. September war das Meer mit einer Substanz bedeckt, die vom Schiff aus täuschend wie Sägespähne aussah (wahrscheinlich Cook's sea saw-dust); sie war nicht gleichmässig über die Oberfläche vertheilt, sondern in parallele Streifen geordnet, die 1 bis 10 Fuss breit waren[S. 8] und in sehr verschiedenen Zwischenräumen einander folgten. Zuweilen fuhren wir stundenlang durch Bänder, die nur wenige Fuss von einander getrennt waren, dann kamen Zwischenräume von 10 bis 20 Minuten vor, die bei unserer langsamen Fahrt Entfernungen von 1/2 bis 11/2 Seemeilen entsprachen. Selbst vom Mast aus gesehen, reichten die Streifen bis an den Horizont. Fast drei Tage lang fuhren wir durch diese Substanz, am Nachmittag des dritten Tages wurde das Meer bewegter, die Streifen vermischten sich, die ganze Oberfläche nahm eine gleichmässige schmutzige Färbung an, am nächsten Morgen war die Erscheinung verschwunden. Unter dem Mikroskop erschienen die einzelnen Partikelchen als zierlich verflochtene Fäden; jeder Faden bestand aus einer Reihe von Zellen, deren Scheidewände in der Mitte des Fadens flach, nach beiden Enden hin gewölbter wurden und an den Enden selbst halbkugelförmig waren; jede dieser Zellen war noch durch eine gerade Querwand getheilt, längs der Mittellinie lagen Chlorophyllkügelchen. Bei dem Filtriren des Wassers, in welchem die Substanz schwebte, röthete sich das Filtrum, wie von Jod, die Färbung verschwand bald wieder. Es ist die von Professor Ehrenberg im rothen Meer entdeckte, später von vielen Reisenden beobachtete Pflanze Trichodesmium erythraeum. Wo sie vorkommt, findet sie sich immer in ungeheurer Menge beisammen. Vielleicht entstehen diese Pflanzen in geschützten Buchten, die durch Treibholz oder ähnliche Hindernisse zeitweise geschlossene Becken bilden, und wuchern darin so lange fort, bis durch einen Zufall der schützende Damm zerbrochen wird. Dann würde der äussere Rand der Einwirkung der Wellen blossgelegt werden, die bei so ruhiger See vielleicht gerade die rechte Kraft besässen, um je einen schmalen Streifen vom Rande zu lösen und fortzuschwemmen. Da dies nur bei Ebbe stattfinden könnte, indem die Fluth die Substanz zurückdrängen würde, so entsprechen vielleicht die grossen Zwischenräume, die wir zuweilen unter den Streifen wahrnahmen, den Fluthzeiten.
Am Sonntag, nachdem wir zuerst das Land erblickt, kam ein leichter Sampan auf uns zu und brachte einen malayischen Lootsen an Bord, der uns durch die Rhiow-Strasse führte; es war ein ruhiger, intelligenter Mensch, doch verstand er, mit Ausnahme der Schiffs-Ausdrücke, fast kein Wort englisch. Mit Sonnenuntergang liessen wir auf der Rhede von Singapore den Anker fallen. Natürlich gingen wir noch an's Land, obgleich es schon Nacht war, es war entzückend wieder festen Boden unter den Füssen zu haben, den würzigen Duft der Bäume einzuathmen, unter Palmen zu wandeln. Einen eigenthümlichen Reiz, mit einem Anklang[S. 9] von Bangigkeit, hatte es auch, die Eingeborenen vorübergleiten zu sehen, die in der Dunkelheit so wild aussahen. Alles war so fremdartig, nicht eine europäische Kleidung war zu sehen, bevor wir das Gasthaus erreichten, wo wir den Abend mit Champagner, Chesterkäse und englischen Zeitungen beschlossen.
Rhede von Singapore. — Junken. — Prauen. — Nipa-Palme. — Rhizophoren. — Palankinfahrt. — Hindufest.
Als wir am andern Morgen an Bord erwachten, war das Schiff von einem Kranz von Booten umgeben, die Geschäfte mit uns machen wollten. Am willkommensten war uns eine grosse Mannichfaltigkeit tropischer Früchte, von denen ich nur Ananas, Cocos und Bananen kannte. Es kamen Schneider, Schuhmacher, Wäscher, Klempner, Händler mit Getränken, Fleisch, Geflügel, Glaswaaren, Steingut, Kuriositäten; ein wahrer schwimmender Markt, als hätte die Stadt eine Probe geschickt von Allem, was sie zu leisten vermag, und unser Steuermann, der nach einer Fahrt von mehr als 100 Tagen noch nicht Lust hatte, an's Land zu gehen, konnte sich hier wenigstens einen allgemeinen Ueberblick verschaffen. Die meisten Leute sprachen ein paar Worte englisch, alle waren von einem ungeheuren Schachergeist besessen, am eifrigsten, lautesten und zudringlichsten gebahrten sich die Chinesen, wie sie auch die zahlreichsten waren.
Um uns auf der Rhede lag eine grosse Anzahl stattlicher europäischer und amerikanischer Schiffe, und hinter ihnen eine solche Musterkarte der allersonderbarsten Fahrzeuge und Flaggen, wie sie vielleicht kein anderer Hafen der Welt aufzuweisen haben möchte. Doch waren keine chinesischen Junken darunter, diese fangen erst im December an, ihre Heimath zu verlassen, wenn der NO.-Monsun in Kraft ist, und kommen frühestens gegen Neujahr hier an.[5] Sind sie einmal hier, so richten sie[S. 10] sich ganz häuslich ein, da sie vor dem Monat Juni, wenn der SW.-Monsun beständig ist, selten zurückkehren. Obgleich ihre Zahl mit jedem Jahre abnimmt und von europäischen Schiffen ersetzt wird, sah ich doch einige Monate später ihrer viele hier liegen. Die Gestalt der Junken ist aus chinesischen Bildern allgemein bekannt. Interessant ist aber das Treiben an Bord und rings umher. Das Schiff wird gleich nach Ankunft abgetakelt und in ein schwimmendes Waaren-Magazin verwandelt, oder vielmehr in einen Bazar; denn die Ladung ist nicht einem Superkargo anvertraut, sondern jeder handeltreibende Passagier (und jeder Chinese treibt Handel) hat sein Geld in denjenigen Waaren angelegt, die ihm den meisten Gewinn versprechen, und feilscht mit seinen Kunden auf eigene Hand. Lange rothe Papierstreifen, mit grossen Buchstaben bemalt, vertreten die Handelsschilder, Proben der verkäuflichen Waaren werden an den Seiten der Junke ausgehängt. Durch eben so viele Käufer und Verkäufer wird auch die Rückfracht beschafft, und da die nie müssigen Chinesen, wenn sie sonst nichts zu thun haben, die bösen Geister durch Gong-Musik und Knall-Feuerwerk vertreiben, so herrscht immer um die Junken ein wüster Lärm. Jetzt wimmelte der Hafen von „Prauen” aller Art, die sich aber nun bald in Bewegung setzen, um nach den östlich gelegenen Inseln und Küsten zurückzukehren. Diese Fahrzeuge sind nur klein, aber sehr malerisch, manche reich mit Schnitzwerk verziert, bunt bemalt und vergoldet. Die Mattensegel und groben Stricke aus Rotang (spanisch Rohr) oder Palmenfasern, die hölzernen Anker und die Bewaffnung vermehren das eigenthümliche Ansehen. Die Kabel und Taue dieser Prauen bestehen zuweilen aus dünngespaltenem, zusammengedrehtem Stuhlrohr, häufiger aus der schwarzen Faser, die bei der Gomutipalme (Arenga saccharifera) den Ursprung der Blattstiele am Stamm bekleidet (daher sie bei den Spaniern Cabo negro heisst), oder aus Coir, der Faser, welche den Kern der Cocosnuss umgiebt, derselben, die jetzt so viel zu Fussdecken verarbeitet wird. Beide letztere sind zwar weniger stark, als Hanfstricke, aber leichter und elastischer. Vor Erfindung der Ankerketten hatten viele Schiffe in den indischen Gewässern dergleichen Kabel, und hielten vor Anker Stürme aus, bei denen stärkere, aber weniger elastische Hanfkabel zerrissen. Zu Passagierbooten benutzt man die weitberühmten Sampans, leichte, bequeme, schnelle Kähne mit einem Sonnendach für den Passagier. Sie sollen nicht europäischen Booten nachgebildet sein, sondern diesen zum Theil als Muster gedient haben. Obgleich die Mannschaft aus vier Ruderern und einem Steuermann besteht, sind sie sehr billig. Eine Fahrt in solchem Boot, namentlich[S. 11] in der Gegend, wo die Schiffe der Eingeborenen am dichtesten liegen, gehört zu den angenehmsten Ausflügen und liefert eine Unzahl interessanter Genrebilder. Noch billiger, sicherer, freilich auch viel langsamer, fährt man auf dem Schuhboot der Chinesen; es ist fast so breit als lang, und wenn ein schneller Raubfisch das Modell zum Sampan geliefert hat, so ist das Schuhboot wohl der Schildkröte nachgebildet. Vorn hat es einen Schnabel, wie andere Boote auch, an seinem abgestutzten Hintertheil aber zwei kurze Schwänze, vorn ist natürlich auch auf jeder Seite ein grosses, in die Tiefe schauendes Auge angebracht, sie fehlen keinem chinesischen Fahrzeuge („no got eye, how can see?”). Gegen das Land hin nimmt das Gewimmel der kleinen Boote und Leichter immer mehr zu, und an der Mündung des kurzen Flusses ist ein Gedränge und Gesumme, wie am Eingang eines Bienenkorbes.
Wie bedeutend der Schiffsverkehr in Singapore, und wie sehr die deutsche Rhederei daran betheiligt ist, zeigt folgender Auszug aus der Singapore Free Press vom 6. Mai 1865: „Abgesehen von inländischen (d. h. nicht europäischen und amerikanischen) Schiffen, liegen jetzt 154 grössere Schiffe mit Raaen (square rigged vessels) im Hafen, wovon 3 britische und 2 Kolonial-Kriegsdampfer, 2 englische, 2 amerikanische Handelsdampfer, 2 holländische Postdampfer, 78 englische Kauffahrer, 19 hamburger, 9 bremer, 8 französische, 5 dänische, 5 preussische, 4 amerikanische, 4 holländische, 3 oldenburger, 2 hannoveraner, 2 schwedische, 2 siamesische, 1 norwegisches, 1 belgisches. Von den Kauffahrern verhalten sich die unter deutscher Flagge (38) zu den englischen wie 1 zu 2 und zu denen aller übrigen Nationen wie 2 zu 1 (dies würde stimmen, wenn die unter dänischer Flagge fahrenden Schiffe, wie es früher meist der Fall war, holsteiner wären). Vor acht Jahren lagen um dieselbe Zeit nur 60 Kauffahrer im Hafen; das Verhältniss der deutschen zu den englischen Schiffen war damals wie 1 zu 11, und das der deutschen zu denen aller übrigen Nationen, wie 1 zu 8. So weit haben es Freihandel und deutscher Unternehmungsgeist gebracht. Wir würden uns durchaus nicht wundern, wenn in wenigen Jahren das Verhältniss noch mehr zu ihren Gunsten wäre.”
Vom Hafen aus gesehen zeigt die Insel Singapore einen langgestreckten, stellenweis steilen Küstensaum, über den sich einige sanfte Hügelwellen erheben. Von der Stadt ist nur ein Theil sichtbar, in der Nähe derselben liegen viele einzelne Häusergruppen, weiterhin ist Alles mit dichtem Wald bedeckt, der einen zusammenhängenden einförmigen immergrünen Teppich bildet, nur in der Nähe des Strandes mit einigen[S. 12] Landhäusern geschmückt. Der Anblick ist lieblich, aber nicht besonders schön, da es an Kontrasten und hervorragenden Gegenständen fehlt. Die schöne grosse Kirche, die künftig die Hauptzierde der Stadt sein wird, ist noch im Bau begriffen. Die Insel liegt bekanntlich unmittelbar vor der südlichen Spitze der malayischen Halbinsel, des südlichsten Punktes von Asien, und ist nur durch eine Meerenge getrennt, die im Allgemeinen eine Meile, an einer Stelle aber nur 2000 Fuss breit ist. Früher ging der ganze Handel nach China durch diese schmale Gasse, jetzt fahren die Schiffe um die Südseite der Insel unmittelbar an der Stadt Singapore vorbei. Die Insel besteht, wie das gegenüberliegende Festland selbst, aus Granit und älteren geschichteten Gesteinen, letztere nehmen den grössten Theil des Flächenraumes ein, es ist noch nie ein Fossil darin gefunden worden; auch fehlen alle Anhaltspunkte, um ihr relatives Alter genauer bestimmen zu können. Uebrigens haben sie ganz den Habitus unserer ältesten Gesteine und gehören auch wohl den ältesten Gebilden an; es sind Sandsteine, Thone, Letten; an vielen Stellen tritt ein sehr eisenhaltiger Thoneisenstein auf, meist in Nestern, seltener in Bänken; bis jetzt wird er ausschliesslich zum Strassenbau benutzt, obgleich er sich wegen seiner geringen Festigkeit wenig dazu eignet. Der Granit, der einen viel kleineren Flächenraum einnimmt, tritt nie an die Küste, er bildet den Centralkern der Insel; aus ihm besteht auch der höchste Punkt derselben, Bukit-tima. Der Boden ist nicht fruchtbar, in den Niederungen häufig versumpft; die dem Meere näher gelegenen Sümpfe sind brakisch, in ihnen wuchert die stammlose Nipa-Palme und ein Dickicht von Mangelbäumen (Rhizophoren), das an flachen Stellen weit in's Meer hinein reicht und die ganze Insel, ausser wo die Ufer steil sind, mit einem Sumpfgürtel umgiebt. Aus den Wurzeln der Nipa-Palme (Nipa fruticans) wird in Borneo Salz gewonnen; die Blüthe liefert in den Philippinen und in Siam Zucker und Branntwein, wie viele andere Palmen, und nach demselben später zu beschreibenden Verfahren. In Singapore werden nur die Blätter zum Behuf der Dachdeckung zu „Atap” verarbeitet und die ganz jungen, noch gelben unentfalteten zur Herstellung von Cigaretten, indem man Tabak darin einrollt. Die Ataps sind eine wesentliche Vervollkommnung ihres Prototyps, des längs des Blattstiels gespaltenen Palmenwedels. Man erhält sie, indem man die Seitenblätter im Drittel ihrer Länge, von der Basis an gerechnet, umknickt, sie auf einen mehrere Fuss langen Stock dachziegelförmig aneinander reiht und durch einen Rotang-Splitt in dieser Lage befestigt. Die einzelnen Ataps werden beim Dachdecken wie Dachschiefer übereinander gelegt. Ein[S. 13] solches Dach ist sehr leicht, völlig regendicht, nur muss es häufiger ausgebessert werden, als ein Ziegeldach.
Die Mangelsümpfe (mangrove swamps) werden durch die merkwürdige Ordnung der Rhizophoraceen gebildet, die in tropischen Meeren alle flachen Küsten umsäumen. Es sind fast die einzigen Bäume, die im Meere wachsen und auf Kosten desselben das Land vergrössern, indem sie immer weiter darin vordringen und mit dem dichten Faserwerk ihrer Wurzeln das durch die atmosphärischen Wasser in das Meer geschwemmte Erdreich zurückhalten, so dass man oft nicht weiss, ob man schon am Lande oder noch im Meere ist. Bei keiner Pflanze tritt die Fortpflanzungsfähigkeit so schlagend vor die Augen, als bei dieser, wo die Früchte, noch an den Zweigen der Mutterpflanze hängend, sich schon in junge Bäume verwandeln mit langer spindelförmiger Wurzel. Beim Abfallen bleiben sie senkrecht im Sumpf stecken und wachsen sogleich weiter, oben Blätter, unten Wurzeln entwickelnd, während die an den niedrigeren Zweigen hängenden, ohne sich abzulösen, den Sumpf erreichen und darin fortwachsen. So sendet der Wald immer einen Gürtel junger Pflanzen vor sich her, indem er weiter in's Meer rückt. Sind die Bäumchen etwas grösser geworden, so entspringen am Umfange des Stammes Luftwurzeln, die in einem Bogen den Sumpf erreichen. Diese Wurzeln senden seitlich wieder Wurzeln aus, und schliesslich steht der Stamm, der 30 bis 40 Fuss hoch wird, auf einem domartigen Geflecht von Luftwurzeln, das bei Ebbe entblösst, bei Fluth gewöhnlich bis an den Stamm bedeckt ist, dann hat man einen Wald im Meer. Auch von den Aesten senken sich Luftwurzeln herab, die, wenn sie den Boden erreichen, darin weiter wachsen als Stützen der Aeste, aber zu selbstständigen Bäumen werden, wenn die Verbindung mit der Mutterpflanze aufgehoben wird. Das Holz wird hauptsächlich zur Feuerung benutzt, die Rinde zum Gerben (sie enthält mehr Tannin als die Eichenrinde), auch zum Färben dient sie den Eingebornen. Die Rizophorenwälder sind ein Lieblingsaufenthalt für Krokodile, Krabben, Einsiedlerkrebse und viele Gastropoden; auch Austern sitzen an den Stämmen; mit der Behendigkeit einer Eidechse kriecht und hüpft mittelst der Brustflossen ein sonderbarer Fisch auf dem Schlamme umher (Periophthalmus sp. div.). Dergleichen Sümpfe sind ein sicherer Zufluchtsort für Seeräuber, und gewöhnlich wegen ihres dichten, für die Sonnenstrahlen undurchdringlichen Laubdaches eine Quelle böser Miasmen. In Singapore aber, wo sie nur einen schmalen Gürtel bilden, werden sie durch die beständig mit einander wechselnden Land- und Seebrisen hinreichend gelüftet.
Wie gefährlich dergleichen Sumpfwaldungen zuweilen sind, zeigt folgende Notiz aus meinem Tagebuch: „14. Juni 1858. Als wir uns bei der dicht vor der NW.-Küste von Borneo (5° 04' N' 115° 12' O.-Gr.) liegenden Insel Moarro befinden, kommt ein Boot auf uns zu und meldet, dass das vor uns vor Anker liegende Schiff, die englische Barke Anna Maclean, in Noth sei. Unser Kapitän begiebt sich an Bord, bald darauf nehmen wir das Schiff in's Schlepptau und bugsiren es in den Hafen von Labuan. Das Schiff hatte, um Kohlen zu laden, auf Moarro, der Mündung eines Flusses gegenüber, angelegt, der viele Meilen weit durch die Sumpfwälder fliesst, aus denen hier die Küste von Borneo besteht. Der Nachts wehende Landwind hatte ihm die giftigen Miasmen wie aus der Mündung eines Trichters zugeführt; in wenigen (2?) Tagen war die ganze Mannschaft theils erkrankt, theils gestorben. Der Kapitän, der Steuermann, 3 Matrosen waren todt, nur ein Mann war noch dienstfähig.”
Unser Lootse, der uns gestern durch die Rhiow-Strasse gebracht, führte uns heut durch das Gewirr der Gassen von Singapore nach dem Handelshaus, dem unser Schiff konsignirt war. Man hatte uns frühestens 14 Tage später erwartet, ich fand die liebenswürdigste Aufnahme.
Zunächst wollte ich eine Fahrt durch die Stadt machen, und nahm deshalb einen Palankin, so heissen die hiesigen Miethswagen; es sind länglich viereckige, vierrädrige Kasten, mit Vorder- und Rücksitz, ringsum von Jalousien umgeben und mit einem kleinen Pony bespannt, beispiellos billig (1 Dollar pro Tag) und sehr zweckmässig, bis auf den Anstrich, der weiss statt schwarz sein sollte. Der Kutscher war ein Kling (Telinga von der Küste Koromandel), fast schwarz, mit einem grossen Turban und einem Lendentuch, sonst unbekleidet, doch sah er nicht unanständig aus, da die dunkle Farbe den Eindruck des Nackten fast aufhebt. Mitten auf der Stirn trug er einen Fleck von rothem Ocker, so gross wie eine Oblate. Alle Hindus haben dergleichen Abzeichen von verschiedener Form an der Stirn, und bezeichnen dadurch die religiöse Sekte, der sie angehören.
Ich liess mir die Tour, die ich machen wollte, ins Malayische übersetzen, lernte die Worte nach dem Klang auswendig, und hatte die Genugthuung, sogleich vom Kutscher verstanden zu werden, was er durch einen Salam (Anlegen der Hände an die Stirn und Verneigung) ausdrückte. Er ergriff das Pferd am Zügel und lief in kurzem Trabe mit ihm davon. Einige Male setzte er sich während der Fahrt auf das vorn angebrachte Brett und versuchte, das Pferdchen von dort aus zu lenken.[S. 15] Dies gelingt aber selten auf die Dauer, da die meisten hiesigen Ponies zu eigenwillig sind, dann muss der arme Bursche wieder absteigen und nebenher laufen. So kamen wir bald vor die Stadt, die Landstrasse wurde immer einsamer. Ich liess halten und stellte den Kutscher zur Rede, er vertheidigte sich sehr fliessend, doch konnten wir gegenseitig kein Wort verstehen. Endlich kehrte er aber um und führte den Wagen an die Stelle zurück, wo ich eingestiegen war. Hier brachte ein vorübergehender Kling, der Englisch verstand, Alles in Ordnung. Es ergab sich, dass der Kutscher fast ebenso fremd war, als ich, kein Wort Malayisch verstand und nur auf meine Ortskenntniss gerechnet hatte. Ich habe dies so ausführlich erzählt, weil ganz ähnliche Auftritte täglich vorkommen und sie so bezeichnend für die Art der Eingebornen sind, die auf die Frage, ob sie Dies oder Jenes wissen oder können, immer Ja antworten, wenn sie glauben, dass solche Kenntniss oder Fähigkeit ihnen Vortheil bringen werde; sehen sie aber mehr Mühe als Lohn voraus, so machen sie es natürlich umgekehrt.
Nachmittags begegnete mir eine grosse Kling-Prozession, der ich folgte. Den Zug eröffnete eine Musikbande, dann kamen einige Paare, die lange Stecken trugen, mit denen sie gegenseitig Schein-Angriffe machten und parirten; sie besassen grosse Gewandtheit und Sicherheit. Ihnen folgte paarweis ein Zug von Hindus, deren nur um die Hüften verhüllter, sonst nackter Körper mit gelbem Turmerikpulver[6] eingerieben war. Die Meisten trugen Hals- und Armbänder aus aufgefädelten kleinen weissen Blüthen. Einige dieser Leute hatten sich einen etwa fusslangen Spiess durch Lippen und Zunge, einen zweiten Spiess durch Backen und Zunge gestossen. Andere hatten sich auf jeder Seite des Körpers in der Gegend der Hüften zwei zwei Zoll lange Einschnitte gemacht, und durch die so entstandenen Oesen lange Stricke gesteckt, die von davor- und dahintergehenden Männern beständig hin- und hergezogen[S. 16] wurden. Unmittelbar auf sie folgten die Götter, deren Gunst durch diese Verstümmelungen erlangt werden sollte, theils auf Schultern getragen, theils auf Ochsenkarren gezogen. Es waren schöne Gruppen darunter: vor den reich drapirten Nischen, in welchen sich die Bilder der Gottheiten, von Gold und Silber glitzernd, befanden, standen je zwei junge Hindu-Mädchen in sehr glänzender Kleidung von Gold- und Silberbrokat, die auffallend an die Festkleider der Mutter Gottes in katholischen Kirchen erinnerte. Sie trugen langgestielte Wedel von weissen Federn, die sie feierlich hin- und herbewegten. Später überzeugte ich mich, dass es keine wirklichen Mädchen waren, sondern Knaben, die ihre Rollen so täuschend spielten. Auf einem freien Platz vor der Stadt machte der Zug Halt. Es waren viele Zuschauer anwesend, vorwiegend Klings, Chinesen, Malayen, fast kein Europäer. Die Meisten kauerten, hockten, sassen auf dem Boden, nur die hintersten Reihen standen. Jeder hatte gewiss die ihm behaglichste Stellung eingenommen, die aber zum Theil der Art war, dass sie bei uns kaum ein Turner auf die Dauer ausgehalten hätte. Diese Leute, die von Jugend auf nie einen Stuhl oder Tisch benutzen, weder enge Kleider, noch Schuhe tragen, wissen aus ihren unteren Gliedmassen viel mehr Nutzen zu ziehen, als wir. Die Beine müssen häufig als Arme aushelfen, wobei die Füsse die Stelle der Hände vertreten; so heben sie Sachen vom Boden auf, ohne sich zu bücken, halten das eine Ende eines Gegenstandes mit den Füssen fest, während sie das andere Ende mit den Händen bearbeiten. Besonders verstehen sie sich durch die grosse Gelenkigkeit ihrer Beine eine Auswahl bequemer Stellungen zu verschaffen und die Last des Oberkörpers so geschickt zu balanciren, dass sie nicht ermüden können. Selbst wenn man ihnen einen Stuhl anbietet, ziehen sie die Beine in die Höhe und richten sich auf dem Sitz ein, als ob sie am Boden sässen. Diese beneidenswerthe Fertigkeit ist aber leider nur in der ersten Jugend zu erlernen, in Kinderstuben, wo es keine Stühle giebt, und nur, wenn die Ausbildung der Füsse nicht durch Schuhe gehemmt wird.
Mitten auf dem Platz war ein grosses Feuer angezündet. Als es ausgebrannt war, lag die Gluth fast fusshoch und hatte gegen 20 Fuss Umfang. Die freiwilligen Märtyrer wurden bis an den Rand geführt, sprangen hinein, gingen langsam hindurch und taumelten in einen mit Wasser gefüllten Graben am jenseitigen Rande. Ihre Freunde liefen herbei, ermunterten, unterstützten sie und führten sie nach einer kurzen Erholungspause einzeln in einen grossen Kreis, den die Zuschauer offen gelassen hatten. Hier wurden sie mit einer gewaltigen Peitsche gegeisselt,[S. 17] bis sie vor Schmerz hinstürzten, worauf sie von ihren Freunden mit triumphirendem Gemurmel durch die Reihen getragen wurden. Es war ein ekelhaftes Schauspiel, das diese Leute von schönster kaukasischer Rasse hier vor den Malayen und Mongolen aufführten.
Ueber die Bedeutung des Festes konnte ich in Singapore nichts Zuverlässiges erfahren, später aber fand ich in den Blaubüchern der Präsidentschaft Madras, dass auch dort das Naruppuh-terunaul oder Feuerfest immer noch besteht, die Theilnahme sich jedoch, ebenso wie hier, auf die untersten Volksklassen beschränkt und überall im Abnehmen begriffen ist. Es ist keine von der Hindu-Religion vorgeschriebene Feierlichkeit. Nach einigen Berichten hat sie insofern eine religiöse Bedeutung, als sie mit der Verehrung der Gottheit Durmarasawney der Tamil, oder Veerbudrasawney der Telegu, in Beziehung steht, deren Zorn dadurch abgewendet werden soll; nach den meisten Berichten aber hat die Religion gar nichts damit zu schaffen, es ist nur ein alter Brauch, dem die niederen Klassen aus roher Schaulust zugethan sind, während die Gebildeteren fern bleiben. An manchen Orten sind es dieselben Individuen, die alljährlich die Feuerprobe bestehen und dafür bezahlt werden, wie andere Gaukler. Häufig aber sind es beschränkte Menschen aus den niedrigsten Kasten und Parias, die sich zur Erfüllung eines Gelübdes die Peinigung auferlegen. Es sollen fast nie üble Folgen eintreten, namentlich keine Todesfälle (zwei in den Berichten erwähnte waren jedenfalls nur mittelbar durch die Feuerprobe veranlasst), und wahrscheinlich ist ein grosser Theil des Eindrucks der guten Aufführung zuzuschreiben. Die indische Regierung beschloss in Folge jener Berichte, das Fest nicht amtlich zu verbieten, da sie ihr Ziel sicherer zu erreichen glaubte, indem sie ihren Beamten empfahl, für das allmählige Aufhören unter der Hand nach Kräften zu wirken.
Landhaus. — Klima. — Muskatnuss-Pflanzung. — Europäer. — Früchte. — Nahrungsmittel. — Diener.
Der preussische Konsul, dem ich während meines Aufenthalts in Singapore sehr viel verdankte und der mir auch noch später, so weit der Einfluss seiner Empfehlungen reichte, mit der freundschaftlichsten, angelegentlichsten Fürsorge den Weg ebnete, hatte mir auf seinem Landhause[S. 18] eine Wohnung einrichten lassen, die ich wenige Tage nach meiner Ankunft bezog. Es war wohl die schönste Besitzung auf der Insel, jetzt dient sie dem Guvernör zum Aufenthalt. Fast alle grossen Kaufleute haben ein Haus vor der Stadt, gewöhnlich auf dem Gipfel eines Hügels, wo die Seebrise alle Räume durchweht und abkühlt. Die hiesigen Landhäuser sind die angenehmsten und zweckmässigsten, die ich in heissen Ländern kennen gelernt habe, fast alle nach demselben Typus gebaut. Der leitende Gedanke dabei ist, die bewohnten Räume allseitig von Luft umkreisen und durchdringen zu lassen und sie gegen die Sonnengluth zu schützen. Das Haus ruht auf steinernen Pfeilern, gegen 15 Fuss hoch, der Raum zwischen den Pfeilern ist meist offen, nur wo es an Platz gebricht, werden einzelne Räume zwischen den Pfeilern durch leichte Holzwände oder Gitter abgetheilt. Der obere Stock, die eigentliche Wohnung, ist rings von einer breiten Gallerie, Veranda, umgeben, die vom Dach weit genug überragt wird, um gegen den Regen geschützt zu sein. An der äusseren Seite der offenen Veranda sind dunkelgrüne Rouleaux aus feingespaltenem Bambus angebracht, ein chinesisches Substitut für Jalousien; sie lassen die Luft durch, schliessen aber das blendende Licht aus. Durch rechtzeitiges Aufziehen und Herablassen derselben wird die Veranda und die von ihr umgebene Wohnung stets angenehm kühl erhalten. Die Zimmer haben nur Jalousien statt Glasfenster und massiver Thüren und öffnen sich alle nach der Veranda. So ist der ganze bewohnte Kern des Hauses ringsum von einer isolirenden Luftschicht umgeben. Von jedem Schlafzimmer führt eine kleine Treppe in ein zur ebenen Erde befindliches Badezimmer. Küche, Stallung, Remise, sowie die Wohnungen der Dienerschaft befinden sich in kleinen Nebenhäusern, durch einen bedeckten Gang mit dem Haupthause verbunden, wodurch aller widerwärtiger Geruch und Lärm ferngehalten wird. Im Speisesaal und in den Gesellschaftszimmern fehlt nie die Punka, ein grosser Fächer, bestehend aus einem mit Zeug bespannten Rahmen, der von der Decke herabhängt und durch ein Loch in der Wand mittelst einer Schnur von Aussen in Bewegung gesetzt wird.[7] Rings um das Haus des Konsuls war ein Garten, der eine Auswahl der schönsten Pflanzen[S. 19] des Archipels und neben anderen ausländischen Zierpflanzen auch europäische Rosen enthielt, denen man aber ansah, dass sie hier nicht heimisch sind. Der frühere Besitzer, der auch als Botaniker bekannte Arzt Oxley, hatte durch eifriges Sammeln und Tauschen den schönen Garten geschaffen. Da stand die Amherstia nobilis, das einzige grössere Exemplar auf der ganzen Insel, neben der Poinciana regia und dem Prachtstrauch Duranta Plumieri, umgeben von Ixoren in allen Farben und ebenso mannigfaltigen Hibiscusarten, darunter die Rose der Chinesen, von den Bedienten Schuhblume genannt, weil sie die lackirten Schuhe ihrer Herren damit putzen, Bauhinien, Passifloren und unter dem dichten, von sonderbar verschlungenen Luftwurzeln gestützten Schattendach eines Ficus die herrlichsten Orchideen und epiphytischen Farne. Fast Alles war in Blüthe, wie denn die meisten Pflanzen hier das ganze Jahr hindurch gleichzeitig Blüthe und Frucht tragen.
Da Singapore nur 1° 17' nördlich vom Aequator liegt, so herrscht dort ein ewiger Sommer. Der Unterschied zwischen dem längsten und kürzesten Tag beträgt nur 71/2 Minuten; praktisch genommen sind also alle Tage des Jahres durchaus gleich lang. Der Temperaturunterschied zwischen dem Mittel des kältesten und des wärmsten Monats beträgt weniger als einen halben Grad, die mittlere Jahreswärme 221/2° R. Die äussersten Thermometerstände sind 17° und 26° R. Die Morgen sind angenehm kühl, aber die Sonne steigt schnell so hoch, dass alles mit blendendem Lichte und sengender Gluth übergossen sein würde, wenn nicht Wolken, häufige Regenschauer und regelmässig wechselnde Land- und Seebrisen Licht und Hitze milderten. Es regnet an 180 Tagen etwa 90 Zoll; im Winter etwas mehr als im Sommer, doch vergeht selten eine Woche ohne Regen; trockene und Regenzeit, die weiter nach den Wendekreisen hin fast ebenso deutlich, wenn auch nicht so schroff gesonderte Jahreszeiten bilden, wie unsere Sommer und Winter, fehlen hier in der unmittelbaren Nähe des Aequators. Der erste Januar ist vom ersten Juli nicht zu unterscheiden. Bei einer so beträchtlichen Regenmenge in so hoher Temperatur ist die Feuchtigkeit der Luft immer sehr gross. Es ist sehr schwer, Eisengeräthe gegen Rost zu schützen. Das Leder verschimmelt, Papier verstockt, der Phosphor läuft von den Zündhölzern ab.
Der Garten ging allmälig in eine Muskatnuss-Pflanzung über, die den Rest des „Oxley-Hügels” einnahm. Das ganze Grundstück, sowie die Fahrwege in demselben, sind von Hecken aus Zwergbambusen umschlossen, so gesundheitstrotzend und immergrün, wie keine andere Hecke[S. 20] der Welt. Die Hauptstiele sind höchstens fingerdick; die Seitenschösse wie starker Draht und ebenso steif, starren nach allen Richtungen hin so gleichmässig dicht, dass die immer sorgfältig unter der Scheere gehaltenen Hecken wie riesige Bürsten aussehen. Wer die vielen schönen, anscheinend so gesunden Muskatbäumchen betrachtete, die mit Bevorzugung vor jeder anderen Kulturpflanze die Häuser aller Europäer umgaben, konnte nicht ahnen, dass diese mit so vieler Mühe und grossen Kosten angesiedelten Fremdlinge bereits den Keim des Todes in sich trugen. Der Muskatnussbaum (Myristica moschata) ist so oft und gut beschrieben worden, dass ich nur Einiges erwähnen möchte, was sich besonders auf seine Kultur in Singapore bezieht. Heimisch ist er nur auf den Molukken und den umliegenden Inseln. Sein Produkt, die Muskatnuss und die Macis, sind, seitdem die Europäer zuerst in jene Meere kamen, Gegenstände des strengsten Monopols gewesen. Die Banda-Inseln, auf welche die Holländer der leichteren Kontrolle wegen den Anbau beschränkten, obwohl ihnen dies nie ganz gelang, lieferten Jahrhunderte hindurch allein dies Gewürz. Nachdem die ursprüngliche Bevölkerung der Inseln, die sich dem Zwange nicht fügen wollte, ausgerottet worden, wurde der Anbau durch Sklaven, jetzt durch Sträflinge, betrieben, unter der Leitung von Europäern, die zwar die Pflanzungen eigenthümlich besitzen, das Produkt aber nur an die Regierung zu einem festgesetzten Preise verkaufen dürfen (Perkeniers). 1798, als die Engländer die Molukken inne hatten, übersiedelten sie die Pflanze nach Sumatra, von wo sie 1819 durch Raffles nach Singapore gebracht wurde. Ihr Anbau kam hier schnell in Mode, fast alle Landhäuser wurden mit dergleichen Pflanzungen umgeben. Der Baum, der in seiner Heimath 70 Fuss hoch werden soll (ich fand später in Camarines auf Luzon einen fast 100 Fuss hohen, sehr mächtigen, wilden Muskatnussbaum, dessen Früchte nicht grösser als kleine Kirschen, aber ganz ohne Aroma waren), bleibt hier strauchartig und übersteigt selten 20 Fuss. Sein Habitus hält die Mitte zwischen einem Lorbeer und einer Orange. Der einzelne Baum ist sehr schön, eine Pflanzung aber hat ein zu einförmiges Ansehen. Die Frucht gleicht einer Aprikose, doch läuft das Ende, an welchem der Stiel sitzt, spitz zu, wie bei einer Birne. Ist die Frucht reif, so springt sie auf. Dann sieht man im Innern hinter einem intensiv karminrothen Netzwerk, der sogenannten Muskatblüthe oder Macis des Handels, die glänzend schwarze Hülle der Nuss. Die Nuss selbst ist schwer herauszuschälen. Erst durch sehr langes Trocknen[S. 21] über schwach glimmendem Feuer schrumpft sie allmälig so weit zusammen, dass die Hülle, welche die ursprüngliche Grösse behält, durch vorsichtiges Klopfen zersprengt und abgelöst werden kann. Die Muskatblüthe wird an der Sonne getrocknet und gepresst und erhält dadurch ihre gelbe Farbe. Es dauert 9 bis 10 Jahre, bevor die aus Samen gezogenen Bäume Früchte tragen. Ein grosser Uebelstand ist, dass die männlichen und weiblichen Blüthen auf verschiedenen Bäumen sitzen, so dass später ein Theil der unfruchtbaren männlichen Bäume umgehauen und durch neue weibliche ersetzt werden muss. Gewöhnlich lässt man auf 10 weibliche Bäume einen männlichen stehen. Während die Pflanze in Banda ohne alle Pflege wuchert, fordert sie hier unausgesetzt die grösste Sorgfalt. Der Uebelstand, dass sie erst nach so langen Jahren den vollen Ertrag giebt, tritt um so mehr hervor, wenn man berücksichtigt, dass der hier übliche Zinsfuss 12% beträgt. Trotzdem erlangte der Anbau dieses Gewürzes doch schnell eine grosse Ausdehnung. Einerseits ist sowohl der Boden als das Klima von Singapore für die Erzeugung der meisten andern Kolonial-Produkte nicht geeignet. Zucker, Kaffee, Baumwolle, Cacao, Arrow-root zu ziehen ist versucht worden, jedoch ohne rechten Erfolg. Andererseits konnten die Muskatgärten bequem vom Besitzer übersehen werden, da sie keine grosse Ausdehnung haben und unmittelbar sein Haus umgeben. Auch der Umstand, dass die Pflanze in anderen tropischen Ländern, wo man ihren Anbau versucht hatte, nicht hinreichend gedieh, um ihr Produkt zum Handelsartikel zu machen, war nicht übersehen worden; man hoffte dem indischen Archipel das Monopol zu bewahren. Die Erwartungen der Pflanzer sind aber gänzlich zu Schanden geworden. Schon bei meiner letzten Anwesenheit, 1859, begannen viele Bäume zu kränkeln und trotz aller Bemühungen der Gärtner abzusterben. In fast allen Stufen seiner Entwickelung wurde der Baum von verschiedenen Insekten angegriffen. Das Uebel verbreitete sich so schnell, dass jetzt, 1864, fast alle Pflanzungen sowohl in Pinang, als in Singapore völlig zerstört sind. Der Verlust an Kapital wurde schon 1862 auf mehr als 500,000 Dollars angeschlagen. Durch das Aussterben der Muskatbäume haben alle ländlichen Grundstücke eine bedeutende Entwerthung und die Hypothekengläubiger entsprechende Verluste erlitten. Nach einer Privatmittheilung hatte beispielsweise ein reicher Chinese 4000 Dollars auf eine Pflanzung geliehen, die nach dem Absterben der Bäume nicht für 300 zu verkaufen war. Wäre aber das Unglück auch nicht eingetreten, so würden doch die hochgespannten[S. 22] Erwartungen der Pflanzer nicht in Erfüllung gegangen sein, da der Verbrauch und mithin auch der Preis aller Gewürze, mit Ausnahme des Pfeffers, fortwährend abnimmt.[8]
Von der Veranda des schönen Landhauses übersah man einen grossen Theil der Insel. Zunächst um den Fuss des Hügels und im Thal zwischen den nächsten Anhöhen liegen in hübschen Gruppen die kleinen Häuschen der Eingebornen, unter Bambusbüschen und Obstbäumen, von Arecapalmen überragt, die auf langem, zierlich dünnem Schaft eine Blätterkrone tragen, so leicht, wie ein Federbusch. Es ist die eleganteste aller ostasiatischen Palmen, Hooker vergleicht sie mit einem vom Himmel geschossenen Pfeil; die Eingebornen pflanzen sie aber nicht ihrer Schönheit wegen, sondern weil sie die Arecanüsse liefert, die sie mit dem Betelpfeffer kauen. Die besseren dieser Häuser sind aus Brettern erbaut, viele aber nur aus Bambus, Matten, Palmenblättern und allerlei Nothbehelf; sie stehen auf Füssen von Palmenstämmen, einige Fuss hoch über der Erde. Der Fussboden besteht aus gespaltenen Bambusen oder Nibongpalmen (Caryota urens), die neben einander liegen, ohne sich zu berühren, so dass Luftzug von unten durchdringt. Das Ganze überragt wie ein Sonnenschirm ein hohes Dach aus Palmenblättern, das auf den Seitenwänden nicht fest aufliegt, sondern dem Luftzug eine Oeffnung freilässt. Solche Häuschen sind recht kühl.
Nach Süden sieht man die Strasse, die zur Stadt führt, aber bald hinter einem Hügel verschwindet, der auch den grössten Theil der Stadt verbirgt; im Hintergrund erscheint das Meer mit seinem Inselgürtel. Nach dem Innern zu erheben sich eine Menge kleiner Hügel; jeder der näher gelegenen trägt auf dem Gipfel ein schönes geräumiges Landhaus, neben welchem häufig einzelne Bäume emporragen, deren spärliche Blätterkrone in gar keinem Verhältniss zu dem enormen Stamm zu stehen scheint. Es sind die letzten Ueberreste des Urwaldes, der vor Kurzem noch Alles bedeckte, sie wurden ihrer Grösse wegen als Erinnerungssäulen geschont, können sich aber nicht in die neuen Verhältnisse schicken; ihr Stamm, an die Feuchtigkeit und den Schatten des dichten Waldes[S. 23] gewöhnt, kann die freie Luft und Sonne nicht ertragen und vertrocknet schnell. Weiterhin werden die Landhäuser immer seltener, dichter Wald überzieht gleichmässig die ganze Landschaft, deren Einförmigkeit nur durch sanfte Hügelwellen unterbrochen wird. Ziemlich in der Mitte der Insel hebt sich Bukit-tima deutlich über die kleineren Anhöhen hervor, und in äusserster Ferne erblickt man bei heiterem Wetter hinter immer zarter abgetönten Hügelreihen den Gunong-Pulaï, der dem jenseitigen Festlande angehört.
Zur völligen Behaglichkeit fehlte mir noch ein Diener; denn obgleich mein Gastfreund deren über ein Dutzend hielt und den grössten Theil des Tages nicht zu Haus war, konnte ich doch nur sehr schwer Dienstleistungen von seinen Leuten erlangen, da es die hiesigen Diener für eine ungerechte Zumuthung halten, einem Anderen, als ihrem Herrn behülflich zu sein. So ist es auch bei Tisch. Ist man eingeladen, so bringt man seinen Diener mit, weil man sonst Gefahr läuft, nichts zu essen zu bekommen. Hinter dem Stuhl eines jeden Gastes steht dessen Bedienter, gewöhnlich ein Chinese mit langem Zopf, oder ein Kling mit grossem Turban. Jeder von diesen sorgt ausschliesslich für seinen Herrn und sucht ihm die besten Stücke zu verschaffen. Oft sieht man sie sich darum balgen, wobei sie aber immer ihr würdevolles Wesen bewahren, wie es sich in Gegenwart grosser Herren, für welche hier alle Europäer gelten, ziemt. Einem Freunde ihres Herrn erweisen sie auch wohl mitunter eine kleine Gunst, verlangt aber ein Fremder etwas von ihnen, so stehen sie wie versteinert und in ihrem feierlich-respektvollen Gesicht malt sich die tiefste Entrüstung über die ungebührliche Zumuthung.
Alle Europäer, die auf dem Lande wohnen, bringen die Geschäftsstunden von 9 bis 4 Uhr in der Stadt zu. Während dieser Zeit steht ihr Haus gewöhnlich ganz leer, selbst die Bedienten sind dann meist nicht anwesend oder schlafen so fest, dass sie ebenso gut abwesend sein könnten. Das Haus steht offen, keine Thür ist verschlossen, man kann frei durch alle Räume gehen, die zum Theil mit werthvollen Gegenständen ausgestattet sind. Aber sonderbarer Weise wird nichts gestohlen. Obgleich unter den Eingebornen Diebstähle, auch Räubereien, häufig vorkommen, so war doch kein Fall bekannt, dass je das Haus eines Europäers beraubt worden wäre. Die Eingebornen haben eine gewisse Scheu, solches Grundstück zu betreten, die sich aus der Furcht vor den Hunden nicht genügend erklären lässt; denn Hunde giebt es nicht überall,[S. 24] auch würden sie entschlossenen Dieben kein Hinderniss sein. Es scheint daher fast, wenigstens schmeicheln sich die Europäer damit, dass ein gewisser Nimbus das Haus beschütze.[9]
Die Europäer, deren Zahl sehr gering ist und zum grossen Theil aus wohlhabenden Kaufleuten und hoch besoldeten Beamten besteht, geniessen in mancher Hinsicht eine bevorzugtere Stellung, als der hohe Adel in Europa. Sie sind durch Reichthum, Bildung, Intelligenz, Unternehmungsgeist und Ehrenhaftigkeit den anderen hier vertretenen Nationen sehr überlegen. Ausserdem bilden Farbe und äussere Haltung eine natürliche unübersteigliche Schranke für alle ehrgeizigen Asiaten, deren einige ebenfalls grosse Reichthümer ansammeln. Auch der Luxus, in dem sie leben, die Freigebigkeit, mit der sie bezahlen, sind Mittel, bei den Asiaten Achtung zu erlangen. Einer der angenehmsten Vorzüge, die aus diesem Verhältniss entspringen, ist das unbegrenzte Vertrauen, das alle Europäer geniessen. Keiner von ihnen trägt Geld bei sich, und kann dennoch in jedem Laden kaufen, was er will. Ich hatte einmal in Johore, auf dem asiatischen Kontinent, jenseits der kleinen Meerenge, eine Anzahl Jungen benutzt, um Thiere und Pflanzen zu sammeln. Da ich kein Geld hatte, erhielt jeder für das, was er ablieferte, ein Stückchen Papier, auf das ich mit Bleistift die Anzahl Cents schrieb, die er dafür empfangen sollte. Als ich Abends abfuhr, rechnete ich die einzelnen Zettel zusammen und gab dem ältesten Jungen einen Schein für die ganze Summe, zahlbar in Singapore. Keiner hatte das geringste Misstrauen, sie schienen alle so befriedigt, als hätte ich sie baar bezahlt, obgleich wir einander völlig fremd waren. Als ich Singapore verliess, fuhr mich mein Kutscher an den Platz der Einschiffung und setzte meinen letzten Koffer ins Boot. Ich schuldete ihm mehrere Monate Fuhrlohn, schrieb mit Bleistift einige ihm unverständliche Worte auf einen Zettel, den er bei meinem Banquier abgeben sollte, er machte seinen Salam und wünschte mir eine glückliche Reise. Sogar die Hunde, die in dergleichen Dingen immer eine richtige Witterung haben, erkennen die bevorzugte Stellung an. Sobald ein ganz fremder Europäer zum ersten Male das Grundstück eines andern betritt, kommen sie ihm bis an die Hecke entgegengelaufen und geleiten ihn freundlich bellend und wedelnd ins Haus. Wenn erst die europäische[S. 25] Bevölkerung mehr zunimmt, Unbemittelte oder gar Industrieritter hierher kommen, wird dieser Zustand natürlich aufhören.
Die Lebensweise der reicheren Europäer ist äusserst angenehm und mit Ausnahme der zu kopiösen Mahlzeiten sehr zweckmässig. Die Billigkeit der Landhäuser, der Dienerschaft und der Pferde erlaubt ihnen mit verhältnissmässig geringen Kosten einen fürstlichen Haushalt zu führen. Sie stehen gewöhnlich vor Tagesanbruch auf, nehmen ein Bad und machen einen grossen Spaziergang. Nach einem einfachen Frühstück, um 9, fahren sie zur Stadt, arbeiten bis um 4 in ihren meist sehr luftigen Kontoren und kehren nach Haus zurück. Bei der Ankunft bietet der erste Diener seinem Herrn ein Glas Sherry an und berichtet, ob etwas vorgefallen, dann folgt Bad, Ausfahrt in eleganter offener Equipage, gegen 7 Uhr Diner, nach Tisch wird gelesen, geplaudert, Billard gespielt. Man geht früh zu Bett, wenn keine Gäste da sind; sonst dauern die Gesellschaften gewöhnlich bis 11 Uhr. Mit Sonnenuntergang wird das ganze Haus verschwenderisch beleuchtet, wenn auch kein Besuch da ist.
Frauen sind auch in der europäischen Gesellschaft wenig zahlreich. Sie leben meist auf so kostspielige Weise, dass nur wenige Männer reich genug sind, Frauen in dem zum herrschenden Ton gewordenen Luxus zu erhalten. Auch vertragen dieselben meistens das Klima weniger gut als Männer; sie werden bald apathisch, kränkeln und sind genöthigt, zur Wiedererlangung ihrer Gesundheit nach Europa zurückzukehren. Tritt dieser Fall nicht ein, so zwingt sie bald die Sorge für die Erziehung der heranwachsenden Kinder zur Heimreise, während der Mann, wenn er noch kein hinreichendes Vermögen erworben, zurückbleibt.
Wie aber fast jedes Uebel auch seine gute Seite hat, so ist der Verkehr unter den Männern innerhalb derselben gesellschaftlichen oder eigentlich finanziellen Schichten, denn in solche ist die hiesige Gesellschaft streng gesondert, um so bequemer und herzlicher; während in fast allen kleinen Kolonien, wo es Frauen und gar arme Beamten- und reiche Kaufmannsfrauen giebt, das Leben durch die Eifersüchteleien der sonst so liebenswürdigen Wesen sehr verbittert wird. Auch sind Frauen als Hüterinnen des Anstandes und der Sitte in englischen Kolonien entbehrlicher, als in jeder andern. Der starre Schematismus der englischen Erziehung hält für das ganze Leben vor. Während kontinentale Europäer in fernen Ländern gern jeden lästigen Zwang so bald als möglich ablegen, sich vernachlässigen, „ihre Kaste verlieren”, bleiben die Engländer überall Engländer — Insulaner — Fremde. Daher ist auch ihr Einfluss auf die Sitten der Eingebornen ein sehr geringer. Eben so gering sind auch[S. 26] die Leistungen ihrer wohl besoldeten, fein gebildeten Missionäre im Vergleich zur Mehrzahl der katholischen, die, ungestört durch wissenschaftliche Bildung, gesellschaftliche Stellung, häuslichen Wohlstand und Familienbande, in besonderen Seminaren mit militärischer Disziplin zum Bekehren erzogen, in ein viel näheres und daher einflussreicheres Verhältniss zu ihren Täuflingen treten.
Die hiesigen englischen (aber nicht die deutschen) Häuser sind meist nur Agenturen grösserer Firmen, deren Hauptsitz in England oder Kalkutta ist, und die noch an mehreren andern Plätzen in China und am Archipel ihre Kontore haben. Daher finden unter dem Personal häufige Versetzungen statt. Als ich nach 6 Monat langer Abwesenheit Singapore wiedersah, traf ich die Hälfte meiner Freunde nicht mehr an; sie waren nach allen Richtungen zerstoben und durch neue Ankömmlinge ersetzt.
Unter den Europäern herrscht grosse Gastfreundschaft. Fast täglich ist man eingeladen. Als ich mich zum ersten Male in einer solchen Gesellschaft befand, machten die geographischen Spezialkenntnisse der Anwesenden einen grossen Eindruck auf mich. Mein Nachbar rechts war 10 Jahre auf den Philippinen gewesen, der zur Linken hatte so eben einen grossen Theil Borneo's durchreist; der gegenüber hatte fast alle grösseren Inseln des Archipels besucht, auch Neu-Guinea und die Nordküste Australiens. Ein anderer (Col., jetzt General Mac Leod) war zu Fuss durch Birma bis an die Grenze von China gegangen, durch Länder, die ausser ihm noch kein Europäer betreten hatte. Wie erweiterte sich aber erst der geographische Horizont, als die Damen die Kartoffelfrage behandelten! „Sind dies javanische oder chinesische Kartoffeln?” — „Neuseeländische.” — „Ich ziehe die kalifornischen vor.” — Die eine bezog ihren Bedarf aus Holland, die andere aus Neuholland. — Europäische Gemüse und Früchte gedeihen hier nicht. Von den hier gebauten Gemüsen sagen fast nur Bohnen und mehrere Gurkenarten unserem Geschmack zu. Dagegen liefern die hiesigen Gärten in grosser Fülle die besten Früchte der heissen Zone. Am häufigsten ist die Banane oder Pisang (Musa paradisiaca), in sehr vielen Varietäten, bei weitem die verbreitetste und nützlichste aller tropischen Früchte. Ihr Geschmack hält die Mitte zwischen Birne und gekochter Kartoffel; sie dient als Obst und Gemüse, und wird selbst von Europäern reichlich gegessen, die sonst die meisten Früchte, sogar die köstliche Ananas, aus Gesundheitsrücksichten ängstlich vermeiden, was, so weit meine Erfahrung reicht, ein Vorurtheil ist. Keine Frucht ist leichter zu kultiviren;[S. 27] sobald die Fruchttraube abgenommen, wird der Stamm umgehauen, um für die aus der Wurzel aufgeschossenen jüngeren Triebe Platz zu machen; so geht es fort und fort. — Die Ananas, malayisch Nanas (Ananas sativa), von Singapore übertreffen an Wohlgeschmack alle in Java, Siam oder auf den Philippinen gebauten, und werden selbst von den in europäischen Treibhäusern gezogenen an Duft nicht übertroffen. An Süssigkeit und Saftfülle bleiben diese aber hinter der Singapore-Ananas zurück. Sie ist so billig, dass man sie in Verbindung mit feinem Sand benutzt, um das Verdeck der Schiffe zu scheuern. Man isst gewöhnlich nur die untere, süssere Hälfte und wirft die obere fort. — Von Vielen wird der Mangustan (Garcinia mangostana) für die Königin aller Früchte erklärt. Sein Vorkommen ist auf ein sehr kleines Gebiet beschränkt; weder in Ost- noch Westindien gelang es bisher, ihn zu ziehen. (Es gilt als einen der grössten Triumphe der Kunstgärtnerei, dass der Herzog v. Devonshire einige Mangusten zur Reife gebracht hat.) — Nur in gewissen Jahreszeiten häufig sind die Mangos (Mangifera indica), die, wenn sie nicht sehr gut sind, wie Aprikosen mit Terpentin, oft aber auch wie Terpentin mit Aprikosen schmecken. Dies ist eine der wenigen tropischen Früchte, von denen es viele durch Kultur entstandene Varietäten giebt.
Die grösste aller Baumfrüchte ist wohl die Nangka, Jackfruit (Artocarpus integrifolia), von denen eine einzige über einen halben Centner schwer wird. Obgleich sie sehr angenehm würzig schmeckt, wird sie von Europäern fast nie gegessen. Sie ist eine nahe Verwandte der Frucht des Brodbaums (A. incisa), die hier nicht geschätzt und nur von den Eingebornen als Gemüse genossen wird. Häufiger erscheint die Papaya auf der Tafel, die Frucht des Melonenbaumes (Carica papaya), die weder die Grösse, noch den Geschmack einer sehr mittelmässigen Melone erreicht. In der inneren Höhlung liegen eine grosse Menge dunkelgrüner Kerne; sie sehen aus wie Kapern, riechen wie Kresse und schmecken gar nicht. Der Saft der unreifen Frucht enthält aber Fibrin, das ausser bei Pilzen noch bei keiner Pflanze nachgewiesen wurde. Dieser Saft, ja die blosse Ausdünstung der Blätter, mehr noch die Berührung hat die höchst auffallende Eigenschaft, die Muskelfaser zu zersetzen, das zäheste Fleisch zart zu machen.[10]
Sehr schön modellirt und gefärbt, wie aus Wachs gebildet, sind die Jambusen (Eugenia spec. div.), deren einige wie Rosen duften. Sie erfrischen, ohne den Geschmack zu befriedigen, da ihr loses, schwammiges Zellengewebe nur schwach säuerliches Wasser enthält.
Angenehmer schmecken die Anonen-Arten, die aber in Singapore noch nicht die verdiente Verbreitung gefunden haben.
Der Lei-tschi der Chinesen (Nephelium lichi), der in Siam so gut fortkommt, scheint in Singapore nicht zu gedeihen; der Rambutan, eine ihm verwandte Nephelium-Art (N. lappaceum?), ist häufig und kommt ihm im Geschmack sehr nahe. Die fleischige Hülle haftet aber durch unzählige Fäserchen so fest am Kern, dass ihr Genuss unbequem ist.
Apfelsinen sind in zahlreichen Varietäten vorhanden, in allen Grössen, vom kleinen Kumqwat, nicht grösser als eine Walderdbeere, bis zur Pumpelmuse (Citrus decumana), die fast kopfgross wird. Letztere hat zwar einen grossen Verbreitungsbezirk, erlangt aber nur an gewissen eng begrenzten Lokalitäten ihr volles Aroma. Am besten geräth sie in Batavia und in Amoy. Sie ist lange nicht so saftreich, aber würziger, als alle andren Oranien. Der Name Pumpelmuse klingt sehr holländisch, kommt aber wahrscheinlich vom Tamil-Wort Bambalmas. Die Engländer nennen sie gewöhnlich Shaddock nach einem Schiffskapitän, der sie von Batavia nach Westindien übersiedelte. Dr. de Vry sagt in einem vor der British Assoc. in Birmingham gehaltenen Vortrage, dass die Pumpelmusen[S. 29] in Bandong (Java) in 2300' Meereshöhe ungeniessbare Früchte, nicht grösser, als gewöhnliche Apfelsinen, tragen, dass er aber von einem einzigen Baum in seinem Garten 200 ℔ Blüthen (!) gepflückt habe und dass er von 1000 ℔ Blüthen 1 ℔ Neroli bester Qualität erhielt (Chemical News. Sept. 29. 65).
Als Unkraut wuchert die Guajava (Psidium pomiferum und P. pyriferum), deren den Holzbirnen und Aepfeln ähnlich aussehende Früchte die Stelle unserer Quitten vertreten, ohne ihrem Aroma gleichzukommen; sie werden fast nur eingemacht gegessen.
Eine der merkwürdigsten Früchte von allen ist der Durian (Durio zibethinus); nach Crawfurd ist er auf dasselbe kleine Gebiet beschränkt, wie der Mangustan und wächst auf hohen Bäumen, häufiger im Walde, als kultivirt, hat ziemlich die Grösse und Gestalt der Ananas, aber die pyramidalen Warzen, die seine holzige Schale bedecken, sind hart und spitz. Bei der reifen Frucht springt die Schale an vier Stellen der Länge nach bis zum Stiel auf und enthüllt eine weiche, weisslich gelbe, creme-artige Substanz, welche die Zwischenräume zwischen den nussgrossen Samenkernen ausfüllt. Sie schmeckt besser als der beste Creme, und riecht schlechter als Knoblauch. Dieser ungemein penetrante Geruch ist anfänglich Jedem zuwider, der Wohlgeschmack aber so gross, dass der ursprüngliche Widerwille sich bald in eine wahrhaft leidenschaftliche Zuneigung verwandelt. Man zahlt oft einen Dollar für das Stück, während Ananas nur einen Cent kosten, so gross ist die Nachfrage ihrer Verehrer. — Hoch bezahlt sind auch steinharte, fade Birnen und Aepfel, die der Norden von China liefert; sie sind fast ungeniessbar für neue Ankömmlinge, aber länger Ansässige, denen sie das Obst der geliebten Heimath versinnlichen, dichten ihnen in frommer Erinnerung einen Wohlgeschmack an, den sie durchaus nicht besitzen.
Die Sehnsucht nach der Heimath ist ein stehender Zug bei allen Europäern, die in diesen fernen Landen leben. Eine hübsche Sitte, die sich darauf gründet, ist der Toast: „Auf die fernen Freunde”, der zum Schluss des Mahls im besten Wein mit feierlicher Stille getrunken wird.
Viele hiesige Früchte, wenn auch in Gärten gewachsen, sind kaum als veredelt zu betrachten und unterscheiden sich wenig oder gar nicht von ihren Stammeltern im Walde. Aber auch diejenigen, die man nicht wild, sondern nur um die Wohnungen der Menschen antrifft, haben sich nur wenig von dem ursprünglichen Typus entfernt, da fast keine Varietäten vorhanden sind (ebenso ist es mit den Zierblumen). Doch ist wohl nicht zu zweifeln, dass sich aus den vorhandenen Obstarten eine eben[S. 30] so grosse Menge hochedler Sorten erzielen liesse, als man in Europa aus fast ungeniessbaren ursprünglichen Arten gezogen hat. Für's Erste ist aber keine Aussicht auf dergleichen Versuche vorhanden. Die hiesigen Europäer wenden ihre ganze Energie und Intelligenz dem Handel zu und kehren, sobald sie können, nach Europa zurück. Die wenigen, die hier bleiben, haben meist ihre Strebsamkeit verloren, sie nehmen immer mehr von der Gleichgültigkeit der Eingebornen an. Von ihnen sind Versuche, die so viel Zeit, Kenntniss und Mühe verlangen, kaum zu erwarten.
Ausser Obst, etwas Gemüse und Geflügel, vielen Fischen und Krebsen liefert die Insel keine Nahrungsmittel. Es wird aber Alles in Menge eingeführt, ja oft sind manche Artikel hier billiger, als am Produktionsort. Hühnerfleisch und Reis isst man täglich wenigstens zwei Mal. Hammelfleisch ist sehr theuer und gilt für einen grossen Leckerbissen. Die besten Hammel kommen aus Bengalen, darauf folgen die vom Peiho, weniger geschätzt sind die von Shanghai und Australien. Puter kommen aus Java und kosten 5 bis 6 Dollars das Stück. In Singapore können sie nicht gezogen werden, auch die eingeführten sterben bald.
Von europäischen Speisen sind namentlich die national-englischen in Blechbüchsen immer vorhanden, sie sind meist aus englischer Fabrik, daher weder sehr wohlschmeckend, noch mannigfaltig. In anderen Kolonien lässt man sich dergleichen Sachen lieber aus Frankreich kommen und steht sich besser dabei. Die gewöhnlichen Getränke sind englisches Bier, Bordeaux-, Rheinwein. Geeisten Champagner trinkt man so häufig, dass die chinesischen Bedienten das Wort ihrer Aussprache akkommodirt haben, indem sie aus Cham-paign sim-kin machen.
Von der Wichtigkeit der Erfindung, Nahrungsmittel in hermetisch-verschlossenen Büchsen aufzubewahren, bekommt man erst auf Seereisen und mehr noch in den Kolonien, besonders in den abgelegenen Stationen, eine richtige Vorstellung.[11] Wenn aber die Zubereitung nicht sehr schmackhaft ist, so stellt sich nach fortgesetztem Gebrauch allmälig ein solcher Ekel ein, dass selbst die Matrosen Salzfleisch vorziehen. Dies tritt namentlich bei englischen Präparaten bald ein, bei französischen habe[S. 31] ich es nie empfunden. Hoffentlich ist der Zeitpunkt nicht mehr fern wo man wenigstens die für die Passagiere bestimmten Nahrungsmittel während der ganzen Reisedauer nur durch Kälte frisch erhalten wird. Wenn die Eismaschinen erst den nöthigen Grad von Vollkommenheit erreicht haben, dürfte es wohl an der Zeit sein, sie mit einem System von Röhren zu verbinden, die, mit einer schwer erstarrenden Flüssigkeit gefüllt, einen angemessenen Raum hinreichend kalt erhalten, um alle darin niedergelegten Nahrungsmittel völlig frisch zu bewahren. Man sollte glauben, dass die Kosten der Einrichtung und des Betriebes, besonders auf Dampfschiffen, wo ein kleiner Bruchtheil der vorhandenen Kraft zu diesem Zweck abgezweigt werden könnte, beträchtlich geringer sein würden, als die des jetzt eingeführten Gebrauchs, lebende Thiere sammt Futter und Wärter mitzunehmen. Abgesehen aber vom Kostenpunkt würden die Annehmlichkeiten für die Reisenden sehr gross sein. Der Zahlmeister könnte auf jeder Station diejenigen Artikel in Fülle einkaufen, die gerade dort am vorzüglichsten sind; statt des Fleisches von Thieren, die durch die Seereise gelitten haben, könnte man den Reisenden mit wahrscheinlich geringeren Kosten stets das beste, gleich in geeigneten Stücken eingekaufte Fleisch vorsetzen. Führte man ein solches Röhrensystem durch die von den Passagieren bewohnten Schiffsräume, wie man Häuser durch warmes Wasser heizt, so könnte die in niederen Breiten, besonders an Bord überfüllter Dampfschiffe, so unerträgliche Hitze auf ein Minimum herabgedrückt werden. Namentlich aber für die Fahrt auf dem rothen Meere, die während einiger Monate so verrufen ist, dass die Gesellschaften während dieser Zeit genöthigt sind, ihre Preise herabzusetzen, würde eine solche Einrichtung von grossem Werthe sein.
Nachdem ich in dem schönen Landhause einige Wochen zugebracht, die unter der Masse neuer Eindrücke und Bekanntschaften sehr angenehm verflogen, entschloss ich mich, die wahrhaft fürstliche Gastfreundschaft unseres Konsuls nicht länger in Anspruch zu nehmen, bezog eine kleine Wohnung in der Stadt und wollte anfangen, recht fleissig zu sammeln und zugleich Individuen der verschiedenen Rassen, welche die völlige Freiheit des Verkehrs hier zusammenführt, zu photographiren. In Europa hatte ich viel von der Vortrefflichkeit und Billigkeit der indischen Diener gehört und meine Ansprüche, sowie meine Ausrüstung danach zugeschnitten. Einen Diener wollte ich zum Sammeln und Präpariren von Thieren, einen zweiten auf Pflanzen, einen dritten auf photographische Handleistungen abrichten. Auch konnte ich, wenigstens im Anfang, Diener genug bekommen, sie fanden aber keinen Geschmack an meinen[S. 32] Liebhabereien und verliessen mich gewöhnlich wieder nach einigen Tagen. Durch Vermittelung eines gefälligen Freundes wurde mir ein kleines, niedliches Bretterhaus, 100 Schritt vom Meer, das der Regierung gehörte und zur Zeit unbenutzt stand, zur Verfügung gestellt. Ich liess mich mit meinem Gepäck darin nieder und verlebte hier einige sehr angenehme Monate. Die Liebenswürdigkeit und Herzlichkeit, die ich ohne Ausnahme von allen Europäern erfuhr, wird mir immer eine der liebsten Erinnerungen bleiben. Einmal zeigte mir Jemand ein Glas voll Schlangen und Eidechsen in Spiritus, ohne sie mir anzubieten, und ich erinnere mich noch, dass ich von einem so unerwarteten Verfahren ganz betroffen war. Ich wüsste die Gefälligkeiten, die mir ununterbrochen von allen Seiten erwiesen wurden, nicht schlagender anzudeuten, als durch dies Geständniss. Der Tag verging unter den mannigfachsten Beschäftigungen, die Abende brachte ich gewöhnlich auf dem Landhaus irgend eines Freundes zu. Freilich fehlte es auch nicht an allerlei kleinen Miseren, welche aber gegen die Freuden des damaligen Lebens sehr zurücktraten. Eine dauernde Unbequemlichkeit war die Schwierigkeit, einen guten Diener zu finden. Als ich in meinem Häuschen die grossen Kisten geöffnet hatte und der Bediente den Inhalt erblickte, schüttelte er bedenklich den Turban und sprach halb englisch, halb malayisch: „Viel, viel Sachen, Herr, nehmt einen andern Diener, zu viel Mühe!” und ging ab. Ich wagte nicht auszugehen, da das Haus nicht verschliessbar war. Bald kam ein Platzregen, der durch das schadhafte Dach drang und die ausgepackten Sachen durchnässte. Nach einigen Tagen erbarmte sich meiner eine Dame und verschaffte mir ein wahres Muster von Bedienten, der Alles allein zu machen versprach. Auch stattete sie mich noch mit allerlei Gegenständen der Bequemlichkeit aus, um mir den Aufenthalt in meiner neuen Wohnung angenehm zu machen. Als ich spät Abends nach Hause kam, fand ich aber dasselbe offen, der Diener war nicht da, weil er, wie er mir am andern Tage sagte, noch keine Schlafmatte hatte. Um eine zu suchen, verbrachte er den grössten Theil des zweiten Tages ohne Erfolg. Am dritten Tage kam er spät und brachte noch einen Landsmann mit, der ihm helfen sollte; dieser schien ein Literat zu sein, er las den ganzen Tag, deklamirte und schrieb; verlangte ich etwas von ihm, so seufzte er und sprach: „much, much trouble.” Nachmittags fand ich ihn in meiner Geldtasche wühlend und entliess ihn. Den andern behielt ich noch 6 Tage, davon war er 2 Tage krank, einmal musste er vor Gericht, ein andermal hatte er dringende Geschäfte in Familienangelegenheiten. Nachdem ich in kurzer Zeit einige Malayen[S. 33] und mehrere Klings gehabt, bekam ich einen berühmten, kleinen Chinesen. Leider verstand er nicht malayisch und ich nicht chinesisch. Er verstand überhaupt nichts, da er noch nicht gedient hatte, besass aber grossen Eifer. Meine Schuhe putzte er nicht nur von aussen, sondern auch von innen, und als ich ihm auftrug, meinen schwarzen Frack zu reinigen, um darin bei einem amtlichen Diner des Guvernörs zu erscheinen, wusch er ihn mit Seife und Wasser. Dadurch wurde der kleine Bursche so berühmt. Seine angenehmste Eigenschaft aber war, dass er immer lief, wenn ich „lakas” rief. Dies hatte für mich einen solchen Reiz, nachdem ich mich so lange mit den faulen, mürrischen Klings beholfen hatte, dass ich den armen Jungen fast nur in diesem schnellen Tempo benutzte. Aber nach 6 Wochen war er's müde. Als auch er mich verlassen hatte, blieb ich längere Zeit ohne alle Bedienung. Mein Haus war eigentlich nur dem Scheine nach verschlossen, obgleich ich oft den ganzen Tag und einen Theil der Nacht abwesend war. Auf meinem Balkon hingen mehrere Thermometer ganz frei, mir ist aber nie etwas gestohlen worden. Und doch stand das Haus auf einem Grundstück, das nur zum Theil durch eine Hecke eingefasst war und an einer wenig frequenten, Abends nicht beleuchteten Strasse lag. Den Grund weiss ich mir nicht zu erklären.
Wenn aber auch ein hiesiger Diener den Anforderungen, die man in Europa an einen solchen stellt, nicht entspricht, so kann man sich doch sehr gute Bedienung verschaffen, wenn man für verschiedene Dienstleistungen im Hause verschiedene Diener annimmt, was bei ihren bescheidenen Ansprüchen nicht sehr theuer ist. Auch verlangt die Gerechtigkeit, zu erwähnen, dass ich schliesslich einen vorzüglichen Diener bekam, treu, anstellig, fleissig, bescheiden; zu meinem grossen Bedauern zog er sich später in den Wäldern von Malacca ein Junglefieber zu, wodurch ich gezwungen wurde, ihn in Singapore unter der Pflege eines Arztes zurückzulassen.
Ueberblick der Stadt. — Strassenleben. — Reis. — Chinesen. — Malayen. — Malayische Sprache.
Die Stadt bildet ein Kreis-Segment, dessen Sehne, der Strand, von NO. nach SW. streicht, während der nach NW. gerichtete Bogen im N. von einem Kanal, in seinem weiteren Verlauf durch eine Reihe von[S. 34] Anhöhen begrenzt wird. Gegen 20 dieser, im Durchschnitt 100 Fuss hohen Hügel treten unmittelbar an den Rand der Stadt und schon beginnen die Häuser, sich an den Abhängen in die Höhe zu ziehen. Jeder Gipfel gewährt einige hübsche Bilder, die alle aus denselben, aber immer anders gruppirten Elementen bestehen. Die schönste Rundsicht hat man vom Government-hill, jetzt Fort Canning, das mitten in der Stadt liegt. Hart an seinem Fuss fliesst der kleine Fluss, der die Stadt in zwei Theile sondert. Die nördliche, räumlich grössere Abtheilung enthält die meisten öffentlichen Gebäude, viele Wohnhäuser reicher Kaufleute und Beamten, die noch unvollendete Kirche und die Esplanade, einen schönen grossen Rasenplatz dicht am Meere, auf welchem jeden Abend ein kleiner Korso und Cricket, das nationale Ballspiel der Engländer, mehrere Male in der Woche auch Militärmusik stattfindet. Auf der Südseite ist das Geschäftsleben konzentrirt. Diese vertritt die „City”, jene das „Westend”; letzteres liegt aber östlich. Dicht an seiner Mündung hat der Fluss nach Süden zu ein quadratisches Stück Land von etwa 1000 Fuss Länge und Breite angeschwemmt; Raffles, der Gründer der Stadt, hat die Trümmer eines Hügels, der früher an der Mündung stand, darauf geschüttet. Es hängt nur auf einer Seite mit dem Lande zusammen, zwei andre Seiten werden vom Meere, die vierte vom Fluss gebildet. In diesem Viereck befinden sich alle grösseren Geschäftshäuser und Speicher der Europäer sowohl, als der Asiaten. Auf den dem Meere zugekehrten Seiten ragen Landungsdämme ins Wasser, an welchen die Güter für die verschiedenen Firmen unmittelbar in die daran stossenden Speicher gebracht werden. In der Mitte des Vierecks liegt der Commercial square, der Centralpunkt des Verkehrs für die Europäer, und vertritt fast die Stelle einer Börse. Noch lebhafter aber ist das Gewimmel auf und an dem kleinen Flusse: an seinen beiden Ufern liegt eine fast ununterbrochene Reihe von Leichtern und andern kleinen Booten, welche Waaren aus- und einladen, die von stämmigen chinesischen Kulis oder durch Ochsenkarren weiter geschafft werden. In der Mitte bewegen sich vom frühesten Morgen bis spät Abends dichte Züge ein- und ausfahrender Lastboote aller Grössen.
Die Rhede ist umschlossen von dichtbewaldeten Inseln, über die sich die Kronen zahlreicher Palmen erheben. Gewöhnlich ist das Meer so ruhig, wie ein Binnensee und bedeckt mit Schiffen aller Länder, zwischen denen unzählige kleine Boote hin- und herfahren. Eine ganze Kette solcher kleinen Eilande und Felsen liegt im Süden der Hauptinsel und setzt in SO-Richtung den Umriss der Küste wie in einer[S. 35] punktirten Linie fort. Die südlichste derselben, St. John, musste früher von allen grösseren Fahrzeugen umschifft werden, bis man unmittelbar an der Südküste von Singapore selbst eine Durchfahrt entdeckte, tief genug für die grössten Schiffe. Sie wird im Süden von der Insel Blakang-mati begrenzt, welche fleissige Bugis in ein Ananasfeld verwandelt haben, und bildet den sogenannten neuen Hafen, New harbour, in dem jetzt die grössten Dampfschiffe anlegen und ihre Kohlendepots haben. Es sind daselbst Docks und Landungsbrücken errichtet, so dass die Schiffe unmittelbar am Lande anlegen und löschen können, während in Singapore Alles durch Leichter gelandet werden muss. New harbour hat aber so wenig Raum, dass er kaum für die Bedürfnisse der Dampfschifffahrt ausreicht.[12]
Das bunte Treiben in den Strassen entspricht dem, was die Schiffe auf der Rhede vermuthen liessen. Die Stadt ist der Sammelplatz aller Völker des fernen Ostens. Weitaus überwiegend an Zahl und Bedeutung sind die Chinesen. Dann folgen der Menge nach die Völker malayischer Rasse, Bewohner des Archipels: Bugis, Javanen, Sundanesen, echte Malayen und endlich die Klings, wie hier allgemein sämmtliche Bewohner Vorder-Indiens ohne Unterschied genannt werden, obgleich das Wort, eine Korruption von Telinga, ursprünglich nur die Eingebornen der Ostküste der vorderindischen Halbinsel bezeichnet. Diese drei Völkerschaften bilden die Hauptmasse; mehr vereinzelt erscheinen zwischen ihnen Araber, Perser, Parsis, Armenier, Siamesen, Birmanen, Anamiten, Tagalen und Juden in alttestamentarischer Tracht.
In allen Hauptstrassen der Stadt sind die Häuser im Erdgeschoss mit fortlaufenden Bogengängen versehen, unter welchen man zwar Schutz gegen die Sonne findet, aber nicht gegen die Zudringlichkeit der kleinen Handelsleute, die hier als Geldwechsler, öffentliche Schreiber und Krämer ihr Wesen treiben. Bei letzteren findet man oft das sonderbarste Gemisch von Waaren, namentlich bei den Klings: neben europäischen Eisen- und Kurzwaaren sieht man die verschiedensten Produkte des Archipels, indische Medikamente, Hülsenfrüchte und mitten unter den Nahrungsmitteln[S. 36] grosse Stücke Arsenik in offenen Schalen, das namentlich nach Madras zum Einbalsamiren der Leichen, auch nach anderen Häfen zum Präpariren der Häute geht. Eine andere in die Augen fallende Waare, die man aber nur an den Thüren der Grosshändler trifft, sind Kanonen von jedem Kaliber, für die immer ein guter Markt ist, da sich hier sowohl die Seeräuber zum Angriff, als die friedlichen Kauffahrer zur Vertheidigung ausrüsten.
Besonders auffallend im hiesigen Strassenleben ist die fast gänzliche Abwesenheit der Frauen. Chinesen und Klings, die mit der Absicht kommen, nachdem sie ein kleines Vermögen erworben, in ihr Vaterland zurückzukehren, bringen keine Frauen mit, und ein grosser Theil der Bevölkerung ist fluktuirend, kommt mit dem einen Monsun und kehrt mit dem andern in die Heimath zurück, die Familie bleibt daheim. Von den wenigen Frauen, die hier ansässig sind, werden die meisten, der Sitte des Orients gemäss, im Hause gehalten. Nach den statistischen Berichten ist das Verhältniss der Frauen zu den Männern ohnehin nur wie 1: 8, aber auf der Strasse fehlen erstere fast ganz. Nie geht eine Frau neben ihrem Mann, oder gar von ihm geführt, es könnte die Würde des Mannes beeinträchtigen, ihn lächerlich machen. Die malayischen Familien gehen gewöhnlich Einer hinter dem Andern, zuerst die Kinder, dann die Mutter, dann der Vater und die Erwachsenen. Auch Männer gehen immer nur hinter einander, der Vornehmste voran, die andern folgen genau nach ihrem Range. Sie haben diese Gewohnheit wohl in der Heimath angenommen, wo nur schmale Pfade durch den Wald führen, und befolgen sie hier auch auf den breitesten Strassen. Derselbe Gebrauch ist unter den Indiern in Amerika allgemein: daher der englische Ausdruck: Indian file. Manche können es auch nicht unterlassen, wenn sie an Hecken vorbeigehen, einige Zweige einzuknicken, wie sie es im Walde gewöhnt sind, zu thun, um den Rückweg zu finden.
Den buntesten, interessantesten Anblick gewährt die Stadt wohl Abends zwischen 8 und 10 Uhr. Die Strassen, in welchen die Geschäftshäuser der europäischen Kaufleute liegen, sind dann öde und finster, aber in den anderen Stadttheilen, besonders im Viertel der Chinesen, herrscht die grösste Lebendigkeit. Hier sind alle Läden offen und mit grossen, bunten Papierlaternen, die zugleich als Firmaschilder dienen, beleuchtet,[S. 37][13] alle Werkstätten in voller Thätigkeit. Längs der Häuser haben sich ganze Reihen kleiner Geschäftsleute, Hausirer, besonders aber viele Garköche mit ihren tragbaren Gestellen eingefunden, welche an dem einen Ende eines Bambus die Küche, am andern sämmtliches Geschirr tragen. Dazwischen wogt eine dichte Menschenmenge, die hier ihre Abendmahlzeit kauft und meist gleich an Ort und Stelle verzehrt.
Die Chinesen bedienen sich zum Essen der bekannten kleinen Stäbchen; alle andern hiesigen Asiaten essen mit den Fingern, zuweilen auf sehr unappetitliche Weise. Noch unappetitlicher ist die Art, wie die Gäste ihrem Wirth nach beendigter Mahlzeit ausdrücken, dass sie völlig satt sind. Die Mehrzahl der hiesigen Bevölkerung lebt fast nur von Reis. Viele geniessen kaum etwas anderes.[14] Fleisch und sonstige Zuspeisen werden[S. 38] von den Aermeren nur in so geringer Menge dazu genossen, als bei uns Pickles oder andre Reizmittel. Darauf sind auch die Garköche eingerichtet; für ein paar Pfennige kann sich dort Jeder die kleinsten Portionen seiner Lieblingsgerichte kaufen, die zuweilen auf römischen Wagen, nicht grösser als eine Goldwage, abgewogen werden. Es sieht drollig aus, wenn eine Anzahl chinesischer Kulis ihre Mahlzeit einnehmen. Sie hocken um einen Eimer voll Reis, um welchen im Kreise herum eine Anzahl pikanter Zuspeisen in kleinen Tassen stehen. Jeder füllt sich eine geräumige Schale mit dem Nationalgericht, fasst seine beiden Essstäbchen, die so dick wie Bleistifte und anderthalb mal so lang sind, indem er sie mit Daumen und Mittelfinger gegen den Zeigefinger presst, und schaufelt sich mit den beiden Enden, den Athem dabei einziehend, eine grosse Anzahl Reiskörner zu, die einzeln, aber in enggeschlossener Reihe, in den weit geöffneten Mund fliegen, um auf einmal verschlungen zu werden; ab und zu holt er sich mit seinen Stäbchen, indem er sie wie eine Zange gebraucht, ein Stück Fleisch oder Fisch aus einer der Tassen, beisst ein wenig davon ab, legt den Rest in seine Schale und schaufelt von neuem weiter. Es ist auffallend, wie die hiesige chinesische Bevölkerung gesund und kräftig bleiben kann bei einer Kost, die fast nur aus Stärkemehl besteht und an Stickstoffgehalt selbst von der Kartoffel übertroffen wird, wenn man von dieser den 3/4 des Gewichts betragenden Wassergehalt ausser Rechnung lässt; die chinesischen Lastträger, wenigstens die im Dienst der Europäer, essen allerdings nicht unbedeutende Mengen Schweinefleisch.
Die Chinesen sind als sehr geschickte Köche bekannt; auch haben sie ein grösseres Feld, als die unsrigen, da sie viele Dinge verwenden, die dem Europäer als unrein gelten. Die von Max Müller (Science of language S. 346) nach Farrar erzählte Geschichte, welche ihm Veranlassung giebt, eine der Annahmen über den Ursprung der Sprache als die Bau-Bautheorie im Gegensatz zur Puh-Puhtheorie zu kennzeichnen, ist noch heute in China unter den Europäern gang und gäbe. Ein Engländer nämlich, dem man eine Schüssel vorgesetzt hatte, die ihm verdächtig schien und der wissen wollte, ob es Ente sei, fragte: Quack-Quack? und erhielt die klare, offene Antwort: Bau-Bau! Einige ihrer Leckerbissen sind für uns geradezu Ekel erregend, z. B. faule oder angebrütete Eier, deren Schale etwas geöffnet wird, damit der Käufer sehe, dass er[S. 39] nicht etwa getäuscht werden und statt des begehrten ein frisches Ei erhalten solle.[15] Diese Liebhaberei scheint aber doch nicht allgemein zu sein. Sie haben auch ein Verfahren, Eier sehr lange frisch zu erhalten. Hier ist das Rezept: 2 Maas Asche, 1 Maas Salz mit Wasser zu einem Brei gemischt, mit dem die aufzubewahrenden frischen Eier bedeckt werden.
Das chinesische Element tritt namentlich in einigen Theilen der Stadt so sehr in den Vordergrund, dass man sich in China wähnen könnte. Alle Handwerke, besonders solche, die Geschick und Ausdauer verlangen, werden fast nur von Chinesen betrieben. Sie mögen wohl das fleissigste Volk auf Erden sein, vom frühen Morgen bis spät in die Nacht sieht man sie arbeiten. Mit Ausnahme des Neujahrsfestes giebt es für sie keinen Feiertag. Neben dem grossen Fleiss bilden auch Sparsamkeit und Genügsamkeit sehr hervorragende Züge in ihrem Charakter. Ihr Handwerkszeug, ihre Kleidung und ihre Nahrung sind von der einfachsten Art, auch sind sie in fast allen ihren Genüssen sehr mässig; ihre Tabakspfeife hat kaum die Grösse eines Fingerhuts, von einer Cigarre rauchen sie gewöhnlich nur einige Züge hinter einander und heben den Rest auf. Sie trinken fast nur dünnen Thee, der sehr billig ist, immer ohne Milch und Zucker aus ganz kleinen Tässchen. Die reichsten Chinesen gehen kaum besser gekleidet, als die armen; eine kurze, weite Hose, eine baumwollene Jacke, und bei den Wohlhabenden Schuhe ohne Strümpfe, bilden nebst Zopf und Fächer den ganzen Anzug.
Ein grosser Theil des Handels und der Schifffahrt ist in ihren Händen, nur an dem direkten Handel nach Europa und Amerika bleiben sie bis jetzt unbetheiligt.[16] Alles aber, was an Produkten des Archipels nach[S. 40] Europa kommt, geht erst durch Vermittelung der Chinesen an die europäischen Exportöre über, ebenso wie die meisten europäischen Waaren erst durch ihre Hände zu den Eingebornen gelangen. Noch ehe ein einheimisches Schiff Anker geworfen hat, ist schon ein Chinese an Bord, der mit dem Patron Bekanntschaft macht, ihn während der ganzen Dauer seines Aufenthalts nicht aus den Augen verliert, ihm Geld vorschiesst, seine Schwächen erlauscht und ausbeutet und schliesslich Eigenthümer der Ladung wird. Ich versuchte einige Male Muscheln oder Kuriositäten an Bord neu angekommener Prauen zu kaufen, es gelang aber nie, da Alles immer schon von Chinesen belegt war. Wollte ich aber von diesen einen Gegenstand erwerben, so boten sie ihn entweder umsonst als Probe und fragten, wie viel Pikul sie mir davon liefern sollten, oder verlangten einen enormen Preis dafür, in der Meinung, dass der Gegenstand für mich einen ganz besonderen Werth haben müsste.
Die Handwerke werden alle, wie schon erwähnt, in offenen Läden oder auf der Gasse selbst betrieben, so dass man im Schlendern durch die Strassen bequem zusehen kann. Am auffallendsten ist dabei der geringe Raum, der dem Chinesen genügt, und die einfachen Werkzeuge, deren er sich bedient. Unglaubliche Sparsamkeit an Zeit, Raum und Stoff, wie sie sich nur unter einer so überdichten Bevölkerung, wie China sie besitzt, ausbilden konnte, tritt Einem auf immer neue Weise vor Augen. In einem schmalen Laden werden häufig zwei verschiedene Handwerke betrieben, auf der einen Seite arbeitet ein Schneider mit einem Dutzend Gesellen, auf der andern ein Schuster, jeder Einzelne nimmt kaum mehr Raum ein, als der Stuhl, auf dem er hockt. Einzelne Handwerke weichen in ihren Manipulationen von den unsrigen ab: die Zinngiesser giessen ihre Zinn- und Blei-Legirungen auf dickes Bambuspapier, worauf es sich gleichmässig flach ausbreitet, und benutzen die so erhaltenen dünnen Kuchen statt der gewalzten Tafeln, die man bei uns anwendet. Noch viel dünnere Tafeln erhalten sie nach Lockhart, indem der hockende Arbeiter mit geschickter Handbewegung je einen Löffel voll geschmolzenen Metalls zwischen zwei auf dem Boden liegende mit dergleichen Papier bezogene Steine schleudert, wobei er den obersten[S. 41] Stein auf einen Augenblick mit den Fersen lüftet und gleich wieder fallen lässt. Ein kleiner tragbarer Thonofen bringt zugleich die Legirung in Fluss und erhitzt die Löthkolben. Die Drehbank besteht aus einem rohen Gestell, in welchem horizontal eine um ihre Axe drehbare Walze liegt. Um diese ist eine Schnur geschlungen, deren Enden an zwei unten angebrachten Tretbrettern befestigt sind, durch welche die Walze, wie bei uns das Rad eines Scheerenschleifers, in Bewegung gesetzt wird. Ein Schwungrad ist nicht vorhanden. An dem, dem Arbeiter zugekehrten Ende der Walze, das mit Harz überzogen ist, wird der zu drehende Gegenstand, nachdem er vorher erwärmt worden, festgeklebt.
Manche Handwerke, die von Hausirern auf offener Strasse getrieben werden, sind den Chinesen eigenthümlich. So werden zerbrochene Gläser auf folgende Weise geflickt: Nachdem die Scherben aneinandergefügt sind, bohrt man zu beiden Seiten des Sprunges paarweis feine Löcher, dann wird ein feiner weicher Draht von der konvexen Seite durch ein Löcherpaar gesteckt, an der anderen Seite fest angezogen und so abgeschnitten, dass nur zwei kurze Enden hervorragen. Diese werden mit einem Hämmerchen platt geschlagen, so dass dadurch zwei Nieten entstehen. Manche alte Lampenglocken sind wohl mit 20 solcher kleinen Anker zusammengeflickt. Man kann daraus auf den hohen Werth des Glases im Innern Chinas schliessen. In Singapore verschwindet dieser Industriezweig immer mehr, da hier das Glas fast so billig als in Europa ist.
Die interessanteste Strassen-Industrie ist das Flicken eiserner Pfannen; diese Pfannen sind von sehr sprödem, dünnem Gusseisen und springen leicht. Der chinesische Pfannenschmied schlägt erst zu beiden Seiten des Sprunges einen dünnen Streifen Eisens ab, um die Oeffnung zu erweitern und frischen Bruch zu erhalten, dann zündet er einen kleinen tragbaren Kohlenofen aus feuerfestem Thon, 10 Zoll hoch, 6 Zoll Durchmesser, an, stellt einen Schmelztiegel hinein, der einige Stückchen Eisen enthält, und bläst an. Das Gebläse ist das Miniaturmodell eines Cylindergebläses; jedoch noch einfacher in seiner Einrichtung, indem der Windbehälter nicht zwei, sondern nur ein Ventil hat. Auch steht es nicht aufrecht, sondern wird bei dem Gebrauche auf den Boden gelegt. In einem fusslangem Bambusrohr von etwa 11/2 Zoll innerem Durchmesser bewegt sich als Kolben eine am Rande mit Baumwollenwatte umgebene, an einem Stäbchen befestigte Scheibe. In jeder Endfläche des Bambuscylinders ist eine sich nach innen öffnende Klappe zum Eintritt der Luft angebracht. Während durch die Bewegung des Kolbens die eine Klappe[S. 42] Luft einlässt, schliesst sich die andere und umgekehrt. Die zusammengepresste Luft strömt abwechselnd durch eins von zwei in der Wand des Bambus nahe den Endflächen befindlichen Löchern in den Windkasten, einen hölzernen Trog von vierseitigem Querschnitt, der mit seiner offenen Seite an dem Bambusrohre luftdicht befestigt ist. Aus diesem Behälter entweicht die Luft durch ein in der Mitte der dem Cylinder gegenüberliegenden Seite befindliches Loch. An diesem nun ist ein trichterförmiges Blechrohr befestigt, dessen Spitze in eine unter der Feuerung befindliche Oeffnung gesteckt wird. Damit aber der Luftstrom ununterbrochen sei, was zum Schmelzen des Eisens durchaus erforderlich ist, hängt in der Mitte des Windkastens an der Bambuswand der Austrittsöffnung gerade gegenüber eine zungenförmige, in den Trichter hineinragende Klappe, welche, durch den komprimirten Luftstrom abwechselnd nach rechts oder links gestossen, diesem den Ausgang öffnet und zugleich die Verbindung mit dem Raume schliesst, in welchem die Luft verdünnt ist. Ist das Eisen in Fluss, so schöpft der Arbeiter ein wenig davon auf einen mit Thon beschmierten, mit Kohlenpulver bestäubten Lappen und drückt damit das Metall von unten in die Spalte, indem er gleichzeitig mit der Basis eines walzenförmigen Stückes Holzkohle auf die oben herausquellende Masse drückt, welche sich fest anlegt, einen Theil der Spalte ausfüllt und oben und unten eine dünne Ausbreitung bildet. Bei grösseren Sprüngen wird dann dasselbe Verfahren so lange wiederholt und werden so viele eiserne Flicken aneinander gereiht, bis der ganze Riss ausgefüllt ist.
Die chinesischen Einwanderer kommen fast ausschliesslich aus den beiden südlichen Küsten-Provinzen Quang-tong und Fuh-kien und bestehen grösstentheils aus dem elendesten Proletariat, auch sollen sich die dortigen Behörden der Auswanderer-Schiffe bedienen, um ihre Krüppel und Taugenichtse loszuwerden. Die Schiffe setzen sich während des NO.-Monsun in Bewegung und treffen in Singapore frühestens um Neujahr ein. Bei der Ankunft schuldet der Einwanderer fast immer die Ueberfahrt und vermiethet sich auf ein Jahr ohne Lohn gegen Beköstigung und eine kleine Geldunterstützung an einen schon ansässigen Chinesen. Dieser bezahlt dafür die Ueberfahrt, deren Betrag mit dem Bedürfniss nach Arbeitskräften steigt oder fällt. Ein solcher Einwanderer heisst Sinkay, der freie Arbeiter dagegen Kuli. Nicht alle, die hier ankommen, bleiben in Singapore, mehrere tausend landen hier jährlich auf ihrer Durchreise nach anderen Ländern des Archipels. Die meisten kommen mit der Absicht, nachdem sie ein kleines Kapital erübrigt, in ihre Heimath[S. 43] zurückzukehren. Es scheint aber, dass dies nur der Minderzahl gelingt. Sehr Viele ergeben sich dem Opiumgenuss und Spiel und gehen daran zu Grunde. Einige bleiben auch im Archipel und verheirathen sich mit eingebornen Frauen. Es giebt Familien hier, die schon seit Generationen in europäischen Kolonien leben, grosses Ansehen und bedeutende Reichthümer besitzen und im Verkehr mit den Europäern viele gute Eigenschaften von diesen angenommen haben. Die Zahl der jährlich hier ankommenden Chinesen beträgt jetzt schon weit über 10,000. Es ist aber wahrscheinlich, dass die Auswanderung aus dem übervölkerten China sehr zunehmen wird, da immer mehr die künstlichen Schranken fallen, welche ihr einerseits von den chinesischen Behörden, andererseits von den europäischen Kolonial-Regierungen entgegengestellt sind. Auch war von China aus das Auswandern der Frauen streng verboten, wodurch die Mehrzahl der Männer bewogen wurde, wieder in ihre Heimath zurückzukehren. In neuester Zeit gehen aber viele Frauen sowohl nach Kalifornien als nach dem Archipel, und wenn sie auch nicht zu den respektabelsten gehören, so ist es doch immerhin ein Anfang. Die inneren Unruhen in ihrem Vaterlande veranlassen seit Kurzem auch viele im Archipel als Handwerker oder Kaufleute etablirte Chinesen, ihre Familien nachkommen zu lassen. Noch zahlreicher sind die Einwanderungen unabhängiger Frauen, die hier ein grosses Feld für ihre Thätigkeit finden. Viele von ihnen werden auf Kosten der geheimen Gesellschaften hergebracht, die den Einfluss derselben auf die Männer für ihre Zwecke ausbeuten (im November 1863 kamen 72 in einem Schiffe an).
In den holländischen und spanischen Kolonien legt man den Chinesen allerlei Hindernisse in den Weg, indem man ihre Anwesenheit nur an einzelnen Lokalitäten gestattet, ihre Thätigkeit auf gewisse Gewerbe beschränkt, sie hohen Steuern und einer lästigen Polizeiaufsicht unterwirft: alles in der ausgesprochenen Absicht, die Eingebornen gegen die Habsucht, Schlauheit, Gewissenlosigkeit der Chinesen zu schützen. Trotz aller gesetzlichen Beschränkungen hat aber die Einwanderung der Chinesen stetig zugenommen; in den Philippinen soll sie eine beträchtliche Einnahmequelle derjenigen Beamten sein, von deren Ermessen die Erlaubniss zum Verbleib im Lande abhängig ist. Jetzt scheinen beide Regierungen zu einer freisinnigeren Politik übergehen zu wollen und es ist daher zu erwarten, dass sich bald ein stets wachsender Strom von Arbeitskräften aus China über die Inseln ergiessen und die grossen Hülfsquellen erschliessen wird, die jetzt in den spanischen[S. 44] Kolonien fast ganz schlummern und in den holländischen nur sehr unvollkommen ausgebeutet werden. Für das chinesische Proletariat wird der Archipel daher wohl bald eine noch grössere Bedeutung erhalten, als Amerika für das europäische. Die Länder der einheimischen Fürsten kommen immer mehr und mehr unter den Einfluss der europäischen Regierungen, wodurch die Sicherheit für Person und Eigenthum zunimmt, deren Mangel bisher auch ein grosses Hinderniss für die Ausbreitung der Chinesen war. Bis jetzt werden noch viele im Gebiet malayischer Fürsten liegende Zinngruben von Malacca aus betrieben.
In den englischen Niederlassungen der Meerenge ist die Einwanderung der Chinesen immer begünstigt worden. Sie geniessen dort Ansehen und Freiheit und Sicherheit gegen Erpressungen, wie wohl in keinem anderen Lande der Welt. Dass aus dieser unbeschränkten Freiheit der Kolonie ernste Gefahren erwachsen könnten, ist kaum zu befürchten, da in einem solchen Falle sich Alles gegen die Chinesen verbinden würde. Bedeutende Störungen haben sie freilich schon oft veranlasst; sie bilden einen Staat im Staate; fast Alle gehören geheimen Gesellschaften an, gegen deren Thätigkeit die Regierung nichts vermag. In Bezug auf diese Gesellschaften sagt der Guvernör in seinem amtlichen Berichte 1858–59: „Ein anderes grosses Hinderniss bei Entdeckung schwerer Verbrechen sind die chinesischen Hoeys, oder geheimen Gesellschaften.... Es ist kein Zweifel, dass diese Gesellschaften sich dazu hergeben, den Gang der Gerechtigkeit zu hemmen. Man nimmt allgemein an, dass sie den Ehrgeiz haben, alle Kriminalfälle unter ihren Landsleuten vor ihr eigenes Tribunal zu ziehen. In Civilsachen wird ihre Schlichtung von Streitigkeiten eher günstig als anders aufgenommen, und nach ihrer Auffassung sind ihre Ansprüche, Kriminalfälle zu entscheiden, ebenso wohl begründet. Dass dergleichen Tribunale bestehen, unterliegt keinem Zweifel, und es ist zu befürchten; dass, um dieselben aufrecht zu erhalten und zu verhindern, dass man sich an unsere Gerichtshöfe wende, sowie auch, um die Wirksamkeit der letzteren zu lähmen, die Chinesen kein Bedenken tragen, zu den gewaltsamsten Maassregeln zu greifen. Mord und Menschenraub sollen häufig vorkommen, um lästige Zeugen zu beseitigen, vielleicht aber ist einige Uebertreibung in der angeblichen Häufigkeit dieser Verbrechen.” Schliesslich zweifelt der Guvernör an der Möglichkeit, diese Gesellschaften auf dem Wege des Gesetzes auszurotten und glaubt, dass alle Verordnungen dagegen nur den Zweck haben würden, die Gesellschaften noch vorsichtiger zu machen und ihren Widerstand zu verstärken.
Ich führe aus den Artikeln der einen geheimen Gesellschaft zur Probe zwei Paragraphen an (das Original-Dokument wurde von der Polizei in Beschlag genommen und befindet sich gegenwärtig in der Berliner Bibliothek): „§ 4. Vom Augenblick des Eintritts in die Brüderschaft Hung müssen alle Brüder bei jeder Gelegenheit, wo die Brüderschaft sich gegen die Regierung erhebt, und die Soldaten ihr Widerstand entgegensetzen, nach ihren äussersten Kräften Hülfe leisten; sie müssen sich bemühen, alle Gefangenen, die gemacht wurden, zu befreien, und dürfen nichts thun, was ihrer Flucht hinderlich sein könnte. Mögen Alle, die anders handeln, binnen eines Monats sterben, vom Blitz getroffen, und ihre Gliedmaassen zerstreut werden.
§ 5. Vom Augenblick des Eintritts in die Brüderschaft Hung darf Keiner gegen Bestechung Emissäre der Regierung führen, um andere Brüder gefangen zu nehmen. Sollten Habsüchtige oder lasterhaft Gesinnte also handeln, so mögen sie umkommen innerhalb eines Monats unter 10,000 Schwertern. Werden sie aber entdeckt, so sollen sie sicherlich von den Brüdern erschlagen werden.”
Ausser diesen Hoeys, die von China übergesiedelt und zum Theil sehr alt sind, werden auch fortwährend geheime Gesellschaften zu besonderen Zwecken, namentlich zur Erhöhung der Löhne, gebildet. Ist einmal ein Europäer von einer solchen Gesellschaft in die Acht erklärt, so kann er keinen chinesischen Bedienten bekommen, kein Handwerker arbeitet mehr für ihn. Zwischen den verschiedenen Gesellschaften bestehen alte Fehden, die schon häufig zu blutigen Strassenkämpfen Veranlassung gaben, namentlich im Jahre 1854; aber auch in der allerneuesten Zeit scheinen dergleichen wieder in grösserem Massstabe stattgefunden zu haben, wie aus einem interessanten Artikel der Overland Straits Times vom 21. November 1863 hervorgeht: „Die unaufhörlichen Unruhen und Fehden der Chinesen, die oft in Strassenkämpfe ausarten, haben ihren Ursprung in dem gegenseitigen Hass der verschiedenen geheimen Gesellschaften, mehr noch in dem Hass der verschiedenen Faktionen oder Clans, in welche die Chinesen gespalten sind. Es scheint, dass die Chinesen weniger Individualität besitzen, als irgend ein anderes Volk; sich, wie schwache Thiere, erst in Heerden wohl fühlen, und von jeher das Bedürfniss fühlten, sich auf diese Weise zu schaaren. In China aber bewegt sich jede Heerde auf ihrem eigenen Gebiet, während hier Mitglieder der verschiedensten Verbindungen nur ein gemeinschaftliches Gebiet haben und daher häufig in Kollision kommen. In den holländischen Kolonien ist in jedem District, wo über 100 Chinesen[S. 46] wohnen, einer der Angesehensten von Amtswegen als Hauptmann angestellt, der mit anderen unter ihm Stehenden, auch amtlich ernannten Gehülfen die chinesische Bevölkerung in Ordnung zu halten hat und bis zu einem gewissen Grade für sie verantwortlich ist.”
In neuester Zeit hat man sich in Singapore damit geholfen, die vornehmsten Chinesen nach englischer Sitte zu Spezial-Konstablern zu machen, eine Massregel, die den besten Erfolg gehabt hat. Man beabsichtigt, künftig bei Unruhen die angesehensten Chinesen, welche gewöhnlich die höchsten Aemter in den Gesellschaften bekleiden, nicht eher als Konstabler zu entlassen, bis die Unruhen völlig gedämpft sind.
Bisher blieben diese Kämpfe lediglich auf die Chinesen selbst beschränkt, natürlich nicht ohne grosse Störungen der öffentlichen Ruhe. Erwägt man übrigens, dass die hiesige chinesische Bevölkerung nur aus den untersten Klassen und zum Theil aus dem Auswurf der südlichen Küstenprovinzen Chinas hervorgegangen ist, dass ihnen die Frauen, und also die Mittel zur Begründung einer Familie, gänzlich fehlen, dass auch nicht die Spur einer Polizeikontrolle besteht, so kann man sich nur wundern, dass so selten ernstliche Unruhen vorkommen. Der Grund liegt gewiss in der Leichtigkeit des Erwerbes und in dem „Selfgovernment”, das sich unter so freien Institutionen, an deren Erhaltung Alle ein gleiches Interesse haben, nothwendig entwickeln muss.
Einige Chinesen haben sich grosse Reichthümer erworben und gehören zu den geachtetsten Bürgern der Stadt; manche haben bedeutende Summen zu öffentlichen Zwecken geschenkt. Einer der hervorragendsten unter ihnen ist Tan-kim-tsching. Sein Haus in der Stadt ist ein so schönes Beispiel chinesischer Bauart, dass eine kurze Beschreibung von Interesse sein dürfte. Durch eine kunstvolle Thür in durchbrochener Arbeit tritt man in die Vorhalle. An der rechten, wie an der linken Wand derselben steht eine ununterbrochene Reihe geschnitzter Stühle und Tische, je zwei Stühle und ein kleiner Tisch aus demselben Holz. Die Tische sind höher und schmäler als die Stühle, haben aber dieselbe Tiefe, so dass die ganze Reihe wie aus einem Guss erscheint. Durch diese Anordnung hat jeder Gast zur Rechten oder Linken die Hälfte eines Tischchens zur Verfügung, um den Arm aufzulegen oder seine Theetasse abzusetzen. Die Einrichtung ist so hübsch und zweckmässig, dass sie Nachahmung verdient. Da hier zu Lande ein harter, kühler Sitz angenehmer ist als ein warmes Polster, so sind die Böden der Stühle gewöhnlich aus Holz oder spanischem Rohr gefertigt. In diesem Hause aber bestehen sie aus eigenthümlichen Steinplatten, einer Art[S. 47] Kalkstein, vom Ansehen des Florentiner Ruinenmarmors,[17] dem aber die Kunst nachgeholfen, indem sie durch gewisse Beizen an passenden Stellen Infiltrationen erzeugt hat. Bei einigen Platten ist die von der Natur gelieferte Zeichnung sehr geschickt benutzt und durch Hinzufügung einiger Striche und Drucke ein ganz nettes Bildchen zu Stande gebracht worden, während man bei andern Platten im Nachhelfen zu weit gegangen, so dass sich sogleich die Hand des Menschen verräth. Diese Platten sollen aus Yünan und Szechuen kommen, die Kunst, sie zu fertigen, ist aber jetzt verloren gegangen; so erfuhr ich wenigstens später in Kanton auf vielfache Nachfrage. Vielleicht steht ihre Wiedergeburt in Europa durch Anwendung der Kuhlmannschen Entdeckungen bevor. Die Hinterwand der Vorhalle besteht aus reich geschnitzter, durchbrochener Holzarbeit mit Perlmutter eingelegt; sie wird durch zwei bis zur Decke reichende Pforten in drei Theile getheilt. Dahinter befindet sich ein Zimmer in demselben Stil, aber reicher dekorirt und möblirt: statt der Hinterwand ist nur eine Reihe zierlicher Säulen, durch welche man in den mit Fliesen belegten Hof tritt. Zu beiden Seiten desselben bildet ein vorspringendes Dach einen gegen den Regen geschützten Gang. Am gegenüberliegenden Ende des Hofes befindet sich die Wohnung der Frauen, Fremden nicht zugänglich. In den vier Ecken des Hofes sind Regengossen aus gebranntem Thon angebracht, grosse Bambusen in Form und Farbe täuschend darstellend. An ihrem unteren Ende lehnen sich schön modellirte Nelumbium-Blätter und Blüthen aus demselben Material gegen die Wände, und wurzeln scheinbar in den grossen Kübeln, die das Regenwasser aufnehmen. Aus gebranntem Thon bilden die Chinesen auch sehr schöne Reliefs, die sie mit den reichsten Farben verzieren. Die Figuren sind zwar für unsern Geschmack zu barok, aber ihre Nachbildungen von Pflanzen, Vögeln u. s. w. sind meisterhaft, naturgetreu und mit vollendeter Technik ausgeführt. Sie werden zur Verzierung der Wände, Thüren, Dächer und Giebel verwendet; auch der Hof, dessen Wände einfach grau gestrichen und mit einer rothen Borte eingefasst waren, enthielt eine Anzahl solcher Reliefs; ein ganzer Fries davon lief unter dem Dach entlang.
Für Dekorationen und Kostüme zeigen die Chinesen viel Geschmack, ihre Theatergewänder sind prachtvoll. Eine der schönsten Prozessionen, die mir je vorgekommen, sah ich in Singapore bei Gelegenheit einer Feierlichkeit,[S. 48] in welcher gewisse Götzenbilder aus einem Tempel in der Stadt wieder nach einem Tempel vor der Stadt, ihrem gewöhnlichen Aufenthalte, zurückgebracht wurden. Den Glanzpunkt bildeten die Kinder reicher Eltern in Gewändern alter mythischer Helden, zum Theil zu Pferde, von vielen Dienern begleitet. Noch reicher und origineller waren einzelne Gruppen auf niedrigen Rollwagen, welche letztere aber durch die Dekoration so geschickt verhüllt waren, dass man einen grossen, künstlichen Felsen vor sich zu haben glaubte. Auf dem Felsen wuchsen prachtvolle, phantastische Blumen, und in dem Kelche oder auf dem äussersten Zweige sass, wie eine Elfe, ein ganz kleines, reich und sonderbar gekleidetes Mädchen, mit einem Fächer oder einer Blume in der Hand. Andere Felsen trugen Sträucher oder Rohr, über welchen ein Reiher oder grosser Raubvogel schwebte, und auf dem Vogel ritt oder stand ein ganz junger Knabe. Auf alten chinesischen Vasen sieht man wohl dergleichen Figuren, die uns wegen ihrer Abenteuerlichkeit für eine Verirrung der Phantasie des Malers gelten. Hier sah man alle diese Bilder leibhaftig vor sich. Dass Drachen und Ungeheuer aller Art nicht fehlten, versteht sich von selbst. Jede dieser Hauptgruppen war von einem langen Zug von Kulis begleitet, die von den Reichen zu diesem Zweck gemiethet und in schöne Livreen gesteckt werden. In den Händen trugen sie Fahnen, Laternen, Sonnenschirme, meist von schwerer Seide, mit reicher Stickerei, und an den Füssen Schuhe und Strümpfe, was einen besonders feierlichen Eindruck machte, da sie sonst immer barfuss, oder wenigstens ohne Strümpfe, gehen. Abends ging ich mit einem Freunde durch das Chinesen-Viertel, das aber nicht illuminirt war, wie wir erwartet hatten. In einem grossen Speicher, gedrängt voll von Zuschauern, wurde ein Schattenspiel aufgeführt. Der Puppenspieler sang mit näselnder Fistelstimme hinter dem aufgespannten Laken, auf welchem sich der Schatten einer Chinesin lebhaft bewegte. Das Publikum bildete den Chor. Die Bühne stellte ein Zimmer mit einem grossen Bett dar. Ein Anwesender erklärte uns das Stück: Der alte Ehemann der Dame ist verreist, ihr junger Freund, den sie von ganzem Herzen liebt, ist ins Haus gedrungen.... Wir warteten das Ende des Stücks nicht ab, obgleich unser Dolmetscher uns versicherte, das Beste käme noch.
Ein anderes Mal sah ich eine chinesische Leichenfeier. Vor dem Hause des Verstorbenen stand ein gedeckter Tisch, auf welchem verzierte Gerichte aufgestellt waren, daneben erklang rauschende Musik. Nachdem der Sarg auf Böcke gestellt worden, führte man die Kinder des Verstorbenen heraus, einen Knaben und zwei Mädchen. Sie waren[S. 49] in Sackleinen gekleidet, ganz verhüllt; der Zopf war aufgelöst, zwischen dem losen Haar hingen Baststreifen herunter. Nachdem die Mädchen eine Zeit lang am Sarge geweint, gingen sie in das Haus zurück. Der Knabe legte sich mit untergezogenen Beinen flach auf den Boden, wie ein Schwimmender, und blieb so, mit dem Gesicht die Erde berührend, während der ganzen Dauer der Feierlichkeit liegen. Ein Mann trat nun an den Tisch und opferte, unter verstärkten Gongschlägen, dem Geist des Todten, indem er dabei abwechselnd kniete und sich mit weit ausgestreckten Armen erhob. Der Sarg war inzwischen mit einem bunten, seidenen Tuch bedeckt und mit Blumen bestreut worden. Zum Schluss wurde den Göttern zu Ehren eine grosse Menge Goldpapier verbrannt. Aber die verschmitzten Chinesen machen sich kein Gewissen daraus, selbst ihre Götter zu betrügen; nur das erste Päckchen, dessen Blätter mit Ostentation einzeln ins Feuer geworfen wurden, bestand durchweg aus Goldpapier; bei den übrigen Päckchen, die ungeöffnet verbrannt wurden, war nur das oberste Blättchen vergoldet, das Uebrige gemeines Packpapier. Der Sarg wurde dann von Kulis auf die Schultern genommen und nach dem Kirchhof getragen. Die Musik schritt voran, neben dem Sarge gingen die Hausgenossen, es folgte ein grosser Haufe gemeinen Volks. Die Chinesen halten sehr viel auf ihre Gräber und legen dieselben oft schon bei Lebzeiten an, zuweilen mit grossen Kosten. Der katholische Provikar erzählte mir, dass ein Chinese, der zur Zeit, wo das Hasardspiel noch erlaubt war, als Spielpächter viel Geld erworben, sich bei Lebzeiten einen kostbaren Sarg verfertigen und ganz mit Dollars ausfüttern liess. Als vorsichtiger Mann hinterliess er eine Stiftung zur Besoldung von vier Grabwächtern, aber bald nach seiner Beerdigung kam eine Schaar Kulis, vertrieb die Wächter, warf den Leichnam aus dem Sarge und theilte sich in die Beute. Die Todtenverehrung ist für Viele die einzige religiöse Uebung; sie hängt unmittelbar mit der grossen Ehrfurcht zusammen, welche die Kinder ihren Eltern erweisen.
Das Familienleben, soweit man es zu sehen bekommt, d. h. das Verhältniss zwischen Vater und Kindern, bildet einen der angenehmsten Züge im Charakter dieses so selbstsüchtigen Volkes.
Die Malayen, obwohl sie hier zu Hause sind, nehmen nur eine untergeordnete Stellung ein. Unter den Armeniern, Persern, Arabern, Juden und Vorderindiern sind viele grosse Kaufleute von beträchtlichem Reichthum; die Malayen bleiben arm, sie haben weder Geschick zu[S. 50] Gewerben noch zum Handel, und stehen hier an Fleiss, Ausdauer und Umsicht den übrigen Asiaten nach. Ihnen haften mehr die ritterlichen Tugenden und Untugenden an. Im Verhältniss zu den Andern sind sie stolz, zurückhaltend, verschlossen, gleichgültig, ernst, fast traurig, bei guter Behandlung aber anhänglicher, zuverlässiger, gegen Beleidigungen empfindlicher. Im Verkehr unter einander sind sie sehr rücksichtsvoll, sie gebrauchen keine Schimpfwörter; „orang tjelaki, Unglücklicher!” vertritt deren Stelle. Sie lügen auch weniger als die Anderen. Während die Handlungen des Chinesen nur durch Eigennutz, niemals durch Ehrgefühl bestimmt zu werden scheinen, ist bei dem Malayen mit Geld oft nichts auszurichten. Liegt er nach genossener Mahlzeit auf seiner Matte hingestreckt, so ist es schwer, ihn durch Geldanerbietungen zum Aufstehen zu bewegen.
Die Farbe der Malayen ist gelbbraun, bei den Vornehmen heller, bei denen, die viel im Freien sind, dunkler. Ihr Kopfhaar ist schwarz, schlicht, drähtig; sonst sind sie fast unbehaart. Sie sind klein, wohlgebaut, haben zierliche Hände; ihr Gesicht ist breit, flach; die kleine Nase hat breite Flügel, der Mund ist gross, die Lippen sind nicht aufgeworfen, ragen aber fast so weit vor, als die Nase.
Die Malayen sind überwiegend eine seefahrende Nation; ein Theil derselben, die Orang-laut, Seemenschen, auch Seezigeuner genannt, leben auf Kähnen vom Einsammeln von Agar-agar, Trepang (essbare Holothurien), Muscheln und Schildkröten, vom Fischfang, Tauschhandel und Raub; auch die Angesessenen schlagen ihre Wohnsitze am liebsten an oder in Flussmündungen auf. Zwei Vorstädte Singapores, Kampong-Malacca und Rochor, jene von Malayen, diese von Bugis bewohnt, können als Beispiele dienen. Die Häuser stehen auf Pfählen im Wasser oder am sumpfigen Ufer, der Fussboden besteht aus Latten von Bambus oder Nibong (Caryota urens) mit Zwischenräumen, durch welche aller Unrath entfernt wird. Die Wände sind aus gespaltenen Bambusen, Matten oder Palmenblättern, die Dächer aus Atap. Vor den Häusern läuft ein Steg hin, schwankend, elastisch, voll Lücken. Bei Ebbe steht das ganze Dorf im Schlamm, die Kinder waten darin herum, suchen Muscheln, Krabben und Würmer als Köder für die Angeln und holen aus den Reusen die Fische, die bei der zurücktretenden Fluth hineingeriethen. Während der Fluth steht Alles unter Wasser, dann fahren kleine Kähne hin und her, einige kaum gross genug, um einen kleinen Jungen zu tragen, der ganz nackt in der Spitze hockt und sich mit den Händen[S. 51] fortplätschert, so dass er fast wie eine Seejungfer aussieht. Alt und Jung angelt dann unter dem Sonnendach, vor der Hausthür liegend.
Die in Singapore ansässigen Malayen sind grösstentheils Bootsleute, Fischer, Sammler von Muscheln, Korallen, Agar-agar und Waldprodukten. Sie decken die Häuser mit Atap, flechten Körbe und Matten und verrichten viele untergeordnete Geschäfte, auch als Gärtner werden sie von Europäern den hiesigen Klings und Chinesen vorgezogen. Als Diener sind sie fauler und weniger anstellig, aber treuer und bescheidener als jene.
Das wesentliche Kleidungsstück für beide Geschlechter ist der Sarong, ein baumwollenes Tuch von der Grösse eines Plaid, aber etwas breiter, dessen beide kürzere Ränder übereinandergelegt und zusammengenäht werden, so dass eine Art Unterrock entsteht, der vorn in Falten zusammengenommen und mittelst eines Knotens, seltener durch einen Gürtel, um die Hüften befestigt wird. Die Männer tragen oft unter dem Sarong, der dann höher aufgeschürzt ist, eine bis zur Wade reichende Hose, fast immer ein Kopftuch und zuweilen eine Jacke. Die Frauen ziehen über den bis an die Knöchel reichenden Sarong einen Kattunrock, der, vorn offen, nur durch ein Paar Knöpfe zusammengehalten wird und bis ans Knie reicht. Im Hause und auf dem Felde tragen beide Geschlechter nur den Sarong; Nachts hüllen sie sich darin ein zum Schlafen; sie baden sogar darin; nach dem Bade wird er gegen einen reinen vertauscht und gewaschen; so legt selbst derjenige, der nur zwei Sarongs besitzt, täglich frische Wäsche an.
In Singapore ist das Tragen von Waffen verboten, sonst aber sieht man nie einen Malayen ohne Kris oder Waldmesser; die Waffe gehört zum Anzuge und ist bei der Unsicherheit der Person in den Malayenländern wohl kaum zu entbehren. Die Frauen gehen meist im blossen Kopf, sie haben üppiges, schwarzes Haar, schön von Ansehen, aber hässlich anzufühlen, da es drähtig ist und dick wie Pferdehaar. Die kleinen Kinder gehen meist ganz nackt, doch tragen kleine Mädchen zuweilen ein silbernes Feigenblatt, wie unsere Statuen. Zum Putz gehören bei den Frauen gestickte Pantoffeln, goldene Haarnadeln, Ringe; zu dem der Männer Sandalen. Auf längeren Wegen legen auch die Lastträger Sandalen von Büffelleder an, sonst geht gewöhnlich Alles barfuss.
Einen der widerwärtigsten Eindrücke habe ich von einem Besuch bei dem Sultan von Johore behalten. Er ist der Sohn des Tuanko-Long, der Singapore an die Engländer abgetreten. Sein Palast, von seinem Vater aufgeführt, ist ein grosses, steinernes Haus, von aussen ganz stattlich,[S. 52] aber unbewohnt und in raschem Verfall begriffen. Der von einer steinernen Mauer umgebene Hof ist wüst und schmutzig; auf einer Seite desselben befand sich ein langes, niedriges, hölzernes Gebäude mit weit vorspringendem Dach aus Palmenblättern, das dem Sultan und seinem Hofstaat zur Wohnung dient. Nachdem ich ein Empfehlungsschreiben des Guvernörs vorgezeigt, wurde ich vor einen verschlossenen Fensterladen geführt, vor dem eine hölzerne Bank stand, auf der ich Platz nahm. Es dauerte einige Zeit, bis der Laden geöffnet wurde; nun erblickte ich den Sultan, einen noch jungen, sehr fetten Mann. Auf dem Kopf trug er eine schmutzige Mütze, um den Unterleib ein Tuch, sonst war er völlig nackt. Er schien eben aus dem Schlaf zu erwachen und lag auf einer Matte. Auf drei Seiten seines Stalles hingen schmutzige Kattun-Gardinen, um ihn kauerten einige gräuliche, alte Weiber. Er brauchte fast eine Viertelstunde, um die wenigen Zeilen des Briefes zu lesen. Dann stierte er mich mit idiotischem Lächeln an, gähnte und rollte sich auf ein Kissen. Essen, Schlafen und Opiumrauchen sollen seine einzigen Beschäftigungen sein. Der ganze Auftritt erinnerte an die Schaustellungen von fetten Schweinen oder Riesinnen auf Jahrmärkten. In Folge der gänzlichen Unfähigkeit des Sultans übertrugen die Engländer willkürlich die Souveränität von Johor auf den Tumongong, einen sehr fähigen Malayen, der durch den Rath von Europäern geleitet, eine geordnete Verwaltung dort eingeführt hat und bedeutende Einkünfte bezieht.
Die allgemeine Verkehrssprache hier sowohl, als in allen Küstenstädten des Archipels, ist die malayische, die sich zu dem Zweck sehr eignet durch leichte Aussprache, einfache Satzbildung, grosse Wortarmuth und Unveränderlichkeit der Wörter. Die Sprache ist wohlklingender als alle europäischen Sprachen, italienisch nicht ausgenommen, die Satzbildung erinnert an die Sprache der Kinder; es giebt weder Deklinationen, noch Konjugationen, die Wörter erfahren gar keine Beugung durch Veränderung ihres Stammes oder durch Affixe. Während in unsern Sprachen die Partikeln meist zu einsilbigen Wörtern oder zu blossen Buchstaben eingeschrumpft sind, an denen die ursprüngliche Bedeutung längst nicht mehr erkennbar ist, werden im Malayischen fast immer noch die Stämme unverkürzt als Formwörter gebraucht. Max Müller (Science of lang. 279) vergleicht den Unterschied zwischen den arischen Sprachen, welchen fast alle in Europa gesprochenen angehören, und den turanischen, zu denen das Malayische gezählt werden muss, mit dem zwischen einer guten und einer schlechten Mosaik. Die arischen[S. 53] Wörter scheinen aus einem Guss, die turanischen zeigen deutlich die Stellen, wo sie zusammengesetzt sind. Er hebt hervor, weshalb die turanischen Sprachen auf dieser Stufe der Entwickelung stehen geblieben: sie werden nämlich fast nur von Nomaden gesprochen, die keine Literatur besitzen, wenig Verkehr mit einander treiben, und so war es durchaus nothwendig, dass die Stammwörter ihr deutliches Gepräge behielten und nicht durch phonetische Korruption unkenntlich wurden.
Oft kommt im Malayischen dasselbe Wort unverändert als Hauptwort, Zeitwort oder Formwort vor, aber auch da, wo die Sprache für das Wurzelwort eine Vor- oder Nachsilbe verlangt, entzieht sich das hiesige Publikum dieser geringen Mühe und braucht den Stamm meist unverändert in den verschiedenen Redetheilen, wie es im Chinesischen geschieht. Diese Neuerung muss wohl der überwiegend chinesischen Bevölkerung zugeschrieben werden. Unter solchen Umständen sind geschlossene Konstruktionen und schwierige Perioden gar nicht möglich. Man zerlegt, was man zu sagen hat, in ganz kurze Sätze und darf sich häufige Wiederholungen nicht verdriessen lassen. Während in unseren Sprachen nicht nur für jeden spezifischen Begriff, sondern auch für die Schattirungen desselben besondere Wörter vorhanden sind, hat die malayische Sprache oft für eine ganze Gattung von Begriffen nur ein Wort. So gering der malayische Wortschatz an und für sich aber auch ist, so kursirt doch nur ein Bruchtheil desselben als Verkehrsmünze in Singapore. Und wie wenig besitzen die Meisten selbst von dieser! Es ist wunderbar, wie geringe sprachliche Mittel den Bedürfnissen eines so grossartigen Handels genügen. Einige Beispiele für das Gesagte dürften nicht ohne Interesse sein.
Suda: schon oder, abis: fertig, vollendet, drückt das Präteritum, nanti: warten, oder mau: wollen, das Futurum aus, di bezeichnet das Passivum, z.B. makan: essen, di makan: gefressen werden; tuwan suda makan: der Herr hat gegessen, tuwan nanti makan: der Herr wird essen; suda: geschehen! antwortet der Bediente, wenn man ihm etwas befiehlt; suda! schreit auch der kleine Junge, wenn er Schläge bekommt, und wünscht, dass die Gegenwart zur Vergangenheit werde; makan nassi: Reis essen, überhaupt zu Mittag essen; api makan ruma: das Feuer verzehrt das Haus; angin makan layer: der Wind bläht die Segel; piso makan kayu: das Messer schneidet Holz; saratu makan lima: 100 frisst 5, d. h. 5% Zinsen; so frisst das Löschpapier Dinte, der Bediente Lohn, der Kummer das Herz, und schliesslich orang-puti makan angin: weisse[S. 54] Männer fressen Wind, d. h. gehen spazieren (den Malayen war dieser Gebrauch so neu, dass sie erst einen Ausdruck dafür erfinden mussten).
Unter den aus zwei Wörtern zusammengesetzten Begriffen kommen einige hübsche Verbindungen vor: mata: Auge, ayer: Wasser, mata-ayer: Brunnen, ayer-mata: Thräne, mata-hari: Sonne (das Auge des Tages), hidop: leben, mata-hari-hidop: Osten, Sonnenaufgang; mati: todt, mata-hari-mati: Westen, Sonnenuntergang, auch mata-hari-djato: das Auge des Tages gefallen, versunken; djalan: gehen, Weg, Reise; mata-djalan: Vortrab, Späher; mata-kaki: der Fussknöchel; mata-mata (Augen, Augen): der Spion, der Aufseher, der Polizist; besi: Eisen, brani: tapfer, unternehmend, besi-brani: der Magnet; anak: Kind, anak-kontji: Schlosseskind, Schlüssel; anak-ayer: Bach, anak-dayong (Ruder-Kind): der Ruderer; anak-prau: Schiffer; anak-duit (duit kommt vom holländischen deut und heisst Geld): Kind des Geldes, Rente; anak-songej (Fluss-Kind): Flussarm und viele Andere. So sagt man Kuhkind für Kalb, Mannkind für Knabe, Fraukind für Mädchen, Schweinekind für Ferkel, und im Kirchenstyl anak-kambing-wolanda: Kind einer holländischen Ziege für Lamm Gottes; bunga: Blüthe, duit: Geld, tana: Erde, und daraus bunga-duit: Zinsen, bunga-tana: Landrente; obad: Medizin, bedil: Flinte, obad-bedil: Schiesspulver; isi: Inhalt, isi-negri: die Bevölkerung einer Stadt, isi-prut (Bauch): die Eingeweide; bedil trada (nicht) isi: die Flinte ist nicht geladen.
Fischen mit Toba. — Tiger. — Termiten. — Pfeffer. — Gambir. — Sago.
Da von der Stadt aus nach mehreren Richtungen Fahrwege ausgehen, Wagen in Fülle vorhanden, und schnelle Sampans für Spazierfahrten immer bereit stehen, kann man zu jeder Zeit angenehme Excursionen machen. Sehr interessant und für den Sammler ergiebig ist eine Fahrt nach Pulo brani, einer kleinen bei New harbour, N-O. von Blakang-mati belegenen Insel, wo ein bei niedriger Ebbe fast trockenes Korallenriff eine reiche Ernte von Korallen, Seeigeln, Ophiuren, Muscheln und Krebsen liefert. Unter jedem Block, den man aufhebt, ist Leben. In jedem Tümpel haben Actinien und verwandte Polypen ihre blumengleichen Tentakel entfaltet; in den grösseren Becken schwimmen Schwärme[S. 55] kleiner einen oder ein paar Zoll langer Fische, die in so prächtigen, intensiven, metallisch glänzenden Farben prangen, dass man sie die Kolibris des Meeres nennen könnte. Ich hatte oft mit einem Freunde versucht, die behenden Thierchen zu fangen, immer vergeblich, bis wir uns endlich entschlossen, es mit Toba zu versuchen. — Toba oder Tuba (Dalbergia sp. div.) ist ein im Jungle häufiger kletternder Strauch mit rothen Schmetterlingsblüthen. Wir hatten für unsern Versuch auf dem Riff einen ziemlich kreisrunden Raum von etwa 100 Fuss Durchmesser gewählt, der durch Zurücktreten des Wassers bei der Ebbe ein fast abgeschlossenes Becken, etwa 1/2 Fuss tief, bildete. Wurzel und Holz der Toba wurde zwischen Steinen zerklopft und an verschiedenen Stellen ins Wasser geworfen. Nach wenigen Minuten schwammen die Fische betäubt an der Oberfläche und liessen sich mit der Hand greifen; nach 1/4 Stunde krochen Aale und andre in Löchern verborgene Thiere hervor, nach 1/2 Stunde lagen fast alle todt auf dem Rücken. Die Wirkung des Gifts erstreckte sich weit über unser Wasserbecken hinaus. Ringsum waren Malayen beschäftigt, die betäubten Fische mit der Hand zu greifen.
Blakang-mati ist von Fiebern heimgesucht. Dr. Little schreibt sie, wohl ohne genügenden Grund, der Nähe der Korallenbank zu. Eine Bugisfamilie, die wir besuchten, schien sehr daran zu leiden. In ihrem praktischen, aus Erfahrungen hervorgegangenen Aberglauben meinen sie, dass ein böser Geist, der in den hohen Bäumen wohnt, sie hervorbringe. Daher wollten sie diese Bäume, die ihre Hütten umgeben und feucht und ungesund machen, umhauen.
Eine andere hübsche Excursion war nach dem 519' hohen sogenannten Zinnberg (bukit-tima), dem höchsten Punkt der Insel. Man kann bis an seinen Fuss im Wagen fahren, und wenn der Pony Lust hätte, bis auf den Gipfel, auf welchem einige hohe Damar-Bäume stehen, aus deren Stamm das geschätzte Harz reichlich ausquillt. Nach Versicherung eines französischen Missionärs sind an seinem Fuss Spuren von Zinn und auch von Gold gefunden worden, aber in zu geringer Menge, um zur Ausbeutung anzuregen.
Eine kleine Abtheilung Sträflinge war hier beschäftigt, Tigerfallen anzulegen und die Strasse von der seitlich eindringenden Vegetation zu säubern, ein Geschäft, das oftmals wiederholt werden muss, da der Wald sonst bald den ihm abgenommenen Boden wieder besetzt. Von der Dichtigkeit und Undurchdringlichkeit einer solchen Waldung geben die unsrigen keine Vorstellung. Zwischen den Hochstämmen, die sich meist astlos bis an das 60–80' hohe Laubdach erheben, zieht sich nach allen[S. 56] Richtungen ein so dichtes Gewirr von Unterholz, Schling- und Kletterpflanzen, dass es unmöglich ist, ohne Waldmesser einzudringen. Das grösste Hinderniss bilden die Calamusarten, Palmen, deren lange, dünne Stämme dicht mit Stacheln besetzt sind. Die Blätter, und namentlich deren peitschenförmig verlängerte Mittelrippe, tragen an der unteren Seite scharfe Widerhaken, vermittelst welcher sie sich überall festhängen, wo sie Halt finden, und so dem Stamm, der viel zu dünn und elastisch ist, um sich selbst zu tragen, die nöthige Stütze verschaffen. Einige Arten sollen über 1000 Fuss lang werden, nach Rumphius sogar bis 1800 Fuss;[18] sie ziehen sich wie Stricke nach allen Richtungen quer durch den Wald; auch werden sie ja, nachdem die Blätter und Stacheln entfernt sind, als Taue, und gespalten als Stricke, benutzt. Zu diesen kletternden Palmen gehört auch unser spanisches Rohr oder Stuhlrohr (Rotang der Malayen), es ist auf allen Inseln des Archipels sehr häufig und für manche ein wichtiger Ausfuhrartikel.
Aber auch wo eine kleine Lichtung oder ein schmaler Pfad erlaubt hätte, den Weg zu verlassen und tiefer in den Wald zu dringen, wurde ich durch die Sträflinge daran verhindert, weil überall an solchen Stellen Tigerfallen angelegt sind, tiefe Gruben mit Reisig und Erde so geschickt bedeckt, dass sie selbst den vorsichtigen Tiger zuweilen täuschen. (Am Tage vor meinem ersten Besuch waren in einer solchen Grube zwei Tiger lebend gefangen worden.) In den Boden derselben sind häufig spitze Pfähle eingerammt. Daher sind die Excursionen in diesem Walde, wenn man vom Wege abweicht, sowohl durch die Tiger selbst, als auch durch die Fallen in hohem Grade gefährlich. Meine Begleiter schienen allerdings nur die letzte Gefahr im Auge zu haben. An einen Ueberfall von Tigern dachten sie gar nicht, obgleich an mehreren Stellen frische Spuren zu sehen waren.
Die Tiger spielen in Singapore eine grosse Rolle. Nach dem Urtheil der ältesten Residenten und der am besten darüber unterrichteten Beamten werden auf dieser kleinen Insel, die nur ein Drittel grösser ist als die Insel Wight, jährlich 350–400 Menschen von Tigern zerrissen,[S. 57][19] und dennoch fürchtet sich Niemand vor ihnen, die Chinesen auf den Gambirpflanzungen ausgenommen, die ausschliesslich als Opfer fallen. Ich werde später darauf zurückkommen. Alle Versuche, das Thier auszurotten, werden wohl fruchtlos bleiben, so lange nicht die ganze Insel von Strassen durchschnitten und gleichmässiger bewohnt ist. Für jedes gefangene oder getödtete Thier zahlt die Regierung 50 Dollars,[20] ebensoviel fügt ein Verein von Privaten hinzu, der die Insel gern von dieser Geissel befreien möchte. Aber trotz der hohen Prämie, und obgleich ein Theil der Sträflinge zum Anlegen von Fallen verwendet wird, scheint die Zahl der Tiger doch eher zu- als abzunehmen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass sie über die Meerenge schwimmen,[21] angelockt durch die[S. 58] bequeme, reichliche Beute. Denn während der ersten Jahre, nachdem die Engländer die Insel in Besitz genommen, befand sich kein Tiger auf derselben. In einem kleinen Aufsatz des damaligen Guvernörs John Crawfurd über den Ackerbau von Singapore, 1824, heisst es: „der Tiger und Elephant, die für den Ackerbau in Sumatra und auf der malayischen Halbinsel so verderblich sind, kommen in Singapore nicht vor.”
Es ist interessant, die wirklich vorhandene Gefahr mit der gänzlichen Verachtung derselben zu vergleichen, wie sie hier ganz allgemein verbreitet ist. Was für eine wilde Flucht würde in Europa unter den Spaziergängern stattfinden, wenn plötzlich in einem zoologischen Garten die Tiger aus ihren Käfigen ausbrächen, wie Wenige würden sich wohl in den Garten wagen, bevor die Thiere wieder eingefangen! Hier fahren aber die Damen mit ihren Kindern ohne allen Schutz und ohne alle Furcht in kleinen, offenen Ponywagen noch vor Tagesanbruch und nach der Dämmerung spazieren, während zu beiden Seiten der dichte Wald, in dem notorisch Tiger vorhanden sind, hart an die Strasse tritt. So fest ist die Ueberzeugung von der Feigheit und Menschenfurcht dieser Thiere eingewurzelt! Frisch angekommene Fremde sind die einzigen, die, wenn sie von ihrer ersten Excursion heimkehren, mitunter „nicht ganz sicher sind, aber kaum zweifeln, dass sie im Dickicht ein Paar grosse Augen sahen, wahrscheinlich von einem Tiger,” sie werden aber regelmässig dafür ausgelacht, weil Jedermann überzeugt ist, dass es nur ein Phantasiebild war.
Mehr als die Tiger fürchtet man die Termiten, rajap oder ani-ani, auch semut puti, weisse Ameisen genannt, obgleich sie den Menschen unmittelbar höchstens dann etwas belästigen, wenn die zur Paarungszeit geflügelten Männchen und Weibchen in dichten Schaaren, Wasserhosen vergleichbar, aus der Erde emporsteigen, in die Zimmer fliegen, nach kurzem Herumflattern ihre Flügel verlieren und sammt diesen zu Boden fallen. Sie kommen in solcher Menge und erscheinen gegen einen dunklen Hintergrund so weiss, dass ihre Schwärme an die grossflockigen Schneewetter warmer Wintertage erinnern. Nach dem Verlust ihrer Flügel laufen sie zwar nicht unbehende, jedoch nicht schnell genug, um sich ihren zahlreichen Feinden zu entziehen, denn Menschen (Eingeborene) und Thiere betrachten sie als grossen Leckerbissen. Wahrscheinlich geht nach diesem kurzen Ausflug der ganze Schwarm mit Ausnahme einiger befruchteten Weibchen zu Grunde, die als Stammmütter einer neuen Kolonie erzogen werden. Die Männchen kommen wohl alle um, da sie sich nicht selbst erhalten können und für ihre Erhaltung[S. 59] durch die andern kein Grund vorhanden ist; denn ein einmal befruchtetes Weibchen legt viele Millionen Eier[22] (Berlepsch schätzt die Anzahl Eier, die eine Bienenkönigin legen kann, auf 11/2 Millionen und Dr. Gerstaecker schliesst aus der Vergleichung der Ovarien, dass ein Termitenweibchen wenigstens 2 bis 3 mal so viel Eier legen könne). Sehr viel zahlreicher, als die erwähnten, sind die geschlechtslosen Termiten, die Arbeiter, die nie Flügel erhalten, sondern ihr ganzes Leben in einer Art von Larvenzustand verbleiben. Sie wissen sich so geschickt vor dem Menschen zu verbergen, dass sie ihm fast nie zu Gesicht kommen, wenn sie auch in seiner unmittelbaren Nähe beschäftigt sind, ihm Haus und Habe zu zerstören. In unterirdischen Gängen nähern sie sich den Häusern, führen dann aus an einandergereihten Erdkügelchen einen bedeckten Gang in die Höhe, der schnell verhärtet, da ihr Speichel wie Mörtel wirkt. Von diesem aus schreiten sie ungesehen in ununterbrochenen Zügen zum Angriff. Die fast fingerdicken Gänge sind leicht zu erkennen und zu beseitigen, werden aber gewöhnlich sehr geschickt an den dunkelsten Stellen des Hauses, in verborgenen Winkeln angelegt. Die Termiten vernichten alles Holzwerk, Teak und Kampferholz ausgenommen; eine Kiste von weichem Holz, von der Art, in welcher Flaschenweine Dutzendweis nach den Kolonien gesandt werden, kann in einer Nacht gänzlich zerstört werden, wenn sie im Freien unmittelbar auf dem feuchten Boden steht. Metall greifen sie nicht an; in früheren Zeiten, wo man in entfernten Kolonien nicht immer über gewissenhafte Beamte verfügen konnte, sollen sie zwar oft das in den Regierungskassen vorhandene Geld ohne Rückstand verzehrt haben. In den Häusern zerstören sie alle Möbel und Vorräthe, doch gehen sie nicht in Baumwolle und fürchten sich vor Reishülsen, deren scharfe Spitzen ihren weichen, nackten Körper wohl empfindlich verletzen würden. In allen Speichern werden deshalb fusshoch Reishülsen auf den Boden ausgeschüttet, bevor man Kaufmannsgüter darauf lagert, die Pfosten aller Betten, Schränke und schweren Möbel stehen in gusseisernen, mit Wasser oder Oel gefüllten flachen Schalen, zugleich zum Schutz gegen Ameisen, die zwar nicht das Holz, aber die Vorräthe fressen.
In dem Landhause eines Freundes hatten die Termiten einige mit Oelfarbe gestrichene hölzerne Pfeiler, die das Gebäude trugen, fast aufgezehrt, jedoch ohne die äussere Farbenschicht zu verletzen, so dass[S. 60] von dem angerichteten Schaden nichts bemerkt wurde, bis jemand, der mit seinem Stock gegen einen Pfeiler stossen wollte, diesen durchstiess. Durch die grosse Gefahr veranlasst, wandte man sich an einen Malayen, dessen Gewerbe das Aufsuchen und Vertreiben der Termiten war. Nach längerem, sorgfältigem Suchen bezeichnete er eine Stelle im feuchten Rasen, etwa 30 Schritt vom Hause entfernt als diejenige, unter welcher man das Nest finden würde. Für uns war nur eine kleine, kaum merkliche Erhöhung, auf welcher bei genauer Untersuchung einige kleine Larven erkannt wurden, wahrnehmbar; denn ungleich den meisten Arten, deren Baue oft mehrere Fuss hoch über die Erde ragen, baut die fragliche Art, die Hagen als T. gilvus beschrieben hat, unterirdisch, anscheinend ohne irgend welche Anzeichen an der Erdoberfläche, die auf das Vorhandensein des Nestes schliessen lassen. Der Boden, ein sandiger Lehm, wurde in einigen Zollen unter der Oberfläche fester und zeigte Spuren von Struktur; in etwa 1 Fuss Tiefe stiessen wir auf sehr unregelmässige, wabenartige, festere Erdmassen, bestehend aus vielfach gewundenen, einen Zoll hohen, eine Linie dicken Wänden von oolithartigem Gefüge. Die einige Linien weiten Zwischenräume, labyrinthische Gänge, sassen dicht voll kleiner, geschlechtsloser Termiten (Arbeiter). Die nach oben ziemlich lockeren Zwischenwände wurden nach unten zu fester. Unterhalb der eben beschriebenen Erdmassen mit aufrechten Wänden, die aber in ihrem unregelmässigen Aussehen mehr an Maeandrinen (Korallen) als an Waben erinnerten, lagen dünne, festere, flach gewölbte Erdkrusten von ähnlicher oolithischer Struktur, lose neben und über einander, oft an den Rändern einander überragend, anscheinend konzentrisch um einen Kern geordnet, durch mehrere Linien hohe fast horizontal verlaufende Zwischenräume getrennt, die ebenfalls voll Termiten steckten. Sie waren radial von engen, runden Quergängen durchbohrt, deren Mündungen von den sogenannten Soldaten mit dem von Reisenden oft geschilderten Heldenmuthe vertheidigt werden. Die Soldaten, die bei allen Termiten vorkommen, sind geschlechtslos, arbeiten nicht; ihnen liegt der Schutz des Staates gegen äussere Feinde und nach den Berichten mancher Reisenden auch die Polizei ob, indem sie die Arbeiter zur Arbeit antreiben. Sie tragen am Kopfe ausserordentlich starke, scharfe, zangenartige Kiefern, schnellen, sobald ihnen die Hand unvorsichtig nahe gebracht wird, voll Wuth aus ihrer Höhle und können, wie ich aus eigener Erfahrung weiss, mit einem Biss die gefaltete Cutis am Gelenk des gebogenen Zeigefingers durchschneiden, so dass die Wunde blutet. Der Kern des ganzen Baues bestand aus der Wohnkammer der Königin und[S. 61] hatte die Form eines Stückes Toilettenseife ohne Ecken, jedoch mit dem Unterschiede, dass sie bei etwa gleicher Dicke fast doppelt so lang und breit war. Sie bestand aus einer sehr festen Lehmmasse ohne wahrnehmbares Gefüge, von einem kleinen, trichterförmigen Loche durchbohrt, dem einzigen Zugang. Als ich die Kammer aufschnitt, zeigte sich im Innern ein hohler Raum, der, weil die Wände gleich dick waren, der äusseren Form genau entsprach. Er enthielt die Königin, ein garstiges, fingerdickes, fast zwei Zoll langes, walzenförmiges Thier, das den inneren Raum zum grossen Theil ausfüllte und von einer Anzahl kleiner Termiten umgeben war, wahrscheinlich ihrer Dienerschaft, denn sie ist unbeholfen bis zur Hülflosigkeit, eine wurstartig aufgeschwollene Masse, voll Eierstöcke. Der Name einer Königin ist ihr in Folge eines nicht stichhaltigen Vergleiches mit der Bienenkönigin gegeben worden, denn sie ist eher eine Gefangene, als eine Gebieterin. Ihre Zelle kann sie nie verlassen, sie ist völlig wehrlos, so dass sie sich keine Nebenbuhlerin abwehren kann; oft trifft man daher in ein und demselben Bau mehrere Königinnen in verschiedenen Entwickelungsstufen an. Unter dem Bau der Königin war die Erde sehr lose; verschiedene Gänge führten von dort aus nach mehreren kleinen Nestern, die keine Königin, wenigstens keinen Königsbau besassen, sondern nur aus den oben erwähnten wabenartigen Massen bestanden; es waren wohl neu angelegte, bisher nur vom Mutterstaat aus bevölkerte Kolonien. In der Absicht, sie härter zu machen, wurden einige Stücke des Baues der Sonne ausgesetzt. Die Gänge waren dicht mit Termiten, Arbeitern und Soldaten, angefüllt. Bald stellten sich einige kleine, schwarze Ameisen ein, rekognoszirten, kehrten um, und nach nicht ganz 10 Minuten erschienen lange Züge derselben Art, die im Verlauf einiger Stunden sämmtliche Termiten, obgleich sie doppelt so gross waren als die Ameisen, aus ihren Schlupfwinkeln holten und davon schleppten. Es war erstaunlich, zu sehen, wie diese kleinen Thierchen die ungleich grösseren packten und sie davon trugen. Selbst die Soldaten wurden auf diese Weise fortgeschleppt, wobei allerdings einige der Kleinen das Leben liessen, denn wenn sie einem Soldaten unvorsichtig nahten, schnitt er sie mit seiner scharfen Zange mitten durch; während sie noch zuckte, kam ein andres Thierchen desselben Stammes und rettete den Leichnam.
Smeathman, dem man die erste ausführliche Schilderung der Termiten verdankt, giebt an, dass eine alte Königin die Grösse von 20,000 bis 30,000 Arbeiterinnen erreichen könne! was aber eine Uebertreibung zu sein scheint. Bei Wägungen an Spiritusexemplaren, die ich[S. 62] mit Dr. Gerstaecker vornahm, ergab sich für eine Termitenkönigin von T. bellicosus (der Spezies, auf die sich Smeathman's Mittheilungen beziehen), dem grössten Exemplare der Berliner Sammlung, 16,135 Gramm, für ein junges, befruchtetes, aber nicht weiter entwickeltes Weibchen 0,490, also 1/33 des obigen Gewichts (ein Arbeiter von dieser Species war nicht vorhanden). Die Termitenkönigin T. gilvus (Hagen) von Singapore wog 5,200 Gramm, ein junges, befruchtetes Weibchen (das aber exenterirt war) 0,068 Gr., ein Arbeiter 0,005 Gr., also etwas weniger als das Tausendfache der verhältnissmässig grossen Königin.
Die Termiten sind in mehreren Gattungen und vielen Arten über alle wärmeren Erdtheile verbreitet, aber nicht überall gleich zahlreich oder schädlich. In Rochefort sind sie seit 1797 amtlich bekannt und richten dort fortdauernd grosse Zerstörungen an. Wahrscheinlich durch Hölzer von San Domingo eingeschleppt, verbreiteten sie sich allmälig über viele Städte und Ortschaften der Charente inférieure, so dass sie dort zu einer sehr ernsten Plage geworden sind und den Wohlstand des ganzen Departements bedrohen, indem sie Gebäude, Dächer, Korn und Mehlvorräthe, Bibliotheken, Pflanzungen u. s. w. zerstören; alle vorgeschlagenen Schutzmittel erwiesen sich bisher erfolglos.
Eines Tages besuchte ich eine Pfeffer- und Gambir- Pflanzung, die ganz in der Nähe von Bukit-tima lag. Ich stieg bei einem französischen Missionär ab, der mich überallhin begleitete und mir das Chinesische der Pflanzer verdolmetschte. Es war ein Mann, wie ich deren später noch öfter unter den katholischen Missionären getroffen habe, der Allem entsagt hatte, um sich seinem selbstgewählten Berufe zu opfern. Ein kleines Vermögen, das ihm durch Erbschaft zugefallen, hatte er dazu verwendet, eine Kirche zu bauen, für sich selbst behielt er nichts zurück und lebte, obgleich kränklich und alt, in grosser Dürftigkeit von dem elenden Gehalt, das für alle diese würdigen Männer ohne Unterschied monatlich 10 Dollars beträgt. Ich besah die Pflanzung und die Fabrik in allen Einzelnheiten, doch waren die Angaben der Chinesen so ungenau, zum Theil durch die Schuld des Dolmetschers, der die einfachsten technischen Fragen nicht richtig zu verstehen schien, so widersprechend, dass ich zur Ergänzung des selbst Gesehenen vorziehe, das Uebrige einigen gediegenen Aufsätzen zu entlehnen.
Der Pfeffer wird hier immer zusammen mit dem Gambir gebaut. Die ausgekochten Blätter der letzteren Pflanze dienen zur Düngung der ersteren. Auf je 10 Acres Gambir rechnet man gewöhnlich einen Acre Pfeffer. Der Pfeffer wächst sehr leicht und scheint nur sehr geringe[S. 63] Pflege zu erfordern. Mit besonderer Sorgfalt wird er jedenfalls nicht behandelt. Nicht einmal schattengebende Bäume, die man in anderen Ländern für das Gedeihen der Pfefferrebe nothwendig erachtet, werden ihm gewährt. Die Hauptsorge ist die Vertilgung des Unkrauts und die Entfernung der seitlichen Ausläufer. Er wächst, der grellsten Sonne ausgesetzt, an Pfählen aus gespaltenen Waldbäumen, die er, wie Epheu kletternd, mit seinen dunkelgrünen herzförmigen Blättern dicht bekleidet. Aus dem Laube hängen in grosser Fülle die langen schmalen Trauben hervor, mit grünen Beeren, die bei völliger Reife scharlachroth werden. Der Anblick der Pflanzen ist sehr schön. Die Vermehrung der Reben geschieht durch Stecklinge, nach 4 bis 5 Jahren giebt sie schon einen geringen Ertrag, der bis zum 7ten oder 8ten Jahr zunimmt. Wenige Jahre, nachdem er sein Maximum erreicht, vermindert sich der Ertrag fast ebenso allmälig, als er zunahm, so dass in einer wohlgeordneten Pflanzung alle Jahre eine Anzahl junger Pflanzen gezogen werden müssen, die der Reihe nach an die Stelle der abgestorbenen treten. Die Rebe trägt gleichzeitig Blüthen und Früchte. Vier Monate nach Entfaltung der ersteren sind die Beeren zum Pflücken reif, sie sind dann grün mit einem Stich ins Rothe und werden in flachen Körben aus Bambussplinten über Rauchfeuer getrocknet, wobei sie schwarz werden und einschrumpfen. Das Aroma wird grösstentheils durch Lokalität und Boden bedingt, wie beim Wein. Uebrigens aber geben die schwersten, vollsten, am wenigsten runzligen Körner das beste Gewürz. Lässt man die Beeren völlig reif werden, so löst sich die äussere scharlachrothe Hülle durch Mazeration in Wasser ab; der zurückbleibende Kern bildet den weissen Pfeffer des Handels, der theurer als der schwarze ist, weil bei dieser Zubereitungsart immer eine grosse Menge durch Abfallen der völlig reifen Beeren verloren geht. Von allen Gewürzen ist Pfeffer das verbreitetste und wohl das einzige, dessen Verbrauch auch jetzt noch immer zunimmt, während alle übrigen immer mehr aus der Mode kommen. Zur Zeit der Entdeckung des Seewegs nach Indien und lange nachher, bevor Zucker, Kaffee, Thee, Indigo und die Produkte der indischen Wälder in Europa bekannt waren, bildete Pfeffer den Hauptartikel des indischen Handels und war Gegenstand der heftigsten Kämpfe zwischen den seefahrenden Völkern, sowie der drückendsten Monopole, die mit der herzlosesten Zwangsarbeit für die Eingebornen gepaart gingen. Nach Crawfurd war der Preis des Pfeffers zu Plinius Zeiten 1 Thlr. 5 Sgr. das Pfund und blieb so bis zu Anfang des 16. Jahrhunderts. Durch das Monopol der Portugiesen stieg er auf[S. 64] 1 Thlr. 10 Sgr.; als die Holländer die Portugiesen verdrängt hatten, etwa 100 Jahre später, trieben sie den Preis auf das Doppelte. Durch Konkurrenz der Engländer und Franzosen fiel der Preis wieder und schwankte Jahrhunderte lang zwischen 16 und 10 Sgr. Erst in diesem Jahrhundert fielen die Monopole, wodurch der Pfeffer auf seinen Preis von 21/2 bis 3 Sgr. kam. Jetzt liefert die Westküste von Sumatra den meisten Pfeffer. Crawfurd schätzt den Gesammtertrag des indischen Archipels, mit Inbegriff der geringen Menge, welche Malabar, das Vaterland des Pfeffers, jetzt noch produzirt, auf 40 Millionen Pfund. Ausser Hinter-Indien erzeugen auch noch Guyana, Liberia, die Antillen dies Gewürz. Die Gesammtproduktion dürfte gegenwärtig 50 Millionen Pfund wohl nicht übersteigen.
Pfeffer und Gambir, die Haupt-Erzeugnisse des Landbaus in Singapore, das ausserdem nur noch Kokosnüsse, Früchte und Gemüse für den eigenen Bedarf produzirt, werden ausschliesslich durch Chinesen gewonnen. Es ist ein mühsames, bei den gegenwärtigen Preisen der Erzeugnisse nicht sehr lohnendes Geschäft voll Entbehrungen und wegen der vielen Tiger voll Gefahr. Gewöhnlich sind es neuangekommene Einwanderer, die ihre Ueberfahrt nicht zahlen können, welche von ihren reicheren Landsleuten zu dieser Kultur verwendet werden. Nach dem Kontrakt müssen sie ein Jahr für ihren Gläubiger arbeiten, während welcher Zeit sie nur kärgliche Beköstigung und noch kärglicheren Lohn erhalten. Dennoch wissen sie bald, häufig schon im ersten Jahre, etwas zu sparen und so viel Kredit zu erwerben, dass sie ein kleines Geschäft anfangen oder als selbstständige Arbeiter sich vortheilhaft verdingen können. Oft auch thun sich mehrere zusammen und bewirthschaften gemeinschaftlich eine Pflanzung. Nachdem eine passende Stelle im Walde gelichtet, wird das Unterholz verbrannt, die gefällten Bäume bleiben liegen, da sie später als Brennholz benutzt werden, ausser der Asche davon erhält der Boden keinen Dünger. Man säet den Gambir (Uncaria Gambir) in Beeten, hält die Sämlinge schattig und pflanzt aus, wenn sie 5 bis 6 Zoll hoch sind in 5 bis 6 Zoll Abstand. Hat die Pflanze eine gewisse Höhe erreicht, so wird sie abwärts gebogen, so dass sie seitlich fortwächst. Dadurch wird die Holzbildung gehemmt, die Blattbildung vermehrt, das Pflücken erleichtert[23]. Nach 13 bis 14 Monaten sammelt man die ersten Blätter, 6 Monate später[S. 65] giebt die Pflanze den vollen Ertrag. Aber schon nach wenigen Jahren (ca. 15) ist der Boden so erschöpft, dass die Pflanzung aufgegeben und eine neue an einer andren Stelle errichtet werden muss. Auf der verlassenen Stätte wuchert das so schwer zu vertilgende Lalanggras (Saccharum imperatum), das mühsamer auszurotten ist, als Urwald. Die Regierung fängt endlich an, durch eine bessere Waldwirthschaft diesem Uebelstande und dem Treiben der chinesischen Squatters ein Ende zu machen, indem sie dieselben zwingt, das Land zu kaufen, das sie bepflanzen wollen; ein sicheres Mittel, um es in Kulturland, statt in Graswildnisse zu verwandeln.
Das Pflücken der Blätter dauert das ganze Jahr über, jeder Strauch kommt jährlich 3 bis 4 mal an die Reihe. Die Morgens gesammelten Blätter werden am Nachmittag versotten, die Nachmittags gesammelten am folgenden Morgen; ein Absud erfordert 5 bis 6 Stunden. Die Fabrikation ist sehr einfach. Ein grosser Schuppen aus Stangen und Palmenblättern, mit einigen Bänken aus gespaltenem Bambus versehen, die als Tisch und Betten dienen, ist zugleich Wohnung und Fabrik. Der Kessel besteht aus einer eingemauerten, flachen Pfanne aus Gusseisen, von etwa 3 Fuss Durchmesser, auf welcher ein hohler Cylinder von Baumrinde steht, die in einem Stück von einem entsprechend grossen Baum abgelöst worden. Die Fugen und die ganze Aussenseite sind mit Thon verschmiert, um sie gegen das Feuer zu schützen. Man giesst etwas Wasser in die Pfanne, schüttet die Blätter ein und wirft sie, nachdem sie etwa eine Stunde gesotten, auf eine geräumige, ebenfalls aus einem Stück Baumrinde bestehende, schräge Rinne, deren unteres Ende in den Kessel hineinragt. Der Arbeiter knetet diese Blätter, damit das ihnen anhaftende Wasser in den Kessel zurücklaufe. Der zur Konsistenz von dünnem Syrup eingedampfte Absud wird in Eimer geschöpft. Ist er kühl genug, so beginnt eine eigenthümliche Hantirung. Bekanntlich enthält der Gambir ausser der in kaltem Wasser löslichen Catechugerbsäure auch in kaltem Wasser unlösliches Catechin; anstatt nun einfach umzurühren, damit die Flüssigkeit überall gleichmässig erstarre, klemmt der Arbeiter in jeden Eimer in schräger Richtung einen Stock aus weichem Holz. Er stellt zwei solcher Eimer vor sich hin und fährt mit jeder Hand an einem der Stöcke auf und ab. Die Flüssigkeit verdickt sich zunächst am Stock, und da sie dort immer abgestreift, die Masse überdies in beständiger Bewegung erhalten wird, erstarrt sie gleichmässig, was nach Behauptung der Arbeiter durch Umrühren nicht zu erreichen sein soll. Gewiss[S. 66] ist hier wieder ein Stückchen Aberglauben im Spiel. Die hinreichend verdickte Masse wird in flache, viereckige Kasten gefüllt, und wenn sie erhärtet ist, wie Seife in Stücke geschnitten und im Schatten getrocknet. Die gekochten Blätter werden noch einmal ausgesotten und schliesslich in dem Wasser ausgewaschen, das zum Kochen der Blätter verwendet wird.
Eine Pflanzung von 5 Arbeitern enthält im Mittel 70–80,000 Sträuche und liefert täglich 40–50 Katti (1 Katti = 11/3 ℔ Engl.) Gambir. Die Arbeiter behaupten, nur das Holz eines gewissen Baumes besitze die Eigenschaft, den Absud im Eimer erstarren zu machen und zeigten mir ihn später, es war Artocarpus incisa. Nachher sagte man mir aber, dass jedes weiche Holz sich dazu eigne, doch nehme man gewöhnlich einen Zweig des eben genannten.
Gambir, besser unter dem Namen Terra japonica in Europa bekannt, wird von den Malayen mit dem Betel gekaut, zu welchem Zweck er zuweilen noch besonders raffinirt und in kleine, zierliche Kuchen geformt wird. Er enthält 50–60% Gerbstoff und wird in steigender Menge nach Europa für die Schnellgerbereien und Färbereien exportirt. Die sehr beständige, schöne Holzfarbe der französischen Tapeten verdankt man dem Gambir. Die Produktion wächst so schnell, als die Nachfrage, denn der Preis steigt nicht. In Singapore nehmen die Pflanzungen ab, doch mögen wohl noch nahe an 1000 auf der Insel vorhanden sein. Da es aber jetzt den Chinesen nicht mehr gestattet wird, ohne alle Abgaben den Boden in Besitz zu nehmen und den Wald zu zerstören, so ziehen sie sich mehr nach Johor. Die Hauptproduktion ist aber auf den Inseln Bintang, Batam und Linga, die unter holländischer Botmässigkeit stehen.
In Europa scheint einige Verwirrung in Bezug auf die Namen Gambir, Terra japonica, Cutch, Catechu, Cachou zu herrschen. Abgesehen von den unter dem Namen Cachou in Apotheken käuflichen Bonbons, die nur aus Lakritzen und Salmiak bestehen, und mit Catechu (Cachou der Franzosen) nichts als den Namen gemein haben, versteht man unter Gambir oder Terra japonica gewöhnlich das Präparat von der Nauclea Gambir. Das eigentliche Catechu (Cutch) dagegen wird von einer Mimose, Acacia Catechu (Willd.), und zwar aus dem Herzen des Stammes und den Schoten, durch Auskochen und Eindicken des Absuds gewonnen. Man erhält es namentlich aus Birma (Pegu), Malabar und dem nördlichen Bengalen. Beide Substanzen sind übrigens sowohl chemisch, als in Bezug auf ihre technische Verwendung fast identisch. Das aus[S. 67] Arecanüssen bereitete Catechu scheint ganz vom Markt verschwunden zu sein.
Die Chinesen auf diesen Plantagen sind es, die so häufig von Tigern umgebracht werden. Wann der Kuli fast nackt im dichten Gebüsch hockt, um die Blätter zu pflücken, so beschleicht ihn der Tiger von hinten und tödtet ihn gewöhnlich mit einem Biss in den Nacken. Finden die Kameraden den Leichnam, so verscharren sie ihn so schnell als möglich, denn wenn die Polizei es erfährt, so zwingt sie die Leute, die vielleicht schon stark verweste Leiche zur Stadt zu tragen, damit sie vom Todtenbeschauer besichtigt werde, ohne ihnen dafür irgend eine Entschädigung zu gewähren. Erwägt man, wie ungern die Chinesen einen Schritt umsonst thun, wie höchst beschwerlich und ekelhaft der ihnen aufgezwungene Dienst ist, und dass sie überdies schon aus der Heimath eine heilige Scheu vor der Polizei mitbringen und jeden Kontakt mit derselben vermeiden, berücksichtigt man ferner, dass weder ein Passwesen, noch irgend eine Kontrolle über die sich hier aufhaltenden Personen besteht, dass namentlich die Pflanzer in ihren entlegenen Schlupfwinkeln im Walde fast nie aufgesucht werden, so darf man sich nicht wundern, wenn nur eine sehr geringe Zahl dieser Todesfälle den Behörden zu Ohren kommt. Dennoch werden im Jahr durchschnittlich 75 Fälle gemeldet, und auf der Annahme, dass die wirkliche Zahl der Opfer wenigstens das Fünffache betrage, beruht die Angabe, dass jährlich 300–400 Personen von Tigern umgebracht werden. Ich habe mich an den sichersten Quellen häufig über diesen Gegenstand erkundigt und kann nur wiederholen, dass die bestunterrichteten Beamten diese Zahl eher für zu gering, als zu gross halten. Zum Beweise, dass es auch in der neuesten Zeit nicht besser geworden, füge ich einen Auszug aus den Straits Times, Overland Journal, 21. Nov. 1863, bei: „Singapore. Die Todesfälle durch Tiger sind wieder im Zunehmen. In den letzten 14 Tagen sind 7 Fälle bei der Polizei angemeldet und die verstümmelten Leichen aufgefunden worden, die keinen Zweifel über die Ursache des Todes liessen. Alle, die auf diese Weise ihren Tod gefunden, waren Arbeiter auf Gambirpflanzungen.... Es ist bemerkenswerth, dass bei diesen Leichen immer nur ein kleiner Theil des Körpers verzehrt ist, es fehlt nur ein Bein, ein Arm, häufig nur der Kopf.”.. Der Redaktör schliesst mit der Betrachtung: „Es ist ein Jammer, dass die Thiere nicht ein Opfer ganz verzehren, bevor sie ein anderes angreifen, es würde ein grosses Ersparniss an Menschenleben sein.”
Ausser den angeführten landwirthschaftlichen Produkten verdient[S. 68] noch ein Industrieerzeugniss besondere Erwähnung: der Sago, welcher in beträchtlicher Menge (jährlich für 60–70,000 Dollars) von Singapore ausgeführt wird. Der rohe Sago kommt von Sumatra und Borneo, wird in Singapore durch Schlämmen gereinigt und dann als Sagomehl, grösstentheils aber, nachdem er vorher geperlt worden, als Perlsago ausgeführt. Um es zu perlen, wird das noch etwas feuchte Mehl ein wenig geknetet, in einem durch einen Kreuzstock weit offen gehaltenen flachen Sack in rotirende Bewegung gesetzt, wobei sich kleine Klümpchen bilden, die, nachdem sie durch ein grobes und ein feines Sieb gegangen, gleiche Grösse haben. Sie werden in einer schräg eingemauerten, flachen, mit Oel bestrichenen, eisernen Pfanne über gelindem Feuer mit einem hölzernen Spaten vorsichtig umgerührt, wobei durch die an der Oberfläche eintretende Kleisterbildung die Kugeln eine gewisse Festigkeit bekommen, aber auch zusammenbacken; um sie zu trennen, werden sie noch einmal gesiebt und dann abermals gedörrt, bis sie die gehörige Härte erlangt haben.
Deutsche Hausfrauen pflegen die Perlform für das Kennzeichen des Sago zu halten und unter Sago Perlen von beliebigem Stärkemehl zu verstehen. Der eigentliche Sago ist aber das Produkt der Sagopalmen (Sagus laevis und S. genuina), die besonders im Osten des Archipels sehr verbreitet sind; sie liefern fast allein den Sago des Handels. Die Eingebornen gewinnen ihn aber, besonders bei missrathener Reisernte, noch aus mehreren andern Palmen- und Cycasarten für ihren eignen Bedarf. In Singapore kommt die Sagopalme nur vereinzelt vor und wird nicht ausgebeutet. Die Art, den rohen Sago zu gewinnen, habe ich nicht gesehen, sie ist von J. R. Logan im Journal of the Ind. Arch. III. 288 ausführlich beschrieben.
Die Sagopalmen sind von sehr grossem Interesse, weil keine Pflanze, selbst nicht die Banane und Kokospalme, bei so geringer Mühe eine solche Menge Nahrungsstoff liefert. Die Produktion kann bei der ausserordentlichen Fülle des Materials unbegrenzt gesteigert werden. Wegen der jetzt gebräuchlichen, unvollkommenen Methoden der Bereitung und besonders, weil der Sago nicht gleich an Ort und Stelle für die Ausfuhr raffinirt wird, ist sein Preis zu hoch.[24] Nach Logan sollte ein Pikul nicht mehr als 1/4 Dollar (11 Sgr.) kosten.
Ueber den ausserordentlichen Ertrag der Sagopalme geben folgende,[S. 69] Logan's Aufsatz entnommene Angaben eine Vorstellung. In den östlichen Inseln des Archipels, in Neu-Guinea, in Borneo und Sumatra ist die Sagopalme am häufigsten und bildet in sumpfigen Niederungen grosse Wälder. Dort ist Sago das Hauptnahrungsmittel. Eine Ertrag gebende Pflanzung ist gar nicht mehr auszurotten, denn unähnlich andern Palmen pflanzt sich die Sagopalme nicht nur durch Samen fort, sie treibt auch Schösse aus der Wurzel, wie die Banane, und liefert so eine ununterbrochene Ernte. Sie blüht terminal und stirbt, wenn die Früchte reif sind, allmälig ab. Will man aber den Sago gewinnen, so wird der Baum kurz vor der Blüthezeit umgehauen; der Stamm ist dann ein Cylinder von 20 Zoll Durchmesser und 15–20 Fuss Länge; die Rinde bildet nur eine dünne Schale, das ganze Innere ist mit Mark erfüllt, das aus Cellulose und Stärkemehl besteht. Man rechnet, dass ein Baum durchschnittlich 700 ℔ Stärkemehl (Sago) liefert. Nach Logan's Berechnung geben 3 Bäume mehr Nahrungsstoff als 1 Acre Weizen und 6 Bäume mehr als 1 Acre Kartoffeln. Ein Acre mit Sagobäumen bepflanzt, giebt, wenn er auf einmal umgehauen wird, 5220 Bushel (= 3452 Scheffel Preuss.) oder so viel, wie 163 Acres Weizen; und je nachdem man 7 oder 15 Jahre als den Zeitraum annimmt, den der Baum zu seiner Entwicklung nöthig hat (darüber sind die Angaben schwankend), kommt ein Acre Sago in seinem jährlichen Ertrag 10 oder 23 Acres Weizen gleich. (Da 163 Acres = 258,35 Morgen, so nimmt Logan etwas mehr als 131/3 Scheffel Weizen pro Morgen an.)
In Berlin kostet durchschnittlich der Zentner „Kartoffel-Sago”, d. h. geperlte Kartoffel- oder Weizen-Stärke, 10–11 Thlr., Palmen-Sago 16–17 Thlr., Tapioka-Sago, d. h. geperltes Manihot-Mehl, 22–23 Thlr. In Singapore kostet 1 Ztr. Palmen-Sago durchschnittlich 2 Dollars als Mehl, 3 Ds. in Perlform; Tapioka-Mehl 3 Ds., Perlen 4 Ds. Die Fracht übersteigt selten 1 Dollar per Zentner. Der grosse Unterschied im Preise ist die Prämie der Zwischenhändler; sie zeigt, wie unvollkommen, unsere Verkehrsverhältnisse noch sind.
Opium.
Die hervorragendste Leidenschaft der Hinterindier, namentlich der Chinesen, scheint die Spielsucht. In Canton spielt der hungrige Kuli mit dem Garkoch um das Essen; gewinnt er, so speist er gratis, im andern Fall verliert er den Einsatz und speist gar nicht. Das Spielen ist aber hier sowohl als in Pinang und Malacca streng verboten, und wird deshalb heimlich getrieben. Es ist ein öffentliches Geheimniss, dass die niederen Polizeibeamten, alle selbst Asiaten, im Sold der Spielunternehmer stehen und nicht nur die Spielhäuser nicht verrathen, sondern sie gewöhnlich bei Zeiten warnen, wenn einmal von Seiten der höheren Beamten ein Ueberfall gegen ein verdächtiges Haus ausgeführt werden soll. Im Anfang des Bestehens der Kolonie waren auch Spielhäuser gestattet, die Konzession dazu wurde, wie zum Opium- und Branntwein-Handel dem Meistbietenden verpachtet und bildete eine der bedeutendsten Einnahmen. Der einflussreichere Theil der europäischen Bevölkerung fand aber hierin etwas Unsittliches; so ist denn jetzt das Spiel seit einer Reihe von Jahren verboten, obgleich jedermann weiss, dass die polizeilichen Mittel zur wirklichen Unterdrückung desselben nicht vorhanden sind. In neuester Zeit wird daher die Ansicht immer allgemeiner, dass es unter den bestehenden Verhältnissen angemessener wäre, wieder öffentliche Spielhäuser einzurichten und sie zu einer Steuerquelle zu benutzen, wie die Holländer und Spanier thun. — In diesem Sinne hat sich auch die Grand-Jury in ihrem letzten Bericht über den Zustand der Kolonie (1865) ausgesprochen. Jedenfalls scheint es eine grosse Inkonsequenz, das Spiel aus moralischem Zartgefühl zu verbieten und das Opiumrauchen zu gestatten, das noch schlimmer ist, als Hasardspiel, da es, einmal zur Leidenschaft geworden, den Menschen nicht nur eben so sicher, wie jenes, moralisch und finanziell, sondern auch physisch zu Grunde richtet. Die Ursache der Inkonsequenz liegt wohl in dem grossen Gewinn, den die britische Regierung aus der Bereitung des Opiums, die Kolonial-Regierung aus der Accise und die Kaufleute aus dem Vertrieb ziehen, an dem sich übrigens nicht nur Engländer, sondern Leute von allen Nationen mit gleichem Eifer und mit derselben Unbefangenheit betheiligen, wie am Handel mit Tabak oder Spirituosen.
Opium ist bekanntlich der eingetrocknete Milchsaft des Gartenmohns[S. 71] (Papaver somniferum) und wird besonders in der Türkei und in Indien gewonnen. Das türkische Opium wird in Europa und Java, das indische in China und Hinterindien genossen. In Britisch-Indien ist die Opiumerzeugung Monopol der Regierung, in den Malwa- und andern Staaten unter einheimischen Fürsten steht sie jedem frei; das Fabrikat zahlt aber in Bombay einen Transitzoll von 400 Rupien per Kiste. Das Opium von Behar, im Handel als Patna bekannt, und das von Benares, beide unter der strengen Aufsicht englischer Beamten dargestellt, sind besser als Malwa-Opium. Letzteres geht fast ausschliesslich nach Nord-China.[25]
Zum Rauchen ist das Opium, wie es aus Indien kommt, noch nicht geeignet; es wird erst durch ein umständliches Verfahren, das 18 Stunden Zeit in Anspruch nimmt, im Wesentlichen aber nur im Ausziehen der in Wasser löslichen Bestandtheile und Eindicken des Auszugs besteht, in die von den Rauchern beliebte Substanz Tschandu verwandelt, die wie Melasse aussieht, aber noch konsistenter ist.[26]
Das Recht, das Tschandu zu bereiten, ist in Singapore Monopol der Regierung, die es dem Meistbietenden verpachtet. Diese Pacht bildet ihre Haupt-Einnahme; der Pächter ist immer ein Chinese, keinem Andern würde es möglich sein, unter der hiesigen Bevölkerung eine gewinnbringende Kontrolle auszuüben. Der Pächter, der gewöhnlich sehr reich wird, verkauft das Tschandu an die Opiumkrämer, von denen es die Raucher in einzelnen Dosen entnehmen. Die Wiederverkäufer erhalten gar keinen, oder nur sehr geringen Rabatt, der höchstens für solche, die entfernt wohnen, bis auf 8% steigt. Die Konsumenten kaufen ihr Tschandu bei dem Pächter nicht billiger, als bei dem Kleinhändler; der Gewinn des letzteren besteht lediglich in den Abfällen. Das Tschandu hinterlässt nämlich beim Rauchen einen Rückstand, bestehend aus Kohle, brenzlichen Oelen, einigen Salzen und etwas unverbranntem Opium. Dieser Rückstand heisst Tinko und beträgt fast die Hälfte des ursprünglichen Tschandu. Er wird an die ärmere Klasse zum halben Preis verkauft; man raucht oder verschluckt ihn. Im ersterem Falle lässt er wieder einen Rückstand, Samsching, der von noch Aermeren gekauft und verschluckt wird, da er nicht mehr brennt.[S. 72] Aus dem Verkauf der Rückstände bestreitet der Opiumkrämer die Miethe seines Lokals und den Unterhalt seiner Familie.
Wohlhabende rauchen ihr Opium zu Haus, Aermere bei den Krämern, die zu dem Zweck einen besonderen Raum verfügbar halten, in welchem mehrere Bambuspritschen angebracht sind. Diese engen, heissen, von Opiumrauch erfüllten Räume werden als eine der Sehenswürdigkeiten Singapores gewöhnlich von Fremden besucht. Daher sind die „Gräuel dieser Höllen, der fürchterliche Qualm und die Entsetzen erregenden Gestalten der Unglücklichen, die dem Laster fröhnen”, schon oft mit sehr lebhaften Farben beschrieben worden. Ich habe diese Orte mehrere Male besucht, fand aber den Qualm nie so unerträglich, als den Tabaksqualm mancher deutschen Bierstuben, auch gelang es mir ebenso wenig, die schrecklichen Folgen des Lasters gleich auf den Gesichtern der Raucher zu lesen, als die Folgen der Trunksucht auf den Gesichtern von Stammgästen, oder die des Spielens auf denen, die in Baden den Roulettetisch umgeben. Der Raucher liegt auf einer Pritsche ausgestreckt, nimmt mit einer langen Nadel eine kleine Menge Tschandu, zündet sie an, wozu einige Geschicklichkeit gehört, da die Masse schwer brennt, und bringt sie auf die feine Oeffnung eines birnförmig gestalteten Pfeifenkopfs, zieht den Rauch mit einem oder einigen langen Athemzügen ein, behält ihn einige Zeit bei sich und bläst ihn aus.
Nach Crawfurd wird an keinem Ort der Welt im Verhältniss zur Kopfzahl so viel Opium konsumirt als in Singapore. Den Grund dafür sieht er in den hohen Löhnen und in der überwiegend chinesischen Bevölkerung. Nach ihm soll sich der Opiumverbrauch in Singapore zu dem in China und in Java verhalten wie 33 zu 14 zu 4. C. giebt aber die Quellen dieser Zahlen nicht an. Ich habe vergeblich versucht, ihre Richtigkeit zu prüfen, da die in den mir zugänglichen Schriftstellern und Reports enthaltenen einander so widersprechen, dass sie nicht in Einklang zu bringen sind. Es wäre aber eine sehr interessante Arbeit für Jemand, dem ausreichendes Material zur Verfügung steht, eine auf zuverlässige Zahlen begründete, vergleichende Uebersicht der schnellen Zunahme des Opiumverbrauchs nicht nur in Asien, sondern auch in Europa und Amerika aufzustellen; besonders für England scheint Gefahr im Anzuge.
Ob die Regierung von Singapore die Macht besässe, das Opiumlaster jetzt noch zu unterdrücken, ist eine andre Frage; ist es doch selbst in den europäischen Polizeistaaten nicht gelungen, die Ueberhandnahme des Tabakrauchens zu verhindern; um wie viel schwieriger wäre es in[S. 73] einem Freihafen wie Singapore, wo alle Mittel zum Zwange fehlen, dem mit viel grösserer Leidenschaftlichkeit getriebenen Opiumrauchen ein Ende zu machen. Geradezu unmöglich wäre es vielleicht nicht, wenn der ernste Wille vorhanden wäre und das Bestehen der Kolonie davon abhinge; gelingt es doch dem Opiumpächter, dem Schmuggeln der Droge vorzubeugen.
Wie wenig übrigens an eine solche Maasregel gedacht wird, geht aus folgenden Auszügen aus dem Chinese Commercial Guide, Hongkong 1863, hervor: danach betrug die jährliche Opiumeinfuhr in China während der letzten 10 Jahre 70,000 Kisten. Das reichte für den Bedarf nicht aus und beförderte die Produktion in China, wo gegenwärtig 20,000 bis 30,000 Kisten durch einheimische Pflanzer erzeugt werden. Die Nettoeinnahme in Indien beträgt ungefähr 4,000,000 £ jährlich, das Produkt kostet der Regierung etwa 400 Rupies (40 £) per Kiste. Der Opiumbau soll dort sehr ausgedehnt und der Preis herabgesetzt werden, um das chinesische Opium vom Markt zu verdrängen, was, wie man glaubt, stattfinden wird, wenn das indische zu 450 Ds. per Kiste geliefert werden kann, während sein Durchschnittspreis in den letzten 4 Jahren 800 Ds. betrug. Die Gesammtausfuhr aus Indien von 1798–1855 betrug 1,197,041 Kisten und stieg von 4000 Kisten im ersten Jahre auf 78,454 im letzten Jahre, die indische Regierung zog daraus einen Gesammtgewinn von 67,000,000 £ und darüber. 180,000 Kisten davon wurden in den malayischen Ländern verbraucht.... In China wird das Opium in Schan-si, Schen-si, Kwei-tschau, Yun-nan und Sze-tschuen gebaut. Sein Preis schwankt zwischen 25 und 30 tael per 81/2 ℔ Englisch.[27] Auch in der Mongolei und in Nord- China, sowie in Fuh-kien und Hün-nan wird der Mohn gebaut. Der Werth des gegenwärtig in China eingeführten Opiums ist dem Werth der Ausfuhr von Thee und Seide fast gleich. Als eine Errungenschaft des letzten Krieges ist der Opiumhandel jetzt gesetzlich erlaubt. Der Gebrauch der Droge hat sich über das ganze Reich verbreitet und seine Billigkeit für Raucher, die fern von der Küste wohnen, wird den Verbrauch wohl bedeutend steigern, sowie auch die damit verbundenen Uebel ... Die Geschichte der Anstrengungen, welche die Beherrscher dieses heidnischen Volks gemacht haben, um die Einführung des Opiums abzuwehren, weil sie fühlten, dass es für die Einkünfte, die Sittlichkeit und den Gewerbfleiss ihres Volkes schädlich[S. 74] war, und das gänzliche Misslingen dieser Anstrengungen bildet eines der lehrreichsten Kapitel in den chinesischen Annalen ...
Es ist zugleich die Geschichte der Anstrengungen des christlichen Volks der Briten, um den „umnachteten Heiden” trotz allem Widerstande, durch Schmuggel, Bestechung der Mandarine und offenbare Gewalt, ja sogar durch zwei Kriege das Gift aufzuzwingen. Man sieht daraus, was es mit der civilisatorischen Mission auf sich hat, wenn sie mit dem Eigennutz kollidirt.
Dies hat unter der Ostindischen Kompanie stattgefunden. Jetzt aber steht Indien und seine Opiumproduktion unmittelbar unter der englischen Krone, die nun für eigene Rechnung Opium produzirt und verkauft, und auf jede mögliche Weise das lukrative Gewerbe auszudehnen bemüht ist. Nach der Times vom Mai 1865 ist der jüngste Ausfall im indischen Budget hauptsächlich der über alle Maassen gesteigerten Opiumproduktion in Indien zuzuschreiben (man hatte aus übergrossem Eifer weite Strecken Landes, die dafür nicht geeignet waren, mit Mohn bebaut, auch fehlte es an geübten Händen für die so sehr vermehrte Produktion).[28] Lockhart druckt im „Medical Missionary in China” einen im Verein mit Rev. Medhurst für ein Blaubuch geschriebenen Aufsatz über das Opium in China ab, der viele interessante Thatsachen enthält; besonders geht daraus die schnelle Ausbreitung des Lasters über das ganze chinesische Reich hervor, „es hat als ein Bächlein begonnen und wäre jetzt eben so schwer zurückzudrängen, als die Meeresfluth.”
Als Mittel der Abhülfe schlägt Lockhart der englischen Regierung vor, den Opiumbau in ihrem Gebiet und den Transit durch ihr Gebiet ganz zu untersagen; die englische Regierung zieht aber aus dieser Quelle 4,000,000 £ (nach Lockhart sogar 5,000,000 £)! Ausserdem empfiehlt er das Gebet der Missionäre, Ermahnungen an die Chinesen und ähnliche Mittel, auch fordert er die Opiumhändler in China auf, der Quelle ihrer Reichthümer aus Rücksicht für ihre Nebenmenschen zu entsagen. Von allen diesen Mitteln scheint das dritte noch das wirksamste, doch ist auch von ihm nicht viel zu erwarten, denn die ungläubigen, genusssüchtigen, eingebildeten, die Fremden verachtenden, auf ihre alte Kultur stolzen Chinesen sind der schlechteste Rohstoff für christliche Missionäre. In gleichem Maasse, wie die Nachfrage, wird auch die[S. 75] Opiumproduktion zunehmen. Es wird wohl schwerlich ein anderes Mittel zur Beschränkung des Missbrauchs erfunden werden, als das, welches sich in allen ähnlichen Fällen bewährt hat: allgemeine Zunahme des Wohlstandes und der Bildung und der in gleichem Maasse steigenden Selbstachtung und Selbstbeherrschung.
Nach dem Urtheil mancher Aerzte und anderer am Opiumhandel nicht Betheiligter soll mässiger Opiumgenuss nicht schädlicher sein als mässiger Genuss von Spirituosen. Für diese Ansicht scheinen allerdings die Tüchtigkeit und Körperkraft der chinesischen Bevölkerung von Singapore zu sprechen, von der nach Dr. Little jeder Dritte ein Opiumraucher sein soll. Manche geben sogar dem Genuss des Opiums den Vorzug vor dem der Spirituosen. Jedenfalls ist der Opiumraucher für seine Umgebung weniger lästig, da er sich während seines Rausches am liebsten gegen die ganze Aussenwelt abschliesst, während sich der Säufer aufdrängt und Händel sucht. Man sieht in den Ländern, wo Opium geraucht wird, nicht die durch Völlerei veranlassten hässlichen Auftritte, ausser in der Nähe der von europäischen, namentlich englischen Matrosen besuchten Branntwein-Kneipen. Mässig genossen, befähigt es zum Ertragen von Strapazen und Entbehrungen, denen der Mensch sonst erliegen müsste, worüber Johnston's Chemistry of comm. life sehr schlagende Beispiele enthält. Die grosse Gefahr liegt in dem zauberhaften Reiz, den das Opium auf seine Verehrer ausübt, in der unwiderstehlichen Gewalt, die es über ihre Willenskraft erlangt, in der Nothwendigkeit, die Dosis allmälig zu steigern, um gleiche Empfindungen hervorzurufen. Daher ist es besonders für reiche Wüstlinge verderblich, die weder durch den hohen Preis der Droge noch durch ernste Beschäftigungen verhindert werden, dies immer bereite Mittel zum Sinnenrausch anzuwenden.
Die in vielen ärztlichen und andern Büchern beschriebenen physiologischen Wirkungen des unmässigen Genusses auf Geist und Körper sind vielleicht noch abschreckender als die der Trunksucht.[29] Abgesehen[S. 76] von den spezifisch verschiedenen physiologischen Folgen nehmen unmässige Opiumraucher ein ähnliches Ende, wie Säufer. Sie verlieren ihre gesellschaftliche Stellung, bringen sich und ihre Familie in die tiefste Noth und sterben elend auf der Gasse. Darin stimmen Alle überein, dass es sehr viel leichter ist, sich den Trunk abzugewöhnen, als das Opium, wenn es einmal zur Leidenschaft geworden ist; Viele halten es für unmöglich. Auch geschieht es nie ohne grosse Qualen des Körpers und Geistes, und nur unter grosser Gefahr für die Gesundheit. Lockhart erzählt aber, dass im Hospital von Shanghai Tausende von Opiumrauchern behandelt wurden, von denen viele den Gebrauch aufgaben.
Ueber die oben angedeutete schnelle Zunahme des Opiumkonsums in England haben die dortigen Zeitungen schon oft berichtet, doch scheint man in Deutschland von dem Umfang des Uebels keine Vorstellung zu haben. Johnston sagt: „Der Opiumverbrauch in Grossbritannien ist, mit China oder Indien verglichen, freilich unbedeutend, die Zunahme aber sehr beträchtlich. Die eingeführte Menge betrug 1839, 41,000 ℔; 1852, 114,000 ℔: nach 15 Jahren fast das Dreifache!”
Johnston giebt leider ebensowenig wie Crawfurd die Quellen seiner Zahlen an, und scheint zwischen Einfuhr und Verbrauch keinen Unterschied zu machen, was bei steuerbaren Waaren richtig ist, da solche nur, nachdem sie für den Verbrauch im Lande versteuert worden, in den Importlisten aufgeführt werden, während die unversteuerten, für den Transit bestimmten, bei der Wiederausfuhr unter „Transshipment” stehen. Bei steuerfreien Gegenständen, wie Opium, trifft aber diese Annahme gewiss nicht immer zu, da es keinen erheblichen Unterschied in den Unkosten machen kann, ob man eine so theure, wenig voluminöse, steuerfreie Droge vom eignen Lager oder von den Docks aus verschifft.
In dem Annual Statement of Trade and Navigation of the United Kingdom 1864 finden sich über Opium folgende Angaben:
Import. | Export. | Transshipment. | ||||
1859 | 141,168 | ℔ | 79,059 | ℔ | 90,794 | ℔ |
1860 | 210,867 | „ | 98,072 | „ | 91,922 | „ |
1861 | 284,005 | „ | 290,120 | „ | 53,580 | „ |
1862 | 221,381 | „ | 146,337 | „ | 57,820 | „ |
1863 | 254,314 | „ | 110,101 | „ | 104,756 | „ |
Der mittlere Preis ist 1 £ per ℔.[30]
Nimmt man an, dass die Einfuhr nach Abzug der Ausfuhr den Verbrauch in England darstellt, so erhielte man als das 5jährige Mittel 1859/63: 77609,2 ℔. Es ist aber sehr fraglich, ob diese Annahme zutrifft, da 1861 284,005 ein- und 290,120 ℔ ausgeführt, also 6115 ℔ mehr aus- als eingeführt sind, während England doch kein Opium produzirt und viel konsumirt. Bei einem Verbrauch von 77609,2 ℔ zu 7000 Gran und einer Bevölkerung von 30,000,000 kämen 18,11 Gran jährlich auf den Kopf. Legt man Johnston's Zahl 114,000 ℔ für 1852 zu Grunde, so erhält man 26,6 Gran per Kopf und Jahr. (Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass ein beträchtlicher Theil des in England verbrauchten Opiums zur Darstellung des Morphins auch für das Ausland verwendet wird.)
Nach Crawfurd ist der Verbrauch in Singapore per Kopf und Jahr 330 Gran, in China 140 Gran, in Java 40 Gran. Da aber bei der in China und Hinterindien üblichen Art, das Opium im Wege des Rauchens zu geniessen, die Hälfte seines Nutzeffekts verloren geht, so muss man diese Mengen halbiren, um sie mit dem Konsum in England zu vergleichen. Man erhält dann 165, 70 und 20 Gran gegen 18, resp. 26,6 Gran in England. Nach der Angabe des Commercial Guide, dass China jetzt 100,000 Kisten per Jahr verbrauche, erhielte man, die Kiste zu 70 Katti Tschandu (rauchbaren Extrakt) = 931/3 ℔ engl. gerechnet, 1631/3 Gran per Kopf und Jahr bei einer Bevölkerung von 400 Millionen, d. h. für China so viel, als Crawfurd für Singapore annimmt!
Johnston sagt, dass trotz der grossen Zunahme des Opiumverbrauchs in England durchaus die statistischen Daten fehlen, auf welchen man die Annahme begründen könnte, dass der Opiumgenuss schon jetzt unter der Bevölkerung Grossbritanniens ein Nationallaster geworden sei oder bald werden würde. Nach ihm soll die ländliche Bevölkerung noch frei davon sein.
Eine England eigenthümliche Form des Opiummissbrauchs, dessen ausgedehnte Verbreitung nach J. auf unbestreitbarem Zeugniss beruht, ist aber die folgende: Die Mütter in den Fabrikstädten geben ihre Kinder an Pflegemütter und diese beruhigen die Kinder und bringen sie in Schlaf durch Opium. Rev. Clay gab an, dass allein in Preston 1843,[S. 78] 1600 Familien die Gewohnheit hatten, Godfrey's Cordial oder eine andre ebenso schädliche Komposition zu gebrauchen, und dass in einem der Begräbnissklubs jener Stadt 64% der Mitglieder vor dem fünften Jahre starben.
Seitdem scheint sich aber das Uebel auch in der ländlichen Bevölkerung eingebürgert zu haben, wie nachfolgende wörtlich übersetzte Stellen aus dem 6th. Report of the Medical Officers to the Privy Council 1863 pg. 81 zeigen:
„Es kann, sagt Dr. Hunter, kein Zweifel an der Wahrheit der entsetzlichen Thatsache sein, die fast jeder Arzt in den Marschländern angiebt, dass daselbst keine Tagelöhnerwohnung zu finden sei, in welcher man nicht die Opiatflasche sähe, und kein Kind, das nicht davon auf eine oder andre Weise erhielte. In andern Gegenden, wo Frauen ausser dem Hause arbeiten, wie in den Fabrikstädten, wird es den Kindern von den Pflegemüttern eingegeben, und man braucht sich nicht zu wundern, dasselbe Verfahren hier in Anwendung zu finden; aber andre Umstände treten hinzu, die es zu einer allgemeinen Gewohnheit machen, dieses System des Dokterns in einer Ausdehnung zu betreiben, wie man es nur in dem fraglichen Distrikt kennt.
Die schmerzhaften Rheumatismen und Neuralgien, die in den Mooren immer noch häufig sind (d. h. unter älteren Leuten, aber wahrscheinlich ohne allen Verdacht, dass kleine Kinder daran leiden), behandelt man allgemein durch reichlichen Gebrauch von Opium, und die ganze Bevölkerung ist mit dieser Droge durchaus vertraut geworden. Die Drogengrosshändler berichten, dass sie ungeheure Mengen nach diesen Gegenden senden, und die Drogenkrämer verkaufen oft bis zu 200 ℔ im Jahr[31]. Sie wird in Pillen und Penny-Stangen verkauft und ein Laden mit guter Kundschaft versieht wohl an einem Samstag Abend 300–400 Kunden mit diesem Artikel. Die Drogisten meinen, dass ihre grössten Konsumenten nicht die Bewohner der Dörfer oder kleinen Städte seien, in welchen sich ihr Laden befand, sondern vielmehr die Bewohner kleiner Weiler oder einzeln gelegener Bauernhöfe in den Mooren.
Opium wird oft unter irgend einem rothwälschen Namen verlangt, und die damit verbundene Vorstellung ist die einer verbotenen Lust. Die Menge, die ein Opiumesser zu sich nehmen kann, ist oft angeführt worden (etwa eine halbe Unze täglich ist nicht[S. 79] ungewöhnlich), sie findet ihre Grenze eher im Preise, als in der Stärke der Droge. Ein Mann in Süd-Lincolnshire beklagte sich, dass seine Frau 100 £ für Opium ausgegeben habe, seit seiner Verheirathung. Man sieht mitunter auf dem Felde einen Mann im Schlaf, auf seine Hacke gelehnt, — er fährt auf, wenn man ihm nahe kommt, und arbeitet eine Zeit lang rüstig weiter. Ein Mann, der ein schweres Stück Arbeit vorhat, nimmt seine Pille als eine Vorbereitung, und Viele trinken ihr Bier nie, ohne ein Stück Opium hineinzuwerfen. Um dem volksthümlichen Geschmack zu entsprechen, aber zur höchsten Unbehaglichkeit für Fremde, werden dem Bier narkotische Mittel von den Brauern oder Wiederverkäufern zugesetzt. Vor einem halben Jahrhundert wurde der Bau des Gartenmohns für den Londoner Drogenmarkt in diesem leichten Boden betrieben. Damals nahm der Landmann Mohntrank mit aufs Feld, und jetzt bildet der Mohnkopf, obgleich der Anbau des Artikels für den Handel fast aufgegeben ist, den Hauptbestandtheil der Kräuterthees und Hausmittel der Umgegend. Bei solcher Vertrautheit mit der Droge ist es kein Wunder, dass ein Jeder bereit ist, sie anzuwenden, um ein schreiendes Kind zu beruhigen, obgleich es dann sicher wieder schreit, sobald es erwacht. Opiumesser sollen immer Proselytenmacher sein und einem Kinde wohl Opium hinter dem Rücken der Mutter oder Amme geben. Die beliebteste Form für Kinder ist Godfrey's Cordial, eine Mischung von Opium, Syrup und einer Infusion von Sassafras. Es ist dickflüssig und wird häufig in einer Theetasse geholt. Wenn die Mutter auf Feldarbeit geht und ihr Kind einer Wärterin übergiebt, so hält sie es für das Beste, ihre eigene Flasche Godfrey zurückzulassen, denn die Praeparate in den verschiedenen Läden sind verschieden, und es giebt keinen kleinen Dorfladen, der überhaupt etwas verkauft, welcher nicht auch seinen eigenen Godfrey verkaufte. Den Absatz der Opiate in diesen kleinen Läden zu steigern, ist das eifrige Bestreben einiger unternehmender Grosshändler. Bei den Drogisten gelten sie für den „Haupt-Artikel” und der Gewinn daran ist gering, wenn er im rohen Zustande verkauft wird. Nicht selten ist es vorgekommen, dass eine Pflegeamme ihren eigenen Godfrey statt desjenigen ihrer Clientin gereicht, und über die Wirkung erschrocken, den Wundarzt herbeigerufen hat, der ein halbes Dutzend kleiner Kinder im Zimmer umherliegend antrifft, einige schnarchend, andere schielend, alle bleich mit hohlen Augen, und vergiftet.”
Auch unter den wohlhabenden Klassen soll der Gebrauch immer mehr zunehmen, namentlich bei nervösen Frauen und geistig thätigen Männern in Form von Medizin. Nach Angabe der Aerzte und Missionäre nehmen auch in China die Meisten das Opium zuerst als schmerzstillendes, angenehm erregendes Mittel und gewöhnen sich allmälig so an den Genuss, dass sie ihm nicht mehr entsagen können. De Quincey's angeblich gegen das Opiumlaster geschriebene Buch hat auch gewiss schon manchen Proselyten unter müssigen Reichen gemacht.
Bei solchen Verhältnissen wird man unwillkürlich an eine geistreiche Aeusserung Huc's erinnert (Chine I, 32). Nachdem er darauf aufmerksam gemacht, wie die Engländer durch Konterbande, Bestechung der Beamten und offene Gewalt trotz allem Widerstande der Regierung, das Opium in China verbreitet haben, führt er an, dass es jetzt schon im Lande selbst gebaut wird. In seiner allerdings sehr lebhaften Phantasie sieht er die Zeit kommen, wo die Chinesen das Opium am[S. 80] billigsten produziren, dann werden die englischen Schiffe, da der Verbrauch in England so schnell zunimmt, ihren Bedarf aus China holen. Er schliesst mit der Bemerkung: Beim Anblick dieser Schiffe, welche den giftigen Stoff aus dem himmlischen Reich heimtragen, um England zu vergiften, wäre es erlaubt, auszurufen: „Laissez passer la justice de Dieu!”
Nach der Tydschrift voor Staathuiskunde en Statistiek 1863 pg. 339 war der Opiumverbrauch in Java 1854 48,660, 1855 61,602, 1856 70,787, 1857 84,629, 1858 91,300, 1859 99,807, 1860 105,537 Katti, in 6 Jahren mehr als das Doppelte!
Die holländische Regierung ist ernstlich bemüht, den Opium-Konsum in Java zu vermindern, hat aber auch noch kein wirksames Mittel ersinnen können. Obgleich die Anzahl Opiumläden verringert wurde, stieg der Verbrauch. Zu der so schnellen Steigerung in den letzten Jahren haben Duymaer van Twist's wohlgemeinte, aber verfehlte Maasregeln beigetragen, welche den Verbrauch zu beschränken beabsichtigten. Nach Bleeker betrug die Bevölkerung von Java und Madura 1860: 12,718,717 Seelen, darnach würde der Opiumverbrauch per Kopf 77,4 Gran für das Jahr 1860 betragen, so dass Crawfurd's Annahme, die sich auf eine wenigstens 6 Jahr frühere Zeit bezieht, wohl eher zu hoch als zu tief gegriffen ist.
Als die gewöhnliche tägliche Dosis eines Opiumrauchers in China giebt Lockhart 1 Drachme an (Little nimmt für Singapore etwa halb so viel an), woraus sich bei einer Einfuhr von 67,000 Kisten die Zahl der Raucher in ganz China auf wenig über 2 Millionen berechnet (nach meiner Rechnung fast doppelt so viel, da eine Kiste 70 Katti = 931/2 ℔ ✕ 226 Drachmen rauchbaren Extrakts enthält); manche verbrauchen bis 10 Drachmen per Tag, dies sind aber nur die Reichen.
Ueber die Dosen, die ein Opiumesser in Europa zu sich nimmt, führt Husemann, Toxicologie pg. 595, höchst auffallende Thatsachen an:
„Eine der merkwürdigsten, dem Opium wohl mehr als irgend einem andern Narkotikum eigenthümliche Eigenschaft ist die ausserordentlich verschiedene Wirkung, die es in verschiedenen Ländern, auf verschiedene Rassen, auf verschiedene Individuen, in verschiedenen Lebensaltern, unter verschiedenen Idiosynkrasien hervorbringt. Auf Kinder ist die Wirkung ausserordentlich intensiv und inkonstant. Abgesehen von 2 vielleicht nicht ganz sicheren Fällen, wo 1/90 und 1/20 Gran tödtlich wirkten, sind viele Fälle bekannt, wo Kinder bis zu 5 Jahren durch 1/6 bis 1/2 Gran getödtet wurden.... Die Quantitäten, an welche sich Erwachsene gewöhnen können, sind wahrhaft erschreckend. Mir ist eine Dame bekannt, welche 1/2 Unze Opiumtinktur pro Dose nahm; Bäcker erzählt von einem Arzt, der täglich 30 Gran Opium in Substanz verzehrte. Die Confessions of an Opiumeater zeigen am besten, wie weit es ein Europäer bringen kann.[S. 81] Christison erzählt von einem alten Weibe, das 40 Jahre lang täglich 1/2 Unze Laudanum nahm; aber dies ist nichts gegen den Verfasser der Confessions, der es bis zu 8000 Tropfen des „dread agent of unimaginable pleasure” brachte.[32] Nach Zeviani verzehrte ein Frauenzimmer in 33 Jahren 2 Zentner Opium, nach Krüger Hansen ein Kranker in 1 Jahr 4700 Gran. Christison erzählt sogar von einer Steigerung der Gabe bis zu 17 Unzen Laudanum!”
Als Fälle sonderbarer Idiosynkrasien bei Erwachsenen sind in demselben Werk angeführt: 3 Tage anhaltende Intoxication durch 1/2 Gran Opium; Sopor nach 1/3–1/2 Gran Opium; Vergiftung durch 1 Gran Opium per Clysma.
Gründung und schnelles Aufblühen Singapores. — Rhiow. — Seeräuberei. — Malayische Kronik. — Uebersicht der Verkehrsverhältnisse, sonst und jetzt. — Ausbreitung der Chinesen. — Dampfschiffe.
Singapore ist sehr neuer Entstehung. Als die Holländer nach dem Frieden von 1815 ihre ostindischen Besitzungen zurückerhielten, die ihnen die Engländer während der französischen Kriege abgenommen hatten, breiteten sie mit Eifer ihren Einfluss immer weiter über jene Meere aus durch Besitznahme neuer Territorien und durch Verträge mit einheimischen Fürsten, die ihnen grosse Vorrechte vor anderen Nationen einräumten. In England sowohl als in Britisch-Indien wurde damals die grosse Wichtigkeit des indischen Archipels für den Handel wenig gewürdigt, und es möchte vielleicht den Holländern gelungen sein, ihre Nebenbuhler zeitweis aus diesen Gewässern ganz zu verdrängen, wenn jene nicht in Sir Stamford Raffles einen unüberwindlichen Gegner gefunden hätten. Dieser hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Monopol der Holländer in jenen Meeren zum Vortheil seiner Landsleute zu brechen. Mit eben so viel Kühnheit als Geschick und Beharrlichkeit schuf er durch die Gründung von Singapore einen Stützpunkt für den britischen Handel in demselben Augenblick, als die Engländer durch die traktatmässige Rückgabe Malaccas an die Holländer den letzten Quadratfuss Landes in jenen Gegenden verloren. Der Plan sowohl, als die Ausführung und die spätere Vertheidigung seiner Schöpfung gegen die heftigsten Angriffe sind fast ausschliesslich sein Werk. Es würde zu weit führen, hier alle Hindernisse aufzuzählen,[S. 82] die er zu bekämpfen hatte. Am heftigsten war natürlich der Widerstand von Seiten der Holländer, die sich in ihren vertragsmässigen Rechten gekränkt hielten. Aber auch bei seinen Landsleuten fand Raffles nur geringe Unterstützung, von mehreren Seiten grossen Widerstand. Besonders von Pinang aus, das in Singapore einen gefährlichen Nebenbuhler erkannte, wurden ihm viele Schwierigkeiten bereitet. In England, wo die schwache Regierung der ostindischen Kompanie nichts gegen die Beschwerden des holländischen Gesandten vermochte, und die Wichtigkeit der neuen Kolonie nicht gewürdigt wurde, kam es so weit, dass Lord Bathurst im offenen Parlament Raffles desavouirte. Auch von den Direktoren der Kompanie erhielt er einen Verweis. Nur bei den Kaufleuten fand er einige Unterstützung.
Schon 1818 hatte Raffles dem damaligen General-Guvernör von Britisch-Indien einen Plan vorgelegt, um mitten im Archipel, am Ostende der Malaccastrasse, als Gegengewicht gegen den holländischen Einfluss ein Emporium zu gründen, und als im Januar 1819 Malacca aufgegeben wurde, zauderte Raffles nicht länger mit der Ausführung. Ohne vorher auf Instruktionen aus England zu warten, zum Theil auf eigene Verantwortlichkeit, da er Gefahr im Verzuge sah, verschaffte er sich bereits am 6. Februar 1819 ein Stück Land am südlichen Rande der Insel und begann sofort die Gründung einer Stadt. Erst am 2. August 1824 schloss Crawfurd einen neuen Vertrag, wodurch den Engländern die ganze Insel und Alles, was in einem 10 Miles breiten Gürtel darum liegt, mit Ausnahme des entsprechenden Streifens auf der Halbinsel Johor, überlassen wurde. Es befinden sich in diesem Gürtel 75 kleine Inseln, deren Flächeninhalt zusammen 17 □Miles beträgt. Singapore hat 206 □Miles (ungefähr 10 deutsche Quadratmeilen), die ganze Besitzung also 223 □M.
Ich erwähne nicht die diplomatischen Verhandlungen mit den einheimischen Häuptlingen, deren Dispositionsfähigkeit die Holländer bestritten, noch die Konflikte mit den letzteren, da sie zu verwickelter Art und von zu lokalem Interesse sind, führe aber am Schluss dieses Abschnitts einige Stellen aus einer von Raffles' malayischem Schreiber verfassten Kronik an, welche auch als ein Beispiel der Auffassungsweise eines sehr fähigen Eingebornen von Interesse sind.
Damals war Singapore eine von dichtem Urwald bedeckte Insel, ein Zufluchtsort der gefürchtetsten Seeräuber. Etwa 700 Jahre früher war von Palémbang aus eine Stadt Singa-pura (Löwenstadt) auf der Insel gegründet worden, die aber später von den Siamesen (?) zerstört[S. 83] wurde. Seit Jahrhunderten war Alles wieder mit dichtem Walde bedeckt. Erst 1811 hatte sich der Tumongong von Johor, Vater des S. 52 erwähnten, selbst einer der verrufensten Seeräuberfürsten, am Südrande der Insel mit einem Gefolge von etwa 150 Mann niedergelassen.
Eine der grössten Schwierigkeiten für Raffles war die Beschaffung eines Besitzers der Insel, von welchem diese rechtsgültig an die Engländer abgetreten werden konnte. Unter den verschiedenen Prätendenten, die nach dem Tode des letzten Sultans von Johor um die Erbschaft stritten, wählte Raffles den Tuanko-Long, dessen Anrechte durchaus nicht ohne Zweifel waren, und selbst diesen musste er den Holländern mit grosser Heimlichkeit und List aus Rhiow entführen. Die Holländer hielten darauf den Bruder Tuanko-Long's als Gegenkandidaten aufrecht, und Jahre lang bekämpften sich die beiden Seemächte hinter diesen vorgeschobenen Puppen. Erst 1824 wurde die Besitznahme von Singapore ausdrücklich durch die Holländer anerkannt. Aber unter allen diesen Stürmen hatte sich der gelegte Keim so schnell und kräftig entwickelt, dass Raffles bei seinem letzten Besuch, 1823, die Freude hatte, in der erst 4 Jahre alten Kolonie eine Bevölkerung von 10,000 Seelen und einen Handel von 2 Millionen Pfund Sterling vorzufinden![33] Der Grund des schnellen Aufblühens liegt einerseits in den freien Institutionen, die immer dort geherrscht haben, andererseits in der günstigen Lage am äussersten Ende der malayischen Halbinsel. Da Vorder-Indien[S. 84] und China viel weiter nördlich endigen, während die Halbinsel sich fast bis an den Aequator erstreckt, das Meer dort überdies frei von Gefahren und Stürmen ist, so drängt sich die ganze Schifffahrt zwischen Indien und China unmittelbar an Singapore vorbei, so dass die Rhede dieser Stadt einen Theil der grossen Handelsstrasse selbst ausmacht.
Die völlige Freiheit von allen Abgaben und aller Kontrolle, den drückenden Monopolen gegenüber, die bis dahin immer alle in jenen Meeren herrschende europäische Nationen zur Ausschliessung fremder Flaggen aufrecht erhalten hatten, andererseits die Sicherheit der Person und des Eigenthums gegenüber der Rechtlosigkeit und Lebensgefahr in den Staaten der einheimischen Fürsten, machten Singapore bald zum Stapelplatz der Produkte des ganzen Archipels sowohl, als zu dem der europäischen, namentlich englischen Waaren, die von hier aus ihre Weiterverbreitung nach allen Inseln und nahe gelegenen Küstenländern fanden. Der Schifffahrt zwischen Indien und China bot Singapore auch grosse Bequemlichkeiten als eine gerade in der Mitte gelegene Station. Dazu kommen noch sehr günstige klimatische Verhältnisse, eine für die Lage milde Temperatur, und trotz des Rhizophorensaumes, der den grössten Theil der Insel umgiebt, sehr gesunde Luft. Den Chinesen entgingen die Vortheile nicht, welche ihnen die englische Niederlassung darbot. Sie strömten massenweis herbei, die Regierung begünstigte ihren Zuzug, da sie als fleissige Arbeiter unter den trägen Völkern Hinterindiens willkommen waren.
1826/28 erklärten die Holländer das nahe gelegene Rhiow, auf der Insel Bintang,[34] zum Freihafen, in der Hoffnung, dadurch einen Theil des Handels von Singapore abzuziehen und ihm einen Nebenbuhler zu schaffen. Die Maasregel erwies sich aber als eine verfehlte, denn schon war Singapore der Mittelpunkt eines grossen Weltverkehrs geworden: es besass reiche Handelshäuser, Agenturen, Banken, Versicherungsgesellschaften und grosse Waarenmagazine; — Rhiow hatte nicht Einen Vorzug vor Singapore. Selbst in der Lage, worin es ihm noch am meisten nahe kommt, steht es ihm nach, da die zwischen Indien und China fahrenden Schiffe, um Rhiow zu erreichen, einen Umweg machen müssen, während sie an Singapore vorüberfahren, ohne einen Strich aus ihrem Kurs zu weichen. Auf Rhiow besteht kein grosses Handelshaus; mehrere, die sich daselbst aufthaten, wurden mit grossem Verlust wieder aufgelöst. Es ist fraglich, ob sich die Holländer nicht geschadet[S. 85] haben, indem sie Rhiow zum Freihafen erklärten, jedenfalls hat aber Singapore dadurch gewonnen, da der Schmuggelhandel, der von dieser Stadt nach den niederländischen Besitzungen getrieben wird, dort eine bequeme Station findet.
Ausser Raffles hat Singapore seine schnelle Entwicklung lediglich sich selbst zu danken. Man kann sich nicht der Betrachtung entziehen, wie in diesen sonst nur den Monopolen und der Willkür verfallenen Ländern die Einführung gesunder, freihändlerischer Grundsätze die glänzendsten Erfolge herbeigeführt hat: In diesem Hafen giebt es weder Einfuhr-, noch Ausfuhrzölle, Schiffe aller Nationen sind frei von jeder Abgabe. Jeder kommt und geht, woher und wohin es ihm beliebt.
Anfänglich stand Singapore unter der Regierung von Bencoolen (Sumatra), dessen Guvernör Raffles war. 1826, als die Engländer gegen ihre Besitzungen in Sumatra Malacca von den Holländern eintauschten, kam es mit dieser Kolonie zusammen unter Pinang. 1830 erhielten Singapore, Malacca und Pinang unter dem Namen „The Straits Settlements” einen gemeinschaftlichen der Regierung von Bengalen untergeordneten Guvernör; die Lokalverwaltung in jeder Kolonie führt ein Resident-Councillor. Bisher hat aber die Bengalische Regierung auf die Entwicklung Singapores eher hemmend, als fördernd gewirkt. Der Guvernör der Kolonien in der Meerenge hat sehr wenig Macht und muss sich oft selbst in reinen Lokalsachen nach Kalkutta wenden, wo die dringendsten Verbesserungsvorschläge häufig unbeachtet liegen bleiben. Wenn einige von dort ausgegangene Verordnungen, die für Singapore die schlimmsten Folgen gehabt haben würden (Einführung von Tonnengeldern, Einfuhrzöllen, einer neuen Geldwährung u. a.), nicht zur Ausführung kamen, so ist dies nur der Wachsamkeit und Energie seiner europäischen Bevölkerung zuzuschreiben, die gegen dergleichen Beschlüsse lebhaft opponirte und sich direkt an das englische Parlament wendete, von dem sie rückgängig gemacht wurden. Nicht mit Unrecht warf man der Regierung von Kalkutta vor, dass Singapore für sie kein anderes Interesse habe, als das einer Station zur Deportation von Sträflingen. Seine grosse Wichtigkeit für den Handel scheint dort nie volle Würdigung gefunden zu haben. Allem Anscheine nach wird aber binnen Kurzem die Verwaltung dieser blühenden Besitzungen von der indischen Regierung unabhängig gemacht und unmittelbar unter das Kolonialministerium gestellt werden.
Einer der grössten Uebelstände, die aus der Machtlosigkeit der Regierung von Singapore hervorgehen, ist ihre Unfähigkeit die Seeräuberei[S. 86] zu unterdrücken, die eher zu- als abzunehmen scheint. Wegen der Unsicherheit der dortigen Meere sind alle Schiffe bewaffnet, und wenn die Gelegenheit günstig ist, so greift das stärkere das schwächere an; nur ein sehr geringer Theil der Räubereien wird bekannt. — In seinem Bericht von 1859 klagt der Guvernör, dass die Seeräuberei im verflossenen Jahre sehr zugenommen habe, sowohl in Form von eigens ausgerüsteten Unternehmungen in grossem Massstab, als von Strassenraub auf offenem Meere, häufig von Mord begleitet; erstere in Junken, die in Singapore armirt werden.
Die Spanier und Holländer haben bisher mehr zur Vernichtung des Seeraubes im Archipel gethan als die Engländer. Am meisten hat aber wohl im Verhältniss zu seinen Mitteln ein englischer Privatmann, Sir James Brooke, der Rajah von Sarawak, geleistet. Wenn sich nicht alle vier Seemächte, die jetzt in jenen Meeren Kolonien haben, zu gemeinschaftlichen Massregeln auf längere Zeit vereinigen, wird es wohl nicht gelingen, die Seeräuberei auszurotten, denn viele unbewohnte Küsten und kleine Inseln gewähren Zufluchtsstätten, welche häufig mit Kokos- und Sago-Palmen versehen, und von einem schützenden Wall von Rhizophoren-Wäldern oder Korallenriffen umgürtet sind, die Trepang, Muscheln, Schildkröten und Fische liefern, und nur durch schmale, den Seeräubern allein bekannte, nur für ihre kleinen Boote zugängliche Kanäle unterbrochen sind. Die leichten, flachen, sehr stark mit Ruderern bemannten Boote sind so geschwind, dass nur die schnellsten Dampfer ihnen folgen können, diese verrathen sich aber schon aus grosser Ferne an ihrer Rauchsäule, so dass die nur wenige Fuss über das Wasser ragenden, und folglich in sehr geringer Ferne unsichtbaren „Pankos” gewöhnlich vollauf Zeit haben, zu entwischen. Auch wechseln die Räuber wohl Nachts ihren Aufenthalt, wenn Gefahr in der Nähe ist.
Sehr gegen den Willen der Bevölkerung hat die britisch-indische Regierung seit dem letzten chinesischen Kriege in Singapore grosse Befestigungen anlegen lassen, und unterhält jetzt daselbst eine kostspielige Garnison. Singapore fühlte sich hinreichend sicher in seinen freien Institutionen. Als neutrales Gebiet und Jedem offenes Asyl hat es einen zu grossen Werth für alle Völker Hinterindiens, als dass ernstliche Unruhen zu befürchten wären. Der Plan, die Stadt zu befestigen, entstand während der indischen Revolution in Kalkutta; man wollte den Europäern im Fall einer Empörung der Chinesen dadurch den nöthigen Schutz gewähren. Jene finden aber ihre Sicherheit in der Verschiedenheit der Elemente, aus welchen die dortige Bevölkerung besteht, in dem damit[S. 87] verbundenen Rassenhass und viel mehr noch in dem Interesse, das Alle gemeinschaftlich an der Aufrechthaltung der nöthigen Ruhe und Ordnung haben. Ueberdies fürchtet man, dass im Fall eines Krieges mit einer europäischen Seemacht Singapore grade jetzt wegen seiner Befestigungen der Beschiessung und Zerstörung durch feindliche Schiffe ausgesetzt sein würde.
In der oben (S. 82) erwähnten Kronik (Journ. Ind. Arch. 1854, S. 585) heisst es:
.... Zu jener Zeit wagte kein Sterblicher durch die Strasse von Singapore zu fahren, selbst Djins (Genien) und Teufel fürchteten sich, denn dies war der Ort, den die Seeräuber benutzten, um dort zu schlafen und nach einem glücklichen Angriff auf die Prauen oder Boote eines Schiffes ihre Beute zu theilen. Dort brachten sie auch ihre Gefangenen um, und sie selbst bekämpften und tödteten sich gegenseitig bei ihren Streitigkeiten um Theilung der Beute....
Was die Seemenschen, Oranglaut, betrifft, welche in Prauen leben, so sind sie wie wilde Thiere; wenn sie irgend Jemandem begegnen, so rudern sie gewöhnlich an's Land; wenn sie aber nicht Gelegenheit haben, auf diese Weise zu entkommen, so springen sie über Bord und tauchen wie Fische. Eine halbe Stunde vielleicht bleiben sie unter Wasser, worauf sie 100 oder 200 Faden entfernt wieder erscheinen. Männer, Weiber und selbst Kinder sind in dieser Beziehung gleich. Es ist unmöglich, ihre Bestürzung zu schildern, wenn sie civilisirte Menschen erblicken. Ihre Gesichter sehen aus, als wären sie einem Tiger begegnet. Mr. Farquhar bemühte sich, sie durch Geschenke von Reis, Geld und Kleidern zu ermuthigen, so dass sie bald zutraulich wurden; aber einige derer, die keine solche Gelegenheit hatten, waren dermaassen von Furcht befangen, dass ihnen unwohl wurde, und ein Bursche ertrank Teluk-ayer gegenüber ...
Jeden Morgen pflegte Mr. Farquhar (Raffles' Agent) herumzugehen, um das Land zu untersuchen, aber es war mit hohem Walde bedeckt, ausgenommen die Mitte der Ebene, wo nur Karmuntink- und Sikadudu-Büsche mit einigen Kaladbäumen standen, die Seeküste war bedeckt mit Ambong und Malpari und Aeste davon lagen umhergestreut, auf der andern Seite des Flusses stand Mangrove und Seraju mit umherliegenden Aesten. Es war nicht ein Fleck guten Landes vorhanden, ausser einem Stück, 10 Faden breit, das Uebrige war eine Sumpffläche, ausgenommen die Hügel....
Längs des ganzen Strandes lagen Hunderte menschlicher Schädel, einige alt, andre frisch, deren Haar noch daran sass, einige mit noch scharfen Zähnen und andre ohne Zähne, kurz in verschiedenen Stufen der Verwesung. Die Seemenschen wurden gefragt, wessen Schädel dies seien. Sie antworteten: „Dies sind die Köpfe von Menschen, die von den Seeräubern erschlagen worden sind. Wo immer diese Leute Prauen oder Schiffe angreifen, so kommen sie nach Singapore, um die Beute zu theilen. Hier zanken sie sich und tödten einander bei Vertheilung des Raubes. Einige ihrer Gefangenen binden sie am Rande des Strandes fest und versuchen ihre Waffen an denselben.” ...
Ueber die Unterredung mit Tuanko-Long, der heimlich aus Rhiow geholt worden war, heisst es in der Kronik:
„Mr. Raffles benahm sich mit grosser Höflichkeit und Hochachtung gegen Tuanko-Long. Ersterer begann das Gespräch mit einem Gesicht von Lächeln umkränzt, sehr liebreich und seinen Kopf neigend, kurz, sein Benehmen war süss, wie ein Meer von[S. 88] Honig. Wäre eines Menschen Herz von Stein gewesen, so hätte es schmelzen müssen beim Hören der sanften, süssen Worte des Mr. Raffles. Seine Stimme war wie entzückende Musik und darauf berechnet, Angst und Misstrauen aus den innersten Gedanken zu verscheuchen. Wie die tobende See, die gegen ein Korallenriff anprallt, sich legt, wie auf den herumschweifenden Wind in dunkler, stürmischer Nacht stilles, heiteres Wetter mit milden, duftigen Lüften folgt, im goldenen Licht eines vollen Mondes, so war die Wirkung der Aufrichtigkeit und Offenheit Mr. Raffles' auf Tuanko-Long. Freude verdrängte plötzlich den Kummer und sein Antlitz übergoss sich mit Huld. Sobald Mr. Raffles diese Veränderung wahrnahm, stand er auf, ergriff Tuanko-Long bei der Hand, führte ihn in eine Privat-Kajüte, wo sie bei verschlossenen Thüren zusammen sprachen, so dass Niemand den Gegenstand ihres Gespräches kennt. Nachdem sie also einige Zeit eingeschlossen gewesen, erschienen sie wieder, beide mit lächelndem Antlitz und einander die Hände gebend.”
Darauf landete Raffles mit Tuanko-Long, der immer noch grosse Angst hatte, dass man ihn als Gefangenen nach Kalkutta bringen wolle. Tuanko musste seine kostbarsten Kleider anlegen, worauf ihn Raffles im Namen des General-Guvernörs von Indien zum König von Singapore proklamirte, mit dem Titel „Sultan Mohamed Schah von Singapore und den dazu gehörenden Buchten, Flüssen und Provinzen.”
Sobald Tuanko-Long Sultan von Singapore geworden war, trat er es an die Englische Kompanie ab; er erhielt dafür einen Monatsgehalt von 4161/4 Dollars, der Tumongong die Hälfte. Später wurden die Gehalte bezüglich auf 1000 und 700 Dollars erhöht.
Wie glänzend auch die von Raffles für seine Schöpfung gehegten Erwartungen sich erfüllten, so scheint doch Alles anzudeuten, dass in den nächsten Jahrzehnten der Verkehr in jenen Meeren sich noch in viel schnellerem Maasse entwickeln wird als bisher. Und in demselben Maasse wird auch die Bedeutung von Singapore als Zentralpunkt der dortigen Schifffahrt zunehmen. Es scheint bestimmt, im fernen Osten ein zweites Cowes werden zu sollen.[35]
Beim Anblick der bunten, ungewöhnlichen Flaggen, die auf der Rhede von Singapore neben einander wehen, wird man unwillkürlich angeregt zur Betrachtung der grossen Veränderungen, die in den Ländern des fernen Ostens in neuester Zeit stattgefunden haben. In Europa[S. 89] erregen sie, ausgenommen bei den am Seehandel Betheiligten, durchaus nicht die Aufmerksamkeit, welche ihre der Erschliessung eines neuen Welttheils gleichkommende Bedeutung verdient. Ein schneller Ueberblick derselben wird daher gewiss von Interesse sein:
Bei der Gründung Singapores bestand in Vorder-Indien noch das Privilegium der ostindischen Kompanie, der Handel mit China war ein Monopol derselben und fand nur unter grossen Beschränkungen der chinesischen Regierung statt. Japan,[36] Cochinchina, Anam, Siam, Birma waren gänzlich, die holländischen und spanischen Kolonien, ebenso wie die englischen mehr oder weniger gegen fremde Flaggen verschlossen, und in den nicht unter europäischer Oberhoheit stehenden Malayenländern wurde mehr Seeraub als Handel getrieben.
Gegenwärtig ist Vorderindien frei von allen Privilegien und Monopolen (mit Ausnahme des Opiummonopols) und macht Riesenfortschritte. Nach Unterdrückung des furchtbaren Militäraufstandes hatten die Engländer zu wählen zwischen dem alten brutalen Mittel, ihre Herrschaft durch ruinöse Militärgewalt aufrecht zu erhalten, und dem kühneren, staatswissenschaftlichen, durch Entwicklung der natürlichen Hülfsquellen, milde Verwaltung, Schutz des Eigenthums, die Bevölkerung an sich zu fesseln. Sie wählten das letztere, und der Erfolg ist ein beispielloser in der Kolonialgeschichte! Eine nach dem Kriege aufgenommene Anleihe von 100 Millionen wurde hauptsächlich auf grossartige Eisenbahnbauten, Kanalisation, Strassenbau und ähnliche produktive Anlagen verwendet; grosse Gebiete unfruchtbaren Steppenlandes wurden durch Bewässerung in reichen Kulturboden verwandelt. In den letzten Jahren vor der Revolution hatte die Ostindische Kompanie trotz allen Monopolen und drückenden Steuern ein jährliches Defizit von 14,000,000 £ (fast 100 Millionen Thaler); die schweren Steuern wurden ermässigt und geben seitdem einen viel grösseren Ertrag, so dass schon 1863 das indische Budget, nachdem 6 Millionen auf Tilgung der Staatsschuld und 31 Millionen auf öffentliche Bauten (namentlich Strassen) verwendet worden, einen Ueberschuss ergab!
Nur durch die schnelle Anlage von Verkehrsmitteln war es Indien möglich, so grossen Vortheil aus der Baumwollenkrisis zu ziehen. Die Indier fühlen sich jetzt mit Stolz als britische Unterthanen und haben alle Ursache dazu, da Alle, Weisse und Indier, vor dem Gesetz gleich sind.
Birma, das vor 40 Jahren ein Seegestade von 1200 Miles, von Bengalen bis Junk-Ceylon besass, hat durch zwei Kriege (1825 und 1852) seine sämmtlichen Küstenprovinzen an die Engländer verloren und ist jetzt ein ohnmächtiger Binnenstaat. Seitdem haben sich aber Akyab, Bassein und namentlich Rangun unter liberaler englischer Verwaltung zu wichtigen Handelsplätzen erhoben, durch welche die grosse Reisproduktion des Irawaddideltas erst ihren normalen Werth im Welthandel findet. Durch einen 1865 abgeschlossenen Vertrag ist auch der Irawaddi den Europäern geöffnet worden, der wohl bald eine der wichtigsten Wasserstrassen der Welt werden wird, weil er die südwestlichen Provinzen Chinas direkt mit dem Meere verbindet. Der aufgeklärte König von Siam, durch das Schicksal Birma's gewarnt, schloss rechtzeitig (1856 und später) mit den europäischen Mächten Verträge, die denselben das bisher verschlossene Land eröffneten.
In Cochinchina sind die Franzosen auf ihre Weise bemüht, eine Kolonie zu gründen; sie haben Festungen und Kasernen erbaut und machen durch ihre Militärmacht ihren Einfluss auf Cambodia und Anam geltend. Ob sie neben dem Ruhm für die Idee des Christenthums und der Civilisation gekämpft zu haben, auch materielle Vortheile erzielen werden, muss die Zukunft lehren.[37] Jedenfalls wird die Bedeutung Saigons schnell zunehmen, da es ein äusserst fruchtbares Hinterland mit dichter, arbeitsamer Bevölkerung hat, die bisher allen Rechtsschutzes entbehrte. Auch hier ist bis jetzt Reis fast der einzige Ausfuhrartikel.
In China sind seit dem Vertrag von Tien-tsin 13 Häfen geöffnet (die auf Hainan und Formosa einbegriffen) und der Verkehr wächst mit reissender Schnelligkeit.[38] Englische, amerikanische und deutsche Rhederei haben die Junken fast ganz vom Küstenhandel verdrängt, und tief ins Innere des Reichs, den Yantsekiang hinauf, dringt amerikanische und englische Dampfschifffahrt. Spanische, französische und holländische[S. 91] Schiffe, durch schützende Tarife in ihren eignen Kolonien verwöhnt, scheinen die freie Konkurrenz nicht ertragen zu können, und sind bis jetzt verhältnissmässig wenig betheiligt. Russland hat an der Mündung des Amur eine Kolonie errichtet. Alle Versuche Japans, trotz der eingegangenen Verträge wieder in seine alte Abgeschlossenheit zurückzukehren, erzielen das Gegentheil dessen, was sie bezwecken, da jede Vertragsverletzung neue Zugeständnisse für die Fremden zur Folge hat. Nur Korea ist noch ebenso verschlossen wie immer, aber der Unternehmungsgeist der Kaufleute in Japan, Niutschwang und Nikolajewsk wird dies gewiss nicht viel länger dulden. Die Spanier haben in den Philippinen ihre Tarife ermässigt und neben Manila, dem einzigen Hafen, in welchem bisher der Verkehr mit dem Auslande gestattet war, vier neue Häfen eröffnet: Sual auf Luzon, Yloylo auf Panay, Cebu auf der gleichnamigen Insel, und Zamboanga auf Mindanao, Durch die Gründung von Sarawak hat sich auf der N-W.-Küste von Borneo mit ihrem Antimon- und Kohlenreichthum und ihren Sagowäldern ein beträchtlicher Handel entwickelt und wenn auch Labuan seinen ursprünglichen Zweck, die Seeräuber der Nord- und Westküste in Zaum zu halten, schlecht erfüllt, so wird es durch seine reichen Kohlenlager, die erst jetzt im Grossen ausgebeutet werden, und für 2 £ per ton nach Singapore und Hongkong geliefert werden können, sehr zur Vermehrung der Dampfschifffahrt beitragen.[39] In Niederländisch-Indien scheint dem früher so gepriesenen „Kultur-System”, einem genial ausgedachten mit Konsequenz durchgeführten System von Regierungsmonopolen im grössten Maasstabe trotz der bedeutenden Ueberschüsse, die es jährlich dem Mutterlande lieferte, keine lange Dauer mehr bevorzustehen, da es jetzt ausgemacht ist, dass die Ueberschüsse nur durch die seit Jahren immer steigenden Kaffeepreise erzielt werden. Fallen die Kaffeepreise, so fällt das Kultursystem, durch welches bis jetzt europäischer Unternehmungsgeist von dem ausserordentlich reichen Felde, das ihm Niederländisch-Indien darbietet, fast gänzlich ausgeschlossen war. Australiens Bedeutung wächst mit der nur den Goldländern eigenen Schnelligkeit, Queensland hat fast die Nordküste erreicht, eine neue Kolonie wird westlich vom Golf von Carpentaria errichtet; bestätigt es sich, dass das Klima dort weniger ungünstig ist als an andern Punkten dieser Küste, so wird sie gewiss schnell Bedeutung erlangen.
Erwägt man, dass China mit einer Bevölkerung von mehr als 400 Millionen, Japan mit 50 Millionen, Cochinchina, Anam, Siam, Birma mit wenigstens 25 Millionen hermetisch verschlossen waren und erst jetzt in den allgemeinen Weltverkehr hineingezogen worden sind, so lässt sich wohl voraussehen, dass in jenen Meeren Handel und Schifffahrt einen Aufschwung nehmen müssen, wie er in der Geschichte ohne Beispiel ist. Kein Wunder, wenn die Seemächte bemüht sind, sich dort neue Stützpunkte zu schaffen, um sich einen Antheil an der reichen Ausbeute zu sichern.
Die neue auf gesunden Freihandelsprinzipien gegründete Kolonialpolitik hat in jenen Meeren beispiellos glänzende Erfolge erzielt. Statt nach dem Kriege grosse Gebietsabtretungen zu verlangen, die nur durch kostspielige Militärverwaltung zu behaupten gewesen wären, begnügte man sich in China, Japan, Siam mit dem Raum zur Errichtung von Kontoren und Speichern, die den Regierungen nichts kosten als die Besoldung der Konsulate. Unter solchen Verhältnissen ist Shanghai, an der Mündung des Yantsekiang, erst 1844 den Europäern geöffnet, in 20 Jahren der grösste Handelsplatz von ganz Asien geworden, — nur London, Liverpool und Neu-York übertreffen es noch an Tonnenzahl.
So schlagenden Beispielen gegenüber kann sich die eifersüchtige Monopol- und Exklusionspolitik, wo sie noch als ein Vermächtniss aus früherer Zeit besteht, nicht mehr lange halten. Freisinnigere, humanere Anschauungen kommen immer mehr zur Geltung, und ihnen gehört die Zukunft um so sicherer, als nicht Wohlwollen, sondern Eigennutz zu ihrer Annahme zwingt. Die gegenseitige Eifersucht tritt nur noch da zu Tage, wo es sich um Gründung neuer Kolonien handelt. Denn obgleich diese in den ersten Jahren immer grosse Kosten verursachen und gewöhnlich, wenn sie herangewachsen sind, nicht gern die Bevormundung des Mutterstaats ertragen, so ist ihre Gründung für diesen dennoch ein grosser Gewinn: die eingeborne Bevölkerung wird von Anfang an an die Produkte des Mutterlandes gewöhnt; die Schifffahrt des letzteren, seine Industrie, sein Handel nehmen einen grossen Aufschwung. Die Ansiedler lernen die Hülfsmittel des Landes, die Produkte, den Geschmack der Eingebornen kennen und leiten den Handel in eine Bahn, aus welcher fremde Nationen gewöhnlich nur einen geringen Theil abzulenken vermögen.[40]
Die Erwartungen für die Zukunft gestalten sich aber noch viel glänzender, wenn man einen zweiten Faktor in Betracht zieht: ein grosser Theil der Bevölkerung der neu erschlossenen Länder war unter dem Druck unbeschränkter Willkürherrschaft besitzlos. In China hatten Vorurtheil und die gegen die Auswanderung errichteten Schranken die Arbeitskräfte der ungeheuren Volksmenge so aufgestaut, dass sie wie in einem abgeschlossenen See stagnirten und einen so geringen Werth hatten, dass der angestrengteste Fleiss, verbunden mit der grössten Sparsamkeit und Genügsamkeit kaum ausreichende Mittel für das blosse Leben gewährten. Wie sehr aber werden Verkehr und Handel zunehmen, wenn diese latenten Arbeitskräfte durch Auswanderung auf den günstigsten Boden versetzt, unterstützt, von europäischem Kapital, das immer mehr seine Scheu vor fernen Unternehmungen verliert, sich dem Anbau von Kolonialprodukten widmen; dann werden Millionen von Proletariern zu Konsumenten werden.
Alles scheint darauf hinzuweisen, dass die Ausbreitung der Chinesen wenigstens über die heissen Länder der Erde, wo Europäer nicht mit ihnen konkurriren können, in den nächsten Jahrzehnten sehr zunehmen wird. Ueber die indo-chinesische Halbinsel und den indischen Archipel sind sie schon jetzt zahlreich verbreitet; langsam aber stetig dringen sie[S. 94] in die Philippinen und in Niederländisch-Indien ein; die Nordküste von Australien bietet ihnen ein neues fruchtbares Feld, das ihnen nicht, wie in Südaustralien durch europäische Kolonisten streitig gemacht werden dürfte. Die Zuckerproduktion von Bourbon ist hauptsächlich in Händen von Chinesen, die meist von Bombay aus dahin gingen, in Tahiti bauen sie jetzt Kaffee und Baumwolle. In Westindien haben chinesische Kulis schon auf vielen Inseln die Negersklaven ersetzt; vielleicht ist ihnen auch in den Südstaaten der Union diese wichtige Rolle vorbehalten.
Wie schnell aus einem armen Proletariat ein arbeitsames, wohlhabendes Volk werden kann, zeigt die neueste Geschichte Vorderindiens auf glänzende Weise. Von den grossen Reichthümern, welche die Baumwollenkultur während des amerikanischen Krieges nach Indien gebracht hat, ist oft in den Zeitungen die Rede gewesen (1861: Werth der Baumwolle: 900,000 £; 1862, obgleich das Quantum kaum grösser war: 1,500,000 £; 1863: 4,300,000 £ Times, 15. Februar 1864.) Weniger dürfte in Deutschland von den glänzenden Ergebnissen der Theekultur bekannt geworden sein; sie sind so überraschend, dass ich wenigstens ganz kurz einige Daten anführen möchte:
Nach einem Bericht von Sir Robt. Montgomery (Times, 16. Februar 1865) bedecken auf den westl. Vorbergen des Himalaya, wo vor 4 Jahren nicht eine Privatpflanzung bestand, die Theegärten bereits 15 Quadratmiles, und dehnen sich immer weiter aus. Zwischen den Eingebornen und den Engländern besteht jetzt das beste Einvernehmen. Erstere, vor wenigen Jahren so arm, dass sie kaum Kleider hatten, um ihre Blösse zu bedecken, zählen jetzt ihre Rupien nach Hunderten. Sie sind aus eigenem Antrieb um Errichtung von Schulen eingekommen, wo sie englisch lernen können, und wollen die Hälfte der Kosten tragen. Allein im Kangsathal bauen 47 Dörfer Thee. Immer mehr verbreitet sich der Theebau auf den Bergen, der Tabaksbau in den Ebenen, in kleinen von den Eingebornen angelegten Gärten und bringt allgemeinen Wohlstand unter die Bevölkerung. Diese Distrikte, die früher der Regierung bedeutende Unkosten machten, gewähren ihr jetzt grosse Einkünfte. Sehr viel bedeutender ist aber die Entwicklung der Theekultur im östlichen Himalaya und in Assam (wo die Pflanze einheimisch ist).
Nassau Lees sagt in seinem aus amtlichen Quellen hervorgangenen Buch: „Tea Cultivation, Cotton and other agricultural experiments in India”: Im Jahre 1862 vertheilte die Regierung gratis 89 Tons (= 199,360 ℔ Engl.) Theesamen und 2,400,000 Sämlinge, und doch deckte diese ungeheure Menge nicht entfernt die Nachfrage.... Er fügt die Bemerkung hinzu, die in der englischen Verwaltung jetzt als Grundsatz gilt: Sobald der Privatunternehmungsgeist einmal ordentlich von irgend einem Felde kaufmännischer Spekulation Besitz ergriffen, hat die Regierung nichts mehr dort zu schaffen. Das System der Aufmunterung ist sehr gut für den Anfang — es kann aber zu weit getrieben werden. Würden z. B. durch das Versprechen kostenfreier Lieferung von Theesamen und -Sämlingen zu viele Personen plötzlich zu Theeunternehmungen veranlasst, so könnten sehr ernste Verwickelungen auf dem Arbeitsmarkt im westlichen Indien stattfinden.
Es tauchen oft Pläne auf zur Kolonisation tropischer Länder durch[S. 95] Europäer. Für Bemittelte, die Pflanzungen mit Eingebornen bewirthschaften und Produkte für den europäischen Markt bauen wollen, giebt es in Ostasien noch ein grosses, höchst ergiebiges Feld, um bei materiellem Wohlleben ein Vermögen, im glücklichen Falle sogar Reichthümer zu erwerben. Ganz besonders lockende Aussichten eröffnet ihnen die Kaffee- und Theekultur, die in ziemlicher Meereshöhe betrieben wird, ihnen also auch in klimatischer Beziehung zusagt. Für Auswanderer im gewöhnlichen Sinne aber ist dort nichts zu machen. Den Ackerbau versagt ihnen schon das Klima und als Handwerker oder Kleinhändler können sie unmöglich gegen die Chinesen aufkommen, die an Fleiss, Mässigkeit, Sparsamkeit, Schlauheit, unermüdlicher Ausdauer und rücksichtslosem Streben nach Gewinn die Europäer so sehr übertreffen. Fast alle Eigenschaften, die die Juden auszeichnen, besitzen die Chinesen in noch höherem Maasse; auch darin sind sie ihnen ähnlich, dass sie sich über alle Länder verbreiten, sich unter allen Regierungen wohl fühlen, immer zu einander halten und sich überall durch Reichthum eine hervorragende Stellung zu erringen wissen. Wie die Juden keinen Staat, so können die Chinesen keine Kolonien gründen.
Vor 25 Jahren ging der einzige Weg nach Indien um das Kap der guten Hoffnung. Um dieselbe Zeit, wo die erste transatlantische Linie versucht wurde (1838), miethete eine Gesellschaft von Privatleuten einige Dampfboote, um einen regelmässigen Dienst zwischen England, Lissabon und Gibraltar einzurichten. Sie verlor 500 £ an jeder Reise, erhielt 1840, als ihre Verluste bereits 30,000 £ betrugen, Korporationsrechte und den Postdienst nach Indien und jenseits. Dies ist der Ursprung der mächtigen Gesellschaft, deren Schiffe jetzt die Post für die iberische Halbinsel, das Mittelmeer, Indien, China, Japan, Australien besorgen. Sie erhalten dafür jährlich ungefähr 500,000 £ Subvention von der englischen Regierung.[41] Die sehr hohe Subvention hielt bis vor Kurzem alle Konkurrenz ab, so dass die Kompanie thatsächlich ein Monopol besass, dessen Uebelstände dem Publikum sehr fühlbar waren. Erst vor wenigen Jahren eröffnete die französische Gesellschaft der Messageries impériales eine Konkurrenzlinie, wodurch die bisher so hohen Preise der Peninsular- und Oriental-Company um etwa 20% fielen. Auch sind die Schiffe seitdem nicht mehr so überfüllt und die Behandlung der[S. 96] Passagiere ist rücksichtsvoller. Allem Anschein nach wird sich die neue Linie neben der alten halten können, da die Berichte über ihren Betrieb sehr günstig lauten. Nach dem Economist, 10. Juni 1865, hat im letzten Jahr ihr Verkehr in China und Indien an Gütern um 261/2%, an Passagieren 18%, an Kontanten 62% zugenommen.
Jetzt gehen regelmässige Dampferlinien von Singapore direkt nach Malacca, Penang, Siam, Cochinchina, China, Borneo, Batavia, Ceylon, engl. Birma, Vorderindien, dem rothen Meer und durch Anschluss nach Europa, sowie nach den Mascarenen, Niederländisch-Indien, Australien, Japan. Eine neue Linie zwischen China, Japan, Sandwichsinseln und Californien ist soeben von der Regierung der Vereinigten Staaten genehmigt und mit einem bedeutenden jährlichen Zuschuss ausgestattet worden. Für Australien besteht bis jetzt nur eine Verbindung zwischen seinen südlichen Kolonien und Ceylon, die für Singapore keine Bedeutung hat. Aber wohl bald wird eine Linie durch die Torresstrasse im Anschluss an die niederländisch-indische, nöthig werden.
Anblick von Malacca. — Portugiesen. — Chinesen. — Melaleuca. — Mission unter den Mintras und Jakuns. — Guttapercha. — Neuer Pungulu in Allor-gadja. — Rückkehr zu den Mintras. — Ehepärchen. — Blasrohr. — Pfeilgift. — Fahrt nach Lingi. — Der Dato von Lingi. — Zustände in den kleinen Malayenstaaten. — Zinn. — Leben im Walde. — Zweckmässige Kleidung. — Insektenpulver. — Chinesischer Leichenzug. — Geschichte von Malacca. — Tapioka. — Djaggeri.
Mitte April, an einem Nachmittag, bestieg ich den Hooghly, ein altes, ausrangirtes Dampfboot, welches die ganze Kriegsmarine der „Straits Settlements” ausmachte. In seltenen Fällen wurde es gegen Seeräuber benutzt, hauptsächlich aber diente es dazu, die Beamten der Regierung und die Post zwischen Malacca, Pulo-Pinang und Singapore, welche zusammen die Niederlassung der Meerenge (the Straits Settlements) bilden, zu befördern. Seine Geschwindigkeit überstieg nicht die einer chinesischen Junke; auch Reinlichkeit und Ordnung liessen manches zu wünschen übrig und waren ein fortwährender Stoff zu Klagen von Seiten der Passagiere, die aber nicht berücksichtigt wurden, da der Kapitän ein naher Verwandter des Guvernörs war, und Reisende nur aus Gefälligkeit mitgenommen wurden gegen eine im Verhältniss zu den sonst in diesen Meeren üblichen Dampfschiffspreisen allerdings sehr unbedeutende Vergütigung, Trotz mancher kleinen Mängel war die Fahrt höchst angenehm in herrlicher, tropischer Nacht auf spiegelglattem Meere. Am andern Tage um 2 Uhr ankerten wir auf der Rhede von Malacca in 2 Seemeilen Entfernung vom Lande. Wir hatten 22 Stunden gebraucht, um einen Weg von 120 Seemeilen zurückzulegen.
Malacca hat eine sehr hübsche Seefront. Dicht hinter einer Reihe von Europäern bewohnter steinerner, etwas einförmiger Häuser, deren dem Strand zugewendete Seite mit einer Bogenreihe versehen ist, erhebt sich ein länglicher, 100 Fuss hoher Hügel, auf dessen Gipfel die malerischen Ruinen der von Albuquerque gebauten Kirche Madre de Dios und der Klöster S. Paul und Hermanos de leche stehen. Zur Rechten schliesst sich an die steinernen Häuser ein Palmenwäldchen, unter dessen[S. 100] Schatten sich eine ganze Reihe Wohnungen von Portugiesen[42] und Asiaten behaglich ausdehnt; hinter ihnen ragt tiefblau der Berg Ophir (Gunong Ledang), der höchste Punkt des südlichen Festlandes (4320') hervor. Zur Linken, am westlichen Abhang des Hügels, der hier nochmals zu einer kleinen Anhöhe anschwillt, steht das „Stadthuys”, ein stattliches Gebäude aus holländischer Zeit, theilweise von einem Angsana-Hain (Pterocarpus Indicus) verdeckt, der sich parkartig bis zu den Ruinen auf der Kuppe hinzieht. Die Südfront des Gebäudes ist ebenfalls der See zugekehrt, seine Westseite begrenzt der kleine Fluss, an dessen jenseitigem Ufer die eigentliche Stadt liegt, aus der sich die Thürme einiger Moscheen erheben. Das kleine Flüsschen von Malacca und die Meeresströmungen haben die Rhede so verschlämmt, dass grosse Schiffe 2 Miles vom Lande ankern müssen. An den kleinen Inseln, wo 1511 Albuquerque's Flotte in 5–6 Faden Tiefe lag, können jetzt nur Küstenfahrer anlegen, und nur zwei derselben sahen wir hier vor Anker. Welch auffallender Unterschied gegen Singapore! Und doch war vor ca. 300 Jahren Malacca der wichtigste Handelsplatz in diesen Meeren, Hauptstadt eines mächtigen Königreichs und auch noch zu Zeiten des holländischen Monopols ein bedeutender Stapelplatz.
Nach langem Warten kamen einige Boote, kaum genug, um die wenigen Passagiere zu bergen. Wie einsam und still erschien die Stadt nach dem Schacherlärm von Singapore! Die wenigen Europäer und ihre Abkömmlinge, die hier wohnen, sind meist Beamte oder Grundbesitzer von holländischer Abkunft, ich fand bei ihnen eine fast noch liebenswürdigere Aufnahme, als in Singapore und lernte einige vortreffliche Menschen kennen. Selbst unter den Frauen schien keine Eifersüchtelei zu herrschen, keine Ostentation, kein herausfordernder Luxus. In der Abendkühle schlenderte man am Strande, oder genoss, auf einem Vorsprung der Küste sitzend, die Seebrise, und wenn die jungen Mädchen Pfänderspiele vorschlugen, so betheiligten sich alle Anwesenden in harmloser Freude daran. Es giebt hier kein Gasthaus; ich erhielt vom Resident-Councillor eine Wohnung in dem grossen Stadthause angewiesen, das alle Regierungs-Kanzleien enthält, aber immer noch reichlich Raum[S. 101] hat, um Fremde zu beherbergen. Eine eiserne Brücke führt über den Fluss, wohl an der Stelle der alten Brücke, die vor 31/2 Jahrhunderten eine so wichtige Rolle gespielt. Nachdem nämlich der erste Angriff der Portugiesen auf die Stadt zurückgeschlagen worden war, bemächtigte sich Albuquerque der Brücke, hielt sie 9 Tage lang besetzt und schnitt dadurch den Einwohnern alle Zufuhr ab. Am folgenden Tage musste sich die Stadt nach tapferer Gegenwehr ergeben. — Die beiliegende Ansicht von Malacca ist von der Brücke aufgenommen. Zur Rechten sieht man unter schattigen Bäumen die Westfront des Stadthauses; links, am rechten Ufer des Flüsschens, liegt die von Asiaten (Chinesen, Malayen, Klings) bewohnte Stadt.
Die hiesigen Chinesen stehen in besonders gutem Ruf. Der Wohlstand, den sie hier in voller Sicherheit gegen Erpressungen geniessen, hat die bei diesem Volk sonst so schroff hervortretende Selbstsucht sehr gemildert. Sie sind sehr gastfrei und geben häufig bedeutende Summen für gemeinnützige Zwecke her.
Wie sich in der Stadt die Wohnhäuser der Chinesen vor allen andern geltend machen, so hat auch die dieser Nation eigenthümliche grosse Verehrung der Todten, die sich in der Kostbarkeit und sorgfältigen Erhaltung der Gräber ausspricht, der umliegenden Landschaft ihr Gepräge aufgedrückt. Während in Singapore die reichen Kaufleute alle hübschen Punkte um die Stadt ausgesucht haben, um ihre Wohnhäuser dort aufzubauen, sind hier die schönsten Anhöhen in der Umgegend mit chinesischen Gräbern bedeckt, deren einige mit grossen Kosten aufgeführt sind. Malacca ist ein Lieblingsaufenthalt für die Chinesen. Von hier stammen die meisten von denen, die in Singapore eine hervorragende Stellung einnehmen, und hierher ziehen sie sich gerne zurück, um ihr dort erworbenes Vermögen in behaglicher Ruhe zu geniessen. Viele dieser Familien sind schon seit Generationen hier ansässig, sie heirathen nur unter einander, so dass das malayische Blut der Stammmutter bei jeder neuen Verbindung immer mehr gegen das chinesische zurücktritt. Wegen ihrer langen Ansässigkeit unter Europäern und der daraus folgenden Bekanntschaft mit dem Wesen derselben, sowie durch Reichthum und grössere Bildung haben sie vor denjenigen ihrer Landsleute, welche die Masse der Bevölkerung von Singapore ausmachen, Vieles voraus.
Einige Tage nach meiner Ankunft fuhr ich auf bequemer Strasse nach Rumbia, einer mitten im Walde gelegenen Mission, 12 Miles NN-W. von Malacca. Nachdem man die unmittelbare Umgebung der Stadt verlassen, in der allerlei kleine Moscheen, Kapellen, Hindutempel und andre[S. 102] „Josshäuser” von Gärten umgeben, malerisch durch einander liegen,[43] führt der Weg auf einem Damm unter einer Allee weissblühender Melaleuca (M. minor) quer über einen weiten grünen Teppich von Reisfeldern, der mit einzelnen Gruppen von Fruchtbäumen, Cocos- und Arecapalmen geschmückt ist, unter deren Schatten ein paar malayische Hütten liegen. Hin und wieder kommt man noch an einer Moschee oder einem grösseren Gehöft vorbei, welche letztere immer Chinesen gehören und oft beträchtlichen Wohlstand verrathen. Die Melaleucas haben landschaftlich grosse Aehnlichkeit mit unsern Birken durch den allgemeinen Habitus und besonders durch die Silberweisse des Stammes. Wie bei diesen lösen sich die äusseren Lagen der Korkschicht in dünnen, weissen Blättchen ab, bei einigen Arten erreicht diese Schicht fast Zolldicke und besteht aus so feinen Blättchen, dass sie zum Kalfatern der Schiffe verwendet wird. Von der weissen Farbe des Stammes (kaju: Holz, puti: weiss) hat der Baum seinen inländischen Namen; auch das Kajeput-Oel, das aus den getrockneten Blättern einer in den Molukken vorkommenden verwandten Art (M. leucodendron) gewonnen wird, ist danach benannt. Nach einigen Meilen erreicht man den Wald, der sehr anmuthig, schattig und zugänglicher ist als der Jungle bei Singapore. In Tsching, auf halbem Wege, wurde das Pferd gewechselt; um 9 Uhr Vormittags, 2 Stunden nach der Abfahrt von Malacca, war ich in Rumbia, wo mir der freundliche Missionär schon von ferne entgegenkam, sobald er nur den Wagen erblickte. Er nahm mich sehr gastlich auf, und da er ausser einigen kleinen „Waldmenschen” keine Bedienung hatte, so ging er selbst ans Werk, mich und mein Gepäck möglichst bequem unterzubringen. Nach einem Schwimmbade in einem von ihm selbst gegrabenen Teich wurde gefrühstückt, und alsbald füllte sich das Zimmer mit neugierigen Mintras, deren zutrauliche, gutmüthige, bescheidene Art den angenehmsten Eindruck machte. Hr. Bory war wiederum ein denkwürdiges[S. 103] Beispiel jener katholischen Missionäre, wie man sie zuweilen auf abgelegenen Stationen findet. Er stammte aus Paris und hatte sich hier vor mehreren Jahren (1848) niedergelassen, ganz allein und ohne alle Unterstützung zur Bekehrung der Mintras und Jakuns, die zu den wilden Stämmen gehören, welche die Südspitze der malayischen Halbinsel bewohnen. Sie werden gewöhnlich mit dem gemeinschaftlichen Namen orang-utan (Waldmenschen),[44] orang-bukit (Bergmenschen) oder orang binua (Menschen des Binnenlandes), belegt und waren bis 1847, wo J. R. Logan's trefflicher Aufsatz über dieselben erschien, fast unbekannt und Gegenstand vieler Fabeln. Dass sie auf Bäumen wohnen und Schuppen besässen, wie Fische, hat sich allerdings bestätigt. Die Jakuns bauen noch jetzt ihre Hütten gern auf Bäumen, 20–30' über dem Boden, und mit den Schuppen hat es insofern seine Richtigkeit, als sehr viele mit Ichthyosis behaftet sind. Ich sah diese Hautkrankheit an mehreren Jakuns; die meisten aber, und fast alle Mintras waren so reinlich, wie Malayen, d. h. reinlicher als die Mehrzahl der Europäer.
Herr Bory theilte mir mit, dass er, als er vor zehn Jahren von Malacca aus hierher gekommen war, mit einigen dieser Leute Bekanntschaft machte, und sie bald durch seine Leutseligkeit gewann. Er erzählte ihnen Geschichten aus der heiligen Schrift; der Kreis aufmerksamer Zuhörer wuchs mit jedem Besuch und auch die gegenseitige Zuneigung; endlich erbot er sich bei ihnen zu bleiben, um sie zu unterrichten und zu Christen zu bekehren. Sein Vorschlag wurde mit Freude angenommen; nur Ein Punkt machte grosse Schwierigkeiten. Einige Männer hatten nämlich gehört, dass die Christen nur Eine Frau heirathen und nur durch den Tod von ihr geschieden werden könnten. Diese Forderung schien ihnen doch gar zu hart, aber Herr Bory blieb standhaft, und nach vieler Ueberredung wurde sie mit angenommen. Nun lichtete man ein Plätzchen im Walde, baute ein Bretterhaus zur Wohnung für den Missionär, ein anderes grösseres zur Kirche, auch eine Schule; die Mittel wurden durch Almosen von Seiten der Christen aus Malacca und Singapore aufgebracht, denn ausser 10 Dollars monatlich erhalten diese Männer keine Unterstützung, freiwillige Almosen ausgenommen. Die Jakuns können natürlich nichts geben. Herr Bory ging selbstthätig mit seinen Pfleglingen ans Werk; er beschränkt sich überhaupt nicht darauf, blosse Scheinchristen aus ihnen zu machen, sondern sucht sie allmälig[S. 104] zum Betrieb des Landbaus und nützlicher Künste anzuleiten, freilich noch mit geringem Erfolg; doch sind schon einige kleine Gärten entstanden, mehrere Cocos- und Obstbäume angepflanzt, einige Mintras besitzen sogar schon Büffel oder Schweine; doch ist ihr Haupterwerb immer noch das Einsammeln der Produkte des Waldes: Rotang, Harze, Guttapercha u. s. w. gegen die sie ihren geringen Bedarf an Erzeugnissen eines vorgeschritteneren Gewerbfleisses eintauschen. Herr Bory ist immer von einer Anzahl Mintras umringt, erzieht sie wie ein Vater seine Kinder und geniesst ihr vollstes Vertrauen, so dass sie ihn in allen Angelegenheiten erst um Rath fragen.
Wir machten eine Excursion in den Wald, von vielen Mintras begleitet, die eifrig sammeln halfen, die Gesellschaft war übermunter, da die Sorgfalt, mit der manche für sie so werthlose Gegenstände etikettirt und verpackt wurden, immer neuen Stoff zum Lachen gab.
Nachmittags kam eine Anzahl Jakuns in die Mission und brachte ganze Arme voll Zweige, die ich einlegen sollte. Diejenigen, deren Exemplare brauchbar waren, zeigten darüber grosse Freude. So vergingen zwei Tage auf die angenehmste Weise unter diesen gutmüthigen Menschen. Am Sonntag versammelte sich die ganze Gemeinde, Jakuns und Mintras mit Frauen und Kindern, um die Messe zu hören. Ihr Gesang klang recht angenehm, sie sollen überhaupt viel Sinn für Musik haben. Alle waren sehr sauber nach malayischer Art gekleidet, nur etwas dürftiger. Ich hatte einen photographischen Apparat mitgebracht und nahm ihre Portraits auf, die aber leider später verloren gingen. Das ganze Völkchen machte den Eindruck, als fühlte es sich recht glücklich in seiner Abgeschiedenheit unter dem Schutz des braven Missionärs.
Früher wurden sie von den piratischen Malayen, die zu ihnen kamen, aufs ärgste betrogen, beraubt und misshandelt; sie hatten kaum einen andern Schutz als ihren bösen Ruf als Zauberer und Giftmischer, um ihre abergläubischen Bedrücker einigermaassen in Schranken zu halten.
Besonders erreichten diese Bedrückungen einen sehr hohen Grad, als die Anwendung der Guttapercha zur Isolirung der elektrischen Drähte unter Wasser und unter der Erde eine immer stärkere Nachfrage nach dieser Substanz veranlasste.[45]
Einer Einladung folgend fuhr ich nach Allor-gadja in Naning, etwa 9 Miles NNW. von Rumbia, wo am nächsten Tage die feierliche Bestätigung des neuen Pungulu durch den Resident-Councillor stattfinden sollte. Naning ist ein kleines Gebiet, das landeinwärts an Malacca grenzt und immer schmaler werdend sich bis zum Berg Ophir erstreckt. Bis[S. 106] zum Jahr 1842, wo es mit Malacca auf gleichen Fuss gestellt wurde, stand es zu diesem immer in schwankenden Unterthänigkeits-Verhältnissen; statt des Zehnten zahlte es nur einen Tribut, und der Pungulu schaltete in dem Gebiet wie ein unumschränkter Fürst nicht nur über die Habe, sondern auch über das Leben der Einwohner. Im Jahre 1829 beschlossen die Engländer diesen Zuständen ein Ende zu machen. Es kostete aber zwei Feldzüge, viele Menschenleben und die Summe von 100,000 £ um die gegen die beabsichtigten Neuerungen ausgebrochene Empörung zu unterdrücken, obgleich die Zahl der erwachsenen Männer in Naning zur Zeit des Krieges 1500 nicht überstieg, so dass die Unkosten etwa 450 Thaler per Kopf betrugen. Der Feldzug endete schliesslich dadurch, dass einer der fähigsten Empörer zu den Engländern übertrat. Der aufrührerische Pungulu kapitulirte darauf und starb später in Malacca als Pensionär der indischen Regierung.
Auf einem angenehmen breiten Waldweg, der dem Kriege seine Entstehung verdankt, gelangte ich Abends nach Allor-gadja, wo die nicht unharmonische Musik und Todtenklage der Malayen einen grossen Theil der Nacht hindurch zu hören war. Wenige hundert Schritt vom Regierungs-Bungalow liegen die Grabhügel dreier im Kriege gegen Naning gefallenen englischen Offiziere, ein wenig weiter erhebt sich noch eine Schanze aus Lehmwällen, in der sich jetzt eine friedliche Polizeistation niedergelassen hat. Am folgenden Morgen machten wir einen Spaziergang nach dem etwa 3 Meilen entfernten Ayer (Wasser)- panas (heiss), einer ziemlich reichlichen Kohlensäure haltigen und einen schwachen Geruch von Schwefelwasserstoff verbreitenden Quelle. Ihre Temperatur fand ich 9 Uhr Vormittag 137° F. = 46,6 R. In der Nähe steht ein verfallendes Badehaus. Die Eingeborenen benutzen das Wasser häufig als Heilmittel. Auf dem ganzen Wege herrschte überall der rothe Thoneisenstein von Singapore bis kurz vor der Quelle, die in angeschwemmtem Boden aufbricht, in welchem sich viele Quarzkörner bis zu Nussgrösse vorfinden. Es ist dieselbe Formation, in der hauptsächlich die Zinn- und Goldwäschen betrieben werden. Nach dem Frühstück ging die Feierlichkeit ohne besonderes Schaugepränge schnell vorüber. Der Resident-Councillor kehrte nach Malacca zurück; ich fuhr wieder zu meinen Freunden nach Rumbia, deren liebenswürdiges, harmloses Wesen gegen die finstere Gemessenheit der Malayen angenehm abstach. Unterwegs sah ich neben einer kleinen Moschee im Walde eine Pauke von 20 Fuss Länge und mehr als 21/2 Fuss Durchmesser. Es war ein ausgehöhlter Baumstamm, an einem Ende offen, am andern mit einer Büffelhaut bespannt. Es sollen[S. 107] derartige Pauken von noch grösseren Dimensionen vorkommen. Ihr Zweck ist, die weit zerstreut lebenden Gläubigen zum Gebet zu rufen. Noch spät Abends kamen die Jakuns zur Mission und brachten mehrere Thiere, die sie für mich gesammelt hatten.
Am folgenden Morgen überraschte ich im Walde ein junges Ehepärchen in seinem Honigmond. Ihr Haus bestand in einem Sonnendach aus lose zusammengefügten Palmenblättern. In einem kleinen Töpfchen kochte ihre Mahlzeit, und während die Frau die Küche besorgte, sang ihr der Mann ein Liedchen und begleitete sich auf einem Saiteninstrument, das aus einem fusslangen Bambusrohr bestand, an welchem der Länge nach 3 oder 4 Enden des kletternden Stammes einer Orchidee aufgespannt und statt der Stege kleine Wachsklümpchen unter den Saiten angebracht waren. Der glückliche Ehemann besass auch eine Flöte und Pfeife aus Bambus und musizirte, als die erste Schüchternheit vorüber war, auf beiden mit grossem Wohlgefallen ganz angenehm, nur etwas zu anhaltend. Beim Abschied drang er mir zwei feiste Ratten auf, die er für seine eigene Tafel gemästet hatte. Die Jakuns sind nicht wählerisch in ihren Nahrungsmitteln, Schlangen und Ratten sind willkommene Leckerbissen. Der französische Missionär Lefèvre erzählt: Eine ihrer geschätztesten Speisen ist ein Honigwaben, nicht wann die Zellen mit Honig gefüllt, sondern wann die jungen Bienen schon ausgebildet, ein Paar Tage bevor sie flügge sind; der Waben wird dann in ein Bananenblatt gewickelt, etwas gebraten, und das Ganze mit grossem Appetit verzehrt.
Ausser dem Waldmesser, das sie immer bei sich tragen, und das ihnen alle Werkzeuge ersetzt, haben die Orang-bukit kaum irgend welche Geräthschaften. Zur Jagd bedienen sie sich hauptsächlich der Blasröhre, aus welchen sie vergiftete Pfeile schiessen. Kleinere Thiere sterben nach einer Minute. Das Blasrohr „Sumpitan” besteht aus zwei in einander geschobenen Bambusen, 7 Fuss lang, 3/4 Zoll Durchmesser. Die innere Oeffnung hat etwa einen halben Zoll Durchmesser; die Pfeile sind 7 Zoll lang und bestehen aus den Seitennerven eines Palmenwedels; an ihrem unteren Ende ist ein 3/4 Zoll langer Kegel aus weichem Holz befestigt, dessen Basis den hohlen Raum des Blaserohrs beinahe ausfüllt. Die sehr scharfe Spitze ist einen halben Zoll tief in Gift getaucht und ringsum eingeschnitten, damit sie abbreche und in der Wunde stecken bleibe. Jeder einzelne Pfeil steckt in einem Rohrfutteral, und eine Anzahl dieser ist durch Baststreifen eines Artocarpus so aneinander geknüpft, dass sie sich zu einem Bündel aufrollen wie ein Latten-Rouleau und in einer[S. 108] Bambuskapsel, die als Köcher dient, aufbewahrt werden können. Genau ebenso verfertigen die Indianer in Guiana ihre Pfeile und bewahren sie ebenso auf, mit dem einzigen Unterschied, dass die einzelnen Pfeile nicht in besonderen Kapseln stecken, sondern unmittelbar mit einander verknüpft und zusammengerollt werden — ein auffallender Umstand, da beide Völker wohl nie in Verkehr gestanden haben. Die Jakuns haben den Ruf, geübte Sumpitanbläser zu sein. Um ihre Geschicklichkeit zu prüfen, liess ich einen der geübtesten nach einem etwa 100 Schritt entfernten Pisangstamm zielen; er traf ihn nachdem er zweimal vorbei geschossen; eine 30 Schritt entfernte, 11/2 Zoll Durchmesser haltende Oranie zu treffen, erklärte er für zu schwierig; auf 15 Schritt traf er sie. Bei dem Schiessen wird der Pfeil von unten in das Blasrohr gesteckt, der Kegel mit einer zunderartigen Substanz umwickelt, damit seitlich keine Luft entweiche, und das Blasrohr mit beiden Händen fest gegen den Mund gepresst. Die Luft wird mit solcher Gewalt ausgestossen, dass man einen pfeifenden Ton hört.
Auf Veranlassung des Herrn Bory wurde das Pfeilgift in meiner Gegenwart bereitet. Man schlug 3 Pflöcke in die Erde, setzte eine eiserne halb mit Wasser gefüllte Pfanne darauf, zündete Feuer darunter an, that die feingeschabte Rinde folgender Pflanzen hinein: akar-ipo (Giftwurzel) oder lada-ipo (Giftpfeffer) eine starke Handvoll; ipo-batang (Baumstammgift) und Sabalei je eine kleine Prise. Nach einer Minute wurde die Rinde im Wasser mittelst der Hand stark ausgepresst und fortgeworfen. Nachdem der Extract 4 Minuten gekocht hatte, wurde er mit grosser Vorsicht abgegossen, wobei ein auf den Rand der Pfanne gelegter kleiner Ballen geschabter Bambusfasern als Filtrum diente, um die noch in der Flüssigkeit schwimmenden Rindenstückchen zurückzuhalten. Nachdem die Pfanne sorgfältig mit Sand ausgescheuert, wurde der Absud — etwa 1/2 Liter — in dieselbe zurück gegossen. Man setzte, als er zu kochen begann, einen Theelöffel voll Saft des Ipo-batang hinzu. Dieser geringen Menge wegen hatte man einen grossen Baum gefällt, aus dessen Querschnitt der Saft langsam ausschwitzte. Nach Zusatz dieser Substanz entstand in der bisher klaren Flüssigkeit ein Coagulum, das zu Boden sank. Zwei Minuten später goss man abermals die klare Flüssigkeit ab, in die man vorher ein Stückchen durch Realgar verunreinigten Arseniks von der Grösse eines Stecknadelknopfes geworfen hatte. — Eine so geringe Menge kann wohl keine Wirkung haben; auch gilt der Zusatz nach der Aussage des Giftkochers nicht für wesentlich und unterbleibt, wenn kein Arsenik vorhanden ist, ohne der Wirksamkeit des[S. 109] Pfeilgiftes zu schaden. — Nachdem der Bodensatz beseitigt und die Pfanne abermals sehr sorgfältig mit Sand ausgescheuert worden war, goss man wieder das Filtrat in dieselbe zurück und dampfte es bis zur Syrupdicke ein. Das fertige Gift wird entweder gleich auf die Pfeile gebracht, oder in kleinen Bambusen verwahrt und soll viele Jahre lang seine Wirksamkeit behalten. — Früher wurden bei dem Giftkochen allerlei Zauberformeln angewendet, die Herrn Bory's Einfluss beseitigt hat. Von den verwendeten Pflanzen konnte ich keine blühende Exemplare erhalten und auch die eingelegten blüthenlosen Zweige gingen später verloren, so dass eine Bestimmung nicht möglich war. Ausser dem in meiner Gegenwart bereiteten kaufte ich noch mehrere Kapseln voll älteren Pfeilgiftes und Köcher voll vergifteter Pfeile. Später im physiologischen Laboratorium zu Berlin damit angestellte Versuche ergaben sehr verschiedene Resultate. Das in meiner Gegenwart bereitete Gift wirkte herzlähmend wie Anthiar, eben so wirkte der Saft des Ipo-batang, den ich selbst vom Stamm eingesammelt hatte. Die gekauften Gifte aber wirkten ausserdem noch tetanisirend wie Strychnin. Wahrscheinlich ist der Ipo-batang-Baum = Anthiaris toxicaria oder eine verwandte Art, und akar-ipo eine Strychnosart (letzteres ist um so wahrscheinlicher, da akar nicht nur Wurzel sondern auch Rebe bedeutet). Durch das Vorwiegen der einen oder andern Substanz mag wohl die vorherrschende Wirkung auf Herz oder Nerven bedingt werden. Die von Prof. du Bois-Reymond und Dr. Rosenthal angestellten Versuche, welche übrigens auch die verhältnissmässige Immunität der Hühner bestätigen, sind ausführlich beschrieben in den Monatsberichten der Berliner Akademie 1859. 3. 319 und in Reichert und du Bois-Reymond's Archiv 1865 S. 601.
In allen Jägerkünsten sind die Waldmenschen wohlerfahren, sie wissen dem Wild auch viele Fallen zu stellen; eine recht sinnreiche von komplizirtem Bau beschreibt J. R. Logan. Mir zeigten sie an vielen Stellen im Dickicht verborgen eine sehr einfache anscheinend von grosser Wirksamkeit. Ein junger elastischer Baum war mit der Spitze zur Ende gebogen. Bei der leichtesten Berührung eines Schnäppers schnellte er wieder in die Höhe und durchbohrte mit der an seiner Spitze in einem fast rechten Winkel befestigten Bambuslanze das Thier, das sich der Falle unvorsichtig genähert hatte. Einem Aufsatz, den Herr Bory 1861 in die Tydschr. voor indische Taal, Land en Volkenkunde einrücken liess, entnehme ich noch einige ergänzende Daten:
Die Gesammtzahl aller Wilden auf der malayischen Halbinsel dürfte[S. 110] nach H. B.'s Meinung nicht über 8–10,000 betragen; die der Mintras nicht über 2000. — Sie halten sich für die Ureinwohner, betrachten die Malayen als Eindringlinge und glauben von 2 weissen Affen abzustammen, aus deren Nachkommen diejenigen, die in der Ebene blieben, allmälig Menschen wurden, während die, welche die Berge nicht verliessen, Affen blieben.[46] Jeder lebt für sich, als wäre er allein in der Welt. Sie sind gleichgültig, faul, lieben die Ruhe über alles, haben wenig Energie. Nur auf der Jagd zeigen sie Muth und Ausdauer. Allein, ohne andre Waffen als Blasrohr, Lanze und Kris, bringen sie Tage und Nächte im Walde zu. Sie sind friedliebend, streiten selten hartnäckig; der geringste Zwist hat Auswanderung zur Folge. Sie hängen wenig am Boden, verändern leicht ihren Wohnsitz, oft mehr aus Laune als aus Ueberlegung. Der erste Eindruck, den die Mintras auf den Fremden machen, ist ein so günstiger, dass man geneigt ist, sie für Menschen im Zustand der Unschuld zu halten. (Herr Bory, der anfänglich auch diese Ansicht theilte, denkt nach genauerer Bekanntschaft anders über sie).
Die Mintras, wie die andern wilden Stämme der Halbinsel haben ihre eigene Sprache; sie hat wenig Klarheit und Bestimmtheit. Die Mintra-Christen verlangten daher, dass ihnen der Religionsunterricht in malayischer Sprache ertheilt würde. Alle Wilden sprechen malayisch, das ihnen auch als Verkehrssprache mit benachbarten Stämmen nöthig ist.
Einige Tage nach meiner Rückkehr nach Malacca hatte ich Gelegenheit, in Gesellschaft eines Bergmanns aus Cornwallis, der im Auftrag einer englischen Gesellschaft die Ergiebigkeit der hiesigen Zinnlagerstätten untersuchen sollte, einen Ausflug nach dem oberen Lingiflusse zu machen, von wo wir nach dem berühmten Zinndistrikt, Songei-Udjong, wollten. Bis zur Mündung des Lingi konnten wir das Kanonenboot der Regierung benutzen. Wir verliessen Malacca Nachmittags um 5 Uhr und fuhren in geringer Entfernung von der Küste, die eine ununterbrochene Reihe lieblicher Landschaften entfaltete: im Vordergrund eine bebaute Ebene, auf welcher sich Hügel und weiter hinten tief blaue Berge in scharfen Umrissen erhoben. Der Sonnenuntergang war ausserordentlich prächtig und nahm über 150° des Horizontes ein. Wir brachten die warme Nacht 23,2° R. auf dem Verdeck zu, um 3 Uhr trat Regen ein und zwang uns, in der kleinen, heissen Kajüte Schutz zu suchen. Wir waren der Mündung des Lingi nahe, mussten aber noch 3 Stunden[S. 111] lang kreuzen, bevor wir landen konnten, da wir Wind und Strömung gegen uns hatten. Dieser Fluss bildet die Grenze Malaccas gegen den kleinen Malayenstaat Salangore. An seiner Mündung, auf der linken (englischen) Seite, liegt ein kleines, aus wenigen Hütten bestehendes malayisches Kampong und daneben die Umfangsmauer eines während des Krieges mit Naning gegründeten Forts. Das Kanonenboot setzte seine Fahrt fort, wir blieben und hatten bis 11 Uhr mit habsüchtigen, mürrischen Leuten zu feilschen, bevor wir zur Fahrt Fluss aufwärts um hohen Preis ein Boot erlangten. Die breiten Mündungen dieser Flüsse sind namentlich in der Mittagssonnengluth nicht angenehm zu befahren. Die Fluthwelle reicht viele Meilen weit hinauf, und soweit sie das Seewasser trägt, zieht sich zu beiden Seiten ein einförmiger Rhizophorensaum hin; erst nach stundenlanger Fahrt flussaufwärts erscheinen einige stammlose Nipapalmen, die allmälig häufiger werden, sobald der Salzgehalt des Wassers hinreichend abnimmt, dann treten Pandanusarten auf, welchen sich bald blühende Sträucher und enorme Waldbäume anschliessen, deren einige bis auf 100 Fuss Höhe fast astlos, und glatt wie Säulen emporragend, nur am Boden mit grossen Strebepfeilern versehen sind, während andere vielfach verästelt, durch Luftwurzeln gestützt und nach allen Richtungen mit Lianen, Kletterfarnen und Orchideen behangen, ein unauflösliches Gewirre bilden. Gegen Abend wurde der Fluss immer enger, die Windungen häufiger, endlich bogen wir in einen kleinen Bach, unter dessen dichtem, tiefhängendem Laubdach wir ein kleines Kampong erreichten. Am Ufer stand ein Schuppen, der als Niederlage für das aus der Umgegend kommende Zinn dient, welches von hier aus nach Malacca verschifft wird. Der „Dato” (Häuptling) wohnt eine Mile landeinwärts; wir begaben uns zu ihm, um den Empfehlungsbrief des Guvernörs abzugeben. Zu unserer Ueberraschung führte statt eines engen Waldpfades ein Fahrweg nach seiner Wohnung; den Dato hatten bei einem Besuche in Singapore die dort gebräuchlichen Wagen so entzückt, dass er einen gekauft, und um ihn benutzen zu können, mitten in seinem Walde ein Stück Strasse von einer Mile Länge gebaut hatte, auf der er täglich spazieren fuhr. Er wohnte in einem sauberen steinernen Hause, in dem mehrere europäische Möbel und Luxusgegenstände aufgestellt waren. Unsere beabsichtigte Reise nach Songei-Udjong schien ihm nicht angenehm zu sein; er machte allerlei Einwendungen dagegen, schilderte sehr beredt die Gefahren und Strapazen, die uns bevorständen, bedauerte uns in seiner Wohnung kein Quartier geben zu können, und entschuldigte sich, dass die Nahrungsmittel[S. 112] sehr knapp seien. Zum Glück waren wir in dieser Beziehung gut versehen. Er bat uns ihm zwei oder drei Zwieback zu verkaufen, und als wir ihm ein Dutzend geschenkt hatten, fragte er nach dem Preise des Bieres; wir schenkten ihm zwei Flaschen. Nun wünschte er auch den Preis des Weines zu erfahren; wir schenkten ihm eine Flasche und zogen uns nach dem Landungsplatz zurück, wo wir in einer Ecke des Zinnsschuppens die Nacht zubrachten. Der Dato hatte versprochen, uns am andern Morgen um 6 Uhr Leute zu schicken, die uns als Träger und Führer begleiten sollten; er schlief aber bis 12, und keiner seiner Leute wagte mit uns zu gehen. Wir beschränkten daher unsere Excursionen auf die nächste Umgebung. Als wir um 2 Uhr in brennender Sonne wieder zurückkehrten, war unser Gastfreund bereits wieder schlafen gegangen; erst gegen fünf stand er auf und begleitete uns auf einer Jagdpartie. Er war heut noch zudringlicher als gestern und weigerte sich schliesslich geradezu uns Träger nach Udjong zu geben. Seine Beweggründe waren uns nicht recht klar. Da aber die Haupteinnahme-Quelle dieser kleinen Raubritter in der gesetzlosen Ausbeutung der ihr Gebiet betretenden Zinngräber besteht, so mag er wohl triftige Gründe gehabt haben um uns einen näheren Einblick in sein Treiben zu wehren. Mein Gefährte hatte Aussicht die Reise nach Songei-Udjong später mit besserem Erfolg zu machen; so beschlossen wir denn am nächsten Morgen umzukehren, um nicht länger mit dem unverschämten Burschen und seiner zudringlichen Umgebung zu thun zu haben. Doch war es beinahe Mittag, als wir am folgenden Tage nach vielen Plackereien und Prellereien die Rückreise antreten konnten.
Das Boot, das wir nach langem Zögern endlich erhielten, hatte kaum Raum für unser Gepäck, so dass wir auf demselben hocken mussten; es füllte sich durch ein Leck und durch strömenden Regen schneller als es ausgeschöpft werden konnte. Wir kehrten daher wieder um, setzten eines der grossen am Strande liegenden Boote in Stand und fuhren darin bequem flussabwärts. Eine Anzahl fauler Kerle, die unter dem Schuppen standen, sahen uns müssig und mürrisch zu, doch wagten sie nicht uns zu hindern. Bald nach Sonnenuntergang landeten wir in einer kleinen Polizeistation auf englischem Gebiet nahe der Mündung. Der Dato von Lingi ist nur ein kleiner Häuptling, dessen Einkünfte im Handel und in Erpressungen bestehen, dennoch nahm er, obgleich unmittelbarer Nachbar der Engländer, keine Notiz von dem ebenso höflichen als angelegentlichen Empfehlungsbrief des Guvernörs; so geringen Einfluss haben die Engländer auf diese kleinen Staaten, in denen Mord- und Raubanfälle[S. 113] sehr häufig sind, ein Uebelstand, der in der Kolonie lebhaft gefühlt wird und ein Hauptgrund, weshalb sie eine selbstständigere Regierung zu haben wünscht. Grade während meiner Anwesenheit machte ein kleiner Bugishäuptling aus Singapore, der angeblich für den Sultan von Johor focht, die Umgebung des Berges Ophir unsicher und that sogar räuberische Einfälle auf englisches Gebiet, gegen die, wenigstens zur Zeit, nicht eingeschritten wurde.[47]
Mein Gefährte setzte am nächsten Tage die Reise bis Ponchor fort, einer zwischen Lingi und Malacca an der Küste gelegenen Häusergruppe, ich blieb in der Polizeistation zurück, und verbrachte eine sehr unruhige Nacht. Denn wir befanden uns in dem Monat, in welchem die Muhamedaner, nachdem sie von Morgens 6 bis Abends 6 gefastet, sich Nachts durch Schmausen, Musiziren und allerlei Lärm entschädigen. Am andern Morgen begab ich mich auch nach Ponchor, in einem kleinen Boot der Küste folgend, deren Schönheit mich aber bald einlud, den Weg zu Fuss fortzusetzen. Man geht bequem auf ebenem Granitsand, aus welchem grosse oft dicht mit blühenden Orchideen bekleidete Granitblöcke hervorragen. Meinen Freund traf ich in einem geräumigen verlassenen Schuppen, mit freier Aussicht auf das Meer neben einer klaren Felsenquelle[S. 114] recht behaglich eingerichtet. Wir durchstreiften die liebliche Gegend mit der Vogelflinte, badeten Abends in der Brandung, assen ohne aufgedrungene malayische Gesellschaft, und fischten Nachts bei Fackelschein.
Am folgenden Morgen besichtigten wir eine in der Nähe gelegene Zinngrube. Zinn kommt im gediegenen Zustande in der Natur nicht vor.[48] Alles Zinn wird aus Zinnerz oder Zinnstein, einem reinen, nur durch mechanische Beimengungen verunreinigten Zinnoxyd gewonnen. Es tritt in schmalen Gängen, sogenannten Stockwerken, im Granit oder andern Eruptivgesteinen auf, die es so unregelmässig durchsetzt, dass man häufig dadurch veranlasst wird, Tagebau darauf zu treiben; oder es kommt in grossen regelmässig abzubauenden Gängen vor. Alles Zinn von Cornwallis wird gegenwärtig aus solchen Gängen gewonnen; die früher daselbst betriebenen Stockwerke sind erschöpft und liefern nichts oder fast nichts mehr. Durch Pochen und Waschen wird das viel schwerere Erz (sp. Gew. = 6,8 bis 7) leicht vom Ganggestein getrennt, aber nicht von dem es gewöhnlich begleitenden Wolfram und den Arsenik- und andern Kiesen, die ungefähr gleich schwer sind; diese entfernt man durch Rösten, wobei sie sich zersetzen, und abermaliges Waschen.[49] Der ganze eben beschriebene Prozess vollzieht sich in der Natur spontan, indem durch die Einwirkung der Atmosphaerilien das Gebirge verwittert, die Kiese sich zersetzen, lösliche Verbindungen eingehen, und sammt dem verwitterten Gestein durch Regen und Bäche in die Tiefe geführt werden. Wenn sich aus dem zur Ruhe gekommenen Wasser die darin schwebenden Stoffe absetzen, bildet das Erz wegen seiner Schwere die tiefste Schicht, auf welcher sich die Verwitterungsprodukte des Muttergesteins, Kaolin, Quarzsand, Grus und Trümmer ablagern. Im Verlauf langer Zeiträume bilden sich auf diese Weise Lager von grosser Mächtigkeit. Man nennt diese erzführenden Ablagerungen in Deutschland Seifen, in Cornwall Streamworks, in beiden Ländern hat aber ihre Ausbeutung jetzt gänzlich aufgehört, da sie erschöpft sind. Alles Zinn von Hinterindien (Malacca, Junk-Ceylon, Banca, Siam u. s. w.) wird aus Seifen gewonnen, die ursprüngliche Lagerstätte ist noch gar nicht bekannt. Das Zinn von Banca und Malacca ist fast absolut rein, und überhaupt ist Seifenzinn immer reiner als das aus Gangerzen gewonnene.
Nach Crawfurd (Dictionary) ist das Malayische Zinngebiet ohne[S. 115] allen Vergleich das ausgedehnteste und reichste der Welt und erstreckt sich von Tavoy 14° N. bis Billiton 3° S. d. h. über 17 Breiten- und 10 Längengrade. Der grösste Theil des Gebiets ist noch mit Urwald bedeckt, so dass man erwarten darf das Erz noch an vielen Stellen zu finden. Der Vorrath scheint sehr gross, der Ertrag steht im Verhältniss zu den aufgewendeten Mitteln an Kapital und Arbeitskräften. Die Gruben von Banca werden seit 1710 betrieben, die erste Grube bei Malacca wurde 1793 eröffnet, aber erst seit 1840 findet daselbst die Ausbeutung mit grösserem Nachdruck durch Chinesen statt. Auch in den benachbarten Malayenstaaten, namentlich in denen der Ostküste, Kalantan und Tringano, so wie in Siam nimmt die Zinnproduktion sehr zu, recht bedeutend ist sie auf Junk-Ceylon.[50]
Um das Erz aus dem Seifengebirge zu gewinnen, wiederholt und vollendet der Mensch was die Natur im Grossen gethan hat; er schlämmt und wäscht die erzführenden Schuttmassen, bis nur das reine Erz zurückbleibt.
Die Grube vor uns wurde von 34 Chinesen bearbeitet, gehörte also zu den kleinsten. In manchen Gruben sind mehrere Hundert Arbeiter beschäftigt. Da das ganze, gewöhnlich 12' bis 18' mächtige Deckgebirge abgetragen werden muss, um auf die Erzschicht zu kommen, so ist es nicht lohnend, mit geringen Arbeitskräften die Ausbeutung zu betreiben. Unter einer 2' dicken Schicht Ackerkrume lag eine etwa doppelt so dicke Schicht grauen Sandes, darunter folgte eine weisse 4 bis 5 Fuss mächtige aus reinem Kaolin mit Quarzkörnern und Glimmerblättchen bestehende[S. 116] Schicht, „Kong” genannt; dann eine sechszöllige gelber Erde, die das Zinnerz enthält. Die Unterlage bestand wieder aus demselben weissen Kong, wie die Decke. Ein ehemaliger Bach hatte sich in dem lockeren Boden in N. S. Richtung sein Bett bis auf die zinnführende Schicht ausgewaschen und es dann wieder zum Theil mit Thon angefüllt, fast reinem Kaolin, durch verkohlte Pflanzenreste schwarz gefärbt. Die Nordwand der Grube zeigte die beschriebenen Verhältnisse in einem Profil von einer Deutlichkeit, wie man sie sonst gewöhnlich nur in den schematischen Figuren geognostischer Monographien findet; die grellen Farben trugen dazu nicht wenig bei.
Man hatte zuerst den schwarzen Thon, der das alte Bett des Bachs ausfüllte, bis auf die Erzschicht fortgeräumt, dann die östliche Uferwand; jetzt war man beschäftigt die westliche Wand abzuräumen, indem man sie auf die Ostseite hinübertrug. Zum Fortschaffen der Erde bediente man sich kleiner Tragkörbe, als Leitern dienten schräg liegende Baumstämme mit eingehauenen Stufen. Das auf dem Boden der Grube sich ansammelnde Wasser wurde durch eine Schaufelkunst gehoben, die aus einer Reihe flacher an einer Kette ohne Ende befestigter Bretter bestand, welche sich in einer schrägen Rinne aufwärts bewegten und das Wasser vor sich herfegten. Der Apparat hatte grosse Aehnlichkeit mit einer Baggermaschine und wurde durch ein am oberen Ende angebrachtes Wasserrad getrieben, an dessen Welle aber auch noch Tretbretter befindlich waren, um es bei Wassermangel durch Menschenkraft in Bewegung zu setzen. In auffallender Weise war bei der Anlage die gehörige Ausnutzung der vorhandenen Wasserkräfte und Niveauverhältnisse übersehen worden, so dass nach der Schätzung meines erfahrenen Begleiters wohl 5' Fall verloren gingen. Auch war der Kasten, in welchen das Wasser des oberschlächtigen Rades sowohl, als das aus der Grube heraufgeförderte sich ergoss, so ungeschickt gemacht, dass immer ein sehr beträchtlicher Wasserstand darinblieb, wodurch abermals ein erheblicher Kraftverlust entstand. Gewöhnlich haben doch reisbauende Völker grosses Geschick in allen Wasserbauten und hier war doppelte Veranlassung, es anzuwenden, da das Treten des Rades nicht nur sehr anstrengend, sondern auch, falls nicht Alle gleichzeitig aufhören, wegen des Rückschlags sehr gefährlich ist und Beinbrüche veranlassen kann. Das erzführende Gestein wird auf einen Haufen zusammengetragen und erst dann geschlämmt und geschmolzen, wenn die ganze Grube leer ist.
Wir durften die Grube nur barfuss, ohne Hut und Sonnenschirm betreten. Es finden noch mehrere andere abergläubische Beschränkungen[S. 117] statt, auch zahlreiche Opfer an Vieh, Geflügel, Goldpapier, Kerzen und Schwärmern, um die Berggeister günstig zu stimmen.
Die Besitzer der grösseren Zinngruben wohnen meist in Malacca; die Arbeiter stehen zu diesen in demselben Verhältniss, wie die Gambirpflanzer in Singapore zu ihrem Patron. Ein Theil dient um die vorgeschossene Passage von China zu tilgen (Sinkay), andere um festen Lohn, 4 bis 5 Ds. per Monat und Kost. Alle haben aber einen, wenn auch noch so kleinen Antheil am Ertrag. Die Zinngewinnung nimmt mit jedem Jahre zu. Einige Gruben sind so ergiebig, dass sie nach Blundell den Eindruck machen, als würden harte Thaler aus einer grossen Vertiefung ausgeschaufelt. Solche Erfolge veranlassten eine grosse Ausbreitung dieses Bergbaues. Nach Blundell, der als ehemaliger Guvernör genau unterrichtet ist, deckt aber die Hälfte der Unternehmungen kaum die Kosten; eine Hälfte giebt mässigen Gewinn und nur 4 oder 5 sind Haupttreffer in dieser Lotterie; denn eine solche ist nach seiner Ansicht dieser Erwerbszweig in seinem gegenwärtigen Betrieb. Der Reiz des Spiels hat aber die Aufschliessung vieler neuen Gruben zur Folge gehabt. Die Erlaubniss zum Bergbau giebt die Regierung gratis, sie erhebt aber ein Zehntel des gewonnenen Zinns als Abgabe, und verpachtet diese Steuer, wie das Opium und Branntweinmonopol dem Meistbietenden. Zur Verhinderung des Schmuggelns wird solches Zinn, von welchem die Abgabe entrichtet ist, gestempelt, und steigt dadurch um 8 bis 9% an Werth, da ungestempeltes Zinn in England höheren Eingangszoll zahlt.
Nach dem unangenehmen Eindruck, den die Malayen von Lingi auf uns gemacht, waren mir einige Ausflüge im Gebiet von Malacca doppelt angenehm, weil ich dabei dies Volk von einer ganz andern, sehr vortheilhaften Seite kennen lernte. Ich wohnte in kleinen Hütten, mitten im Walde, bei armen Leuten, die mir den besten Platz im Hause und die besten Matten einräumten, sehr bescheiden, gefällig und höflich waren, doch immer ohne jene Zeichen hündischer Unterwürfigkeit, mit denen viele andere Asiaten so freigebig sind, wenn sie dadurch eine Gunst zu erlangen hoffen. Es scheint, dass zwischen den alten Ansiedlern holländischer Abkunft und den auf ihrem Gebiet wohnenden Malayen ein auf gegenseitiges Zutrauen gegründeter freundschaftlicher Verkehr stattfindet, jedenfalls bestand ein solcher zwischen meinem Freunde W. B. und seinen Insassen. Die einfachen Sitten und die Biederkeit dieser Ackerbau treibenden Malayen waren mir um so wohlthuender, je weniger ich diese Eigenschaften erwartet hatte. In Lingi, dessen Bewohner von mehr oder weniger gesetzlichem Handel, Erpressungen und gelegentlichen Räubereien[S. 118] leben, traten ihre gehässigsten Eigenschaften hervor, aber auch in Singapore werden die besseren Züge ihres Wesens von dem Golddurst, der dort Alle ergreift, in den Hintergrund gedrängt.
Die Ausflüge um Malacca sind sehr angenehm und für den Sammler lohnend. Zwischen dem Lingi- und Kassangfluss, die das Gebiet begrenzen, ergiessen sich ausser mehreren Bächen der Malacca- und der Dujongfluss (nach letzterem ist die Seekuh Halicore Dugong benannt, wobei aber irrthümlich das j in ein g verwandelt worden). Beide Flüsse sind für Kähne auf mehrere Miles weit zugänglich. Ihre Ufer wimmeln von Krokodilen, in den Bäumen klettern Vögel, Schlangen, Eichhörnchen und Affen umher, und man ist sicher, mit reichlicher Beute zurückzukehren, wenn man mit einer Vogelflinte versehen, auf einem aus einem einzigen Baumstamme gezimmerten Kahne in die Tiefen des Waldes eindringt. Ich habe nie so viele Baumschlangen gesehen, als am Malaccafluss. In einer halben Stunde hätte ich ein Dutzend schiessen können. Sie lagen meist aufgerollt auf das Wasser überragenden Zweigen, von welchen sie sich herabfallen liessen und behende weiter schwammen, wenn sie Gefahr im Anzuge glaubten. Das Zigeunerleben im Walde, so nahe einer Hafenstadt, in der man sich immer wieder mit Vorräthen, sogar mit Luxusgegenständen versehen kann, in Begleitung eines gelehrigen, bescheidenen Dieners, unter gefälligen, sanften Eingebornen war so angenehm, dass ich es jedem Touristen aufs angelegentlichste empfehlen möchte. Wir durchstreiften den Wald nach allen Richtungen, im Boot oder zu Fuss, und kehrten oft erst spät Abends beim Schein der Dammarfackeln nach unserm Lagerplatz zurück, um das Gesammelte zu präpariren.
Der Grund, warum tropische Länder, die jetzt so leicht zu erreichen sind, so selten besucht werden, liegt, wie ich glaube, besonders in der Furcht vor dem Klima, den Giftschlangen und dem Ungeziefer. Die ungesundesten Gegenden sind aber immer den in der Nähe Wohnenden bekannt, und können gewöhnlich von dem, der nur zum Vergnügen reist, vermieden werden. Uebrigens ist eine gewisse Mässigkeit in allen Genüssen, ohne strenge Enthaltung, bei gehöriger Bewegung und angenehmer Beschäftigung ein anerkanntes Mittel, Krankheiten fern zu halten; gegen die gefürchtetsten, Fieber und Dysenterie, pflegen Chinin und Opiumtinktur, zeitig angewandt, zu helfen. Das Leben in den Hafenplätzen ist den Europäern freilich weniger zuträglich. Sie arbeiten dort lange und oft angestrengt in Kontoren, halten reichliche Mahlzeiten, geniessen stark gewürzte, den Durst reizende Speisen und geben sich wohl[S. 119] noch andern Excessen hin. Auch die europäische Kleidung, die schon bei uns weder schön noch besonders zweckmässig ist, wird hier zu einer wahren Plage und der Gesundheit nachtheilig. Im Walde kleidet man sich, wie man will. Nach mehreren Versuchen nahm ich später einen Anzug an, den ich als besonders zweckmässig empfehlen kann: Hose und lange Jacke von blauem Kattun (weiss würde alle Thiere verscheuchen), Schuhe aus Segeltuch und einen chinesischen Hut in Form eines Helms. Die Jacke vertritt zugleich die Stelle des Hemdes, ist ungefüttert, enthält aber mehrere Taschen. Strümpfe sind sehr unbequem, barfuss gehen schwer zu lernen, Segeltuchschuhe sind am zweckmässigsten. Reitet man durch einen Fluss, so zieht man sie aus und hat dann gleich wieder trockene Füsse. So lange man geht, schaden nasse Füsse nicht. Kommt man Abends ins Quartier, so wechselt man den ganzen, gewöhnlich von Schweiss oder Regen durchnässten Anzug, und wäscht alles, mit Ausnahme des Hutes; am andern Tag ist alles wieder trocken. In einer so dünnen Hülle, die so leicht gewechselt und gewaschen wird, belästigt die Hitze fast gar nicht. Es verschwinden zugleich fast alle Terrainschwierigkeiten; denn es ist ziemlich gleichgültig, ob man auf dem Trocknen, im Sumpf oder im Wasser geht. Der Hut, der wegen seiner Zweckmässigkeit eine besondere Beschreibung verdient, besteht aus dem Mark eines Baumes, angeblich Aeschynemone aspera, so porös, leicht, die Wärme schlecht leitend, wie Holundermark. Er ist von grösserem Umfang als der Kopf, man trägt ihn vermittelst eines zollbreiten, geflochtenen Ringes, der innerhalb des Hutes an seinem unteren Rande angebracht, und nur an drei oder vier Stellen so mit ihm verbunden ist, dass die Luft ringsum zwischen Hut und Kopf zirkuliren kann. An der hinteren Seite hängt eine kurze Gardine, um den Nacken gegen die Sonne zu schützen. Der Ueberzug besteht aus hellem Seidenbast, der des breiten unteren Randes aus blauem oder grünem Stoff, um die Augen zu schützen.
Die grosse Furcht vor Schlangen und reissenden Thieren ist ganz ungerechtfertigt. Alle Thiere fürchten sich vor dem Menschen; auch sind die meisten Schlangen giftlos, und alle ziehen sich gewöhnlich bei Zeiten zurück, wenn sie Menschen kommen hören. Wie schwer sie anzutreffen sind, erfährt man am besten, wenn man ihnen eifrig nachstellt. Wir suchten immer nach ihnen; ich zahlte für das Stück 6 pence oder 1 shilling und dennoch habe ich in vier Jahren kaum einige hundert zusammengebracht. Ist erst die Furcht vor ihnen verschwunden, die wohl jeder, der viele Reisebeschreibungen gelesen[S. 120] hat, empfindet, wenn er zum ersten mal den tropischen Wald betritt, so sind sie leicht zu fangen: mit einem Schlag tödtet man sie, auch ist es nicht schwer, sie lebend zu fangen, wenn man sie mit einem Stock gegen den Boden drückt, und sie dann unmittelbar hinter dem Kopf fest anpackt. Die Diener, die mit mir waren, hatten anfänglich immer die grösste Furcht vor allen, auch den ganz harmlosen Schlangen; besonders gefürchtet war die Zunge, die für sehr giftig gilt. Hatten sie aber erst einmal gelernt, wo die Giftzähne sitzen, und sich überzeugt, dass das Thier sonst wehrlos ist, so trat an die Stelle der früheren Furcht eine solche Dummdreistigkeit, dass ich oft Unglück befürchtete. Tritt man unversehens auf eine im Kraut verborgene Schlange, so beisst sie wohl aus Nothwehr, das ist aber auch fast die einzige Gefahr, der man von ihnen ausgesetzt ist, und diese Gefahr ist namentlich für Europäer gering, die gewöhnlich mehrere Personen im Gefolge haben, deren Lärmen die Thiere früh genug warnt.
Von Insekten wird man in Indien viel weniger geplagt als im Süden Europas. Flöhe giebt es nicht, die Läuse der Eingebornen suchen den Europäer nicht heim; dies ist besonders sehr auffallend in den Philippinen, wo die Eingebornen sehr viel reinlicher als die Spanier sind. Jene baden sich täglich und pflegen ihr schönes Haar, während diese in beidem nachlässiger sind, doch haben die Tagalen, namentlich die Frauen, fast immer Ungeziefer im Haar, die Spanier wohl nie.
Gegen alle lästigen Insekten aber und namentlich auch gegen die gefürchteten Moskitos schützt vollkommen das Insektenpulver, wie es auch von Sammlungen die Ameisen fernhält. Eine Tinktur aus 1 Theil Insektenpulver (Pyrethrum roseum), 2 Theilen Alkohol, 2 Theilen Wasser schützt, selbst noch zehnfach mit Wasser verdünnt, alle Körpertheile, die damit benetzt werden, absolut gegen jeden Angriff. Auf den wegen der Moskitos so sehr verrufenen Flüssen von Siam schlief ich oft ohne Moskitonetz ganz nackt in meinem Boot, ohne im Geringsten belästigt zu werden; das Summen, welches sonst jeden Schlaf verscheucht, weil es die Nähe des zum Angriff bereiten Feindes verräth, wird zu einer harmlosen Musik, die einen im Bewusstsein der Sicherheit um so leichter einschläfert. So schützt Benetzung des Bartes und der Hände den Jäger auf der Wasserjagd gegen Mücken, selbst bei der starken Transpiration im dortigen Klima wenigstens 12 Stunden. Besonders interessant ist auch die Wirkung auf die in tropischen Ländern so sehr zahlreichen Ameisen. Vor den Fenstern meiner Wohnung in Albay, auf Luzon, lief ein 6 Zoll breites Brett ringsum das ganze Haus. Auf demselben[S. 121] bewegten sich zwei dicht gedrängte Züge einer schwarzen Ameise in entgegengesetzter Richtung ununterbrochen dicht neben einander hin, so dass die Oberfläche gleichmässig schwarz erschien. Ein handbreiter Streifen dünn gestreuten Pulvers oder verdünnter Tinktur genügte, um sie alle zu vertreiben. Zuerst stauten sich die Züge am Rande des Streifens, dann überschritten ihn die Vordersten, von den Nachfolgenden gedrängt; aber schon wenige Zoll weiter zeigten sich die Merkmale der Vergiftung; sie taumelten, setzten sich auf die Hinterbeine, bewegten ängstlich die Vorderbeine und starben nach einer oder zwei Minuten. Bald darauf verliessen alle das Haus.
Auch die in den Philippinen so verbreitete Krätze wird durch Waschen mit der konzentrirten Tinktur schnell beseitigt; — das Jucken hört augenblicklich auf. Die fast magische Wirkung des für Menschen ganz unschädlichen Mittels scheint noch völlig unaufgeklärt. Es ist gleich wirksam als Pulver, als Tinktur und als Räuchermittel. Ein befreundeter Chemiker sagt mir, dass es ihm trotz der grössten Sorgfalt nicht gelungen sei, ein Alkaloid oder sonst eine eigenthümliche Substanz darin zu finden, der man die Wirkung zuschreiben könnte.
Bei meiner Rückkehr nach Malacca hatte ich Gelegenheit, einen grossen Leichenzug zu sehen, von dem man schon lange viel gesprochen hatte. Die Mutter eines der reichsten Chinesen war vor einigen Monaten gestorben, und heute wurde ihr einbalsamirter Körper in die Familiengruft gebracht. Fast die ganze Stadt betheiligte sich daran. Der Resident-Councillor und alle Magistratspersonen folgten dem Zuge, der indessen hinter den hochgespannten Erwartungen zurückblieb. Er bestand aus einer langen Reihe Chinesen in weissen und blauen Trauerkleidern; einige ritten auf Pferden, die auch mit weissen oder blauen Zeugen behangen waren. Sieben geschlachtete Schweine und sieben Ziegen, je von 4 Kulis getragen, folgten, um draussen verspeist zu werden. Viel feierlicher als die Schweine sahen die Ziegenböcke aus, die bis auf die schwarze Mähne und den schwarzen Bart ganz kahl gebrüht waren. Lärmende Musik ging dem Sarge voraus, der in einem geräumigen Zelt von äusserst kostbar gesticktem Seidenzeug enthalten war, ihm folgte eine grosse Masse Volk, meist Chinesen, und zuletzt die nähern Verwandten in Sackleinen und die Nachbarinnen im blauen Hauskleide, ein weisses Tuch über die Schulter geworfen.
Zögernd und ungern verliess ich Malacca, um einen Dampfer von Singapore nach Borneo zu benutzen; es wurde mir schwer, mich von den[S. 122] lieben Freunden zu trennen, die ich hier zurückliess und wohl nicht wiedersehen werde.
Malacca, die Hauptstadt des gleichnamigen Gebiets, liegt 2° 14' N, 112° O v. Gr., das Klima ist trotz der Nähe des Aequators und der geringen Meereshöhe gesund und angenehm. Der Thermometer schwankt zwischen 17 und 24° R., der Barometer zwischen 29° 8' und 30° 3' Engl. Wie Singapore liegt auch Malacca ausserhalb der Monsuns, daher die Sicherheit seiner Rhede.
Die Stadt soll im zwölften Jahrhundert gegründet worden sein durch einen Fürsten von Singapore, den wahrscheinlich die Siamesen vertrieben hatten. Sie erhob sich schnell zu grosser Bedeutung, und war bei Ankunft der Portugiesen 1509, der reichste Handelsplatz in jenen Meeren, viel besucht von Schiffen aus China, Japan, den Philippinen, den Inseln des Archipels, Vorderindien und Arabien. Namentlich hatte sie zu jener Zeit grosse Wichtigkeit als Stapelplatz der damals in Europa so geschätzten Gewürze. Die Stadt soll über 150,000 Einwohner gehabt haben. Die Portugiesen machten bald nach ihrem Erscheinen diesen Zuständen ein Ende, indem sie alle Schiffe, deren sie habhaft werden konnten, kaperten, und Schifffahrt und Handel verscheuchten. Im Jahre 1511 eroberte Albuquerque die Stadt, plünderte, verbrannte sie und tödtete nach der eigenen Angabe der Portugiesen den grössten Theil der Einwohner, auch Frauen und Kinder. Die Portugiesen behielten Malacca 130 Jahre lang und machten sich unglaublicher Grausamkeiten und Treulosigkeiten schuldig. An die Stelle des früher so blühenden Handels trat ein drückendes Monopol. Im Jahre 1641 fielen nach mehreren vergeblichen Versuchen Stadt und Gebiet den Holländern in die Hände, denen es 1795 die Engländer abnahmen, aber 1818 zurückgaben. 1825 kam Malacca abermals an die Engländer, in Folge des bereits früher erwähnten 1824 in London geschlossenen Vertrages, durch welchen die Streitigkeiten, die aus der Nebenbuhlerschaft der Engländer und Holländer in jenen Meeren entstanden waren, zeitweis ausgeglichen wurden. England tauschte Sumatra gegen Malacca aus; die Holländer erkannten Singapore definitiv den Engländern zu, und beide Mächte verständigten sich dahin, dass die Strasse von Singapore die Grenze ihres beiderseitigen Wirkungskreises bilden solle. Dieser Vertrag ist aber noch fortwährend eine Quelle von Streitigkeiten. Nach der holländischen Auslegung sind die Engländer von allen Inseln des Archipels südlich von der Strasse[S. 123] von Singapore ausgeschlossen, nach der englischen Deutung nur von den unmittelbar südlich von Singapore etwa bis Banca gelegenen Inseln.[51]
In Bezug auf die Handelspolitik machten es die Holländer nicht besser als ihre Vorgänger. Nicht nur der Anbau von Kolonialprodukten, sogar der des Reises, obgleich er fast das einzige Nahrungsmittel der Bevölkerung bildet, war zu Gunsten der Produktion Javas und der Molukken verboten, Grund und Boden fast werthlos, Entvölkerung und Verarmung die natürlichen Folgen so brutaler Gesetze; dennoch behielt die Stadt Malacca immer noch einen ziemlichen Handel, als einziger Stapelplatz für die Produkte der umliegenden malayischen Staaten. Durch das Anlegen einer englischen Kolonie auf Pulo-pinang 1786, namentlich aber durch die Gründung des soviel günstiger gelegenen Freihafens Singapore am Ende der östlichen Meerenge hat sich auch dieser Handel von Malacca gänzlich fort nach jenen beiden Punkten, besonders nach dem letzteren gezogen.
Auch der Ackerbau obgleich jetzt von allen barbarischen Fesseln befreit, macht doch nur sehr geringe Fortschritt und beschränkt sich fast auf den Reisbau. Das Land ist zwar ziemlich reichlich bewässert, wo dies der Fall ist, nicht unfruchtbar und wenn die einheimischen Arbeitskräfte nicht ausreichen, so bietet das nahe Singapore deren in Fülle, so wie es auch ein bequemer Markt für die gewonnenen Produkte ist. Aber bis zur Einführung der neuen Landakte 1863, wurden Kapital und Unternehmungsgeist von Malacca ferngehalten, weil die Regierung den Käufern von Ländereien keine endgültigen Besitztitel geben konnte. In neuester Zeit hat die Bereitung des Tapioka (Stärkemehl der Jatropa Manihot) in Mehl und Perlform solchen Aufschwung genommen, dass sie bereits mit Ausnahme des Zinns den Hauptausfuhr-Artikel der Kolonie bildet. Dieser Erwerbszweig ist ganz in den Händen der Chinesen, wie die Bereitung des Sagos in Singapore. Der Preis des Tapioka ist 3 Doll. für Mehl, 4 Doll. für Perlen per Pikul, während Sago durchschnittlich 2 Doll. als Mehl, 3 Doll. in Perlen kostet. Auch mit Zuckerbau sind einige Versuche gemacht worden, jedoch nur im Kleinen.
Von den Inländern wird Palmenzucker (djaggeri) aus Cocospalmen zum Verbrauch in Malacca und in Singapore gewonnen; für weiteren Export ist er nicht geeignet, da sich bei der rohen Bereitungsart der grösste Theil des ursprünglichen Rohrzuckers in Traubenzucker verwandelt. Der bekannte holländische Chemiker de Vrij hat gefunden, dass der Saft der in Java so verbreiteten Arengpalmen, wenn bei seinem Einsammeln die gehörige Vorsicht angewendet wird, um der so schnell eintretenden Gährung vorzubeugen, keinen andern als reinen Rohrzucker enthält, der durch einfaches Abdampfen krystallisirt erhalten werden kann. Sehr wahrscheinlich verhält sich der Saft der Cocos-, Nipa- (s. S. 12), Palmyra- (Borassus flabelliformis) und anderer Palmen ebenso. Zur Gewinnung des Djaggeri wird die Blüthenscheide der Palme, bevor sie aufbricht, zusammengebunden und ihre Spitze abgeschnitten, der ausquellende Saft in Bambusen aufgefangen und in flachen, eisernen Pfannen eingesotten. Ein- oder zweimal täglich wechselt man die Bambusen und schneidet zugleich eine feine Scheibe des Blüthenkolbens ab, da sich durch das Verdicken des Saftes an der Luft die Kanäle verstopfen (ein Baum liefert jährlich 12–20 ℔ Zucker). Man trinkt den Palmensaft auch frisch oder gegohren und bereitet Essig und Branntwein (Arak) daraus. Dieser Arak schmeckt in Folge des mangelhaften Destillationsverfahrens sehr schlecht und ist nicht zu verwechseln mit dem in Europa beliebten Batavia-Arak, dessen Darstellung in Raffles' History of Java beschrieben wird. Häufiger als der Saft werden die Früchte der Cocospalme ausgebeutet, ihre Hauptverwendung ist zu Oel. — Man versichert in Malacca allgemein, dass eine im vollen Ertrag stehende Pflanzung das Anlagekapital jährlich mit 100% verzinst; danach begreift man nicht, warum nicht viel mehr Cocospalmen gepflanzt werden, wenn sie auch vor dem 4ten oder 5ten Jahr kaum Früchte tragen und erst im 9ten oder 10ten Jahre vollen Ertrag geben. Schliesslich verdient Erwähnung, dass man sich in Malacca zum Pflücken der Nüsse besonders abgerichteter Affen bedient, denen man vermittelst einer Leine, deren eines Ende an ihrem Halsband befestigt ist, signalisirt, ob die von ihnen berührte Nuss abgerissen werden soll oder nicht. Ich habe dies aber nicht selbst gesehen.
Batavia. — Buitenzorg. — Botanischer Garten. — Gunong Salak. — Reisbau. — Kultursystem. — Warongs. — Erdnüsse. — Megamendong-Pass. — Telaga warna. — Pasanggrahans und Gasthäuser. — Preanger Regentschaften. — Bandong. — Junghuhn.
Anfangs Juli 1858 fuhr ich auf dem kleinen Postdampfer Palémbang, der den für die holländischen Besitzungen bestimmten Theil der Ueberlandpost abgeholt hatte, von Singapore nach Batavia. Das Schiffchen war musterhaft gehalten, aber trotz holländischer Reinlichkeit und französischer Küche nicht sehr angenehm, da man sich wegen der Kleinheit desselben nirgends der durch die Feuerung sehr erhöhten Temperatur entziehen konnte. Uebrigens war die Fahrt zwischen unzähligen schön belaubten Inseln sehr anziehend. Wir hielten einen Augenblick vor Rhiow auf der Insel Bintang und vor Muntok auf Banka (das die Engländer Lord Minto zu Ehren gern Minto nennen), um Post und Passagiere auszutauschen und erreichten nach 60 Stunden unser Ziel, dessen Entfernung von Singapore etwas mehr als 500 Seemeilen beträgt. Die Rhede von Batavia erschien einsam nach der von Singapore. Ein kleiner Privatdampfer kam uns entgegen und brachte einige Kaufleute, welche die Ankunft ihrer Briefe nicht erwarten konnten. Wir landeten am Zollhaus; die Untersuchung des Passagiergepäcks war nur formell und wurde mit der grössten Höflichkeit vollzogen. In hübschen, zweispännigen Wagen fuhren wir sogleich nach Weltevreden in das Hotel des Indes, dessen glänzend erleuchtete Veranden und Gärten an die Conversationshäuser eleganter Badeorte erinnerten.
Im eigentlichen Batavia wohnt fast kein Europäer mehr. Die alte, früher als ungesund so berüchtigte Stadt enthält aber noch die zum Geschäftsbetrieb nöthigen Gebäude, öffentliche sowohl als private. Morgens füllt sie sich mit Beamten, Geschäftsleuten, Schiffern, abends steht sie leer, — so sagen wenigstens die Europäer, welche die Eingebornen, die dann allein die Strassen beleben, nicht rechnen. Ehemals, als Batavia[S. 128] von Mauern und stehenden Gewässern umgeben und die nach holländischem Muster gebauten, schlecht gelüfteten Häuser dicht bewohnt waren, soll die Sterblichkeit, durch allerlei Excesse, besonders im Trinken, vermehrt, furchtbar gewesen sein. Jetzt sind die Mauern niedergerissen, die Gräben zum Theil zugeschüttet, und die Bewohner haben sich in die südlich von der alten Stadt belegenen Dörfer Weltevreden, Molenvliet, Rijswijk zurückgezogen; die ehemaligen Kolonisten, die zum grossen Theil aus Glücksjägern bestanden, sind durch Männer aus den besten Elementen des holländischen Volks ersetzt worden; an Stelle der früheren rohen Genüsse sind Mässigkeit und die verfeinerten Vergnügungen einer gebildeten Gesellschaft getreten; daher hat sich der Gesundheitszustand ausserordentlich gebessert. Weltevreden ist überraschend hübsch, besonders Abends, wenn es in vollem Putz steht; dann sind die immer sauber gehaltenen, meist von blühenden Hecken eingefassten Wege reichlich besprengt und mit eleganten Equipagen bedeckt, unzählige Lichter in matten Glaskugeln glänzen in allen Richtungen durch das Laub. Früher war das ganze Gebiet von einem Walde eingenommen, jetzt ist es ein schöner, grosser Park, von breiten Strassen und Kanälen durchschnitten. Unter den Häusern sind manche Prachtgebäude, aber auch die kleinsten schimmern durch die Bäume und Sträucher der Vorgärten so zierlich und anspruchsvoll, als wollten sie für kleine Paläste gelten. Jedes hat einen reich erleuchteten Portikus, der Abends gewöhnlich durch Damen in voller Toilette geschmückt ist. Auch die Herren sieht man um diese Zeit nur im Gesellschaftsanzug, schwarzem Tuchfrack, Glaçéhandschuhen und schwarzer Tuchhose; die leichte, bequeme, weisse Kleidung, mit der man in Singapore in jeder Gesellschaft erscheint, ist hier verbannt; Hüte sieht man selten, selbst Reiter tragen gewöhnlich keine Kopfbedeckung.
Nach kurzem Aufenthalt fuhr ich mit einem Freunde aus Singapore in vierspänniger Extrapost nach Buitenzorg. Das Reisen auf diese Weise ist zwar kostspielig, doch billig im Verhältniss zu dem aufgebotenen Apparat, wenigstens vier tüchtigen, kleinen Pferden, einem Kutscher und zwei Läufern. Die Pferde laufen immer Galopp, alle fünf bis sechs Paal hält der Wagen unter einem grossen Schuppen, der die ganze Breite der Strasse überdacht. Geschäftige Kulis begiessen die Achsen mit Wasser, um sie zu kühlen. Sobald umgespannt ist, laufen die „Loopers” so lange neben den Pferden her, bis diese durch Schreien und Peitschenhiebe in das gehörige Tempo gebracht sind und springen dann auf ein hinten am Wagen für sie angebrachtes Brett, von wo aus[S. 129] sie durch Knallen und Schreien die Pferde weiter antreiben, bis irgend eine kleine Unordnung, die bei den eigensinnigen Pferden selten lange ausbleibt, sie wieder zwingt, nebenher zu laufen. In vier Stunden legten wir die Strecke von etwa 40 Paal zurück. Die Poststrasse ist vortrefflich; neben ihr läuft ein desto schlechterer, in der nassen Jahreszeit unergründlicher, bei trockenem Wetter im höchsten Grade holpriger Weg, auf welchem die Frachtgüter in Büffelkarren, von denen uns lange Züge begegneten, transportirt werden.[52] Weltevreden nebst den übrigen von Europäern bewohnten Dörfern dehnt sich fast bis zur ersten Poststation aus, nur werden die Häuser immer ländlicher, die Gärten grösser, und gehen allmälig in Pflanzungen über. Hinter der zweiten Station sahen wir die ersten Reisfelder. Das Land erscheint ganz flach, denn obgleich Buitenzorg 850 Fuss höher liegt als Batavia, so ist die Erhebung eine so allmälige, dass man nichts davon merkt. Erst wenn man jenem Orte näher kommt, wird die Landschaft welliger, im Hintergrunde erscheinen die hohen Kegelberge Salak und Pangerango, die von Batavia aus in dieser Jahreszeit wegen der trüben Luft selten sichtbar sind.
Buitenzorg, malayisch Bogor, liegt grade südlich von Batavia und ist die gewöhnliche Residenz des General-Guvernörs. Sein glänzender Palast ist von einem schönen Park umgeben, an welchen sich der, allen Botanikern wenigstens dem Rufe nach, so wohlbekannte Garten anschliesst. Er nimmt die schmalste Stelle eines flachen Rückens ein, dessen Ostseite steil gegen das Flüsschen Tjiliwung abfällt, während die Westseite in sanften Wellen in ein reich bebautes, von dem Tjidani in vielen Windungen durchflossenes Thal übergeht. Im Süden, jenseits des Wassers, begrenzen den Horizont rechts der Salak, links der Pangerango in schönen Linien, wie sie nur Vulkanen eigen sind.[53] Mehr noch als durch seine schöne Lage, zeichnet sich der Garten durch seine Pflanzenschätze aus, unter denen wohl jetzt schon alle bemerkenswertheren Nutz- und Zierpflanzen des Archipels vertreten sind. Besonders reich ist die Sammlung der ersteren. Fast alle von der holländischen Regierung in ihre Kolonie neu eingeführten Kulturpflanzen haben hier ihre erste Station gemacht, und mancher Baum, dessen zahlreich verbreitete[S. 130] Nachkommenschaft jetzt wichtige Produkte liefert, steht hier noch als Stammvater seines Geschlechts und kulturgeschichtliches Denkmal.
Von besonderem Interesse, als etwas Neues, war damals eine Vanillepflanzung (Vanilla planifolia), die mehrere lange Spaliere bekleidete und eine bedeutende Ernte versprach. Die Vanille war zwar schon lange in Java eingeführt, trug aber keine Früchte, weil das Insekt fehlte, das in Amerika die Befruchtung vollzieht. Herr Teysmann, der „Hortulanus”, war der erste, der die künstliche Befruchtung bei dieser Kultur anwandte, und durch reichlichen Ertrag belohnt wurde. Bei weitem die grösste Sehenswürdigkeit war aber eine blühende Rafflesia Arnoldii, eine der ersten, die in Java geblüht haben, da die Einführung aus Sumatra erst vor Kurzem geglückt war. Diese merkwürdige Pflanze, eines der grössten Wunder der Pflanzenwelt, besteht nur aus einer prächtigen Blume von 3 - 31/2 Fuss Durchmesser und schmarotzt ohne Stiel und Blätter pilzartig auf dem Stamm oder der Wurzel einer grossen Liane (Cissus scariosa oder serrulata). Das Verdienst, sie aus Sumatra eingeführt zu haben, gebührt ebenfalls Herrn Teysmann, aber der Ruhm, sie in Europa zur Entfaltung zu bringen, was bei den heut vorhandenen Mitteln und bei ernstem Willen wohl sicher gelingen müsste, ist noch zu erlangen.
Während meines hiesigen Aufenthalts brachte eine Stafette von Junghuhn auf Lembang ein kleines in feuchte Baumwolle verpacktes Pflänzchen, das trotz der nächtlichen Stunde sogleich dem General-Guvernör übergeben wurde und grosse Freude erregte. Es war der erste auf Java selbst gepflückte Same einer Cinchona, der gekeimt hatte.
Erst in den fieberreichen tropischen Ländern lernt man den Segen des Chinins gehörig würdigen. Der Verbrauch dieses köstlichen Heilmittels würde noch viel grösser sein, wenn der hohe Preis es nicht Vielen unerreichbar machte. In den südamerikanischen Wäldern haben zwar nicht die Chinarinden im Allgemeinen, wohl aber die chininreichen Calisaya-Rinden in Besorgniss erregender Weise abgenommen[54]. Die holländische Regierung hatte daher lange beabsichtigt diese Bäume in ihre Kolonien einzuführen, aber erst 1852 gelang dies dem General-Guvernör Herrn Pahud zur Zeit als er Kolonialminister war. Die durch Herrn Hasskarl aus Peru geholten Samen wurden theils in Java,[S. 131] theils in verschiedenen botanischen Gärten in Holland ausgesäet, von ersteren gingen unverhältnissmässig wenige auf; aber auch als die Sämlinge von Holland in Java eintrafen, schien der Erfolg des Unternehmens nicht gesichert; es wurde bezweifelt, ob man Bäumen, die eine so beschränkte lokale Verbreitung haben, dass sie nie ausserhalb ihrer eigenthümlichen Bezirke angetroffen werden, in Java das zu ihrem Gedeihen erforderliche klimatische Medium verschaffen könnte. Die ersten Versuche waren nicht ermuthigend, die meisten Pflanzen gingen aus; als endlich einige blühten, fielen die Blüthen fast alle ab, ohne Samen anzusetzen, und als man schliesslich reife Samen erhielt, wurde ihre Keimfähigkeit bezweifelt. Durch die Ankunft des jungen Pflänzchens, dem am folgenden Tage im Buitenzorger Garten ein Ehrenplatz angewiesen wurde, schien die Akklimatisation dieser wichtigen Pflanzen, von denen später noch ausführlicher die Rede ist, gesichert.
Von Seiten des General-Guvernörs fand ich eine überaus entgegenkommende Aufnahme; auch hatte ich das Glück seine liebenswürdige Familie kennen zu lernen. Durch die Güte meiner Freunde in der Berliner Akademie musste ich ihm wohl sehr angelegentlich empfohlen sein; denn er bot mir sogar den kostenfreien Gebrauch der Regierungspostpferde an, eine Gunst, die sonst nur hohen, in Angelegenheiten der Regierung reisenden Beamten zu Theil wird. Alle meine Einwendungen gegen eine so ausserordentliche Begünstigung und meine Versicherung, dass ich nur zu meiner Belehrung und zu meinem Vergnügen reise, wurden den amtlichen Empfehlungsdokumenten gegenüber für Aeusserungen der Bescheidenheit aufgenommen. Als ich am folgenden Abend aus dem Palast nach Hause kam, fand ich nicht nur den Befehl, mir auf meiner Reise durch Java die Regierungspostpferde unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, sondern auch einen Empfehlungsbrief an alle Beamte in Java und den andern holländischen Besitzungen. Wie sehr ich auch von einem so unverdienten Wohlwollen überrascht war, so ahnte ich doch nicht, dass das Empfehlungsschreiben des General-Guvernörs ein Talisman war, der den glücklichen Besitzer für die Dauer seines Aufenthalts in Java in eine Art von Prinzen verwandelt, wie es sonst nur im Mährchen geschieht.
Einige Tage später trat ich auf einem bescheidenen Pony meine Reise an, da ich mich nicht für berechtigt hielt, wie ein hoher Beamter zu reisen. Ein junger Mann, der Land und Leute genau zu kennen behauptete, schloss sich mir an, er war sehr zuvorkommend, hatte, während ich in Buitenzorg Ausflüge machte, meine Sachen gepackt und[S. 132] expedirt und begleitete mich auf der ersten Tagereise. Unterwegs sprach er mehreremal den Wunsch aus, dass ich ein gutes Wort für ihn bei den „Herren Residenten” einlegen möchte, da ihm dies von grossem Nutzen sein könnte. Dies war die erste Wirkung meines Talisman, ich war plötzlich in einen grossen Herrn verwandelt, um dessen Gunst man sich bewarb. Das Ziel meiner Reise war Lembang, wo Junghuhn, der Verfasser des vortrefflichen Werkes über Java, seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte.
Von Batavia bis Bogor führt die Strasse fast genau nach Süd bis an den Fuss des Gunong Salak, der sich zu 6760' erhebt, dann läuft sie an seinem Nordostrand entlang bis Gadok, wo ein Sanatarium unter Leitung eines deutschen Arztes, des auch in Europa wohlbekannten Ornithologen Dr. Bernstein besteht.[55] Bis Gadok hat man den Salak immer zur Rechten, der ganze untere Theil seines Abhanges ist durch Menschenhand in breite Terrassen gegliedert, die sich wie eine Riesentreppe bis zu 2000 Fuss Höhe hinaufziehen; es sind die Sawas, Reisfelder mit erhöhten Rändern, in denen das Gebirgswasser, bevor es die Tiefe erreicht, gezwungen wird einen ausserordentlich vergrösserten Flächenraum zu bewässern und dadurch für den Reisbau nutzbar zu machen. Der Salak erscheint von hier wie eine enorme Pyramide auf einem Unterbau von Sawas. Von der oberen Grenze der Reisfelder bis zum Gipfel ist alles mit dichtem Wald bedeckt. Die terrassenförmigen Sawas (sawa darat) scheinen den Berglandschaften Java's eigenthümlich zu sein; in der grossen nördlichen Alluvialebene und auf den zentralen Tafelländern wird der Reis in flachen mit kleinen Dämmen umgebenen Feldern (sawa dalam) gebaut, wie in vielen andern Reisländern; sie unterscheiden sich, aus der Ferne gesehen, vielleicht nur durch das lebhaftere Grün von unseren Kornfeldern. In Java werden aber auch die Abhänge der Berge zum Reisbau benutzt, indem man sie bis zu grosser Höhe mit künstlichen Teichen umgiebt, die wie die Bänke eines Amphitheaters hinter einander aufsteigen. Sie folgen den Konturen der Berge und bringen dadurch etwas Architektur in die Landschaft, ein Element das sonst in tropischen Bildern fast immer fehlt, wo das Wirken des Menschen so winzig und das der Natur so gewaltig ist. Der Boden eines jeden dieser Teiche ist völlig eben und an der Aussenseite von einem etwa fusshohen[S. 133] Damm eingefasst, der an mehreren Stellen kleine Einschnitte hat, durch welche das Wasser in unzähligen in der Sonne glitzernden Streifen aus den höheren Becken in die tieferen fliesst, wodurch zugleich das Stagniren verhindert wird. Die Art den Boden dieser Becken zu ebnen ist sehr zweckentsprechend: die nach dem Berg zu schräg ansteigende Erde wird mit spitzen Stöcken aufgelockert, dann lässt man den Teich bis an den Rand voll Wasser strömen, die lockere Erde wird zu Schlamm, der sich allmälig absetzt und einen völlig ebenen Boden bildet. Das Berieselungswasser wird entweder unmittelbar von höher liegenden Rinnsalen, oder von seitlich oft ziemlich fern gelegenen Bächen durch künstliche Kanäle (Solokan) auf die Sawas geleitet. Das Wasser führt alljährlich neues fruchtbares Erdreich aus dem Gebirge zu, eine andere Düngung erhalten die Sawas nicht, von denen manche Jahrhunderte lang in ununterbrochener Reihenfolge Ernten liefern sollen.
In der Broschüre Het Rijst[56] ist ein Reisbau-Kalender angeführt, nach welchem der Javane das Jahr in zwölf sehr ungleiche, den verschiedenen Phasen des Reisbaus entsprechende Zeiträume theilt. Danach findet das Verpflanzen der bereits fusshohen, 40–50 Tage alten, in besonderen Beeten gezogenen Sämlinge im März, die Erndte im Juli statt. Da aber in Java die Jahreszeiten nur in Bezug auf die Regenmenge wesentlich von einander abweichen, so sind künstlich bewässerte Sawas von der Jahreszeit fast unabhängig. Daher finden an verschiedenen Orten fast alle auf den Reisbau bezüglichen Verrichtungen gleichzeitig nebeneinander statt; namentlich empfängt der Reisende den Eindruck, als wären die einzelnen Verrichtungen an keine bestimmte Jahreszeit gebunden, da er bald auf grüne, bald auf gelbe Reisfelder blickt, heute pflanzen, morgen ernten sieht. Sawas haben deshalb einen vielfach (nach Crawfurd 5 bis 10fach) höheren Werth als Land, das nicht zu bewässern ist. Ausser in Sawas wird in Java auch Reis (Bergreis) in Gagas und Tegals gebaut. Gagas sind neue Lichtungen, in denen die Bäume nur theilweis gefällt und verbrannt sind. Man stösst an den geeigneten Stellen mittelst eines spitzen Stockes Löcher in den Boden, in welche man je einige Reiskörner wirft und erhält so ohne alle weitere Vorarbeiten nach 4 bis 5 Monaten eine mässige Ernte. Durch weiteres Aufräumen und Verbrennen der Baumstämme und Urbarmachen des Bodens verwandelt man die Gaga in ein Tegal oder Tipar auf dem regelmässig[S. 134] Bergreis gebaut wird, oder in eine Sawa falls die Stelle fortdauernd bewässert werden kann. Gagas sind daher der Anfang aller Reiskultur. Die roheren Völker des Archipels haben es kaum bis zu den Gagas gebracht. Von allen Inseln des Archipels hat in Java der Reisbau die höchste Stufe der Vollkommenheit erreicht. Noch jetzt erzeugen nur die fruchtbarsten, zivilisirtesten Inseln — Java, Bali, Lombok und einige der Philippinen — mehr Reis, als sie verzehren. Auf den Molukken fehlt der Reisbau ganz; in Borneo, Celebes, Sumatra und manchen der Philippinen ist er noch äusserst unvollkommen und in demselben Verhältniss stehen auch die Bewohner auf einer tieferen Kulturstufe. Einige bauen Bergreis, doch selten in ausreichender Menge und ersetzen den Ausfall durch bequemer zu erlangende aber noch stickstoffärmere Nahrungsmittel, besonders Knollengewächse und Früchte und Mark von Palmen.
Bei der Reis-Ernte, die auf trockenem Felde stattfindet, da das Wasser schon Wochen vorher abgelassen worden, wird jeder Halm einzeln geschnitten; es wäre ein Frevel eine so köstliche Gabe Gottes weniger rücksichtsvoll zu behandeln. (Eine ähnliche abergläubische Verehrung hat sich in Deutschland in Bezug auf „das liebe Brod” erhalten, während es nicht gerade für sündlich gilt bessere und theurere Nahrungsmittel zu vergeuden.) Der grösste Theil des Halms bleibt auf dem Felde stehen, man lässt nur einen kurzen Stiel an der Aehre. Bei einer so zeitraubenden Art zu ernten ist es nöthig, die ganze Bevölkerung des Dorfs, alt und jung aufzubieten. Der Schnitterlohn ist hoch, er beträgt 1/5 bis 1/10 der Ernte. So empfängt jeder einen Antheil auch wer kein Feld besitzt.
Trotz seiner grossen Fruchtbarkeit erzeugt Java nach dem Verfasser von „Het Rijst” nicht hinreichend Reis, um seine Bevölkerung angemessen zu ernähren. Ein grosser Theil, fast 1/10 geht durch die fehlerhafte Art des Enthülsens mittelst Stampfens in Holzmörsern verloren, wobei sehr viel Körner zerbrochen, die Bruchstücke zermalmt und beim Waschen fortgeführt werden. Die Hauptursachen des Uebels findet er aber in dem gemeinschaftlichen Grundbesitz der Dorfbewohner, im „Kultursystem” und in dem Ausschliessen der europäischen Privatindustrie: drei grosse Uebelstände, und als solche von allen liberalen Beamten anerkannt, aber schwer zu beseitigen, da mit ihnen das ganze jetzt herrschende System fallen würde. Da noch oft vom „Kulturssytem” die Rede sein wird, so dürfte gleich hier eine kurze Beschreibung desselben am Platz sein.
Nach einer kleinen Schrift des ehemaligen General-Guvernörs Duymaer van Twist, betitelt „Artikel 56” war die Grundlage des vom General van[S. 135] den Bosch eingeführten Kultursystems: Ein Dorf, welches den fünften Theil seiner Reisfelder zum Bau von Produkten für den europäischen Markt hergab, die nicht mehr Arbeit erforderten als der Reisbau, sollte von der Grundsteuer befreit sein. Der durch Taxe festzustellende Mehrwerth des Produkts über die schuldige Grundsteuer sollte einem solchen Dorf zu gut kommen; die Missernten sollten für Rechnung der Regierung sein, in sofern sie nicht durch Mangel an Eifer und Fleiss seitens der Javanen veranlasst waren. Die Bestellung von einem Fünftel des Bodens mit Gewächsen für den europäischen Markt befreite den Javanen von der schuldigen Grundsteuer und der Bauer war seinen Verpflichtungen nachgekommen, wenn er das Gewächs bis zur Reife gebracht hatte; die Arbeit in der Fabrik sollte so viel als möglich durch freie Arbeiter verrichtet werden, v. d. Bosch betrachtete sein System nur als ein Mittel, um die nach dem belgischen Krieg (1830) grosse Finanznoth seines Vaterlandes zu lindern, indem er den Anbau von Kolonialprodukten in Java durch künstliche Mittel ausserordentlich schnell ausbreitete, viel schneller als er sich spontan unter völliger Freiheit, besonders zu einer Zeit entwickelt haben würde, wo der Unternehmungsgeist viel geringer war als gegenwärtig. Aus seinen Schriften geht hervor, dass er seine geniale Schöpfung nur als eine Uebergangsstufe zur Privatindustrie mit freier Arbeit betrachtete; und die Absicht hatte allmälig die einmal eingerichteten Pflanzungen an Privatleute zu verpachten; — und auch dies sollte nur ein Uebergang zum individuellen Grundbesitz und zur Kolonisation durch Europäer sein. Wäre das System genau nach den obigen Grundsätzen durchgeführt worden, so hätte die inländische Bevölkerung wohl zufrieden sein können, denn sie war gewöhnt der an die Stelle der einheimischen Fürsten getretenen, und daher für die Besitzerin des Bodens geltenden Regierung 1/5 ihrer Ernte und 1/5 ihrer Zeit als Abgabe für den Niessbrauch des Bodens zu zahlen. Das ursprüngliche System wurde aber allmälig so verändert, dass jetzt noch, nach Duymaer van Twist, die Regierung einfach den Inländern den Boden fortnimmt den sie zur Erzielung von Produkten für den europäischen Markt bedarf, und die ansässige Bevölkerung zwingt, gegen einen von ihr festgesetzten Lohn denselben nach ihren Anordnung zu bebauen. Bei einigen Kulturgegenständen die grössere Sorgfalt in der Bereitung erfordern, nimmt sie die Vermittelung europäischer Privatleute zu Hülfe, denen sie zum Theil Kapital zinsfrei vorschiesst, Frohnarbeiter stellt u. s. w.
Eine natürliche Folge des Kultursystems war, dass alle Privatindustrie wegen der Konkurrenz, die sie dem Regierungsmonopol gemacht[S. 136] haben würde, in der Regel nicht gestattet war, und wo sie ausnahmsweise gestattet wurde, meist nur unter Beschränkungen aller Art und eifersüchtiger Kontrolle der Regierungsbeamten, die mit grosser diskretionärer Gewalt bekleidet, nicht gern unabhängige Europäer neben sich duldeten. — Ein so grossartiges und konsequent durchgeführtes Monopolsystem hat wohl noch nie und nirgends bestanden; um so glänzender ist der Triumph der Freihandelsprinzipien, wenn auch seine praktischen Folgen bisher noch gering waren; denn es hat sich die Thatsache ergeben, dass das System, „das einst bestimmt schien, ganz Java in ein grosses Kulturland zu verwandeln, in dem die ganze Bevölkerung für Rechnung der Regierung gewinnbringende Produkte für den europäischen baute (D. v. T.)”, auf die Erzeugung der meisten derselben nicht mehr Anwendung findet, weil es nicht lohnend war, dieselben mit Frohnarbeit auf von der Bevölkerung urbar gemachtem Boden selbst unter Aufsicht ebenso fähiger und eifriger als rechtlicher Beamten zu bauen; während gleichzeitig Privatleute, in so weit ihnen überhaupt der Landbau gestattet war, auf gepachtetem Boden mit nach dem Marktpreis bezahlter Arbeit in denselben Zweigen des Ackerbaues, welche sich die Regierung aufzugeben veranlasst sah, glänzende Ergebnisse erzielten. Die Zuckerfabrikanten, die in Folge ihrer Kontrakte Anspruch auf sehr billige Zwangsarbeit hatten, verzichteten in manchen Fällen darauf, weil sie freie Arbeit billiger fanden. Ja die Regierung selbst fand es zuweilen vortheilhaft, diesen Weg einzuschlagen: bei den Wasserbauten in Surabaya kosteten die Erdarbeiten 1 fl. 50 d. per Kubikmeter, bei Zwangsarbeit zu 20 d. Tagelohn, und als man freiwillige Arbeiter zu 30 d. Tagelohn annahm, 0,60 d.; 2 freiwillige Arbeiter leisteten also so viel als 7,5 Zwangsarbeiter (Tijdsch. v. Nederl. Indie 1858, II. 294). Gegenwärtig liegt den holländischen Kammern ein Gesetzentwurf vor, wonach alle Regierungskulturen, mit Ausnahme jedoch des Kaffeebaues, aufgegeben werden sollen. —
Hinter Gadok wird die Gegend immer schöner: einzelne Gruppen Fruchtbäume, von Palmen überragt, erheben sich aus den Reisfeldern und verbergen unter ihrem Laubdach die Desas (Dörfchen), deren aus Bambus zierlich geflochtene Hütten zwischen einem Wohnhaus und einem Korbe die Mitte halten. Jetzt hatten wir das Gedehgebirge, dessen höchster Gipfel 9326' erreicht, gerade vor uns. Es begann zu regnen, wir suchten Schutz in einem Warong; so heissen die Garküchen unter Bambusschuppen, welche man auf allen Landstrassen Javas findet. Die in ihnen feilgebotenen Speisen sind schmackhaft, mannichfaltig und unglaublich[S. 137] billig. Die Zeche mancher Gäste beträgt nicht über 1 bis 2 Deuten, deren 160 erst einen Gulden ausmachen. Arecanüsse, Betelpfeffer und Tabak fehlen nie im Warong. An Speisen findet man namentlich Reis in den verschiedensten Zubereitungen, getrocknete Fische und Ding-ding d. h. Fleisch von Hirsch oder Büffel, das entfettet, in äusserst dünne Scheiben quer gegen die Muskelfaser geschnitten, mit Salz und Pfeffer bestreut, an der Sonne getrocknet und wie Zwieback gegessen wird; ferner Sambals, sehr pikante, stark gepfefferte Salate. Ausser Thee und Palmensyrup sind zur Erfrischung häufig Kokosnüsse, Bananen, Oranien u. s. w. vorhanden. Ein eigenthümliches Gericht bestand aus 1/2 Zoll dicken Kuchen von Erdnüssen, katjang-tana, (Arachis hypogaea), auf denen ein zollhoher oranienrother Schimmel wuchs. Die Erdnüsse werden zur Grösse von Gries zermahlen und die daraus gebackenen Kuchen wie die Roquefortkäse so lange in dunkeln, feuchten Räumen aufbewahrt, bis sich der Schimmel gebildet hat, der ihnen erst den so geschätzten Geschmack giebt.[57]
Um die Warongs entfaltet sich fast immer ein buntes Volksleben. Da erholen sich die müden Lastträger unter dem Schatten eines breiten Waringibaumes und tauschen mit den Nachbarn Neuigkeiten aus. Eine besonders willkommene Staffage nach dem langen Aufenthalt in Singapore waren die vielen Frauen. Sie tragen ihre kleinen nackten Kinder rittlings auf der linken Hüfte, unterstützt durch ein über die entgegengesetzte Schulter geschlungenes Tuch, Slendang; bei längeren Märschen hüllen sie dieselben in ein Stück Zeug, das sie tornisterartig auf den Rücken binden, so dass nur Kopf, Arm und Beine herausragen, wie die Glieder einer Schildkröte aus ihrer Schale; naht ein Fremder, so zieht das Kleine auch gleich sein Köpfchen unter das Tuch zurück. Die ärmeren Weiber tragen hier gewöhnlich kein anderes Kleidungsstück als einen einfachen Sarong, der entweder unmittelbar über oder unter der Brust zusammengebunden wird und von da herabhängt. — Starke Brüste werden hier nicht geschätzt. Im Gegensatz zur europäischen Kleidung ist die malayische mehr auf das Beseitigen als das Hervorheben derselben berechnet.
Hinter Levimalam gelangt man an den Fuss des Megamendong, der die Grenze zwischen der Residentschaft Buitenzorg und den Preanger Landen bildet. Die Strasse überschreitet ihn mit Verschmähung fast aller Zickzacklinien auf einem Pass von 4620 Fuss. Daher ist dies Joch für Lastwagen nicht übersteigbar; leichte Postchaisen gebrauchen einen Vorspann von 6 Büffeln; der Güter-Transport geschieht durch Lastträger, und wird dadurch so vertheuert, dass er sich auf unentbehrliche Gegenstände beschränken muss. Nur auf grossem Umwege und nicht zu allen Jahreszeiten können die reichen Erzeugnisse des Ackerbaues aus den Preanger Landen Batavia erreichen. Auf schwierigen Gebirgswegen werden sie in Büffelkarren nach Tjikao, an die Grenze der grossen nördlichen Ebene, geschafft, und setzen von dort auf dem durch Aufnahme mehrerer Bäche für Prauen schiffbar gewordenen Tjitarum in einem grossen Bogen und vielen Windungen die Reise bis ins Meer, und dann zur See nach Batavia fort. Da die Transportmittel so unvollkommen und der Boden in den Preanger Regentschaften sehr fruchtbar ist, so sind dort alle Lebensbedürfnisse sehr billig; der Pikul Reis kostet selten mehr als 11/2 bis 2 fl.; es herrscht keine sichtbare Noth, aber auch kein Wohlstand, und grosse Einfachheit der Sitten.[58] Ein schmaler kühler Waldweg führt nach[S. 139] einem nahe gelegenen kleinen See, Telaga-warna, einem alten Kraterbecken. Die steilen Wände sind mit dichtem Wald bekleidet, zwischen den Hochstämmen viele Baumfarne, wilde Musen und Scitamineen. Die alten Bäume sind mit kletternden Farnen, Moosen und blühenden Orchideen bedeckt. Das Wasser ist spiegelglatt, nicht ein Laut ertönt, um das Gefühl der Waldeinsamkeit zu stören. Die Strasse steigt an der Südostseite des Jochs hinab: tiefe Schluchten erlauben häufig einen Einblick in die Struktur des Berges. Es wurde dunkel, bevor wir Tjipanas erreichten, nach einer heissen Quelle benannt, die hier in 3390 Fuss Höhe am nördlichen Abhang des Pangerango oder Gedeh-Gebirges hervorbricht. Hier steht ein einfaches Landhaus mit einem grossen Garten für den General-Guvernör, der zwar nur selten Zeit hat, die Besitzung zu besuchen; der Garten liefert ihm aber in dieser Meereshöhe unter Leitung eines europäischen Gärtners eine solche Fülle der feinsten europäischen Gemüse für die Tafel, dass immer noch sehr viel für etwa Durchreisende übrig bleibt, die das Glück haben, in der Wohnung des Gärtners Aufnahme zu finden. Heute gelang es nicht. Wir ritten nach dem einen Paal weiter entfernten Padjit, wo ein Pasanggrahan steht, d. h. ein geräumiges Haus mit Nebengebäuden zur Aufnahme der im Dienste der Regierung reisenden Beamten. In allen grösseren Orten giebt es Gasthäuser, in denen nicht mehr als 5 Gulden für den Tag und die Person gefordert werden darf. An solchen Orten, wo die Frequenz der Reisenden zu gering ist, um die Kosten zu decken, macht die Regierung die nöthigen Zuschüsse; an weniger besuchten Orten, besonders in den Kaffeedistrikten, sind für die kontrolirenden Beamten Pasanggrahans angelegt. Hier traf ich einen mir schon dem Namen nach bekannten deutschen Arzt, der mir für den folgenden Tag einen Platz in seinem Wagen zur Reise nach Tjandjur und Bandong anbot, was dankbar angenommen wurde.
Am folgenden Morgen fuhr ich mit meinem neuen Bekannten, welcher „Officier van Gezondheid” für die Preanger Regentschaften war, vor Tagesanbruch in offenem Wagen vierspännig und von drei Vorreitern begleitet weiter. In Folge des Geräusches, das ein über den Wagen als Sonnendach ausgespanntes Zinkblech verursachte, wurden die Pferde so unlenksam, dass wir, um Zeit zu gewinnen zwei davon ausspannten und zurücksandten. Das Mittel hatte den gewünschten Erfolg. Tjandjur war bald erreicht, wir stiegen im Bungalow des Doktors ab. Während des Frühstücks vertrieben uns zwei zahme Hirsche und zwei Affen die Zeit. Einer der letzteren, ein behender Hylobat, war äusserst drollig und unerschöpflich[S. 140] in Neckereien gegen einen Lotong (Semnopithecus maurus), dem er an Gewandheit sehr überlegen war.
Tjandjur ist die Hauptstadt der Preanger Regentschaften, welche die grösste Provinz Java's bilden und an interessanten geologischen, namentlich vulkanischen Erscheinungen, malerischer Schönheit und schnellem Wechsel zwischen hochkultivirten Ländereien und wilden Gebirgs- und Waldlandschaften von keiner Provinz übertroffen werden. Das ausserordentlich sanfte, liebenswürdige, einfache, biedere Wesen der Bewohner verleiht ihr noch einen ganz besonderen Reiz. Das Verbot des Opiums in dieser Provinz und die Ausschliessung der Chinesen — nur einige sind in den Hauptorten unter der unmittelbaren Aufsicht der europäischen Beamten zugelassen — tragen gewiss wesentlich dazu bei die Sitteneinfachheit aufrecht zu erhalten. Die Provinz fiel den Holländern nicht durch Eroberung, sondern durch Verträge mit den einheimischen Fürsten zu. Als eine Folge davon haben die von ihnen abstammenden Regenten eine etwas unabhängigere Stellung als die in den andern Provinzen, und da sie meistens auch grosse Einkünfte beziehen, so führen sie einen glänzenden Hofstaat, der viele interessante Eigenthümlichkeiten darbietet. Die Bewohner dieser Provinz und des ganzen westlichen Theils von Java sind Sundanesen und haben ihre eigene Sprache. Im östlichen Java wird javanisch gesprochen, an den Küsten malayisch, welches aber auch im Innern so verbreitet ist, dass der Reisende damit ausreicht. Wir machten dem Residenten und übrigen Beamten unsern Besuch. Nachmittags sollte die Umgegend besichtigt werden, was aber wegen heftigen Regens auf den folgenden Tag verschoben wurde.
15. Juli. Morgens 4 Uhr erschien zur Spazierfahrt ein vom Regenten gesandter schöner vierspänniger Wagen mit zwei Livréebedienten vor unserer Thür. Nachmittags machten wir, von mehreren holländischen Beamten begleitet, einen Ritt durch Stadt und Umgegend. Die Häuser der Europäer sind von Stein, einstöckig, geräumig, meist mit einer Säulenhalle versehen, das Erdgeschoss ist nur wenige Fuss über dem Boden erhaben, schöne Gärten umgeben sie. In den von den Eingebornen bewohnten Stadttheilen herrscht nicht nur grosse Sauberkeit, auch Zierlichkeit macht sich überall bemerkbar. Die Wände der Häuschen aus gespaltenen, plattgedrückten, theils weissen, theils schwarz gefärbten Bambusen sind nach hübschen Mustern geflochten. Ein gut im Stande gehaltener Bambuszaun oder eine Hecke von blühenden Sträuchern fasst jedes Gehöft ein.
Die Eingebornen, Männer und Weiber, kauern ehrerbietig nieder, nehmen den Hut ab und verhüllen ihr Gesicht, sobald der Zug naht.[S. 141] Als wir vorgestern von Buitenzorg heraufritten, wichen uns die schwerbeladenen Kulis aus, verliessen den schmalen glattgetretenen Pfad und gingen auf dem kleinen vulkanischen Gerölle, womit die Strasse beschüttet ist bis sie an uns vorüber waren. Wenn einige es nicht gleich von selbst thaten, so verfehlte mein Reisegefährte nicht, ihnen gebieterisch „pinggir” (auf die Seite) entgegenzurufen. Auch schwer beladene Wagen wichen uns aus.
16. Juli, 5 Uhr früh von Tjandjur abgefahren. Die Strasse nach Bandong ist sehr bergig; wo es steil bergauf geht, werden drei Gespann Büffel vorgelegt. Ueber den Tjitarum setzten wir in einer Fähre; der diesseitige Bergabhang war so steil, dass die Pferde ausgespannt werden mussten, der Wagen rollte durch seine eigene Schwere abwärts. Vier und vierzig Menschen, die uns hier erwartet hatten, hemmten ihn vermittels eines langen aus Büffelfell geflochtenen Strickes. Es ging sehr laut dabei zu; den meisten Lärm machten natürlich die kleinen Jungen, die unaufhörlich kommandirten. Um 10 Uhr Vormittags erreichten wir Bandong, wo ich in dem gastlichen Hause des Assistent-Residenten die liebenswürdigste Aufnahme fand. Nachmittags wurde ein geognostisch interessanter und landschaftlich schöner Wasserfall besucht.
Bandong liegt im westlichen Theile der grossen nach ihm benannten, rings von vulkanischen Gebirgen eingeschlossenen 2100–2200 Fuss hohen Ebene, einem der schönsten Gebiete dieser schönen Insel. Der fruchtbare vulkanische Tuff, aus dem der Boden besteht, von den umgebenden Waldbergen reichlich mit Wasser versehen, welches der Fleiss der Bewohner in unzählige Rinnen verbreitet hat, liefert jährlich zwei Reisernten. Hier herrscht ein ewiger Frühling. Am nächsten Morgen ritt ich zu Junghuhn hinauf, der 1400' höher in Lembang am Fuss des Tankubang-prau noch kühler, aber auch feuchter wohnte. Ein Brief von Humboldt verschaffte mir sogleich die herzlichste Aufnahme in dieser sonst nur Wenigen zugänglichen Einsiedelei.[59] Die Thätigkeit des berühmten Naturforschers war jetzt fast ausschliesslich auf die Vermehrung und Akklimatisation der Cinchonapflanzen gerichtet. Hier erneuerte ich auch die Bekanntschaft mit Dr. de Vrij, der als Regierungschemiker sein Laboratorium in Bandong hatte und namentlich mit der Bestimmung der Alkaloide der neu eingeführten Cinchonen und mit der Untersuchung und Ermittelung der den Kulturpflanzen günstigsten Bodenarten beauftragt war.
Reise nach Trogon. — Strassen. — Waringibäume. — Bogenschiessen. — Religion der Javanen. — Vulkan Guntur. — Erdtransport durch Wasser. — Solfataren. — Theebau. — Vulkan Papandayan. — Telaga bodas. — Kaffeebau. — Schattenspiel. — Hirschjagd. — Malayische Küche. — Tänzerinnen in Sumedang. — Gamelang-Musik.
Da der gefällige Arzt, der seit Padjet seinen Wagen mit mir getheilt, grade eine Dienstreise nach Garut vor hatte und mir anbot ihn zu begleiten, so arbeitete Junghuhn für mich einen Reiseplan aus, der sich möglichst an jene Reise anschloss und mir Gelegenheit gab, einige interessante geognostische Excursionen zu machen. Nachmittags kehrten wir nach Bandong zurück.
Unterwegs gingen vor uns einige Frauen mit Sonnenschirmen. Als der uns begleitende Amtsdiener sie gewahrte, rief er „payong!” (Schirm), worauf sie alsbald die Schirme zumachten und in voller Sonne an der Seite des Weges niederkauerten, indem sie ihr Gesicht abwandten. Die Frauen begnügen sich nämlich nicht, wie die Männer mit dem Niederkauern, sondern wenden als einen gesteigerten Ausdruck der Unterwürfigkeit den Europäern den Rücken zu. Die kleinen Jungen machen es wie ihre Mütter und nehmen aus Ehrerbietung eine Stellung an, die, da sie keine Hosen tragen in Europa eher für den Ausdruck des Gegentheils gelten würde.
Abends war in Bandong „Receptie”, wobei mir, wie später noch oft bei ähnlichen Gelegenheiten, das elegante Französisch auffiel, welches in den gebildeten Kreisen sehr allgemein zu sein scheint. Deutsch verstehen auch die Meisten, englisch nur sehr Wenige. Auch sind die Engländer wenig beliebt, das Volk nennt sie eine „Natie (spr. nazie) van Zeeroovers”, doch scheint trotzdem eine grosse gegenseitige Hochachtung zu bestehen, wie sie sich wohl bei so langer zäher Nebenbuhlerschaft entwickeln musste.
18. Juli. Der Blitz hat die Brücke über den Tjigaro zerstört; eine Depesche meldet, dass sie vor eilf nicht hergestellt sein kann; so fahren wir denn erst um 9 Uhr ab. Unsere Reise geht nach Trogon über die ganze Ebene von Bandong. Links treten die sie nördlich einfassenden Berge dicht an die Strasse, rechts breitet sich die grüne Fläche aus, ein ungeheures Reisfeld. In dem Pasanggrahan einer jeden Distriktsstadt stehen Erfrischungen für uns bereit: Thee, Wein, Obst und Gebäck.[S. 143] Der Bedana (Distriktshäuptling) macht die Honneurs des Hauses, darf aber nicht das Zimmer betreten ohne besondere Einladung der Reisenden und darf sich nur setzen, wenn ihm ein Stuhl angeboten wird; sein Gefolge kauert am Boden.
Durch das ganze Land führen schöne fahrbare Strassen, deren erste Anlage man dem Marschal Daendels verdankt, der 1808–11, als Holland eine französische Provinz war, hier schaltete. Sein Gedächtniss wird noch lange in Java fortleben wegen der Energie, Willkür und Grausamkeit, die ihn auszeichneten. Die Javanen nennen ihn tuwan- (Herr) besar- (gross) guntur (Donner).[60] Die Flüsse werden theils auf Fähren, theils auf Brücken überschritten. Letztere sind auf belebten Strassen aus Holz und überdacht, gewöhnlich aber aus Bambus und, wenn auch nicht sehr dauerhaft, doch schnell wiederherzustellen. Reist ein hoher Beamter in wenig besuchten Gegenden, so sind oft Tage vorher hunderte von Menschen thätig, um Wege durch den Wald zu bahnen und Brücken zu schlagen. Ausser der Art wie ein König zu reisen kann man nur noch zu Fuss oder zu Pferde fortkommen. Eilwagen und Omnibus sind mit Ausnahme einiger ganz kurzen Strecken nicht vorhanden.
Mittags erreichten wir Trogon, am SO. Abhang des noch thätigen Vulkanes Guntur. Wir stiegen bei dem Kontrolör ab, dessen Haus am Alun-alun liegt, einem grossen viereckigen schön gehaltenen Rasenplatz, wie ihn jeder grössere Ort in Java besitzt. Gewöhnlich stehen auf demselben einige Waringibäume (Ficus benjamina und F. indica), unter deren weitem Schattendach oft ein Trupp Reiter Platz hat. Diese herrlichen Bäume können mit ihrem dichten Laubdach einen ausserordentlich grossen Raum überspannen. Von den horizontalen Aesten gehen Luftwurzeln aus, die wenn sie den Boden erreichen, darin Wurzel schlagen und dann die Funktion selbstständiger Stämme verrichten, obgleich sie immer noch mit der Mutterpflanze zusammenhängen (vergl. S. 13 Rhizophoren); oft verschlingen und verstricken sich viele solcher Luftwurzeln in der Nähe ihres Ursprungs, während sie noch dünn sind und wachsen dann zu einer einzigen sonderbar gewundenen Säule zusammen; auf dieselbe Weise bilden sich zwischen den Säulen Bögen, die um so flacher sind, je entfernter von einander die zu einer solchen Säule verwachsenen Luftwurzeln entsprangen. So entstehen herrliche natürliche Tempel mit Säulengängen, grossen und kleinen Hallen, von einer gewöhnlich sehr regelmässig geformten flachen Laubkuppel[S. 144] überwölbt. Es ist kein Wunder, wenn die Phantasie der Menschen sie überall zu Wohnungen überirdischer Wesen erkor. Der grösste Waringibaum auf Java soll sich in Bantam befinden; noch viel grössere kommen in Indien vor, wo sie häufig von den Brahmanen als Tempel benutzt werden; überall werden sie in hohen Ehren gehalten.[61] Forbes, Oriental Memoirs I 25 erzählt von einer solchen Feige (F. microcarpa?) an den Ufern des Nerbudda: ... „Hohe Fluthen haben zu verschiedenen Zeiten einen beträchtlichen Theil dieses ausserordentlichen Baumes fortgerissen, aber das was noch steht hat, um die Hauptstämme gemessen, fast 2000 Fuss Umfang. Die überhängenden Zweige, die noch nicht Wurzel geschlagen haben, bedecken einen viel grösseren Raum, darunter wachsen Anonen und andre Fruchtbäume. Es sind an 350 grössere und über 3000 kleinere Stämme vorhanden; ein jeder sendet fortwährend Aeste und herabhängende Wurzeln aus, um neue Stämme zu bilden.... Der Häuptling von Putnah pflegte unter diesem Baum mit grosser Pracht zu lagern; er hatte einen Empfangssaal, Speisesaal, Gesellschaftssaal, Schlafzimmer, Bäder, Küche und alle übrigen Räumlichkeiten, jede in einem besonderen Zelte; dennoch bedeckte dieser herrliche Baum das Ganze zusammen mit den Wagen, Pferden, Kamelen, Wächtern und Dienern; während seine weitreichenden Aeste schattige Stellen boten für die Zelte seiner Freunde mit ihren Dienern und ihrem Vieh; und es ist bekannt, dass der Baum bei dem Marsche eines Heeres 7000 Mann Obdach gewährt hat.”
Am Alun-alun liegen fast immer die Moschee und die Häuser der ersten inländischen Beamten. Auf einer Seite steht der Bobantjong, eine um mehrere Stufen erhöhte Plattform, unter einem von Säulen getragenen Ziegeldache. Auf dieser Tribüne pflegen die Regenten den Festen und Volksversammlungen beizuwohnen, die in Folge des javanischen Gemeinwesens periodisch auf diesen Plätzen stattfinden. Heute war die Tribüne von einem Musikcorps eingenommen. Von Zeit zu Zeit wechselte die wohlklingende, obgleich etwas einförmige Gamelangmusik mit einem Sängercorps ab, das auf der andern Seite des Platzes[S. 145] im Schatten eines Waringibaumes lagerte. In einiger Entfernung vor unserm Hause sassen einige Häuptlinge behaglich auf dem Rasen, umgeben von ihren Dienern und schossen mit Pfeil und Bogen nach einem sechzig Schritt entfernten Ziel. Die Bogen sind kaum 31/2 Fuss lang und werden horizontal gehalten. Viele schiessen gleichzeitig, so dass immer eine Menge Pfeile in der Luft schweben, nur wenige trafen die Scheibe. Sind alle Pfeile verschossen, so laufen kleine Jungen herbei und bringen ihren Herren die an der verschiedenen Farbe der Federn kenntlichen Geschosse zurück. Frauen waren bei dem Feste nicht anwesend.
Gegen Abend besuchten wir eine drei Paal entfernte, in einer Schlucht des Guntur gelegene warme Quelle. Sie ist rings von hohen üppig bewachsenen Felsen umgeben; ein Riesenbaum beschattet sie so wie zwei sehr zierliche Bambus-Tempel, in denen ein Paar fromme Eingeborne ihre Andacht verrichteten. Die Javanen sind sehr oberflächliche Muhamedaner, etwa so wie die Indianer der spanischen Kolonien Christen sind. Der Islam hat bei ihnen keine tiefen Wurzeln geschlagen, neben ihm aber sind grossartige Naturerscheinungen, die einen tiefen Eindruck auf ihr Gemüth machen, Vulkane, warme Quellen, auch Waringibäume, Gegenstände religiöser Verehrung. Sie glauben sie von Geistern bewohnt und bringen ihnen Opfer. Mit wirklicher Innigkeit verehren sie auch Alterthümer aus der Hinduzeit, besonders solche, deren Kunstwerth die Leistungen der heutigen Javanen so unendlich übertrifft, dass sie von ihnen für die Werke höherer Wesen gehalten werden. Von den strengen Muhamedanern unterscheiden sie sich besonders sehr vortheilhaft durch völlige Duldsamkeit; die Frauen gehen unverschleiert und verkehren mit den Fremden so frei wie in Europa.
19. Juli. Um 5 Uhr früh ritt ich von Trogon an der gestern besuchten heissen Quelle vorbei, dann durch ein Bambuswäldchen und noch eine kurze Strecke den Abhang des Guntur hinauf. Der eigentliche Kegel, ein grosser Schutthaufen, kann nur zu Fuss erklommen werden. Der Doktor und der Kontrolör begleiteten mich eine Strecke weit. Eine Schaar Reiter hatte sich angeschlossen und eine noch grössere Menge von Begleitern zu Fuss. Jeder wollte etwas tragen; Einer hatte die Karte, Andere die Hämmer genommen; brauchte man etwas, so war nichts zur Hand. Das sind die Unbequemlichkeiten der Vornehmen.
Mit nur wenigen Begleitern erreichte ich um 91/2 Uhr den Gipfel, dessen flach gewölbte Decke aus Sand und Rapilli besteht, und von einem grossen Krater durchbohrt ist. Sehr auffallend trat hier die von Junghuhn[S. 146] so deutlich hervorgehobene Erscheinung der mit dem Kraterrande konzentrischen Risse hervor. Die dem Rande nächsten bildeten bereits eine tiefe senkrechte Kluft, das durch sie abgetrennte Stück Bergwand war nahe daran in den Abgrund zu stürzen. Durch solche Einstürze wird der Krater regelmässig erweitert. Seine Wände sind oben senkrecht, weiter unten durch die hinab stürzenden Schuttmassen trichterförmig. In dem ganzen weiten Kessel ist nicht ein Dike[62] wahrzunehmen, und aus der Abwesenheit derselben, die andere Vulkane wie ein Gerüst durchsetzen und ihnen Festigkeit geben, erklärt sich die hier so prägnant hervortretende Erscheinung des regelmässigen Einstürzens der Wände. Aus allen Spalten, die mit der Entfernung vom Rande immer schmäler werden, drangen heisse Wasserdämpfe mit Chlorwasserstoff hervor; ich schätzte ihre Temperatur auf 40° R. Der Abhang hat 22 bis 24° Neigung; das Hinabsteigen ging schnell und bequem: wir kamen auf einen Streifen losen Gerölles, auf dem man stehend durch seine eigene Schwere hinabrutschte, indem man allmälig tiefer darin einsank; man hatte sich dann nur wieder oben aufzustellen, um auf dieselbe Weise ohne alle Bemühung eine grosse Strecke weiter befördert zu werden.
Nachmittags fuhr ich mit dem Doktor nach Garut, der Residenz des Regenten, und da dieser in Folge eines Missverständnisses nicht anwesend war, Abends nach Trogon zurück. Unterwegs sahen wir eine sinnreiche Verwendung der Wasserkraft, um einen Erdhügel nach einer mehrere tausend Fuss entfernten Stelle zu schaffen. Man hatte einen in der Nähe vorbeifliessenden Bach gegen den Hügel gelenkt, so dass er denselben unterspülte: Büffel traten die überhängende Erde in das Wasser, welches sie weiter führte bis zu der Stelle, wo eine kleine Mulde damit ausgefüllt werden sollte. Dort war ein grosses Gitter von Bambus und Reisig angebracht, welches die Erde wie in einem Sieb zurückhielt, das Wasser durchliess.
20. Juli. Von Trogon ritten wir über Pasir-kiamis, wo in der Nähe des Pasanggrahans eine heisse Schwefelquelle hervorbricht, in südwestlicher Richtung durch herrlichen Hochwald auf einem neugebahnten Pfade nach Kawa-manuk, einer Solfatara in trachytischem Gebirge mitten im üppigsten dichten Walde. Sie soll erst 1772 bei dem Ausbruch des Papandayan entstanden sein. Der ganze Boden ist im Umkreis von ein paar tausend Fuss Durchmesser durch Wasser und heisse Dämpfe unterwühlt.[S. 147] Stösst man ein Loch durch das zersetzte Gestein, so brechen beide mit Gewalt hervor. Man muss durch vorsichtiges Tasten die Stellen aufsuchen, die noch aus hartem Gestein bestehen; denn wer durch die dünne Kruste bräche, würde in dem heissen Schlamm seinen Tod finden. Ich sah vier grössere Becken von 20 bis 30 Fuss Durchmesser, in welchen der dünne, dunkelgraue Schlamm hoch aufbrodelte; zuweilen spritzte er zwei Fuss hoch. In andern Tümpeln war das Wasser bereits verdampft und hatte eine feingeschlämmte Thonmasse zurückgelassen. An unzähligen Stellen brachen Wasser und Wasserdämpfe hervor. Das Wasser enthielt viel Schwefelwasserstoff. Ausser Schwefel, der sich ziemlich reichlich in kleinen Krystallen gebildet hatte, fanden sich nur noch Gyps und Alaun in geringer Menge. Der Trachyt kommt in allen Stufen der Zersetzung bis zum reinen Kaolin vor. Mitten zwischen den kochenden Schlammsprudeln und giftigen Gasen grünten und blühten noch einige Sträucher, darunter einige schöne rothe Rhododendren, während enorme Bäume von Laub und Rinde entkleidet, verdorrt und gebleicht am Boden lagen und ihre Aeste emporstreckten. Den grellsten Kontrast mit dieser Scene der Verwüstung bildete der üppige Wald, der sie dicht umgab.[63]
Als wir in den Pasanggrahan von Pasir-kiamis zurückkehrten, fanden wir ein vortreffliches Mittagessen für uns aufgetragen, eine Aufmerksamkeit des Regenten von Garut, die um so überraschender war, als das Haus tief im Walde liegt. Von hier ritten wir südöstlich bis Tjisirupan, auf neuen Bambusbrücken viele Bäche überschreitend, die in westöstlicher Richtung aus dem vulkanischen Waldgebirge in den Tjimanuk eilen, welcher das herrliche Thal von Trogon und Garut bewässert. Der letzte Theil des Weges führt über das untere Ende der Schuttmassen, die sich in einem grossen Bogen bis zum Krater des Papandayan verfolgen lassen. Dieser Vulkan hat in historischer Zeit nur einen, aber einen furchtbaren Ausbruch gehabt. Im Juli 1772 wurde plötzlich ein grosser Theil des bisher kegelförmigen Berges zertrümmert und ungeheure Steinmassen, der Neigung des Bodens folgend, schoben sich bis in das Thal von Garut, vierzig Dörfer verwüstend, und fast 3000 Menschen begrabend.
In Tjisirupan standen muthige Bergpferde bereit, die uns nach Tjikatjang brachten, einer 3770 Fuss hoch, in fast gleicher Entfernung vom Gunong Papandayan und Tjikorai, am südlichen Abhang des sie verbindenden Sattels gelegenen Theepflanzung, wo uns der Vorsteher, ein junger Holländer, auf das zuvorkommendste aufnahm. Von dem Betriebe derselben sahen wir nur wenig, da wir am andern Morgen in Begleitung unseres freundlichen Wirthes den Papandayan besuchten. Der Theestrauch war ganz niedrig und kugelig gehalten, so dass die Pflanzung aus einiger Entfernung wie ein grosses Kohlfeld aussah. Tjikatjang ist eine der grössten Theeplantagen auf Java und beschäftigt gegen 1000 freie Arbeiter, deren Fleiss der Vorsteher sehr lobte.
Die Theekultur ist, ebenso wie die Erzeugung der meisten andern Produkte für den europäischen Markt, von der holländischen Regierung in Java eingeführt worden, und zwar erst seit 1835. Sie bildete einen Zweig des „Kultur-Systems” und der Thee gehörte zu der Klasse von[S. 149] Erzeugnissen, bei welchen, weil seine Herstellung bedeutende Sorgfalt erfordert, die Vermittelung intelligenter Europäer für nöthig erachtet wurde. Die Regierung, die zwar auch selbst Thee baute, wies geeigneten Personen das nöthige Land an, stellte ihnen die erforderlichen Frohnarbeiter zur Verfügung, schoss ihnen Kapital zinsfrei vor, verpflichtete dagegen die Kontrahenten, ihr die Hälfte der Ernte zu einem bestimmten Preis zu liefern, während ihnen über die andre Hälfte freie Verfügung zustand. Die ersten Versuche fielen sehr ungünstig aus, der Thee war von schlechter Beschaffenheit, die Regierung hatte grosse Verluste; die Unternehmer richteten sich meist zu Grunde. 1849 wurden neue Verträge abgeschlossen; die Kontrahenten übernahmen es, den Thee ohne Zwangsarbeiter oder sonstige Hülfe der Regierung zu bauen, wogegen diese sich verpflichtete, das Fabrikat zu einem etwas höheren Preise abzunehmen. Sie glaubte wohl, dass ohne Zwangsarbeit wenig geliefert werden würde, es fand aber das Gegentheil statt; die Kontrahenten, die inzwischen den Betrieb genau kennen gelernt hatten, wussten die Bedingungen gut auszunützen und machten glänzende Geschäfte, so dass eine Theepflanzung zu den gewinnbringendsten Unternehmungen auf Java gehörte. Wie gross der Gewinn gewesen sein muss, lässt sich unter anderm daraus schliessen, dass der Vorsteher der Theepflanzung Tji-katjang, unser Gastfreund, als einige Jahre später, nach dem Tode des Besitzers, der Kontrakt meistbietend versteigert wurde, 600,000 Gulden bot, und dennoch überboten wurde, obgleich der Vertrag nur noch 3 Jahre gültig war. Zur Zeit, als die Kontrakte umgeändert wurden (1849?), erhielt man 319 ℔ Thee per Bau (1 Bau = 500 □Ruthen) zum Bruttowerth von 0,572 Gulden per ℔, 1854 dagegen 548 ℔ zum Werth von 0,821 Gulden d. h. 80% mehr Produkt von 40% höherem Werth.[64] Die Regierung hatte von dem grossen Fortschritt freilich keinen Vortheil, denn da der Preis, den sie dem Fabrikanten in Java zahlte, höher war, als der Marktpreis in Europa, trotz der hinzugekommenen Spesen, so wurde ihr das ganze Fabrikat abgeliefert, und ihr Verlust war um so grösser, je besser die Ernte ausfiel. Die vor Kurzem erloschenen Verträge sind daher nicht wieder erneuert worden.[65]
Der anfänglich sehr schlechte Javathee hat sich durch Verbesserung der Kultur und Fabrikation sehr gehoben, sein Hauptmarkt ist Holland und Ostfriesland, er ist herber und stärker als Chinathee und steht in dieser Beziehung dem Assamthee näher, ohne ihm jedoch an Wohlgeschmack gleichzukommen. Nach dem Urtheil Sachverständiger wird er wohl im Stande sein, nach Aufhören der Kontrakte seinen Platz auf dem Markt zu behaupten und wahrscheinlich an Güte gewinnen, da das Publikum nur nach dem wirklichen Werth, nicht nach einem mehr oder weniger genau umschriebenen Schema zahlt.
Obgleich ich von der Bereitung des Thees nur einzelne Hantirungen mit ansah, so möchte ich dennoch eine kurze Beschreibung des ganzen Verfahrens geben, da es wohl nur wenig bekannt und das Produkt von so grosser Wichtigkeit ist. Ich folge dabei einem ausführlichen Aufsatze in der Natuurkundg. Tydsch, VII. 296.
Bei der Theefabrikation sind nur wenige Chinesen beschäftigt, in manchen Fabriken gar keine, in den meisten zwei bis drei Individuen, die aber dann nur in der Fabrik, nicht in der Pflanzung, thätig sind. Etwa 35 Tage nach dem Beschneiden der Sträuche, früher oder später,[S. 151] je nach dem Klima, beginnt das Pflücken der Blätter, von denen sich 6–7 an den jungen Trieben befinden. Die Pflücker der Spitzen kneifen die Spitze des Zweiges, die Blattknospe sammt dem äussersten kaum hervorgetretenen Blättchen ab; ihnen folgen die Pflücker der „Feinblätter”, die den grünen Zweig unter dem dritten Blatt abkneifen, also das zweite und dritte Blatt sammt Blattstiel sammeln; dann folgen die Pflücker der Mittelblätter, die unter dem fünften Blatt abkneifen, mithin das vierte und fünfte Blatt sammt Blattstiel nehmen; ist das sechste und siebente Blatt zart genug, um verwendet zu werden, so werden sie dergestalt abgerissen, dass ein kleines Stückchen davon am Zweig sitzen bleibt; dies geschieht, um die in den Achseln sitzenden Knospen zu schonen, aus denen sich Zweige für die nächste Ernte entwickeln sollen. Die eben beschriebene Art des Pflückens gilt nur für schwarzen Thee. Zum grünen Thee wird die Blattspitze wie zum schwarzen Thee abgekniffen, die übrigen Blätter aber werden ohne Blattstiel abgenommen, wie oben bei dem sechsten Blatt; der grüne Thee enthält also keine Blattstiele.[66]
Zur Bereitung des schwarzen Thees werden die eben gepflückten Blätter in ziemlich dünnen Schichten der Sonne ausgesetzt; sehr günstig ist es, wenn dabei ein leiser Wind weht. Die Blätter werden mehrere Male umgewendet und durch einander geschüttet. Nach höchstens 30 Minuten, je nach dem Wetter und der Temperatur, sind die Blätter ganz weich und bräunlich von Farbe, sie werden dann unter Dach gebracht; säumt man damit, so färben sie sich röthlich, ein Zeichen, dass sie an Güte verloren haben. In dem von einem Bambusgitter umgebenen Schuppen werden die Blätter in Haufen aufgeschüttet, es tritt Erhitzung und Gährung ein; sobald diese einen gewissen Grad erreicht haben, gewöhnlich nach 1/2 - 3/4 Stunden, werden die Blätter ausgebreitet und dann von neuem gehäufelt, dies wird vier- bis sechsmal wiederholt; sie müssen dann eine gleichmässige bräunliche Farbe haben; an Stelle des früheren Grasgeruchs zeigt sich schon Theegeruch.
In kleinen Mengen bringt man nun die Blätter in eingemauerte eiserne Pfannen, die so erhitzt werden, dass nur durch Gewohnheit abgehärtete Arbeiter im Stande sind, sie fortwährend mit der Hand darin[S. 152] umzurühren, um das Versengen zu verhindern. Die durch Entwickelung von Wasserdampf allmälig ganz feucht und weich gewordenen Blätter werden dann auf einen Tisch geworfen und geknetet: man nimmt deren so viel, als man mit beiden Händen fassen kann, und rollt sie zu einer Kugel zusammen, die aber mehrere male wieder aus einander gerüttelt wird, damit die Blätter sich nicht zu fest zusammenballen. Nach diesem ersten Kneten bleiben sie 1/2 Stunde in dünnen Lagen ausgebreitet liegen, worauf sie abermals in der Pfanne erwärmt und wiederum geknetet werden. Diesmal werden sie aber nicht wieder auseinander geschüttet, sondern zu Kugeln zusammengeballt, die sich mit zwei Händen bequem umfassen lassen, und in Körben über Kohlenfeuer getrocknet. Der Grasgeruch ist nun völlig durch das eigentliche Theearoma ersetzt worden; der schwarze Thee ist fertig bis auf das Sortiren, Sieben, Trocknen, Verpacken u. s. w.
Zur Bereitung des grünen Thees werden die frisch gepflückten Blätter unmittelbar und so schnell als möglich in die angeheizten Pfannen gebracht. Man lässt die Arbeiter nicht zu viel auf einmal pflücken, weil die Blätter sonst leicht eine bräunliche Färbung annehmen. Nachdem sie 2–3 Minuten in der Pfanne umgerührt worden, wobei sie knistern und knattern, werden sie schnell, damit sie nicht anbrennen, auf den Tisch gebracht und geknetet; da sie nicht vorher an der Luft getrocknet waren, so werden sie dabei so nass, dass die Feuchtigkeit abläuft. Die Menge der Blätter, die man auf einmal kneten, aber nicht auf einmal mit den Händen umfassen kann, wird gedrittheilt, um sie auszupressen; aus jedem Drittheil formt man eine Kugel, die so fest ausgedrückt wird, dass der grüne Saft in einem Strahl herausspritzt. Manche spülen auch diese Kugeln in kaltem Wasser ab und pressen sie nochmals aus, um die adstringirenden Eigenschaften zu mildern. Im Uebrigen weicht die Bereitung des grünen Thees nur noch darin von der des schwarzen ab, dass man jenen statt zweimal, fünfmal in die heisse Pfanne bringt und nach jedemmal von neuem knetet, aber nicht mehr auspresst; er wird also viel langsamer trocken, als der schwarze; andern Falls würde er seine frische, grüne Farbe verlieren. Nach dem vierten Erhitzen in der Pfanne enthält er nur noch wenig Feuchtigkeit und hat eine etwas schwärzliche Farbe; die schöne bläulich grüne Farbe nimmt er bei der fünften Erhitzung in einer nicht horizontal, sondern schräg eingemauerten Pfanne an, wobei er 1/2 Stunde lang kräftig und schnell umgerührt wird. Er ist dann völlig trocken. Die Spitzen der Zweige, welche auch bei dem grünen Thee die feinste Sorte geben,[S. 153] werden stärker ausgepresst als die andern Blätter, gewöhnlich auch mehrere male in reinem Wasser abgespült. Sie werden auch, wenn sie zart und klebrig genug sind, zwischen Daum und Zeigefinger zusammengerollt, und geben dann den „Gunpowderthee”. Das Adstringirende, das den frischen Blättern zum Theil entzogen werden muss, um sie geniessbar zu machen, wird also bei der Bereitung des schwarzen Thees durch Gährung, bei der des grünen Thees durch Auspressen und Auswaschen entfernt.
Am nächsten Morgen ritten wir den sanften Abhang des gestern erwähnten Schuttberges hinauf bis in den Krater des Papandayan. An einer Stelle, die die Inländer Luput nennen, konnten wir eine grosse Strecke weit eine natürliche Treppe benutzen. Es fliesst an dieser Stelle über die Schuttmassen ein inkrustirender sehr eisenhaltiger Bach. Die von dem angrenzenden Wald herabfallenden Blätter und Zweige werden von dem Wasser eine kurze Strecke weiter bewegt, wobei sie wegen der vielen Hindernisse immer eine Richtung quer gegen den Strom annehmen; so entsteht eine Reihenfolge kleiner Dämme, die von dem darüber hinfliessenden Wasser durch eine Sinterkruste zu einer Treppe verbunden werden. Schon ehe man die grosse Kraterkluft erreicht, brechen an vielen Stellen heisse Quellen hervor, die chemische Thätigkeit nimmt immer mehr zu und oben befindet man sich in einer Solfatara von wahrhaft riesigen Dimensionen, eingefasst von mehrere hundert Fuss hohen senkrechten Wänden weissgebleichten Gesteines, das in deutliche Bänke gesondert ist. Der Boden der ungeheuren Kraterschlucht ist überall mit sublimirtem Schwefel überzogen. An vielen Stellen sind grosse Massen desselben in kleinen Krystallen angehäuft, an andern Stellen sind sie zu braungelben Krusten zusammengeschmolzen, die zuweilen einen Fuss Dicke erreichen. Auch die grossen Trachytblöcke, die jetzt frei auf dem Boden liegen, sind mehr oder weniger zersetzt, auf allen Kluftflächen mit kleinen Schwefelkrystallen bekleidet und lassen vermuthen, dass sie früher relativ tiefer lagen, und dass ein grosser Theil der zu feinem Schlamm zersetzten Kratersohle durch den Regen fortgeschwemmt worden ist.
Ein grosser Schuttwall zieht sich im Hintergrund quer von einer Seite zur andern; man glaubt am Ende der Kraterschlucht zu stehen; hat man aber den oberen Rand des Walles erstiegen, so sieht man jenseits alle bereits angeführten Erscheinungen sich in noch grösserem Maasstabe wiederholen. Im Hintergrunde erblickt man wieder einen Schuttwall, der diesen Theil der Kluft begrenzt und hinter diesem wieder andere,[S. 154] und in jedem höher liegenden Felde der ungeheuren Solfatara nimmt die chemische Thätigkeit zu. Gegen das Ende der Kluft sah ich eine Erscheinung, die mir noch in keiner Solfatara vorgekommen war. Der Boden war mehrere hundert Fuss im Quadrat mit maulwurfartigen Hügeln bedeckt, die durch gewölbte Rippen zu einem ziemlich regelmässigen Netz mit einander verbunden waren. Beim Aufschlagen einer solchen Rippe fand sich die etwa 1/2 Zoll dicke Decke mit Schwefelkrystallen dicht bekleidet. Wahrscheinlich war die Kruste der Kratersohle an vielen Stellen durch die Gewalt komprimirter Dämpfe sternförmig zerborsten, so dass eine Art von Netz entstand; wenn sich dann eine Schlammmasse darüber ausbreitete, und durch Verdampfen allmälig plastisch wurde, so können die aus den Spalten heraufdringenden Wasser- und Schwefelwasserstoff-Dämpfe wohl im Stande gewesen sein dergleichen hohle Rippen zu bilden und sie mit Schwefelkrystallen auszufüttern. An manchen Stellen brach der Wasserdampf mit solcher Gewalt aus dem Boden hervor, dass nussgrosse Steine im Dampfstrahle auf- und abtanzten. Kochende Schlammpfützen wie in der Kawa-manuk waren in Menge vorhanden und der Boden in ihrer Nähe ebenso gefährlich zu betreten. Nach Junghuhn liegt der oberste Theil der Kraterkluft 6600' hoch und wird im Halbkreis von 700–800' hohen Wänden überragt. Vor dem grossen Ausbruch, durch welchen die Schlucht entstand, bildete der Berg einen geschlossenen flachen Kegel.
Wir ritten nach Tjisirupan zurück, wo wir uns von unserm Begleiter verabschiedeten und fuhren über Trogon nach Garut, überall von Gamelangmusik begrüsst. Der Regent war schon nach Wanaradja vorausgegangen, wo er uns nach dem ursprünglichen Reiseplan erwartete. Da der Doktor aber heute noch in Garut zu thun hatte, so blieben wir die Nacht im Pasanggrahan. Während wir in der Veranda Thee tranken, tanzten vor uns auf dem Alun-alun einige Rongengs. Der Tanz war nicht ungraziös, aber der begleitende Gesang zu gellend. Eine grosse Schaar inländischer Zuschauer hatte sich eingefunden; sie sahen mit lebhaftem Interesse zu; zuweilen nahmen auch Einige an dem Tanze Theil, wofür sie einige Deuten an die Tänzerin zu entrichten hatten. Als wir zu Bette gingen, liess der Bedana Tanz und Musik plötzlich aufhören, und Alles musste nach Hause gehen.[67]
22. Juli. Wir fuhren auf der linken Seite des Tjimanuk durch das reiche Thal von Trogon-Garut nach Wanaradja, wo uns der inländische Fürst mit einem Frühstück im Pasanggrahan erwartete. Dies war das niedlichste Dörfchen, das ich bisher gesehen. Es besteht ganz aus Bambus, die einzelnen Häuschen sind nach den zierlichsten Mustern aus schwarzen und weissen Bambusstreifen geflochten; die Scheunen, Einzäunungen und Aussenhäuschen so klein und so gefällig, dass das Ganze fast wie hübsches Spielzeug aussieht. Nach dem Frühstück ritten wir auf schönen muthigen Pferden des Regenten, die viel arabisches Blut enthielten, nach dem auf dem Kamm der östlichen Thalwand gelegenen „Weissen See” (telaga bodas.) Auf bequemer Strasse, die abwechselnd durch Wald- und Kaffeegärten führte, erreichten wir das westliche Ufer des fast kreisrunden Wasserbeckens. Das perlweisse Wasser sticht eigenthümlich gegen den üppigen Wald ab, der es umsäumt. Die Farbe erhält es von dem darin suspendirten feinen Thonschlamm, den die Thätigkeit der Solfataren am Seeboden und am jenseitigen Ufer durch Zersetzung des Gesteins ihm zuführt. Auf einer mit einem Sonnendach versehenen, bereit stehenden Fähre gelangten wir an das jenseitige Ufer. An vielen Stellen des Sees brodelte das Wasser auf und verrieth durch den Schwefelwasserstoffgeruch die vulkanische Thätigkeit auf seinem Boden. Ich übergehe hier die vulkanischen Phänomene, die im Wesentlichen eine, obgleich viel schwächere, Wiederholung der in der Kawa-manuk und am Papandayan beschriebenen sind und für die meisten der Leser kein Interesse haben. Noch schöner als der Ritt, der uns in den Wald hineingeführt hatte, war der Rückweg, der bei jeder Wendung eine andere Aussicht über das vom Guntur, Papandayan und Tjikorai begrenzte Thal des Tjimanuk gewährt. Es ist ungemein fruchtbar und reich bebaut. Auf den Reisfeldern heben sich zahlreiche Haine von Fruchtbäumen, die je ein Dörfchen verbergen, dunkelgrün ab. Viele Paal weit ritten wir durch Kaffeegärten, welche in dieser Meereshöhe (2000 bis 4000') besonders gedeihen. Diese Höhenzone ist auf Java für den Europäer ein ungemein reizvoller Aufenthalt, das Klima ein ewiger Frühling. Der Wald zeigt sich hier in seiner ganzen tropischen Pracht, mehr noch als in der tieferen Zone. Zwar treten die Palmen schon merklich zurück; von den kultivirten ist nur noch die Arengpalme (Saguerus saccharifer Bl.) häufig, aber die Calamusarten kommen hier erst recht[S. 156] zur Entfaltung und durchziehen zugleich mit riesigen Lianen, deren einige schenkeldick werden, nach allen Richtungen den Wald, die höchsten Stämme umwickelnd, oder wie grosse Taue von Baum zu Baum gespannt. Zierliche kleine Areca- und Pinangapalmen, oft mit schön gefärbtem Stamm und glänzend rother Fruchttraube und Baumfarne, die bis 40' Höhe erreichen, treten hier zuerst auf und verleihen dem Walde einen neuen Reiz. In dieser Zone wachsen auch die Rasamala (Altingia liquidambar), Riesenbäume, deren Höhe nach Junghuhn's, an gefällten, unter den höchsten ausgewählten, Individuen angestellten Messungen bis 180' erreicht, während ihre durchschnittliche Höhe 150' beträgt. Der Waldboden ist mit einem Teppich von Lycopodien, Farnen und Kräutern bedeckt, auf welchem sich wilde Musen, Scitamineen, Alsophilen und Ardisien erheben. Wohl keine Zone reizt den Sammeleifer des Gärtners in höherem Maasse; die Aeste sitzen voll Orchideen, epiphytischer Farne und Schmarotzer; hier findet sich Alles, was den Treibhäusern schon einzeln zum höchsten Schmuck gereicht, in grösster Fülle beisammen.
Wo der Wald zur Anlegung von Kaffeepflanzungen gelichtet, ist es nicht minder schön. Breite, mit dichtem Grase bewachsene Strassen führen durch dieselben und sind zu beiden Seiten mit Hecken blüthenreicher Sträucher eingefasst. Heute ritten wir wohl eine deutsche Meile weit durch eine solche Pflanzung, deren Saum zu beiden Seiten des Weges aus üppig blühenden Rosenhecken bestand. Die Kaffeesträucher tragen zwar das ganze Jahr hindurch Blüthen und Früchte, die eigentliche Blüthezeit fällt aber in den Herbst. Jetzt sassen Knospen in den Blattachseln, in kleinen Büscheln zusammen, so dass die schlanken, herabhängenden, mit glänzend dunkelgrünen, gegenständigen Blättern dicht besetzten Zweige, wenn sie blühen, längs der Mittellinie mit einem weissen Streifen wohlriechender Blümchen besetzt sein müssen. Ueber den Kaffeesträuchern schwebt in 30–40 Fuss Höhe ein leichtes, durchsichtiges Laubdach von Erythrinen, die mit den jungen Kaffeesträuchern zugleich gepflanzt werden, um ihnen Schatten zu geben, aber viel schneller wachsen. So hat man zur Blüthezeit ein von scharlachrothen Blumen durchwirktes Laubdach über einem weissen Blüthenwald. Wenige Tage nach der Blüthe setzt die Frucht an, in sechs Monaten ist sie reif, sie gleicht dann einer dunkelrothen Kirsche, ist aber etwas länglicher. Innerhalb der süsslichen, fleischigen Hülle sitzen 2 Kaffeebohnen,[68] jede von einer dünnen, zähen, pergamentartigen Haut fest umschlossen, mit den[S. 157] flachen Seiten gegen einander; es sind die Samen, die längliche Vertiefung in der Mitte der flachen Seite enthält den Keim. Nach der Ernte werden zuerst die eingesammelten Beeren auf flachen Hürden an der Sonne getrocknet. Um sie gegen Regen und den nächtlichen Thau zu schützen, müssen sie unter Dach gebracht werden; oft geht den Bauern bei lange anhaltendem Regenwetter die ganze Ernte verloren, da Bohnen, die durch Nässe schwarz oder unansehnlich geworden, im Packhaus nicht angenommen werden. Ist nach 5–6 Wochen die Hülle trocken, so wird sie durch Stampfen in mit Büffelfell ausgefütterten Gruben oder in hölzernen Mörsern abgelöst. Durch abermaliges Stampfen werden die aufs neue getrockneten Bohnen von der Pergamenthaut befreit, eine Arbeit, die viel Vorsicht verlangt, da zerstossene Bohnen einen grossen Theil ihres Werthes verlieren.
Zur Anlage einer Kaffeepflanzung wird zuerst der Wald gelichtet; da der Kaffeestrauch aber Schatten liebt, so lässt man zuweilen eine genügende Anzahl Bäume stehen und pflanzt zwischen den grossen auf dem Boden liegenden Stämmen, die zu schwer für den Transport, dem Vermodern preisgegeben werden. Das Erzeugniss dieser etwas rohen Kulturmethode, die mit dem Reisbau in Gagas (S. 133) verglichen werden kann, ist in Java als Waldkaffee bekannt. Gewöhnlich aber wird der ganze Wald gefällt; die Stämme werden fortgeschafft oder verbrannt, die Wurzeln ausgegraben, eine schwere Arbeit, die viele Hände und die Anwendung des Büffels erfordert. Steiniger Untergrund muss vermieden werden, weil die Pfahlwurzeln sonst nicht in die Tiefe dringen können, und schon ganze Pflanzungen aus dieser Ursache zu Grunde gegangen sind. In den gesäuberten Boden pflanzt man in 8–12 Fuss Abstand die in besonderen Saatbeeten erzogenen oder aus abgefallenen Früchten entsprossenen 12–15 Zoll hohen Sämlinge. Die besten Pflanzen sollen aus dem vom Musang (Paradoxurus musanga) ausgeworfenen Samen spriessen.[69] In der Regel, namentlich in weniger als 2500' hoch gelegenen Pflanzungen, werden die gefällten Waldbäume durch besondere Schatten gebende Bäume, gewöhnlich Dadap (Erythrina sp. div.), ersetzt, die so gepflanzt werden, dass jeder Kaffeestrauch zwischen 4 Schattenbäumen steht, daher der Name Dadapkaffee zum Unterschied von Waldkaffee.[S. 158] Die Pflanzungen müssen besonders in den beiden ersten Jahren sorgfältig gejätet, die Bäume von schädlichen Schmarotzerpflanzen und Thieren gesäubert werden. Auch Erdarbeiten sind nöthig, um das Fortschwemmen des fruchtbaren Bodens durch die heftigen tropischen Regen an den Bergabhängen zu verhindern. Kunstgemässes Beschneiden der Zweige, worauf in Westindien so viel Sorgfalt verwendet wird, weil es den Ertrag sehr vermehrt, findet in Java bei den Regierungspflanzungen nicht statt. Im dritten Jahre trägt der Baum die ersten Früchte, im vierten giebt er eine volle Ernte, nach 12–14 Jahren ist der Ertrag so gering, dass er die Mühe des Pflückens nicht mehr lohnt; der Boden ist erschöpft, die Pflanzung wird verlassen und „abgeschrieben”. Um den Ausfall zu decken, müssen daher die Beamten Sorge tragen, fortwährend neue Pflanzungen anzulegen; ein Zuwachs derselben hat aber in den letzten 20 Jahren nicht stattgefunden.[70] Früher wurden die abgeschriebenen Kaffeegärten der inländischen Bevölkerung überlassen, die Regierung fürchtete aber, dass es mit der Zeit an passenden Ländereien mangeln würde, und lässt jetzt die verlassenen Pflanzungen brachliegen, damit sie sich wieder erholen, d. h. damit durch allmälige Verwitterung des Bodens wieder zur Erzeugung von Kaffeebohnen erforderliche Salze in hinreichender Menge löslich werden. Man nimmt dazu im günstigsten Falle 10 Jahre an, so dass nach dem jetzt bestehenden System ein wenigstens 10 mal so grosser Flächenraum, als wirklich in Produktion ist, zur Verfügung gehalten werden muss. Für Privatpflanzer, die nicht unumschränkt über Arbeitskräfte und Grund und Boden verfügen können, ist ein solcher fortwährender Wechsel unausführbar. Sie düngen daher den Boden, wie in vielen andern Kolonien, und ernten durchschnittlich von alten und jungen Bäumen zusammen je 1 ℔, während die Regierung trotz des Wechselns nur 1/2 ℔ erhält.[71] Der mittlere Ertrag steht[S. 159] aber in Java weit unter demjenigen anderer Kaffeeländer, wo man 2, ja 3 und 4 ℔ trockener, gereinigter Bohnen von jedem Baum erntet. Um so auffallender erscheint es, dass gerade in Java der Kaffeebaum so ausserordentlich vermehrt worden ist, dass auf dieser Insel, wenn man die abgeschriebenen mitrechnet, vielleicht mehr Kaffeebäume vorhanden sind, als in allen übrigen Kaffeeländern zusammen.
Nächst dem Reis, der das Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung ausmacht, hat keine andre Pflanze für Java eine so grosse Wichtigkeit, als der Kaffeestrauch, dessen Kultur mit den dortigen Zuständen in inniger Wechselbeziehung steht. Java war eine der ersten Kolonien, in welche die in Mittel-Afrika einheimische, obgleich Coffea arabica genannte Pflanze eingeführt wurde (1696); von Java verbreitete sich der Kaffeestrauch über Amsterdam (1706) nach Surinam (1719), Westindien (1722), und von dort nach Bourbon.[72] — 1795 lieferte Java 18,600,000 ℔ Kaffee und der Gewinn an diesem Artikel war schon damals die Haupteinnahme der alten Kompanie. Als Marschal Daendels Guvernör war (1808–11), dehnte er, um die Einkünfte der Kolonie schnell zu vermehren, den Kaffeebau mit der ihm eigenen Energie aus, und pflanzte 45,700,000 Sträucher, wodurch er ihre Gesammtzahl auf 72,669,860 brachte. Der gehoffte finanzielle Erfolg trat aber nicht ein: 1811 eroberten die Engländer Java, dessen durch die Kontinentalsperre[S. 160] vom europäischen Festland ausgeschlossener Kaffee fast werthlos wurde, so dass viele Pflanzungen wieder eingingen. Raffles, der englische Guvernör und derselbe der später Singapore gründete, hob die Zwangsarbeit und die gezwungenen Lieferungen auf und setzte eine Grundsteuer an die Stelle, was er vielleicht nicht gethan haben würde, wenn die gezwungenen Kaffeelieferungen eine bedeutende Einnahmequelle für die Regierung gewesen wären. Als 1816 die Holländer zurückkehrten, „verpachteten” sie die vorhandenen Kaffeegärten an die Dorfgemeinden gegen eine Abgabe, die 36–531/3 % vom mittleren Ertrag der Pflanzung gleichkam; über den Rest durfte der Bauer frei verfügen, und konnte ihn auch für einen feststehenden Preis der Regierung überlassen. Da letztere aber auf diese Weise nicht genug Kaffee erhielt, so verbot sie später allen Europäern, Kaffee zu kaufen, und liess es geschehen, dass ihre Beamten, um die Produktion zu vermehren, allerlei Zwangsmassregeln anwendeten, so dass allmälig von der freien Arbeit und freien Verfügung nichts übrig blieb als der Name. — 1832 wurde das Kultursystem eingeführt, wodurch die Kaffeeproduktion schnell vermehrt und gänzlich in die Hände der Regierung gebracht wurde. Jede Familie eines Bergdorfes musste binnen 4 Jahren 600 Kaffeebäume pflanzen und unterhalten und 2/5 der Ernte an die Regierung als Grundsteuer, 3/5 „zum Marktpreis” liefern. Da es gewiss sehr schwierig ist, bei gezwungenen Lieferungen einen Marktpreis zu ermitteln, so machte die Regierung im Februar 1833 bekannt, dass sie selbst den Marktpreis jährlich bestimmen würde. Der von ihr festgesetzte Preis wurde bis 1844 beibehalten, 1845 ermässigt und 1858 in eine „Belohnung” verwandelt, die nach dem Beschluss der holländischen Kammern (Gesetz vom 2. Sept. 1854, Art. 56) „dem bei den Regierungskulturen beschäftigten Eingebornen bei gleicher Arbeit wenigstens gleichen Gewinn, als bei freier Kultur, gewähren sollte.” In Folge dieser offenbar im Interesse der inländischen Bevölkerung erlassenen Bestimmung und trotz des höheren Werthes des Kaffee erhielt der Bauer nun 9,20 Gulden per Pikul, d. h. 0,80 Gulden weniger als 1833 und 0,87 Gulden mehr als seit 1844. Der mittlere Marktpreis betrug damals in Java 28,73 Gulden per Pikul, so dass dem Bauer bei freiem Verfügungsrecht nach Abzug von 2/5 Grundsteuer noch immer 17,23 Gulden geblieben wären, wovon er indessen den Transport bis zum Hafen zu zahlen gehabt hätte. Dafür muss die inländische Bevölkerung[S. 161] die Kaffeepflanzungen nach Anweisung der Regierungsbeamten, die gewöhnlich keine praktische landwirthschaftliche Kenntnisse besitzen, oft sehr fern von ihren Dörfern anlegen und unterhalten. Sie müssen sich auf eigene Kosten verpflegen, ihr Haus und Feld steht während der Zeit verlassen. Das Risiko, ob die schwere Arbeit nach 4 Jahren durch volle Ernten lohnen wird, ist nicht für Rechnung der Regierung, welche die Befehle ertheilt, sondern für Rechnung der Bevölkerung, welche sie ausführt. — Kein Kaffee, keine Bezahlung; die Arbeit war dann vergeblich; der Regierung entgeht nur der Gewinn, den sie am Kaffee gemacht haben würde. Es werden jährlich Hunderttausende von Bäumen gepflanzt, die nie Früchte tragen und der Bevölkerung nicht den geringsten Lohn einbringen. Kein Wunder, wenn der Eifer bei diesen Arbeiten nicht gross ist.
Es leidet wohl keinen Zweifel, dass die Zwangsarbeit, der im Verhältniss zur Mühe ungenügende Lohn, die Hauptursache des geringen Ertrages der Regierungspflanzungen ist, besonders bei der Unmöglichkeit einer ausreichenden Beaufsichtigung. Die Zahl der europäischen Kontrolöre ist so gering, dass sie trotz dem besten Willen und Eifer nicht den zehnten Theil der ihnen anvertrauten Pflanzungen gehörig verwalten können. Ihre Zahl beträgt etwa 200; jeder einzelne hat daher, abgesehen von den vielen andern ihm obliegenden Geschäften, die Aufsicht zu führen über 11/2 Million Kaffeebäume und über die zuweilen gleichzeitige Arbeit von mehr als 2000 Menschen, in Pflanzungen, die oft meilenweit von einander entfernt liegen. Trotz aller Mängel, die diesem von der Regierung selbst betriebenen Gewerbzweig anhaften, liefert derselbe jährlich so bedeutende Ueberschüsse, dass man sich nicht wundern darf, wenn das tiefgreifende, die Grundlage der Verwaltung ausmachende System nicht ohne Weiteres zu Gunsten liberalerer Theorien aufgegeben wird. Es ist freilich berechnet worden, dass diese Ueberschüsse nur einen scheinbaren Gewinn darstellen, und dass die Regierung durch Verpachtung und Verkauf ihrer Pflanzungen an Privatleute, selbst wenn der Ertrag derselben dadurch nicht vermehrt würde, an Steuern und Ersparnissen viel grösseren Vortheil ziehen würde, als gegenwärtig, besonders wenn auch das Monopol der Handelsmaatschappij aufgehoben würde. Wenn die gewöhnliche Annahme, dass die Pflanzungen in Händen von Privatleuten den doppelten Ertrag, d. h. 1 ℔ per Baum liefern würden, wirklich in Erfüllung ginge, so wäre der Gewinn einer solchen Maassregel in die Augen springend; denn die 2/5, welche die Regierung als Steuer erhebt, wären = 4/5 des Quantums, das sie jetzt erhält, und der Gewinn an dem[S. 162] fehlenden Fünftel würde vielfach aufgewogen durch die Ersparung der gesammten Kulturkosten und durch die Pacht der vorhandenen Pflanzungen oder die Zinsen des Verkaufskapitals. Bevor aber nicht in andern Kaffeeländern die Produktion hinreichend gestiegen sein wird, um die Preise herabzudrücken und der Regierung Verlust statt Gewinn zu bereiten, ist eine durchgreifende Aenderung des Systems wohl nicht zu erwarten.
Nach Tisch überraschte uns der gefällige Regent von Garut mit einem Wayang (javanisches Schattenspiel, das die Stelle des Theaters vertritt). Gespielt wurde in einem um wenige Stufen erhöhten, an einer Seite offenen Bretterhause. Auf einem darin aufgespannten grossen weissen Tuche erscheinen die Schatten der dramatischen Figuren, die äusserst zierlich aus Leder ausgeschnitten, und obgleich dem Zuschauer nur als Schatten sichtbar, reich bemalt und vergoldet sind. Die Gelenke sind beweglich. Das Stück fing vor Sonnenuntergang an und dauerte bis Sonnenaufgang, also ziemlich genau zwölf Stunden. Ein und derselbe Mann spricht die ganze Nacht hindurch den Dialog, wobei er nur zuweilen durch Gesang und Musik unterbrochen wird. Allein durch Genuss von Opium soll es ihm möglich sein, diese grosse Anstrengung auszuhalten. Das Schauspiel ist der javanischen Mythe entlehnt. Der Dialog wurde javanisch rezitirt, obgleich die Zuhörer Sundanesen waren. Da wir den Text nicht verstanden, so zogen wir uns bald zurück. Mehrere hundert Zuhörer hatten sich eingefunden und folgten der Aufführung in regster Spannung; trotz gelegentlicher Regenschauer hielten fast alle, auf dem Boden vor der Bühne kauernd, bis zum Ende aus; in dem geräumigen Hause standen nur drei Stühle für den Regenten und seine beiden Gäste.
Als wir uns am folgenden Morgen von dem gastfreien Fürsten trennten, lud er uns zu einer jener berühmten Hirschjagden ein, die gegen Ende der trockenen Jahreszeit, nachdem die grossen mit Alang-alang-Gras (Saccharum Koenigii Retz.) bedeckten Flächen abgebrannt worden, in den Preanger Regentschaften stattfinden. Das Alang-alang erreicht eine Höhe von 3–5 Fuss. Grosse Strecken Landes sind namentlich im Süden der Preanger Regentschaften von solchen Graswüsten bedeckt, die an die Stelle ausgerodeter Wälder treten, sobald die Kultur in den Lichtungen wieder aufhört. Es sind undurchdringliche Gebiete, die zahlreichen Hirschen, Wildschweinen und Tigern zum Aufenthalte dienen. Gegen Ende der trockenen Jahreszeit pflegt man die Graswüsten zu verbrennen; dann finden auf dem nun zugänglichen Boden jene berühmten Hirschjagden statt, denen ich leider nicht[S. 163] beigewohnt habe, die aber der Beschreibung nach so interessant sind, dass sie wohl Erwähnung verdienen. Die inländischen Fürsten begeben sich mit zahlreichem Gefolge auf das Jagdgebiet und verfolgen den Hirsch auf sehr edlen, zu dem Zweck besonders abgerichteten Pferden, welche wegen ihrer Flüchtigkeit „Kuda-burong” (Vogelpferde) genannt werden; sie sind ungesattelt; der Reiter trägt ausser Hut und Jagdmesser nur eine kurze Hose, die so ausgeschnitten ist, dass er nackt auf dem nackten Pferde sitzt. Sobald ein Hirsch sichtbar wird, verfolgt ihn das Pferd mit dem Eifer eines Jagdhundes und sucht, wenn es ihn erreicht, dicht an seine Seite zu springen, worauf der Reiter mit einem Hiebe des Jagdmessers, der die Rippen durchschneidet, das Thier erlegt. In Batavia sah ich später eine solche Jagd auf einem grossen Oelbilde von dem talentvollen inländischen Künstler Raden Saleh dargestellt, der seine Kunst auf Kosten der holländischen Regierung bei den besten Meistern in Europa erlernt und nebenbei Eugène Sue das Modell zum Prinzen Djalma geliefert hat. Unser Regent rühmte sich, auf solche Weise bereits 127 Hirsche erlegt zu haben.
Bei dieser Gelegenheit hörte ich auch zum erstenmal eine Geschichte, die mir später noch öfter von sehr glaubwürdigen Männern wiederholt wurde. Ein General-Guvernör fragte bei seiner Durchreise Herrn L. B., einen reichen Pflanzer und grossen Tigerjäger in Salatiga, wieviel Tiger er schon getödtet habe? Antwort: 144. Als sich der Guvernör bei seiner Rückkehr nach einigen Tagen die Zahl schriftlich erbat, gab L. B. 148 an. „Nun wundere ich mich nicht mehr über die grosse Summe”, antwortete der Guvernör; „neulich waren es nur 144, und heut sind es 148.” „Allerdings,” antwortete Herr L. B., „denn gestern habe ich vier Tiger erlegt.”
23. Juli. Von Wanaradja setzten wir in nördlicher Richtung die Reise durch das Manukthal fort bis Tjihorrai, wo das Gebiet von Sumedang beginnt, das gleichfalls zu den Preanger Regentschaften gehört. Junghuhn hatte dem Assistent-Residenten unsern Reiseplan mitgetheilt und für uns seine Unterstützung erbeten, wie dies bei reisenden Regierungsbeamten üblich ist, bevor sie eine neue Provinz betreten. Danach waren alle Anordnungen getroffen mit einem Aufwand von Ehrenbezeugungen, von dem man sich in Europa keine Vorstellung macht. An der Grenze erwartete uns ein Trupp von dreissig uniformirten Reitern mit Fahnen. Sobald wir die für uns bereit gehaltenen Pferde bestiegen hatten, setzte sich der Zug in Bewegung. Es war ein schöner Anblick, als die bunt kostümirten Reiter auf den schmalen Zickzackpfaden der[S. 164] Bergabhänge hinter Felsen und Baumgruppen abwechselnd erschienen und verschwanden. An mehreren Stellen waren neue Brücken über die Bäche geworfen. Der Weg führte östlich in das Gebirge hinein. Als wir Malembong erreichten, empfing uns ausser der Gamelangmusik, an die wir nun schon gewöhnt waren, auch noch ein Sängerchor. Während der Abendmahlzeit entfalteten vor unserer Veranda ein Paar tanzende Rongengs ihre Reize beim Scheine des Mondes und einiger Dammarfackeln, von einem zahlreichen Zuschauerkreise umgeben, während im Hintergrunde mehrere hohe vulkanische Gipfel in die klare Luft emporragten. Die Tänzerinnen singen beim Tanzen javanische, gewöhnlich improvisirte Strophen. Zuweilen kommt im Gesang etwas ergreifend Wildes vor, das auch für europäische Ohren Reiz hat.
24. Juli. Von Malembong nördlich nach Pawenáng. Hier hält der Wagen still. Ein Trupp Reiter wartet auf uns, um uns ins Gebirge zu begleiten, worauf wir im Wagen den Weg nach Sumedang, der Hauptstadt des Distrikts, fortsetzen. Auf allen Stationen steht für uns der Tisch gedeckt, das Mittagessen fertig. Wir entscheiden uns endlich für Derma-radja, wo wilder Pfau, appetitliche malayische Karis und mannigfaltige Sambals uns anlockten.[73] Der Bedana, der hier die Honneurs[S. 165] machte, ein hübscher junger Mann, war der Sohn und muthmassliche Nachfolger des Fürsten von Garut. Seine Höflichkeit war zwar eben so gross, als die der übrigen Bedanas, doch sprach sich dabei gleichzeitig unverkennbar eine gewisse Vornehmheit aus. In Sumedang schickte der Regent seinen Wagen mit einer Einladung zu einem malayischen Ballet, die mit Vergnügen angenommen wurde, da seine Bedajas (Privattänzerinnen) die berühmtesten im ganzen westlichen Java sind. Der Fürst, ein mit 36 Kindern gesegneter Familienvater, von denen zehn oder zwölf der Jüngsten in reichen, goldgestickten Kostümen anwesend waren, empfing uns in seinem Palast an dem Ende eines langen Saales; er war äusserst liebenswürdig gegen seine Gäste, und entwickelte dabei eine gewisse Frivolität, wie ich sie selbst bei einem javanischen Muhamedaner nicht vermuthet hätte. Es fanden sich noch mehrere Europäer ein, und als die Gäste vollzählig waren, gab er das Zeichen zum Anfange.
Vier Tänzerinnen mit goldenem, helmartigem Kopfputz, oranienrother Jacke ohne Aermel und einem blau und weiss gestreiften Sarong, der bis zum Boden reicht, traten in zwei Paaren am andern Ende des Saales ein. Sie hatten Lanzen in den Händen und gingen mit niedergeschlagenen Augen feierlich um den ganzen Saal. Bei jedem Schritt machten sie Halt und verneigten sich nach der einen und andern Seite. Sobald dieser Umgang vorüber, schlug die Musik eine muntere Weise an, der ein lebhafterer Abschnitt des Tanzes folgte. Der dritte Abschnitt stellte eine Herausforderung dar. Die Tänzerinnen trugen dabei Pfauenwedel, mit denen sie einander verächtlich berührten. Darauf folgte der Kampf, wobei Kris, Pfeil und Bogen angewendet wurden; er schloss damit, dass zwei Tänzerinnen, als die Besiegten, niedersanken. Der letzte Akt schien Trauer und Reue über das Vorgefallene auszudrücken. Leider konnte keiner der Anwesenden die Bedeutung des Tanzes genauer erklären. Jeder Abschnitt hatte seine besondere Musik, die zuweilen sehr[S. 166] ergreifend und hinreissend war, einige male fiel auch ein Sängerchor ein.[74] Der ganze Tanz war ungemein feierlich und ist gewiss religiösen Ursprungs. Alle Bewegungen waren graziös und ausdrucksvoll, aber gemessen; der Ausdruck des Gesichts blieb immer schwermüthig und sehr ehrerbietig, drückte aber eben so wenig die wirkliche Stimmung der muthwilligen Mädchen aus, als das stereotype Lächeln unserer Ballettänzerinnen nach anstrengenden Sprüngen dies thut. Die nackten Füsse waren sehr schön geformt, klein und so wohl gepflegt, wie die Hände eleganter Damen. Zwei Mädchen hatten recht hübsche Gesichter, alle waren wohl gewachsen. Wahrscheinlich stammen diese Bedajas noch aus der Hinduzeit, auch erinnert der Kopfputz sehr an die Wayangfiguren.
Bei dem Assistent-Residenten sah ich eine Sammlung auf Java gefundener Alterthümer: Bronzen von zum Theil vorzüglicher Arbeit, die einen hohen Zustand der Kunst verriethen (die aber vielleicht von ausserhalb eingeführt waren), und eine Sammlung von Waffen, Geräthschaften und Schmucksachen aus Kiesel, welche, wie ich erfahren habe, jetzt nach Leyden gekommen sind, und als Proben eines unserer Steinzeit parallelen Zeitalters auf Java von hohem Interesse für Archäologen sein dürften.
Reise nach dem Malabar. — Cinchonenpflanzungen daselbst. — Cinchonenbau in Java und Vorderindien. — Tischchen deck dich. — Bambus. — Gärtnerei. — Pangerango.
In Sumedang trennte ich mich von meinem bisherigen so gefälligen Reisegefährten, kehrte nach Bandong zurück und schloss mich Herrn de Vrij an, der eine Dienstreise nach Gedong-banteng, einer mitten im Urwalde auf dem Malabar (nach Junghuhn: Malawar) angelegten Chinapflanzung machte, die er aus Gefälligkeit bis zu meiner Ankunft verschoben hatte. Die Ebene von Bandong wird im Süden zum grossen Theile von den Vorbergen des Malabar begrenzt, der sich von einer sehr breiten, fast quadratischen Basis in sanfter Neigung über 7000 Fuss erhebt. Im Osten scheidet ihn das enge, gewundene Thal des Tjitarum von dem Gebirgszug, auf dessen östlichem Abhang die früher besuchte Kawa-manuk liegt, und dessen südliches Ende der Papandayan und sein grosser Trümmerberg bildet. Der an der südöstlichen Ecke des Malabar im tiefsten Urwald entsprungene Tjitarum wächst durch Aufnahme vieler Bergwässer so schnell, dass wir vor der nordwestlichen Ecke desselben Berges auf einer Fähre übersetzen mussten. Im Galopp ging es dem Berge zu. Ein kleiner Schaden am Wagen war unterwegs schnell ausgebessert; Bambusen stehen überall zur Hand, sie lieferten Schienen und Hebebäume; ein gelbblühender Hibiscusbaum, den man auch gewöhnlich an der Strasse findet, gab seinen zähen Bast zu Stricken. Der Javane trägt auf Reisen stets sein Haumesser an der Seite; es ist in seinen Händen ein Universalinstrument, vermittelst dessen er den Bambus allen seinen Bedürfnissen anzupassen weiss. Den letzten Theil des Weges legten wir zu Pferde zurück. Zuerst durch Kaffeegärten, dann durch Urwald reitend, erreichten wir Tjiníruan, wo in 4820' Höhe eine Chinapflanzung angelegt ist, deren nähere Besichtigung auf morgen verschoben wurde, da wir noch vor Sonnenuntergang den Gipfel des Berges erreichen wollten. Die Eingebornen nennen ihn Puntjak tuwan besar: „Gipfel des grossen Herrn”, weil ihn der General-Guvernör im Jahre vorher gelegentlich eines Besuchs der Chinapflanzungen erstiegen hatte. Dies ist auch der Grund, warum ein bequemer Reitweg mitten durch den Urwald bis auf die Spitze führt, deren Höhe nach einer oben aufgestellten Tafel 7200 Fuss beträgt und einen grossartigen Rundblick gewährt: aus dichten, zum Theil nie betretenen Wäldern, deren dunkles Grün im Norden durch die Kulturebene von Bandong unterbrochen wird,[S. 168] steigt ein ganzer Kranz von Vulkanen empor. Gunong-guntur und -papandayan sind mit Dampfsäulen geschmückt; eine andere, die südwestlich aus dunklem Walde hervorbricht, bezeichnet die Solfatara des Gunong-wayang; in grösserer Ferne erblickt man die Vulkane Tjikorai, Gelungung, Gedeh, Tjerimai und Slamat. Mit einbrechender Dunkelheit kehrten wir nach Gedong-banteng zurück, wo ein gemüthliches Haus mitten im Walde für die Inspektoren der Chinapflanzungen steht. Wir brachten einen höchst angenehmen Abend inmitten der grossartigen Einsamkeit zu, die erst spät durch vier alte Rongengs gestört wurde, welche der Distrikthäuptling aus besonderer Aufmerksamkeit gegen seine fremden Gäste von weither herbeigeschafft hatte.
Am folgenden Tage besichtigten wir die Cinchonapflanzungen, die in verschiedenen Höhen auf dem Malabar angelegt sind, sowie die Gewächshäuser, in denen lange Reihen von Töpfen mit Stecklingen und noch viel grössere Mengen von Bambusgefässen mit je einem Samen zum Keimen aufgestellt waren. Ueberall war musterhafte Ordnung, Sorgfalt, ohne Rücksicht auf Kosten, und das ernste Streben sichtbar, alle Hindernisse zu überwinden, die sich bisher der Akklimatisation dieser werthvollen Bäume entgegengestellt hatten. Das Ergebniss hat aber den aufgewendeten Mitteln nicht entsprochen. Die Ursache wird mit Recht der Kulturmethode zugeschrieben, doch liegt sie noch weit mehr im „Kultursystem”, durch welches der Fehler, auf den man bei einem ersten Versuch gefasst sein musste, so ausserordentlich vergrössert wurde. Die Engländer, die mehrere Jahre später Cinchonen von Südamerika nach Indien brachten in der Absicht, den Anbau derselben Privatleuten zu überlassen, hatten einen überaus glänzenden Erfolg, der in diesem Maasse freilich nur durch Zusammentreffen nicht vorherzusehender Umstände herbeigeführt werden konnte. Ihre Aussichten waren aber gleich von vornherein viel günstiger: denn im Fall des Misslingens hätte es sich nur um einen verfehlten Versuch im Kleinen gehandelt, und für das Gelingen desselben war die Wahrscheinlichkeit weit grösser als in Java; denn unter den vielen, über die verschiedensten Lokalitäten vertheilten intelligenten Privatleuten, denen man im Falle eines ersten Misslingens die Pflanzen zu weiteren Versuchen überlassen haben würde, wäre es doch wohl dem Einen oder dem Andern geglückt, eine passende Kulturmethode zu finden — (genau so ist es mit dem Theebau in Indien gegangen, der zuerst fehlschlug und jetzt so glänzende Resultate giebt) — und ebenso war die fortschreitende Verbesserung der Methoden durch die Strebsamkeit vieler an der Kultur Betheiligten gesichert. Die fast gleichzeitige[S. 169] Einführung der interessanten Pflanzen in beide Länder, und die Verschiedenheit der Ergebnisse, in Folge der verschiedenen befolgten Systeme sind selbstredend. Als im December 1854 die ersten Cinchonen aus Holland in Java eintrafen,[75] wurden sie von den Herren Hasskarl und Teysmann in einer Lichtung auf dem Gedeh in 4400' Höhe gepflanzt. Die Wahl des Orts war, wie spätere Erfahrung lehrte, eine sehr unglückliche. Die grosse Trockenheit und grelle Sonne in so geringer Meereshöhe und der felsharte, nur von einer dünnen Erdschicht bedeckte Untergrund wirkten so verderblich, dass nach 18 Monaten nur noch 300 kränkelnde Pflanzen übrig waren. Im Dezember 1855 brachte Junghuhn 139 im botanischen Garten von Leyden gezogene junge Pflanzen nach Java und übergab sie Herrn Hasskarl; sechs Monate später waren 76 davon todt. Im Juni 1856 nahm Hr. Hasskarl wegen Krankheit seinen Abschied; Junghuhn erhielt selbst die Leitung, zugleich kam Dr. de Vrij als Chemiker nach Java und wurde mit bei der Chinakultur angestellt.[76] Nun begann ein neues System; Geld wurde nicht geschont, und es wurde befohlen, dass die Kultur bis zum völligen Gelingen unter der Leitung wissenschaftlicher Männer bleiben, dann aber in den gewöhnlichen Betrieb der Provinzialregierungen übergehen sollte. 1857 blühten einige C. Calisaya und C. Pahudiana, 1858 trugen sie Samen. Die Samen von C. Calisaya, einer anerkannt vorzüglichen Art, reiften aber nicht in so geringer Meereshöhe, während C. Pahudiana reichlich Samen lieferte und auch viel üppiger wuchs als jene. Diese Umstände verleiteten Junghuhn, dem es darum zu thun war, schnell eine grosse Menge Pflanzen zu erhalten, letztere fast ausschliesslich zu kultiviren und die guten Arten zu vernachlässigen, obgleich die C. Pahudiana jedenfalls von zweifelhaftem Werth war. Hasskarl hatte sie als C. ovata bestimmt, Junghuhn, der den Fehler entdeckte, nannte sie C. lacumaefolia, nach einer eingebildeten Aehnlichkeit mit dieser Spezies von Pavon; erst Howard, der berühmte Monograph der Cinchonen, erkannte sie als eine neue, unbeschriebene Art und nannte sie dem General-Guvernör zu Ehren C. Pahudiana. Das Hauptversehen in Java war die ungeheure Vermehrung dieser Art, die von Markham durchaus werthlos genannt[S. 170] wird: auch wollte kein Händler ihre 1862 auf die Londoner Ausstellung gesandte Rinde kaufen. De Vrij's Urtheil ist nicht ganz so ungünstig.[77]
Folgendes war Junghuhn's Kulturmethode: Blumentöpfe, aus Bambusinternodien bestehend, wurden mit fein gesiebter Erde gefüllt und im Innern des Waldes in Beete von aufgeschütteter Erde eingesetzt, die an den Abhängen der Gebirge terrassenförmig angelegt waren. Ein Dach von trockenem Grase, von Stangen getragen, hoch genug, um Seitenlicht einzulassen, schützte die Töpfe gegen herabfallende Regentropfen. Diese Saatbeete waren von 200–500 Fuss Länge und zogen sich in parallelen Reihen, wie Stufen eines Amphitheaters, zwischen den Bäumen hin. Jeder Topf enthielt nur einen Samen. Die Erde wurde immer feucht gehalten, indem sie zweimal täglich durch Ausdrücken eines Schwammes angewässert wurde. Die Töpfe blieben in den Saatbeeten stehen, bis die Pflanzen etwa einen halben Fuss hoch waren, was ungefähr 8 Monate erforderte, und wurden während dieser Zeit alle 5 oder 8 Tage gewendet, um das Krummwachsen der Pflanzen zu verhüten.
Zum Zweck des Anpflanzens wurden einige schöne, gerade Hauptwege längs der Bergkämme durch den Wald geschlagen und in Entfernungen von 25 Fuss durch Querpfade verbunden. An den Seiten dieser Fusswege waren tiefe Gräben gezogen und mit gesäuberter Erde gefüllt, so dass etwas erhabene Bänke mit Rinnen zur Ableitung des Regenwassers entstanden. Die jungen Pflanzen wurden in die lose Erde dieser Bänke gesetzt, worauf 4 starke Pfähle in den Boden getrieben und 4 oder 5 Fuss über der Spitze der Pflanze fest verbunden wurden. Dies sollte sie ein paar Jahre lang gegen herabfallende Zweige, tropfendes Wasser und wilde Thiere schützen. Auf diese Weise hatte man Tausende von Fusswegen durch die Wälder geschlagen und mit Cinchonabäumen bepflanzt.
Junghuhn hatte den entgegengesetzten Fehler von Hasskarl begangen; man weiss jetzt, dass sein Verfahren, die Pflanzen in den dichten Schatten der Wälder zu setzen, ganz falsch war, da sie Luft und Licht bedürfen, um reichlich Alkaloide zu bilden. Ebenso ist es jetzt ausgemacht,[S. 171] dass die Behandlung der Samen der Grund war, warum so wenige keimten. Der Versuch, die Pflanzen durch Stecklinge zu vermehren, gab in Java sehr ungünstige Resultate, weil die Stecklinge viel zu gross waren. Wäre man in Java auf die später von Mac Jvor in Ootacamund mit grossem Erfolg angewandte Methode verfallen, zur Vermehrung sehr kleine Ableger und Knospen zu benutzen, so könnte man dort jetzt Millionen von Calisayas statt werthloser Pahudianas besitzen.
Der Cinchonabau begann in Java im Dezbr. 1854; im Dezbr. 1860 besass man: 8346 C. Calisaya, 108 C. lancifolia, 939,827 C. Pahudiana, zusammen 948,281; ausserdem waren 700,264 Samen ausgesäet. Während die Holländer nach 6 Jahren mit Ausnahme der fast werthlosen C. Pahudiana nur 8454 Pflanzen besassen, erzog Herr Mac Jvor, der Dirigent der Pflanzungen in Ootacamund (Neilgherries) in wenig mehr als einem Jahr 9732 Pflanzen, ohne mehrere Hundert zu rechnen, die nach Java, Kalkutta, Trovancore gesandt wurden. Mac Jvor erlangte seine Erfolge durch eine der beschriebenen gerade entgegengesetzte Methode; er hielt den keimenden Samen sehr trocken, pflanzte die Sämlinge in grosser Meereshöhe und vermied namentlich den tiefen Schatten der Wälder.
An offenen Stellen wachsen die Pflanzen gut, geben reichlich Samen, bilden eine dicke Rinde, reich an Arzneistoffen, während sie im Schatten von Waldbäumen dünn und schwach in die Höhe schiessen und wenig Chinin entwickeln.[78] Es ist eine anerkannte Thatsache, dass alle Cinchonaarten den höchsten Prozentgehalt an Alkaloiden liefern, wenn sie in der grössten Meereshöhe wachsen, in der sie überhaupt noch gedeihen. Die strauchartigen Pflanzen sind besonders ergiebig, wenn ihr verkrüppelter Wuchs durch die grosse Meereshöhe des Standorts veranlasst ist. Die Engländer haben sich daher entschlossen, die Cinchonen als Sträucher zu kultiviren, etwa wie Zimmet, so dass jährlich geerntet werden kann. Die holländische Methode, im Schatten hoher Waldbäume zu pflanzen, weil die Bäume angeblich in ihrer Heimath so gefunden werden, ist schon deshalb verwerflich, weil es 30 Jahre dauert, bis die Rinde benutzt werden kann und sie immer sehr dünn und arm bleibt. Aber selbst wenn sie dann reich an Alkaloiden wäre, so würde der Nutzen der Einführung ein sehr fraglicher sein, denn die entfernte Möglichkeit einer reichen Ernte nach 30 Jahren würde in gar keinem Verhältniss[S. 172] stehen zu den enormen Ausgaben der ersten Anlage, und welcher Privatmann möchte wohl jemals ein Produkt bauen wollen, das nur alle 30 oder 40 Jahre einen einmaligen Ertrag verspricht!
Ueber den Fortschritt der Chinakultur in Indien meldet das Athenaeum vom 6. Juni 1863: „Herr Mac Jvor hat im Vermehren und Aufziehen der Cinchonen solchen Erfolg gehabt, dass die unter seiner Leitung stehenden Pflanzungen jetzt in der Lage sind, Tausende von jungen aus Stecklingen gezogenen Pflanzen[79] an öffentliche Gesellschaften abzulassen, die sich gebildet haben, um sie für den Handel anzubauen”. Herr Howard erklärt, dass alle von kleinmüthigen Botanikern gehegten Befürchtungen, als würden in Ostindien künstlich gezogene Cinchonen nicht dieselben Alkaloide enthalten, wie die in Südamerika natürlich gewachsenen, ohne Grund sind;[80] er findet nicht den geringsten Unterschied. Herrn Markham's Bemühungen sind also mit vollem Erfolg gekrönt worden.
Ausser auf mehreren Gebirgen Ostindiens schreitet der Anbau auch auf Ceylon schnell fort und wird immer mehr Gegenstand der Privatindustrie, da er grösseren Vortheil verspricht als der Kaffeebau. — Herr de Vrij, der die Cinchonapflanzungen in den Neilgherries im Nov. 1863 gründlich untersuchte, theilt über Herrn Mac Jvor's Erfolge noch Nachstehendes mit: Im April 1861 hatte M. J. 463 junge Pflanzen und 172 einen Monat alte Sämlinge, zusammen 635. Durch Stecklinge und Knospen vermehrte er sie so, dass ihre Anzahl am 31. Dec. 1863 277,083 betrug. Eine einzige 5' hohe Pflanze von C. Uritusinga, die Hr. Howard der englischen Regierung geschenkt hatte, kam kränkelnd im April 1862 in Ootacamund an, sie erholte sich Ende Mai und hatte Ende Decbr. 1863 bereits 6350 junge Pflanzen geliefert. Mac Jvor fand ein Mittel, die Samen durchschnittlich in 14 Tagen zum Keimen zu bringen. — Derselbe hat Herrn de Vrij brieflich mitgetheilt, dass er vor Ende Dec. 1865 im Stande sein werde, zwischen 3000 und 5000 ℔ Chinarinde als Ertrag der Neddiwultum-Pflanzung zu liefern, in welche im Herbst 1862 16000 Pflanzen ausgepflanzt wurden. Nach dem englischen System, die Pflanzen als Sträucher auszubeuten, verzinst sich das Anlagekapital nach[S. 173] höchstens 4 Jahren und giebt dann zunehmenden Ertrag, so dass bereits viele Privatleute veranlasst worden sind, diese Kultur für eigene Rechnung zu versuchen. Im Herbst 1861 wurde die weitere Vermehrung der C. Pahudiana auf Java durch Regierungsbeschluss untersagt. Nach einem Bericht des jetzigen Vorstehers der Chinakultur (Tijd. v. N. I. Febr. 1866) ist gegenwärtig unter den Pahudianas grosse Sterblichkeit eingerissen, man scheint aber nicht Lust zu haben, den Ausfall zu ersetzen; dagegen schlägt man Oeffnungen in die Wälder, um den Calisayas Luft und Licht zu geben, und ist bestrebt, diese zu vermehren; ihre Anzahl ist aber immer noch sehr gering.
Nach Dr. Hooker's Berichte (Athenaeum 17. März 1866) sind von Ceylon reife Cinchonensamen über Kew nach Jamaica, Trinidad, Mauritius, dem Kap der guten Hoffnung, Queensland gesandt worden. In Trinidad und Queensland werden die Calisayas schon mit vollständigem Erfolg kultivirt. Den Holländern gebührt zwar das Verdienst, die Cinchonen zuerst auf die östliche Halbkugel übersiedelt zu haben (ein früherer Versuch der Franzosen, sie in Algier einzuführen, war misslungen), die Engländer haben aber diese werthvollen Pflanzen eigentlich erst zu einem Gegenstande des Landbaus gemacht und sie über fast alle Länder verbreitet, in denen sie gedeihen können.
Bei einer Reise, die wir vom Malabar aus südlich unternahmen, war durch ein Versehen des betreffenden Beamten keine Meldung vorausgegangen. Wir fanden daher die Waldwege in ihrem gewöhnlichen Zustande. Acht Stunden lang kletterten wir über schlüpfrige Thonrücken und erreichten Pamorotan, das zur Frühstückstation bestimmt war, erst so spät Nachmittags, dass die Weiterreise für heut aufgegeben werden musste. Hier stand ein geräumiger, aber ganz verödeter Pasanggrahan, da dergleichen Gebäude an so abgelegenen Orten nur, wenn ein Kulturbeamter die Station besucht, für ihn eingerichtet werden. Weil wir nicht angemeldet waren, stand alles leer. Einige Reiter, die uns begleitet hatten, sprengten nach verschiedenen Richtungen, um etwas für unsere Mahlzeit herbeizuschaffen; wir stiegen inzwischen das steile Ufer des Tjilaki hinab und kletterten durch sein felsiges Bett unter riesigen Waldbäumen umher. Diese Gegend ist sehr spärlich bevölkert. Dichter Wald fasst den Fluss ein, der zwischen grossen Felsblöcken dahinrauscht. Es herrschte grosse Einsamkeit, aber keine Stille. Wer plötzlich mit verbundenen Augen dahin versetzt würde, könnte sich in der Nähe einer grossen Fabrik glauben; so laut und gellend klang das Geräusch der Insekten. Besonders unangenehm und alles übertönend war ein[S. 174] schriller Laut, der täuschend wie das Geräusch einer Schleifmühle klang. Andere Insekten schienen das Schnurren vieler hundert gezahnter Räder in schneller Bewegung nachzuahmen. Das Tosen des Wassers vervollständigte die Illusion. Nie wieder habe ich ähnlichen Lärm in einem Walde gehört.
Als wir nach kaum zwei Stunden den Pasanggrahan wieder betraten, fanden wir Alles wie durch Zauber verändert. Das vorher so stille Gehöft war jetzt voll Leben und Thätigkeit, und noch immer kamen neue Züge von Kulis und trugen allerlei Gegenstände der Bequemlichkeit herbei. In den Schuppen waren die Pferde der Häuptlinge untergebracht; auf dem Hofe brannten mehrere Feuer, an denen emsig gekocht und gebraten wurde. Eine grosse Anzahl Arbeiter waren beschäftigt, frisch gefällte Bambusen vermittelst ihrer Haumesser in allerlei Möbel, Haus- und Küchengeräth zu verwandeln. Zwei grosse bequeme Lehnstühle waren bereits vollendet, und eben wurde die letzte Hand an einen Tisch gelegt, dessen Platte aus Bambussplissen bestand. Als Leuchter dienten Bambusen von entsprechendem Durchmesser, die einen Zoll hoch über einem Knoten abgeschnitten waren, während das entgegengesetzte längere Ende in drei Theile gespalten, auseinandergespreizt, durch Querstäbe verbunden und mit einem Stein beschwert, den Fuss bildete. Andere Arbeiter waren beschäftigt, das Dach auszubessern. In dem länglich viereckigen, vorher so unwohnlichen Raum, der uns zum Aufenthalt dienen sollte, waren an beiden Enden durch bunte Vorhänge zwei kleine Gemächer abgetrennt worden; in jedem stand bereits ein Bett aufgeschlagen; der ganze mittlere Theil, unser Salon, war mit weichen Pandanusmatten belegt, und sobald wir gebadet, wurde auf dem nun vollendeten Tische ein vortreffliches Essen aufgetragen mit sehr mannigfaltigem Dessert, worauf Kaffee mit Cognac folgte. Es war fast wie das „Tischchen deck' dich” im Mährchen.
Je länger man in diesen Ländern verweilt, um so mehr wächst das Erstaunen über die unzähligen nützlichen Verwendungen einiger Pflanzen, unter denen der Cocospalme und dem Bambus wohl die erste Stelle gebührt. Aus Bambus baut der Javane sein Haus, aus Bambus bestehen alle seine Möbel; in einer Bambusröhre, die dabei zwar verkohlt, aber nicht verbrennt, kocht er auf Reisen seinen Reis an einem Bambusfeuer, wenn er nicht etwa vorzieht, junge Bambustriebe, die ein sehr schmackhaftes Gemüse geben, darin zu kochen.
Wie schon mehrmals angedeutet, besteht oft das ganze Gerüst des Hauses aus Bambus; die Wände aus plattgedrückten geflochtenen Halmen;[S. 175] die Dächer werden zwar gewöhnlich mit Palmenblättern oder Gras gedeckt, aber auch mit Bambusschindeln, die wie Hohlziegel gelegt werden. Einige mit Wasser gefüllte, von der Dachfirste paarweise herabhängende geräumige Internodien bilden einen stets bereiten Löschapparat. Schuppen, Ställe, Scheunen, fast sämmtliches Ackergeräth, sowie der Zaun um das Gehöft, bestehen aus Bambus.
In einem unter dem Dach horizontal aufgehängten, an einem Ende mit einem Loch versehenen Halm siedelt sich die kleine stachellose Biene an, die dem Javanen das Wachs liefert, das er, wie später beschrieben werden soll, bei dem Färben seiner Sarongs gebraucht. Zuweilen ist in einem ganzen Dörfchen kaum ein anderes Material verwendet; der zierliche Zaun, der es umgiebt, die Thore an beiden Enden, mit erhöhten Bänken, auf welchen die Wache lagert, alles ist aus Bambus; neben letzterer hängt in mehreren Exemplaren ein eigenthümliches Instrument zum Fangen der Diebe und Bösewichte; es besteht aus zwei armdicken Bündeln dünner Seitenzweige des dornigen Bambus, die gabelförmig an einer Stange befestigt sind und dazu dienen, den Verfolgten am Halse zu packen.
In vielen malayischen Ländern, wo der Fluss die einzige Strasse durch den dichten Wald bildet, erheben sich am Ufer und namentlich an den schlammigen Mündungen Gruppen von Hütten auf Pfählen (vergl. die Ansicht von Rochor). Wie bei den alten Pfahlbauten sind sie häufig durch eine gemeinschaftliche Gallerie verbunden. Wenn nicht zu den Pfählen Palmenstämme (gewöhnlich Caryota urens) verwendet sind, so besteht Alles aus Bambus. Nirgends springt einem die Bequemlichkeit des Lebens der Tropenbewohner mehr in die Augen, als in dergleichen Ansiedelungen. (vergl. S. 50 unten.)
Fast die ganze mehrere hunderttausend Seelen betragende Bevölkerung der Hauptstadt von Siam lebt in Häusern, die auf Bambusflössen schwimmen, und in meilenlangen Reihen zu beiden Seiten des Flusses und der Kanäle am Ufer festgemacht sind. Gefällt Einem seine Nachbarschaft nicht, so schwimmt er mit der Ebbe oder Fluth stromab- oder aufwärts.
Für alle Arten von Gestellen, Gerüsten, Gittern, Rahmen ist der Bambus unübertrefflich; ausser der gewöhnlichen Leiter erhält man eine etwas weniger bequeme, aber viel tragbarere durch blosses Einhauen von Löchern in den Halm. Er liefert ebensowohl die zierlichen Käfige für kleine Singvögel oder Prachtkäfer, als auch die grossen, in denen bei Festlichkeiten Tiger und Büffel kämpfen. Soll in Hongkong ein grosses[S. 176] steinernes Haus gebaut werden, so führt man erst ein den äusseren Umrissen ähnliches grösseres Gebäude aus Bambus auf, und deckt es mit Bambus- oder Palmenblättern, unter deren schützendem Dache dann die Arbeit, unbehindert durch Regen oder Sonnengluth, um so schneller fortschreitet. Steinerne Theater sind, wie ich glaube, in ganz China nicht vorhanden; selbst das Theater in Canton, das eine grosse Zuschauermenge fasst, bestand nur aus Bambus.
Allerlei Hausrath, Stühle, Tische, Webestühle, Betten sind von Bambus; das lange krause Geschabsel dient zum Polstern; kühlere und elastischere Kissen erhält man, indem man eine feine Bambus- oder Rotangmatte über zwei in ihren Mittelpunkten an den Enden eines Stabes befestigte Scheiben straff spannt. Nicht nur die Hütte der Armen ist mit Bambus möblirt, auch in der Wohnung des Reichen findet man ihn in Form bequemer Schlummerstühle und in allerlei zierlichen Geräthschaften wieder. Vor der Veranda hängen Rollvorhänge aus feingespaltenen, durch Seidenfäden an einandergeknüpften Stäbchen, die zwar die Luft durchlassen, aber, namentlich wenn sie dunkelgrün gefärbt sind, das Licht angenehm dämpfen. Dort findet man auch die zierlichsten Körbchen und künstlich geschnitzte Becher. Die lackirten Bambusdosen von Birma sind berühmt und in Palémbang überzieht man Körbe aus dünnen Bambusspähnen mit einem Lack, der so elastisch ist, dass man sie völlig umstülpen kann, ohne dass Sprünge entstehen.
Ein Span von keilförmigem Querschnitt, dessen scharfe Kante von der kieselreichen äusseren Schicht gebildet wird, giebt ein sehr scharfes Messer; bei den feinen Piña-Webereien benutzt man nie ein anderes. Auch zu chirurgischen Operationen wird es verwendet. Dieselbe äussere Schicht liefert aber nicht nur ein scharfes Messer, sondern auch einen sehr wirksamen Wetzstein, um eiserne Messer zu schärfen.
In China wird das meiste Papier aus Bambus erzeugt, auch das in Europa für Kunstdrucke so geschätzte. Bei den Pinseln, die in China die Schreibfedern vertreten, bestehen die Schäfte aus Bambus; gröbere Pinsel macht man sich leicht, indem man das eine Ende eines Bambussplints so lange mit dem Hammer klopft, bis sich die einzelnen Längsfasern trennen.[81]
Für die Jagd und den Krieg liefert der Bambus Blasröhre, aus denen vergiftete Pfeile geschossen werden, Pfeilschäfte und Pfeilspitzen,[S. 177] Lanzen, Palissaden, spanische Reiter, auch Fusslanzen (6'' bis 2' lange, zugeschärfte Bambusspiesse, die so in den Boden gesteckt werden, dass nur die Spitzen hervorragen, welche mit Spreu oder lockerer Erde bedeckt, dem barfüssigen Feinde gefährliche Wunden beibringen). Der Dornenbambus, eine bis 40' hohe, sehr dickbuschige, vielverzweigte, überall mit scharfen Stacheln bewehrte Art, bildet einen undurchdringlichen Wall, gegen den selbst Artillerie kaum etwas vermag, so dass die Holländer, durch ihre Erfahrungen im Kriege gegen die Padrys auf Sumatra belehrt, ihn jetzt immer um ihre eigenen Festungen pflanzen.
Dem Fischer liefert der Bambus unübertreffliche Flösse, Masten, Segelstangen, Spreitzen für Mattensegel, Reusen, Fangkörbe, Speere zum Spiessen grosser Fische und „Ausleger”, um sein schmales Boot gegen Umschlagen zu schützen. Zu diesem Zwecke wählt man etwas bogenförmige Halme, die dem Boot parallel, die konvexe Seite nach unten, in Entfernung einiger Ellen vermittelst zweier Querstangen befestigt werden. Je nach der Stärke des Windes taucht das Rohr auf der Leeseite mehr oder weniger tief ein und stützt das Fahrzeug. Die Verwendung des Bambus zu Brücken geht am besten aus den Zeichnungen hervor,[82] ausserdem aber baut man auch solche, die flossartig im Wasser liegen. In Bambusen, deren Enden in einander gefügt sind, leitet man das Wasser grosse Strecken weit über Berg und Thal.
Eine kletternde, sehr zähe, dünne Art liefert gespalten, allerlei feines Flechtwerk, auch Stricke, sogar Säcke. Ja selbst Jacken machen die Chinesen aus einer kleinen Art, indem sie die Seitentriebe von der Dicke eines Rabenkiels in halbzoll lange Stücke schneiden, wie Schmelzperlen auf Fäden ziehen und zu quadratischen Maschen verknüpfen. Chinesische Stutzer tragen gern dergleichen Jacken auf dem blossen Körper, um ihr weisses baumwollenes Gewand gegen Schweiss zu schützen. Aus Bambusblättern bestehen die Regenmäntel der Armen und die groben Regenschirme der Höker. Die unter dem Namen Pfefferrohr in Deutschland bekannten Stöcke und Regenschirmstiele sind Bambus. Bei den chinesischen und japanischen Schirmen besteht das ganze Gestell aus Bambussplissen, und der Ueberzug aus gefirnisstem Papier.
Geht man in den Wald auf eine Exkursion, so sind die Kulis schwer zu bewegen, Tragkörbe mitzunehmen, da eine Bambuse alles Nöthige liefert, um Körbe, Kiepen, Tragen u. s. w. in kürzester Zeit zu flechten. Zur[S. 178] Bewahrung kleiner oder flüssiger Gegenstände dienen unmittelbar die Internodien. Auch die amtlich geaichten Maasse für Flüssigkeiten und Körner bestehen daraus.
In einem Bambusbusch stecken Musikinstrumente für ein ganzes Orchester. Am naheliegendsten ist die Verwendung zu Flöten und Pfeifen, Wie die Mintras Gitarren daraus machen, ist bereits erwähnt. Auch die abscheuliche chinesische Fidel „hii-ïeng” besteht aus Bambus. (In ein 3–4'' langes, 2'' dickes, an einem Ende mit einer Schlangenhaut trommelartig bespanntes Rohr, welches den Körper der Geige bildet, ist seitlich ein etwa 2' langer Bambusstock eingelassen, an dessen oberem Ende die Wirbel für zwei Saiten angebracht sind; der Steg steht auf der Schlangenhaut.) Ein sehr angenehmes Instrument dagegen ist das Anklong, bestehend aus einer Anzahl Rohre von graduirter Länge, die an einem Gestell hängen und durch Aneinanderstossen in tönende Schwingungen versetzt werden. Logan erwähnt einer Art Aeolsharfe, die er in Naning sah und den Triumph der malayischen Kunst nennt: „Denn was könnte kühner und sinnreicher sein als der Gedanke, einen ganzen Bambus frisch aus dem Walde 30–40' lang durch einfaches Einschneiden einiger Löcher in ein musikalisches Instrument zu verwandeln.”
Für religiöse Zwecke liefert der Bambus auf den Philippinen Kirchen, Kapellen und Kreuze. (Für die Erziehung ist der Rotang beliebter und wird stark benutzt. Das Sprichwort sagt: für jeden Indier, der geboren wird, spriessen im Walde tausend Rotangs auf.) Die Chinesen schneiden aus seinen knorrigen, struppigen Wurzeln phantastische Figuren für den Tempel und den Hausaltar. Aus Bambuswurzeln bestehen auch die eigenthümlichen Wurfhölzer in den Tempeln, durch welche die Chinesen das Schicksal befragen, um aus der Art des Fallens auf den Erfolg einer Unternehmung zu schliessen; in ihrer Zudringlichkeit werfen sie aber die Hölzer so lange, bis sie endlich eine günstige Antwort erhalten.
Auch als Feuerzeug ist der Bambus in Gebrauch, und wohl allen andern bei den Wilden üblichen Feuerzeugen vorzuziehen. Man spaltet einen recht trockenen Halm von 2–3' der Länge nach in der Mitte, schabt aus den inneren Wandungen die silberglänzende weiche Haut und das weiche Holz so fein als möglich und rollt das Geschabsel zu einer losen Kugel zusammen, die auf den Boden gelegt und mit der einen Hälfte des Halms bedeckt wird, so dass sie oben gegen die Wölbung drückt. Von der andern Hälfte spaltet man dann noch einen Streifen ab, so dass ein fast flaches lattenförmiges Stück zurückbleibt, dessen eine Seite zugeschärft wird. Mit dieser Seite geigt man auf dem Bambus,[S. 179] der von einem Begleiter oder durch Pflöcke festgehalten wird, gerade über der Stelle, wo das feine Geschabsel liegt, hin und her, indem man allmälig den Druck und die Geschwindigkeit steigert. So entsteht ein Einschnitt quer durch die Längsfasern, die Wärme wächst bei der starken Reibung sehr schnell, und in dem Augenblick, wo das Gewölbe durchschnitten ist, entzündet sich das verkohlte Holzpulver zu Funken, die in den darunter liegenden Faserballen fallen und durch vorsichtiges Blasen allmälig zu einem Flämmchen genährt werden. Der Versuch ist leicht anzustellen und gelingt jedesmal, wenn alle Vorbereitungen richtig getroffen sind.
Endlich möchte ich noch einer schrecklichen Todesstrafe erwähnen, die früher auf Bali in Gebrauch gewesen sein soll. Die Bambusen wachsen ausserordentlich schnell und dringen mit sehr harten kieselreichen Trieben, die wie Spitzkugeln geformt sind, aus dem Boden. Es wird erzählt, dass man, nachdem die längeren Halme entfernt worden, den Verbrecher horizontal über den Stumpfen aufspannte, um ihn von den jungen Trieben durchwachsen zu lassen.
Manche Bambusarten haben sehr dicke Wände im Verhältniss zu ihrem Durchmesser, andere sehr dünne, bei grossem Umfang. Auf dem Abhang des Semeru (Ost-Java) mass ich sehr dünnwandige Bambusen von 70' Länge und 26'' Umfang an der Basis (Junghuhn giebt deren von 1' Durchmesser an), die bis zur Spitze mit Wasser gefüllt waren. Diesem Wasser wird eine besondere Heilkraft zugeschrieben. In demselben lebt ein kleines krebsartiges Thier, das die Javanen Ikanwadr nennen, ich aber leider nicht auffinden konnte. Noch grössere Heilkraft schreibt man den Kieselkonkretionen zu, die sich in manchen Bambusen bilden und unter dem Namen Tabaschir oder Bambuskampfer in den Handel kommen. Die grosse Rolle, die der Tabaschir in der chinesischen Medizin spielt, verdankt er wohl, wie die Bezoarsteine, seiner spontanen Entstehung. Auch als Polirmittel wird der Tabaschir gebraucht; grosse Quantitäten gehen nach Arabien, ihre dortige Verwendung konnte ich aber nicht ermitteln.
Von der Schönheit einer auf offenem Felde oder auf einer Anhöhe freistehenden Bambuse, deren oben reich befiederte Halme sich bei Windstille nach allen Seiten gleichmässig zur Erde neigen, wie die Wassergarbe eines Springbrunnens, kann man sich nach den verkümmerten Exemplaren in den Ecken unserer engen Treibhäuser unmöglich einen Begriff machen. Sie übertrifft sowohl die Palme als den Baumfarn an landschaftlicher Schönheit. Es wäre ein würdiger Versuch für einen[S. 180] reichen Gartenfreund, seinen Rasenplatz mit einer Bambusgruppe zu schmücken. Ein gemauertes, durch Röhren heizbares Becken, mit einem im Sommer abzunehmenden Glashause würde genügen; vielleicht wären selbst einfachere Vorrichtungen ausreichend. (Im Garten der Fürstin Butera bei Palermo sah ich Bambusen im freien Lande, es war aber keine schöne Art.) Rings um die Mittelgruppe könnte man niedrigere Arten mit goldgelben und gelb und grün gestreiften Halmen setzen, deren es äusserst zierliche giebt. Die Auswahl ist endlos; die Dicke schwankt zwischen 1 Fuss und wenigen Millimetern, die Höhe erreicht 70–80', abgesehen von den kletternden, welche viel länger werden; die Farbe umfasst sehr verschiedene Töne von grün und gelb; es giebt auch gestreifte, gefleckte und schwarze; und es trifft sich glücklich, dass gerade die schönste aller Bambusarten im nördlichen China in einem Klima wächst, das von dem Süd-Europas nicht allzu verschieden ist. R. Fortune, der in diesem Punkt gewiss kompetent ist, glaubt wenigstens, dass sie in Süd-Frankreich, Italien und ähnlichen Gegenden im Freien gedeihen möchte. Er sagt von ihr (Residence among the Chinese pg. 189): „Die Mau-tschok ist die schönste Bambuse der Welt — 60–80' hoch, Stamm gerade, glatt, astlos bis auf 20 oder 30' vom Boden, der obere, belaubte Theil so leicht und gefiedert, dass er die Reinheit des Stammes nicht beeinträchtigt.” Wie alle andre Arten dieser Gruppe wachsen sie sehr schnell und erreichen ihre volle Höhe in wenigen Monaten; man sieht sie fast wachsen, wie man zu sagen pflegt. Fortune, der häufige Messungen in den chinesischen Bambuswäldern anstellte, fand, dass eine gesunde Pflanze 2–21/2' in 24 Stunden wächst, und zwar Nachts am schnellsten. Selbst im Treibhause ist ihr Wachsthum enorm. Hr. Inspektor Bouché berichtet, dass eine im freien Grunde des Palmenhauses im Berliner botanischen Garten stehende Bambusa verticillata vom 22. Juni bis Anfang Oktober 38' emporschoss. Vom 28. Juni bis 4. August wurde sie täglich gemessen und wuchs 10' in 38 Tagen, also durchschnittlich 31/2 Zoll, an einzelnen sehr warmen Tagen aber 7, ja sogar 9 Zoll.
Bald nach unserer ersten Reise hatte ich das Vergnügen, Hrn. de Vrij nach Tjibodas am Gedeh zu begleiten, wo die bereits mehrmals erwähnte erste Cinchonapflanzung auf Java in 4400' Höhe von Hasskarl und Teysmann angelegt worden war. Bei dem Gärtner in Tjipanas, das an demselben Abhang 1100' tiefer liegt, fanden wir diesmal gute Aufnahme und angenehme Gesellschaft aus Batavia, die sich in der hiesigen Frühlingsluft von den Strapazen der heissen Hafenstadt erholte. Man kann sich[S. 181] kaum einen angenehmem Aufenthalt denken, um Geist und Körper zu erfrischen. Daher würde der Ort von den Bataviern noch viel zahlreicher besucht werden, wenn nicht die sehr hohen Reisekosten und das strenge, lästige Passwesen für sie ein Hinderniss wären.[83]
Die Gärtnerei ist nicht auf die unmittelbare Umgebung von Tjipanas beschränkt, sondern zieht sich mehrere tausend Fuss höher den Berg hinan, wodurch es möglich wird, viele Kultur- und Zierpflanzen aus kälteren Breiten zu bauen. Artischocken, Spargel, Tomaten und andere feine europäische Gemüse, die in Singapore nur als Leckerbissen aus Blechbüchsen auf die Tafel kommen, bildeten den Hauptbestandtheil der Mahlzeiten; Erdbeeren waren in grösster Fülle vorhanden und wurden nach andalusischer Sitte mit Apfelsinensaft gegessen. Europäische Fruchtbäume sind zwar auch höher oben am Berge gepflanzt und tragen das ganze Jahr Blüthen und Früchte, doch bleiben letztere meist ungeniessbar, weil den Bäumen die unsern Wintern entsprechende Ruhezeit fehlt. Am schmackhaftesten sind noch die Aepfel, am ergiebigsten die Pfirsiche, die aber nur gekocht zu geniessen sind; Erdbeeren wachsen so üppig, dass weiter oben grosse Flächen damit bedeckt sind. Nach ihnen ist ein Gehöft in etwa 4000' Höhe Arrebe benannt; so sprechen die Malayen das holländische „Aardbei” aus. Man kommt an mehreren Cinchonapflanzen vorbei, die Junghuhn von Tjibodas aus hierher versetzte, nicht nach dem Malabar, wie Markham irrthümlich angiebt. Schöne, bequeme Reitwege führen nach verschiedenen Richtungen, — auch bis zum Gipfel des ganzen Gebirges, nach Junghuhn Mandellawangi, gewöhnlich aber wohl Pangerango genannt, auf welchem jetzt ein geräumiges, heizbares Bretterhaus steht, wo man die Nacht zubringen kann. Die Reitpferde sind billig und gut und können unterwegs gewechselt werden, so dass selbst Damen diesen 9230' hohen Gipfel fast ohne alle Anstrengung erreichen können. Gruppen riesiger Rasamalas, Baumfarne und Orchideen (die köstliche Vanda suaveolens findet sich nirgends in grösserer Fülle) folgen auf einander, und höher hinauf leuchten schon aus der Ferne die grossen rothen oder gelben Blüthenbüschel des Rhododendron Javanicum, das hier gewöhnlich epiphytisch vorkommt. Vor Kandang-badak überschreitet man auf einer Brücke einen heissen Sturzbach, der dampfend in den Abgrund fällt. Bald darauf kommt man an einem grossen Erdsturz, einer Scene wilder Verwüstung, vorüber: auf einem weiten Raum wächst keine Pflanze, enorme Felsblöcke und Schutt bedecken die Oberfläche, dazwischen liegen grosse zertrümmerte[S. 182] Baumstämme und eine hohe, senkrechte Wand, ohne eine Spur von Pflanzenwuchs, zeigt den Ort, wo sich die Erde abgelöst und dass das Ereigniss vor Kurzem stattgefunden hat. Vom Gipfel des Berges hat man einen ausgezeichnet schönen und weiten Umblick, dessen interessantesten Theil der grosse Gedehkrater bildet, der mit seinen terrassenförmigen Gesteinsbänken wie ein ungeheures antikes Theater vor dem Beschauer liegt.
Vulkan Tankubang-prau. — Kostbare Waffen. — Tiger. — Kawali. — Schirme. — Fest in Pandjalu. — Ausbruch des Gelungung. — Büffelkarren. — Teakholz. — Kindersee. — Universalmittel. — Pfahldorf. — Zimmet. — Loro-kidul. — Essbare Vogelnester und abergläubische Gebräuche beim Einsammeln derselben. — Kampf zwischen Tiger und Büffel. — Tigerstechen. — Reise nach dem Slamat. — Rhinozerosse.
Ich kann nicht läugnen, dass die bisherige Art zu reisen mir ausserordentlich gefallen hatte, und als mir im Verkehr mit den liebenswürdigen Männern, deren Gesellschaft ich genoss, jeden Tag die Aussicht auf neue Wunder eröffnet wurde, die das Innere der Insel bergen sollte, wurde mein Entschluss, mich auf einen Ponyritt durch die Preanger Lande zu beschränken, allmälig wankend. Ich liess mich ohne grosse Schwierigkeiten bereden, die reichen Mittel zu benutzen, die mir der General-Guvernör mit so glänzender Liberalität zur Verfügung gestellt hatte. Junghuhn, der mir namentlich sehr zuredete, arbeitete für mich einen Reiseplan aus, der alle Gegenstände einschloss, die mir von besonderem Interesse waren. Die Punkte der bemerkenswerthesten geologischen Erscheinungen bildeten darin die Hauptmomente und waren durch solche, welche ethnologische Eigenthümlichkeiten, malerische Landschaften, kulturhistorische Monumente, charakteristische Vegetationsbilder, interessantes Volksleben darboten, zu einer Kette verknüpft, die von Lembang ausgehend, sich durch den südlichen, gebirgigen Theil der Insel zog und dann durch das flache, nördliche Gestadeland zurücklief. Alle hervorragenden Erscheinungen, die Junghuhn während seiner 20jährigen, oft unter grossen Entbehrungen und Strapazen ausgeführten Wanderungen kennen gelernt, sollte ich nun, mit allen Bequemlichkeiten versehen, an mir vorübergleiten lassen. Jedem Tag hatte er ein besonderes Blatt gewidmet, auf dem alles Interessante der betreffenden Strecke verzeichnet war, immer mit Hinweis auf die entsprechende Stelle in seinem Handbuch und Anführung der Seitenzahl. Ja sogar Erholungsstationen an[S. 183] schönen Kraterseen oder in hoch gelegenen Pasanggrahans waren hinter den anstrengenderen Exkursionen eingeschaltet. Rechne ich dazu noch die selbst für Indien fast unglaubliche Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit, die mir ohne Ausnahme während der ganzen Reise zu Theil wurde, so glaube ich wohl annehmen zu dürfen, dass noch Niemand diese schöne Insel unter angenehmeren Verhältnissen durchstreift hat. Mit jedem Tage wuchs meine aufrichtige Verehrung für Junghuhn. Wer nicht an Ort und Stelle, sein Buch in der Hand, das Geschriebene geprüft, wird sich keine Vorstellung machen können von der Genauigkeit der Beschreibung und der Klarheit, mit der die Verhältnisse aufgefasst sind. Als er die Materialien zu diesem Werk sammelte, fand er nur geringe Unterstützung. Mit hoher, wissenschaftlicher Befähigung, seltenem Fleiss und eiserner Ausdauer ausgerüstet, gab ihm seine leidenschaftliche Liebe zur Natur die Kraft, Schwierigkeiten zu überwinden, die für die meisten unübersteiglich gewesen wären. Mein eigenes Urtheil über ihn kann wohl nicht unparteiisch sein, darum habe ich in Obigem nur die allgemeine Ansicht über seine Leistungen wiederholt.
Zum Abschied machte ich mit Junghuhn noch eine Exkursion auf den Tankubang-prau, den berühmten von zwei grossen Kratern durchbohrten Vulkan, an dessen Fuss Lembang liegt. Nach einigen Stunden erreichten wir unsere Hütte, die an der Stelle aufgeschlagen war, wo die beide Krater trennende Wand im Süden die gemeinschaftliche Ringmauer trifft. Von hier hätten wir einen Einblick in beide Schlünde haben müssen; aber dichte Nebel verbargen jede Aussicht und liessen nur einige in unserer Nähe stehende vermodernde Thibaudienstämme mit knorrigen phantastisch ausgereckten Aesten erkennen. Aus dem Boden des Kraters, in mehr als 1000' Tiefe, hörte man das Sausen der aus den Spalten hervordringenden Wasserdämpfe. Der links im Westen gelegene Kessel heisst Kawa-upas (Gifthöhle), der im Osten gelegene Kawa-ratu. Der Boden des letzteren liegt viel tiefer als der der Kawa-upas und war früher einmal von einer grossen Menge kleiner Seen bedeckt, daher sein Name „ratu” = tausend (Seen?). Bis auf einige kleine Schlammpfützen ist er jetzt trocken und flach, mit einer erhärteten feinen Thonschlammkruste bedeckt, die über ihren Ursprung durch Absetzen aus stehendem Wasser keinen Zweifel lässt. An vielen Stellen hat der hervorbrechende Wasserdampf kleine Schlammkegel von anderthalb Fuss Höhe gebildet, aus welchen er zischend, wie aus einer Dampfmaschine, in einem weissen Strahle hervorbricht. Ueberall, wo man mit dem Stock durch die dünne Kruste stösst, brechen Dämpfe mit Gewalt hervor.[S. 184] An einem Wasserriss der Nordwand sieht man eine interessante Erscheinung: die aus grobem Schutt gebildete Wand enthält in unregelmässigen Zwischenräumen, horizontal über einander gelagerte, aus feinen Schichten bestehende Thonkrusten, genau von derselben Beschaffenheit wie die, welche jetzt den Boden des Kraters bedecken. Sie zeigen die früheren Höhen des Seebodens an und auch sein periodisches Verschwinden und Entstehen. Der gegenwärtige Kraterboden war von dieser Stelle nicht sichtbar, mochte aber wohl 200' tiefer liegen. Auf dem Grunde des westlichen Kessels, Kawa-upas, der über die Zwischenwand leicht zu erreichen ist, hatte sich in der Südostecke, gerade am Fuss des steilen Zwischenrückens, ein kleiner von oben nicht sichtbarer See gebildet, der bei Junghuhn's letztem Besuch nicht vorhanden war. Seine Länge betrug 135', die Breite etwa 50', er unterspülte den Fuss der Gebirgswand; aus der dicht mit grossen Schwefelzapfen ausgekleideten Höhle am jenseitigen Ufer brach mit starker Entwickelung von Schwefelwasserstoff, hoch aufsprudelnd, das von Thonschlamm und Schwefelblumen gelbgrau gefärbte Wasser hervor. Das Metallikpapier meines Notizbuchs und das Silbergeld in meiner Tasche bräunte sich schnell. Im westlichen Theil dieses Kraters liegt ein zweiter von oben sichtbarer grösserer See, dessen blaugraues, stilles Wasser durch den Kontrast mit jenem ganz lieblich erscheint. Kaum hatte ich die Hütte auf dem Gipfel wieder erreicht, als es heftig zu regnen begann. Junghuhn hatte unterdessen von dort aus einige photographische Bilder beider Krater aufgenommen. —
Inzwischen war aus Batavia eine grosse Karosse mit Klapptritt und Wappen für mich angekommen, sehr geeignet zum Visitefahren für eine alte Generalin, aber nicht für meine Zwecke. Ich kaufte daher einen leichten Reisewagen und verabschiedete mich nach mehreren kleineren Exkursionen von Lembang, wo ich einige mir unvergessliche Tage zugebracht hatte, um am folgenden Morgen selbstständig meine Reise nach Osten anzutreten.
Abends liess der Regent von Bandong seine Bedajas vor uns tanzen und zeigte uns seine kostbaren Waffen. Die goldene Scheide des einen Kris war ganz mit Diamanten besetzt; aber ausser dem sichtbaren besassen manche Klingen einen noch höheren verborgenen Werth durch die ihnen vom Aberglauben beigelegten Eigenschaften; es giebt Klingen, die ihren Besitzer unverwundbar und unüberwindlich machen, andere sind hoch geschätzt, weil sie vor Alters irgend eine berühmte That vollbracht haben. Der obere Theil der Scheiden[S. 185] bestand bei fast allen aus dem kostbaren Holze, das sich beim Absterben eines in Bantam wachsenden Baumes, Tankollo,[84] im Innern des vermodernden Stammes, auf dieselbe Weise, wie das duftende Agalloche, bildet; es war gelb mit braunen oder schwarzen Flecken, sogenannten Flammen, deren Gestalt und Farbe seinen Werth bedingen. Für ein kaum handgrosses Stück, welches die Mündung einer Krisscheide bildete, hatte der Vater des Regenten 200 Gulden bezahlt. Einfacher, aber wegen ihrer Leistungen von dem aufgeklärten Fürsten allen andern vorgezogen, waren zwei Jagdmesser, von der Art, wie sie bei den bereits erwähnten Hirschjagden gebraucht werden. Diese Klingen, welche die Rippen eines Hirsches wie dünnes Holz durchschneiden, kommen aus dem Lande Ssalingri, dessen Eingeborne ausserordentlich geschickt in Bearbeitung des Eisens sind. Ich fragte den Regenten, in welchem Winkel des Archipels das Land läge? „Oh weit, weit!” antwortete er, indem er mir das Messer reichte, das den Stempel „Solingen” trug.
Am folgenden Tage reiste ich ab, zunächst nach dem Vulkan Tampomas. Fast alle Tage hatten wir jetzt heftigen, lange anhaltenden Regen, obwohl wir uns eigentlich mitten in dem trockenen Monsun befanden. Vom Tampomas ging es nach Malembong, von bewaffneten Reitern begleitet, da es hier viele Tiger giebt. An einer Kaffeeplantage kam uns ein Zug von 600 Kulis entgegen, deren jeder zwei Körbe voll Kaffee trug, zusammen 75 Pfund wiegend; die Enden der Traghölzer waren mit kleinen Fähnchen geschmückt, manche auch mit hölzernen Glocken, deren Klang auf den schmalen Bergpfaden an den Kuhreigen erinnerte. Nach Besichtigung einiger von Junghuhn beschriebenen Kalksprudel und einer kleinen Kieselquelle beschlossen wir den heissen Tag mit einem herrlichen Ritt über die mit kurzem Gras bewachsenen Hügel, die sich hier im Westen des Tjitandui ausbreiten. Auf muntern Bergpferden ging es im Galopp, von einer Schaar Reiter mit Lanzen begleitet, bergauf, bergab. Unterwegs sprang ein junger Tiger auf, und eilte lange vor uns dahin, bevor er einen Busch fand, um sich zu verbergen. Bei Putjaran durchfurtheten wir im Angesicht des Sawalberges den Tjitandui, in welchem die zahlreichen, nach allen Himmelsrichtungen auseinander fliessenden Bäche dieses Berges schliesslich ein gemeinsames Bett finden, so dass das hier bei seinem ersten Zusammentreffen mit dem Sawal noch so unbedeutende Flüsschen, bald nachdem es die[S. 186] SO-Ecke desselben Berges verlassen, schon schiffbar wird. Wir ritten um die NW-Ecke, dann östlich bis zum schönen See Pandjalu, der sehr fischreich und frei von Krokodilen ist, so dass man nach Herzenslust darin schwimmen kann; in seiner Mitte liegt eine kleine wie ein Garten gehaltene Insel.
Am folgenden Morgen schickte der Regent von Galu einen Wagen nebst seinem „Pati,” einem alten würdigen Herrn, der nur meinetwegen das Ungemach der Reise ertragen musste. Der Opziener (Aufseher) von Pari kam zu Pferde an, stellte sich zur Verfügung und gab mir viele Auskunft über die Kaffeepflanzungen, die wir zusammen besichtigten. Neun Paal von hier liegt Kawali, ein wegen seiner Alterthümer bei den Inländern in grossem Ansehen stehender Ort. Das Dorf enthält einen kleinen Tempel, zu dessen sehr engem Eingange ein paar Stufen führten; das Innere war mit Matten und Teppichen geschmückt, zwei Priester hockten darin und holten die Gegenstände zu unserer Besichtigung einzeln hervor. Bei jedem Stück machten sie einen tiefen Salam; mit derselben Ehrerbietung wurden die Reliquien zurückgelegt, nachdem sie vorher in viele Tücher eingewickelt worden. Es waren alte Hellebarden, Glocken, Räuchergefässe, Becher mit erhabenen Figuren, den Thierkreis darstellend, und allerlei zerbrochenes Gerümpel. Auch in Pandjalu werden dergleichen Alterthümer aufbewahrt. Nicht weit vom Dorfe, in einem sorgfältig gepflegten Hain, liegen einige Steine mit alten Inschriften (batu-tulis), die eben so wie die Reliquien schon kopirt und beschrieben sind; und etwas weiter, im Walde, sprudelt eine heilige Quelle, die dem Orte den Namen giebt.
Der Pati lud mich ein, Abends an einem Feste Theil zu nehmen, das mehrere Tage dauern sollte, und liess mich beim schönsten Mondschein mit seinem grossen Schirm abholen. Die Sonnenschirme zeigen in den malayischen Ländern den Rang des Besitzers an, wie in Europa die Epauletten den Rang der Offiziere. In Java werden 27 verschiedene Rangstufen durch die Schirme bezeichnet, deren Farben durch den General-Guvernör im Rath ebenso genau festgestellt sind, wie die Uniformen in Europa. Die vornehmsten sind weiss mit goldenen Rändern, dann folgt dem Range nach grün, blau, braun, in verschiedenen Anordnungen. Nur bei den ersten 6 Stufen sind die Ränder von Gold, bei den übrigen gelb. Auch in Siam spielt der Schirm eine grosse Rolle: der Sonnenschirm von vielen Stockwerken über einander ist ein Attribut des Königs und figurirt auf dem grossen Staatssiegel zu beiden Seiten der pyramidalen Krone. — Das Fest fand in einem grossen Bambusschuppen[S. 187] statt, der durch bunte Behänge, Laub und Blumen geschmückt war. Vier das Dach tragende Säulenreihen bildeten fünf Abtheilungen, in deren mittlerer eine lange, mit Blumen verzierte Tafel stand. Auch hier zeigte sich wieder viel Geschmack in der Dekoration. Die aus dicken Bambusen bestehenden Säulen waren mit buntem Zeug bekleidet, mit Sockel und Kapitäl aus Blättern und Blumen versehen, durch Bögen aus gespaltenen jungen Palmwedeln verbunden, deren noch gelbe Seitenblätter wie Franzen herabhingen. Der Zwischenraum bis zum Dach bestand aus leichtem Gitterwerk, in welchem einzelne Blumen angebracht waren. An einem Ende des Saals erhob sich ein um mehrere Stufen erhöhter, mit Matten belegter Raum, seine Hinterwand war mit einem Teppich behangen, davor stand vielleicht alles, was sich im Distrikt an kostbaren europäischen Möbeln befand: eine altmodische Kommode, ein Glasschrank und ein paar verzierte Spiegel; zu jeder Seite erhoben sich zwei grosse, mit rothem Stoff bedeckte Paradebetten, an deren Kopfende eine solche Menge verzierter Kissen aufgethürmt waren, dass sie bis zur Decke reichten. Als wir uns zu Tische gesetzt hatten, begannen dreizehn Rongengs zu tanzen, — soviel hatte ich noch nie beisammen gesehen. Hier hörte ich auch zum erstenmal das Anklong (S. 178), dessen Klang so angenehm ist. Es wurde bis spät geschmaust, und dies war der beste Theil des Festes. Die armen Kinder, denen zu Ehren es gegeben wird, kommen weniger gut dabei fort; denn nachdem sie am nächsten Tage im Fluss gebadet sind, werden am dritten Tage den kleinen Mädchen die Zähne abgefeilt, am vierten Tag findet die Beschneidung der Knaben statt. Das Feilen der Zähne und Beschneiden geschieht auf den Paradebetten. Lange weisse Zähne können die Malayen nicht leiden, sie vergleichen sie mit denen des Tigers.
Am folgenden Tage verliess ich den See von Pandjalu und fuhr im Wagen des Regenten am östlichen Ufer des Tjitandui bis Indehiang, wo ich mich von dem würdigen Pati verabschiedete, auf das westliche Ufer überging, Abends einen Pasanggrahan erreichte und am folgenden Morgen den Gelungung erstieg. Man reitet fünf Paal, steigt zwei Paal zu Fuss und befindet sich am obersten Ende der grossen Schuttmasse, die sich im Oktober 1822 in die früher hier vorhandene reiche Ebene wälzte. Ein tiefes kesselförmiges Thal trennt diesen Punkt von der gegenüberliegenden Bergwand, die sich fast senkrecht, wenigstens in sehr steilem Winkel in WNW. erhebt. Mehrere Sturzbäche an derselben erschienen in dieser Ferne, wie dünne Fäden. Das tiefe Kesselthal ist jetzt schon wieder dicht bewachsen, namentlich machten[S. 188] sich hunderte von Baumfarnen geltend. Dieser schöne ruhige, mit einigen Wasserbecken geschmückte Grund ist der Krater des Gelungung, der 1822 die furchtbare Verwüstung anrichtete.
Ich kann mir nicht versagen, Junghuhns Schilderung des Ausbruchs hier folgen zu lassen (Hasskarl's Uebersetzung Bd. II, S. 111.), die zugleich ein eben so schönes als treues Bild des javanischen Lebens giebt.
„In den Gegenden südostwärts von demjenigen Theile der Bergkette, welche unter dem Namen G.-Gelungung bekannt ist, zwischen den beiden Flüssen Tji-Wulan und Tji-Tandui, die beide, der erstere fast in südlicher, der andere mehr in südöstlicher Richtung, der Südküste zuströmen, lag ein reich bebautes und bevölkertes Land, das, eigentlich eine Fortsetzung des Berggehänges, jedoch so sanft nach den niedrigen neptunischen Hügelreihen des Südgebirges zu fällt, dass es füglich eine Fläche genannt werden kann. — Es waren die fruchtbaren Ebenen und Berggehänge der Provinz Tasikmalaja, Indehiang und Singaparna. — Sie waren weit und breit mit Reisfeldern bedeckt und mit Hunderten von Dörfchen, die sich mit den Gruppen ihrer Kokospalmen zerstreut zwischen den Feldern erhoben. Sie waren in allen Richtungen von Wegen durchschnitten, bis zum Fusse der Bergkette hin und noch weit an den Berggehängen hinauf, wo man zwischen blühenden Kaffeegärten wandelte. —
Ueber die reichbegabten Fluren dieses ewig grünen Landes ergoss am 8. Oktober 1822 die Mittagssonne ihren durch kein Wölkchen, durch keine Nebel geschwächten Strahl. Das ganze Land schien verstummt, die animalische Schöpfung lag in tiefer Ruhe, im schattigsten Dickicht sass die Vögelschaar verborgen, und kaum ein Insektchen zirpte noch; die Pflanzenwelt hatte alle ihre Blüthen aufgethan und dampfte ihre ungerochenen Aromata empor in die Luft, welche, von aufsteigenden Strömen bewegt, am Horizonte wellenförmig zitterte. Kein Blatt regte sich, und kaum rauschte zuweilen der höchste Wedel einer Palme; wenn dann und wann ein leises Lüftchen von der Küste her sich erhob.
Auch die Menschenwelt ruhte. Die Arbeiter hatten ihre Felder verlassen, deren künstliche Wasserspiegel unter dem Sonnenstrahle dampften. Sorglos lagen sie auf den Bali-balis ihrer kleinen Hütten ausgestreckt. In den Vorhallen (Pendopo's) der Häuptlinge verstummten allmälig die Schläge des Gamelan, unter deren sanftem, melodischem Getön die javaschen Grossen gewohnt sind, einzuschlummern; auch der Gesang der Tanzmädchen (Ronggengs) wurde bald nicht mehr vernommen, und nur das sanfte Girren der Turteltauben, die in zahlreichen Käfigen[S. 189] vor den ländlichen Wohnungen hängen, war mit dem Rufe eines Priesters, der von seiner baumumgrünten Moschee herab die Herrlichkeiten Allah's und seines Propheten verkündigte, oder mit dem Knarren einer verspäteten Pedati, deren scheibenförmige Räder sich langsam auf der staubigen Strasse umwälzten, gezogen von trägen Karbauen, deren Führer längst eingeschlummert war, vielleicht das einzige Geräusch, das in den weiten Dörfern Tasikmalaja und Singaparna erscholl. Das ganze Land lag in tiefer Ruhe und Frieden. Die Bevölkerung hielt ihren Mittagsschlaf, nicht ahnend, nicht träumend, dass einige Augenblicke später aus dem Innern des G.-Gelungung „dumpf und bang” ihr — Grabgesang ertönen würde. Er aber ertönte. — Es war 1 Uhr. — Durch plötzliche Erdstösse aus dem Schlafe geweckt, entflohen die Bewohner ihren Hütten. Ein donnerndes, brüllendes Getöse traf ihr Ohr und Entsetzen bemächtigte sich ihrer, als sie ihre Blicke zum G.-Gelungung wandten und eine schwarze Rauchsäule von ungeheurem Umfange emporschiessen, sich mit Blitzesschnelle ausbreiten, den ganzen Himmel überziehen und im Nu den noch eben hellsten Sonnenschein in die finsterste Nacht verwandeln sahen. — Jetzt flohen sie bestürzt durch einander, nicht wissend, wohin, und ungewiss ihres nächsten Looses. Noch einige Sekunden später und ein Paar Tausend von ihnen waren begraben. Sie wurden theils bedeckt von Schlamm, der vom Krater ausgeschleudert, in ungeheuren Massen aus der Luft herabfiel, theils kamen sie in den Fluthen von heissem Wasser um, das mit Schlamm und Steintrümmern vermengt, dem Krater in ungeheurer Menge entquoll, das (als drohe eine zweite Sündfluth) zehn Minuten weit im Umkreise Alles überströmte, alle Dörfer, Felder und Wälder vernichtete und in einen dampfenden Pfuhl von bläulich-grauer Farbe verwandelte, der mit Cadavern von Menschen und Thieren, mit Häusertrümmern und zerbrochenen Baumstämmen übersäet war. Wild brachen durch diese Schlamm- und Trümmermassen die Bäche Tji-Kunir und Tji-Wulan hindurch; sie waren zu tobenden Fluthen angeschwollen, die Alles auf ihrer Bahn zerstörten, alle Brücken wegspülten und weite Ueberschwemmungen verursachten, in denen noch eine grosse Menge armer Flüchtlinge, die sich schon gerettet glaubten, ihr Leben verloren; — mit Menschen- und Thierleichen aller Art bedeckt, wälzten sie dann ihr schlammiges, kochend heisses Wasser der Südküste zu, deren Bewohner, vor diesem Anblicke entsetzt, die Flucht zu den nächsten Hügeln ergriffen. In das Brausen der Bäche, in das Brüllen des Kraters, in das Krachen zersplitterter Wälder, in das Knacken fortgewälzter Felsenmassen, die an einander stiessen, und in das verzweiflungsvolle[S. 190] Jammergeschrei der Tausende von Menschen, die hülflos ihren Tod vor Augen sahen, — dröhnte laut von oben der Donner herab, und Blitze fuhren unaufhörlich nach allen Richtungen aus dem dichten Gewölk, das sich weit und breit über dem Gebirge durch die schnelle Verdichtung der Dämpfe gebildet hatte.
Erst nach drei Stunden, nämlich um 4 Uhr Nachmittags, liess die Heftigkeit des Ausbruchs nach, die sich fortwährend auf eine doppelte Weise offenbart hatte, nämlich durch das Hervorquellen von Schlammmassen aus dem Krater und das Herabströmen derselben und durch das Emporschleudern in höhere Luftschichten von Schlamm, Asche und Steinmassen, die dann als ein Alles verwüstender Regen wieder niederfielen und auch die entfernteren Pflanzungen und Wälder, die in etwas grösserer Entfernung lagen und dadurch auch noch verschont geblieben waren, zerstörten. Um 5 Uhr aber war Alles vorbei. —
Zahlreiche Dörfer mit allen ihren Bewohnern, die sich drei Stunden zuvor noch im Kreise der Ihrigen sorglos der Ruhe überliessen, oder ihre Kinder wiegten, lagen nun begraben unter vulkanischem Schlamm und Steintrümmern, so dass man keine Spur mehr von den Dörfern sah, und das Terrain südöstlich vom Berge um 40–50' hoch durch die Auswurfmassen erhöht war. Wie erschöpft von ihren Anstrengungen (gegen 5 Uhr), versank nun die Natur in Ruhe; es wurde todtstill, und der Himmel heiter, und der Abendstrahl derselben Sonne, die des Mittags über alle Pracht der tropischen Vegetation, über Glück und Luxus geschienen hatte, — jetzt schien sie, fast spottend, über einen Schauplatz von Verwüstung, aus dem alles Grün verschwunden war, über meilenlange, schwärzlich-graue Felder von Schlamm und Lava, gleichsam über Schlachtfelder, welche besäet waren mit zerknickten Baumstämmen und Cadavern von Menschen und Thieren, die theils verstümmelt und verbrannt aus dem Schlamm hervorragten, theils in den tobenden Fluthen des Tji-Wulan und Tji-Tandui dem Meere zutrieben.”
Das Wasser, das von den steilen Wänden des Kraters aus der Schlucht herabfällt, fliesst in zwei tiefen Rinnen zu beiden Seiten des die letztere ausfüllenden Schuttrückens und vereinigt sich am Ende desselben zu einem wasserreichen Bach, Tjikunir, der in vielen Windungen durch die Ebene fliesst und einige Meilen weiter in den Tjiwulan mündet. Der Schuttberg ist ebenfalls reich bewachsen, namentlich mit vielen Baumfarnen und blühenden Sträuchern; wo er aber sein Ende in der Ebene erreicht, hört diese Vegetation plötzlich auf; nichts als Glagarohr bedeckt die Fläche und die unzähligen kleinen Hügel, die sich aus derselben[S. 191] erheben, deren durch den Ausbruch veranlasste Entstehung noch nicht genügend erklärt ist und verschiedene Hypothesen hervorgerufen hat. Die vulkanische Thätigkeit am Gelungung ist jetzt auf einige Solfataren und Fumarolen beschränkt, in denen Gyps, Schwefel, Faseralaun und Eisenchlorid gebildet wird. Auch eine Kalksinterquelle ist vorhanden.
Wo die Glagawildniss an die fruchtbare Ebene grenzt, erwartete mich der Bedana von Singaparna. Ich brachte die Nacht bei ihm zu, besichtigte am folgenden Tage, durch strömenden Regen sehr behindert, das interessante Hügelterrain und erreichte die Fahrstrasse wieder bei Tasikmalaja. Von hier läuft der Tjitandui nach Osten, am Südrande des grossen Sawalberges hin, mehrere Gewässer aufnehmend, bei Bandjar führt ihm der Tjimundur, der alle vom Ostabhang desselben Berges abfliessenden Bäche, gegen 20, aufnimmt, so grossen Wasserreichthum zu, dass er für flache Boote schon von hier aus den grössten Theil des Jahres schiffbar ist. Wenige Paal weiter, bei Sindang-adji, nimmt er eine südöstliche Richtung an und schleicht in trägen Windungen durch ein niedriges Sumpfland (Rawa) bis Kaliputjang, wo er durch die Kalkberge, die hier den Südrand Javas einfassen und nur von einer sehr schmalen Meerenge unterbrochen in der Insel Nusa-kumbangan fortsetzen, zu einer mehr östlichen Richtung gezwungen wird. Etwas weiter erreicht er den kleinen, seichten Meerbusen Segoro-anakan, „die Kindersee”, ein hässliches, seichtes, heisses, von Mangelsümpfen eingefasstes Wasserbecken, durch die quer davor liegende Insel Nusa-kumbangan fast ein Binnensee. Von Tasikmalaja folgt die Strasse dem südlichen Ufer des Tjitandui bis Bandjar. Die Gegend ist flachhüglich, weniger bebaut und bewohnt, als die bisher besuchten reichen Distrikte; es fehlen die Sawas, weil kein Berieselungswasser von höher gelegenen Bergen vorhanden ist. Von Bandjar, wo die Landstrasse ihr Ende erreicht, muss die Reise zu Wasser oder zu Pferde fortgesetzt werden; daher fanden wir hier eine grosse Menge von Büffelkarren, welche die Produkte der Preanger Regentschaften an die Regierungspackhäuser abgeliefert hatten, von wo aus sie in eigens dazu erbauten, sehr flach gehenden, eisernen Frachtschiffen stromabwärts an Bantengmati vorbei, über die fast zugeschlämmte „Kindersee”, welche Java von der Insel Nusa-kumbangan trennt, nach Tjelatjap verschifft werden, wo jährlich gegen 50 grosse europäische Schiffe einlaufen, um diese Produkte nach Europa zu bringen. Bandjar hat als Stapelplatz für den südlichen Theil der Preanger Lande dieselbe Bedeutung, wie Tjikao (S. 138) für den nördlichen. Was oben über die mangelhaften Verkehrsmittel der Provinz[S. 192] im Allgemeinen gesagt worden, gilt in erhöhtem Grade für deren südlichen Theil, der nicht, wie der nördliche, durch eine Kulturebene, sondern durch eine Felsenmauer begrenzt wird, welcher kein Schiff zu nahen wagt.
Die Büffelkarren (pedati) nehmen eine hervorragende Stelle in der Staffage javanischer Landschaften ein. Es sind viereckige Körbe mit einem Dach, wie die Wohnhäuser der Inländer, nur viel kleiner und zierlicher. An der vom Dach überragten vorderen Giebelseite ist eine Art Vestibulum, in welchem der Fuhrmann sitzt, man könnte fast sagen, — wohnt, so häuslich richtet er sich bei langen Reisen ein. Oft hockt seine Frau neben ihm, sein Regenhut, Kochtopf und sonstige kleine Bedürfnisse hängen unter dem Dach, an den Seitenwänden. Oben am Giebel ist immer ein Fähnchen oder eine geschnitzte Verzierung angebracht, häufig ein Pfauenkopf; dann ist die hintere Giebelspitze mit einem wirklichen Pfauenschwanz geschmückt. Die an der Achse festsitzenden Räder sind Holzscheiben und bestehen gewöhnlich aus den strebepfeilerartigen schmalen Vorsprüngen, die den am höchsten aufstrebenden Waldbäumen als Stütze dienen. Man begegnet Zügen von mehr als 100 Wagen hinter einander, die unter unaufhörlichem, einförmigem Quieken langsam fortrollen und die Fuhrleute in angenehmen Schlaf lullen. Die Büffel bewegen sich nur langsam vorwärts und müssen häufig gebadet werden. Deshalb wählt man zu Lagerplätzen gern Stellen, an denen sich die Thiere im Wasser oder noch lieber im Schlamm erholen können, während die Menschen an zahlreichen kleinen Feuern ihren Reis kochen.
Von Bandjar wurde mein Wagen über die Kindersee nach Tjelatjap gesandt, während ich die Reise zu Pferde auf schattigen Waldwegen am Rande des niedrigen Höhenzuges fortsetzte, der die einförmige Rawa in SW. einfasst. Der Ritt durch diese wenig besuchten Wälder war ausserordentlich angenehm. Einen bemerkenswerthen Kontrast mit der allgemeinen Ueppigkeit bildeten einige allein stehende 50' hohe dicke Säulen, von denen einzelne grosse vergilbte Fächer herabhingen, während sich über ihnen ein Riesen-Kandelaber erhob, auf dessen sparrigen, horizontal ausgereckten Armen zuweilen ein grosser Nashornvogel sass, der die daran sitzenden reifen Früchte verzehrte. Es waren die an der Südküste so häufigen Fächerpalmen (Corypha gebanga), die nur einmal Früchte tragen und dann, wie wahrscheinlich alle terminal blühende Palmen, absterben. Die Menge der wilden Pfauen verkündete die Nähe von Tigern; eine Gemeinschaft, deren Ursache noch nicht genügend festgestellt ist. Auch Rhinozerosse und wilde Stiere (banteng) sind hier[S. 193] häufig. Auf weiten Strecken fanden wir die Strasse mit Teakbäumen (spr. Tiek), Tectona grandis L., bepflanzt. Sie wachsen Anfangs schnell, später aber sehr langsam und sind erst nach 60 oder 80 Jahren für den Schiffbau zu gebrauchen, in welcher Verwendung sie alle bekannten Hölzer übertreffen. Das Holz schadet dem Eisen nicht, wirft sich nicht, ist kieselreich und ausserordentlich dauerhaft; Termiten greifen es nicht an und es kann grün verwendet werden. Während Telegraphenstangen in Preussen im günstigsten Falle 5 Jahre halten, sind Teakstangen selbst in Indien unverwüstlich. Der ausgewachsene Baum ist einer der mächtigsten Waldbäume. Im Westen von Java ist das Teak selten, in Mittel- und Ost-Java bildet es grosse Wälder und leidet keine andern Bäume neben sich, die ihm gern den Platz überlassen, da ihm der schlechteste Boden gefällt.[85] Auch Gummibäume sind hier angepflanzt worden, um später ausgebeutet zu werden. So ist die holländische Regierung unablässig bemüht, durch den Anbau neuer Kulturpflanzen den Werth ihrer Kolonie zu erhöhen.
Die Nacht brachte ich in einem ganz kleinen selten besuchten Dörfchen in der Nähe des Gunong-gamping, bei armen sehr gefälligen Leuten zu. Einen Theil desselben stellt die beiliegende Zeichnung dar; das grössere Haus links im Vorgrund ist eine Reisscheune (lombong), sie steht auf vier Steinen zum Schutz gegen heimliche Angriffe der Termiten, frei und hoch genug über dem Boden, um der Luft den Durchzug durch die aus Bambus geflochtenen Wände zu gestatten; diese laufen spitz nach unten zu, wodurch der Regen unschädlich gemacht und das Hinaufklettern der Ratten und Mäuse sehr erschwert wird. Am folgenden Morgen besuchte ich mehrere geognostisch-interessante Punkte, den prächtigen Wasserfall Tjipipisan, und gelangte Abends nach Kaliputjang, wo der Tjitandui auf den die Rawa in SW. begrenzenden Höhenzug stösst. Von hier fährt man im Kahn nach Bantengmati, einem kleinen, auf der NW.-Spitze der Insel Nusa-kumbangan gelegenen[S. 194] Fort, dessen Kommandant, ein alter, lange in Indien dienender Soldat, mich sehr freundlich aufnahm. Unter den wenigen Soldaten, aus denen die Garnison bestand, waren auch mehrere Neger, die sich anfänglich häufig krank meldeten, wodurch der Dienst sehr litt. Zum Glück besass der alte Herr ein Universalmittel, das nie versagte. Jeder Patient musste, bevor er nur überhaupt die näheren Umstände seiner Krankheit vortragen durfte, ein Weinglas voll Ricinusöl unter den Augen seines Vorgesetzten austrinken. Die Leute sträubten sich oft gewaltig, genasen aber immer nach der ersten Dosis, wenigstens verlangten sie nie eine zweite.
Nach dem langen Aufenthalt im Hochlande fand ich es hier erschlaffend heiss; Moskitos waren so zahlreich, dass um alle Häuser Rauchfeuer brannten. Ich folgte dem Nordrand der Insel, deren westliches Ende aus Kalkklippen besteht, an denen bis zu beträchtlicher Höhe die Einwirkung des Meeres sichtbar ist, obgleich es jetzt nur noch ihren Fuss bespült. In diesen Kalkfelsen sind viele kleine Tropfsteinhöhlen, in denen aber trotz allen Suchens keine Knochen aufzufinden waren. Da, wo die Kalkfelsen aufhören, die Küste flach wird, treten Mangelsümpfe auf, die, wenige felsige Stellen des Südrandes ausgenommen, das ganze übrige Gestade der Kindersee mit einem breiten Gürtel einfassen und die Rawa von Jahr zu Jahr vergrössern. Bevor wir bei Manundjaja, einer ärmlichen, kleinen Häusergruppe im sumpfigen Walde, das Land betraten, besuchten wir Paniteng, eines der merkwürdigen Dörfer, deren sich mehrere mitten aus dem seichten Meere erheben. Es war nur im Kahn zu erreichen und ruhte ganz auf Pfählen. Die Hütten bildeten ein Viereck und waren nach Aussen durch eine Gallerie, nach Innen durch einen Hof von Bambuslatten verbunden, wodurch in diesem Venedig eine Art Markusplatz entstand, auf welchem Fische getrocknet wurden. Es war ein ärmliches, schmutziges Dörfchen, aber interessant als ein Beispiel moderner Pfahlbauten.
Nach vielen vergeblichen Bemühungen von Manundjaja aus Karang-andjar zu erreichen, wo die Rafflesia Padma auf den Wurzeln eines Cissus in solcher Menge wächst, dass Junghuhn „keinen Schritt thun konnte, ohne eine zu zertreten”, schifften wir uns nach Tjelatjap ein. Nusa-kumbangan tritt mit der östlichen Hälfte seines Nordrandes so hart an das Festland, dass der Meeresarm, durch welchen die Kindersee mit dem indischen Meer in Verbindung steht, kaum die Breite eines mittelmässigen Flusses hat. Die östliche Spitze biegt sich hornartig nach Norden und schützt dadurch den am jenseitigen Ufer gelegenen Hafen[S. 195] von Tjelatjap. Von hier bis zur Mündung des Kali-Seraju gen Osten, bildet die Küste einen nach NW. gerichteten Bogen, und streicht dann als flaches Gestadeland in fast gerader Richtung, die Provinzen Banjumas und Bagelen im Süden begrenzend, bis Karang-tritis, im Gebiet des Sultans von Jokjokarta. Dort hört der Strand plötzlich auf; schroffe Felsenwände, die im Allgemeinen dasselbe Streichen beibehalten, aber sehr zerrissen und vielfach ausgezackt sind, fassen nun den Südrand der Insel bis zur östlichsten Spitze ein, nur einmal durch eine sumpfige Ebene unterbrochen. Auf der ganzen Strecke giebt es keinen Hafen mehr, kaum einen Zufluchtsort für Fischer. Die Schifffahrtsbücher beschreiben die Südküste von Java als „eisenumgürtet” (ironbound); kein Schiff wagt ihr zu nahen.
Zwischen Tjelatjap und Karang-tritis erhebt sich aus dem Flachland, etwa im Drittel der Erstreckung, ein ins Meer hineinragender Felsenberg Karang-bollong, der in seiner, dem Meere zugekehrten steilen Wand die berühmten Höhlen enthält, welche die essbaren Vogelnester liefern. Ihnen galt mein erster Besuch.
Eine sehr gute Strasse läuft dem Strande parallel nach dem isolirt liegenden Gebirg. Vom Meer trennt sie nur ein wenige tausend Fuss breiter Saum von dichtem grünem Rasen, auf dem Büffel weiden, oder im Schatten von Bambusbüschen wiederkäuen. Links von der Strasse, landeinwärts, liegen wenige Dörfer, von kleinen Feldern umgeben; der grösste Theil des Flächenraumes wird aber von Morästen eingenommen, in deren Pfützen und Gräben weisse, unbedeutende Nymphaeen und kleinblättrige Limnanthemum blühen. Auch hier waren Teakbäume angepflanzt. Im Pasanggrahan von Adiredjo traf ich drei Landsleute von der topographischen Abtheilung, die mit Aufnahme der Provinz Banjumas beschäftigt war. Die Aufnahmen fanden im Maassstabe von 1:10,000 statt. Die Triangulationen waren über ganz Java beendigt, das Ausfüllen geschah ohne Messtisch, mit Schmalkalderscher Bussole. Ich kam an mehreren Zimmetpflanzungen vorüber und fand auch Baumwolle in kleinen Feldern angebaut, die aber nicht recht gedeihen will, angeblich wegen der grossen Feuchtigkeit. In Gumpangpasir sah ich das Zimmet für den Handel bereiten. Die Pflanze (Cinnamomum zeilanicum) wird als Strauch kultivirt. Man schneidet die Triebe, wenn sie etwa die Grösse eines gewöhnlichen Spazierstocks haben; jeder Baum wird jährlich acht- bis neunmal geschnitten und liefert je 2 oder 3, im Jahre also ungefähr 2 Dutzend Stöcke. Nachdem sie gleich auf der Pflanzung von Laub und Seitenzweigen entblösst sind,[S. 196] werden sie bündelweis in einen Schuppen gebracht, wo ein Arbeiter die Rinde der ganzen Länge nach aufschlitzt und vom Stock löst. Er sitzt dabei auf dem Boden, hält das eine Ende des Stocks mit der Hand, das andere mit den Zehen fest; eine Frau schabt mit einem sichelförmigen, an beiden Enden mit Handgriffen versehenen Messer die Korkschicht von der abgelösten Rinde. Die zurückbleibende Bastschicht, welche den Zimmet des Handels giebt, wird dann in mehreren Lagen über einander zu 3 Fuss langen Streifen an einander gelegt, die sich beim Trocknen von beiden Rändern aus nach der Mittellinie hin zusammenrollen. In der Sonne werden sie vollständig getrocknet. Zweihundert solcher Rollen bilden ein Bündel.
Der Zimmetbau ist 1825 durch die Kolonial-Regierung in Java eingeführt und später als ein Zweig des Kultursystems in grösserer Ausdehnung betrieben worden, hat aber statt des erwarteten Gewinns immer nur Verlust ergeben, so dass man demnächst wohl die Pflanzungen an Privatunternehmer verpachten wird. Die Qualität ist durch sorgfältige Kultur sehr gehoben worden, ohne jedoch der des Zimmets von Ceylon gleichzukommen. Nach dem Durchschnitt der letzten Jahre betrug die Ausfuhr im Mittel etwa 200,000 ℔, beinahe ein Drittel so viel als von der „Zimmetinsel” Ceylon. Wie der Verbrauch fast aller andern Gewürze nimmt auch der des Zimmets eher ab als zu. Die künstliche Vertheuerung[86] dieses ursprünglich auf Ceylon und Malabar beschränkten Gewürzes durch das erst 1833 aufgehobene Monopol hat viel zur Verbreitung der Cassiarinde (Cassia lignea) als Surrogat beigetragen.[87]
Ueber den breiten, aber kurzen Kali-adiredjo führt eine Bambusbrücke, die, auf Bambusflössen ruhend, mit der Ebbe und Fluth fällt und steigt. Zu beiden Seiten derselben standen lange Reihen eigenthümlicher Fischapparate: kleine Häuschen auf 15' hohen Gestellen, jedes mit einem grossen Senknetz versehen, das vermittelst einer rohen Welle und eines Rotangstricks aufgeholt werden kann. Gegen 5 Uhr erreichte ich Djetis, wo ein schlechter Pasanggrahan in hübscher Umgebung am westlichen Ufer des gleichnamigen Flusses liegt, der hier in das indische Meer fällt. Am jenseitigen Ufer erheben sich die hohen Felskuppen von Karang-bollong.
Am folgenden Morgen fuhr ich über den Fluss, der die westliche Grenze von Ambal des südlichen Theils der Provinz Bagelen bildet; ich traf den Assistent-Residenten und setzte in seiner angenehmen Gesellschaft den Weg über den Felsrücken fort, der hier die flache, fast geradlinige Küste plötzlich unterbrechend, mehrere Paal weit ins Meer ragt. Nach wenigen Stunden erreichten wir am jenseitigen Fuss des Berges den Ort Karang-bollong, welcher die Beamtenwohnungen und das Magazin für die Vogelnester enthält. In der Mitte des letzteren erhob sich ein reich geschmücktes, der Geisterkönigin Loro-kidul, Schutzpatronin der Nestersammler, geweihtes Bett, vor welchem Früchte, Blumensträusse, Räuchergefässe standen; eine verzierte Kiste enthielt ihre Garderobe, die von Zeit zu Zeit auf Kosten der Regierung erneuert wird. Loro-kidul hat eine eigene Kammerjungfer, die zur Zeit der Lese die Göttin befragt, ob die Nester gepflückt werden dürfen oder nicht. Die Antwort lautet gewöhnlich bejahend, zuweilen aber auch verneinend; dann wird nach einigen Tagen wieder angefragt, und immer noch hat Loro-kidul zur günstigen Zeit die Erlaubniss ertheilt, vielleicht aus Furcht, durch Eigensinn ihre Kammerjungfer zu verlieren. Die Nester werden dreimal jährlich eingesammelt. Es war jetzt gerade die Zeit, wo mit der zweiten Lese begonnen werden sollte. Die Leute waren beschäftigt, Bambus- und Rotangleitern in Stand zu setzen, um vom oberen Rande der Felsenmauer aus in die Höhlen zu steigen. Vom Meere her sind sie nicht zu erreichen. Für die grosse Höhle Gua-gedeh sollten die Vorbereitungen den nächsten Tag fertig sein; so hatte ich denn Gelegenheit, eine dieser berühmten Höhlen zu besuchen, wozu ein Fremder wohl nicht leicht Erlaubniss erhält. Die Beamten, denen der Besuch[S. 198] freisteht, haben ihrerseits wenig Lust, sich dem beschwerlichen und als halsbrecherisch geschilderten Gang auszusetzen, da sie nicht die Neugier eines Reisenden besitzen.
Auf dem Gipfel des Bergrückens, der die Thalmulde, in welcher das Packhaus liegt, vom Meer trennt, stehen drei kleine Flaggenstöcke, von denen, wenn die See ruhig ist, so dass man gefahrlos den Eingang der Höhle erreichen kann, weisse, im andern Falle schwarze Flaggen wehen. Loro-kidul war liebenswürdig, 3 weisse Fähnchen winkten von der Höhe.
Hat man den gegen 1000' hohen Bergrücken erstiegen, so geniesst man eine herrliche Aussicht. Jenseits der jähen Felsen, die wie grosse Strebepfeiler die senkrechte Bergwand an der Seeseite stützen, breitet sich das indische Meer, im Osten die Ebene von Bagelen, im Westen die von Banjumas aus. Ein bequemer Pfad führt zur Meeresküste hinab, bis zu einer Stelle, wo derselbe plötzlich an einer senkrechten Wand aufhört. Von hier steigt man auf einer Leiter hinab, deren Seiten aus Rotang, deren Sprossen aber aus Bambus bestehen, und von der nur das oberste um einen Baum geschlungene Ende sichtbar ist, der übrige 90' lange Theil der Leiter hängt frei in der Luft vor der Wand, die an dieser Stelle nach Innen einspringt. Der Sicherheit wegen muss man barfuss gehen. Von der untersten Sprosse tritt man auf einen kaum 11/2' breiten Felsenvorsprung, in dessen Spalten einige Pflöcke eingekeilt und noch ausserdem durch kleine Stricke an den Unebenheiten des Gesteins befestigt sind. An diesen Pflöcken sind die beiden Enden eines dreifachen Rotang fest gemacht, der von hier in die Tiefe hinabhängt, und dessen unten entstehende Biegung (sogenannte doppelte Bucht) eine 27' lange Bambusleiter trägt, deren oberes Ende auch noch an den Pflöcken des Felsenvorsprunges mit kleinen Stricken festgebunden ist. Der ganze Apparat flösst dem Neuling wenig Zutrauen ein. Auf dem kleinen Vorsprunge muss man sich umdrehen, um die Bambusleiter, die man nicht sieht, mit den Füssen zu erreichen und weiter in die Tiefe zu steigen. Auf der untersten Sprosse angelangt, befindet man sich etwa 10' über dem Meeresspiegel. Um diese Sprosse und die die Leiter tragende Rotangschleife ist das Ende eines mehrere 100' langen Rotangs geschlungen, das in die Höhle führt, wo es an den Unebenheiten der Decke vermittelst Arengstricken befestigt ist. Man geht auf diesem Rotang und hält sich mit den Händen an einem zweiten, einige Fuss darüber angebrachten. Es waren nur erst diese beiden Rotangs festgemacht; später zieht man deren mehrere nach allen Richtungen. Die Nester sitzen in[S. 199] Reihen an den Felswänden, werden mit der Hand gesammelt, und wenn sie nicht erreichbar sind, mit einer Stange, deren Ende eine Schaufel mit Netzbeutel trägt. Das Geschäft ist wohl nicht so gefährlich, als es aussieht, denn seit 1830, wo der Besitz der Höhle an die Holländer überging, soll nur ein Mann dabei verunglückt sein. Früher pflückte man die Nester je einen Monat früher, wenn noch die jungen Vögel darin lagen, die herausgeworfen und vernichtet wurden; jetzt sammelt man sie erst, nachdem die Jungen flügge geworden sind und sichert sich dadurch einen beständigen Ertrag. Dagegen sind die um so viel älteren Nester nicht durchgängig von so guter Beschaffenheit. Diese Höhlen, deren 19 im Gebirge von Karang-bollong liegen, gingen erst nach Unterdrückung des Aufstandes von Dipo-negoro (1830) in den Besitz der holländischen Regierung über, welche alle seit den ältesten Zeiten bei dem Sammeln üblichen abergläubischen Gebräuche, an denen die Eingebornen so fest hängen, beibehalten hat. Sie geben einen interessanten Einblick in die Sitten der Javanen, weshalb ich eine kurze Beschreibung derselben theils nach Mittheilungen, die ich an Ort und Stelle erhielt, theils nach einer Abhandlung eines früheren Assistent-Residenten von Ambal hier beifüge. —[88]
Das Sammeln der Vogelnester findet dreimal im Jahre statt, die erste Ernte, Unduan-kesongo, Ende April, die zweite, Tellor, Ende August, die dritte, Kapat, im Dezember; der Gesammtertrag beläuft sich auf 44–45 Pikul. Vor dem Beginn der Lese erhalten die Häuptlinge der verschiedenen Klippen Geld zur Beschaffung von 9 Büffeln, 2 Ziegenböcken, Rotangs, Bambus, Fackeln, Opium und Weihrauch, dann werden aus der zugänglichsten Höhle Nogasari bei recht stiller See einige Probenester geholt. Sind die Vögel hinreichend entwickelt, so findet das Opferfest mit Wayang (Schattenspiel) und Toppeng (Maskenspiel) statt. Nach dem Adat[89] beginnt das Fest an einem Donnerstag Abend. Freitag früh werden die Büffel geschlachtet und Stückchen Fleisch an dem Bollong und den Wachthäusern geopfert, an der Klippe Madjingklak aber wird ein Geisbock geopfert und geräuchert; diese Festlichkeiten heissen Ngadiran. Nachmittags ist Wayangspiel im Bollong. Nach Beendigung desselben bringt die bereits erwähnte Kammerjungfer das Bett der Loro-kidul (das „Teufelsbett”) in Ordnung, der Spiegel am Kopfende desselben wird dann mit seidenen Kleidern behängt. Ausser dieser Frau,[S. 200] Tukang-gedong, darf es Niemand berühren. Nachdem das Bett festlich geschmückt und Lampen angezündet sind, tritt die Frau mit grossen Ehrenbezeugungen vor dasselbe und spricht auf hochjavanisch: „Auf Befehl meines Herrn (des Aufsehers) bringe ich Euch hier zu essen”, worauf sie sich gleich selbst die Antwort giebt: „Ya, Mak tukang-gedong: sage dem Vater, meinem Herrn, dass ich ihm für das mir gesandte Essen meinen Dank bezeuge.” Dann fragt Tukang-gedong, ob Njai Kidul erlaubt, dass Nester gepflückt werden, und ob es ohne Unglücksfall geschehen werde, worauf gewöhnlich „ja” geantwortet wird. Während der ganzen Nacht spielt der Toppeng in der Nähe des Packhauses bis zum folgenden Morgen. Samstag früh bringen die Häuptlinge mit ihren Leuten die bereits verfertigten Leitern nach den verschiedenen Klippen und treffen weitere Vorbereitungen. Den ganzen Tag über ist Toppeng, Abends Gamelang und Tanz, wobei die Tänzerinnen zu Ehren Loro-kiduls das Gesicht nach dem Packhause wenden. Inzwischen wird das Essen aufgetragen. Alles setzt sich im Kreise: Schreiber, Bedana, Mantris, die Häuptlinge der Klippen und ihre Leute; der Schreiber führt den Vorsitz und bringt Toaste auf einen guten Erfolg aus. Jeder Anwesende erhält eine Gabe Opium; der Tanz währt bis Mitternacht, womit das Fest sein Ende erreicht. Sonntags gehen die Häuptlinge wieder nach ihren Klippen, verlängern, wenn die See ruhig ist, die Leitern bis an die Höhlen und holen einige Probenester herauf; sind diese hinreichend ausgebildet, so werden die Leitern an den Gestellen befestigt, was gewöhnlich 5–6 Tage erfordert. Ist Alles bereit, so wählt man, um zu beginnen, einen Tag, der für besonders glücklich gilt. Die Zahl der Sammler beträgt zuweilen am ersten Tage 80–90, verringert sich aber schnell mit der Abnahme der Nester. Beim Abliefern ins Packhaus findet wieder ein kleines Festmahl mit rothem und weissem Reis statt. Die Lese dauert 3 Wochen bis 2 Monate, dies hängt vom Zustand der See, aber auch von abergläubischen Rücksichten ab. Die Lese im August oder Anfangs September ist gewöhnlich die ergiebigste. Die Zugänglichkeit der Höhlen ist sehr verschieden; ebenso verschieden ist auch ihr Ertrag: während die Höhle Muliran nur 1–3 Nester lieferte, gab die grosse Höhle Nogosari im Jahre 1857 3229 ℔; der Gesammtertrag aller Höhlen in den verschiedenen Jahren bleibt aber bis auf ganz kleine Schwankungen derselbe, weshalb der amtlichen Büchern entnommene Ertrag von 1857 als Norm hier angeführt werden mag. Die Nester werden sortirt in ganze, zerbrochene und Grus. Für den Markt hat dies aber keine Bedeutung, da die ganzen Nester mit den Bruchstücken vermengt,[S. 201] nach dem Gewicht verkauft werden. Man sortirt aber auch nach drei Qualitäten: 1) weisse, 2) weniger weisse, 3) braune und schwarze. Totalertrag sämmtlicher Höhlen 1857: ganze Nester: 196,583 Stück, zerbrochene: 109,528, Grus: 1106 ℔, Totalertrag in Pfunden: 5354. Im Durchschnitt werden die Nester auf den öffentlichen Auktionen in Batavia 1. Qual. mit 6200 fl., die 2. mit 5000, die 3. mit 2800 fl. per Pikul von 125 ℔ bezahlt. Ueber den Stoff, aus dem die Nester bestehen, herrschten bis vor Kurzem sehr abweichende Vorstellungen. Erst Dr. Bernstein beschrieb nach wiederholten sorgfältigen Beobachtungen ihre Entstehung, sowie er auch der Gattung Collocalia Gr., die Bonaparte wieder zu den Schwalben gestellt hatte, in Folge genauer anatomischer Untersuchungen ihre richtige Stellung im System in der Familie der Cypseliden anwies und dadurch Gray's frühere Klassifikation, ohne sie zu kennen, bestätigte.
Nach Bernstein[90] kennt man von der Gattung Collocalia bis jetzt nur 4 Arten: C. esculenta Lath., G. nidifica Lath., beide auf Java einheimisch, C. troglodytes Gr. & Mitch., den Molukken und Philippinen und C. francica, allein der Insel Mauritius angehörend. Die Nester von C. esculenta, seit Jahrhunderten bekannt und oft beschrieben, haben im Allgemeinen die Form einer der Länge nach geviertelten Eischale, die mit einer Seite am Felsen klebt, welcher die Rückwand des Nestes bildet. Von beiden Enden gehen flügelartige Ausbreitungen aus, die mit ihrer flachen Basis am Gestein festsitzend, die Hauptstütze des Nestes bilden, das aus einer sehr dünnen, durchscheinenden, weissen oder bräunlichen Masse besteht, die am meisten Aehnlichkeit mit Hausenblase hat und wellige Querstreifen zeigt. C. nidifica, die auf Java wohl noch häufiger ist, als die andre Art, wohnt in weniger unzugänglichen Höhlen und baut ihre Nester, die den andern sehr ähnlich sehen, zum grossen Theil aus Pflanzenbestandtheilen, welche durch die leimartige Substanz an einander geklebt werden, während die Nester von C. esculenta ausschliesslich aus dieser Substanz bestehen. Einige hielten diesen Stoff für den verhärteten Saft eines Baumes, Calambone,[91] andere für Seetang, vom Vogel verzehrt und wieder ausgespieen; doch hat man in seinem Magen nie Spuren von Pflanzenstoff, sondern nur Insekten gefunden. Einen Kropf, in dem die Metamorphose vor sich gehen könnte, besitzt[S. 202] der Vogel nicht. Bernstein fand aber an ihm ungewöhnlich entwickelte Speicheldrüsen, besonders glandulae sublinguales, die zur Zeit des Nestbaues ausserordentlich anschwellen, dann wieder kleiner werden und später die gewöhnliche Grösse dieses Organs bei verwandten Vögeln nicht übertreffen. Sie sondern einen dicken, zähen Schleim ab, der sich in grosser Menge an der Oeffnung der Ausführungsgänge dieser Drüsen, vorn unter der Zunge, anhäuft. Die Masse hat, oberflächlich betrachtet, grosse Aehnlichkeit mit einer sehr dicken Lösung von Gummi Arabicum, trocknet schnell an der Luft und stimmt auch, unter dem Mikroskop betrachtet, vollständig mit der Substanz der Nester überein. Bernstein beobachtete mehreremale diese Vögel beim Nestbau. Sie fliegen wiederholt an die gewählte Stelle und drücken mit der Zungenspitze einen Tropfen des Speichels gegen die Felswand. Dies wiederholen sie zehn- bis zwanzigmal, ohne sich mehr als eine Elle weit vom Platz zu entfernen, sie müssen also das Material, das sich schnell wiedererzeugt, in grösserer oder geringerer Menge bei sich führen. So entsteht als Grundlage des Nestes eine hufeisenförmige Erhöhung, der Vogel klammert sich daran und vergrössert, indem er mit dem Schnabel hin- und herfährt und den Schleim am Rande aufsetzt, das Nest, wodurch auch die oben erwähnten Streifen entstehen. Alle diese Angaben beruhen nicht auf Vermuthungen, sondern sind die Ergebnisse von Dr. Bernstein's wiederholten, mit grosser Umsicht angestellten Beobachtungen.
Von Karang-bollong kehrte ich nach Tjelatjap zurück. Schon in Adiredjo sah ich grosse Vorbereitungen für den auf den folgenden Tag festgesetzten Empfang des neuen Residenten von Banjumas treffen. Es erhoben sich ganze Reihen von Ehrenpforten aus Bambus, und gegen Abend fanden sich die holländischen und inländischen Beamten mit ihrem zahlreichen Gefolge ein, um dem Residenten von hier aus das Geleit zu geben. Die Strasse nach Tjelatjap war mit Zügen von Lanzenträgern bedeckt, die zu einem Rompok (Tigerstechen) entboten waren. Am folgenden Morgen hatten sich die vornehmsten Beamten mit dem Residenten im Pendopo des Regenten zur Erledigung der amtlichen Geschäfte versammelt. Neben dem Residenten in einfacher Uniform sass der Tumongong (Regent) in vollem Schmuck, den Sarong in künstliche Falten gelegt, 2 Krise an der Seite, eine fast fusshohe cylindrische Mütze auf dem Kopf; daneben auf dem Boden kauernd, dem Range nach geordnet, die höheren inländischen Beamten; vor der Halle im Freien hockten mit ihrem Gefolge die Bedanas und Aeltesten der verschiedenen Dorfschaften, um die Vertheilung der ihre Gemeinden treffenden Steuern[S. 203] und Lasten mit den Regierungsbeamten zu vereinbaren, wie es alljährlich geschieht. Nachdem die Geschäfte abgemacht, hielt der Resident dem Tumongong eine kurze Ansprache, worauf dieser vor die Versammlung trat und sie anredete. Darauf begaben sich der Resident nebst dem Regenten, von fast allen in Tjelatjap anwesenden Europäern gefolgt, nach einem Pavillon, um einen Kampf zwischen Königstiger und Büffel mit anzusehen. Ein wohl 20' hoher cylindrischer Bambuskäfig enthielt einen bekränzten Büffel; auf ein gegebenes Zeichen wurde eine kleine Thür geöffnet, die zu einem daran stossenden, kleineren, den Tiger enthaltenden Käfig führte. Alles wartete mit Spannung, der Tiger erschien aber nicht. Erst nachdem er ziemlich lange durch brennende Fackeln gepeinigt worden, schlüpfte er aus dem kleinen in den grossen Käfig, zeigte aber durchaus keine Kampflust. Er lief einigemal ängstlich im Kreise herum, bis ihm der Büffel, der ihn anscheinend mit dem Gleichmuth eines Unbetheiligten betrachtet hatte, einen Stoss gab, worauf der Tiger vor Angst an den Stäben in die Höhe kletterte. Durch kochendes Wasser, Absud von Pfeffer und Lanzenstiche wurde er von dort vertrieben. Beide Thiere wurden unaufhörlich von den oben auf dem Käfig stehenden Leuten gereizt, bis der Tiger endlich einen Sprung that und sich fest in das rechte Ohr des Büffels einbiss, indem er seine Tatze zugleich in den Nacken seines Gegners tief einschlug. Der Büffel versuchte vergeblich, ihn abzuschütteln, heulte vor Schmerz und schleifte den Tiger mehrmals auf dem Boden rings herum. Endlich liess dieser los und erhielt ein paar so kräftige Stösse, dass er wie todt liegen blieb. Der Büffel beroch ihn; als aber der Tiger den Versuch machte, nach ihm zu schnappen, erhielt er einen solchen Stoss, dass er wieder alle Viere von sich streckte. Das Publikum war zwar noch lange nicht befriedigt und wendete Pfeffer- und Stinkbrühen, Lanzenstiche und brennende Fackeln an, um die erschöpften Thiere noch einmal an einander zu bringen; aber vergeblich; die kleine Thür wurde endlich wieder geöffnet, der Tiger durch Feuer zum Aufstehen genöthigt, schlüpfte behend in seinen Käfig zurück.
Nachmittags um 5 Uhr fand auf dem Alun-alun, vor dem Hause des Regenten, ein Rompok statt. Der grosse viereckige Platz war mit mehreren Reihen von Lanzenträgern umgeben, es mochten ihrer wohl über 2000 sein. In der Mitte des Vierecks standen zwei kleine, mit Stroh überschüttete Käfige und ein dritter, höherer, in Form eines Daches. Die beiden ersten Käfige enthalten je einen Tiger. Ein dichter Kranz von Zuschauern umgiebt die Lanzenträger. Auf ein gegebenes Zeichen[S. 204] wird ein Käfig in Brand gesteckt, der Tiger will aber durchaus nicht erscheinen. Es ist dieselbe arme Bestie, die schon heut morgen vom Büffel so übel zugerichtet wurde; schon fürchtet man, dass er verbrannt oder erstickt sei, als er endlich mit dem Hintertheil zuerst zum Vorschein kommt. Kaum aber hat er sich umgesehen, so läuft er in den brennenden Käfig zurück, und es dauert abermals geraume Zeit, bis er zum zweitenmal heraustritt. Ohne sich vom Platz zu rühren, mustert er genau das Terrain und späht ängstlich nach einem Schlupfwinkel. Da er keinen Schritt thut, setzt sich das mit Bewaffneten angefüllte dachförmige Gestell in Bewegung, aus dessen Oeffnungen ihre langen Lanzen hervorragen. Sie zwingen endlich das Thier, sich zu bewegen. Da der Tiger fast immer gegen die Richtung des Windes läuft, so war die Windseite am stärksten bemannt worden. Diesmal aber wich er mit richtigem Takt von seiner Gewohnheit ab, stürzte sich plötzlich auf eine schwach bemannte Stelle in der Nähe unseres Pavillons, und machte einen verzweifelten Versuch, durchzubrechen. Kaum aber hatte er die Stelle erreicht, als er von zwanzig Lanzen durchbohrt zu Boden sank. Man steckte den zweiten Käfig in Brand. Das muthige Thier springt mit einem Satz heraus, stutzt, mustert seine Feinde, setzt sich in Lauf und versucht an der Windseite einen Durchbruch, dort zurückgedrängt, wiederholt er einige Schritte weiter denselben Versuch, wird aber sogleich durchbohrt, indem alle Nahestehenden, unfähig, ihre Leidenschaft zu zügeln, ihm ihre Lanzen in den Leib stossen. Der Regent bot mir die Tiger an, da aber die Felle zerfetzt waren, und ich deren bereits fünf besass, so begnügte ich mich damit, die Eingeweidewürmer meiner Sammlung einzuverleiben und liess mir einige Tigerkoteletten braten, die gegen Erwarten gut, fast wie Rindfleisch schmeckten, was die übrigen Gäste nicht glauben wollten, die vor dem Fleisch einen gewissen Ekel empfanden. Der Resident bestätigte aber mein Urtheil. Er hatte früher in Banjuwangi, wo Rindfleisch nur selten vorkam, den Rücken eines jungen Tigers in Form von Rinderbraten bereiten und einige in der Provinz ansässige Pflanzer zum Diner einladen lassen. Das Fleisch schmeckte ihnen vorzüglich, und sie entdeckten den Verrath erst, als sie den Rest des Thieres in der Speisekammer hängen sahen.
Nachdem ich meine naturwissenschaftlichen und ethnographischen Sammlungen, die auf der Reise so angewachsen waren, dass sie fast den ganzen Platz im Wagen und einen auf dem Verdeck eingerichteten Raum einnahmen, wohl verpackt dem Assistent-Residenten übergeben, der sie pünktlich, wie er versprochen hatte, mit dem ersten[S. 205] Schiffe an unsere Museen absandte, verliess ich Tjelatjap und begab mich nach Banjumas, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, wo ich einige Tage im Hause des Residenten zubrachte. Neben der sehr geräumigen „Residenz” lag ein zweites Haus mit breiter Veranda, eine ganze Reihe Fremdenzimmer enthaltend, in welchen die fünf oder sechs gleichzeitig anwesenden Gäste so unabhängig und behaglich, wie in einem guten Hotel wohnten.
In Adjibarang, einem SW. vom Slamat gelegenen Dorfe, traf ich eine Abtheilung Topographen (Mestizen) unter Leitung eines holländischen Hauptmanns, und war erstaunt über ihre Leistungen. Die in aequidistanten Horizontalen aufgenommenen Messtischblätter eines reich bewässerten, verwickelten Hügelterrains konnten sowohl in Bezug auf Genauigkeit als auf schöne klare, reliefartige Darstellung den besten europäischen an die Seite gestellt werden. Der Maasstab war 1: 10,000. Seit 1848 besteht in Gombong eine Schule für Europäer und Mischlinge, zur Heranbildung von Unteroffizieren; die besseren Schüler werden zu Topographen ausgebildet. Ganz in der Nähe von Adjibarang ist Batubala, eine wenige Fuss breite, über hundert Fuss lange, tiefe Spalte, nahe dem Rande einer gegen 200' hohen, senkrechten Lavawand, in welche früher die Sultane von Jokjokarta ihnen unbequeme Personen ohne alle Form von Prozess mit auf den Rücken gebundenen Händen werfen und elend verschmachten liessen. Von Adjibarang bis Purwolingo, um den SO.-Fuss des Slamat herum, breitet sich zu beiden Seiten reiches Kulturland aus, ungemein ergiebig durch fruchtbaren Boden, reichliche Bewässerung und den Fleiss einer dichten Bevölkerung. Während aber in den meisten Ländern die fruchtbarsten Auen sehr einförmig sind, und nur mittelbar durch die Betrachtungen über ihren Nutzen erfreuen, gehören die Sawas in diesen malerischen Berglandschaften zu den schönsten Bildern, die man sehen kann. Jeder Hügel ist fast bis zum Gipfel von Terrassen umgeben, die seinen Umrissen folgen und diesen Denkmälern menschlichen Fleisses die Gestalt gegliederter Baudenkmäler geben, während tausend kleine Kaskaden die starre Form beleben.
In Purwolingo erwartete mich der Assistent-Resident. Wir legten die erste Strecke im Wagen zurück, ritten dann bis Bobotsári und am folgenden Tage nach Priatin. Nicht weit von der Strasse bricht die Quelle des Kali-arus mit solcher Wasserfülle aus horizontalen Lavabänken hervor, dass ein schnell fliessender, 5' breiter Bach daraus entsteht. Aus einigen Löchern sprudelte das Wasser 1/2 Fuss hoch.
Etwas weiter, in der Nähe des Dorfes Seraju, liegt der malerischste Wasserfall, den ich je gesehen (Tjipotut): vom Rande der dicht bewachsenen Hinterwand fällt ein reichlicher Bach in ein erstes, fast kreisrundes, flaches Becken, in dessen mittlerem Theil das Wasser einen Teich bildet, worin mehrere Frauen badeten, während andere auf dem ringförmigen Rande im Schatten schlanker Bambusen mit ihnen scherzten. Aus einer Rinne stürzte das Wasser in ein zweites Becken und von da in einen tiefen, runden Kessel, dessen finstere mit Farnen bekleideten Tuffwände einen schönen Gegensatz zu den oberen sonnigen Becken bildeten. Als ich vom Wasserfall zurückkehrte, sah ich meinen Begleiter beschäftigt, Anstalten gegen den Regen zu treffen, der uns bevorstand, d. h. er wickelte seine Uhr und Brieftasche geschickt in ein Bananenblatt, so dass das Wasser davon, wie von einem Dache ablaufen musste. Kaum waren die Vorbereitungen vollendet, als ein heftiger Regen eintrat, der ununterbrochen bis Priatin anhielt, das wir nach einigen Stunden erreichten. Herr B. war wieder ein Beispiel für die Richtigkeit der Behauptung, die ich in Indien so oft von Aerzten und alten Praktikern hörte, dass nämlich ein sonst gesunder Körper sich am besten akklimatisirt, wenn er kein Wetter und keine Strapazen scheut. Obgleich mein Gefährte schon 28 Jahre in ostindischen Diensten stand, und namentlich als Kontrolör grosse Beschwerden erduldet hatte, war er noch so rüstig, dass er in seiner dünnen Kattunjacke den in 3–4000' Höhe doch ziemlich kalten Regen anscheinend ohne alle Belästigung ertrug. Der Abend in Priatin war sehr schön. Die Kulis lagerten sich um ein gewaltiges Wachtfeuer und erfreuten sich am Gamelang und Tanz der Ronggengs, der bis spät in die Nacht dauerte.
Am folgenden Morgen, nachdem ich mich von meinem freundlichen Begleiter, der nach Purwolingo zurückkehrte, verabschiedet hatte, bestieg ich den Slamat, auf dessen östlichem Abhang Priatin in 4000' Höhe liegt. Einen Paal weiter stehen die letzten von einigen Kaffeebauern zeitweis bewohnten Hütten. Das Steigen wäre viel beschwerlicher gewesen, hätten wir nicht bald Rhinozerospfade getroffen, die in bequemen Windungen bis an den Schuttkegel führen, aus dem die Spitze des Berges besteht. Diese Thiere müssen hier sehr häufig sein, wir trafen vielfach ihre Spuren. Im ganzen Westen von Java kommen sie vor; der Slamat bildet aber die östlichste Grenze ihres Verbreitungsbezirks. Das Nashorn ist so scheu, dass man es fast nie zu Gesicht bekommt; doch werden einzelne Fälle angeführt, wo es, wahrscheinlich in der Brunstzeit, Menschen angegriffen hat. Die plumpen[S. 207] Thiere ersteigen die höchsten Berge, wo sie ihr Lieblingsgras in Menge finden, und sind unübertrefflich im Anlegen von Strassen: indem sie immer derselben Spur folgen, schleifen sie mit ihrem tief herabhängenden, faltigen Lederpanzer und dem daran haftenden Sande allmälig tiefe Rinnen mit völlig glatten Wänden selbst in das härteste Gestein. Nicht minder wunderbar erscheint der ausgezeichnete topographische Takt, mit welchem alle Terrainschwierigkeiten umgangen, steile Stellen durch Zickzacklinien überwunden werden; das Wunder erklärt sich aus der Unbeholfenheit des Thieres, dem schwierige Stellen unzugänglich sind. — Das Fell des Rhinozeros dient zu verschiedenen Zwecken; als Schild lässt es keine Musketenkugel durch; die Chinesen gebrauchen es in der Medizin. Das Horn gilt in Java als ein sicheres Mittel gegen Schlangengift, nicht nur bei den Eingebornen, auch viele gebildete Europäer sind von seiner Wirksamkeit so fest überzeugt, dass sie auf Reisen gewöhnlich eine dünne Scheibe davon bei sich tragen, in der Meinung, dass durch Auflegen der porösen Masse auf die Wunde das Gift unfehlbar ausgezogen wird. Eine Dame, die auf diese Weise einen von einer Schlange Gebissenen „geheilt”, hatte sogar die Hornscheibe vorher in Essig gelegt, um sie noch wirksamer zu machen!
Nachdem wir die Waldgrenze überschritten und die Region betreten hatten, in welcher nur einzelne Bäume aus einige Fuss hohem Grase hervorragten, genossen wir einen prächtigen Anblick. Hinter den Vorbergen des Slamat sah man das nördliche Flachland und hinter diesem die Java-See sich ausbreiten, im Westen überragte der Tjerimai die kleineren Berge, im Osten thürmte sich ein hoher Vulkan hinter dem andern auf, dahinter die 9–10,000' hohen Sindoro, Sumbing, Merapi, Merbabu; im Süden lag die reiche Provinz Banjumas und der indische Ozean. Die beiden Meere sind von hier fast gleichweit entfernt. Mehrere tausend Fuss unter uns schwebte in einer horizontalen Ebene die Wolkenschicht, unzählige Cumuli bildend, und warf auf den Erdboden scharf begrenzte Schatten, die durch die Zwischenräume deutlich zu erkennen waren. Der schöne Anblick dauerte nicht lange, die Cumuli verschwammen zu einer dichten, jede Aussicht verhüllenden Nebeldecke, noch ehe wir den oberen Rand der Grasregion erreicht hatten, die scharf, wie abgeschnitten, an den Schutthaufen grenzt, auf dem man die letzten paar tausend Fuss zum Kraterrande emporsteigt. Als ich mit 2–3 Begleitern oben ankam, stellte sich ein feiner, kalter Regen ein, der uns in unserer sehr dünnen Kleidung vor Kälte zittern machte. Allmälig kamen einige Leute mit Gepäck, es wurde ein Wachtfeuer angezündet; gegen Abend[S. 208] glich der Berggipfel einem grossen Lagerplatz. Herr B. hatte in liebenswürdigster Zuvorkommenheit 20 Kulis zu meiner Begleitung bestimmt, und dieselben mit allerlei Geräthen der Bequemlichkeit ausgerüstet, um diese Exkursion zu einer wahren Vergnügungsreise für mich zu machen. Als ich aber gegen Abend die Menschen an den verschiedenen Feuern zählte, waren ihrer über 80, von denen die grosse Mehrzahl doch nur zu ihrem Vergnügen sich betheiligt haben konnte, da nicht anzunehmen ist, dass jeder Kuli noch drei Unter-Kulis habe.
Aus drei Matten und ein paar Bambusen war schnell eine kleine Zelle für mich erbaut, deren eine Seite die Felswand bildete. Allmälig füllte sie sich mit allerlei Luxusgegenständen: ein Träger brachte eine Lampenglocke, andre ein Waschbecken, Teller, Theetassen. Ein trockener Rock und etwas zu essen wäre mir lieber gewesen; die Aussichten für die Nacht waren etwas ungemüthlich, als zu meiner Freude noch spät Abends der Koch erschien, der schon auf einem Halt unterwegs das Essen zubereitet hatte. Mit ihm zugleich kam eine mit Baumwolle gestopfte Matratze, worin ich eine unerwartet angenehme Nacht zubrachte, indem ich ihr oberes Ende aufschnitt und bis an den Hals hineinkroch.
Bei ihrem Aufgang warf die Sonne den langen Schatten des Slamatkegels auf die über der Ebene schwebende Wolkenschicht, aber bald wurde es völlig trübe und die Aussicht beschränkte sich auf die nächsten Punkte. Am nördlichen Abhang erblickt man einige kleine Seitenkrater, wie man deren so viele am Aetna wahrnimmt. Gegen Mittag verliessen wir den Gipfel. Am unteren Rande des Schuttkegels begegneten wir noch mehreren Kulis mit Gegenständen, die uns gestern Abend sehr angenehm gewesen wären. Sie hatten die Nacht im weichen Grase gelagert und kehrten nun mit uns um. Als wir kaum die Rhinozerospfade betreten hatten, begann es so heftig zu regnen, dass diese schmalen, Laufgräben ähnlichen Wege sich in Bäche verwandelten. Um 4 Uhr Nachmittags waren wir wieder in Priatin.
Bei der Rückkehr nach Banjumas hatte ich das Vergnügen, unsern Landsmann, den Oberst v. S., kennen zu lernen, der als Chef des Geniewesens auf einer Inspektionsreise begriffen war und mir bis zu dem Augenblick, wo ich Java verliess, unzählige Gefälligkeiten erzeigte. Mein Bedienter war von den Strapazen der letzten Reise krank geworden; der Resident von Banjumas nöthigte mir, als ich nach einigen Tagen abreiste, einen der zuverlässigsten und intelligentesten seiner eigenen Diener auf, der mich während meines ganzen ferneren Aufenthalts[S. 209] in Java begleitete und überhäufte mich überdies mit Aufmerksamkeiten, deren ich zum Theil erst nach meiner Abreise inne wurde.
Ich kann nicht unterlassen, bei dieser Gelegenheit nochmals der grossen Gastfreundschaft in Java und der Art ihrer Ausübung zu gedenken, denn sie bildet einen der hervorragendsten Züge im dortigen Reiseleben, der in der Erinnerung um so deutlicher hervortritt, je mehr sich die andern Eindrücke verwischen. — Bei den Völkern lateinischer Abstammung wird Einem im ersten Auflodern der Gefälligkeit so viel mehr versprochen, als gehalten werden kann, dass Alles nothwendig auf eine höfliche Formel hinauslaufen muss, die aber gerade, weil sie nichts kostet, so allgemein ist, dass der oberflächliche Verkehr mit ihnen dadurch eine angenehme Färbung erhält. Die Engländer, die das, was sie versprechen, auch wirklich zu halten meinen, zaudern vorsichtig mit ihrem Entgegenkommen und stossen expansive Ausländer durch ihre kalte Gemessenheit ab. In Java wird die Formel der Spanier: „Sie sind in Ihrem Hause, dies Haus ist das Ihrige”, zur Wahrheit, ohne je ausgesprochen zu werden; wie überhaupt die unzähligen, dem Fremden erwiesenen Dienste, aus Furcht, dass er sie ablehnen könnte, nie vorher angeboten werden. Dass der Bediente nach den kleinen Gewohnheiten, den Lieblingsgerichten, den Speisestunden seines Herrn ausgefragt, und dass danach die Hausordnung abgeändert wird, ist durchaus nichts seltenes; aber nicht nur auf die Dauer des Besuchs beschränkt sich die liebenswürdige Fürsorge; mehreremale, wenn ich auf einem Berggipfel oder in einem abgelegenen Pasanggrahan das tägliche Huhn mit Reis essen wollte, fand ich den Tisch mit allerlei Leckerbissen besetzt, welche die Frau des Hauses, in dem ich zuletzt eingekehrt war, dem Diener heimlich zugesteckt hatte.
Hochebene von Dïeng. Vulkane. Solfataren. Tempel. — Vogelscheuchen. — Tempel Perot. — Affengemeinde. — Bad. — Fliegende Hunde. — Borobudor. Pavon. Mundut. — Sultan von Jokjokarta und seine Familie. — Salzgewinnung. — Karang-tritis. — Getäuschter Gastfreund. Landpächter. — Indigofabriken. — Begräbnissplatz Imogiri. — Tempel bei Kalasan und Prambanan. — Surakarta. — Der Kaiser und sein Hofstaat. — Betelkauen. — Pangerans. — Tanz. — Der alte Blücher. — Batek. — Berg Lawu. Raden Rio. — Neujahrsfest in Surakarta.
Von Banjumas führt eine schöne Strasse im Serajuthal auf der linken (südl.) Seite des Flusses nach Bandjar-negara. Der Ort hat eine sehr hübsche Lage. Den Hintergrund bildet eine Berglandschaft mit[S. 210] schönen vulkanischen Profilen, überragt vom Sindoro und Sumbing, den beiden Brüdern, wie sie die Schiffer nennen, die sie von der Rhede von Samarang erblicken; im Vorgrund ziehen sich die Terrassen der Reisfelder an den Seiten der steilsten Hügel hinan. Eine Wasserleitung, die Bandjar-negara mit gutem Trinkwasser versorgt, überschreitet in doppelter Bogenreihe den Fluss und sieht fast wie ein Römerwerk aus. Der Fahrweg folgt dem Laufe des Flusses bis Wonosobo; ich setzte aber die Reise zu Pferde über Karang-kobar und Batur nach dem berühmten Plateau von Dïeng fort. Gleich bei Bandjar-negara führt eine malerische Bambusbrücke über den Fluss.[92] In einem kleinen Warong daneben sah ich Yams (Dioscorea sp.) von intensiv violetter Farbe feil bieten.
Hier beginnt die Strasse, die in Bezug auf grossartige Landschaften wohl jede andre in Java übertrifft: zwischen Hügeln, die ganz mit Sawas bedeckt sind, erheben sich kühne Felsen; einer derselben, der Gunong-labet, besteht aus dem Rest einer einzigen riesigen, konzentrisch schaligen Trachytkugel. In weiterer Ferne thürmen sich durch tiefe Schluchten zerrissene Gebirge immer höher auf bis zum Slamat, dessen 10,630' hoher Gipfel alles überragt. Hinter Karang-kobar wird die Landschaft noch ernster, die fast kahlen Berge zeigen ihre Modellirung um so deutlicher. Für Reisfelder ist es hier oben zu kalt; Mais, Tabak, Weizen und Gemüse treten an ihre Stelle. Auch Bambusen sieht man wenig in dieser Höhe, deshalb führen hölzerne Brücken über die Bäche. Von den Häusern sind die besseren aus Holz, die ärmeren aus Glaga, dem mehrfach erwähnten Rohr, die Wände bestehen aus den Halmen, die Dächer aus den Blättern.
Bei Batur (5000') betritt man im NW. die Hochebene von Dïeng, Javas phlegräische Felder. Der Weg führt zuerst durch braune Tuffschluchten, ganz wie bei Rom, und das Plateau ist kahl wie die Campagna. Links von der Hauptstrasse liegt Kawa-dringu, eine Vertiefung in einem Bergabhang, der aus abwechselnden Lagen von Rapilli und Trachytblöcken besteht, ein graubrauner Schlammsee, etwa 20' lang und 50' breit bedeckt den Boden; die Dampfentwickelung ist so heftig, dass der Schlamm stellenweise 4 Fuss in die Höhe geworfen wird. In geringer Entfernung, NzO., liegt Telaga-dringu, ein Wasserbecken im Boden eines alten Kraters mit etwa 120' hohen, sanft ansteigenden Wänden. Das Wasser ist nicht tief, selbst aus der Mitte ragen Binsen hervor. Der westliche Abhang ist mit Gras, der östliche mit[S. 211] Gesträuch und Bäumen bewachsen, die sich in Gruppen bis auf eine etwas erhabenere Felsbank in den See hineinziehen, auf welchem viele Tauchenten den Fischen nachstellten.
Sumor-djalatunda, Junghuhn nicht bekannt, daher auf seiner Karte von Dïeng nicht angegeben, liegt ca. 11/2 Paal in gerader Linie östlich von Batur, SSW. von Kaputschuan. Dicht dabei schneidet die Strasse Batur-Dïeng am Kali-puti (weissen Bach), der aus der Kawa-dringu kommt und hier am äusseren Abhang des Sumor vorbeifliesst; hier hat er schon alles Sediment unterwegs abgesetzt, ist völlig klar, kalt und geruchlos. Sumor (Brunnen) wird dieser Kratersee genannt, der ringsum von fast senkrechten, üppig bewaldeten Wänden eingefasst ist. Der See, der den Boden einnimmt, ist oval, seine grösste Länge in der Richtung von N. nach S. beträgt gegen 100', sein Wasser ist dunkelgrün. Das ganze Becken erinnert sehr an Telaga-warna am Megamendong, nur betritt man dies letztere im Niveau des Wassers durch eine Spalte in der Kraterwand, während hier das Seebecken unzugänglich ist. Die Wände sind 130–150' hoch und ringsum geschlossen, wie der Kessel eines Brunnens. Die äusseren Abhänge dieses Kraters bestehen an der einzigen Stelle, wo ich sie entblösst fand, aus sehr feinen weissen Tuffen, in welchen einige Schichten trachytischer Rapilli vorkommen.
Vierhundert Schritt östlich ist das Todtenthal. Im Boden eines Kraters mit sanft geneigten Wänden, die mit Gras und Bäumen bewachsen oder mit Kohl und Tabak bepflanzt sind, liegt halb vergraben in der Rapillischicht, die den Boden bildet, ein grosser, flacher Stein, der schönste Trachytporphyr, den ich bis jetzt auf Java getroffen; dies ist die Stelle, wo früher die Mofette (siehe S. 147, Anmerkung) am heftigsten war. Ein paar Kulis erwarteten uns hier mit einem Hund und einem Huhn, um zu versuchen, ob die Ausströmung des Gases hinreichen würde, die Thiere zu betäuben; diese empfanden aber gar keine Wirkung. Der Auftritt erinnerte lebhaft an die neapolitanischen, zum Prellen der Fremden ersonnenen Kunststückchen in der Hundegrotte; hier war es indessen eine uneigennützige Aufmerksamkeit des Häuptlings. Die Ausströmungen scheinen fast ganz aufgehört zu haben, nur periodisch bemerkt man noch Spuren, wie sich aus einigen am Boden liegenden gebleichten Skeletten, sämmtlich kleinen Thieren angehörend, schliessen liess. Der schönste Sonnenschein beleuchtete die Kohlfelder dieses nach den Schilderungen des älteren Darwin so grausigen Ortes.
Telaga-leri. Von üppigem Wald umschlossen, mit schön bewachsenen Inseln geschmückt, breitet sich ein grosser Schlammsee aus, mit graugrün schimmerndem, heftig wallendem Wasser, aus welchem hohe Dampfwolken aufwirbeln. Durch die ringsum thätigen, das Gestein zersetzenden Solfataren sind unzählige Buchten, Inseln und Landzungen entstanden. Der Mittelpunkt der vulkanischen Thätigkeit liegt gegenwärtig am Ostufer, aus dessen Sprudeln und Pfützen mehrere siedend heisse Bäche abfliessen, so dass wir die Eier und Kartoffeln zu unserer Mahlzeit durch Eintauchen darin kochen konnten. Mitten in dieser Verwüstung steht ein Schuppen, zwischen dessen Dielen eine dichte Vegetation von Faseralaun effloreszirt, der auch um denselben einen Teppich bildet. Dicht am Ostrande, unmittelbar neben den kochenden Wassern fliesst ein klarer, kalter, reiner Bach vorbei. Gegen Abend erreichten wir das eigentliche Plateau von Dïeng, ein ovales, ringsum von Bergen eingeschlossenes Thal. Indem wir über seine Fläche nach dem am jenseitigen Abhang (im Osten) gelegenen Pasanggrahan ritten, zeigten sich in geringer Entfernung von uns, zur Rechten, 4 kleine 20–25' hohe Tempel in einer Reihe, und ein fünfter, kleinerer, etwas seitwärts.[93]
Auf der Südseite des Plateaus erhebt sich am Abhang eines kleinen Hügels der mit schöner Skulptur reich verzierte Tempel Werkodoro und hinter ihm eine trotz ihrer Entstehung durch Solfataren liebliche Landschaft: kleine türkisblau und smaragdgrün glänzende Seen in blendend weissem Tuffboden von einer zackigen Bergwand umschlossen. Die Sohle des Thales von Dïeng ist an vielen Stellen versumpft, man kann aber grosse Strecken weit auf Lavafliesen gehen, überall liegen Trümmer behauener Steine umher. Auf den Abhängen stehen noch mehrere kleine mit Gesträuch bewachsene Tempel, die meisten sind aber umgestürzt und bilden nur noch Schutthaufen. Die gewaltigen Naturerscheinungen, die hier in seltener Fülle als Vulkane, Solfataren, kochende Seen auftreten, scheinen dem religiösen Aberglauben grossen Vorschub geleistet, die Bildung einer mächtigen Priesterkaste begünstigt und die Gründung zahlreicher Tempel veranlasst zu haben. Junghuhn entdeckte hier eine merkwürdige Inschrift, von der bis jetzt nicht ausgemacht ist, welchem Volk und welcher Zeit sie zugeschrieben werden muss. — Ein mit dem Brahma- und Buddhakultus und seinen Monumenten vertrauter[S. 213] Forscher würde gewiss hier sowohl als weiter östlich in Java ein reiches Feld für seine Thätigkeit finden.
Die ganze Nacht hindurch wüthete ein heftiger Sturm aus Ost, der einen Theil des Pasanggrahans abdeckte; er hielt den ganzen Tag über an und legte sich erst gegen Abend. Der Wind war kalt und unbequem in dieser Höhe (über 6000') und noch unangenehmer auf den Bergen, die sich aus dem Plateau erheben und wie dieses baumlos sind. Die aus der heissen Ebene mit heraufgekommenen Leute froren den ganzen Tag trotz der reichlichen Bewegung; die hier oben Ansässigen aber ertrugen die Kälte sehr gut, und völlig nackte kleine Jungen kauerten müssig vor den Häusern in anscheinender Behaglichkeit. Wir verliessen das Kesselthal von Dïeng im Süden und ritten an dem schönen Tempel Werkodoro und dem tiefblauen See Telaga-warna vorbei, der etwas nach Schwefelwasserstoff roch. Bevor wir den Vulkan Pakuodjo erreichten, sahen wir rechts von der Strasse einen hohen Felspfeiler, Gunong-batu, von wo aus man eine schöne Uebersicht des Pakuodjo hat, der aus einem geschlossenen Krater und einer grossen Schlucht besteht. Der Sturm war jetzt so heftig, dass wir den Gipfel nicht besteigen konnten. Der Boden des Kraters ist ganz flach, mit einer hohen Erdschicht ausgefüllt, auf dem das herrliche rothe Rhododendron Javanicum in ziemlicher Menge unter andern Sträuchern wächst. Eine niedrige Zwischenwand führt in die daneben liegende Schlucht. Diese streicht von S. nach N. mit steilem Fall; in der Mittellinie derselben zieht sich ein grosser gewölbter Schuttberg herab und stürzt sich im N. über den flachen Rand. Er sieht von ferne täuschend wie ein erstarrter Lavastrom aus, ist aber nur das Ergebniss der höher oben an den Bergwänden thätigen Solfataren, die das Gestein zersetzen und in grossen Blöcken oder als Schuttmassen hinabstürzen; so entsteht ein langer, schmaler Rücken von Bergtrümmern, der durch die Wirkung des herabrieselnden Wassers auf der stark geneigten Sohle allmälig weiter geschoben wird. Der Boden des daneben liegenden Kraters ist viel höher und wird durch das an seinen Wänden zersetzte Gestein immer mehr aufgehöht, da sein Rand völlig geschlossen ist. (Mittags im Schatten 12,8°R.)
Von hier besuchten wir die am Fuss des Berges Pangonan gelegene Solfatara Tjondro di muka, wo im Jahre 1834 ein Kontrolör in den heissen Schlamm einsank und, obgleich schnell herausgezogen, an den Brandwunden starb. Die Stelle ist durch einen Stock bezeichnet, der von Zeit zu Zeit erneuert wird; die Eingebornen nennen auch wohl die ganze Solfatara „tuwan Kontrolör punja tjelaka” (das Unglück des Herrn[S. 214] Kontrolör). Sie nimmt den Grund eines alten Kraters ein, dessen Wände fast zerstört sind und dessen Boden mit grünem Rasen bedeckt ist, mit Ausnahme derjenigen Stellen, wo die Fumarolen thätig sind. Am Abhange des Berges Pangonan, dicht bei Tjondro di muka, ist eine ähnliche Solfatara, aus welcher ein grosser Schlammstrom herabgeflossen ist, der jetzt im verhärteten Zustande auf den ersten Anblick wie ein Lavastrom aussieht. Auch zeigt er an den Stellen, wo der Abhang steiler ist, die eigenthümliche strickförmige Textur schnellgeflossener Laven. Verfolgt man den Strom nach oben, so findet man auf einem flachen Absatz des Bergabhanges neben mehreren noch kochenden Schlammseen ein entleertes Becken mit zerborstener Wand als Ursprung des erwähnten Schlammstromes. Der Berg Pangonan enthält zwei Krater; in den südöstlichen kann man hineinreiten, sein Boden ist sehr versumpft, weshalb ein gleichnamiges Dorf, das früher darin stand, verlassen wurde. Auf den flachen Terrassen, die den Kessel fast in seinem ganzen Umfange umgeben, wurde Mais, Tabak und Kohl gebaut, der Boden war mit Binsen und grobem Gras, die Pfützen mit Brunnenkresse bedeckt. Von zehn kleinen Tempelchen, welche Junghuhn's Karte auf dem äusseren Abhang angiebt, fand ich nur noch drei aufrecht, und den Schutthaufen eines vierten. Sie sind im Grundriss quadratisch, jede Seite von 2,25 Meter Breite und 5,34 M. Höhe, die Eingänge 0,85 M. breit, 1,83 M. hoch. Ringsum ist der Boden mit behauenen Steinen und zertrümmerten Skulpturen bedeckt. Der Boden des Nebenkraters wird fast ganz von einem See ausgefüllt, Telaga-werdoto der Junghuhn'schen Karte, die Eingebornen nannten ihn aber Merredada. Vom Zwischenrücken übersah man die Topographie des Berges mit einem Blick. Der Abhang des Pangonan fasst die W.-Seite des Plateaus von Dïeng ein und grenzt im N. an die Strasse Batur-Dïeng; jenseit derselben und des Baches Dolog, im N., erhebt sich ein anderer erloschener Vulkan, der Pager-kendeng. Am SW.-Abhange dieses Berges liegt das früher beschriebene Telaga-leri; ein bequemer Reitweg führt über die Kratermauer auf den Boden des Pager-kendeng-Kraters, in welchem sich einige Menschen in elenden Hütten aus Farnstämmen und Glaga angesiedelt hatten. Sie leben vom Anbau und der Bereitung des Ricinusöls und Tabaks. Die Tabakbereitung ist sehr einfach. Die grünen Blätter werden zusammengerollt, viele Rollen über einander zwischen zwei senkrecht neben einander befestigte Bretter gelegt, fest gedrückt und nach und nach vorgeschoben, wobei der die Bretter überragende Theil mit einem scharfen Messer abgeschnitten wird, wie beim Häckselschneiden. Die Streifen sind nicht[S. 215] dicker als ein Zwirnfaden. Man trocknet sie zuerst an der Sonne, später über Feuer. Eine weitere Behandlung erfährt der Tabak nicht; er wird hauptsächlich zum Kauen verwendet, für sich allein oder mit Betel vermischt, auch macht man Cigaretten daraus, indem man ihn in junge Seitenblätter der Nipapalme wickelt. Am Nordostabhang liegt die Solfatara Panduh oder Sepanduh, die wir erst bei völliger Dunkelheit erreichten. Die schwierigsten Stellen der Strasse nach Dïeng wurden beim Schein der Fackeln zurückgelegt, die schnell improvisirt waren, indem die Kulis im Vortrab ohne Weiteres grosse Bündel Glaga aus den Umzäunungen rissen und anzündeten.
Leider konnte ich in Dïeng nicht länger verbleiben, da meine Ankunft in Wonosobo bereits angemeldet war. Wir ritten in SSO.-Richtung zuerst durch tief eingeschnittene Tuffwände nach Badak-banteng, kamen Abends nach Telaga-mendjer, einem den Eifeler Maaren ganz ähnlichen Wasserbecken in weissem Tuff, und am folgenden Tage nach Wonosobo. Auf einem Maisfelde sah ich ein eigenthümliches System von Vogelscheuchen: senkrecht gegen die Richtung eines schnellen Baches waren lange Reihen schlanker Bambushalme in den Boden gesteckt, von deren übergebogenen Spitzen lange in der Sonne stark glänzende Pisangblattstreifen herabhingen. Die Spitzen der Bambusen jeder Reihe waren durch eine straffe Schnur verbunden, die aber, wo sie den Bach überschritt, sich bis in das Wasser hinabsenkte und ein dünnes Brett trug, das von dem Wasser hin- und hergeschleudert wurde, und die ganze Reihe Vogelscheuchen in Bewegung setzte.
Von Wonosobo aus bestieg ich den wegen seiner schönen regelmässigen Kegelform ausgezeichneten Gunong-sindoro. Am Nordost-Abhang hinabsteigend, erreichte ich spät Abends Adiredjo, wo ich bei dem Bedana nach langem Zögern nicht sehr freundliche Aufnahme fand, da mein Besuch nicht amtlich angemeldet war.
Ganz in der Nähe liegen zwei kleine zierliche Tempel, Perot und Prengapus. Den Tempel Perot hat ein Feigenbaum zu seinem Postament erwählt und mit einem Netz von Luftwurzeln umstrickt; er erhebt sich darauf als eine dicke cylindrische Säule, die erst in 100' Höhe eine mächtige Blätterkrone trägt. Da er bisher nie abgebildet worden, so nahm ich eine sehr genaue Zeichnung davon auf. Am Nachmittag besuchte ich die Quelle des Progo, der die Provinz Kadu, „den Garten von Java”, bewässert und am Fuss von Borobudor vorbei, in den indischen Ozean fliesst. Die schöne Quelle, die klar und sehr wasserreich aus einer mit Farnen dicht bewachsenen Lavahöhle hervorbricht, geniesst[S. 216] bei den Javanen hohe Verehrung. Kaum waren wir angekommen, als von den umliegenden Bäumen eine Anzahl Affen (Semnopithecus maurus) herabstieg und zutraulich dreist uns umringte. Wir fütterten sie mit Mais. Diese Kolonie halbzahmer Affen existirt nach der später noch mehrfach bestätigten Aussage des mich begleitenden Häuptlings schon seit alter Zeit und überschreitet nie die Zahl 15; heute waren ihrer zwar eigentlich 16, da eine garstige alte Aeffin ein Junges trug, das unter dem Bauch der Mutter hing und den Kopf ängstlich hervorstreckte. Ist das Junge aber herangewachsen, so wird es gezwungen, die Kolonie zu verlassen, wenn es nicht ein anderes schwächeres Individuum zum Austritt zwingen kann; es werden nie mehr als 15 geduldet, so wenigstens erzählte man mir allgemein. Die Nacht brachte ich bei einem vornehmen Javanen, dem Regenten von Temangung, zu, und begleitete ihn am andern Tage zu einem ächt javanischen Bade. Wir ritten 11/2 Paal weit nach einem krystallhellen Quell inmitten eines Haines. Den Boden des geräumigen Beckens, in welchem Gold- und Silberfischchen umherschwammen, bedeckte glänzend weisser Sand. Die Aeste eines daneben stehenden Baumes hingen ganz voll Kalongs, während Schaaren derselben, durch einige Schüsse aus dem Tagesschlaf geweckt, in der Luft schwirrten. Diese Kalongs, auch fliegende Hunde oder Füchse genannt, Pteropus edulis, sind grosse obstfressende,[94] über den ganzen Archipel verbreitete Fledermäuse. Bei Tage hängen sie oft zu vielen Hunderten in einem grossen Baum mit der Kralle des Daumens reihenförmig an den Aesten, den Kopf nach unten, in ihre Flügel, die 4–5 Fuss Spannweite erreichen, wie in einen Mantel fest eingehüllt, so dass sie aus der Ferne wie riesige Birnen erscheinen. Werden sie nicht gestört, so setzen sie sich erst Abends in Bewegung und richten wegen ihrer grossen Menge beträchtlichen Schaden an, wenn sie statt über die Früchte des Waldes über die Obstgärten des Dorfes herfallen. Dr. Oxley erzählt (Journ. Ind. Arch. 1849), dass, als er in der Strasse von Malacca vor Anker lag, ein Schwarm dieser Thiere mehrere Stunden brauchte, um über ihn fortzuziehen, und Logan sah sie zu Millionen in den Mangrove-Sümpfen am Nordrand der Insel Singapore hängen. Es ist kaum möglich durch Netze das Obst gegen ihre Verheerungen zu schützen, denn[S. 217] bekanntlich ist bei den Fledermäusen der Gehör-, Geruch- und namentlich der Fühlsinn auf eine für uns so wunderbare Weise entwickelt, dass sie im Stande sind gewissermaassen in die Ferne zu fühlen, und bei völliger Dunkelheit im schnellsten Fluge jedem Hinderniss mit der grössten Sicherheit auszuweichen. Spallanzani und mehrere Andre nach ihm, überzeugten sich davon, indem sie geblendete Fledermäuse in hellen Räumen, in welchen nach allen Richtungen Drähte und Fäden gezogen waren, hin- und herfliegen liessen. Man nimmt an, dass, abgesehen von den besonderen Apparaten, mit welchen die Nasen und Ohren vieler Gattungen zur Verschärfung des Geruch- und Gehörsinns versehen sind, die dünne, nackte, nervenreiche Flughaut dazu dient, den Thieren die feinsten Unterschiede in der Temperatur, der Dichtigkeit, dem Druck, der Bewegung, den Schwingungen der Luft wahrnehmbar zu machen, und ihnen dadurch die Nähe fester Körper zu verrathen. — In Java wird der P. edulis, wie mir versichert wurde, selbst von den Eingebornen nicht gegessen, in den Philippinen scheinen ihn die Europäer zu verschmähen, obgleich sein Fleisch sehr wohlschmeckend ist, ähnlich dem Rebhuhn.
In wenigen Stunden erreicht man Magelang, Hauptstadt der Provinz Kadu. Der Garten des Residenten hat eine sehr schöne Lage und enthält eine Anzahl in der Umgebung gefundener Skulpturen, darunter einen mit kunstvollen Basreliefs bedeckten Stein in Form eines Sarkophags.
Von Magelang aus besuchte ich das 10–12 Paal gen Süden am Progofluss gelegene Borobudor, von allen Monumenten Javas das grösste, schönste, am besten erhaltene, weit berühmt nicht nur durch die Beschreibungen von Raffles, Crawfurd und anderen, sondern auch durch die darauf gegründeten Arbeiten von W. v. Humboldt und Burnouf. Aus der Ferne macht es keinen bedeutenden Eindruck; es erscheint als eine flache, breite Pyramide mit etwas verschwommenen Umrissen und fesselt das Auge nicht durch gefällige Gliederung der Masse. Sobald man aber näher herankommt und die grosse Fülle schöner Skulpturen gewahrt, für welche das Gebäude gewissermassen nur den Träger bildet, begreift man wohl den Enthusiasmus, mit dem fast Alle, die Borobudor gesehen, davon sprechen. Folgendes ist im Wesentlichen der Plan des Gebäudes: auf einem Hügel, dessen Seiten terrassirt sind, und der somit ein Postament für dasselbe bildet, erheben sich stufenförmig über einander 6 Terrassen, die mit Ausnahme der obersten und untersten an ihrem äusseren Rande von einer Mauer umgeben sind, so dass 4 ringsum laufende oben offene Gallerien von 2 Meter Breite[S. 218] entstehen, deren innere Wände doppelt so hoch als die äusseren sind. Der Grundriss der Terrassen ist, wenn man die in der Mitte jeder Front nach Aussen rechtwinklig vorspringenden Ausladungen nicht berücksichtigt, quadratisch. Auf der oberen Plattform erheben sich 3 kreisrunde Terrassen über einander von je 1,68 Meter Höhe, welche 34 + 24 + 14 zusammen 72 durchbrochene glockenförmige kleine Tempel tragen, in denen je ein Buddha sitzt. Auf der obersten Stufe erhebt sich eine Kuppel von 20' Höhe, 50' Durchmesser. Ausser derselben enthält der ganze Bau keinen hohlen Raum, und dieser jetzt zum Theil eingefallene, früher geschlossene Raum war leer. In der Mitte jeder Front ist ein Thor, durch welches eine Treppe bis zur Kuppel führt. Das ganze Gebäude besteht aus künstlich in einander gefügten Trachytquadern. Die grösste Breite des Monuments liegt wegen der bereits erwähnten Vorsprünge in den Mittellinien und beträgt nach Wilsen's Messungen 114 Meter, die Gesammthöhe mit Einschluss des Kegels, der früher auf der Kuppel stand, 30 Meter. Crawfurd giebt etwas grössere Dimensionen an, aber Wilsen's Maasse dürften wohl die richtigen sein.[95] Nach ihm enthält die äussere unterste Wand 480 Reliefs. Die schönsten Skulpturen befinden sich an der inneren Wand der ersten Gallerie; sie ist horizontal in zwei Theile getheilt und ganz bedeckt mit Reliefs von 2,70 Meter Breite, 0,90 M. Höhe. Aber alle senkrechten Wände sind mit Reliefs, Arabesken und Girlanden bekleidet. Wilsen giebt die Zahl der grossen Basreliefs auf 2000, die Gesammtzahl der Figuren überhaupt in den 5 Gallerien auf 20,000 an. Sämmtliche Mauern der Gallerien tragen reich verzierte Nischen, in denen überlebensgrosse Buddhas thronen. Die Zahl der Buddha-Figuren in den Nischen beträgt nach W. 500. Weit mehr als über den Reichthum der Skulpturen erstaunt man über die mannigfaltigen, sinnigen Kompositionen und die bis in die kleinsten Einzelnheiten sorgfältige Ausführung. Die beiliegende Zeichnung giebt eines der Bilder der ersten Gallerie wieder, das ich aufs Gerathewohl, und weil es etwas im Schatten lag, zu einer Skizze wählte. Diese Reliefs bewahren[S. 219] einen Schatz von Erinnerungen aus dem Leben der damaligen Zeit auf; eine Inschrift oder Jahreszahl enthält das Monument aber nicht. Crawfurd sagt, dass man aus einem räthselhaften Vers die Jahreszahl 1344 als die Zeit der Vollendung des Baues herausgedeutet habe, die ihm nicht unwahrscheinlich vorkommt. Andere, darunter Raffles und van Hoevell, halten das Monument für viel älter. Nach der allgemeinsten Ansicht wurde der Bau von buddhistischen Künstlern aus Vorderindien unter Mithülfe der Eingebornen errichtet. Die Javanen selbst haben wohl nie eine so hohe Kunststufe erreicht. Wie die Buddhisten nach Java gekommen, ist nicht genügend festgestellt; Friederich glaubt, Bekehrungseifer sei die Veranlassung gewesen; vielleicht kamen sie auch als Flüchtlinge nach den Glaubenskämpfen mit den Brahmanen, die mit der Vertreibung der Buddhisten aus Indien endigten (gegen 1000 n. Chr.). Das Monument ist noch sehr wohl erhalten und kann allem Anschein nach, wenn nicht Krieg oder Erdbeben es zerstören, noch viele Jahrhunderte bestehen. Im Kriege gegen Dipo-negoro (1825–30) hat es etwas gelitten, da es, wie das Grabmal der Caecilia Metella bei Rom, als fester Punkt benutzt wurde, wozu es sich wegen seiner Lage sowohl als wegen seiner Gliederung und Grösse sehr eignete. Sein gefährlichster Feind ist vielleicht ein kleines Lichen, das sich langsam, aber unaufhaltsam weiter verbreitet und schon manches schöne Bild unkenntlich gemacht hat.
In geringer Entfernung von Borobudor liegt ein kleiner Tempel, Pavon oder Dapor genannt, auf dessen Seite ein riesiger Feigenbaum emporgeschossen ist, ohne dem Monument sehr zu schaden. Nach Wilsen beträgt seine Höhe ungefähr 15 M., die Breite 10 M. Auf dem Rückweg nach Magelang in etwa 2 Paal Entfernung von Borobudor gelangt man an den Tempel Mundut, der früher vom vulkanischen Sand des Merapi verschüttet, erst 1834 durch den damaligen Residenten der Provinz wieder ausgegraben wurde. An seiner Aussenseite ist er mit schönen Figuren, Friesen und Arabesken bedeckt, welche letztere mich an die besten Sachen erinnerten, die ich in Italien gesehen. Herr Wilsen soll auch von diesem Tempel, dem allgemein dasselbe Alter und derselbe Kultus wie Borobudor zugeschrieben wird, die genauesten Zeichnungen angefertigt haben. Das Innere, dessen Decke aus einander überragenden Quadern gebildet wird, so dass eine hohle Pyramide entsteht, enthielt drei kolossale Figuren; den Boden bedeckte eine tiefe, fast betäubenden Moschusgeruch verbreitende Schicht von Fledermausmist.
Um einer Verabredung zu genügen, musste ich leider noch an demselben[S. 220] Abend nach Magelang zurückeilen, wo ich den Oberst v. S. traf, mit dem ich am folgenden Tage nach Jokjokarta reiste, der Hauptstadt des Sultans, eines der unabhängigen Fürsten auf Java. Seine Unabhängigkeit ist freilich nur eine beschränkte, da er von der holländischen Regierung, die einen Residenten an seinem Hofe hält, einen Gehalt empfängt. Das Waterkastell von Jokjokarta gilt für eine grosse Sehenswürdigkeit. Es ist der fast zerfallene Badeplatz eines früheren Sultans, in holländisch-chinesischem Zopfstil mit javanischen Schnörkeln. Abends hatte ich Gelegenheit, mit dem Residenten und Obersten dem Sultan einen Besuch zu machen. Wir fuhren in den von einer hohen Mauer umgebenen „Kraton”, der den Palast und die zum Theil sehr ärmlichen Häuser des Hofstaates enthält, und mit seinen Höfen und Gärten die Grösse einer kleinen Stadt hat, und gelangten durch zwei grosse von Waringibäumen beschattete Vorhöfe in den inneren Hof. Am Thor präsentirte die Wache, zerlumpte Kerle mit schwarzen cylindrischen Mützen. Der Sultan erwartete uns, auf einem europäischen Sopha sitzend, in einer offenen Halle. An den Wänden standen Stühle, ein Teppich lag auf dem Boden. Die Möbel waren von der Art, wie man sie in Gasthäusern zweiter Klasse in Europa findet. Der Fürst trug ein kattunenes Kopftuch, aus dessen Falten, seitlich vom Scheitel, ein kleiner Blumenstrauss hervorragte. Eine mit einem hohen holländischen Orden geschmückte Jacke, Sarong und europäische Pantoffeln vollendeten den Anzug. Gesichtsausdruck und Haltung des Sultans waren würdig und verbindlich; der Resident nahm zur Linken, der Oberst zur Rechten Platz. Die Unterhaltung wurde kaum hörbar leise geführt, so will es der Hofton. Auf eine Andeutung des Residenten, dass ich gern etwas von den Gebräuchen des Hofes sehen möchte, war der Fürst so artig, uns zu seiner Familie zu führen. Wir gingen über den Hof nach einem grossen Pendopo, dessen sehr hohes Dach von vielen niedrigen Holzsäulen getragen wird, zwischen denen Lampen und Vogelkäfige von der Decke herabhingen. Auf einer Estrade lagen grosse seidene, mit frischen Blumen bestreute Kissen, auf denen wir Platz nahmen. Bald erschien die Gemahlin (ratu = Königin) und drei Prinzessinnen, die den sonderbaren Titel tuwan = Herr führen. Jene setzte sich auf ein Kissen neben den Sultan, die Herren Prinzessinnen nahmen mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden, dem Sultan gegenüber, Platz. Eine Reihe alter Weiber mit nacktem Oberkörper und einem über die Brust gebundenen Tuche hockten in ehrerbietiger Entfernung. Nach einer kurzen Unterhaltung führten wir die Fürstinnen, die nur mit einem[S. 221] Sarong und einer dünnen Kattunjacke bekleidet und mit einigen Diamanten geschmückt waren, in die Empfangshalle zurück, indem wir ihnen den Arm gaben. Der Resident hatte die Ehre, die alte Fürstin zu führen, mir, ohne offiziellen Rang, fiel die jüngste Prinzessin zu, ein hübsches fünfzehnjähriges Mädchen mit grossen Augen, lebhaft und kokett und, was ich ihr besonders hoch anrechnete, mit ganz weissen Zähnen, da sie, die einzige in der ganzen Familie, nicht Betel kaute. In diesen vornehmen Familien ist wahrscheinlich viel arabisches Blut; sie haben nicht die kleinen Nasen mit breiten Flügeln der gemeinen Malayen. Nach kurzer Unterhaltung verliessen wir den Kraton in derselben Weise, wie wir gekommen waren. — Abends in einer Gesellschaft beim Residenten erschienen mehrere Pangerans (javanische Prinzen), die Obersten-Rang hatten und holländische Uniform trugen. Ihr langes Haar war in ein Bündel gesammelt und mit einem Kopftuch bedeckt. Einer derselben hatte einen kleinen, garstigen Zwerg als Pagen bei sich, dem er seine Militärmütze übergab; dieser setzte sie verkehrt auf den Kopf und spazierte damit unter den Gästen umher.
Am folgenden Morgen fuhr ich mit einem Tumongong durch die heisse Ebene bis Imogiri, von wo wir nach der Südküste ritten, an der sich eine niedrige Dünenreihe hinzieht. Die heisse vom schwarzen vulkanischen Sand des Merapi bedeckte Fläche wird von mehreren parallelen Bächen durchströmt, die sich in den Kali-opak ergiessen, welcher dicht am Fuss des die Ebene in Osten begrenzenden Kalkgebirges fliesst, und mit ihm zusammen bei Karang-tritis das Meer erreicht. Wir sahen eine Falle, um Wildschweine, deren es hier viele giebt, zu fangen: zwei mehrere hundert Fuss lange, mit Reisig verkleidete Bambusgitter bildeten einen sehr stumpfen Winkel und führten durch eine Oeffnung in einen langen Gang, von dessen Decke einige starke Thüren wie Klappventile schräg von vorn nach hinten hingen. Am flachen Strande waren viele Menschen beschäftigt, aus dem Meerwasser Salz zu gewinnen. So weit man nach Westen sehen konnte, war die Küste mit ihnen wie bestreut, im Osten setzten die in hohen, sonderbaren Formen ins Meer ragenden Felsen von Karang-tritis den Arbeiten eine Grenze. Das Verfahren war sehr umständlich: anstatt das Seewasser in einem System von Gräben, sogenannten Salzgärten, verdunsten zu lassen, wurde es mit Eimern, die je aus einem Blatt der Fächerpalme, Corypha gebanga, bestanden,[96] geschöpft und auf den aus schwarzem Sande bestehenden[S. 222] heissen Strand geschüttet, wo es verdampft. Ist die obere Erdschicht hinreichend mit Salz gesättigt, so wird sie oberflächlich aufgenommen, auf ein in Tischhöhe aufgestelltes Bambussieb gebracht und durch Aufgüsse von Seewasser unter fortwährendem Kneten ausgelaugt. Man lässt die abgelaufene Sole in einem Trog in der Sonne verdampfen und konzentrirt sie im nächsten Dorf durch Sieden in irdenen Töpfen. Das Salz ist sehr zerfliesslich, da es nicht einmal vom Chlormagnesium gereinigt wird. Zu jedem Gestell gehörten zwei bis drei Leute: einer trägt Wasser, der andere knetet, der dritte ruht aus, um den Wasserträger abzulösen. Bei Sonnenschein machen 2 Mann in 5 Tagen 80 Katti Salz nach Angabe des Tumongong. Die Salzgewinnung ist in den Fürstenländern eine Privatindustrie, im übrigen Java Regierungsmonopol.
In der Klippe Karang-tritis ist eine Tropfsteinhöhle, deren hohe senkrechte, dem Meere zugekehrte Wand dicht mit grauen und gelben Flechten überzogen ist. Das von oben herabsickernde kalkhaltige Wasser durchdringt diese wie einen Schwamm und inkrustirt sie mit Kalk; die feuchte zu Stein gewordene Kruste giebt einer neuen Vegetation von Flechten eine willkommene Unterlage, und so erhält die Felswand einen eigenthümlichen reich gefärbten Ueberzug, halb Stein, halb Pflanze.
Jenseits Karang-tritis ragen viele einzelne Kalkfelsen aus dem Meere hervor, die durch die Wirkung der Brandung so phantastische Gestalten erhalten haben, dass sie auch wohl bei aufgeklärteren Leuten als den Javanen, Veranlassung zu Aberglauben geworden wären. Hier ist es, wo nach Hagemann (Tijd. v. L. T. en V. 1853) die Geisterkönigin Loro-kidul, deren Gebiet sich längs der ganzen Südküste vom Semeru bis nach Nusa-kumbangan erstreckt und deren prächtiger Palast im Grunde des Meeres ist, sich ihren Vertrauten in Träumen offenbart.
Gegen Mittag kam eine stattliche Reiterschaar, Herren vom inländischen Adel mit ihrem Gefolge, zum Besuch und führten uns nach einem Pasanggrahan, der hübsch möblirt war, weil er oft von den einheimischen Fürsten benutzt wird, die hier das wegen der sehr starken Brandung geschätzte Seebad benutzen. Wir hatten ein vorzügliches[S. 223] malayisches Diner, bei welchem auch Büffelfell vorkam, welches wie Biskuit gegessen wird und sehr angenehm schmeckt. Das Fell wird zu dem Zweck in sehr feine Stücke geschnitten, in heissem Wasser eingeweicht und in Fett gebacken, wobei es zu einer sehr porösen, spröden Masse aufschwillt.
Als wir gegen Abend, von der starken Sonnengluth sehr ermüdet, nach Imogiri zurückritten, kamen wir an einer Indigofabrik vorbei. Schon lange, ehe wir sie erreichten, sah ich den Besitzer, einen stattlichen jungen Mann in leichtem Pflanzerkostüm sein Haus verlassen und durch die Felder grade auf uns zueilen. Als er uns erreicht hatte, fasste er zuerst der Sicherheit wegen mein Pferd am Zügel, dann grüsste er sehr freundlich und lud uns ein, die Nacht in seinem Hause zuzubringen, indem er zugleich das Pferd dahinführte mit dem zufriedenen Lächeln eines Mannes, der einen guten Fang gethan hat. Ein Freund aus Jokjokarta hatte ihm durch einen Boten gemeldet, dass wir hier vorbeikommen würden, und er hatte uns aufgelauert. An Loskommen war nicht zu denken, auch hatte ich keine Lust dazu; doch machte ich absichtlich einige Einwendungen, die indessen alle triumphirend beseitigt wurden. Mein Gastfreund, sehr gebildet und, wie ich später hörte, aus sehr guter holländischer Familie, lebte hier ganz isolirt auf der vor Kurzem von ihm gegründeten Fabrik, fern von allem Umgang mit Europäern. Er hatte gewiss eine angenehme Unterhaltung für den Abend gehofft, und alles aufgeboten um seinen Gast zu ehren, leider war ich so entsetzlich müde, dass ich über Tisch einschlief und so schnell als möglich ins Bett schlich.
In den Fürstenländern, wo die holländische Regierung keine Produkte baut, da der Grund und Boden dem Fürsten gehört, ist es Europäern gestattet Ländereien zu pachten und auszubeuten: jedoch ist ihre Zahl eine beschränkte, die Erlaubniss hängt vom Ermessen der Kolonial-Regierung ab. Nach dem Reglement für 1857 betrug sie 68 für Jokjo, 207 für Surakarta. Der Pächter tritt der Bevölkerung gegenüber in die dem Landesfürsten nach dem Adat zustehenden Rechte. 2/5 des Bodens darf er mit Produkten für den europäischen Markt bebauen, jede Familie leistet ihm 104 Tage Frohndienst, dafür zahlt er die Grundsteuer für die ganzen 5/5 des Bodens. Der Ertrag der übrigen 3/5 so wie die Verfügung über die nach Abzug von 104 Tagen verbleibenden 261 Tage gehört der Bevölkerung ohne weitere Abzüge oder Lasten.
Nach den Grundsätzen des Kultursystems sollten die Bauern in den Regierungsländern besser gestellt sein als in den Fürstenländern; in[S. 224] Wirklichkeit ist dies aber nicht der Fall, da ihre Arbeitskraft (vergl. Kaffeekultur) bei der mangelhaften Leitung durch Beamte zum grossen Theil verschwendet wird.
Vor allen hat sich in Jokjokarta als besonders gewinnbringend, schnell rentirend und wenig Anlagekapital erfordernd, die Indigokultur entfaltet, während sie in den unmittelbar unter holländischer Botmässigkeit stehenden Provinzen, wo sie einen Theil des Kultursystems bildet, so schlechte Resultate giebt, dass sich die Regierung veranlasst sah die Ursachen der so verschiedenen Ergebnisse von einem fähigen Beamten untersuchen zu lassen. Aus den Auszügen des amtlichen Berichts (Tydsch N. I. 1860) ergeben sich ganz ähnliche Thatsachen wie bei der Kaffee- und Theekultur (vergl. oben), die wohl allmälig die Regierung zwingen werden aus Eigeninteresse den Ackerbau der Privatindustrie zu überlassen. Schon jetzt hat sich die Regierung genöthigt gesehen den Indigobau immer mehr einzuschränken.
1840 | produzirte | sie | auf | 40844 | Bau | 2032097 | Amstrd | ℔ |
1858 | „ | „ | auf | 18314 | Bau | 614784 | „ | ℔ |
Wie bei der Kaffeekultur bestimmt die Regierung die Lokalität auf welcher die Eingebornen Indigo bauen müssen, das Risiko ist für Rechnung der letzteren; erst für das fertige Produkt erhalten sie einen Preis, der im Verhältniss zur gelieferten Arbeit so gering ist, dass der Kolonialminister v. Rochussen es sich den Kammern gegenüber zum Verdienste anrechnete, den Indigobau als zu drückend für die Bevölkerung und zu unvortheilhaft für den Staat, sehr eingeschränkt zu haben. Es ist höchst interessant und erfreulich, dass während derselben Zeit, wo die Zwangskultur so traurige Ergebnisse lieferte, der Indigobau in Jokjo auf gepachtetem Grund und Boden, durch freie Arbeit unter unmittelbarer Leitung von Unternehmern die für eigene Rechnung arbeiteten, die glänzendsten Resultate ergab.[97] Auch hierbei stellte sich wieder die so oft bestrittene Thatsache heraus, dass der Javane bei angemessenem Lohn gern arbeitet, und dass der Pächter über so viele Hände verfügen kann als er braucht. Die Regierung schreibt ihren schlechten Erfolg dem Umstand zu, dass die Pflanze den Boden aussaugt (wie bei dem Kaffeebau), die Privatunternehmer finden aber jeden Boden geeignet, behandeln ihn je nach seiner Beschaffenheit, melioriren und düngen ihn entsprechend.
Am folgenden Morgen begleitete mich mein lieber Gastfreund nach[S. 225] Imogiri, dem nahegelegenen Begräbnissplatz der fürstlichen Familien von Jokjokarta und Surakarta. Auf angeblich 360 unbequem hohen Backsteinstufen steigt man in gerader Richtung den steilen Abhang eines Hügels hinan, dessen von mehreren Umfangsmauern umschlossene Kuppe die schmucklosen Grabsteine einer Anzahl bis auf ein oder zwei Ausnahmen unbedeutender Personen aus fürstlichem Geblüt enthält — theils im Freien, theils in hölzernen Schuppen. In etwa 3/4 der Höhe sendet die Treppe rechtwinklig zwei Seitenarme aus, und wiederholt dies, nachdem sie unter dichtem Laubdach ein kleines künstliches Wasserbecken überschritten, in kurzen Zwischenräumen. Diese Seitengänge werden durch mehrere der Haupttreppe parallel laufende Gänge geschnitten, die den Unebenheiten des Terrains entsprechend, bald flach, bald durch Reihen von Stufen unterbrochen, verlaufen, und eine Anzahl viereckiger Räume von verschiedener Grösse, in verschiedenen Niveaus umschliessen, in denen Ziersträucher und viele Gewürzbäume und Oranien mit Sorgfalt kultivirt werden.[98] Das schon 100 Jahr alte Mauerwerk ist an vielen Stellen zerfallen; dicht belaubte Feigenbäume haben sich darauf angesiedelt. So entstehen eine Menge allerliebster Plätzchen. Man kann sich kaum eine passendere Lokalität für eine Picknickpartie wünschen.
Nach einem herzlichen Abschied von dem Residenten, der mich mit Liebenswürdigkeit und Güte überhäufte, setzte ich Nachmittags meine Reise nach Surakarta, der Hauptstadt des Kaisers oder Susuhanan fort.
Bei Kalasan, der zweiten Poststation, steht unweit der Strasse zur Rechten ein schöner Tempel, Tjandi-kali-bening. Es ist der erste, und wohl auch der schönste einer grösseren Anzahl, die bis jenseits der nächsten Station Prambanan zu beiden Seiten der Strasse zerstreut oder in Gruppen beisammen liegen. Sein Grundriss ist ein aus fünf gleichen Quadraten bestehendes Kreuz mit je einem ein Viertel so grossen Quadrat in den vier Winkeln; er ist gegen 70' hoch, schlank, schön gegliedert durch Pfeiler, Gesimse, Thüren und Nischen, zwischen denen sich in harmonischer Anordnung breite Bänder von Arabesken hinziehen. Das obere Gesims wird von einer Reihe von Figuren in Hochrelief getragen. In einigen Nischen sitzen noch Götterbilder auf ihrem Lotussessel. Die der Strasse zugekehrte Seite ist sehr zerfallen, ihr gegenüber liegt die[S. 226] Hauptfront mit einer hohen Eingangspforte. Das sehr zerstörte Innere enthält einen grossen Raum, an welchen vier kleinere stossen. Sie sind, wie die Tempel von Mundut und Dïeng, durch treppenartig vorspringende Steine überdacht. Um die schöne Ruine war ein so dichter Pisanggarten angelegt, dass es unmöglich war, sie zu zeichnen. Hoffentlich wird man bald von allen den herrlichen Monumenten gelungene Photographien besitzen.
Etwa 2000 Schritt weiter auf der andern Seite der Strasse, liegt der Tempel Tjandi-sari, welcher mehr kubisch als der vorige, gegen 50' hoch, reich ornamentirt, mit Nischen und hohen Reliefs, an unsere schönsten Renaissancebauten erinnert. Weniger elegant in seiner ganzen Anlage, als Kali-bening, ist er noch reicher als jener mit Skulpturen bedeckt, die ebenso sinnig entworfen, als kunstvoll ausgeführt sind. Man wird in Europa erstaunen, wenn man von den Java'schen Kunstdenkmälern aus der Zeit des Brahmakultus genaue Photographien in genügendem Maasstab besitzen wird; da man sich bis jetzt nicht von der Vorstellung lossagen mag, dass die Kunstwerke in jenen Ländern wohl den Beweis einer sehr gewandten Technik und grossen Fleisses, aber nicht reicher künstlerischer Phantasie zu liefern vermögen.
Bei der nächsten Station liegen die Ruinen von zehn oder zwölf Tempeln, Tjandi-prambanan oder Tjandi-loro-djongrang. Es sind nur noch hohe Trümmerhaufen quadratischer Prismen aus grauer Lava; bei manchen ist kaum noch die ursprüngliche Form zu erkennen. Das Ganze bildet eine grosse Ruine, die man am besten von der Mitte übersieht. Von einigen Tempeln fielen bei ihrem Einsturz die Steine einander zu und bildeten so Verbindungsrücken, die zum Theil mit hohen Bäumen bewachsen sind. Der Maler sowohl als der Alterthumsforscher findet hier viel schönen Stoff. Ueberall ragt, wenn man etwas genauer zusieht, ein Stück Skulptur hervor, weit umher liegen die Quadern über die Ebene zerstreut; wahrscheinlich hat ein Ausbruch des nahen Merapi den Einsturz bewirkt. — Etwa einen Paal weiter liegt Tjandi-lombok, neun kleinere Tempel einfach von Form, wenig verziert, ziemlich wohl erhalten, und nordwestlich davon, in etwa gleicher Entfernung, und ebensoweit von Tj.-loro-djongrang als von Tj.-lombok, die Ruinen von Tj.-sewu, (die tausend Tempel), eine wahre Stadt von Ruinen. Von keinem Punkt kann man das Ganze auf einmal übersehen, die Skizze giebt nur den Anblick von einem willkürlich gewählten Punkt aus. Wie gern wäre ich hier länger geblieben! und welche reiche Erndte steht auf Java[S. 227] dem Alterthumsforscher und Kunstkenner bevor, der durch gründliche Studien vorbereitet, die in so grosser Fülle vorhandenen Herrlichkeiten zum Gegenstand seiner Forschungen machen kann.
Eine herrliche Tamarinden-Allee führt auf die Hauptstadt des Susuhanan, „das erhabene Surakarta”, oder Solo. Hier giebt es kein Gasthaus, eben so wenig wie in Jokjo; ich fand aber die zuvorkommendste Aufnahme bei einem schon viele Jahre hier ansässigen deutschen Arzt. Bei ihm traf ich Oberst v. S. und bedauerte sehr, mich mit der Reise so übereilt zu haben, da die Vorstellung bei dem „Kaiser” erst morgen stattfinden sollte. Der Kraton ist wie in Jokjokarta von einer Mauer umschlossen und enthält eine eben so zahlreiche Bevölkerung von Abhängigen des Susuhanan. Sie wohnen in langen Reihen ärmlicher Hütten; schmutzige Weiber und Kinder laufen in Menge umher. Im Vorhof des Palasts kauerten einige Gruppen seiner Leibwache, ihr Oberkörper war nackt bis an den Ledergürtel, der den künstlich gefalteten Sarong festhielt. Das wohlgekämmte Haar hing lose über den Nacken; statt des Kopftuchs trugen sie einen schmalen Kranz aus buntem Kattun, an welchem hinten zwei grosse Flügel befestigt waren, vielleicht um die Schnelligkeit der kaiserlichen Boten anzudeuten. Zerlumpte Soldaten präsentirten in theatralischer Stellung Fahnen, Piken und sehr kurze Gewehre. Vor dem Pendopo, der Empfangshalle, stand ein Musikcorps, das Fanfaren blies. Der Kaiser, ein noch gut aussehender Greis von 72 Jahren, fast in demselben Kostüm wie der Sultan von Jokjokarta, nur mit mehr Diamanten geschmückt, erhob sich aus seinem Lehnstuhl und ging dem Residenten bis an die Stufen der Halle entgegen. Um ihn kauerten Gruppen von alten Weibern, Zwergen, Verwachsenen, Albinos, alle mit nacktem Oberkörper, das ist Hoftracht. Je zwei oder drei hatten eine grosse messingene Speichelurne zwischen sich. Hinter dem Kaiser sass ein recht hübsches Mädchen, das eifrig mit ihrem Betel beschäftigt war, sie nahm ihn mehreremale aus dem Munde, ballte mit ihren zierlichen Händchen die Masse zu einer Kugel von der Grösse einer Pflaume zusammen, tupfte den am Umfang ihrer Lippen haftenden Speichel damit auf und schob alles anmuthig lächelnd in den Mund zurück.
Die Gewohnheit des Betelkauens ist bekanntlich über alle Malayenländer, Hinterindien, einen grossen Theil von Vorderindien und China verbreitet, färbt Lippen, Zahnfleisch, Speichel blutroth, die Zähne schwarz, was im Lande für schön gilt. Die Chinesinnen und Mestizinnen der Philippinen, die andere Begriffe von Schönheit haben, wissen aber ihre Zähne durch häufiges Putzen mit der faserigen Hülle der Betelnuss weiss zu erhalten. Der Betel besteht aus dem mit etwas[S. 228] kaustischem Kalk bestrichenen sehr aromatischen Blatt des Betelpfeffers (Piper Betel oder Chavica Betel), einer zu dem Zweck in grosser Menge gebauten Schlingpflanze, und einem Stück des gerbestoffreichen Kernes der Arecapalme; häufig wird auch noch Gambir und Tabak dazu genommen. Der Anblick ist anfänglich wegen des reichlichen Speiens sehr hässlich; hat man sich einmal daran gewöhnt, so möchte man wünschen, dass die Sitte auch in Europa bestände, da Betelkauer nie schlecht riechenden Athem haben, während das Uebel bei uns namentlich unter älteren Leuten so häufig ist. Das Betelkauen wird wohl noch leidenschaftlicher getrieben als Tabakrauchen; seine spezifische Wirkung auf den Organismus scheint bis jetzt völlig unbekannt zu sein. Sir Emerson Tennent's Angabe (Ceylon I. pg. 112), dass keine ärztliche Verordnung besser als der Betel im Stande wäre die fast stickstofflose Nahrung der Eingebornen heilsam zu ergänzen, da er zugleich antacid, tonisch und karminativ wirken soll, entbehrt nach dem Urtheil mir befreundeter Physiologen jeder Begründung; der Betelgenuss muss aber entweder eine nützliche oder eine angenehme Wirkung auf den Organismus haben, sonst könnte unmöglich der Gebrauch so allgemein sein.[99]
Nach einem kurzem Besuch verliessen wir den Kraton mit denselben Zeremonien, wie bei der Ankunft und besuchten den unabhängigen Fürsten Mangko-negoro, einen hübschen Mann in rüstigem Alter. Das Zeremoniell war hier viel einfacher als bei dem Kaiser, als Ordonnanz hatte er ein einziges, aber schönes junges Mädchen. Ich durchsuchte mit meinem gefälligen Gastfreund fast alle Leihhäuser der Stadt in der Hoffnung unter den verfallenen Pfändern einige schöne Waffen und andere Kuriositäten kaufen zu können, fand aber nur wenig; noch unbefriedigter war ich von den Kaufläden (tokos); es war fast nichts zu haben, und das Wenige schlecht und theuer. Ein Bogen geringen Zeichenpapiers, der in Deutschland einen Silbergroschen kostet, gilt im Innern von Java einen Gulden, ein Bleistift schlechtester Qualität, — gute sind nicht zu haben, — einen Gulden, ein Bogen Packpapier grosses Format, 1/2 Gulden und so im Verhältniss. Hier lernte ich einen prächtigen alten[S. 229] Oberst kennen, „der alte Blücher” genannt, der, die Kriegsjahre doppelt gerechnet, 92 Jahre und fast in allen Welttheilen gedient hatte. Er wollte mir einen sehr werthvollen Kris für unser Museum schenken, da der Werth aber nur in der Zauberkraft liegt, die ihm der inländische Aberglaube beilegt, — wer ihn trägt, soll unverwundbar sein — und sich für den alten Herrn, der die ganze Geschichte des Zauberkris' auswendig weiss, ruhmvolle Kriegserinnerungen an den Besitz desselben knüpfen, so wäre es sehr unrecht gewesen, zu Gunsten der ungläubigen Berliner die scheinlose Waffe von ihm anzunehmen.
Wir besuchten noch einen javanischen Prinzen, den Pangeran Mangko-bumi, einen sehr lebhaften, thätigen alten Herrn, der in seinem Kraton alle möglichen Gegenstände fabrizirt, Flinten, Büchsen, Geschirre, selbst vollständige Gallawagen. Seine verstorbene Frau, eine Tochter oder Schwester des vorigen Kaisers, liebte ihn so sehr und besass so viel Selbstverläugnung, dass sie immer die schönsten jungen Mädchen ins Haus nahm, um sie für ihn zu erziehen, ein Gebrauch der nach ihrem Tode fortgesetzt wurde, so dass der alte Herr immer von einer Anzahl blühend junger Frauen umgeben ist. Er war sehr liebenswürdig und lud mich ein, einer Tanzstunde beizuwohnen, die er einer ausgewählten Zahl seiner weiblichen Familienglieder ertheilte. Sechs Paare junger Mädchen, darunter die schöne Prinzess Trinel (Bachstelze), sassen hintereinander mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden. Nach einigen Gamelangklängen erhoben sie sich langsam zu einem Tanz, der sehr anmuthig und schwungvoller als der der Bedajas war, und sowohl durch seine Wendungen, als durch das Kostüm: dünne, enganliegende Kleider, entblösste Schultern, flatternde Schärpen und nackte Füsse, an die Tänzerinnen auf antiken Wandgemälden erinnerte.
Vor Sonnenuntergang hatte ich noch das Vergnügen den Kaiser mit seinem ganzen Hofstaat eine Spazierfahrt machen zu sehen. Es war ein hübscher, etwas wilder, höchst pittoresker Zug: voran der Kaiser mit einigen kleinen Kindern in einem grossen offenen Wagen, dem eine lange Reihe anderer von allerlei verschollenen europäischen Moden folgte; in den vordersten sassen Frauen und einige sehr schöne Kinder, die folgenden enthielten die männlichen Hofbeamten und Verwandten des Kaisers. Jeden Wagen umgab ein bunter Trupp Reiter mit blossen Beinen, flatternden Sarongs, und enganliegenden Jacken. Der Zug bewegte sich in schnellem Trab.
Surakarta ist der Hauptsitz einer eigenthümlichen Kunst farbige Muster auf Kattun zu übertragen (Batek). Die Stellen des Zeuges, die beim Eintauchen in die Farbe weiss bleiben sollen, werden auf beiden[S. 230] Seiten durch einen Wachsüberzug geschützt. Zu dem Ende füllt die Zeichnerin über Kohlenfeuer flüssig gehaltenes Wachs in ein kleines Gefäss aus dünnstem Kupferblech und folgt mit der Spitze der wie ein Giftzahn geformten feinen Ausflussröhre den Umrissen eines unter dem durchscheinenden Zeuge liegenden Musters; vermittelst eines ähnlichen Instruments mit weiterer Oeffnung werden die Zwischenräume ausgefüllt, dieselbe Arbeit wird auf der andern Seite des Zeuges wiederholt, so dass sich die Figuren genau decken. Ist das Zeug durch Eintauchen gefärbt, so wird das Wachs ausgesotten. Soll noch eine Farbe aufgetragen werden, so wird das ganze umständliche Verfahren wiederholt. Nach Eintauchung in die zweite Farbe und Entfernung des Wachses erhält man ausser weiss, drei Farben: zwei reine, und eine aus diesen gemischte. Das Auftragen mancher Muster auf einen Sarong, der kaum die Grösse eines schottischen Plaids übersteigt, erfordert 40 bis 50 Tage anhaltender Arbeit. Das Batekmachen wird zwar auch von Lohnarbeiterinnen (monatl. für 2 fl. und Reis) ausgeübt, die geschicktesten Zeichnerinnen sind aber vornehme Frauen und diese Kunst bildet einen Theil ihrer Erziehung. Jedes Muster hat seinen besonderen Namen, manches darf nur in gewissen vornehmen Familien getragen werden und inländische Uebertreter verfallen, wenigstens in den Fürstenländern, einer Strafe; Männer und Frauen haben ihre besonderen Bateks. Das Muster, welches den Umschlag dieses Buches bildet, Batek-udan-iris, das zweitvornehmste in der Familie des Susuhanan, ist von einer Tochter des Prinzen Mangko-bumi gezeichnet, die für eine der geschicktesten Künstlerinnen gilt.
Von Solo (Surakarta) aus besuchte ich den in gerader Richtung etwa 25 Paal östlich von hier gelegenen Gunong-lawu, der auf dem Gebiete des Pangeran Mangko-negoro liegt. Mit javanischer Zuvorkommenheit hatte mir dieser zu meiner Reise seinen Postzug und die Begleitung seines eigenen Schwagers zur Verfügung gestellt. Wir überschritten den Solofluss auf einer Fähre und setzten die Fahrt auf guter ebener Strasse bis Karang-pandan fort. Nachdem die jungen muthwilligen Pferde allerlei kleineren Unfug getrieben, machte das Vorderste, auf welchem ein Postillon ritt, kehrt, die anderen folgten der Anregung, der ganze Zug wickelte sich zu einem Knäuel zusammen, das nur sehr schwer und nicht ohne Schaden für das Geschirr zu entwirren war.[100] In Karang pandan[S. 231] besass der Fürst ein geräumiges Landhaus auf dem Gipfel eines Hügels, mit herrlicher Aussicht auf die reich bebaute Ebene, und die immer malerischen Sawaterrassen; im Osten begrenzte das Bild der Gunong-lawu, im Westen der Merbabu und Merapi.
Mein Begleiter wünschte sehr, hier Halt zu machen, um von der bereits gehabten Strapaze auszuruhen. Seine Ueberredungskünste bestanden weniger in Worten als in Thaten und waren eines malayischen Kavaliers würdig: nach einem verschwenderischen Frühstück, bei dem sich die malayische Kochkunst in vollem Glanze gezeigt, erschienen, als ich mich eben auf mein Zimmer zurückgezogen hatte, zwei junge Mädchen auf Befehl ihres Herrn, um mich durch ihre Künste zum Bleiben zu bewegen; aber das drähtige Haar und das übersanfte Lächeln des durch Feilen fast zahnlosen Mundes vernichtete die Wirkung der einladenden Worte. Ich ritt nach Pablingan, wo mehrere warme und kalte Mineralquellen hervorbrechen, darunter ein angenehmer Sauerbrunnen, Ayer-wolanda, holländisches Wasser genannt, weil das über Holland eingeführte Selterwasser in Java unter diesem Namen bekannt ist. Als ich nach Karang-pandan zurückkam, hatte sich mein vornehmer Begleiter hinreichend erholt, um nach dem am Fuss des Lawu gelegenen Suku zu reiten, das wir gegen Sonnenuntergang erreichten. Der Pasanggrahan stand mitten unter den interessanten von Raffles abgebildeten und beschriebenen Tempelresten.
Am folgenden Morgen brachen wir auf, nachdem jeder vergeblich alle Ueberredungskunst aufgeboten hatte, um den andern von der Besteigung des Berges abzuhalten. Bis Tumba, einem kaum 2000 Schritt entfernten Dorf, konnte man reiten und der arme „Raden Rio” verschmähte selbst diese kleine Erleichterung nicht. Von dort aber ging es nur zu Fuss weiter. Kaum waren wir einige hundert Schritt gestiegen, als sich mein Begleiter, anscheinend ganz erschöpft, zu Boden warf, um etwas auszuruhen; ich verabschiedete mich daher von ihm bis zum folgenden Tage. Wir waren mit zahlreichem Gefolge aufgebrochen, nach einigen Stunden Steigens waren nur noch mein Diener und zwei Kulis bei mir, mit denen ich bald nach ein Uhr den Gipfel erreichte. An einer geschützten Stelle waren drei Hütten aus Grasmatten, eine für den Raden, eine für mich, eine für die Häuptlinge aufgeschlagen. Als eben die Dunkelheit einbrach, kam zu meiner grössten Ueberraschung Raden Rio an, ausser sich vor Ermüdung und rief mir zu: Um Gottes Willen, Herr, was suchen Sie hier oben! liess sich in eine wollene Decke wickeln und warf sich auf sein Lager. Der arme Teufel that[S. 232] mir sehr leid; es war mir gar nicht eingefallen, dass er den Berg besteigen würde, da ich seine am frühen Morgen zur Schau gestellte Ermüdung für eine List gehalten hatte, um unter einem anständigen Vorwand zurückbleiben zu können; aber der Gehorsam gegen Befehle von Höherstehenden ist in Java so absolut, dass er nicht gewagt hatte, unten zu bleiben, obgleich es sein eigener Schwager war, der ihm den Auftrag ertheilt hatte, mich zu begleiten. Er brachte einen Tross von 70 bis 80 Mann mit, von denen ein Theil Gepäck und Proviant trugen, während die anderen beschäftigt gewesen waren, ihren Herrn mit Tragesesseln, Stricken, Hebebäumen auf den Gipfel zu schaffen. Sein vortrefflicher Koch war auch mitgekommen und bald stand ein schmackhaftes malayisches Diner auf einer Matte ausgebreitet.
Von einem so absoluten Gehorsam gegen Befehle Höherer, wie er in Java besteht, hat man in Europa gar keinen Begriff. Raffles sagt an einer Stelle (History of Java): Ebenso wie in einem ungebildeten Volk wenig Theilung der Arbeit besteht, so auch keine Theilung der Macht im Despotismus; der Despot ist Besitzer, alles andere ist Besitz, dieselbe Vereinigung richterlicher, finanzieller, und exekutiver Gewalt, die im Souverän ruht, geht an die Guvernöre der Provinzen, und von diesen stufenweise auf die unteren Beamten über, so dass jeder Häuptling, welches auch sein Rang sei, fast unumschränkte Gewalt hat über die welche unter ihm stehen.
Den künstlich geebneten höchsten Punkt des Berges (10066'), den man auf rohen Stufen ersteigt, fand Junghuhn (1838) von einer viereckigen 3' hohen Mauer umgeben und innerhalb derselben ein hölzernes Haus, das wohlriechende Blumen und angebrannte Kohlen enthielt. Von dem Häuschen stand nur noch das Gerüst aufrecht, die Umfangsmauern waren unversehrt, einige hundert Fuss weiter unten, in der Höhe unseres Lagerplatzes, stand aber jetzt ein wohl erhaltenes Haus, das gleichfalls mit Blumen geschmückt und von einer Umfangsmauer umgeben war.
Der Morgen war wieder ganz trübe, wir kehrten nach Suku zurück, wo Raden Rio erst gegen Abend ankam, und ritten sogleich nach Karang-pandan, um am andern Morgen mit Tagesanbruch nach Solo zurückkehren zu können. Auf der reichen Kulturlandschaft erhoben sich viele steinerne geräumige Häuser, Etablissements grosser Landpächter, die auf ihren Feldern Produkte für den europäischen Markt, besonders Zucker und Indigo bauen.
Am 20. Oktober wurde in Solo das javanische Neujahrsfest Grebek[S. 233] gefeiert. Schon früh Morgens waren alle Strassen, die zur Hauptstadt führten, mit Zügen inländischer Häuptlinge bedeckt, die sich in ihrem besten Schmuck, von zahlreichen Dienern begleitet, zum Fest begaben. Um 10 Uhr versammelten sich alle Europäer in der grossen Halle des Residenzgebäudes. Gegen 11 Uhr erschienen zwei Abgesandte des Kaisers, um den Residenten nach Hofetikette, mit kaum hörbarer Stimme zum Besuch im Kraton einzuladen. Eine halbe Stunde später fuhr der Resident, gefolgt von den Europäern und mehreren Pangerans in europäischer Uniform, nach dem Kraton. Auf dem Alun-alun war ein grosser Menschenhaufen versammelt. Durch eine Menge kleiner inländischer Beamten und die kaiserlichen Leibwachen hindurch gelangten wir an die grosse Empfangshalle: der Kaiser ging dem Residenten bis an die Stufen entgegen; und sobald sich beide niedergesetzt, nahmen die Europäer und Pangerans auf Stühlen zur Seite Platz. Dies war die Anordnung:
R | S | |||||||
9 | 1 | 10 | ||||||
2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 |
R Resident, S Susuhanan (Kaiser), 1 Speicheldosenträgerin (eine Alte), 2–8 sieben junge Mädchen mit nackten Schultern, ein goldenes Band um den Hals, Blumen und eine Feder im Haar, die Reichsinsignien haltend und zwar: 2 das Schwert, 3 die Pfeile, 4 den Bogen, 5 den Sonnenschirm, 6 den Schild, 7 den Säbel, 8 den Fächer. — 9 und 10 Zwerge, alte Weiber, Verwachsene, Albinos. Nach kurzem Verweilen begaben sich Kaiser und Resident, unter einem vergoldeten Sonnenschirm einherschreitend, von den Gästen gefolgt, nach der grossen Halle des Vorhofs, in welcher bereits die übrigen kaiserlichen Gäste versammelt waren. Jetzt war, nachdem alle Platz genommen, die Gruppirung folgende:
S R | ||||
┏━┓ | ┏┓ | ┏━┓ | ┏┓ | ┏━┓ |
B | E | V | E | B |
S Susuhanan, R Resident, V Verwandte und vornehmste Beamte in Reihen geordnet, B Beamte und Häuptlinge, alle nach ihrem Range in Reihen geordnet, E Europäer auf Stühlen. Alle Inländer mit alleiniger Ausnahme des Kaisers und der Pangerans kauerten am Boden. Der Kaiser trug eine cylindrische Mütze aus weissem Glanzleinen, im Uebrigen das schon beschriebene Kostüm. Auch die vornehmen Beamten (V) hatten cylindrische Mützen und Jacken, meist von dunkler Farbe. In den Reihen B waren alle bis zum Gürtel nackt; das Haar war nicht zusammengebunden, sondern einmal gedreht über den Kopf gelegt und mit einem Kamme befestigt. Rings um die offene Halle standen die kaiserlichen Leibwachen in bunten Kostümen und theatralischer[S. 234] Haltung, die gut zum Ganzen passte. Zwei vornehme Boten drängten sich kriechend in der Mittellinie durch die hohen Würdenträger (V), machten in grosser Entfernung vor dem regungslos sitzenden Kaiser Halt, und berichteten, als sie nach langer Pause einen Wink empfangen, dass die dem Volk bestimmten Geschenke bereitständen; dies geschah aber mit so leiser Stimme, dass der Schall wohl kaum bis zum Kaiser dringen konnte. Nach abermaligem langem ehrerbietigem Harren, erhielten sie einen zweiten Wink, und zogen sich rückwärts kriechend zurück. Nun wurden die kaiserlichen Geschenke, denen ein Musikcorps voranging, vorübergetragen; sie bestanden aus allerlei Esswaren und Näschereien auf kolossalen verzierten Körben, jeder von 12 Kulis getragen: bald hörte man aus dem Jauchzen des Volks auf dem Alun-alun, dass es sich in Besitz gesetzt hatte. Inzwischen waren an die Gäste Verzeichnisse der zu trinkenden Toaste vertheilt worden: 1. das neue Jahr, 2. der General Guvernör, 3. der Kaiser, 4. der Resident, 5. der Pangeran Adipati-anom (Kronprinz), 6. die kaiserliche Familie, 7. die Blüthe und Wohlfahrt der Insel Java. Zu jedem Toast erhielt man ein kleines Glas Madeira oder wenn man es vorzog, Thee von gleicher Farbe, eine anzuerkennende Vergünstigung, da das Glas jedesmal ausgeleert werden muss. Die Leibwache war in Schlachtordnung aufmarschirt und begleitete jeden Toast mit einer Gewehrsalve. Schliesslich geleiteten die Europäer den Kaiser in den inneren Kraton zurück, und gingen nach Hause. Das Schauspiel war nicht ohne Interesse und erinnerte unwillkürlich an die grossen Kirchenfeste in Rom, sowohl durch die aus einer vergangenen Zeit geretteten malerischen aber fadenscheinigen Kostüme, als durch die fast zur Anbetung gesteigerten Formeln der Ehrerbietung gegen zwei dem Grabe nahen Greise, die bezeichnend die Hauptrollen spielten; hier wie in Sankt Peter hatten die ungläubigen Fremden, für welche das Ganze nur ein buntes Schauspiel ist, die Ehrenplätze, während das gläubige Volk draussen steht.
Festung Ambarawa. — Samarang. Schule. Waisenhaus. — Surabaya. Maschinenfabrik. — Tempel um Malang. — Ardjuno. Legende. — Semeru. — Lamongan. Gewitter. — Rückkehr nach Batavia.
Von Solo reiste ich über Bojolali und Salatiga, wo ein Regiment Kavallerie liegt, nach Ambarawa, traf daselbst wieder den Oberst, den seine Dienstgeschäfte dort einige Tage aufhielten, und hatte dadurch[S. 235] Gelegenheit die bedeutende, erst vor wenigen Jahren begonnene, aber beinahe vollendete Festung zu sehen. Sie soll sehr zweckmässig angelegt sein; jedenfalls liegt sie sehr schön. Wir gingen bis zur Dunkelheit auf den langen Reihen flacher Dächer spazieren und erfreuten uns an der herrlichen Aussicht auf die den weiten Thalkessel rings umschliessenden Berge. Der Merapi, Merbabu, Lawu, Sumbing, Sindoro, traten in der durchsichtigen feuchten Abendluft so klar hervor, dass man alle Schluchten dieser schönen Kegelberge deutlich erkennen konnte. Der Ungaru liegt in unmittelbarer Nähe und begrenzt den Kessel von Ambarawa im Norden durch seine flachen Vorberge. Auf diesen sieht man eine Menge weiss getünchter Stein-Häuser durch die Bäume schimmern, ein im Innern Javas seltener Anblick. Gegen Osten lehnt sich die Festung an die Rawa, einen grossen Sumpf, dem sie ihre Stärke verdankt. Die Festungsgräben sind an der inneren Seite mit dornigen Bambusen bepflanzt, die eine undurchdringliche Hecke bilden. Ambarawa soll der Hauptwaffenplatz für Niederländisch-Ostindien werden. Es laufen von hier drei Hauptstrassen auseinander; die eine nördlich nach dem grossen Handelsplatz Samarang, eine SW. über Kadu nach den westlichen, die dritte SO. über Surakarta nach den östlichen Provinzen. Die früheren Bewohner des Thales sind auf loyale Weise expropriirt worden, und haben ihre Desas auf den umliegenden Hügeln erbaut. Rings um Ambarawa sieht man nichts als Soldaten und Leute, die von ihnen leben. Zu den Erdarbeiten, die der Festungsbau nöthig machte, ist das bereits früher erwähnte Schwemmverfahren in sehr ausgedehntem Maasse angewendet worden (pg. 146). Die Javanen sind Meister im Wasserbau. Auch wissen sie nach blossem Augenmaas geringe Niveauunterschiede zwischen entfernten Punkten richtig aufzufassen, die ein Europäer nur mit Hülfe von Instrumenten zu ermitteln vermag.
Am folgenden Morgen besichtigten wir die noch unvollendeten Gebäude zu einem „Militärkampement” von 12000 Mann. Die Kasernen einiger Regimenter waren bereits fertig und bewohnt. Sie sind sehr geräumig, reinlich, luftig. An beiden Seiten laufen der ganzen Länge nach breite Veranden hin. In den Schlafsälen fielen mir die fast quadratischen Betten auf; der Soldat schläft hier nicht allein, jeder hat eine Soldatin; ich sah diesen interessanten Truppentheil aber nur aus der Ferne, da sie um 7 Uhr früh, wo die Offiziere Musterung halten, die Schlafsäle verlassen haben müssen; sie ziehen sich dann in ein abgesondertes Kampong zurück. Die Inländerinnen, die mit den Soldaten wie treue Ehefrauen leben, werden von den Offizieren nicht als ein störendes Element, sondern als[S. 236] ein nützliches Komplement betrachtet. Auf dem Marsch sollen sie wichtige Dienste leisten, ohne besondere Mühe oder Kosten zu verursachen, da sie von der reichlichen Ration des Soldaten leben. Sie putzen diesem, wenn er vom Marsch ermüdet im Bivuak ankommt, Waffen und Zeug, besorgen seine Wäsche, kochen das Essen und erhalten ihn bei guter Laune, da sie selbst immer unverdrossen sind. Der afrikanische Reisende Galton macht in seinem „Art of travel” die Reisenden ebenfalls auf den grossen Nutzen aufmerksam, den eine Expedition aus der Begleitung inländischer Weiber zieht, und giebt dieselben Gründe an.
Trotz der Rawa und der vielen Gräben soll die Lage von Ambarawa nicht ungesund sein; wahrscheinlich wegen der starken Ventilation, die sich in einzelnen Fällen aber bis zu gefährlichen Wirbelwinden steigert. „Da wo in niedrigen Zwischenräumen zwischen hohen Bergen z. B. auf dem Gunung Djambu, über welchen der Weg von Ambarawa nach Kadu führt, die beiden entgegengesetzten Luftströme (Land- und Seewind), die von N. und S. kommen, einander in der Mitte der Insel begegnen, da entstehen zuweilen, aber selten Wirbelwinde, höchst gefährliche Stürme, wodurch Bäume und Häuser vom Boden gehoben, eine Zeitlang in der Luft herumbewegt und auf weite Abstände mit fortgerissen werden.” (Jungh. I. 164.) Der Oberst erzählte mir von einem solchen Sturm, den er hier erlebt hatte. Sein Haus wurde völlig zertrümmert, Cocospalmen unter der Blätterkrone abgedreht, Bäume entwurzelt und nebst Steinen durch die Luft geführt. Gerade als dieser Sturm ausbrach, lagen sämmtliche eben erst vollendete Pläne zur Festung, behufs einer nochmaligen Durchsicht auf einem grossen Tische nebeneinander ausgebreitet; der Wind ergriff sie und vernichtete fast alle, so dass die Arbeit noch einmal begonnen werden musste.
Schon lange bevor man Samarang erblickt, verkündet der immer lebhafter werdende Verkehr die Nähe der grossen Handelsstadt. Beladene Büffelkarren, Lastträger und Saumthiere beleben die Strasse; die Warongs werden immer zahlreicher. Plötzlich sieht man von einer Anhöhe hinter einer wohlbebauten Ebene die grosse Stadt mit dichtgedrängten Häusern, und im Hintergrunde das Meer und die belebte Rhede. Ein dunkelgrüner Saum von Cocospalmen zieht sich am Gestade hin und lässt nur stellenweise einen weissen Sandstreifen dahinter erkennen. Im Vordergrund liegen mehrere mit Waringis bestandene Hügel, die sich reiche Chinesen mit vielem Geschmack, und wahrscheinlich auch mit vielem Geld zu Begräbnissplätzen erkoren haben. Die Aussicht verschwindet bald wieder; aber der Verkehr wird immer reger. In einer[S. 237] prächtigen Tamarinden-Allee legt man die letzte Station zurück.[101] Beim Schlendern durch die Stadt fielen mir Gruppen von Frauenzimmern auf, die inmitten der belebten Strassen niedergekauert, im Kartenspiel vertieft waren.
Am folgenden Morgen hatte der Resident die Güte mich an der Besichtigung mehrerer öffentlichen Anstalten Theil nehmen zu lassen. Wir sahen zuerst das Hospital der Gefangenen, es stand fast leer. Darauf besuchten wir einige Schulen, in denen Kinder von Europäern und diesen gleichgestellte Mischlinge Elementarunterricht empfingen. Sie wurden in meiner Gegenwart im Rechnen und in der Geographie examinirt — man hatte uns die Wahl der Unterrichtsgegenstände überlassen — es ging recht gut. Ueberraschend waren die Leistungen einiger Schüler in der Geographie. Ein 16 jähriger Knabe zeichnete in einem Zug ein gutes Bild von Asien auf die Tafel und fügte beiläufig Europa hinzu. Auf Verlangen trug ein anderer den Lauf der Hauptströme ein und gab die Lage der grössten Städte richtig an. Ein Dritter zeichnete die Grenzen der grossen Reiche. Hierauf besichtigten wir das protestantische Waisenhaus, das 64 Knaben, 128 Mädchen enthielt. Jene bleiben bis zum 18., diese bis zum 23. Jahr in der Anstalt, wenn sie nicht früher versorgt werden. Viele Knaben gehen in die Militärschule von Gombong über (vgl. S. 205), andere werden bei Privatleuten und als Subalternbeamte untergebracht. Nur wenige Kinder sind von europäischer Abkunft; die meisten sind Mischlinge, besonders Soldatenkinder, und nicht Waisen im eigentlichen Sinne. Die Verwaltung der Anstalt scheint musterhaft. Ueberall herrschte untadelhafte Ordnung und Reinlichkeit, ausser in den Kammern der ganz neu eingetretenen, die gewöhnlich so jung sind, dass sie noch der inländischen Mutter bedürfen. Man sollte kaum glauben, dass die netten jungen Mädchen, die in der grossen kühlen Veranda weibliche Handarbeiten machten, aus so schmutzigen kleinen Wilden hervorgegangen waren. Die Mädchen verlassen die Anstalt häufig als Bräute; denn sie stehen in solchem Ruf der Sittlichkeit und Wirthschaftlichkeit, dass namentlich Unteroffiziere und Subalternbeamte[S. 238] sich gern aus ihnen eine Ehefrau wählen. So gross ist das Zutrauen zum Vorstand, dass mancher Bräutigam, der es eilig hat, oder die Reise nach Samarang nicht machen kann, sich wegen der Wahl einer seinen Bedürfnissen und Neigungen entsprechenden Frau vertrauensvoll an diesen wendet, und in fast allen Fällen soll das Ergebniss das Zutrauen des Heirathskandidaten gerechtfertigt haben. Auch jetzt waren zwei Bräute in der Anstalt, die uns ihre kleine durch Fleiss und Sparsamkeit erworbene Ausstattung zeigten. Den Knaben sowohl als den Mädchen werden, sobald sie arbeiten können, ihre Leistungen bezahlt. Die Knaben arbeiten in Werkstätten ausser dem Hause, die Mädchen machen Handarbeiten. Das erworbene Geld wird den Zöglingen aufbewahrt, bis sie die Anstalt verlassen. Jede der beiden Bräute hatte auf diese Weise ein Kapitälchen von 150 Gulden erspart. Die meisten Mädchen waren nicht hübsch von Gesicht, die malayische Rasse scheint sich schlecht mit der Europäischen zu vermischen (bessere Resultate giebt die Mischung von Chinesen und Malayen). Wir besahen die Schlafsäle, die sehr luftig und reinlich sind; jedes Mädchen hat eine eiserne Bettstelle und darüber an der Wand ein Schränkchen, deren einige geöffnet wurden; sie enthielten wohl geordnete, blendend weisse Wäsche, und allerlei kleine Habseligkeiten. Zum Schluss erfreute uns die gesammte männliche und weibliche Jugend mit einem grossen Vokal-Konzert, ich fand es sehr hübsch, aber Oberst von S., der sich darauf zu verstehen scheint, sagte mir später, es hätte ihm fast die Ohren zerrissen.
Das katholische Waisenhaus, das wir darauf besuchten, war im Vergleich zu jenem schlecht gehalten, die Anzahl der Zöglinge etwa ebenso gross. Nachmittags durchstreifte ich die Stadt mit einem gefälligen Landsmann, der mir aber wenig Auskunft geben konnte. Eine der Sehenswürdigkeiten Samarangs, Haus und Garten des „Major” der Chinesen entging uns, da der Hausherr, der als Opiumpächter ein Vermögen von 5 Millionen Gulden erworben hatte, nicht anwesend war. Wir begegneten einem Brautzug von Arabern. Ueber dem mit Blumenschnüren behangenen Bräutigam wurde ein grosser Sonnenschirm getragen. Alle waren reich in Seidengewänder gekleidet, den Zug schloss eine Musikbande. — In Samarang druckt man Batekmuster vermittelst kupferner Formen auf die Zeuge, das übrige Verfahren gleicht dem (S. 229) beschriebenen. Auch werden hier golddurchwirkte seidene Sarongs gewebt, die hoch im Preise stehen.
Von Samarang fuhr ich in einem alten schlecht gehaltenen Dampfboot,[S. 239] „Koningin der Nederlande” nach Surabaya. Die langsame Fahrt dauert 24 bis 28 Stunden und kostet 100 Gulden. Auf dem Vorderdecke sah es ziemlich bunt aus; es enthielt Malayen, Klings, Araber und Mischlinge. Angetrunkene Soldaten sangen Abends ein wildes lautes Lied; dicht neben, fast zwischen ihnen, verrichteten zwei Araber ihre Andacht mit vielen Prosternationen so ungestört als wären sie allein. Das Boot war so voll, dass keine Kabine mehr zu haben war. Die beiden einzigen Sophas, die auf dem Verdeck standen, wurden mir wiederholt von den glücklichen Besitzern dringend und anscheinend aufrichtig angeboten; soweit geht hier die Höflichkeit gegen Fremde.
Surabaya. — In einem Sampan fuhr ich den langen Kalimas hinauf, an vielen malerischen sonderbaren Küstenfahrern vorbei. Am rechten Ufer liegt eine Reihe von Offizierswohnungen, dann folgte ein Kampong, in dem viele auffallend geschminkte Mädchen am Ufer spazieren gingen oder badeten. Am folgenden Morgen besichtigte ich eine Fabrik, die namentlich Maschinen für Zuckerfabriken liefert. Der Besitzer, ein geborner Aachener, beschäftigt nur inländische Arbeiter, ist sehr mit ihnen zufrieden, und mag von Europäern nichts wissen, obwohl er zugiebt, dass ein solcher in Europa unter Umständen viermal so viel zu leisten vermag als ein Javane. In Java aber wollen alle Europäer die grossen Herren spielen und sind daher nicht gut zu brauchen. Herr B. beschäftigt gegen 500 Arbeiter und hat sie alle selbst aus gewöhnlichen Kulis herangebildet. In vier Jahren wird aus einem solchen ein guter Former, oder Schmied; in sechs Jahren ein Modellmacher. Die Löhne betragen für Knaben 30 bis 40 Cents, Erwachsene verdienen 40 bis 120 c. (120 c = 1 fl. holl.), die Mandore (Aufseher) erhalten 240 c. per Tag. Die Arbeitszeit dauert von 6 bis 12 Uhr und von 1/21 bis 1/25. Fast jeden Morgen fehlen einige Arbeiter bei dem Appell. Sie werden dann aus ihrer Wohnung geholt und kommen auch ohne Widerrede; holt man sie aber nicht, so bleiben sie ruhig zu Hause liegen. Strafe erhalten sie für diese kleinen Anwandlungen von Arbeitsscheu niemals. Alle Arbeiter empfangen Vorschüsse, sonst würden Unregelmässigkeiten im Dienst wohl viel häufiger sein. Kleine Diebstähle von Nägeln, Schrauben u. s. w. kommen zuweilen vor. Wird ein Dieb ertappt, so erhält er eine Ehrenstrafe; mit einer Art von Halsband, an dem die gestohlenen Sachen hängen, und einem Zettel am Kopf, welcher seinen Namen und sein Vergehen anzeigt, wird der Dieb an die Thür den Vorübergehenden zur Schau gestellt. Diese Strafe soll ausserordentlich wirksam sein, wie bei dem starken Ehrgefühl der Javanen nicht anders[S. 240] zu erwarten ist. — Von hier besuchten wir ein Hospital, das keinen günstigen Eindruck machte; es fehlte an Raum, Ventilation und Kühlung. Dysenterie, Fieber, Typhus sind die Hauptkrankheiten.
Da wegen der vorgerückten Jahreszeit keine Zeit zu verlieren war, so fuhr ich am folgenden Tage im Omnibus nach Pasuruan durch das Deltaland des Kali-Brantes, welcher sich bei Modjo-kerto in zwei Arme theilt, deren einer unter dem Namen Kalimas bei Surabaya mündet, während der andere, wasserreichere, in östlicher Richtung weiterfliesst. Zwischen diesen beiden Armen und der Küste, die von Surabaya bis zur Mündung des Brantes fast genau dem Meridian folgt, liegt ein durch viele natürliche und künstliche Kanäle reich bewässertes, sehr fruchtbares Schwemmland, ein fast gleichseitiges Dreieck von etwa 6 Meilen Seite. Die Chaussee läuft der Küste ungefähr parallel und ist die schönste von allen, die ich bisher hier oder in Europa gesehen, breit, fest, eben, gut unterhalten, von hohen, alten Tamarinden beschattet. Unter diesen liegen zahlreiche Wachthäuser von Stein, zu beiden Seiten der Strasse Reis-, Indigo-, Zuckerfelder. Ausgedehnte Fabriken mit Dampfschornsteinen deuten auf die grosse Entwickelung der Zuckerindustrie, die hier ihren Hauptsitz hat und Fleiss und Wohlstand unter der Bevölkerung verbreitet.
Nach kurzem Aufenthalt in Pasuruan ritt ich südlich nach Malang, in einem sanften Bogen zwischen den im Westen gelegenen Vulkanen Ardjuno und Kawi und den im Osten liegenden Tengger und Semeru, jener durch die ungewöhnliche Grösse seines Kraters (der Sandsee), dieser als der höchste Berg Javas (11,480') ausgezeichnet.
In Malang waren Resident und Regent wegen einer Inspektionsreise abwesend; ich traf aber einen ebenso herzlichen als wissenschaftlich gebildeten deutschen Arzt, der hier ein grosses Hospital gegründet, das, ähnlich wie Gadok im westlichen Java, ein Sanatarium für die Bewohner des östlichen werden soll. Ausser der gesunden, kühlen Lage machen herrliche Umgebungen, vortreffliche Strassen und viele in der Nachbarschaft vorhandene Kunstdenkmäler den Aufenthalt zu einem der angenehmsten in Java.
Da die Reise, die ich nach dem Semeru vorhatte, vor Rückkehr des Regenten nicht unternommen werden konnte, gab mir Dr. G. seinen Verbandmeister, einen ehemaligen Barbier aus Leipzig mit, der mich nach den schönen Tempelruinen von Tumbang und Pakis begleitete. Am nächsten Tage ritt ich nach Singosari, wo einige malerische Tempelruinen und auf einem Rasenplatz aufgestellte Skulpturen, die ihre Erhaltung[S. 241] ihrer Schwere verdanken,[102] an die Hauptstadt eines ehemals mächtigen Reiches erinnern. Singosari soll schon im 3ten Jahrhundert erwähnt, im 13ten seine höchste Blüthe erreicht, die erste Gründung der Tempel im Jahre 656 stattgefunden haben. (Hagemann Schetsen omtrent Malang). Am folgenden Morgen stieg ich auf den Ardjuno, gegen 1 Uhr erreichten wir die südöstliche Kuppe, die nach Junghuhn Widodaren, nach Versicherung des Regenten von Malang aber Indrogeni heisst; die zweite, in NW. gelegene Kuppe, die höchste des ganzen Berges, auf der auch das trigonometrische Signal steht, heisst Pedodarén, und besteht aus grossen, über einander gehäuften Trachytblöcken. In einer natürlichen Höhle, gross genug, um zwei oder drei Menschen als Schlafplatz zu dienen, lag wahrscheinlich seit vielen Monaten völlig trockenes Heu, das für die geringe Feuchtigkeit zeugte, welche hier, oberhalb der Monsunwinde herrscht. Auf diesem Gipfel standen, wie auf dem des Lawu, einige jener merkwürdigen aus Steinquadern aufgeführten Baue, an die sich eine Legende knüpft, die mir der in der altjavanischen Literatur wohl belesene Regent von Malang bei meiner Rückkehr erzählte.
Vor langer, langer Zeit lebten fünf Brüder, Pendówo, Königssöhne von gewaltiger Körperkraft. Um noch stärker zu werden, zogen sie sich auf den Gipfel des Ardjuno zurück und bauten sich auf der Kuppe Indrogeni fünf Häuser, in welchen sie als Einsiedler lebten. Sie beteten täglich um Vermehrung ihrer Körperkraft, und da sie Allah so viel näher waren, drang ihr Gebet um so deutlicher zu ihm. Zu derselben Zeit lag auf dem Südabhang des Semerugipfels eine grosse von Geistern bewohnte Stadt, die einem mächtigen König gehorchte. Der Geisterkönig hatte viele Töchter von ausserordentlicher Schönheit. Um eine derselben bewarb sich der mächtige Radjah von Melusina; sein Gesuch wurde aber mit Hohn zurückgewiesen. Da wandte er sich um Hülfe an einen der fünf starken Brüder auf dem Ardjuno. Dieser begab sich nach der Geisterstadt, kämpfte lange mit dem stolzen König, ward aber endlich überwunden und zog sich nun auf den höchsten Gipfel (Pedodaren) des Ardjuno zurück, wo er noch inbrünstiger betete, als zuvor. Bald fühlte er sich auch so gestärkt, dass er zu neuem Kampf gegen den Geisterkönig aufbrach. Noch ehe er die Geisterstadt erreichte, kamen ihm die schönen Prinzessinnen (Widodari = Genien), die sich in den starken Helden verliebt hatten, bis zu einer Bergkuppe[S. 242] am Südabhang des Semeru entgegen, der in Folge davon noch bis auf den heutigen Tag Widodaren heisst. Diesmal erschlug der Held den Geisterkönig, welcher Usu hiess, gab seinem Freunde, dem Radjah von Melusina, die schöne Prinzessin, und heirathete alle ihre Schwestern.
Ein Versuch, Javas höchsten Vulkan, den Semeru zu ersteigen, scheiterte an der Zaghaftigkeit und Böswilligkeit des Bedana von Madjang-tenga. Ich kam aber bis zur Kuppe von Widodaren, und hatte somit Gelegenheit, eine der eigenthümlichsten, wildesten und grossartigsten Landschaften zu sehen, die Java enthält. Von Malang läuft die Strasse SO., fast rechtwinklig fünf wasserreiche Bäche durchschneidend, die vom Westabhang des Berges Semeru her in den dicht am Ostabhang des Berges Kawi hinfliessenden Kali-Brantes fallen. Dieser umfliesst die Vulkanengruppe des Kawi, Kelut und Ardjuno in einem Bogen und mündet nicht weit von seiner Quelle an der Grenze von Surabaya und Pasuruan. Südlich von Malang kamen wir durch einen ganzen Wald von merkwürdigen, dem Waringi verwandten Feigenbäumen. Zwischen Madjang-tenga und Widodaren am Südwest-Abhang des Semeru, ist alles mit dichtem, feuchtem Wald bedeckt, in welchem riesige Bambusen auftreten und bald vorherrschend werden. Ich mass einige von 26 Zoll Umfang, es sollen noch dickere vorkommen; ihre Höhe beträgt 60–70', sie haben sehr dünne Wände und sind bis zur Spitze mit Wasser gefüllt, das krystallhell hervorsprudelt, wenn man die Halme anschneidet. Die Kulis kochten ihren Reis in diesem Wasser und zogen es dem der Bäche vor. Die hohen, dünnen, mit Wasser gefüllten Halme brechen leicht ab und bilden auf dem Boden ein viele Fuss hohes Durcheinander von mehr oder weniger morschen Röhren, auf denen man zuweilen wie auf einem Gerüst geht, häufig aber auch einbricht und dann tief in den morschen Boden einsinkt. Die Feuchtigkeit war sehr gross, selbst Nachmittags wehte jeder Luftzug einen Thauregen von den Blättern. Ein prachtvolles Stück Landschaft entfaltete sich am Bach Mandjing. Man überschreitet ihn kurz vor der Stelle, wo die flache Lavabank, auf der er bisher geflossen, plötzlich abbricht. Da der damals wasserarme Bach nur einige flache Rinnen in der Bank ausfüllte, so konnte man trockenen Fusses auf festem Gestein bis an den Rand des Abgrundes treten. Steht man in der Richtung des Wasserlaufes, so erhebt sich vor Einem eine beträchtlich höhere Tuffwand, in welche der Bach eine mehrere hundert Fuss tiefe Kluft mit senkrechten Wänden ausgewaschen hatte, so schmal, dass die hohen Bambusen, die auf den beiden oberen Rändern wachsen, sich darüber kreuzen. Auf der Kuppe[S. 243] Widodaren, wo wir übernachteten, war es so feucht, dass wir nur mit grosser Mühe Feuer anzünden konnten. Der innerste Kern des trockensten Holzes, das zu finden war, wurde in dünne Stäbchen, so fein wie Zahnstocher, geschnitten, ein anderer Theil wurde fein geschabt und in den Händen zu Pulver zerrieben; nachdem erst dieses, dann die Stäbchen in Brand gebracht, wurden immer grössere Stückchen angelegt, bis zuletzt ein munteres Feuer entstand. Der Bedana traf erst eine Stunde später im Bivuak ein und fuhr fort, seine Zweifel gegen die Möglichkeit der Besteigung des Semeru auszusprechen. Gegen Abend hörten wir deutlich starke Schläge, wahrscheinlich Ausbrüche des Kraters, konnten aber wegen des dichten Nebels nichts sehen. Früh um 3 donnerte der Semeru abermals. Es war eine klare, sternhelle Nacht, der Gipfel deutlich sichtbar, ein Feuerschein aber nicht wahrzunehmen. Um 61/2 Uhr früh waren wir endlich marschfertig, der Bedana stellte sich so müde, dass er schon nach 200 Schritten zusammensank und sich erst nach langem Zureden wieder ermannte. Nachdem wir auf Banteng- (wilde Büffel) Wegen eine Strecke weiter gestiegen, gelangten wir an eine Stelle, wo der Bedana das Weitergehen hartnäckig verweigerte. Quer vor uns lag eine tiefe Schlucht, deren beide Seitenwände aber durch einen Zwischenrücken aus Rapilli verbunden waren, es war derselbe Rücken, auf welchem Junghuhn früher die Schlucht überschritten, die einzige schwierige Stelle auf dem ganzen Wege. Er mag damals vielleicht etwas leichter zugänglich gewesen sein; denn jetzt erhoben sich auf dem scharfen Grat einzelne Pfeiler aus Rapillimasse, zu lose und zu steil, um darüber fortklettern zu können, aber leicht zu beseitigen. Der Bedana hielt es für zu gefährlich, den Rücken zu betreten, und verweigerte auch den Leuten die Erlaubniss. Ich bot meine ganze Beredsamkeit auf, räumte mit einem langen Bambus die ersten beiden Pfeiler so weit ab, dass man hinüber konnte; aber mein Beispiel war eben so unwirksam, als meine Bitten, keiner verliess den Rand der Schlucht. Nachdem ich so eine Stunde gearbeitet hatte, während der Bedana und seine Leute, Betel kauend, ruhig zusahen, überlegte ich, was zu thun sei. In einer Stunde hätten die Leute das Hinderniss beseitigen können, in 4–5 Stunden hätten wir dann den Gipfel erreicht. Wäre der Bedana nicht dabei gewesen, so wären mir die Leute gewiss gefolgt, wie schon so häufig auf schwierigen Stellen; sein Befehl hielt sie zurück. Ich musste mich zur Umkehr entschliessen. Ohne ein Wort zu sprechen, kehrten wir nach Madjang-tenga zurück, das wir an demselben Abend erreichten. Während ich gestern in gespannter Erwartung[S. 244] und fröhlichster Stimmung nur für die Pracht des Waldes Augen hatte, sah ich heut, niedergeschlagen durch das verfehlte Unternehmen, nur die Hindernisse, die die üppige Vegetation dem Reisenden in den Weg legt, und roch überall nur den Moder der faulenden Pflanzen. Die Einförmigkeit der Heimreise wurde nur durch die Ausbrüche des Semeru unterbrochen. Ein erster lauter Knall erfolgte um 11, dem andre um 12, 121/4, 1, 2 Uhr folgten. Von 4 Uhr an donnerte es fast eine Stunde lang mit ganz kurzen Unterbrechungen, jeder Ausbruch dauerte etwas weniger als eine Minute, die Pausen waren gewöhnlich nicht viel länger. Welch prachtvolles Schauspiel müssten wir auf der Gipfelplatte gehabt haben!
Auf dem Wege nach Malang begegnete uns ein eigenthümliches Brautpaar, der Bräutigam über 20, die Braut kaum 9 Jahre alt. Beide sassen mit Blumen geschmückt, gelb bemalt, in einem offenen Wagen neben einander; die Braut sah schüchtern und gelangweilt, der Bräutigam sehr albern aus. Ueber sie hielt man einen grossen Sonnenschirm. Ein Zug geputzter Leute mit Gamelang-Musik folgte dem Wagen. Ich erfuhr, dass sich häufig erwachsene Männer Kinder antrauen lassen, die dann bis zu ihrer Mannbarkeit bei den Eltern bleiben. Einen Paal östlich von der Strasse, die von Malang nach Pasuruan führt, liegt der Wasserfall Kali-Baong, ein von Reisenden oft besuchter schöner Punkt. Vor etwa 8 Tagen besichtigte ihn ein Engländer, den ich in Malang kennen lernte, mit seiner Frau. Als sie wieder nach ihrem Wagen zurückgingen, sprang ihnen plötzlich ein grosser Tiger in den Weg, glotzte sie an und lief weiter, ohne sie anzugreifen.
Ohne mich in Pasuruan aufzuhalten, reiste ich nach der etwa 20 Paal weiter östlich an der Küste gelegenen Hafenstadt Probolingo, um von dort aus noch das Tengger-Gebirge und den Lamongan zu besuchen. Das Küstenland behält denselben Charakter, wie zwischen Surabaya und Pasuruan, die Zuckerfelder bedecken einen sehr grossen Raum; die Einförmigkeit der flachen Reisfelder wird angenehm unterbrochen durch einzelne Fächerpalmen und sehr zierliche Wächterhäuschen auf hohen Gestellen, die mitten aus den Feldern hervorragen. Häufig gehen von ihnen nach allen Richtungen lange Stricke aus, an denen Bambusklappern hängen. Ein kleiner Junge setzt sie in Bewegung und vermehrt den Lärm nach Kräften, um die Vögel zu verscheuchen. Von Probolingo führt eine fahrbare Strasse bis Paras-goang an der Südküste; die Entfernung beträgt in gerader Linie 45 Paal (9 deutsche Meilen), das ist die schmalste Stelle der ganzen Insel. Westlich von der Strasse erheben[S. 245] sich das Tengger- und Semeru-Gebirge, östlich der fast immer thätige Lamongan. Nur in der Mitte wird die sonst ebene Strasse von einer kleinen Erhebung unterbrochen; südlich davon breitet sich eine weite Fläche aus, die weiter nach Osten versumpft und an der südlichen Küste durch eine niedrige Dünenwand eingefasst wird. In der Mitte dieser Ebene bei Lemadjang fand ich einen pensionirten deutschen Arzt, der damit umging, für eine Gesellschaft europäischer Kapitalisten eine Cocospflanzung von 100,000 Bäumen anzulegen. Er erwartete den Landvermesser, der ihm das von der Regierung bereits bewilligte Pachtland überweisen sollte, um dann gleich an die Arbeit gehen zu können. Die Pläne schienen wohl erwogen. Zwischen den Cocos, die vor dem 9ten Jahr kaum einen nennenswerthen Ertrag geben, sollten Cacao, die schon nach 4 Jahren, und Erdnüsse gezogen werden, die gleich im ersten Jahre eine Ernte gewähren. Die Erwartung, dass eine solche Pflanzung, wenn sie erst einmal in vollem Betriebe ist, jährlich einen Nutzen von 1 Dollar per Baum, also 100,000 Ds. abwerfen werde, so übertrieben sie auch denen scheinen mag, die nur mit den Erträgen europäischer Kulturen bekannt sind, stimmten genau mit den Notizen überein, die ich in Malacca darüber gesammelt hatte; nur rechnet man hier die Kosten der Anlage auf einen D. per Baum, in Malacca auf einen halben, so dass hier jemand, nachdem er 8–9 Jahre gewartet, jährlich 100%, dort 200% Zinsen von seinem Kapital pflücken würde.
Das grosse Geschick der Javanen in der Beurtheilung geringer Höhenunterschiede habe ich bereits früher gerühmt; dass sie mit grosser Genauigkeit nach dem Stand der Sonne die Zeit zu bestimmen vermögen, ist kein Wunder; im östlichen Java aber fand ich die Leute so ausgezeichnet orientirt, dass sie selbst im Hause statt der Ausdrücke rechts, links, vorn, hinten u. s. w. gewöhnlich die Himmelsrichtungen gebrauchten, z. B, gieb mir die nordwestliche Schüssel, stelle Dich südl., komm nach Osten u. s. w.
Nach einem mehrtägigen Aufenthalt im Tengger-Gebirge, dessen rein geognostische Ergebnisse hier nicht am Platz sind, besuchte ich noch den Lamongan. In angenehmer Gesellschaft verlebte ich den Abend am stillen Ufer des waldumsäumten von Tigern umschlichenen Klakasees und brach am folgenden Morgen mit dem Adjudanten des Obersten v. S. auf, um den so selten ruhenden Lamongan zu ersteigen, dessen Gipfel sich in unserm See spiegelte. Man zweifelte sehr an der Ausführbarkeit unseres Unternehmens. Junghuhn hatte bei seinen verschiedenen Besuchen nicht einmal den Versuch machen können, da der Vulkan dann immer in voller[S. 246] Thätigkeit war. Wir ritten zuerst SW. um den Rand des Sees herum, durch Kaffeegärten, dann Ost, geradeaus durch dichten Wald, in welchem nur zwei Stellen zur Anlage neuer Desas frisch gelichtet waren. Nach zweistündigem Ritt erreichten wir mit der Grenze des Waldes ein ebenes Lavafeld von etwa 9° Neigung, durch tiefe Sprünge vertikal zerklüftet und mit einem dichten Teppich von schönen Flechten bekleidet, auf dem wir bequem an den Fuss des Auswurfskegels gelangten. Er bestand an dieser, der Südseite, aus ziemlich festem Sand, der stellenweis mit Auswürflingen überschüttet war, die der Regen vom oberen Gehänge herabgespült hatte. Das Aufsteigen auf diesem Boden war äusserst beschwerlich, weshalb denn auch unsere Kulis nach ostjavascher Sitte allmälig zurückblieben und einer nach dem andern hinter grossen Steinen untertauchten. Alles Zureden, Schelten, Drohen brachte sie nicht wieder zum Vorschein, so dass wir schliesslich mit unsichtbaren Zuhörern sprachen. Mit ihnen verschwanden auch unsere Instrumente, darunter ein Barometer. Nach einigen Stunden mühsamen Kletterns erreichten wir im obersten Drittel des Kegels eine feste Lavabank, ohne Schlackendecke, welche letztere wohl längst durch Regen und Wind in die Tiefe gestürzt worden. Das Vorkommen einer solchen festen Bank an einem Abhang von mehr als 30° Neigung war gewiss interessant! Sie gewährte uns ein ziemlich sicheres Auftreten und reichte fast bis an den Gipfel. Nur die letzten 40' etwa bestanden aus gelbem Sand. Aus allen Spalten der Kuppe, bis auf 100' abwärts, drangen sehr heisse Wasserdämpfe; schweflige und salzsaure waren durch den Geruch nicht wahrzunehmen. Links von uns, im W. zog sich in NO.-SW.-Richtung eine gegen 100' breite, flache, muldenförmige, bolusrothe Rinne auf 2/3 des Kegels hinab, an ihrem oberen Ende war die Dampfentwickelung besonders stark. Die Spitze des Kegels war schon seit einer Stunde in dichten Nebel gehüllt, der ganze Krater mit kondensirten Dämpfen erfüllt; ich sah nichts als das Segment des Randes, auf welchem ich stand. Nur einmal schimmerten zwei Felsenpfeiler durch den dicken Nebel, deren Entfernung und Richtung auf eine grosse Dimension und senkrechte Wände des Kraters schliessen liessen. Nachdem wir vergeblich eine kurze Zeit auf etwas Aussicht gewartet, verkündete ein Donnerschlag, von einigen grossen Regentropfen begleitet, den Anfang eines Gewitters. Wir entschlossen uns zum Rückzug und verliessen ohne Ergebniss den mühsam erklommenen Gipfel. Der Regen wurde zu einem wahren Sturzbad; vorsichtig rutschten wir die nun glatte Lavabank hinab, wobei uns beiden die Stöcke entfielen, die in gerader Richtung in die Tiefe glitten. Der[S. 247] Sand, durch den Regen in einen schweren, schwarzen Brei verwandelt, floss in breiten, flachen Massen träge abwärts. Die Steine, durch das Wasser wie belebt, stürzten mit reissender Schnelle die neu entstandenen Rinnen entlang, wie Sturzbäche, deren grösseres Volumen aus Steinen bestand. In einer solchen, die ich wegen ihrer stufenförmigen Sohle zum Hinabsteigen gewählt hatte, wurde ich mehrere Klafter weit aufrecht stehend fortgerissen, ehe ich mich auf das Ufer retten konnte. Die elektrischen Entladungen waren sehr stark; ein Schlag, der den Berg traf, warf meinen Begleiter und mich gleichzeitig zu Boden, was aber wohl hauptsächlich unserer unsicheren Basis zuzuschreiben war. Wir hatten nun etwa die Hälfte des Abhangs zurückgelegt und folgten einer flachen Rinne. Die durch den Regen und Wind vom oberen Gehänge gelösten Steine hatten hier schon solche Fallkraft erlangt, dass sie in mehr als haushohen Bögen den Berg hinabsprangen. Von beiden Seiten gelangten sie in unsere Mulde und bildeten ein wahres Kreuzfeuer. Zeitweis flogen sie so dicht, dass wir darauf gefasst sein mussten, zerschmettert zu werden. Einige wenige hatten reichlich 1' Durchmesser, die meisten waren kaum 5–6'' gross. Aber selbst den grossen vorsätzlich auszuweichen, war nicht möglich, da sie bei jedesmaligem Aufschlagen ihre Richtung änderten. Wir waren hier hülflos dem blinden Zufall preisgegeben, retteten uns aber endlich auf den höher gelegenen Rand, wo wir nur selten in Gefahr kamen. Den Umständen nach befanden wir uns wohl, mein Begleiter hatte einige schmerzhafte Quetschungen erhalten, die ihm das Athmen sehr erschwerten, ich war mit einer starken Kontusion und einem Loch im Bein davongekommen. Indem wir hier einige Augenblicke ausruhten, musste ich mir gestehen, kaum jemals ein prachtvolleres, grossartigeres Naturschauspiel in grösserer Nähe beobachtet zu haben; der peitschende Regen trat neben den übrigen Erscheinungen ganz in den Hintergrund. Als wir den Fuss des Kegels erreichten, hörte der Regen auf. Mein Begleiter hatte sich auf der ganzen Tour sehr wacker gehalten, wie es sich für einen jungen Krieger ziemt, erklärte aber zum Schluss, dass er sich das Studium der Geologie ganz anders vorgestellt habe und keine besondere Neigung dafür empfinde. Gegen Sonnenuntergang erreichten wir den Pasanggrahan, gleichzeitig mit dem Oberst, der in einem Nachen von einer Jagdpartie zurückkehrte und uns ungläubig auslachte, als wir behaupteten, den Gipfel des Berges erstiegen zu haben.
Beinwunden heilen in heissen Ländern ausserordentlich schwer, der Arzt in Probolingo sagte zwar, ich habe gutes „Geneesvleesch”, unterwegs[S. 248] verschlimmerte sich aber die Wunde wieder und heilte erst, nachdem ich eine Woche in völliger Ruhe unter der Pflege eines vortrefflichen deutschen Arztes in Plantungan zugebracht hatte. Ueberdies trat auch jetzt die Regenzeit mit solcher Entschiedenheit ein, und mein Aufenthalt in Java hatte so sehr die ursprünglich dafür bestimmte Zeit überschritten, dass ich theils im Dampfboot, theils zu Lande der flachen nördlichen Küste folgend, nach Batavia zurückeilte. Besonders bedauerte ich, von Surabaya und seiner Umgebung bei meiner ersten Anwesenheit so wenig gesehen zu haben, da die interessanten Exkursionen nach den vielen Regierungs- und Privatetablissements dieser in hohem Grade gewerbthätigen Stadt nun unterbleiben mussten. Surabaya hat bei weitem den besten Hafen von Java; hier mündet auch der bedeutendste Fluss der Insel und die Regierung hat dort grosse Schiffswerften und Maschinenbauanstalten, in denen unter Leitung weniger europäischer Offiziere alle Arbeiten von Inländern ausgeführt werden.
Es war Anfang Dezember geworden, alle Tage hatten wir starke Regen; bei Tagal, einer kleinen Hafenstadt zwischen Cheribon und Samarang, war der Fluss so angeschwollen, dass er kaum in seinem Bett Platz hatte. Zu beiden Seiten der durch 1 - 11/2 Fuss hohe Dämme geschützten Landstrasse waren die flachen Reisfelder (nicht künstlich bewässerte Sawas) in Seen verwandelt, aus denen einzelne Häuser wie Schiffe hervorragten. Der Eintritt der Regenzeit hatte grosse Thätigkeit hervorgerufen, überall wateten hoch aufgeschürzte Frauen im Sumpf und pflanzten Reis, Männer betheiligen sich nicht an dieser Arbeit. — Korrespondenz, Verpacken und Versenden von Sammlungen, nahmen die wenigen Tage bis zum Abgange des Dampfers nach Singapore fast gänzlich in Anspruch, so dass ich von Batavia und seinen interessanten Museen nur wenig sah.
Eine Geschichte von Java, so kurz, wie die am Schluss von Singapore und Malacca gegebenen, würde wenig mehr enthalten, als sich in jeder grösseren Geographie findet; eine ausführlichere liegt nicht im Plan des Buchs. So schliesse ich denn die flüchtigen Skizzen dieses Reiseabschnitts mit dem Wunsch, dass der Spruch: „Wer Vieles bringt, wird Manchem etwas bringen”, sich auch hier bewähren möge.
[1] Annähernd ist ein Gegenstand so viele Seemeilen über dem Horizonte sichtbar, als die Quadratwurzel seiner Höhe in englischen Fuss beträgt. (Raper's Navig. pg. 374.)
[2] Der als Romanschriftsteller bekannte Kapitän Marryat ist der Erfinder dieser Telegraphie, die trotz ihrer Mängel so grosse Dienste leistet, dass bald nach ihrem Bekanntwerden die französische Regierung eine Verordnung erlassen hat, kraft welcher die Versicherung aller nicht mit diesem Verkehrsmittel versehenen Schiffe für ungültig erklärt wird. Jetzt dürfte wohl kaum noch ein europäisches Schiff ohne Marryat's Signal-System anzutreffen sein.
Der Apparat besteht aus 15 Flaggen: 10 für die Zahlen bis 9, 5 Indexflaggen; und dem Signalbuch. Dieses zerfällt in 6 Abtheilungen und enthält 1. Liste der englischen Kriegsschiffe; 2. Liste der übrigen Kriegsschiffe; 3. Liste der Kauffartheischiffe aller Nationen; 4. Leuchtthürme, Häfen, Vorgebirge, Klippen u. s. w.; 5. Auswahl von gebräuchlichen Sätzen und Gesprächen; 6. Wörterbuch. Fünf Abtheilungen werden durch die betreffenden fünf Indexflaggen, die sechste durch das Fehlen einer solchen bezeichnet. Der Inhalt jeder Abtheilung ist alphabetisch geordnet; jeder einzelne Posten hat eine Zahl, deren Reihenfolge jener alphabetischen Anordnung entspricht. Zahlen, in denen eine Ziffer doppelt vorkommt, werden in diesen Reihen übersprungen, weil man sonst 20 statt 10 Zahlenflaggen haben müsste; doch hat man Mittel für besondere Fälle jede Zahl auszudrücken.
In den ersten 4 Abtheilungen bleibt die alphabetische Reihenfolge in allen Sprachen dieselbe; aber nicht in Abtheilung 5 und 6. Daher sind bei Uebertragung in fremde Sprachen in diesen beiden Abtheilungen die Sätze einmal dem englischen Signalbuch entsprechend numerisch, und einmal alphabetisch nach der fremden Sprache geordnet; will man sprechen, so benutzt man diese, empfängt man eine Antwort, so benutzt man jene Anordnung. Am interessantesten und wichtigsten ist Abtheilung 5. Sie enthält Kompass-Richtungen, Signale, deren sich Lootsen und Lloyd's-Agenten bedienen, um Schiffen, die in Noth sind, Befehle zu geben, Gespräche zum allgemeinen Gebrauch, desgl. für Schiffe, die sich auf See begegnen, Convoi- und Eskort-Signale u. s. w. Dies ist wohl das Wesentliche dieser Universalsprache.
[3] Einige Male bei sehr hoher See versuchte ich mit dem Kapitän die Höhe der Wellen zu schätzen. Wir wussten, dass sie immer höher erscheinen als sie sind und nahmen darauf Rücksicht; dennoch glaubten wir einmal ihre Höhe nicht unter 22 bis 24' annehmen zu dürfen. Als wir aber nachmassen, so weit dies überhaupt möglich ist, fanden wir nur 18'. Die Art, die Höhe zu bestimmen, ist in Raper's Navig. 5th. edit. pag. 179 angegeben, wo auch mehrere von berühmten Seefahrern gemessene Wellenhöhen angeführt sind; die grösste ist die von Sir Jas. C. Ross im Nordatlantischen Ozean beobachtete von 36 Fuss.
[4] Die Geschwindigkeit des Schiffes wird durch das Log bestimmt, die Richtung durch den Kompass. Aus dem Abgangsort, der Richtung und der Geschwindigkeit ergiebt sich unter Berücksichtigung verschiedener Korrektionen der Ort des Schiffs. Das Log besteht aus einem beschwerten Brettchen an einer Leine mit Knoten. Es wird gewöhnlich alle 2 Stunden ausgeworfen und bleibt auf dem Wasser liegen, während die Leine durch die Fortbewegung des Schiffes von einer Haspel abrollt. Sobald der Nullpunkt der Leine, ein bunter Lappen, das Wasser berührt, wird eine kleine Sanduhr umgedreht; ist sie abgelaufen, so zieht man die Logleine ein und zählt die abgelaufenen Knoten. Die Länge zwischen 2 Knoten verhält sich zur Länge einer Meile, wie die Zeit, in welcher die Sanduhr abläuft zu einer Stunde. Setzt man die Seemeile = 6080', und die Sanduhr = 30 Sek., so hat man: Länge eines Knoten: 6080 = 30:3600 = 502/3' und so viel Meilen in der Stunde, als Knoten in 30 Sekunden. Obige Methode, den Ort eines Schiffes zu bestimmen, heisst Gissung (Dead Reckoning), sie ist aus vielen Gründen sehr unvollkommen, weshalb zur Berichtigung auch astronomische Ortsbestimmungen gemacht werden müssen. Zu dem Zwecke wird die geographische Breite jeden Mittag durch eine sehr leichte Beobachtung der Sonnenhöhe und einfache Rechnung gefunden. Längenbestimmungen aber sind besonders zur See so schwierig und unsicher, dass sie von Handelsschiffen fast nie angestellt werden; diese schliessen auf die Länge aus der Differenz zwischen der Zeit des Chronometers und der Ortszeit, die auf jedem ordentlichen Schiff einmal täglich durch Beobachtung gefunden wird; so dass also die annähernde Richtigkeit der Länge ganz von der Zuverlässigkeit des Chronometers abhängt. Kriegsschiffe, die immer mehrere gute Chronometer mitführen und Mittel zu genaueren Beobachtungen haben, pflegen unaufgefordert Länge und Breite auf eine Tafel zu schreiben und sie vorüber segelnden Schiffen entgegenzuhalten, damit diese ihre eigene Rechnung prüfen und berichtigen können.
[5] Der Südwest-Monsun fängt hier gewöhnlich Mitte oder Ende April an und dauert bis Mitte Oktober. Am beständigsten ist er im Juni, Juli, August. Der Nordost-Monsun beginnt im nördlichen Theil der Chinasee Ende September oder Anfang Oktober, aber im südlichen Theil dieser See wird er selten vor November beständig. Den grössten Theil des Oktobers herrschen leichte wechselnde Winde. Am kräftigsten und anhaltendsten ist er im Dezember und Januar.
[6] Vielleicht auch nur mit gelbem Ocker. Gelb ist die festliche, die Gallafarbe in ganz Ost-Asien. Javanische Brautleute reiben sich den Körper mit gelbem Turmerikpulver ein, die Leibgarde des Javanischen Kaisers aus Billigkeitsrücksichten mit gelbem Ocker. In China darf ausser der kaiserlichen Familie kein Mensch in seiner Wohnung oder in seiner Kleidung Gelb gebrauchen oder auf gelbes Papier schreiben. Die kleinen Prinzessinnen von Siam wurden, bevor sie sich von mir photographiren liessen, mit Turmerik eingerieben, das ebenso wie der Reispuder der Pariserinnen, den Teint verschönert und die Haut erfrischt. Es ist auch ein guter Schutz gegen Hitzpickel. Die Hauptverwendung findet der Turmerik (Curcuma sp. div.) in der Küche zu Kurries; in Europa dient er bekanntlich in der Färberei zur Herstellung einer ebenso schönen, als flüchtigen Farbe und zur Bereitung von Reagenzpapier.
[7] Die Punka findet man nur in den englischen Kolonien, wo sie als sehr zuträglich für die Gesundheit gilt. Die Holländer auf Java fürchten den angenehmen Luftzug und behaupten, nur John Bull's dicker Schädel könne ihn vertragen. Dagegen sitzen die Holländer, Männer wie Frauen, unbedeckten Hauptes im Freien und geniessen die kühle Abendluft, die in Singapore so gefürchtet wird, dass man selbst nicht gern mit blossem Kopf auf den Balkon hinaustritt. So hat jedes Land seinen Aberglauben.
[8] Der englische General-Konsul in Rotterdam sagt in seinem Bericht über den Handel von Niederländisch-Indien von 1861 in Bezug auf die Gewürze Muskat und Nelken: „Die jährliche Auktion der Handels-Gesellschaft ergab niedrigere Preise, als je erhört waren. Dies Ergebniss war ein neuer Beweis, dass das jährlich produzirte Quantum in gar keinem Verhältniss steht zur stetig abnehmenden Nachfrage ... Während der letzten 10 Jahre sind die Preise stetig gefallen.”
[9] Kohl führt etwas ganz Aehnliches aus Ungarn an: „Der sehr reiche Palast des Fürsten S. in Zinkendorf wird nie verschlossen, trotz des bedeutenden Silberschatzes. Wie dies mit der sonst so allgemeinen Unsicherheit und den dagegen angewandten Vorsichtsmaasregeln zu vereinigen sei, weiss ich nicht.”
[10] Diese interessante Pflanze ist über ganz Indien so verbreitet, dass ihre Abstammung aus Amerika erst in neuerer Zeit festgestellt worden ist. Ueber ihre oben angeführten auffallenden Eigenschaften finden sich interessante Thatsachen in: Browne's Nat. hist. of Jamaica p. 360, der zuerst darauf aufmerksam gemacht zu haben scheint; Heber's useful plants of India 113, der Wight's Illustrations of ind. bot. II 36 und Dr. Holder in Memoirs of the Wernerian soc. III citirt; Hooker's bot. Mag. 2898. — Humboldt hat im Thale von Aragua bestätigende Untersuchungen angestellt; sonderbarer Weise ist aber gerade in Venezuela, wie mir Prof. Karsten mittheilt, von den erwähnten Eigenschaften der Pflanze nichts bekannt, während in Barbados und Jamaica nach obigen Angaben ebenso wie in Singapore diese Eigenschaften so allgemein gekannt sind, dass sie häufig für wirthschaftliche Zwecke benutzt werden.
Die von Vauquelin analysirten Proben (Hooker's bot. Mag.) stammten aus Ile de France, die eine war zum Behuf des Transports nach Europa durch Abdampfen eingetrocknet, die andere mit einer gleichen Menge Rum vermischt worden. „Die Aehnlichkeit des Papaya-Safts mit thierischen Substanzen ist so gross, dass man einen Betrug vermuthen möchte.” Vauq.
Physiologen, welche die auffallenden Wirkungen auf die Muskelfaser näher untersuchen wollen, würden wohl am besten thun, sich genügende Mengen des frischen Saftes in hermetisch verschlossenen Flaschen oder Büchsen, nach Appert's Methode konservirt, kommen zu lassen; die beste Bezugsquelle dürften die westindischen Inseln sein, wo man in der Kunst des Konservirens durch das geschäftsmässig betriebene Einmachen der Ananas wohl geübt, und die Pflanze allgemein verbreitet ist. — Diese befindet sich übrigens auch in allen botanischen Gärten, aber gewöhnlich nur in verkümmerten Exemplaren.
[11] Besonders aber in neu entdeckten Goldländern, wo unzubereitete Nahrungsmittel, weil sie voluminöser sind, durch die sehr hohen Transportkosten, die oft 1 Dollar per ℔ betragen, viel theurer werden als fertig bereitete, und wo es überdies an Händen und Einrichtungen zur Zubereitung mangelt. Wenn die Goldgräber keine andre Spuren zurückliessen, so könnte man ihre Stationen an den umherliegenden leeren Blechbüchsen erkennen.
[12] In New harbour sind immer grosse Niederlagen von englischer, australischer und Borneo-Kohle. Die Kohlen von Australien und Borneo können bei den jetzigen Heizeinrichtungen nur mit englischer gemischt, verbrannt werden. Die Preise sind gegenwärtig (1864): englische 8 bis 9 Dollars, Borneo 5 bis 6, australische 4 bis 5 Dollars per Ton von 20 Ctr. engl, oder ungefähr 2000 Zollpfund. — In Berlin kostet die Last = 18 Tonnen = 72 Scheffel = ca. 6000 Pfd. 15 bis 20 Thaler, also ca. 5 bis 7 Thaler per engl. Ton.
[13] Diese Laternen bestehen aus einem mit sehr feinem festem Papiere überzogenen, melonenförmigen Gerüst von sehr feinen Bambussplitten. Das Papier ist mit durchsichtiger Gallerte getränkt, einem Absud der Alge Agar-agar (Plocaria tenax und P. candida), die auf allen felsigen Küsten des Archipels wächst und in grosser Menge von den klugen Chinesen importirt wird, während sie in Europa so gut wie unbekannt ist. Sie vertritt in mancher Hinsicht die Stelle der Hausenblase und des Dextrins, giebt ein schmackhaftes Gelee und vorzügliche Appretur für Seidenzeuge und kostet in Singapore selten mehr als 1 Dollar per Pikul. — Schon 1859 importirte Shanghai allein 150000 Pikul. Die im atlantischen Ozean sehr häufige verwandte Gattung Chondros liefert das offizinelle Karagen.
[14] Der Reis, Oriza, vom arabischen eruz, ist das Hauptnahrungsmittel aller zivilisirten Völker Ostasiens. Die weniger vorgeschrittenen müssen sich mit einer leichter zu erlangenden, wenn auch noch stickstoffärmeren Kost (Sago u. s. w.) begnügen. Man hat berechnet, dass der Reis das Hauptnahrungsmittel der Hälfte des Menschengeschlechtes sei. In Asien ist er seit den ältesten Zeiten bekannt; die Araber brachten ihn nach Spanien und Italien, wo er noch jetzt mit Erfolg gebaut wird. In Amerika wurde er erst Ende des 17ten oder Anfangs des 18ten Jahrhunderts zufällig eingeführt, fand aber in den südlichen Staaten der Union Klima und Boden so günstig, dass der Reis von Carolina bald für den besten von allen Sorten galt. Die dort übliche Art des Reisbaues weicht von der indischen besonders darin ab, dass man die Felder abwechselnd trocken und überschwemmt hält. Die dadurch erzeugten Miasmen sind so lebensgefährlich, dass die zur Arbeit in den Reisfeldern verwendeten Sklaven sehr schnell erlagen und durch frische ersetzt werden mussten. Singapore baut gar keinen Reis, da es aber im Mittelpunkt der Reis erzeugenden und Reis verzehrenden Länder liegt, so ist es ein Stapelplatz für diesen wichtigen Handelsartikel geworden, der hier häufig billiger als in den Produktionsländern ist.
Dass von einer so lange kultivirten, so weit verbreiteten Nutzpflanze viele Abarten entstanden sein müssen, lässt sich erwarten. In einer öffentlichen Sammlung in Manila waren 60 angeblich verschiedene, in den Philippinen gebaute, Abarten ausgestellt; fast ebensoviel rechnet man in Java. Nach Porter lassen sich aber alle auf 4 Arten zurückführen, die vielleicht selbst nur Varietäten einer Art sind: O. sativa und praecox, beide Sumpfreis; letzterer reift 2 Monate früher als ersterer, 4 Monate nach dem Umpflanzen, steht ihm aber an Güte und Ertrag nach. O. montana, Bergreis, der trocken wächst, oft in beträchtlicher Meereshöhe und in höheren Breiten, und viel mehr Kälte vertragen kann als der Sumpfreis, weshalb man mehrere mal versucht hat, ihn in England einzuführen, bisher aber ohne Erfolg, da er zwar reichlich Blätter, aber keine Körner giebt; Porter führt zwar einen einzelnen Fall an, wo man bei Windsor reife Aehren erhielt. Endlich O. glutinosa, Kleber-Reis, der nass und trocken wächst, aber wenig gebaut zu werden scheint. Er wird namentlich zu verschiedenen Gebäcken (kweh) verwendet.
[15] St. John, Far East II 254 meint, dass die Eingebornen von Bruni durchaus keinen Geruchssinn haben, weil sie faules Fleisch, faule Eier und faule Fische essen. Die Bewohner von Luzon haben aber einen so sehr ausgebildeten Geruchssinn, dass sie z. B. in einer grösseren Gesellschaft durch das Beriechen der Taschentücher die Eigenthümer derselben zu erkennen vermögen und dennoch essen sie gern faules Fleisch u. s. w.; wahrscheinlich, weil es ihnen gut schmeckt, so wie viele Europäer stinkenden Käse und stinkendes Wild essen. Der Begriff des Gestanks ist relativ: bei einem feinen Diner in Singapore wurde mir die Butter ganz besonders angepriesen, „weil sie einen sehr starken Fassgeschmack hatte.”
[16] Auch dies hat sich bereits geändert, wenigstens in China. Aus dem Bericht des britischen Konsuls Robertson, Canton 1864, ergiebt sich, dass nicht nur die Küstenschifffahrt und der Einfuhrhandel immer mehr in die Hände der Chinesen übergehen, sondern dass auch der Ausfuhrhandel dieselbe Bahn einschlägt. Bereits haben chinesische Firmen aus Fu-tschau und andern Orten bedeutende Theesendungen direkt nach England gemacht, und sogar im vorigen Jahr (1863), während alle andren Firmen auf den europäischen Märkten bedeutende Verluste erlitten, Gewinne erzielt, weil sie mit viel grösserem Vortheil einkaufen und verkaufen können, ihr Geschäft mit geringeren Unkosten betreiben, mit mässigerem Gewinn vorlieb nehmen, und für eigene Rechnung statt für Rechnung ihrer Kommittenten handeln. „Wenn sie sich auf dieser neuen Bahn erst sicher fühlen, und Bankkredite erhalten, so wird es für Europäer hoffnungslos sein, gegen sie zu konkurriren.”
[17] So nennt man einen harten Kalkmergel mit Eiseninfiltrationen, die auf der helleren Grundmasse allerlei Figuren von Burgen, Ruinen u. s. w. darstellen.
[18] Rumph, Kruydboek V. 97: „gewöhnlich 60–100 Faden lang, ja in einigen Ländern hat man 200–300 Faden lange gemessen” (1 Faden = 6').
[19] Die Overl. Free Press, 8. Jan. 1864, giebt nach dem Java Courant eine Uebersicht der in Java und den übrigen holländischen Besitzungen im Archipel durch andre als natürliche Ursachen vorgekommenen Todesfälle. Die Gesammtzahl der durch Tiger Getödteten wird darin für Java auf 148 angegeben. Die Richtigkeit der Zahlen vorausgesetzt, wäre dies unter Berücksichtigung der beiderseitigen Bevölkerungen nur 1/300 so viel als in Singapore. Wären diese Unglücksfälle in Java verhältnissmässig so häufig wie in Singapore, so müssten jährlich dort 44,000 Menschen den Tigern zur Beute fallen. — Die Tabelle enthält auch noch andre interessante Data:
Ursache des Todes. | Java und Madura. | Andere Besitzungen. | Total. | |
Blitz | 356 | 10 | 366 | |
Ertrinken | 948 | 173 | 1121 | |
Sturz von Bäumen etc. | 431 | 73 | 504 | |
Tiger | 148 | 151 | 299 | |
Rhinozeros | 4 | — | 4 | |
Krokodile | 49 | 125 | 174 | |
Büffel | 6 | — | 6 | |
Schlangen | 43 | 3 | 46 | |
Selbstmord | 127 | 38 | 165 | |
Andre Unfälle | 393 | 136 | 529 | |
2505 | 709 | 3214 | . |
„Nach einer Angabe der Posener Provinzialblätter wurden im Regierungsbezirk Posen vom 1. Sept. 1815 bis Ende Februar 1816, 41 Wölfe erlegt, und noch im Jahre 1819 im Kreise Wongrowitz 16 Kinder und 3 Erwachsene von Wölfen gefressen.” (Freytag, neue Bilder aus dem Leben des deutschen Volkes 1862, pg. 402.)
Die Einwohnerzahl im Kreise Wongrowitz betrug 1818 nach Ortschaftsverzeichnissen des statistischen Bureaus: 26290; für 1819 kann sie schon wegen der geringen damaligen Volksbewegung nicht sehr davon verschieden gewesen sein. Nimmt man an, dass in Singapore täglich ein Mensch von Tigern gefressen wird, so giebt dies 180 für 6 Monat auf eine Bevölkerung von 100,000 oder 47,7 auf eine Volksmenge gleich der im Kreise Wongrowitz, selbst wenn man diese auf 26,500 schätzt; so dass in letzterem noch 1819 mehr als 2/5 so viel Menschen von Wölfen gefressen wurden, als gegenwärtig in Singapore von Tigern.
[20] In neuester Zeit angeblich sogar 100 Ds.
[21] Der Beweis ist jetzt geliefert worden; denn nach Cameron (Our tropical possessions pg. 96) fand man eines Morgens in Netzen, die in der Meerenge längs der Küste von Singapore aufgestellt waren, eine Tigerin verstrickt und fast ertrunken. Von Singapore konnte sie nicht hergekommen sein, da ganze Reihen dem Lande näher aufgestellter Netze unversehrt waren.
[22] Doch ist dieser Punkt noch nicht genügend aufgeklärt. Smeathman und andre nach ihm erzählen von einem König in der Kammer der Königin.
[23] Das Manché'sche System, das durch Hooibrenk in den letzten Jahren in Europa so grosses Aufsehen gemacht, war also bei den chinesischen Gambirpflanzern schon lange in Anwendung.
[24] Die Borneo-Kompanie hat neuerdings Sagofabriken unter Leitung eines europäischen Ingenieurs in Borneo angelegt, wo das Fabrikat an Ort und Stelle zur Ausfuhr nach Europa fertig gemacht wird.
[25] Die Art der Gewinnung ist in Johnston's vortrefflichem Buch „Chemistry of common life” nach Dr. Eatwell ausführlich beschrieben und mit Abbildungen versehen, ohne Abbildungen auch in v. Bibra: „Die narkotischen Genussmittel.” ...
[26] Das Verfahren ist ausführlich beschrieben von Dr. Little, Journ. Ind. Arch. II, eine Uebersetzung davon giebt v. Bibra.
[27] 762,5 bis 915 Ds. per Kiste von 140 Katti; 61/2 bis 8 Thlr. per Zollpfund.
[28] Im Budget Estimate 1864/65 war die Einnahme für Opium auf 8,200,000 £, die Ausgabe auf 2,254,161 £ veranschlagt; man hatte also bei diesem Geschäft einen Reingewinn von 5,945,839 £ (über 40 Millionen Thaler) erwartet. Der wirkliche Gewinn war: 1861/62 4,909,804 £, 1862/63 6,199,198 £, 1863/64 4,525,506 £.
[29] „Die Möglichkeit einer chronischen Opiumvergiftung ist eine über allem Zweifel erhabene Thatsache. Hammer bezeichnet die Liebhaber des Opiums als wankend und schwankend, blass, abgezehrt, mit gestrecktem Halse, entscharrten Leichnamen ähnlich ... Oppenheim: Die Thätigkeit der Verdauungsorgane liegt ganz darnieder, die Stuhlentleerung anfangs ungemein träge, oft in Intervallen von 8–14 Tagen erfolgend; später macht sie der Diarrhoe und Dysenterie Platz. Die körperlichen und geistigen Kräfte und Fähigkeiten gehen einem raschen Verfall entgegen. Schwindel, Kopfschmerz, Neuralgien, Zittern der Gliedmaassen, Schlaflosigkeit, manchmal eine Art Delirium tremens, Blödsinn, allgemeine Paralyse, Impotenz, auch Blasen- und Nierenleiden stellen sich ein, und einem allmälig sich entwickelnden Leiden der Lunge und des Herzens erliegen die Opiumesser früher oder später.” (Husemann, Toxicologie S. 609.)
[30] Dieselben Listen ergeben folgende interessante Thatsachen. Das Opium kommt fast ausschliesslich aus der Türkei, aus Britisch-Indien nichts. Das meiste geht nach den Vereinigten Staaten und Holland. Von 110,101 ℔, die 1863 exportirt wurden, gingen 40,641 nach den Vereinigten Staaten, 28,869 ℔ nach Holland, das Transit-Opium, 104,756 ℔, nahmen diese beiden Länder ausschliesslich, Vereinigte Staaten 93,316 und Holland 11,440 ℔. (Das nach Holland verschiffte Opium geht nach Java.)
[31] Dr. Thudichum giebt folgenden interessanten Aufschluss über die in einer Landstadt von Lincolnshire jährlich verkaufte Menge Opium: „Sieben Drogisten in der Stadt Spalding verkaufen 27 Stein 31/2 Pfund Opium (= 436 Zollpfund) zum Theil in der Form von Laudanum. Die Stadt nebst dem von den Drogisten versehenen Gebiet hat 21,000 Einwohner. Dies ergiebt einen Opiumverbrauch von 127 Gran per Kopf und Jahr. Eine geringe Menge des Opiums wird für die Schafe während des Lämmerns verwendet. Rechnet man 27 Gran von je 127 Gran zur Deckung dieses Bedarfs, was wahrscheinlich eine übertriebene Annahme ist, so ergiebt sich das erschreckende Verhältniss, dass der Opiumverbrauch im Gebiet von Spalding ungefähr 100 Gran jährlich für jedes Individuum der Bevölkerung beträgt. Opium wird von den Erwachsenen gegessen und den Kindern eingegeben. Die Sterblichkeit der Kinder beträgt in diesem Distrikt 21,845, während sie in ganz England 17,731 von 100,000 Lebenden betrug. Die Bevölkerung war in den letzten 10 Jahren im Abnehmen. Obige Menge Opium enthält nicht die von Aerzten verwendete Menge. Die Daten über die in Spalding verkauften Quantitäten Opium sind von Dr. Morris aus Spalding gesammelt und mir mitgetheilt worden.”
[32] An einer andern Stelle behauptet de Quincey sogar, 12,000 Tropfen täglich genommen zu haben. Das wäre mehr als ein und ein Zehntel Zollpfund! — Nach dem Formulaire d. P. rechnet man das Gewicht von 20 Tropfen Laudanum, 75 bis 110 cgr., nimmt man als Mittel 92,5 cgr., so erhält man 555 Gramm!
[33] Das letzte Straits' Blaubuch weist für das Jahr 1864/65 abermals eine bedeutende Zunahme des Handels von Singapore nach, dessen Werth jetzt auf 13,000,000 £ veranschlagt werden kann. Die Einfuhr ist auf 66,182,177 Rupien (= 44,121,450 Thaler), die Ausfuhr auf 66,339,578 Rupien (= 44,226,385 Thaler) geschätzt worden, ein Fortschritt gegen 1863/64 von 2,712,123 Rup. bei der Einfuhr, und von 12,363,140 bei der Ausfuhr. Die Anzahl der in Singapore eingelaufenen grossen Schiffe (square rigged vessels) betrug 1864/65: 1697 von 780,794 Tonnengehalt, 250 Schiffe und 152,226 Tonnen mehr als 1863/64. Die Zahl der von Singapore 1864/65 ausgelaufenen grossen Schiffe betrug 1629 von 576,527 Tonnengehalt, 116 Schiffe und 16,453 Tonnen mehr als 1863/64. Die Zahl der die Häfen von Singapore, Pinang und Malacca besuchenden britischen Schiffe hat kaum zugenommen gegen das vorige Jahr; aber die Zahl der unter Hamburger und Bremer Flagge fahrenden hat sich mehr als verdoppelt ... „Es ist bemerkenswerth, dass ein Achtel der angekommenen und ein Neuntel der ausgelaufenen Schiffe unter deutschen Flaggen fuhren.” (Wenn die in den Listen enthaltenen Zahlen richtig abgedruckt sind, so berechnet sich die Anzahl der eingelaufenen deutschen Schiffe fast auf 1/6 der Gesammtzahl, nämlich 271 von 1697, und wenn man 17 östreichische Schiffe nicht mitrechnet, auf 1/63/4 ... Ebenso berechnet sich die Zahl der ausgelaufenen auf 1/71/2, und wenn man 10 östreichische nicht mitrechnet, auf 1/8 der Gesammtzahl, nämlich 216 resp. 206 von 1629 ... Unter britischer Flagge liefen 860 ein, 873 aus.)
[34] Eine schmale Meerenge trennt Rhiow vom eigentlichen Bintang.
[35] Bekanntlich erfahren viele der nach monatelanger Reise in Europa anlangenden Schiffe erst in der engen Strasse zwischen England und der Insel Wight ihre schliessliche Bestimmung. Ohne dass sie ihre Fahrt zu unterbrechen oder ein Boot an's Land zu senden brauchten, theilt ihnen der Agent ihres Rheders gewöhnlich von Cowes aus durch Flaggensignale mit, nach welchem Hafen sie steuern sollen, um ihre Ladung auf den vortheilhaftesten Markt zu bringen. Daher kehren die meisten Schiffe aus Ost-Asien mit der Bestimmung „Cowes for orders” heim.
[36] Nur 2 holländische Schiffe durften jährlich zwischen Decima und Batavia verkehren.
[37] Es ist auffallend, wie wenig Franzosen bis jetzt als grosse Kaufleute in Ostasien vorhanden sind. — In Singapore befindet sich nur ein einziges französisches Haus von einiger Bedeutung. Engländer, Amerikaner und Deutsche sind es, die an der Spitze aller grossen Handelshäuser stehen. In Saigon ist der Handel hauptsächlich in Händen der Chinesen. Die grössten europäischen Handelshäuser daselbst sind deutsche.
[38] 1864 betrug die Zahl der in den 13 Häfen ein- und ausgelaufenen nicht chinesischen Schiffe 17,976 von 6,635,505 Tons. Davon gehören 2,862,234 Tons der englischen, 2,609,390 Tons der amerikanischen und 380,135 Tons der hamburger Rhederei, der Rest vertheilt sich auf 20 verschiedene Nationen. Der Einfuhrhandel von Shanghai allein stieg (nach dem Bericht des englischen Ministers in Peking) von 41,000,000 taels in 1860, dem Jahr vor Eröffnung des Yantsekiang und der nördlichen Häfen, auf 81,000,000 taels in 1863 (1 tael ist etwa 2 Thlr.).
[39] Nach dem Prospekt würde die neue Gesellschaft im Stande sein, die Kohle für 25 sl. nach Singapore zu liefern, so dass ihr bei 40 sl. ein hinreichender Gewinn verbliebe.
[40] Die Wichtigkeit, den Geschmack der Eingebornen zu berücksichtigen, wird vielleicht in keinem Lande mehr verkannt, als in Deutschland. Häufig kommen in den ostasiatischen Handelsplätzen grosse Kisten mit Fabrikaten an, die durchaus werthlos sind, weil auf den Geschmack der Konsumenten, auf das Format, das Gewicht und die Art der Verpackung gar keine Rücksicht genommen ist, wenn auch die Waare an und für sich vielleicht die Konkurrenz aushielte. Es ist ein sonderbarer Dünkel solcher Fabrikanten, zu glauben, dass die Käufer sich in ihre Launen fügen sollen, und zeugt von gänzlicher Unkenntniss der bestehenden Verhältnisse. Ueberall, wo es Frauen giebt, sind wechselnde Moden — selbst im Innern von Afrika. Alle Völker, die für andere fabriziren wollen, müssen auf das Sorgfältigste den Geschmack derselben studiren. Die Engländer haben dies längst eingesehen und geben sich grosse Mühe, dennoch wird es ihnen schwer, im Innern von China gegen die Konkurrenz der amerikanischen Fabriken aufzukommen, denen es gelungen zu sein scheint, die nationale Geschmacksrichtung mit solchem Glück zu treffen, dass sie in gröberen Baumwollenwaaren den dortigen Markt beherrschen.
Die Schweizer, die keinen direkten Seehandel treiben können, haben es nur ihrem fleissigen Studium und grossen Takte zuzuschreiben, wenn sie ebenbürtig mit den grössten Fabrikstaaten konkurriren. In den Philippinen sind manche Artikel ausschliesslich in ihrer Hand. Ein befreundetes Schweizerhaus in Manila hielt eine Anzahl geschickter Mestizen als Musterzeichner, die der wechselnden Mode immer auf der Spur waren und liess nach ihren Zeichnungen in der Schweiz, in China und in Italien die Baumwollen- oder Seidenstoffe anfertigen, die dann auch immer bei den koketten Mestizinnen den grössten Anklang fanden. Den Languti, das in Siam gebräuchliche Lendentuch, nachzuahmen, ist noch Keinem gelungen. Schweizer, schottische und englische Häuser haben schon Tausende darauf verwendet — bisher vergeblich; die gelieferten Stoffe sind vielleicht besser oder billiger als die einheimischen, entsprechen aber noch nicht genau dem Geschmack.
[41] Nach dem Geschäftsbericht vom 5. Decbr. 1865 besass sie 63 Schiffe von 92,353 tons und 18,270 Pferdekraft, die im letzten Jahre einen Weg von etwa 1,500,000 Seemeilen zurückgelegt hatten (fast in jeder Woche 11/2 mal so viel als der Erdumfang beträgt).
[42] Die Portugiesen in Hinterindien und China sind grösstentheils so verkommen, dass sie Europäern oder ihren Abkömmlingen nicht gleich geachtet werden. Auch haben sie sich in allen Stufen mit allerlei fremdem Blut vermischt, so dass Menschen von reinem Weiss durch alle Farbentöne von gelb und braun bis zum dunkelsten Schwarz unter der allgemeinen Bezeichnung „Pottugih” zusammengefasst werden.
[43] Joss ist aus dem portugiesischen Dios in das eigenthümliche Pigeon-Englisch der Chinesen übergegangen. Daher Josshouse = Tempel, Josspaper = Goldpapier, Josssticks = Räucherstöcke, wie sie vor den Altären verbrannt oder zum Anzünden der Cigarren verwendet werden. Aus „tschin-tschin”, guten Tag, Gruss, und Joss wird tschin-tschin-joss = beten. Ich hatte in Macao einen Steinmetz gedungen, der mir ein unter einen Granitblock gefallenes Instrument wiederverschaffen sollte. Am nächsten Morgen sollte er sich mit mehreren Gehülfen, mit Stricken, Hebebäumen u. s. w. einstellen. Er kam pünktlich, aber allein, zündete seine Josssticks an, verbrannte Josspapier, kniete nieder und verneigte sich; ich hielt ihn für toll, aber der Bediente erklärte mir: „oh no! dat very cleber ole man, he makee chin-chin-devil-joss.” Leider half es nichts.
[44] Der in Europa Orang-utan genannte grosse Affe aus Borneo und Sumatra wird von den Malayen nie also, sondern Mias genannt.
[45] Die ersten Proben Guttapercha wurden 1843 von Singapore nach London durch Dr. D'Almeida gesandt, doch wird die Ehre der Einführung gewöhnlich Dr. Montgomery zugeschrieben, der dafür eine Prämie erhielt, obgleich seine Sendung später eintraf. Bei gewöhnlicher Temperatur lederartig zähe, bei 56° R. knetbar, in Wasser, Alkohol, Säuren, Alkalien u. s. w. unlöslich, fand sie schnell grosse Verwendung, namentlich in der Telegraphie, da sie von allen bekannten Körpern das grösste Isolationsvermögen besitzt. Leider verändert sie sich, der Luft ausgesetzt, in einen sehr spröden Körper, der rissig wird, Wasser durchlässt und dann nicht mehr isolirt. In Singapore war die Substanz unter dem Namen gitta-taban bekannt, und diente zur Anfertigung von Peitschen, Eimern und allerlei Hausrath; durch Versehen erhielt sie in Europa den Namen Gutta-percha (pertja), womit man in Singapore ursprünglich ein ähnliches, aber schlechteres Produkt bezeichnete. Die Tabanbäume (Isonandra gutta) waren bei der plötzlich gesteigerten Nachfrage nach dem Stoff in den Wäldern von Singapore schnell ausgerottet, da man den ganzen Baum fällen muss, um den Saft zu erhalten. Nach Singapore wurden die Wälder der Malayischen Halbinsel und der benachbarten Inseln Sumatra und Borneo in Angriff genommen. Die Vernichtung der Guttabäume muss sehr beträchtlich sein, da ein grosser Baum höchstens 10–15 ℔ des Saftes liefert; dennoch ist nur vorübergehender Mangel, nicht gänzliche Ausrottung derselben zu fürchten, da nach v. Gaffron, Resident in Borneo, (Natuurk. Tydsch. XVI. 224) der Baum, den es nicht lohnt, vor dem 30sten Jahre zu fällen, schon vom 15ten Jahre an leicht keimenden Samen trägt. Auch in Borneo sind die Versuche, den Saft durch Anbohren zu gewinnen, misslungen; er verdickt sich in diesem Fall so schnell, dass man fast nichts erhält, klopft man die Rinde, so bekommt man etwas mehr (etwa 1 Katti), aber der Baum geht dann eben so sicher zu Grunde als wäre er gefällt worden. Die in mehreren technologischen Büchern enthaltene Angabe, dass gegenwärtig durch Einschreiten der „Guttapercha-Kompanie” die Gutta durch blosses Anzapfen gewonnen werde, beruht wohl auf einem Irrthum. Selbst wenn der Ertrag der angezapften Bäume nicht ganz so ungünstig wäre, würde es schwerlich gelingen, die sorglosen Eingebornen zur Schonung der im Walde zerstreuten Bäume aus Rücksicht für die Zukunft zu bewegen. In Singapore ist übrigens eine solche Kompanie nicht vorhanden, und die Londoner Guttapercha-Kompanie beschäftigt sich nur mit Beschaffung und Verarbeitung des Rohstoffes. Nach v. Gaffron gewinnt man 5 verschiedene Sorten, die in den Handel kommen, und 3 schlechtere Sorten, mit denen jene verfälscht werden. Der Preis der Guttapercha war anfänglich in Singapore 8 Ds. per Pikul, ihr gegenwärtiger in London berechnet sich nach dem Mittel der Jahre 1859/63 auf 8,73 £. Dass aber der Preis im Verhältniss zur Abnahme der Bäume weiter steigen sollte, ist nicht zu erwarten, da der Stoff nicht den ursprünglich gehegten Erwartungen entspricht. Ein gefährlicher Nebenbuhler ist ihm in Goodyear's Ebonit, oder gehärtetem Kautschuk erwachsen; dieser hat ihn bereits aus vielen Verwendungen verdrängt, und wird ihn, wenn seine Dauerbarkeit sich bewährt, wohl auch als Isolator bei den unterirdischen und unterseeischen Leitungen (oberirdische bedürfen keiner Isolation, da trockene Luft schlecht leitet) ersetzen. Während die Einfuhr roher Guttapercha in England nach dem Durchschnitt der Jahre 1859/63 nicht ganz 20,000 Ztr. betrug, werden allein in Amerika jährlich 5,000,000 ℔ Kautschuk zur Darstellung von Ebonit verbraucht (Rother's Telegraphie), so dass die fertige Masse durch den Zusatz von Schwefel und Magnesia auf wenigstens 80,000 Ztr. veranschlagt werden muss.
[46] Hier könnten Professor Huxley's Anhänger ausrufen: Was kein Verstand des Verständigen sieht, das ahnet in Einfalt ein kindlich Gemüth.
[47] Herr Blundell, Guvernör von Singapore, früher Resident-Councillor in Malacca, sagt über diese Zustände:.. „Es leidet keinen Zweifel, dass die winzigen, unmittelbar angrenzenden Staaten alle zusammen in einem traurigen Zustande von Anarchie und Unordnung sind, ohne feste Regierung, und weder Sicherheit des Eigenthums noch der Person gewähren.... Die Häuptlinge, gleichviel unter welchem Titel, sind raubgierig, bereit, sich jeder Partei zu verdingen die ihren Namen kaufen, und ihren Einfluss benutzen will.... Wir haben selbst in unserer Weisheit durch Prangen mit Uneigennützigkeit sehr zu diesem Ergebniss beigetragen..... Die Holländer hatten, wenigstens in den letzten Jahren ihrer Herrschaft diese Länder fest im Zaum, und wenn sie auch nicht viel zivilisirten, so hielten sie wenigsten Ruhe unter ihnen, und zogen nicht unbedeutende Summen aus dem Zinnmonopol. Wir aber haben aus einer nicht erklärten Ursache ein genau entgegengesetztes System angenommen; nicht nur haben wir jeder Einmischung irgend einer Art entsagt, sondern wir haben ihnen auch, mit der ausgesprochenen Absicht unsere Uneigennützigkeit darzuthun, und ohne dass ein Anspruch oder ein Verlangen danach gestellt worden wäre, einige der reichsten Erzgebiete, die früher zu Malacca gehörten, überlassen, wo mehrere hundert Menschen nützlich beschäftigt waren die dort vorhandenen reichen Zinn- und Goldadern auszubeuten und wo jetzt die wenigen diesen Arbeiten Obliegenden in immerwährender Gefahr schweben von irgend einem winzigen Häuptling geplündert und ermordet zu werden, der es sich in den Kopf setzt, dies Mittel zu ergreifen um sich etwas Geld zu verschaffen..... Diese Gebiete sind auf bestem Wege, Sammelplätze für Räuber u. s. w. zu werden, die uns schliesslich zwingen werden, zum Schutz unserer eigenen Bevölkerung das Land zu besetzen, was wir gerade durch unsere Uneigennützigkeit zu vermeiden wünschten.”
[48] Als Seltenheit soll es zwar bei den Goldwäschen in Miask und auch in Guyana gefunden worden sein. Von Schwefelverbindungen ist nur der Zinnkies, ein sehr seltenes Mineral von St. Austle in Cornwall bekannt.
[49] Zur gänzlichen Entfernung des Wolframs kennt man noch kein bewährtes Mittel.
[50] Die Zinneinfuhr in Singapore, die den grössten Theil des auf der Halbinsel gewonnenen Zinns umfasst, betrug 1865: 56098 Pikul = 3340 Tons (darunter ca. 6000 Pikul von Kalantan und Tringano). Cameron giebt den Werth der Zinnausfuhr von Malacca 1863 auf 388357 £ an, was bei dem damals sehr hohen Durchschnittspreis von 27 Dollars per Pikul (der gewöhnliche Preis ist 22 Dollars) 3806 Tons giebt; man kann also wohl 3500 Tons als Durchschnitt annehmen. Die Zinnausfuhr von Pinang nach Europa und Amerika (meist Junk-Ceylon Zinn) war für 1859–64: 40188 Pikul per Jahr = 2392 Tons. Banca produzirte 1859–64 durchschnittlich: 169374 Blöcke und Billiton 13139, zusammen 182514 Bl. = 6114 Tons. So erhält man als die Summe des in die drei Hauptniederlagen eingelieferten Zinns jährlich 12006 Tons, wozu noch der Ertrag von Siam und das direkt von den Zinnländern nach China und Japan verschiffte zu rechnen ist, eine bedeutende Menge, worüber aber genauere Angaben fehlen. Man ersieht daraus, dass schon gegenwärtig das malayische Indien das meiste Zinn produzirt; denn die Produktion von Cornwallis und Devon beträgt etwa 10,000 Tons. — Vom Zollverein erzeugt nur Sachsen ca. 100 Tons, auch in Oestreich wird etwas gewonnen. Nach Tschudi soll Bolivia das reichste Zinnland der Welt, das Erz aber nicht zu verwerthen sein, da es nur durch monatelangen Lamatransport aus den Bergen herabgeschafft werden kann.
[51] Folgendes ist der streitige Artikel des Vertrages: „Art. 12. Seine Niederl. Majestät nimmt die Einwendungen zurück, welche gegen die Besitznahme des Insel Singapore durch die Unterthanen Seiner Britischen Majestät gemacht worden sind. Seine Britische Majestät verpflichtet sich indessen, dass keine Britische Niederlassung auf den Carimon-Inseln oder auf den Inseln Batam, Bintang, Lingin oder auf irgend einer der andern Inseln südlich von der Strasse von Singapore gegründet, noch ein Vertrag von einer britischen Autorität mit den Häuptlingen dieser Inseln geschlossen werden soll.
[52] Es scheint eine grosse Härte, den armen Frachtfuhrleuten die schöne Strasse zu verbieten; doch ist es nicht wohl zu ändern, da ihre aus massiven Holzscheiben bestehenden, ursprünglich runden, durch Abnutzung aber bald vieleckig gewordenen Räder die beste Strasse in kurzer Zeit zu Grunde richten würden. Karren mit ordentlichen Rädern ist die Benutzung der Poststrasse gestattet.
[53] Die Zeichnung ist von Batu-tulis, etwas südlich von Buitenzorg, aufgenommen.
[54] Trotz aller Befürchtungen steht gegenwärtig der Preis des Chinins sehr niedrig und ist seit dem Krimkrieg fortwährend gefallen. — Auch hat man nach einer Mittheilung, die Prof. Karsten erhielt, jetzt bei Loxa Cinchonapflanzungen angelegt, deren Rinde man alle 6 Jahre zu verwerthen erwartet.
[55] Am 19. April 1865 ist er, erst 36 Jahre alt, in Balanta, an der Ostküste von Celebes, den Strapazen und Wirkungen des Klimas erlegen, die er als Leiter einer mehrjährigen, mit grossem Erfolg ausgeführten Entdeckungsreise in Neu-Guinea und Gilolo erduldet hatte.
[56] Herausgegeben von der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse in Amsterdam.
[57] Die Arachis ist ein unscheinbares, auf dem Boden kriechendes, krautartiges Gewächs mit langgestielten Schmetterlingsblüthen. Die Blüthen über dem Boden bleiben unfruchtbar, gewöhnlich senkt sich aber die Schote in die Erde und reift dort 2 bis 3 Kerne von Haselnussgrösse. Daher der Name Grundnuss. Die Pflanze gedeiht in allen tropischen und subtropischen Ländern und wird auch im südlichen Europa, besonders in Spanien, gebaut, wo ihre Früchte, geröstet, als Mandeln gegessen werden. Der Anbau dieser Pflanze nimmt seit einigen Jahrzehnten ausserordentlich zu, veranlasst durch die Nachfrage in Europa. Fast der ganze Export aller Produktionsländer geht nach Südfrankreich, hauptsächlich nach Marseille, von wo aus das daraus gewonnene Oel unter dem Namen Olivenöl über die ganze Welt verbreitet wird. Die Fabrikation hat dort solche Vollkommenheit erreicht, dass selbst Kenner kaum im Stande sind, einen Unterschied zwischen dem Olivenöl und dem Katjang-Oel zu finden. Letzteres vertritt daher das Oliven- und Mandelöl in allen seinen Anwendungen.
Bereits am 12. Juni 1852 sagte Dumas in der Société d'Encouragement: „Olivenöl ist gegenwärtig auf einen ausserordentlich hohen Preis gestiegen, nicht nur im südlichen Frankreich, sondern auch an den Küsten von Italien, wo die Olivenbäume ganz verschwunden sind. Das Oel der Arachis, deren Name fast noch ganz unbekannt, ist ohne Zweifel eins der wichtigsten Produkte. Vor 8 oder 10 Jahren kam ein Marseiller Haus auf den glücklichen Einfall, 4 oder 5 ℔ Katjang-Oel nach Frankreich zu bringen, und seitdem hat die Einfuhr so zugenommen, dass sie jetzt eine Höhe von 70 Millionen Kilogr. erreicht. Dieser grosse Verbrauch lässt sich leicht begreifen, wenn man in Betracht zieht, dass das Katjang-Oel fast alle Eigenschaften des Olivenöls besitzt.” Im Journal des Débats vom 12. Oct. 1863 heisst es: Vor 20 Jahren war die Arachis von Senegambien nicht einmal in unsern Zolllisten aufgeführt; heut werden in Frankreich allein 500,000 Kilogr. eingeführt. Der Anbau hat so zugenommen, dass er den Sklavenhandel auf jener Küste verdrängt hat.” Als Surrogat für die geringen Speiseöle, an die man in Berlin gewöhnt ist, wird aber nicht sowohl Arachis-, als das viel billigere Sesamum-Oel, welches in noch viel grösserer Menge, namentlich von Kurratschi eingeführt wird, verwendet.
[58] Bei Gelegenheit der Vorarbeiten für die Eisenbahn hat man einen viel niedrigeren Pass gefunden, über welchen jetzt eine neue Strasse mit Umgehung des Megamendong angelegt wird. Sie ist bereits bis auf die Brücken vollendet (1865).
[59] Auch er ist bereits am 24. April 1864 in Lembang gestorben; doch hat er sich ein bleibendes Denkmal errichtet durch sein von Hasskarl auch ins Deutsche übersetzte Werk: Java, seine Gestalt, Pflanzendecke und innerer Bau.
[60] Daendels hatte einen Regenten abgesetzt, weil er eine Strasse zu steil über ein Bergjoch geführt hatte; — aus Furcht vor einem ähnlichen Schicksal baute ein andrer Fürst die Strasse im Zickzack durch die Ebene.
[61] Man muss sie aber nicht, wie häufig geschieht, mit einem andern Feigenbaum, F. religiosa, dem heiligen Baum der Buddhisten verwechseln, der im Ganzen viel Aehnlichkeit mit unserer Silberpappel hat und keine Seitenstämme bildet. Seine an ihrer sehr lang ausgezogenen schwanzartigen Spitze kennbaren herzförmigen Blätter bestehen aus einem so dichten Netzwerk fester dünner Fasern, dass nach Entfernung der Blattsubstanz durch Mazeration und Bleichen ein filigranartiges Skelett zurückbleibt, welches gefirnisst und miniaturartig bemalt, jetzt häufig als Kuriosität von China mitgebracht wird.
[62] Dike (spr.: Deik) nennt man die im flüssigen Zustand in die Spalten der Kegelberge eingedrungene, nach dem Erkalten fest gewordene Lava.
[63] Wie schon bei Gelegenheit der Zinnablagerungen angedeutet, werden mit der Zeit durch Einwirkung von Wasser und Luft die härtesten Gesteine zersetzt. Die Hauptgemengtheile der meisten krystallinischen Gebirgsarten (nicht-krystallinische sind schon Zersetzungsprodukte) bestehen aus Doppelverbindungen von Thonerde-Silikaten und Alkali- (oder Kalk-) Silikaten. Erstere sind als Thon (in reinem Zustand Kaolin) wohl bekannt. Zur Versinnlichung der letzteren kann das künstlich dargestellte, in der Technik jetzt vielfach angewendete Wasserglas (kieselsaures Kali oder Natron) dienen. Erstere sind unlöslich und bleiben bei dem Verwittern des Gesteins übrig, während die löslichen Alkali- und Kalk-Silikate theils als solche, theils nach Einwirkung von Kohlensäure als kohlensaure Salze durch die Gewässer fortgeschafft werden.
Was durch Luft und Wasser bei gewöhnlicher Temperatur sehr langsam, wenn auch ununterbrochen, stattfindet, wird viel schneller bewirkt durch heisses Wasser, heisse Dämpfe und Gase, wie sie aus hier nicht näher zu erörternden Ursachen namentlich häufig in Vulkanen und ihrer Nachbarschaft auftreten. Ausströmungen von heissen Gasen und Dämpfen nennt man Fumarolen, Ausströmungen von Kohlensäure Mofetten; da dieses Gas 11/2 mal so schwer ist als atmosphärische Luft, so breitet es sich am Boden aus und bildet zuweilen, an Stellen, die gegen den Luftzug geschützt sind, so hohe Schichten, dass Thiere, die hineingerathen, darin ersticken. Solfataren heissen die Punkte, in deren Dampfausströmungen die schwefelhaltigen Gase vorwiegen: Schwefelwasserstoff, durch dessen Zersetzung der die Wände bekleidende Schwefel gebildet wird, und schweflige Säure, die sich beide durch Zutritt feuchter Luft in Schwefelsäure verwandeln, endlich Schwefel in Dampfform. Während Wasser und Luft in der Art auf die Gesteine einwirken, dass unlösliche Thonerde-Silikate übrig bleiben, vermögen die in den Solfataren sich fortwährend bildenden starken Säuren des Schwefels die Doppel-Silikate vollständig zu zersetzen. So entsteht aus alkalihaltigen Doppel-Silikaten Alaun (schwefelsaure Thonerde verbunden mit schwefelsaurem Alkali), aus kalkhaltigen Doppelsilikaten Gyps (schwefelsaurer Kalk). Alaun und Gyps bleiben mit dem halb zersetzten Gestein und dem stets neben ihnen gebildeten Thone gemengt, oder werden vom Wasser gelöst und an Nebenpunkten wieder abgesetzt. Es würde zu weit führen, die Vorgänge in den Solfataren näher in Betracht zu ziehen; daher mögen auch die Wirkungen der häufig auftretenden Salzsäure hier unberücksichtigt bleiben. Zum oberflächlichen Verständniss der beschriebenen Erscheinungen in Kawa-manuk wird das Gesagte genügen. Wesentlich dieselben Erscheinungen wiederholen sich, wenn auch in sehr verschiedener Intensität, in allen Solfataren; ich werde daher später nicht wieder darauf zurückkommen.
[64] Zum Verständniss dieser Werthsteigerung bei feststehenden Preisen muss erwähnt werden, dass der Thee in 8 Sorten, 4 schwarzen, 4 grünen, von verschiedenem Werth, abgeliefert wurde, und dass die Fabriken gelernt hatten, die theuren Sorten in grösserer Menge zu produziren.
[65] Der Unterschied zwischen den Ergebnissen der Theekultur durch freie Arbeiter unter Unternehmern, die für eigene Rechnung wirthschafteten und den Resultaten, welche die Regierung durch Zwangsarbeit unter Aufsicht von Beamten erlangte, sind so schlagend und volkswirthschaftlich so interessant, dass ich einen kleinen Auszug aus Dr. W. Bosch, Vrije en gedwongen Arbeid, Tydschr. v. Ned. Ind. 1858 II 297 anführe, in welchem folgende, amtlichen Berichten entnommene Thatsachen gegenübergestellt sind:
667 Arbeiter (freiwillige) produziren 1855 auf 560 Bau: 344,849 ℔ Thee, also 11/5 Arbeiter per Bau, 517 ℔ per Arbeiter, 615 ℔ per Bau. |
4,375 Arbeiter (gezwungene) produziren 1855 auf 660 Bau: 87,312 ℔ Thee, 61/2 Arbeiter per Bau, 22 ℔ per Arbeiter, 1321/2 ℔ per Bau. |
Der Arbeitslohn ist unbekannt. Angenommen, sie hätten das ganze Jahr hindurch 360 Tage, à 20 Deuten, gearbeitet, dann hätte die Bebauung gekostet 72 fl. per Bau d. h. 80% mehr als die Regierung dafür zahlte; und gleichwohl kosten die 615 ℔ Thee, die dafür erhalten werden, nicht mehr als 12 cents pro ℔, d. h. nur 40 % von dem, was die Regierung dafür bezahlte; und dennoch hat der Arbeiter bei dem Privatmann 3mal so viel per Tag verdient, als der Arbeiter in Bagelen, selbst wenn dieser nicht mehr als 100 Tage per Jahr zu arbeiten hätte. | 6 Arbeiter per Bau angenommen, die zusammen 40 fl. 72 c. erhalten, giebt 6,79 fl. per Arbeiter. Angenommen, dass Jeder nicht mehr als 100 Tage gearbeitet hätte, so würde der Tagelohn 63/4 cents betragen, und das ℔ Thee auf 30 cents zu stehen kommen. |
Aus diesen amtlichen Angaben geht hervor, dass freie Arbeit 25mal produktiver war als Zwangsarbeit, dass der Boden 5mal so viel trug, dass das Produkt der Privatleute noch nicht die Hälfte kostete, während ihre Arbeiter 3mal so viel verdienten.
[66] Nicht sowohl die Varietät des Theestrauches, als vielmehr Boden, Lage und Klima bedingen die Qualität (ähnlich wie beim Wein). In China giebt es Gegenden, wo nur grüner Thee fabrizirt wird, nicht, weil man aus den Sträuchern keinen schwarzen Thee machen kann, sondern weil der dort gewonnene grüne Thee besser ausfällt, als der schwarze. In Java finden solche Unterschiede noch nicht statt; man bereitet grünen und schwarzen Thee auf derselben Plantage.
[67] Die Rongengs sind öffentliche Tänzerinnen, sie fehlen bei keinem grösseren Feste; ihr Tanz versetzt die Eingebornen oft in Entzücken und reisst zuweilen selbst die Vornehmsten hin, sich daran zu betheiligen. Ihre Kunst besteht mehr im Biegen und Wenden der Glieder als in graziöser Fortbewegung. — „Die Rongeng gehört dem Staat, der Oeffentlichkeit. Ueber eine Frau, die sich als Rongeng einschreiben lässt, verliert der Ehemann sein Recht, sowie auch ihre Eltern.” (Brumund, Indiana.) Sie sind völlig frei bis auf die polizeiliche und ärztliche Kontrolle.
[68] Eigentlich Kerne.
[69] Der Musang ist ein kleines Raubthier, das nur die reifsten Früchte nascht und nur ihre fleischige Hülle verdaut. Die nur aus Kaffeebohnen bestehenden, vom Musang ausgeworfenen, vom Regen abgewaschenen Häufchen werden besonders gesammelt und von den Packhausmeistern für begünstigte Kunden aufgehoben, da sie den wohlschmeckendsten Kaffee geben. — Der Musang befindet sich fast in jedem zoologischen Garten.
[70] Trotz der sehr vermehrten Bevölkerung nimmt die Zahl der Bäume ab. 1851 zählte man: 231,693,843 und 1861: 223,301,000 fruchttragende Bäume. In dem viel kleineren, besonders aber an Arbeitskräften so viel ärmeren Ceylon hat sich die Kaffeeproduktion, die 1850 kaum 1/4 derjenigen von Java betrug, so gehoben, dass sie 1862 schon mehr als 2/3 derselben gleichkam. Den meisten Kaffee liefert gegenwärtig Brasilien, das allein so viel erzeugt, als alle übrige Kaffeeländer zusammen ... 1858/59: Brasilien 346, Java 135, Ceylon 70, alle übrigen Kaffeeländer zusammen 155 Millionen Zollpfund, im Ganzen also 696 Millionen Zollpfund.
[71] In den Regierungspflanzungen betrug 1854/57 die Zahl der Kaffeebäume durchschnittlich: 295,276,073, wovon 221,295,764 fruchttragende; die Ernte 962,876 Pikul oder etwas über 1/2 ℔ per Baum. — 1828, vor Einführung des Kultursystems, erntete man 416,000 Pikul von etwa 50,000,000 Bäumen, d. h. über 1 ℔ per Baum, im günstigsten Jahre nach Einführung des Systems (1855) 1,264,000 Pikul von 300,000,000 Bäumen, d. h. etwas über 1/2 ℔ per Baum, so dass sich die Zahl der Bäume seit 1832 zwar versechsfacht, der Gesammtertrag aber nur verdreifacht hatte. Seit 1840 ist die Kaffeeproduktion auf Java, einige besonders günstige Jahre ausgenommen, stationär geblieben. Das auf Zwang beruhende künstliche System hatte also schon nach 8 Jahren seine Kraft erschöpft.
[72] In Arabien war der Kaffee als Getränk wohl schon Ende des 15. Jahrhunderts bekannt; 1556 wurde das erste Kaffeehaus in Konstantinopel, 1652 in London, 1671 in Marseille, 1672 in Paris, 1683 in Wien errichtet. Wie man darauf gekommen sein mag, die harten, unschmackhaften Samen zu rösten und ein Getränk daraus zu bereiten, ist durchaus unbekannt. Es ist höchst merkwürdig, dass das Kaffeïn, das eigentlich Wirksame im Kaffee, chemisch identisch ist mit Theïn und beliebig aus Kaffeebohnen oder Theeblättern dargestellt werden kann, dass es ebenfalls im Paraguaythee oder Mate enthalten ist, und dass die Pflanzen, die es liefern, ganz verschiedenen natürlichen Familien angehören. Noch auffallender ist es, dass gerade diese Pflanzen von halbzivilisirten, weit von einander entfernt wohnenden Völkern zum Getränk erkoren wurden. Die daraus bereiteten Aufgüsse regen an, ohne zu berauschen, und haben deshalb einen höchst wohlthätigen Umschwung in der Lebensweise der zivilisirten Völker hervorgebracht. Ihre schnelle, immer wachsende Verbreitung ist ein erfreuliches Zeichen zunehmender Gesittung. Nicht erfreulich, aber recht interessant ist auch „die plumpe Selbsttäuschung der Cichorientrinker, die aus Armuth und Unwissenheit einen Absud geniessen, der vom Kaffee nichts weiter hat, als die Farbe. Es dürfte kaum zweifelhaft sein, dass mit der Aufklärung des Publikums über den wahren Werth des Kaffees die Cichorienfabriken alsbald eingehen müssten.” (Knapp's Technologie II 83.)
[73] Folgende Rezepte stammen aus sehr guten Quellen:
1. Allgemeines Kari-Pulver, 2 verschiedene Sorten. Man mische zum Pulver No. 1 die uneingeklammerten, zum Pulver No. 2 die eingeklammerten Gewichtstheile folgender Gewürze: Koriander 48 (8), schwarzer Pfeffer 24 (8), Curcuma 19 (8), Kümmel 12 (2), Capsicum 6 (1), Reismehl 4 (2), Cardamom 2 (1), Nelken 1 (0), Ingwer 0 (4), Trigonella foenum graecum 0 (6).
2. Krebs-Sambal: Zu 2 Stück feingeschnittenen Zwiebeln und 2 Stück Knoblauch setze man 3 Theelöffel Balatschong (siehe unten), 1/2 Theelöffel Curcumapulver, 1/2 Quart Krabben- oder Krebsschwänze, lasse alles etwas braten, füge Tomaten oder Tamarinden, Capsicum, 1/2 Tasse Kokosmilch (siehe unten) hinzu und lasse es schmoren.
3. Bengal-Kari: Zu 3 grossen, feingeschnittenen, in Butter gebratenen Zwiebeln setze man folgende in einem steinernen Mörser sehr fein gestossene mit etwas Wasser angefeuchtete Gewürze: 2 Nelken, 1 Capsicum, 2 Theelöffel Koriander, 2 Prisen Anis, 1 desgl. Kümmel, 2 Stück Knoblauch, 1/2 Theelöffel Zimmet und etwas Ingwer, 1 Theelöffel Curcuma. Nachdem alles etwas gebraten, setze man 1 ℔ in kleine Stücke geschnittenes Fleisch dazu (Rind, Kalb, Hammel, Wild, Geflügel oder Fisch), und eine Tasse voll Kokosmilch oder guter Brühe und lasse es schmoren.
4. Madras-Kari: Man brate 2 kleine fein geschnittene Zwiebeln in 2 Unzen Butter, setze vom Karipulver No. 2 dazu und verfahre übrigens wie bei dem Bengal-Kari, man kann auch etwas Zitronensaft hinzufügen.
5. Malayische Karis unterscheiden sich von den indischen wesentlich nur durch einen viel bedeutenderen Zusatz von Cocosmilch; sie sind daher gelblich statt braun, flüssiger, weniger gewürzt und werden Europäern, die an starke Würzen nicht gewöhnt sind, wohl besser schmecken. — Zu allen Karis isst man das 3- oder 4fache Volumen Reis, in Dampf gekocht.
6. Balatschong ist eine mehr oder weniger feste Paste, aus gestossenen Krabben bereitet, die vorher etwas eingesalzen und an der Sonne getrocknet worden; sie lässt sich sehr annähernd durch ein Gemisch von Shrimp- und Anchovy-Sauce ersetzen.
7. Cocosmilch, nicht zu verwechseln mit der aromatischen, angenehm süsslichen Flüssigkeit, die den inneren Raum junger Kokosnüsse ausfüllt, und Allen, die tropische Küstenländer bereist haben, in dankbarer Erinnerung bleibt, erhält man, indem man die mandelartige Substanz, mit welcher die holzige Schale der reifen Nuss inwendig gefüttert ist, fein raspelt, mit Wasser vermengt und unter starkem Druck auspresst. Die erhaltene Flüssigkeit ist eine Emulsion, ähnlich der Mandelmilch. Ist Kokosmilch nicht zu haben, so lässt sie sich am besten durch Thiermilch ersetzen.
[74] Der Gamelang, das javanische Orchester, ist in Raffles und Crawfurd beschrieben und abgebildet. Die Instrumente bestehen hauptsächlich aus sehr wohlklingenden metallischen Becken und metallischen und hölzernen Stäben, die mit Ausnahme der grössten Becken (Gongs), welche an Gestellen aufgehängt sind, auf Resonanzböden oder auf straffen Stricken liegen, und wie Lauten geschlagen werden. Pauke, Flöten und eine Art Violine sind auch dabei. Ueber die Musik der Javanen sagt Crawfurd: „Die Musik ist wahrscheinlich die Kunst, in welcher die Javanen im Vergleich zu den meisten asiatischen Völkern den grössten Fortschritt gemacht haben. Die javanischen Melodien sind wild, klagend und mehr als alle andre asiatische Musik, vielleicht die der Perser nicht ausgenommen, dem europäischen Ohr wohlgefällig..... Der verstorbene Dr. Crotch, ein sehr kompetenter Richter, gab mir, nachdem er die schöne Sammlung von Instrumenten, die Sir Stamford Raffles nach England gebracht, besichtigt hatte, seine Meinung über dieselben sowohl, als über den allgemeinen Charakter der javanischen Musik. Ueber die einfachen Gongs sagte er, der Ton dieses Instrumentes sei zugleich mächtig und süss, seine Intonation klar und vollkommen; und über die Perkussions-Instrumente im Allgemeinen bemerkte er, dass er erstaunt und entzückt wäre über ihre sinnreiche Anfertigung, ihre Pracht, Schönheit und vollendete Intonation. In Bezug auf den Charakter der javanischen Musik im Allgemeinen machte er folgende Bemerkungen: „Die Instrumente haben alle dieselbe Skala wie die, welche durch die schwarzen Tasten des Pianos hervorgebracht wird, in welcher so viele der schottischen und irischen, alle chinesischen und einige der besten indischen und nordamerikanischen Melodien komponirt sind.”
[75] Eine in Paris erworbene echte Calisaya war schon April 1852 in Batavia angekommen; sie starb, aber 2 Ableger derselben waren 1862 zu 20 Fuss hohen Bäumen herangewachsen.
[76] Am 20. Juli 1856 waren vorhanden 99 C. Calisaya, 140 C. Pahudiana, 7 C. lanceolata, 1 C. succirubra, 3 C. lancifolia, 1 C. pubescens. (de Vrij Cultivation of Quinine in Java and British-India.)
[77] Seine Untersuchungen ergaben sehr günstige Resultate für die Calisaya-Rinden, nur waren, wegen der fehlerhaften Kulturmethode im tiefen Schatten, die Rinden viel dünner als die südamerikanischen. In der Pahudiana- Rinde fand er aber nur Spuren von Arzneistoffen; erst 1861 entdeckte er in der Wurzelrinde einer 8jährigen Pflanze eine grössere Menge (3%) und fand später sowohl in Java als in Britisch-Indien junge Wurzelrinde nimmer reicher an Alkaloiden als Stammrinde. Nach einem Bericht der Tyd. N. I. Febr. 1866 scheint es, dass man jetzt in Java die jungen Wurzelrinden ausbeuten will.
[78] Nach Professor Karsten's langjährigen an Ort und Stelle gemachten Erfahrungen verlangen die alkaloidreichen Arten einen relativ kalten, nebelreichen und mit Sonnenblicken wechselnden Standort.
[79] Mac Jvor zieht gar keine Sämlinge mehr, ausser etwa von neuen Arten — er vermehrt nur noch durch Ableger und Knospen (cuttings and buds). de Vrij.
[80] Herr de Vrij theilt mir mit, dass er im August 1865 in einer Rinde von C. succirubra, aus den Neilgherries, 11% (!) Alkaloide fand, wovon der grösste Theil aus Chinin bestand, während die besten Perurinden selten mehr als 5% geben; und nach Prof. Karsten fand Howard sogar in den Blättern der in Ostindien gewachsenen C. rubra, Chinin in genügender Menge, um es darzustellen.
[81] Andere endogene Pflanzen, besonders Pandaneen, liefern aber auf diese Weise noch bessere Pinsel; in den Philippinen dienen diese allgemein zum Tünchen der Wände.
[82] Siehe auch: Brücke bei Wonosobo.
[83] Die Passvorschriften sind jetzt aufgehoben.
[84] Wahrscheinlich Kleinhoffia hospita, vergl. Hasskarl Anteekeningen over het nut ... 835.
[85] Die grössten Teakwälder kommen in den gebirgigen Theilen von Malabar, Birma und Siam vor, sie waren eine der Hauptursachen für die Besitznahme von Tenasserim durch die Engländer, und werden auch wohl die Veranlassung zur allmäligen Erschliessung der nördlich von Siam und Birma gelegenen Laosländer werden. Die regelmässige Beschaffung einer zureichenden Menge Teakholz für die englische Marine ist so wichtig geworden, dass wahrscheinlich demnächst die Gründung eines Vice-Consulats in Chang-mai, der Hauptstadt von Süd-Laos bevorsteht. — „Malabar ausgenommen, liefert Java das beste Teak, jenes wird für Kiele, dieses für Planken vorgezogen. Teakschiffe sind durch gewöhnliche Abnutzung fast unzerstörbar; Beispiele, dass sie 80 und 100 Jahre gedauert haben, sind nicht selten.” (Mac Culloch 1859.)
[86] Selbst noch als Ceylon an die britische Krone überging, verpflichtete sich die ostindische Kompanie, jährlich 60,000 £ für 400,000 ℔ Zimmet zu zahlen, und es wurde festgesetzt, dass der etwaige Mehrertrag verbrannt werden sollte. (Capper Port and trade of London 371.)
[87] Der Zimmet stammt aus Ceylon; er war schon im Alterthum bekannt und hoch geschätzt, mehr wegen seines Wohlgeruchs, denn als Gewürz. Man erhielt ihn über Arabien. Erst durch Entdeckung des Seewegs nach Indien wurde sein Vaterland den Portugiesen bekannt. Von diesen ging der Zimmethandel an die Holländer über, die ihn nach den damals herrschenden handelspolitischen Ansichten zum Gegenstand des strengsten Monopols machten. Regelmässige Pflanzungen wurden zuerst 1765 angelegt, bis dahin benutzte man nur wilde Pflanzen. Als 1796 die Engländer Ceylon nahmen, war Zimmet das Hauptprodukt der Insel. Sie setzten das Monopol und das damit verbundene System der Zwangsarbeit mit unglaublicher Strenge fort. — Wenn in irgend einem Garten eine Zimmetpflanze aufging, so durfte sie der Besitzer des Gartens nicht als sein Eigenthum betrachten, eben so wenig durfte er sie vertilgen, sondern er war gezwungen, sie für die Regierung zu pflegen und aufzuziehen; und nach dem alten holländischen Gesetz wurde dem, der einen Zimmetbaum fällte, die rechte Hand abgehauen (Porter). Erst 1833 wurde der Zimmetbau und -Handel auf Ceylon freigegeben, nahm aber nicht sehr zu, weil die englische Regierung einen Ausfuhrzoll von 200–300% ad valorem darauf legte. Nächst Ceylon liefert Cochinchina den meisten Zimmet. Letzterer geht nach China, wo er dem von Ceylon vorgezogen wird.
[88] Tijdschrift voor taal-land-en. volkenkunde. 1853, I, 304.
[89] Adat heisst: alter Brauch, alte Sitte, und hat für den Inländer Gesetzeskraft.
[90] Over de zoogenoemde eetbare Vogelnesten. — Beiträge zur näheren Kenntniss der Gattung Collocalia Gr.
[91] Demselben, der das duftende Agallocheholz liefert, in Java aber nicht vorkommt.
[92] Vergl. Zeichnung: die Bündel bestehen aus Bambusen, die Seile aus Rotang.
[93] Der mich begleitende Javane erklärte sie folgendermassen: der grösste, ruma radja (Haus des Königs), die übrigen: Häuser der Frauen und Verwandten, der fünfte, ruma dija punja jonge (das Haus für den Diener). Das holländische Wort, das zur Bezeichnung eines Dieners ins Malayische übergegangen, machte sich sonderbar genug in dieser antiquarischen Erläuterung.
[94] Nach einer neueren Beobachtung (Proc. Zool. Soc. 1863, pag. 439) fangen sie auch Fische. Dr. Schott beobachtete in Conleeveram, wie die Kalongs über den Teichen schwebten, die Fische mit den Klauen packten und dann auf Tamarindenbäume flogen, um sie zu verzehren. Er hielt sie erst für Vögel, schoss aber am andern Abend mehrere im Akt des Fischens und wiederholte die Beobachtung mehreremal.
[95] 1849 beauftragte der damalige General-Guvernör zwei geschickte Zeichner, die Herren Wilsen und Schomberg, sämmtliche Reliefs und Statuen von Borobudor für den Steindruck zu zeichnen. Die Arbeit hat mehrere Jahre in Anspruch genommen und soll sehr gut ausgefallen sein. — Obgleich ich schon bei meiner Anwesenheit in Java einige Probedrucke gesehen, scheint das Werk, das mit erläuterndem Text erscheinen soll, noch nicht herausgegeben zu sein. Herr W. hat auch in der Tijds. v. T. L. en V. einen Aufsatz über Borobudor bekannt gemacht, dem obige Maasse und noch einige der folgenden Angaben entnommen sind, nur ist statt niederl. Ellen der gleichwerthige, bekanntere Ausdruck Meter gesetzt.
[96] Um einen solchen Eimer zu machen, faltet man das grosse, fächerförmige Blatt wie einen aus Papier geknifften Fächer zusammen, näht die sich berührenden Ränder je zweier Blattspitzen, von da an, wo sie sich theilen, zusammen, und biegt das Blatt ringförmig, die Rippen nach Aussen, so dass die Blattspitzen und der Ansatz des Blattstiels über einander greifen; diese werden fest zusammengebunden und bilden die Handhabe des Eimers, der nur noch wie das Verdeck eines Wagens oder der Ugly einer Engländerin entfaltet zu werden braucht und die Form eines in der Richtung der Axe durchgeschnittenen sehr flachen Kürbis hat.
[97] Nach den neuesten Nachrichten (1865) ist diese blühende Industrie in Jokjokarta fast gänzlich zu Grunde gegangen, indem die Pflanzen durch Insekten zerstört wurden.
[98] Dicht am Stamm vieler Bäumchen war ein mit Wasser gefüllter poröser Topf bis an den Rand in den Boden eingegraben; das langsam durchsickernde Wasser erhält die Wurzeln feucht, die ein dickes Geflecht um den Topf bilden sollen. Vielleicht ist dies Verfahren, das ich in Europa nie gesehen, in wasserarmen Gärten oder für besondere Zwecke in der Gärtnerei anwendbar.
[99] In Mexico kauen zwar Männer und Weiber, letztere mit wahrer Leidenschaft, ein Gummi, Cicle genannt, den verdickten Milchsaft einer an der Westküste wild wachsenden Sapota (Zapote chico), das in Speichel völlig unlöslich, geschmack- und geruchlos ist. Die Substanz hat grosse Aehnlichkeit mit Guttapercha, die man von einer ebenfalls zu den Sapotaceen gehörenden Pflanze (Isonandra) gewinnt und wird etwa bei derselben Temperatur plastisch; man formt Blumen und allerlei Spielereien daraus; in der Technik findet sie noch keine Verwendung, da ihr hoher Preis, 1 Dollar per ℔, es verhindert.
[100] Was ich für Muthwillen gehalten, hatte vielleicht einen andern Grund. Van Dooren erzählt, dass ihn sein Kutscher bei einer ganz ähnlichen Gelegenheit mit den Worten beruhigte: „Fürchten Sie sich nicht, Herr, der Tiger will sich ein Pferd holen.”
[101] Gegenwärtig (1865) ist eine Eisenbahn zwischen Samarang und Surakarta in vollem Bau; das Samarang zunächst gelegene Stück ist bereits mit der Lokomotive befahren worden. Dieselbe Gesellschaft baut eine andre Bahn zwischen Batavia und Buitenzorg. Mit diesen beiden kurzen Strecken wird sich zunächst wohl der Verkehr begnügen müssen. Eine andre Gesellschaft, welche über ganz Java ein Eisenbahnnetz legen wollte, kam leider mit ihren Anträgen zu spät und erhielt keine Konzession, weil eine solche die jener ersten Gesellschaft gemachten Zugeständnisse verletzt haben würde.
[102] Von 3 Schiffsladungen voll javanischer Kunstdenkmäler, die Prof. Reinwardt nach Holland sandte, versank eine im Schiff Ida en Adelaide, eine zweite im Kriegsschiff Amsterdam, die dritte im Schiff Evereus, welches verbrannte. (Brumund Indiana.)
Berge unter Gunong, Tempel unter Tjandi zu suchen. J = Java, M = Malacca, S = Singapore.
Buchdruckerei von Gustav Lange in Berlin, Friedrichsstrasse, 103.
Folgende Inkonsistenzen wurden belassen, da beide Schreibweisen üblich waren:
Im Text wurden folgende eigentümliche Schreibweisen nicht geändert, da es zur Zeit der Texterstllung keine einheitliche Schreibweise gab:
Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen: