Title: Psychologie und Logik: zur Einführung in die Philosophie
Author: Theodor Elsenhans
Release date: December 16, 2013 [eBook #44442]
Language: German
Credits: Produced by Norbert H. Langkau, Peter Becker and the Online
Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
Sammlung Göschen
zur Einführung
in die
Philosophie
Für Oberklassen höherer Schulen und zum Selbststudium
dargestellt von
Dr. Th. Elsenhans
Mit 13 Textfiguren
Vierte, verbesserte Auflage
Zweiter Abdruck
Leipzig
G. J. Göschen'sche Verlagshandlung
1904
Alle Rechte, insbesondere das Übersetzungsrecht, von der Verlagshandlung vorbehalten.
Herrosé & Ziemsen, Wittenberg.
Einleitung. | |||
Seite | |||
§ | 1. | Aufgabe und Einteilung der Philosophie | 7 |
§ | 2. | Überblick über die Geschichte der Philosophie | 9 |
§ | 3. | Die Bedeutung der Psychologie und der Logik | 11 |
Psychologie. | |||
§ | 4. | „Empirische” und „rationale” Psychologie | 14 |
Abschnitt 1. Seele und Körper. | |||
§ | 5. | Die verschiedenen Ansichten über das Verhältnis von Seele und Körper | 15 |
§ | 6. | Die Eigentümlichkeit der körperlichen und der geistigen Erscheinungen | 17 |
§ | 7. | Das Nervensystem | 19 |
Abschnitt 2. Die einzelnen Elemente des Seelenlebens. | |||
§ | 8. | Die sogenannten „Seelenvermögen” | 20 |
1. Das Erkennen. | |||
§ | 9. | Die Empfindung | 21 |
§ | 10. | Vorstellung und Wahrnehmung | 24 |
§ | 11. | Der Verlauf der Vorstellungen | 25 |
§ | 12. | Die Aufmerksamkeit und das Gedächtnis | 30 |
§ | 13. | Die Arten der Vorstellung und das Denken | 32 |
§ | 14. | Die Vorstellung eines zusammenhängenden Weltganzen | 34[S. 4] |
2. Das Fühlen. | |||
§ | 15. | Wesen und Arten des Gefühls | 39 |
§ | 16. | Die körperlichen Gefühle | 41 |
§ | 17. | Die geistigen Gefühle | 42 |
§ | 18. | Unterschiede des Gefühls nach Stärke und Dauer | 44 |
§ | 19. | Der Verlauf und die Verbindung der Gefühle | 44 |
§ | 20. | Das Lebensgefühl und die Stimmung | 46 |
§ | 21. | Die Temperamente | 48 |
§ | 22. | Selbstgefühl und Mitgefühl | 49 |
§ | 23. | Die Bedeutung der Gefühle | 50 |
3. Das Wollen. | |||
§ | 24. | Die unwillkürlichen Bewegungen | 52 |
§ | 25. | Der Trieb und das eigentliche Wollen | 55 |
§ | 26. | Die Freiheit des Willens | 57 |
§ | 27. | Die Ausdrucksbewegungen | 59 |
§ | 28. | Übung, Gewohnheit, Charakter | 62 |
Abschnitt 3. Die Abhängigkeit der einzelnen Elemente der Seele voneinander. | |||
§ | 29. | Die Abhängigkeit der einzelnen Elemente voneinander | 64 |
Logik. | |||
§ | 30. | Die Aufgabe der Logik | 67 |
I. Teil: Elementarlehre. | |||
1. Die Begriffe. | |||
§ | 31. | Der Begriff und seine Merkmale | 69 |
§ | 32. | Inhalt und Umfang des Begriffs | 71 |
§ | 33. | Klarheit und Deutlichkeit des Begriffs | 72 |
§ | 34. | Die Arten der Begriffe | 72 |
2. Die Urteile. | |||
§ | 35. | Das Wesen des Urteils | 74 |
§ | 36. | Die traditionelle Einteilung der Urteile | 75[S. 5] |
§ | 37. | Die zusammengesetzten Urteile | 79 |
§ | 38. | Übersicht der Urteilsarten | 81 |
3. Die Schlüsse. | |||
§ | 39. | Die Grundgesetze des Denkens | 85 |
A. Der unmittelbare Schluß. | |||
§ | 40. | Der Schluß aus einem Begriff | 88 |
§ | 41. | Die Konversion | 90 |
§ | 42. | Die Kontraposition | 92 |
§ | 43. | Die Umwandlung der Relation | 93 |
§ | 44. | Die Subalternation | 93 |
§ | 45. | Die Äquipollenz | 94 |
§ | 46. | Die Opposition | 94 |
§ | 47. | Die modale Konsequenz | 96 |
§ | 48. | Der Wert der unmittelbaren Schlüsse | 96 |
B. Der mittelbare Schluß. | |||
§ | 49. | Wesen und Formen des mittelbaren Schlusses | 98 |
§ | 50. | Allgemeine Gesetze über die Erfordernisse der kategorischen Schlüsse | 100 |
§ | 51. | Die erste Figur | 103 |
§ | 52. | Die zweite Figur | 105 |
§ | 53. | Die dritte Figur | 107 |
§ | 54. | Die vierte Figur | 108 |
§ | 55. | Die logische Form des Schlußsatzes im Verhältnis zu den Prämissen | 109 |
§ | 56. | Der wissenschaftliche Wert der Syllogismen | 110 |
§ | 57. | Der hypothetische Schluß | 113 |
§ | 58. | Der disjunktive Schluß | 115 |
§ | 59. | Die zusammengesetzten und die verkürzten Schlüsse | 117 |
§ | 60. | Fehlschlüsse und Trugschlüsse | 118 |
§ | 61. | Der Induktionsschluß | 121 |
§ | 62. | Der Analogieschluß | 122[S. 6] |
II. Teil: Methodenlehre. | |||
§ | 63. | Die Aufgabe der Methodenlehre | 123 |
1. Die Begriffsbestimmung. | |||
§ | 64. | Wesen und Arten der Begriffsbestimmung | 124 |
§ | 65. | Fehler der Begriffsbestimmung | 125 |
2. Die Einteilung. | |||
§ | 66. | Das Wesen der Einteilung | 126 |
§ | 67. | Arten und Fehler der Einteilung | 127 |
3. Der Beweis. | |||
§ | 68. | Der Beweis und seine Arten | 129 |
§ | 69. | Auffindung und Fehler des Beweises | 130 |
4. Der Fortschritt der Wissenschaft. | |||
§ | 70. | Die verschiedenen Methoden | 131 |
§ | 71. | Das induktive Verfahren | 132 |
§ | 72. | Das deduktive Verfahren | 136 |
§ | 73. | Die Verbindung von Induktion und Deduktion und die Hypothese | 137 |
§ | 74. | Das System | 138 |
Literatur | 140 | ||
Namen- und Sachregister | 143 |
Die Philosophie ist die allgemeine Wissenschaft, welche den Zweck hat, Sicherheit, Einheit und Zusammenhang im Gesamtgebiet unseres Wissens herzustellen. Auch die einzelnen Wissenschaften entspringen diesem Bedürfnis, aber ihr Gebiet ist ein beschränktes und sie gehen teils von Voraussetzungen aus, die sie nicht näher prüfen, teils gelangen sie zu Resultaten, die nicht miteinander übereinstimmen. Die Philosophie prüft jene Voraussetzungen und sucht durch Verarbeitung der Resultate der Einzelwissenschaften den Zusammenhang der gesamten Erfahrungswelt zu erforschen.
Auf demselben Wege gelangt der denkende Mensch zu philosophischer Betrachtung. Er stößt auf Widersprüche in dem Wissensstoff, den er im Glauben an fremde Autorität angenommen oder selbständig sich angeeignet hat, und findet bei näherer Selbstbesinnung, daß sein Wissen auf unbewiesene Voraussetzungen sich stützt und ungelöste Widersprüche in sich schließt.
Die Philosophie teilt sich nach den zwei großen Gebieten der Erfahrungswelt: Natur und geistiges Leben, in eine Philosophie der Natur und in eine Philosophie des Geistes. Die letztere beschäftigt sich als Psychologie mit dem allgemeinen Wesen des Geistes, wie es an jedem einzelnen Menschen beobachtet werden [S. 8]kann, als Philosophie der Geschichte (im weitesten Sinn) mit dem menschlichen Geistesleben, wie es als Resultat gemeinschaftlicher Tätigkeit der Menschen in Gesellschaft und Geschichte sich entwickelt.
Unter den geistigen Erscheinungen treten aber einige besonders hervor, deren Wichtigkeit für Leben und Wissenschaft, wo sie zur Aufstellung von zu befolgenden Regeln führen, eine gesonderte Behandlung empfiehlt. So wird das richtige Denken in der Logik, der ästhetische Geschmack in der Ästhetik, das sittliche Bewußtsein in der Ethik, das religiöse Bewußtsein in der Religionsphilosophie zu Gegenständen einer besonderen Wissenschaft gemacht. Diese psychologischen Tatsachen treten in der Geschichte als geistige Mächte, als Hauptelemente der menschlichen Kultur auf: Wissenschaft, Kunst, Sitte, Recht und Staat, Religion; oder, sofern sie durch ein verwirklicht gedachtes Ziel wirken, als Ideale: Wahrheit, Schönheit, Sittlichkeit, Vereinigung mit der Gottheit. Doch erfüllen Philosophie der Geschichte und Psychologie ihre Aufgabe nur in beständiger gegenseitiger Ergänzung, und beide Standpunkte der Betrachtung müssen deshalb auch in jeder Geisteswissenschaft zusammenwirken.
Aber der Zweck der Philosophie gestattet nicht, bei der Trennung der Gebiete stehen zu bleiben, er schließt vielmehr die Aufgabe in sich, auch Natur und Geist, auch jene verschiedenen Richtungen des Geisteslebens nach ihren letzten Zusammenhängen untereinander zu untersuchen und auf einen einheitlichen Grund zurückzuführen, die Aufgabe der Metaphysik. Diese alle andern abschließende Wissenschaft beschäftigt sich daher mit der Frage nach der Anwendung der Denkgesetze auf die wirkliche Welt und deren Bedingungen und Grenzen (Erkenntnistheorie), nach der Gültigkeit der Allgemeinbegriffe, die wir der Betrachtung der Dinge zu Grunde legen: Sein, Veränderung,[S. 9] Raum und Zeit, Ursache und Zweck, und endlich mit der Gottesidee, soweit sie nicht bereits auf Grund der Erkenntnistheorie als für das philosophische Erkennen unerreichbar angesehen wird.
Die Geschichte der Philosophie ist eine Geschichte der Versuche, die § 1 bezeichneten Aufgaben zu lösen.
Die erste selbständige Philosophie findet sich bei den Griechen. Die ionischen Naturphilosophen (um 600 v. Chr.) fanden den einheitlichen Urgrund der Dinge in einem Urstoff, z. B. Thales im Wasser, die Pythagoreer in Maß und Zahl, die Eleaten im reinen Sein im Gegensatz zur scheinbaren Vielheit der Dinge, Heraklit im endlos sich verwandelnden Feuer, die Atomisten in den gleichartigen, kleinsten, unteilbaren Stoffteilchen mit ihrer verschiedenartigen Ordnung, Gestalt, Lage und Bewegung. Erst für Anaxagoras war das Ganze der Welt das Werk eines vernünftigen Wesens, des Geistes. Die bisher einfach vorausgesetzte Erkennbarkeit der Welt wurde aber von den alles bezweifelnden Sophisten bestritten und mußte von den großen Philosophen der Folgezeit neu begründet werden.
Mit diesen, mit Sokrates, Plato und Aristoteles erreichte die griechische Philosophie ihren Höhepunkt. Sie machten den Menschen selbst und sein Denken zum Gegenstand der Untersuchung. Sokrates († 399) beschäftigte sich mit der Bildung fester Begriffe, besonders des Wahren und Guten. Plato († 347) gelangte auf diesem Wege zur Lehre von den Ideen als den geistigen Urbildern der Dinge und erfaßte noch tiefer Wesen und Aufgabe des Menschen. Sein großer Schüler Aristoteles († 322) wurde durch sorgfältige Untersuchung der Gesetze des Denkens[S. 10] zum Begründer der Logik als Wissenschaft und übertraf seinen Vorgänger durch die Weite des Blicks, mit der er den ganzen Wissensstoff der damaligen Zeit, besonders auch der Naturwissenschaft, in das Gebiet der Philosophie hereinzog.
Die nachfolgenden Philosophen, die Stoiker und Epikureer verlegten den Schwerpunkt in die Ethik und fanden als höchste Regel des Lebens die Befriedigung des Weisen in seinem inneren Leben. Die Skeptiker forderten den Verzicht auf alles Wissen und die Neuplatoniker machten einen letzten Versuch, in der Einigung mit der Gottheit die Wahrheit unmittelbar anzuschauen.
Das Christentum entwickelte im Mittelalter unter dem Einfluß des Aristoteles eine eigene christliche Philosophie, die Scholastik, aber erst durch die Reformation wurde freie Forschung möglich gemacht.
In der neueren Philosophie lassen sich zwei Hauptströmungen verfolgen, eine empiristische und eine rationalistische. Die erste, hauptsächlich ein Erzeugnis der englischen Philosophie, beginnt mit dem Engländer Baco von Verulam († 1626), der auf Naturforschung und Erfahrung die Philosophie gründet, und wird fortgesetzt durch Locke, Hume und in neuester Zeit durch John Stuart Mill († 1873) und Herbert Spencer. Die rationalistische Richtung wurde hauptsächlich von den deutschen Philosophen gepflegt. Sie beginnt mit Descartes († 1650), der auf den gewissesten aller Sätze: ich denke also bin ich (cogito ergo sum) alle Wahrheit gründete, und wird fortgeführt durch Spinoza und Leibniz.
Ihren Höhepunkt erreichte die deutsche Philosophie in Kant (1724-1804), der durch Untersuchung des Erkenntnisvermögens selbst und seiner Grenzen (Kritik der reinen Vernunft 1781) eine neue Grundlage für die [S. 11]Philosophie schuf. Fichte ging in diesen Bahnen weiter, während Schelling und Hegel durch den Grundsatz der Einheit von Denken und Sein einer unbegrenzten Spekulation Tür und Tor öffneten. Dagegen sah Herbart mit eigenartiger Wiederanknüpfung an Kant die Aufgabe der Philosophie in der begrifflichen Bearbeitung des Erfahrungsstoffes und gewann besonders durch eine sorgfältige, auf Mathematik gegründete Psychologie eine große Anhängerschaft. In der neuesten Zeit suchten Trendelenburg mit Rückgang auf Aristoteles und Lotze (Mikrokosmus 1856-64) mit voller Berücksichtigung der Naturforschung den Idealismus neu zu gestalten.
In den letzten Jahrzehnten fanden außerdem zwei philosophische Richtungen große Verbreitung, besonders in der Tagesliteratur: der Materialismus, der auch das geistige Leben auf die Materie zurückführen will, vertreten durch Moleschott, Vogt, Büchner, und der Pessimismus, begründet durch Schopenhauer († 1860), in selbständiger Weise fortgebildet durch Ed. v. Hartmann.
Als Hauptströmungen treten in der Gegenwart hervor der Neukantianismus, der mit Abweisung aller Metaphysik das Hauptgewicht auf die Ethik legt, und der Positivismus, der, von Frankreich und England herübergekommen, nur das Tatsächliche der Erfahrungswelt gelten lassen will. Gegen die letztere Auffassung, soweit sie zu einer rein naturwissenschaftlichen Deutung des Geisteslebens geführt hat, macht sich jedoch eine idealistische Gegenströmung mehr und mehr geltend.
Neben einem Überblick über die Geschichte der Philosophie werden sich zur Einführung in die Philosophie solche Zweige derselben besonders eignen, welche teils der Ausgangspunkt und die Grundlage der andern philosophischen[S. 12] Wissenschaften, teils eine Schule für das philosophische Denken bilden. Beides trifft bei Psychologie und Logik zu.
Verschiedene Beobachtungen im täglichen Leben und manche Resultate der Naturwissenschaft weisen uns darauf hin, daß die einfache Betrachtung der Außenwelt nicht der feste Punkt ist, von dem wir in der Philosophie ausgehen dürften. Träume, Sinnestäuschungen, Hallucinationen beweisen, daß dem von uns Wahrgenommenen nicht notwendig ein Gegenstand entsprechen muß. Erscheinungen wie die der Farbenblindheit zeigen, daß das Bild, das wir von den Gegenständen haben, nicht allein von diesen selbst, sondern zum mindesten auch von unserer Organisation abhängig ist. Die Naturwissenschaft erklärt das, was wir als Licht, Schall, Wärme wahrnehmen, für eine Bewegung des Äthers, der Luft, der Moleküle. So erhebt sich der Zweifel an der Sicherheit unserer äußeren Wahrnehmung überhaupt. Um so sicherer aber bleibt dann eine Tatsache stehen, nämlich das Bewußtsein, daß wir zweifeln, oder daß wir jene Eindrücke haben, auch wenn es keine — oder wenigstens keine unserer Vorstellung entsprechende — Außenwelt gibt. Daß wir etwas vorstellen, daß wir etwas fühlen oder wollen, und daß wir als vorstellende, fühlende, wollende Wesen wirklich existieren, das kartesianische: cogito ergo sum, steht uns unumstößlich fest. Die Wissenschaft, welche diese geistigen Vorgänge zu ihrem Gegenstande hat und verarbeitet, die Psychologie, wird daher einen sicheren Ausgangspunkt für die andern Zweige der Philosophie darbieten. Zugleich bildet sie eine geeignete Vorschule des philosophischen Denkens, sofern dabei das abstrakte Denken durch die Beobachtung des eigenen Seelenlebens beständig unterstützt werden kann.[S. 13] Endlich ergibt sich die Wichtigkeit dieser Wissenschaft auch daraus, daß die wertvollsten Gegenstände der philosophischen Betrachtung auf dem Gebiete des geistigen Lebens liegen, das Gegenstand der Psychologie ist. Sie ist daher eine wichtige Grundlage für die Geisteswissenschaften überhaupt: Philosophie der Geschichte, Logik, Ästhetik, Ethik, Religionsphilosophie haben ihre Wurzel in der Psychologie und ihren Abschluß in der Metaphysik.
Von anderer Seite her dient die Logik zur Einführung in die Philosophie. Schon die Tatsachen des Irrtums und des Streites zeigen die Notwendigkeit, auch das Denken selbst auf seine Richtigkeit und Brauchbarkeit hin zu untersuchen; dazu sieht sich aber die Philosophie noch besonders gedrängt, weil sie nichts ungeprüft annehmen darf und deshalb auch das Denken und seine Gesetze, ihr Werkzeug zur Erforschung der Wahrheit einer Prüfung unterziehen muß. Insofern bildet die Logik die Einleitung zu jeder Wissenschaft. Die Logik ist aber auch zur formalen Schulung des philosophischen Denkens geeignet, weil das Verständnis der logischen Gesetze selbst eine scharfe Fassung der Begriffe und einen sorgfältigen Vollzug der Denkoperationen erfordert und dadurch das abstraktere Denken und das Verständnis der schwierigeren Zweige der Philosophie vorbereitet.
Doch ist leicht zu ersehen, daß die Psychologie der Logik am besten vorangeht, da die Vorgänge beim Denken selbst zunächst Gegenstand der Psychologie sind.
Man unterscheidet herkömmlich zwischen der empirischen Psychologie, welche die Tätigkeitsäußerungen der menschlichen Seele mit ihren Gesetzen darstellt, und der rationalen Psychologie, welche das innere Wesen der Seele zu ergründen und jene Tätigkeitsäußerungen daraus zu erklären sucht.
Die letztere fällt in das Gebiet der Metaphysik, denn sie fragt nach der Art der Existenz und der Veränderung der Seele, nach ihrem Zusammenhang mit dem Körper, nach ihrem Verhältnis zur Zeit und zu anderen Seelen.
Bei der Unsicherheit der Metaphysik ist es aber notwendig, zunächst rein empirisch auf Grund der Beobachtung die Tatsachen des Seelenlebens und ihren gesetzmäßigen Zusammenhang zu erforschen und darzustellen. Nur wenn die Psychologie auf diese Weise zuerst ihre nächste empirische Aufgabe mit vorläufiger Abweisung aller metaphysischen Spekulation vom festen Boden der inneren Erfahrung aus klar erfaßt und abgrenzt, kann sie mit Aussicht auf Erfolg zu tieferer Erfassung ihrer Probleme weiterschreiten und auch den Geisteswissenschaften für ihre Ideale Anknüpfungspunkte darbieten. Durch diese scharfe Sonderung von Erfahrung und Metaphysik[S. 15] unterscheidet sich gerade die wissenschaftliche Behandlung von der populären Auffassung, die beides vermischt und z. B. die geistigen Vorgänge ohne weiteres metaphysisch als Tätigkeiten und Zustände eines Dings nach Analogie der Körperwelt erklärt.
Für unsere Zwecke genügt die empirische Psychologie.
Die Erfahrung zeigt uns die Erscheinungen des Seelenlebens eng verknüpft mit körperlichen Erscheinungen. Die Psychologie wird deshalb häufig die Hilfe derjenigen Wissenschaften in Anspruch nehmen müssen, die sich mit dem menschlichen Körper beschäftigen, der Anatomie, d. h. der Lehre vom Bau des Pflanzen- und Tierorganismus, und der Physiologie, d. h. der Lehre von den Lebensvorgängen im Pflanzen- und Tierkörper. Die neuerdings viel verhandelte physiologische Psychologie zieht die unmittelbaren Folgerungen aus dieser Wissenschaft für das Verhältnis von Seele und Körper.
Der letzte Zusammenhang dieser beiden Erfahrungsgebiete läßt sich aber von uns weder beobachten noch innerlich erfahren. Indem wir einen Ton hören, haben wir kein Bewußtsein davon, welchen Weg er von der Saitenschwingung bis zur Empfindung durchlaufen hat, und wir nehmen keinen bestimmten Vorgang im Gehirn wahr, indem wir einen Entschluß fassen; aber auch wenn wir den körperlichen Vorgang, der dem geistigen entspricht, unmittelbar beobachten könnten, wüßten[S. 16] wir nicht, wie die Nervenerregung durch die Schallwellen es macht, zur Tonempfindung zu werden, oder wie der Entschluß es anfängt, die Glieder in Bewegung zu setzen.
Es sind daher die verschiedensten Hypothesen über dieses Verhältnis von Seele und Körper aufgestellt worden. Es sind hauptsächlich vier Möglichkeiten denkbar: Entweder streicht man eines der Glieder, um deren Zusammenhang es sich handelt, dann ergeben sich zwei mögliche Ansichten: 1. die Seele ist nur eine Form oder ein Produkt des Körpers (Materialismus), 2. der Körper ist nur eine Form oder ein Produkt eines oder mehrerer seelischer Wesen (Spiritualismus, so Leibniz, Lotze); oder man erkennt die Selbständigkeit beider an, dann sind zwei weitere Fälle möglich: 3. Seele und Körper wirken aufeinander wie verschiedene Wesen oder Substanzen (Wechselwirkungslehre, so Descartes, Herbart), 4. Seele und Körper sind verschiedene Äußerungsformen eines und desselben Wesens, stehen daher in keinerlei Verhältnis von Ursache und Wirkung (Identitätshypothese, so Spinoza, Fechner, der moderne psychophysische Parallelismus).
Die empirische Psychologie kann diese Frage von ihrem Standpunkt aus nicht beantworten, sondern nur das Material dazu darbieten, die endgültige Beantwortung derselben ist von gewissen metaphysischen Anschauungen abhängig. Die empirische Psychologie kann nur die tatsächliche Verschiedenheit von Körper und Seele feststellen und die durch Gesetze bestimmten Beziehungen zwischen beiden Erfahrungsgebieten, soweit sie beobachtet werden können, untersuchen. Die Lösung dieser Aufgaben zieht sich durch das ganze Gebiet der Psychologie hindurch, doch soll das Wesentliche über jene Verschiedenheit (§ 6) und über diese Beziehungen, die vor allem im Nervensystem[S. 17] stattfinden (§ 7), im voraus zusammengestellt werden.
Die Hauptmerkmale, durch welche erfahrungsmäßig Körper und Seele sich unterscheiden, sind folgende, zunächst für die Körperwelt:
1. Die körperlichen Erscheinungen treten in der Form des Raumes auf, während keinerlei Vorgänge in der Seele, nicht einmal unsere Vorstellungen vom Raume selbst, räumlicher Natur sind: die Vorstellung eines Dreiecks z. B. ist nicht selbst dreieckig.
2. Die Naturwissenschaft läßt die Körperwelt bestimmt sein durch das Gesetz der Trägheit: jeder Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder Bewegung, solange er nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung desselben gezwungen wird, und durch das Gesetz von der Erhaltung der Materie und Energie: die Summe der Stoffteile bleibt unter aller Veränderung ihrer Zusammensetzung, und die Summe der Energie unter allem Wechsel von ruhender und tätiger Kraft dieselbe. Auch das organische Leben und der menschliche Körper soll diesen Gesetzen unterworfen sein, und das Leben also nicht auf eine unerklärliche Lebenskraft, sondern nur auf eine außerordentlich verwickelte, noch nicht genügend erkannte Wechselwirkung zwischen den verschiedenen, im menschlichen Körper verbundenen Stoffen und Kräften zurückgeführt werden.
Für die geistige Welt konnte die Gültigkeit dieser Gesetze bis jetzt nicht ebenso nachgewiesen werden, dagegen zeigt diese eigentümliche Merkmale anderer Art:
1. Das Bewußtsein der Seele ist bedingt durch Veränderung, Mannigfaltigkeit und Gegensatz. Bei gleichmäßig fortdauernder Einwirkung eines einfachen Eindruckes nimmt das Bewußtsein ab und es tritt, wenn alle mannigfaltigen störenden Eindrücke ferngehalten werden, Schlaf- oder Bewußtlosigkeit ein. So wird der hypnotische Zustand durch Konzentration der Aufmerksamkeit auf einen einzigen Punkt, z. B. für das Gesicht durch Anstarren eines glänzenden Gegenstandes, für das Gehör durch ein einförmiges Geräusch erzeugt. Ähnlich verhält sich der religiöse Mystiker im Zustand der Ekstase, wenn er in die Gottheit als absolute Einheit sich versenkt.
2. Diese mannigfaltigen Bewußtseinselemente tauchen aber nicht in der Seele isoliert auf, um wieder zu verschwinden, sondern sie treten in Wechselwirkung miteinander, so daß neue Erscheinungen entstehen, und werden in der Einheit des Bewußtseins zusammengefaßt. Dies ist aber nur dadurch möglich, daß die früheren Zustände der Seele festgehalten oder, wenn sie verschwunden sind, wieder erzeugt werden können. Doch ist damit allein die Einheit des Bewußtseins noch nicht gegeben. Ein solches Festhalten und Wiedererzeugen kommt auch in der unbewußten Natur vor. Soll unter den zeitlich aufeinanderfolgenden Zuständen der Seele ein innerer Zusammenhang bestehen, so müssen die früheren als solche wiedererkannt werden, um mit den folgenden in bewußte Beziehung gesetzt zu werden; daher ist die Erinnerung die wichtigste Fähigkeit der Seele. Sie macht es erst möglich, die geistigen Vorgänge, die ohne sie eine Anzahl von isolierten, einander vollkommen gleichgültigen Erscheinungen darstellen würden, gleichzeitig zu machen und zu verbinden.
Diese innere Einheit des Bewußtseins, verbunden[S. 19] mit freier Wechselwirkung seiner Elemente, ist eine Hauptbedingung der geistigen Gesundheit. Löst dieser Zusammenhang sich auf oder bilden sich fixe Ideen, welche die freie Wechselwirkung der Elemente hindern, so ist es ein Zeichen der beginnenden oder vorhandenen Geisteskrankheit.
An dieser eigentümlichen Verbindung von Einheit und Mannigfaltigkeit im Geistesleben scheitert auch der Materialismus (s. S. 11). Während aus zwei Bewegungen körperlicher Atome eine neue Bewegung entsteht, welche die andere ablöst, führt die Einheit des Bewußtseins zu einer Verbindung früherer Vorstellungen mit späteren, ohne daß diese deshalb darin aufgehen müssen. In der Einheit des Bewußtseins sind vielmehr die einzelnen Vorstellungen zugleich mit ihrer Verbindung untereinander und mit deren Resultat gegenwärtig.
Die psychologische und physiologische Beobachtung zeigt, daß nicht alle Bestandteile des Körpers in gleich enger Beziehung zur Seele stehen. In unmittelbarer Beziehung zu ihr stehen nur die Nerven, die als weiße Fäden den ganzen Organismus des Körpers durchziehen. Die unendlich zahlreichen Nervenfasern vereinigen sich in Zentralorganen, und diese stehen wieder mit dem Gehirn als dem Hauptzentralorgan in Verbindung (die Zahl der Nervenzellen des Großhirns wurde auf ungefähr eine Milliarde berechnet), so daß das Ganze ein System bildet, durch das allein jede Wechselbeziehung zwischen Körper und Seele vermittelt wird. Die sensiblen Nerven führen die Eindrücke der Außenwelt und des eigenen Leibes, der hier als ein Teil derselben anzusehen [S. 20]ist, dem Gehirn zu, und die motorischen dienen dazu, die Ausführung der Bewegungen durch Überleitung des Befehls dazu auf die ausführenden Glieder zu vermitteln.
Die Versuche, die einzelnen Tätigkeiten der Seele an bestimmte Punkte dieses Nervensystems, besonders des Gehirns zu knüpfen (Lokalisationstheorie), haben noch zu keinem feststehenden Resultat geführt. Eine solche „Lokalisation” bestimmter Geistestätigkeiten bis ins einzelne, wie sie Gall († 1828) in seiner Phrenologie oder Schädellehre aufgestellt hat, ließ sich nicht durchführen, da weder der Schluß von der Ausbauchung des Schädels auf die stärkere Vertretung der darunter liegenden Gehirnpartieen noch die hierbei vorausgesetzte populäre Abgrenzung psychologischer Begriffe haltbar ist. Doch konnte der Sitz der wichtigsten Zentralorgane der Sprache und Rede in der dritten Stirnwindung der linken Hemisphäre des Großhirns nachgewiesen werden. Auch werden in der Regel die einzelnen Arten der Sinnesempfindungen, besonders das Sehen und Hören, und die Muskelbewegungen auf bestimmte Teile des Gehirns, auf ein Sehzentrum, Hörzentrum, motorisches Zentrum bezogen. Dagegen ist ziemlich allgemein anerkannt, daß die höheren Funktionen des Gehirns, Gedanken, Gefühle, Willensentschlüsse, nicht an bestimmte Gegenden desselben gebunden sind. (Näheres über das Nervensystem, insbesondere die Sinnesorgane vgl. Sammlung Göschen Nr. 18: Anthropologie, u. Nr. 98: Lipps, Grundriß der Psychophysik.)
Die Erscheinungen des Seelenlebens werden gewöhnlich durch Annahme von drei Seelenvermögen erklärt, eines Erkenntnis-, eines Gefühls- und eines Begehrungsvermögens. Die darin liegende Dreiteilung der geistigen[S. 21] Vorgänge wird fast allgemein angenommen. — Die Versuche, das eine auf die andern oder alle auf eines zurückzuführen (so Herbart auf das Vorstellen), tauchen immer wieder auf, haben aber noch zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt. Aber es dürfen dabei zwei wichtige Punkte nicht übersehen werden, teils was den Ausdruck „Vermögen”, teils was die Dreiteilung betrifft:
1. Daß mit der Annahme von drei Seelenvermögen die Vorgänge der Seele nicht erklärt, sondern nur klassifiziert sind; denn es ist noch keine Erklärung einer Erscheinung, wenn man ohne näheren Nachweis in dem Gegenstand, an dem sie vorkommt, eine Fähigkeit sie zu erzeugen annimmt. Was wir empirisch beobachten können, sind jedenfalls nur die geistigen Vorgänge selbst und die Verschiedenheit, nach der wir dieselben in Klassen einteilen.
2. Diese drei Klassen von geistigen Vorgängen, das Erkennen, das Fühlen, das Wollen kommen in der Seele nicht getrennt vor. Es gibt wohl kaum einen Zustand der Seele, in dem nicht alle drei Arten sich zusammen vorfinden. Wir dürfen also nur von Seelenzuständen sprechen, in denen das Erkennen oder das Fühlen oder das Wollen vorwiegt, und wenn wir im folgenden diese einzelnen Elemente des Seelenlebens gesondert betrachten, so müssen wir uns dabei immer bewußt bleiben, daß wir damit in der Wissenschaft eine Trennung vollziehen, die es in Wirklichkeit nicht gibt.
Das einfachste Element des Erkennens, die einfachste Art, wie die Seele zu einer Kenntnis der Außenwelt gelangt, [S. 22]ist die Empfindung. Sie ist zu unterscheiden von den Gefühlen, den Zuständen der Lust und Unlust, und schließt drei Hauptmomente in sich:
1. Den äußeren Sinnesreiz. Wenn die Sinnesorgane in Tätigkeit treten sollen, so muß eine Wirkung auf sie ausgehen von irgend einem Gegenstand, der entweder unmittelbar den Körper berührt oder durch Bewegung eines dazwischen liegenden Stoffes auf den Körper einwirkt. Das erste geschieht z. B. bei Tastempfindungen, das zweite beim Sehen, Hören durch die Schwingungen des Äthers, der Luft.
2. Die Erregung eines sensiblen Nerven im Körper, die durch den Reiz veranlaßt wird und von den peripherischen Nervenenden bis in das Zentrum des ganzen Nervensystems, in das Gehirn sich fortpflanzt. Wird der Nerv durchschnitten, so kommt es nicht zur Empfindung.
3. Die Empfindung in der Seele selbst, das Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken.
Die Empfindungen selbst sind aber den Vorgängen 1. und 2., durch die sie veranlaßt werden, ganz ungleich. Es läßt sich nicht nachweisen, warum auf Schwingungen der Luft gerade die Empfindung des Hörens folgt; wir können nur feststellen, daß es so ist. Auch die Abhängigkeit der Empfindung vom äußeren Reiz dem Stärkegrade nach ließ sich nur auf Umwegen ermitteln. Auf Grund der Empfindung allein können wir nie mit Bestimmtheit sagen, daß etwa ein Licht a, dessen Leuchtkraft nach der Kerzenstärke, also als äußerer Reiz, 1½ mal so groß als die von b ist, 1½ mal so hell sei als das Licht b. Man ging daher von der Frage aus, um wie viel ein Reiz verstärkt werden muß, damit eine Zunahme der Stärke in der entsprechenden Empfindung eben noch bemerkt [S. 23]werden kann. Es zeigte sich, daß der Zuwachs des Reizes, welcher eine eben noch merkliche Änderung der Empfindung hervorbringt, zu der Reizgröße, zu welcher er hinzukommt, immer in demselben Verhältnis steht (Webersches Gesetz), oder, mathematisch ausgedrückt: daß die Stärke des Reizes in geometrischer Progression wachsen muß, damit die Empfindung in arithmetischer Progression zunehme. Muß man also zu einem Gewicht von 3 kg 1 kg zulegen, damit eine Zunahme des Druckes eben noch merklich werde, so ist bei 9 kg eine Vermehrung um 3 kg nötig, während nur 1 kg mehr zu keiner Verstärkung der Druckempfindung führen würde. Für die verschiedenen Sinne ist das Verhältnis der Reizstärke, das diese sogenannte „Methode der eben merklichen Unterschiede” ergibt, ein verschiedenes; doch ließ es sich nur für Reize von mittlerer Stärke bestimmen, am meisten übereinstimmend noch für die Schallempfindungen: nahezu == 3:4, für die Lichtempfindungen wurde 100:101, für Hebungen, also Druckempfindungen, unterstützt durch das Muskelgefühl, 15:16 gefunden.
Übrigens gibt es auch subjektive Empfindungen, welche, obwohl nicht durch die ihm entsprechenden Sinnesreize, sondern durch mechanische Einwirkungen wie Schlag oder Druck oder innere Zustände des Körpers erzeugt, doch den jedem Sinnesnerven allein eigentümlichen Charakter tragen („spezifische Sinnesenergie”) und deshalb häufig in die Außenwelt hinaus verlegt werden, z. B. das Klingen im Ohr, das Leuchten vor den Augen, Frost und Hitze im Fieber. Diese Tatsache führte auf die durch Johannes Müller (1826) begründete Annahme einer spezifischen Sinnesenergie, d. h. einer besonderen Fähigkeit jedes einzelnen Sinnesnerven, auch auf Reize verschiedener Art nur gerade die ihm eigentümlichen Empfindungen zu vermitteln.
Auch dauern die Empfindungen oft noch fort, nachdem die Reize schon aufgehört haben. Daher erzeugen besonders starke Lichtempfindungen sog. „Nachbilder”.
Die Empfindungen sind entweder einfache, z. B. eine Farbe, ein Ton, oder zusammengesetzte, z. B. ein Regenbogen, dessen verschiedene Farben wir zugleich sehen, oder ein Musikinstrument, das wir zugleich sehen und hören.
Die Empfindung geht dadurch, daß sie mit dem veranlassenden Reiz aufhört, nicht für das Bewußtsein verloren. Sie kann vielmehr in der Seele wiedererzeugt werden, als eine Art Erinnerungsbild, dem jedoch die sinnliche Lebhaftigkeit des ersten Eindrucks fehlt, und heißt dann Vorstellung. Diese Wiedererzeugung findet besonders dann statt, wenn die betreffende Empfindung selbst wiederkehrt. Wenn ich z. B. eine bestimmte Person durch zusammengesetzte Empfindungen: Sehen der Gestalt und ihrer Bewegung, Hören der Stimme u. s. w. kennen gelernt habe, so kann ich auch ohne Wiederkehr dieser sinnlichen Eindrücke eine Vorstellung von derselben haben; immer aber tritt dieses Erinnerungsbild des früheren Empfindungskomplexes hervor, wenn ich dieselben Empfindungen wieder habe, und die neuen Empfindungen werden dann als dieselben wieder erkannt, d. h. es findet eine Wahrnehmung statt. Dieser Unterschied zwischen Empfindung und Wahrnehmung tritt in manchen Erscheinungen deutlich hervor, wo die Fähigkeit zu empfinden noch vorhanden, aber die wahrzunehmen verloren ist, z. B. bei der Wortblindheit, wo die Empfindung, das Hören des gesprochenen, das Sehen des geschriebenen Wortes noch da ist, aber das Verständnis seiner Bedeutung,[S. 25] d. h. die Fähigkeit zur Wiedererzeugung der dazu gehörigen Vorstellung fehlt. Beim normalen Menschen wird der Sinneseindruck stets zu dem übrigen Bewußtseinsinhalt in Beziehung gesetzt und so das in der Empfindung sich darbietende Rohmaterial zur Wahrnehmung verarbeitet. Da hiernach in der Regel die Empfindung sofort als Wahrnehmung auftritt, sobald sie zum Bewußtsein kommt, so werden beide Begriffe häufig als gleichbedeutend gebraucht.
Die Verschmelzung der wiedererzeugten Vorstellung mit der neuen Empfindung ist aber nicht eine bewußte Arbeit des Wahrnehmenden, sondern geht unwillkürlich vor sich. Die Vorstellung, die dabei mitwirkt, kommt deshalb gar nicht als selbständiges Element zum Bewußtsein, sie wird daher auch „gebundene Vorstellung” genannt. „Freie Vorstellungen” sind dann diejenigen, die ohne Veranlassung durch die Empfindung im Bewußtsein auftauchen. Im philosophischen Sprachgebrauch wird aber das Wort „Vorstellung” vielfach auch im allgemeineren Sinne verwendet zur Bezeichnung jeden Inhalts des Bewußtseins überhaupt, der auf Gegenstände der Außenwelt, ihre Eigenschaften oder Zustände bezogen wird. Es umfaßt dann sowohl die Wahrnehmungen als die Vorstellungen in dem oben genannten Sinn und gewinnt seine Bedeutung besonders in dem Satze der Erkenntnislehre: Die Welt ist meine Vorstellung. (Kant, Schopenhauer.)
Durch die freien Vorstellungen, die von den Empfindungen sich losgelöst haben, bekommt das Bewußtsein einen selbständigen Inhalt. In diese Vorstellungswelt treten aber immer wieder neue Empfindungen und damit[S. 26] neue Vorstellungen ein. Es sind zwei nebeneinander hergehende Reihen von Vorgängen, die sich um den Vorrang in der Seele streiten.
Auf einem Spaziergang z. B. tritt vielleicht anfangs die Wahrnehmung der Umgebung mit ihren wechselnden Empfindungen in den Vordergrund. Da führt die Ähnlichkeit der wahrgenommenen Gegend mit einem früheren Aufenthalt zur Erinnerung an die Erlebnisse desselben, und hinter diesen Gedanken, die sich selbständig fortspinnen, treten die äußeren Empfindungen immer mehr zurück, so daß der Spaziergänger, ganz in sich vertieft, kaum mehr auf den Weg achtet, bis etwa eine auffallende Erscheinung wieder den Strom der freien Vorstellungen unterbricht. Das Vorwiegen einer dieser Reihen bezeichnet zugleich eine Eigentümlichkeit unter den Menschen. Die einen neigen sich mehr dem Spiel der Empfindungen und der äußeren Wahrnehmungswelt zu, so diejenigen, die eine Anlage für Musik oder bildende Künste, oder für Naturwissenschaft haben, andere geben sich lieber dem Laufe der freien Vorstellungen, dem Leben in der Erinnerung, oder den Wissenschaften des Geistes hin. Geht aber das Interesse des Menschen ganz in einer dieser Reihen auf, so leidet das Geistesleben unter krankhafter Einseitigkeit.
Der Verlauf der Vorstellungen schließt zwei Fragen in sich: Wie entstehen die Vorstellungen im Bewußtsein? und: Wie verschwinden sie aus demselben? Sofern sie durch Empfindungen hervorgerufen werden, ist die Frage schon beantwortet: mit dem Beginnen und Aufhören des äußeren Reizes. Doch findet ein solches Auftauchen und Verschwinden nicht bloß auf Veranlassung der Empfindungen, sondern auch im Verlaufe der freien Vorstellungen statt. Da jedoch hier nie eine unbedingt[S. 27] neue Vorstellung auftritt, sondern höchstens die alten mit Hilfe der Einbildungskraft eine neue Verbindung eingehen, so lautet die eine der Fragen etwas anders: Wie geht es zu, daß die einmal verschwundenen Vorstellungen wiederkehren?
Da dies als Tatsache feststeht, so wird angenommen, daß sie überhaupt aus dem Umkreis der Seele nicht ganz verschwunden sind, sondern daß sie, wenn auch nicht im Bewußtsein, so doch als unbewußte Zustände noch vorhanden waren. Wir haben auch sonst Anzeichen, die auf Vorgänge in der Seele „unter der Schwelle des Bewußtseins” (Herbart) hinweisen, so die unmittelbare Wahrnehmung von Verhältnissen, die eigentlich eine Reihe von Mittelgliedern voraussetzt, z. B. der Entfernung eines Gegenstandes (s. S. 36), oder die Welt der Gefühle, deren Ursprung uns oft dunkel ist. Über diese Vorgänge unter der Schwelle des Bewußtseins können wir aber nie etwas Bestimmtes aussagen, als das Negative, daß sie eben unterhalb des Bewußtseins vor sich gehen; denn sie könnten nur beobachtet werden, indem sie Gegenstände des Bewußtseins würden.
In der Mitte zwischen Bewußtem und Unbewußtem steht der Traumzustand. Seine Eigentümlichkeit besteht wohl hauptsächlich in einer Schwächung des bewußten Willens, der sonst den Verlauf der geistigen Vorgänge beherrscht und zusammenhält. Die Aufeinanderfolge der Vorstellungen wird nur sehr unbestimmt durch das Gefühl geleitet und hat deshalb freies Spiel. So fügen sich besonders an einzelne Reize, sinnliche Eindrücke von der Außenwelt her oder Zustände des eigenen Körpers, sofort Vorstellungen, mit denen dieselben Gefühle im wachen Zustand verbunden sind. Es wird z. B. schweres Atemholen als Alpdrücken, leichtes als Flugbewegung, Stechen[S. 28] im Fuß als Biß einer Schlange, ein gehörter Schuß durch die Geschichte eines Mordes gedeutet.
Beobachten wir nun die Vorstellungen, die im wachen Bewußtsein auftauchen, ohne durch einen äußeren Reiz unmittelbar veranlaßt zu sein, so zeigt sich, daß die eine Vorstellung immer durch eine andere hervorgerufen wird, mit der sie in irgend einer Weise verbunden ist. Diese Vorstellungsverbindung nennt man Assoziation der Vorstellungen oder auch Ideenassoziation. Sie hat hauptsächlich zweierlei Formen und beruht:
1. Auf der Ähnlichkeit der Vorstellungen. Die Vorstellung einer Person, einer Landschaft ruft diejenige einer andern ihr ähnlichen hervor.
2. Auf deren äußerem Zusammenhang in Raum und Zeit (Berührungsassoziation). Was wir häufig zusammen wahrgenommen haben, das strebt auch in der Vorstellung sich zu verbinden: die Vorstellung eines Bekannten ruft die Vorstellung seiner Wohnung hervor. Durch diese Assoziation zusammenhängender Vorstellungen bekommen wir überhaupt erst die Vorstellung von einem einzelnen Gegenstande. Zur Vorstellung eines Apfels gelange ich nur dadurch, daß ich häufig die dazu gehörigen Empfindungen des Gesichts, des Geruchs, des Tastsinns und des Geschmacks miteinander gehabt habe, und daß infolgedessen die eine dieser Vorstellungen, z. B. die des Gesichts, die andern dazu gehörigen immer zugleich wiedererzeugt. Die zeitliche Assoziation, durch Gleichzeitigkeit oder zeitliche Aufeinanderfolge vermittelt, findet z. B. statt, wenn mit einem bestimmten Tag des Jahres die Vorstellung eines Geburtsfestes sich verknüpft hat, oder wenn das Anfangswort eines auswendig gelernten Gedichtes die folgenden Wörter, der Anfang einer[S. 29] bekannten Melodie die Vorstellung der folgenden Töne hervorruft. Je häufiger diese Assoziationen zur Wiedererzeugung von Vorstellungen dienen, desto leichter gehen sie von statten. Die Übung spielt hier eine große Rolle (s. § 28).
Von dem Verschwinden der Vorstellungen glauben nun die einen, es sei das natürlichere und bedürfe keiner besonderen Erklärung, die andern verlangen umgekehrt eine Erklärung des Verschwindens, da nach dem Gesetz der Beharrung das Festhalten das selbstverständliche sei. Will dieses Gesetz in seiner allgemeineren Fassung sagen, daß kein Zustand sich verändert, ohne daß ein Grund dazu da ist, so ergibt sich, daß allerdings das Verschwinden einer Vorstellung, das einmal tatsächlich vorliegt, erklärt werden muß. Diese Erklärung muß von der Voraussetzung ausgehen, daß wegen der sogenannten Enge des Bewußtseins immer nur eine beschränkte Zahl von Vorstellungen zugleich im Bewußtsein sich befinden kann, so daß also die einen durch die andern verdrängt werden. Worauf die Macht der Vorstellungen zur Verdrängung anderer oder ihre Stärke beruht, das ergibt sich zum Teil aus den Gesetzen ihrer Wiedererzeugung, zum Teil aus der Bedeutung, welche sie für das vorstellende Subjekt haben. Je geläufiger die Verbindung einer Vorstellung mit andern ist, desto sicherer wird sie vor konkurrierenden Vorstellungen den Vorzug erhalten, z. B. in der Regel das h der alphabetischen Reihenfolge e f g h vor dem a der musikalischen Tonleiter e f g a. Andrerseits wird die Vorstellung mit um so mehr Stärke sich ins Bewußtsein drängen, je wichtiger der durch sie bezeichnete Gegenstand für uns selbst und je größer infolgedessen das auf Gefühlen [S. 30]beruhende Interesse ist, das wir an ihm haben.
Mit dem Festhalten und Wiedererzeugen der Vorstellungen hängen zwei Fähigkeiten zusammen, die im Geistesleben eine große Rolle spielen, die Aufmerksamkeit, d. h. die Fähigkeit, Vorstellungen und Vorstellungsreihen zu möglichst klarer und deutlicher Auffassung festzuhalten, und das Gedächtnis, d. h. die Fähigkeit, verschwundene Vorstellungen mit Bewußtsein wiederzuerzeugen oder sich zu erinnern.
Man unterscheidet zwischen unwillkürlicher und willkürlicher Aufmerksamkeit. Die unwillkürliche wird durch einen plötzlich an uns herantretenden Reiz hervorgerufen, indem er uns veranlaßt, uns demselben zuzuwenden, damit wir ihn möglichst deutlich wahrnehmen. So zieht z. B. eine Lichterscheinung oder ein plötzliches Geräusch unsere unwillkürliche Aufmerksamkeit auf sich. Die willkürliche Aufmerksamkeit entsteht durch das Interesse (s. § 11), das die Willenstätigkeit veranlaßt, die geistige Kraft auf bestimmte Vorstellungen oder Vorstellungsreihen hinzulenken. Da die Aufmerksamkeit darauf ausgeht, gewisse Vorstellungen mit Verdrängung anderer festzuhalten, so ist sie von der Stärke derselben abhängig und kann erzeugt werden teils dadurch, daß das Interesse erregt wird, teils dadurch, daß der Zusammenhang der Vorstellungen streng festgehalten wird. Geschieht das letztere nicht, so entsteht das Gegenteil, die Zerstreutheit.
Das Gedächtnis beruht auf den Gesetzen der Reproduktion. Wir können eine Vorstellung wiedererzeugen, uns auf sie „besinnen”, indem wir der Vorstellungsreihe nachgehen, in welcher sie enthalten ist, und so mit Hilfe der Assoziationen auf dieselbe stoßen. Je[S. 31] vielseitiger und deutlicher daher die Verbindung einer Vorstellung mit andern ist, desto leichter können wir uns ihrer erinnern. Wir prägen uns also etwas ein, indem wir es in den Zusammenhang mit andern Vorstellungen hineinstellen und zwar entweder auf mechanische Weise durch häufige Wiederholung aufeinanderfolgender Vorstellungen, die uns durch Übung geläufig wird, wobei wir im allgemeinen an die Richtung gebunden sind, in welcher die Assoziationen eingeübt wurden (ein auswendig gelerntes Gedicht, oder ein beliebiges Wort läßt sich nur schwer rückwärts sagen, einseitig gelernte Vokabeln sind nur in derselben Richtung, z. B. französisch-deutsch, geläufig); oder auf logische Weise durch Aufnahme der Vorstellung in einen klaren inneren Zusammenhang, den wir wegen seiner Angemessenheit an unsere Denkgesetze leicht wiedererzeugen können, z. B. einen Satz der euklidischen Geometrie.
Die Tätigkeit des Gedächtnisses wird erleichtert durch häufige Übung und durch das Interesse, das dem Verschwinden der Vorstellungen entgegenwirkt. Mit dem Unterschied des Interesses hängt es auch zusammen, daß das Gedächtnis bei verschiedenen Personen an verschiedene Gegenstände gebunden sein kann, so daß von einem Gedächtnis für Worte, Zahlen, Töne, Sachen, Örter oder für bestimmte Gebiete der Wissenschaft die Rede ist. Außerdem aber kommen hierbei angeborene Eigentümlichkeiten des Gedächtnisses in Betracht, die sich besonders als vorherrschende Empfänglichkeit für bestimmte Sinneseindrücke, z. B. für bloß gehörte, oder für außerdem gesprochene, oder für bloß gelesene Worte geltend machen. Man hat danach ein akustisches, motorisches und visuelles Gedächtnis unterschieden.
Diejenige Vorstellung, die der einfachen Empfindung entspricht, z. B. die einer Farbe, kann man Einzelvorstellung nennen. Aus Einzelvorstellungen setzt sich die Vorstellung von Gegenständen, Personen, Verhältnissen, Begebenheiten zusammen, also die Vorstellung eines individuellen Ganzen oder die Individualvorstellung. Diese Individualvorstellung schließt gewöhnlich die Vorstellung eines Dings in sich, das übrig bleiben soll, auch wenn man die angeblich daran haftenden Eigenschaften, d. h. Einzelvorstellungen, wegdenkt. Die Richtigkeit dieser Vorstellung, deren Vorhandensein die Psychologie nur feststellt, hat die Metaphysik zu untersuchen.
Der menschliche Geist, der vor allem nach Einheit strebt, begnügt sich jedoch nicht mit einer Menge von Individualvorstellungen, sondern er sucht dieselben durch Bildung neuer Formen zusammenzufassen. Von einer Reihe immer wiederkehrender ähnlicher Vorstellungen bleibt in der Seele ein gemeinsames Bild von unbestimmtem Charakter zurück, das nur die allen gemeinsamen Merkmale, die individuellen dagegen nicht enthält: die allgemeine oder Gemeinvorstellung. Wenn vom Menschen im allgemeinen die Rede ist, schwebt uns dabei eine Gemeinvorstellung, ein ungefähres Bild vor, das mit Vernachlässigung aller Unterschiede der Völker und Individuen nur das Allgemeine, allen Menschen Gemeinsame darstellt.
Diese unbestimmten und leicht verwischbaren Gemeinvorstellungen könnten aber nicht auseinandergehalten und weiter ausgebildet werden, wenn sie nicht an ein bestimmtes Zeichen gebunden werden könnten. Diesem Bedürfnis [S. 33] kommt die Sprache entgegen. Jedes Wort ist ein Zeichen für eine Gemeinvorstellung; nur wo die Unterscheidung der Individuen einen besondern Wert hat, wie beim Menschen, da erhält auch die Individualvorstellung ein besonderes Wortzeichen, das dann nur für ein Individuum gilt. Solche Wortzeichen für Individualvorstellungen sind die Eigennamen. Sonst bezeichnet ein Wort, z. B. Tisch, nur die Gemeinvorstellung, der kein bestimmter Gegenstand, kein bestimmter Tisch entspricht, und kann nur etwa durch ein hinweisendes Fürwort: „dieser Tisch” auf einen bestimmten Gegenstand beschränkt werden.
Infolge der Verbindung mit dem Wortzeichen kann die Gemeinvorstellung genauer umgrenzt werden und in die bestimmtere Form des Begriffes übergehen, die Verbindungen der Vorstellungen untereinander können als Urteile, die sich in Sätzen aussprechen lassen, mit größter Genauigkeit vollzogen werden, und die Entstehung neuer Vorstellungen aus der Verbindung anderer nimmt auf dieser höheren Stufe die Gestalt von Schlüssen an. Diese ganze höhere Stufe ist die des eigentlichen Denkens. Der Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Verlaufe der Vorstellungen und dem eigentlichen Denken ist also nur der, daß, was dort unwillkürlich geschah, jetzt mit voller Klarheit und mit der bestimmten Absicht vollzogen wird, die Natur und die geistige Welt oder ihren Zusammenhang zu erkennen, d. h. solche Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen herzustellen, die der Wirklichkeit entsprechen. Dazu gehört dann, daß die beziehende Tätigkeit des Geistes mit Hilfe der Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Gebiet sich richtet und nach bestimmten Grundsätzen verfährt, die selbst wieder geprüft werden. So bildet das Denken den Begriff durch Ausscheidung der ungleichartigen und Zusammenfassung der gemeinsamen Merkmale, z. B. den Begriff Parallelogramm durch Weglassung[S. 34] der wechselnden Merkmale: Größenverhältnis der nichtparallelen Seiten und Größe der Winkel, und Zusammenstellung der allen gemeinsamen: Viereck und Parallelität der Gegenseiten. Das Urteil entsteht durch Verknüpfung der Begriffe, z. B. das Rechteck ist ein Parallelogramm; und der Schluß ist die Ableitung eines Urteils aus einem oder mehreren andern. Es wird z. B. aus den beiden Urteilen: „Dieses Viereck ist ein Parallelogramm” und: „Im Parallelogramm halbieren sich die Diagonalen gegenseitig” das dritte als Schlußfolgerung abgeleitet: „In diesem Viereck halbieren sich die Diagonalen gegenseitig.” Eine genauere Untersuchung der Bedingungen, unter denen bestimmte Begriffe, gültige Urteile und richtige Schlüsse zustande kommen, ist Aufgabe der Logik.
Die verschiedenen Aufgaben des Denkens werden auch, besonders seit Kant, an verschiedene Vermögen verteilt. Dem Verstand als dem „Vermögen der Begriffe” wird die begriffliche Verarbeitung der Erfahrung zugeschrieben im Gegensatz zur Vernunft, die „als Vermögen der Ideen” auf die Erkenntnis des über die Erfahrung Hinausgehenden, des „Übersinnlichen” gerichtet sei.
Wir haben das Erkennen bis jetzt betrachtet, wie es von der einfachen Empfindung aus zu Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen und endlich zum Denken fortschreitet. Damit ist aber der Stoff noch nicht erschöpft, den wir mit Hilfe der psychologischen Beobachtung in unserem Vorstellen finden. Wir treffen da nicht bloß einzelne Empfindungen, Vorstellungen, Begriffe, Urteile, Schlüsse an, sondern auch eine zusammenhängende Vorstellung der wirklichen Welt, in welche unsere einzelnen Vorstellungen[S. 35] sich einordnen. Es erhebt sich daher die Frage: Wie kommt diese umfassende Vorstellung zustande? Da kommen zuerst die beiden Hauptformen in Betracht, durch die wir den ganzen Stoff unserer Erfahrung ordnen: der Raum und die Zeit, und dann die Grundform, durch die wir ihren inneren Zusammenhang denken: die Kausalität.
Die geistige Welt fassen wir nur zeitlich auf, die körperliche Welt zeitlich und räumlich. Eine Vorstellung von der Zeit überhaupt haben wir nur, indem wir wahrnehmen, daß das, was früher war, nun nicht mehr ist, also unter der Voraussetzung, daß wir uns einer Veränderung von irgend etwas bewußt sind, und daß wir frühere Zustände wiedererkennen; denn nur so können wir einen zeitlichen Abstand von ihnen uns vorstellen. Je mehr wir also nur bei einem einzigen Gedanken oder Gefühl verweilen, ohne eine Veränderung zu erleben, desto mehr schwindet die Vorstellung von der Zeit. Eine gesonderte Vorstellung von der Zeit, losgelöst von dem, was in ihr geschieht, ist nur mit Hilfe der räumlichen Anschauung, etwa unter dem Bilde einer geraden Linie mit bestimmten Abschnitten möglich.
Wollen wir die Zeitabschnitte ohne besondere Hilfsmittel bloß mit Hilfe des Wechsels unserer inneren Zustände schätzen, so sind wir dabei von zweierlei abhängig, von dem Interesse, das die einzelnen Zustände des zu schätzenden Zeitraums für uns hatten, und von der Menge derselben. Der Gedanke, daß die Zeit Flügel habe, tritt besonders dann hervor, wenn wir einen Zustand oder ein Ereignis unseres Lebens mit dem Interesse, das sich für uns daran knüpft, uns lebhaft vergegenwärtigen, so daß die dazwischenliegenden, weniger wichtigen Vorgänge zurücktreten. Dagegen scheint uns die Zeit langsam verflossen[S. 36] zu sein, wenn die Abschnitte, die wir ins Auge fassen, von einer großen Anzahl wechselnder Ereignisse ohne hervorstechende Punkte ausgefüllt sind. Diese subjektive Schätzung der Zeit ist also eine unsichere und wechselnde. Man hat daher einen objektiven Maßstab der Zeit aufgestellt, indem man gleichmäßige Bewegungen in der Natur, Bewegungen der Sonne, des Mondes, des Pendels dazu benutzt, deren Wiederholungen gezählt werden.
Da wir in der wirklichen Welt eine Vorstellung in der Form des Raumes haben, während unsere Vorstellung selbst nicht räumlicher Natur ist, so erhebt sich die Frage, wie wir zu dieser Vorstellung eines Raumes gelangen? Fassen wir einen Gegenstand ins Auge, z. B. ein Gebäude, so enthält diese Wahrnehmung verschiedene räumliche Elemente. Wir erhalten eine Vorstellung von dessen Entfernung von uns und machen uns außerdem ein Bild von seiner Länge, Breite und Höhe, also von seinen drei Dimensionen.
Um die Entfernung zu messen, denken wir uns eine gerade Linie von dem Gebäude bis zu unserem Standort. Von der Entfernung selbst aber haben wir keine bestimmte unmittelbare Empfindung, sie ist vielmehr das Resultat einer Vergleichung zwischen der wirklichen und scheinbaren Größe des Gegenstandes, die infolge häufiger Übung so schnell vor sich geht, daß sie uns als unmittelbare Wahrnehmung erscheint. Je kleiner das Wahrgenommene im Verhältnis zu seiner wirklichen Größe ist, desto größer schätzen wir seine Entfernung, und je mehr dasselbe sich der wirklichen Größe nähert, desto geringer erscheint sie uns. Zum Zweck genauerer Schätzung wird die wirkliche Größe näher zu bestimmen gesucht etwa durch daneben stehende Menschen, deren ungefähre Größe genauer bekannt ist, oder es wird, besonders da, wo die wirkliche Größe nicht bekannt ist und nicht ermittelt werden kann, die der[S. 37] Entfernung entsprechende Gerade in mehrere Teile zerlegt, deren Entfernung durch andere dazwischenliegende Gegenstände bestimmt werden kann. Daher ist die Entfernung auf dem Meer oder auf einförmiger Ebene sehr schwer zu schätzen. Überhaupt läßt sich von den drei Elementen: wirkliche Größe, scheinbare Größe und Entfernung, wenn zwei gegeben sind, immer das dritte bestimmen. Außerdem dient zur Bestimmung der Entfernung auch die durch die Dicke und Beschaffenheit der dazwischenliegenden Luftschicht bedingte größere oder geringere Deutlichkeit der Umrisse.
Ein Mittel zu genauerer Bestimmung der Entfernung ohne Messung der die Entfernung darstellenden Geraden ist die Parallaxe; d. h. die Größe der scheinbaren Verschiebung, welche ein Gegenstand im Verhältnis zu einem feststehenden Hintergrund erfährt, wenn wir ihn von zwei verschiedenen Punkten aus betrachten. Je weiter der Gegenstand entfernt ist, desto kleiner erscheint die Verschiebung. So scheinen uns z. B. bei einer Eisenbahnfahrt die nächsten Gegenstände schneller vorbeizueilen, als die weiter zurückstehenden. Zu genauer Ermittelung der Entfernung durch die Parallaxe wird der Winkel gemessen, den die von dem Gegenstand zu den beiden Beobachtungspunkten gezogenen Linien einschließen. In dieser Weise wird die Parallaxe besonders in der Astronomie vielfach verwendet.
Wie gelangen wir nun aber zur Vorstellung von drei Dimensionen eines Körpers? Was wir zunächst sehen, ist nur eine Fläche mit verschiedener Schattierung. Die Wirklichkeit gleicht zunächst einem Gemälde, wo auch drei Dimensionen durch zwei dargestellt sind; daher faßt ein Blindgeborener, dem eine Operation zum Sehen verholfen hat, einen Würfel als Quadrat, eine Kugel als[S. 38] Scheibe und eine Pyramide als Dreieck auf. Die Vorstellung von einer Ausdehnung nach der Richtung der Tiefe bekommen wir erst durch eine Verbindung der Gesichtsempfindungen mit den Tast- und Bewegungsempfindungen. Indem wir uns um den Körper herum bewegen, finden wir, daß die Flächenwahrnehmung von einer bestimmten Seite aus noch kein Gesamtbild gegeben hat, sondern daß sich andere Flächen an die zuerst gesehene anschließen, und der Tastsinn, der den verschiedenartigen von den Körpern geleisteten Widerstand anzeigt und damit eine genauere Deutung ihrer Schattierungen ermöglicht, ergänzt dieses Bild zu einer deutlichen Gesamtvorstellung von Form und Begrenzung der Körper.
Damit ist aber noch nicht erklärt, wie es überhaupt möglich ist, daß die unräumliche Seele räumliche Bilder auffassen kann; sie hat ja wohl die Vorstellung eines räumlich ausgedehnten Hauses, aber diese Vorstellung ist nicht selbst ausgedehnt. Darauf beruht die Theorie von den Lokalzeichen, die Lotze († 1881) aufgestellt hat, d. h. die Ansicht, daß je nach der Stelle der Netzhaut des Auges oder der Hautoberfläche, die von dem äußeren Reize getroffen wird, dieser selbst noch einen besonderen qualitativen Nebeneindruck mit sich führt, den dann die Seele räumlich deutet. So würde derselbe Farbeneindruck R, je nachdem er mit verschiedenen Lokalzeichen versehen ist, also als Ra, Rb, Rc die Seele trifft, an verschiedene Orte des Raumes a, b oder c verlegt werden. Jedenfalls aber muß in der Seele eine Fähigkeit angenommen werden, diese Zeichen räumlich zu deuten und zu einer Gesamtvorstellung des Raumes zu erweitern.
So sind uns die Formen des Raums und der Zeit dazu behilflich, ein einheitliches Bild von der wirklichen[S. 39] Welt zu bekommen. Doch vollendet sich diese Einheit erst dadurch, daß wir die Erscheinungen nach einem inneren Zusammenhang als ein System von Ursachen und Wirkungen auffassen. Wir nehmen an, daß jede Erscheinung eine Ursache hat und daß die gleiche Ursache immer die gleiche Wirkung hervorbringt. Dieses Kausalitätsverhältnis nehmen wir aber nicht unmittelbar wahr; was wir wahrnehmen, ist vielmehr nur, daß die Erscheinung b regelmäßig eingetreten ist, wenn die Erscheinung a eintrat. Daß a die Ursache von b ist, das ist eine Annahme, die wir selbst hinzubringen und die durch die regelmäßige Aufeinanderfolge von a und b nur veranlaßt ist. Inwieweit diese Annahme berechtigt ist, das hat die Metaphysik zu untersuchen. Die Psychologie kann nur feststellen, daß der erkennende Geist die Eigentümlichkeit hat, den Zusammenhang der Erscheinungen nach diesem Kausalitätsgesetz zu deuten.
Die Gefühle sind Zustände von Lust und Unlust; sie unterscheiden sich dadurch von den Empfindungen und Vorstellungen, die für sich allein uns gleichgültig wären. Der Unterschied zwischen Gefühl und Empfindung zeigt sich z. B. auch darin, daß bei demselben äußeren Reiz die Tastempfindungen dem Schmerzgefühl vorangehen, so bei der Berührung eines heißen Ofens. Auch entsteht das Gefühl langsamer als die Vorstellung, der es entspricht. Wir können schneller von der Vorstellung eines Glücks zu der eines Unglücks übergehen, als von dem Gefühl eines Glückes zu dem[S. 40] eines Unglücks. Es ist daher anzunehmen, daß das Gefühl die zentralen Nervenorgane mehr in Anspruch nimmt, als Empfindung und Vorstellung. In Wirklichkeit aber sind die Empfindungen und Vorstellungen immer mit Gefühlen der Lust oder Unlust verknüpft, sie haben einen sogenannten „Gefühlston”, und darin besteht das Interesse, das wir an ihnen nehmen, und der Wert oder Unwert, den wir ihnen beilegen.
Es gibt unendlich viele verschiedene Arten der Lust und Unlust. Die Gefühle unterscheiden sich nicht bloß quantitativ durch ein Mehr oder Weniger von Lust und Unlust; es sind z. B. qualitativ ganz verschiedene Gefühle der Lust, die sich für uns an den Genuß einer schmackhaften Speise, an die Vollführung einer guten Tat und an die Betrachtung eines schönen Gemäldes knüpfen. Man kann deshalb nicht, wie v. Hartmann will, sämtliche Lust- und Unlustgefühle der Menschen je zu einer Gesamtsumme addieren, um durch die Vergleichung beider zu dem Schluß zu kommen, daß die Unlustsumme in der Welt größer sei als die Lustsumme, und daß für die Menschheit deshalb Nichtsein besser sei als Sein. (Pessimismus.)
Die Eigentümlichkeit der Gefühle läßt sich nur erleben, nicht näher beschreiben; doch werden diejenigen einander ähnlich sein, die sich an ähnliche Zustände oder Vorgänge knüpfen. So können wir die Gefühle nach ihrer Herkunft einteilen in körperliche Gefühle, die von körperlichen Zuständen, und geistige Gefühle, die von geistigen Zuständen herrühren. Unter den letzteren lassen sich wieder die niederen geistigen Gefühle, die auf unser individuelles Wohl und Wehe sich beziehen — Freude, Trauer, Stolz, Ehrgefühl, auch die geselligen Gefühle, Liebe und Haß, solange sie nicht[S. 41] durch sittliche Anschauungen geläutert sind — unterscheiden von den höheren geistigen Gefühlen, die an allgemein gültige geistige Güter der Menschheit sich knüpfen: die intellektuellen, ästhetischen, sittlichen und religiösen Gefühle.
Die körperlichen Gefühle schließen sich unmittelbar an die Empfindungen an und sind nach Art und Stärke von ihnen abhängig. Jede Empfindung hat ihren eigentümlichen Gefühlston, der dieselbe zu einer „angenehmen” oder „unangenehmen” Empfindung macht. Dies gilt jedoch nur für mittlere Stärkegrade der Empfindung. Läßt man einen Ton zu übergroßer Stärke anwachsen, nimmt die angenehme Wärme allzusehr zu, wird das Spektrum direkt auf die Sonne eingestellt, so verbinden sich mit dem ursprünglich angenehmen Eindruck Unlustgefühle. Andererseits kann ein an sich unangenehmer Eindruck, z. B. ein bitterer oder sauerer Geschmack, bei geringer Intensität als angenehm empfunden werden.
Vergleicht man die einzelnen Empfindungsgebiete, so ist das körperliche Gefühl um so stärker, je weniger Wert für die Erkenntnis die Reize haben, von denen es ausgeht. Die stärksten körperlichen Unlustgefühle, die eigentlichen Schmerzen, finden sich bei inneren Vorgängen im Körper, wo eine Erkenntnis der veranlassenden Reize gar nicht oder nur in geringem Maße stattfindet. Geschmack und Geruch sind auch noch mit deutlichen Gefühlen der Lust und Unlust verbunden, geben aber nur einen unbestimmten Beitrag zur Erkenntnis der Gegenstände, durch die sie vermittelt sind. Gesichts- und Gehörempfindungen aber, welche für die Erkenntnis der Außenwelt am wichtigsten sind,[S. 42] scheinen oft ganz ohne begleitende Gefühle aufzutreten und lassen immer nur schwer eine Bestimmung der besonderen mit ihnen verknüpften Gefühle zu. Die Frage, was sie bedeuten, steht beim Hören von Tönen und noch mehr beim Sehen von Farben so im Vordergrund, daß der „Gefühlston” nur bei besonderer Aufmerksamkeit zum Bewußtsein kommt. Dieses Verhältnis von Erkenntniswert und Gefühlsstärke ist wichtig, weil so die für das Erkennen brauchbarste Sinneswahrnehmung den Störungen durch starke Gefühle am wenigsten ausgesetzt ist.
Auch die geistigen Gefühle sind vielfach durch körperliche Zustände, durch bestimmte sinnliche Reize vermittelt; aber sie sind von diesen selbst nicht unmittelbar abhängig, sondern von den Vorstellungen, die dadurch hervorgerufen werden. Wir unterscheiden sehr deutlich zwischen dem körperlichen Schmerz, den eine Verletzung unseres Körpers verursacht, und dem geistigen Unlustgefühl, das durch ein beleidigendes Wort hervorgerufen wird.
Intellektuelle Gefühle entstehen aus dem inneren Verhältnis der Vorstellungen. Wenn der Verlauf des geistigen Lebens zur Herstellung von Einheit und Zusammenhang unter den Vorstellungen führt, so entstehen Gefühle der Lust, z. B. bei einer Entdeckung, die den Zusammenhang einer Erscheinungsgruppe enthüllt. Andrerseits ist mit Zweifeln, Inkonsequenz, Widerspruch auf dem Gebiete des Denkens Unlust verknüpft. Die ästhetischen Gefühle entstehen bei der Wahrnehmung des Schönen. Sie sind vielleicht daraus zu erklären, daß ein ursprüngliches Bedürfnis des menschlichen Geisteslebens, die „Einheit in der Mannigfaltigkeit” (s. S. 18) durch die Harmonie der Form, in der beim Schönen[S. 43] irgend ein Bruchstück der Welt und des Menschenlebens uns erscheint, in der vollkommensten Weise befriedigt wird. Mit dem ästhetischen Gefühl hängt zusammen der Geschmack, d. h. die Empfänglichkeit für ästhetische Eindrücke, verbunden mit der Fähigkeit, sie richtig zu beurteilen, das Schöne vom Häßlichen zu unterscheiden, und die Phantasie, d. h. die Fähigkeit, schöne Formen hervorzubringen, im Unterschied von der Einbildungskraft, dem Vermögen der Reproduktion und freien Kombination schon vorhandener Vorstellungen überhaupt. Wir schreiben dem Einbildungskraft zu, der imstande ist, von einer Landschaft, die ihm geschildert wird, mit Hilfe seines eigenen Vorrats an Vorstellungen sich ein anschauliches Bild zu machen, und Phantasie dem, dessen ästhetisches Gefühl sogleich dabei rege wird und so den Worten der Schilderung folgend dem Landschaftsbild eine schöne Form gibt, es gleichsam zum Gemälde gestaltet. Die künstlerische Phantasie ist davon nur dem Grade nach verschieden. Das sittliche Gefühl ist an die Vorstellung gewisser Handlungen geknüpft; je nachdem es ein Gefühl der Lust oder Unlust ist, werden die Handlungen als gute oder böse beurteilt. Aus den Äußerungen des sittlichen Gefühls bilden sich mit Hilfe des Denkens Grundsätze des Handelns und die Gewohnheit, dieselben zu befolgen, d. h. der Charakter (s. S. 63). Der Begriff des Gewissens umfaßt ebenso die ersten Regungen des sittlichen Gefühls (primäres Gewissen), wie die durch das Denken vermittelte sittliche Beurteilung (sekundäres Gewissen). Das religiöse Gefühl ist mit der Vorstellung der Beziehung zu Gott oder zu Göttern verbunden. Auf der höheren Stufe verbindet es sich stets mit dem sittlichen Gefühl; die Mächte, von denen der Mensch sich abhängig fühlt, werden zu Trägern sittlicher Ideale.
Aus irgend einem Anlaß kann das Gefühl plötzlich so stark auftreten, daß es die Überlegung des Verstandes vollständig zurückdrängt und den Willen beherrscht; dieser plötzliche Ausbruch des Gefühls ist der Affekt, z. B. der Zorn. Wird dagegen ein starkes Gefühl längere Zeit in einer bestimmten Richtung festgehalten, so wird es zur Leidenschaft, beständig bereit, den Willen sich völlig zu unterwerfen. Zu unterscheiden sind davon die Gesinnungen, z. B. Vaterlandsliebe, Frömmigkeit. Hier hat sich ein bestimmtes Gefühl ein für allemal mit gewissen Vorstellungen verbunden, ohne aber deshalb von Schwankungen frei zu sein. Sie unterscheiden sich aber von der Leidenschaft durch größere Dauer und eine gewisse Gleichmäßigkeit, mit welcher sie ihren Einfluß auf den Willen geltend machen. Das Vermögen der Gesinnungen ist das Gemüt.
Die Gefühle knüpfen sich nicht selbständig aneinander, sondern schließen sich in ihrem Verlaufe in der Regel an die Vorstellungen an, nur daß die Gefühle langsamer wechseln, und deshalb oft das einmal erzeugte Gefühl auch über eine Reihe neu auftauchender Vorstellungen hinaus fortdauert. Auch die Erinnerung der Gefühle wird durch die entsprechende Vorstellung vermittelt. Will ich etwa zum Verständnis der Gefühle anderer Menschen in einer bestimmten Lage meine eigenen aus früherer Zeit in derselben Lage zurückrufen, so kann ich es nur durch lebhafte Vorstellung der betreffenden Umstände.
Doch zeigt die Aufeinanderfolge der Gefühle ein Gesetz, das auch für den Vorstellungsverlauf gilt, in viel[S. 45] stärkerem Maße: das Gesetz der Beziehung. Das Gefühl ist etwas in hohem Grade Relatives. Jedes Gefühl ist davon abhängig, was für ein anderes vorangegangen ist. Dieselbe Wahrnehmung, dieselbe Situation kann daher zu verschiedenen Zeiten in uns ganz verschiedene Gefühle hervorrufen. Das Gefühl der Lust ist stärker, wenn es auf den Schmerz folgt, als wenn es in einem Zustand der Gleichgültigkeit entsteht; das Gefühl der Genesung ist mächtiger, als das der Gesundheit. Treten die Gefühle im Übermaß auf, so können sie in ihr Gegenteil umschlagen. Das menschliche Nervensystem erträgt nur ein beschränktes Maß von Lust und Schmerz.
Wiederholt sich das Gefühl, so wird es gewöhnlich abgestumpft. Der häufige Genuß derselben schmackhaften Speise kann sogar zum Ekel werden. Der oft wiederkehrende Schmerz hat nicht dieselbe Stärke, er erzeugt Abhärtung. Doch gilt dies nur für solche Gefühle, die keine Vertiefung in einen geistigen Inhalt, sondern bloß passive Hingabe an einen Eindruck mit sich führen, dagegen trägt bei den höheren Gefühlen die wiederholte Übung zur Verstärkung bei. Das Anhören eines klassischen Musikstücks kann bei jeder Wiederholung höheren Genuß gewähren, indem die Phantasie jedesmal leichter arbeitet und tiefer in den Gehalt des Tonstücks eindringt.
Gleichzeitige Gefühle ähnlicher Art verschmelzen sich zu einem Totalgefühl, in das sie als Partialgefühle eingehen. Bei sämtlichen höheren geistigen Gefühlen finden solche Verschmelzungen statt. So setzt sich z. B. die ästhetische Gefühlswirkung eines historischen Gemäldes aus Partialgefühlen zusammen, die aus der Farbenharmonie, aus der Sympathie mit den dargestellten Personen, aus[S. 46] der Vorstellung der Bedeutung des geschichtlichen Ereignisses stammen.
Bei einer Verbindung entgegengesetzter Gefühle, welche eine gewisse Selbständigkeit bewahren, redet man dagegen von „gemischten Gefühlen”. So entsteht das Gefühl der Wehmut aus einer Mischung von Trauer über das Verlorene und Freude in der Erinnerung daran.
Ein für sich dastehendes Beispiel der Mischung der Gefühle ist das sogenannte „Lebens”- oder „Gemeingefühl”. In jedem Augenblick unsres Lebens zeigt sich unser körperliches Allgemeinbefinden durch ein allgemeines Gefühl an, das aus den einzelnen an die sogenannten „Gemeinempfindungen” (z. B. Hunger und Durst) geknüpften Gefühlen entsteht und sich auch dadurch von den einzelnen körperlichen Gefühlen unterscheidet, daß es sich nicht auf einen bestimmten Ort des Körpers beziehen, nicht „lokalisieren” läßt.
Der Beitrag, den die körperlichen Zustände zu dem Lebensgefühl liefern, setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen. Dazu gehören:
1. Eine große Anzahl von Gefühlen, z. B. bei Sinnesempfindungen, die zu unbedeutend sind, um als besondere zum Bewußtsein zu kommen.
2. Gefühle, die sich an Zustände einzelner Körperteile knüpfen, aber auch das Allgemeinbefinden beeinflussen, z. B. Zahnschmerz.
3. Gefühle, deren Veranlassungen wegen ihrer allseitigen Verteilung im Körper und ihrer allgemeinen Bedeutung für den Fortgang des Lebens gewöhnlich überhaupt nicht lokalisiert werden. Diese Zustände, z. B. Beschaffenheit und Kreislauf des Blutes, beschwerlicher[S. 47] oder freier Gang des Atemholens, normaler oder abnormer Verlauf des Verdauungsprozesses sind daher auch die wichtigsten Faktoren für das Gemeingefühl. Das Lebensgefühl bildet einen Bestandteil der „Stimmung”, die eine Art Gesamtdurchschnitt des augenblicklichen Gefühlsstandes darstellt. Zu einer gehobenen Stimmung kann ebensowohl die Erleichterung des Atmens durch gute Luft und das dadurch erhöhte Lebensgefühl als der Genuß eines edlen Kunstwerks beitragen.
Noch weniger als die einzelnen Gefühle lassen die Lebensgefühle und die Stimmungen eine Beschreibung zu. Es können nur einige allgemeine Ausdrücke angeführt werden, die sich im Sprachgebrauch dafür ausgebildet haben. Man spricht von einer reizbaren, apathischen, gehobenen Stimmung. In den Gegensätzen der Kraft und der Mattigkeit, der Freiheit und der Beklommenheit, der Hoffnung und der Furcht bewegen sich Stimmung und Lebensgefühl.
Von besonderer Bedeutung sind die wechselnden Schattierungen des „Lebensgefühls” und der Stimmung für die Erinnerung, für die Festhaltung von Vorstellungen, durch die es in besonderer Weise verändert wurde. Wir erinnern uns einer früheren Situation dann mit auffallender Deutlichkeit, wenn eine besondere Färbung unserer Stimmung damit verbunden war, und zwar dadurch, daß wir uns in die damalige Stimmung wieder hineinfühlen. Gelingt uns das letztere nicht mehr, so sind meist auch die damit verbundenen Vorstellungen dem Gedächtnis entschwunden, z. B. die Ereignisse vor einer schweren Krankheit wegen des krankhaft veränderten Lebensgefühls. Umgekehrt sind wir geneigt, ungleiche Situationen miteinander zu identifizieren, wenn sie in uns die gleiche Stimmung erwecken, daher wohl auch die häufige Meinung,[S. 48] in einer Situation, in der man zum erstenmal ist, früher schon einmal gewesen zu sein.
Die Temperamente sind eine Art angeborener Stimmung, vorwiegender Empfänglichkeit für bestimmte Gefühle und dadurch bedingter Eigenschaften des Willens, durch welche die Art und Weise bestimmt wird, wie Eindrücke der Außenwelt aufgenommen, verarbeitet und erwidert werden. Die Veränderungen der Stimmung und des Lebensgefühles bewegen sich bei jedem Individuum innerhalb bestimmter Grenzen, die von der körperlichen und geistigen Anlage abhängen. Solcher Temperamente gibt es eigentlich so viele, als es Individuen gibt. Doch wurden mit Recht schon im Altertum von Galenus vier Hauptformen der Temperamente herausgehoben, innerhalb deren sich die feineren Unterschiede bewegen: das sanguinische, cholerische, phlegmatische und melancholische Temperament. Kant unterschied mit Verdeutschung dieser Ausdrücke zwischen Temperamenten des Gefühls: dem leichtblütigen (sanguinischen) und schwerblütigen (melancholischen), und Temperamenten der Tätigkeit: dem warmblütigen (cholerischen) und kaltblütigen (phlegmatischen).
Jedenfalls beziehen sich die Temperamente auf die Bewegung der geistigen Vorgänge, sofern sie vom Gefühlsleben abhängig ist. Nach der gewöhnlichen Auffassung sind die Merkmale des sanguinischen Temperaments: lebhafte Empfänglichkeit für alles, aber ohne nachhaltige Verarbeitung der empfangenen Eindrücke und ohne kräftige Rückwirkung, daher oft Mangel an Stetigkeit des Handelns und Beständigkeit der Gesinnungen; des phlegmatischen: geringere Erregbarkeit für äußere Reize, Neigung zu geduldiger Ausdauer, aber auch zu gewohnheitsmäßigem[S. 49] Beharren, und oft Erstarrung des geistigen Lebens; des cholerischen: starke Erregbarkeit in einer bestimmten Richtung und große Energie der Rückwirkung, daher oft Konsequenz des Charakters; des melancholischen: große Empfänglichkeit für Gefühle, besonders für die höheren, aber Neigung zum Verweilen in diesem Gefühlsleben ohne praktische Tatkraft zur Verfolgung der damit verbundenen Ziele.
Wundt leitet die Vierteilung aus zwei Gegensätzen in der Art der Gemütsbewegungen ab: Stärke und Schwäche, Schnelligkeit und Langsamkeit, und gibt darnach folgende Tafel der Temperamente:
Starke: | Schwache: | ||
Schnelle | cholerisch | sanguinisch | |
Langsame | melancholisch | phlegmatisch. |
Jedenfalls finden sich aber diese Temperamente selten rein ausgeprägt, und es ist die Aufgabe eines normalen Geisteslebens, ihre Einseitigkeit zu vermeiden.
Man könnte auch von Temperamenten der einzelnen Rassen, Völker, Familien, Geschlechter sprechen. Dagegen ist ein anderer Gegensatz in jener Vierteilung nicht deutlich genug vertreten, der auch eine Art angeborener Eigentümlichkeit des Gefühlslebens bezeichnet, der Gegensatz zwischen optimistischer und pessimistischer Weltanschauung, zwischen der vorwiegenden Empfänglichkeit für Lust und der für Unlust.
Besondere Bedeutung hat das Gefühl für das Selbstbewußtsein. Wir machen uns im Fortschritt unserer Erkenntnis ein Bild von uns selbst, bei welchem zunächst der Körper im Vordergrund steht und später auch der Geist in unbestimmter Verbindung mit ihm zusammengedacht[S. 50] wird. Mit „Ich” bezeichnen wir die beharrliche Einheit aller wechselnden Zustände dieses Gesamtbildes; zugleich aber sprechen wir damit aus, daß wir alle diese inneren Vorgänge und die Bewegungen des Körpers, die von ihnen abhängen, als unsere eigenen erkennen. Der tiefste Grund für diese Unterscheidung unseres „Ich” von andern liegt im „Selbstgefühl”. Die ganze Vorstellungswelt, die wir in der formalen Einheit unseres Ich zusammenfassen und wahrnehmen, könnte uns auch fremd sein, wenn wir nicht Lust und Unlust, die sich damit verbinden, zweifellos und unmittelbar als Zustände unseres eigenen Selbst im Unterschied von andern erleben würden. Erst allmählich entwickelt sich auf Grund dieses Selbstgefühls, das von der Erkenntnis unabhängig ist, das Selbstbewußtsein, indem das „Ich” lernt, sich denkend von seinen Zuständen zu unterscheiden. Im Mitgefühl erweitert sich dann wieder dieses Ich zur inneren Teilnahme an dem, was andere fühlen.
Es erhebt sich noch die Frage, welche Bedeutung die Gefühle für das menschliche Dasein überhaupt haben. Eine naheliegende, aber vielfach auch sich bestätigende Antwort auf diese Frage ist, daß Lust eine Förderung und Unlust eine Hemmung des körperlichen oder geistigen Lebens bedeutet. Die Größe des Schmerzes steigt im allgemeinen mit der Größe der Störung, die im Organismus stattfindet. Der Geschmack zeigt als Lust- oder Unlustgefühl an, ob fördernde oder hemmende Stoffe dem Körper zur Nahrung zugeführt werden. Es gibt allerdings wohlschmeckende Gifte, aber auch sie steigern zunächst die Lebensfunktion, indem sie mit einem Teile ihrer Eigenschaften auf die Geschmacksnerven wirken; erst bei ihrer[S. 51] weiteren Verbreitung im Körper treten die verderblichen Eigenschaften hervor. Dasselbe gilt für die geistigen Gefühle. Auch ein schädlicher geistiger Genuß zeigt richtig die Förderung des geistigen Lebens an irgend einem Punkte an. Abzuwägen, inwieweit die daraus folgende Hemmung die augenblickliche Förderung überwiegt, ist nicht Sache des Gefühls, sondern des Denkens, zugleich die wichtigste Aufgabe der Lebensklugheit.
Im ganzen aber führt diese Auffassung zu einem Verständnis der umfassenden Bedeutung des Gefühls, deren nähere Darlegung in Beziehung auf den Zusammenhang der Welt übrigens in die Metaphysik gehört. Auf dem Gefühl beruht alle Erhaltung und aller Fortschritt des Lebens. Die theoretische Einsicht in das, was nützlich und schädlich ist, reicht nicht hin, die Menschen vor Selbstvernichtung zu bewahren. Keine noch so vollendete Ausbildung des Verstandes könnte die Menschheit zum Erwerb geistiger Güter bringen, wenn nicht ein Genuß höherer Art damit verbunden wäre. In den meisten Fällen ist vielmehr jene Einsicht gar nicht vorhanden. Der Mensch vermeidet z. B. den Genuß übelriechender Speisen für gewöhnlich nicht wegen der Einsicht in ihre Schädlichkeit, sondern wegen der starken Unlustgefühle, die schon der Gedanke daran ihm verursacht. Wenn dem Mörder vor der Tat das Gewissen schlägt, so geschieht es nicht, weil er die Gefahr solcher Grundsätze für die Existenz der Gesellschaft sich überlegt hat, sondern er fühlt unmittelbar die Qual des Gewissens als ein mächtiges Unlustgefühl.
So wird also der Mensch durch die Lust, die er sucht, und die Unlust, die er vermeidet, so geleitet, daß die Erhaltung und Vervollkommnung des einzelnen, wie des Menschengeschlechtes gesichert ist. Vom Standpunkte[S. 52] der Religion aus gesehen wäre das Gefühl das Hauptmittel in der Hand der Vorsehung, die Entwickelung der Menschheit zu lenken. Gefühle wären es, die eine Welt von Motiven für die Geschichte bilden, und Gefühle edler Art würden jene Ideale der Menschheit (s. § 1) ihrer Verwirklichung entgegenführen.
Das Wollen ist wie das Fühlen ein einfacher und ursprünglicher Akt des Geisteslebens, der sich nicht näher beschreiben, aber doch in seinen Äußerungen verfolgen läßt. Der eigentliche Willensakt veranlaßt immer eine Veränderung entweder in der Außenwelt oder in der Innenwelt des Wollenden. Das Mittel, eine Veränderung der ersteren Art zustande zu bringen, ist die Bewegung des eigenen Körpers. An dieser nächstliegenden Veränderung, die durch den Willen hervorgebracht wird, lassen sich daher auch die verschiedenen Stufen des Willens am besten beobachten. Zum eigentlichen Wollen gehört die Vorstellung von einem Zweck, der erreicht werden soll, und eine Wahl der Mittel, durch die er erreicht werden soll. Dies ist aber erst das Resultat einer längeren Entwickelung.
Der Mensch würde nie zu Bewegungen gelangen, wenn er nicht zuerst Bewegungen ausführen würde, die er nicht gewollt hat. Schon die vom Stoffwechsel ausgehenden Nervenerregungen müssen zu unwillkürlichen Bewegungen führen; denn die angesammelte Spannkraft muß einen Ausweg in Bewegungen finden. Beispiele dafür gehen auch noch neben dem bewußten Wollen her,[S. 53] wenn beim Schmerz die Zähne zusammengebissen werden, oder eine hochgradige Aufregung in lebhafter, aber zweckloser Bewegung sich kundgibt. So gelangt das Kind, indem es seine eigenen automatischen Bewegungen, z. B. die seiner Stimmorgane oder seiner Hände, wahrnimmt, allmählich zu der Erfahrung, daß sie von ihm selber beeinflußt werden können.
Dazu sind aber noch andere Erscheinungen behilflich. Solche unwillkürliche Bewegungen geschehen auch auf Veranlassung eines Reizes hin. Wenn dem Auge ein Stoß droht, so schließen sich die Augenlider; wenn ein fremder Körper in die Luftröhre gerät, so tritt Husten ein, ohne daß eine besondere Willenskraft zu dieser Bewegung nötig ist. Die sensiblen Nerven leiten die Nachricht von der eingetretenen Gefahr bis zu den Zentralorganen, hier wirkt der Reiz aber ohne Zutun der Seele sogleich auf die motorischen Nerven und führt so zu jener Bewegung, welche der drohenden Gefahr zweckmäßig begegnet. Daß diese sogenannten Reflexbewegungen ein von jeder Art der Überlegung unabhängiger Mechanismus sind, zeigt sich z. B. darin, daß sie auch bei Versuchen an Tieren ohne Gehirn gefunden werden. Ein enthaupteter Frosch wischt den Tropfen Säure, den man auf seine Haut bringt, mit dem Fuße ab. Dagegen bleibt er ohne solche Veranlassung regungslos, da er zwar noch die Fähigkeit zur Reflexbewegung, aber nicht die zu selbständiger Bewegung hat. Bei dem Menschen läßt sich der Unterschied zwischen Reflex- und willkürlicher Bewegung mit Hilfe der Untersuchungen über die sogenannte „physiologische Zeit” nachweisen, d. h. die Zeit, welche zwischen dem Auffassen und Erwidern eines Reizes, z. B. zwischen einer Gesichtsempfindung und der Reaktion auf dieselbe verfließt und durchschnittlich[S. 54] etwa ⅕ Sekunde beträgt. Es zeigt sich nämlich, daß diese Zeit kleiner ist bei der Reflexbewegung als bei der willkürlichen Bewegung, daß also zwischen der Zuleitung des Reizes durch die sensiblen Nerven und der Weiterleitung des Befehls zur Bewegung durch die motorischen eine bestimmte, sogenannte „Willenszeit” zur Willensentscheidung verbraucht wird. Zwischen der Reizung durch den elektrischen Strom und der darauf reagierenden Muskelzuckung verläuft weniger Zeit, als zwischen der Gesichtsempfindung, die den Beginn der Bewegung eines Sekundenzeigers meldet, und dem Druck des Fingers, der durch Schließung des elektrischen Stroms den Zeiger wieder zum Stehen bringt.
Die Reflexbewegungen können auch gehemmt werden, indem die sensiblen Nerven gleichzeitig von anderer Seite her Einwirkungen erfahren oder der bewußte Wille dazwischen tritt. Dies geschieht z. B., wenn bei großem Schrecken durch die Nervenerregung die Reflexbewegung des Schluckens oder durch die Willenskraft das „Zusammenfahren” verhindert wird. Die Reflexbewegungen haben ihren Sitz hauptsächlich im Rückenmark. Sie werden vom großen Gehirn aus, dem Organ der selbständigen Bewegung, mit fortschreitender Bildung immer mehr eingeschränkt. Die Selbstbeherrschung besteht zum großen Teil aus solchen Reflexhemmungen.
Von den einfachen Reflexbewegungen unterscheiden sich die des Instinkts dadurch, daß sie ein zusammengesetztes System von Mitteln zur Erreichung eines entfernteren Zweckes darstellen. Aber auch sie gehen ohne Kenntnis dieses Zweckes vor sich. Der Vogel hat keine Vorstellung von dem Nest, das er bauen will, oder die Bienen von ihrer Wachszelle, sondern sie werden von dunklen körperlichen Gefühlen dabei geleitet, die als angeborene und[S. 55] sich vererbende Eigentümlichkeiten ihrer Gattung angesehen werden müssen.
Hierher gehört noch eine Reihe von Bewegungen, die auch ohne eigentlichen Willensakt zustande kommen, aber nicht auf Grund einer zweckmäßigen Einrichtung der Natur, sondern nur durch die Vorstellung der Bewegung selbst: die Nachahmungsbewegung. Eine Bewegung, deren Bild sich aufdrängt, wird oft unwillkürlich nachgeahmt. Die Stöße eines Fechters, die Leistungen eines Clowns werden von ungebildeten Zuschauern unter Begleitung von leichten Bewegungen betrachtet, selbst die Lesung einer lebhaften Schilderung kann zu schwacher Bewegung führen, ohne daß der Wille mitwirkt. Noch häufiger, aber wenig in die Augen fallend zeigt sich die Nachahmung in den kleinen Bewegungen, die zur Körperhaltung gehören und die oft nachgeahmt werden, während die Aufmerksamkeit etwas anderem zugewandt ist. Doch tritt dieselbe mit der zunehmenden Bildung infolge der Gewohnheit der Selbstbeherrschung und der schnellen Ablösung der Bewegungsvorstellungen durch andere mehr zurück.
Mit dem Trieb kommen wir dem eigentlichen Wollen um einen Schritt näher. Je weiter die Entwickelung des Geisteslebens fortschreitet, desto enger wird die Verbindung zwischen seinen einzelnen Elementen. So unterscheidet sich der Trieb vom Instinkt dadurch, daß dabei eine mehr oder weniger klare Vorstellung dessen mitwirkt, was als Quelle der Lust erstrebt wird. Wird der Trieb so stark, daß er den Menschen ganz erfüllt und Denken und Wollen beherrscht, so geht er in die Begierde über. Es ist also ein zeitlicher Unterschied da zwischen dem zukünftigen[S. 56] Gefühl der Lust, welche die Befriedigung des Triebes gewähren wird, und den Bewegungen, die dadurch verursacht werden, zwischen dem Zweck und den Mitteln zu seiner Erreichung. Der Instinkt leitet nur durch die augenblicklichen Gefühle, welche die Bewegung begleiten, der Trieb durch die Vorstellung eines Zieles, mit welchem das Gefühl verbunden sein wird. So unterscheidet sich z. B. die Kunstfertigkeit der Ameise und der Gestaltungstrieb des Künstlers. Das Gefühl der Lust, das mit dem erreichten Zweck sich verbindet, ist also der Grund zur Bewegung, der Beweggrund oder das Motiv.
Wird dieses Gefühl nicht sogleich zum Motiv, also auch nicht unmittelbar zur Veranlassung einer Bewegung, so erscheint es als Wunsch. Treten mehrere Objekte nebeneinander auf, so daß das Objekt des einzelnen Triebes nicht unmittelbar erreicht wird, so kommt das Denken nicht mehr bloß für die Wahl der richtigen Mittel in Betracht, sondern es entscheidet je nach dem Gefühlswert der Motive, besonders mit Hilfe der Erinnerung, welches der Motive den Ausschlag geben, was als Zweck gesetzt werden soll: das Subjekt faßt den Vorsatz, ein bestimmtes Ziel anzustreben. Der Vorsatz kann aus augenblicklicher Gemütsbewegung entspringen, ohne daß das ganze Innere des Menschen, sein eigentümlicher Charakter, alle seine Gefühle und Vorstellungen mitgewirkt haben. Die Entscheidung ist deshalb zunächst eine oberflächliche und kann, wenn sich jene Faktoren nachher geltend machen, wieder umgestoßen werden: „der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.” Erfolgt aber die Entscheidung zwischen den Motiven auf Grund einer allseitigen Überlegung, indem der Handelnde seine ganze Persönlichkeit dabei in die Wagschale legt, so entsteht der [S. 57]Entschluß. Dieser ist die höchste Form des Willens, der eigentliche Willensakt. Je mehr wir uns diesem nähern, desto wichtiger muß jener Zeitunterschied zwischen dem Gedanken und der Ausführung des Gedankens werden, den wir zuerst beim Trieb beobachtet haben; denn je mehr andere Motive und die Erwägung ihres Wertes Zeit haben, sich geltend zu machen, desto mehr wird die Entscheidung der unmittelbaren Wirkung eines einzigen Motivs zu Gunsten der Überlegung entrückt. Der Unterschied zwischen diesen verschiedenen Formen des Willens ist freilich ein fließender und der Sprachgebrauch häufig ungenau, aber er ist wichtig für die sittliche und für die strafrechtliche Beurteilung.
Was für ein geistiger Vorgang der Willensakt ist, wie es geschieht, daß dasselbe, was vorher nur ein Wunsch, nur eine Möglichkeit war, nun auf einmal als etwas angesehen wird, was in einem wirklichen Handeln herbeizuführen ist, läßt sich nicht näher auseinandersetzen, sondern nur erfahren. Auch haben wir kein Bewußtsein davon, wie nun der Willensakt in Bewegung übergeht, wie der Wille durch Vermittelung der motorischen Nerven die Muskeln in Bewegung setzt. Nur einen inneren Zustand nehmen wir wahr, eine Vorstellung und ein Gefühl von der Bewegung, die gemacht werden soll, und den eigentümlichen Vorgang, der den Befehl enthält, diese Bewegung ins Werk zu setzen. Das übrige entzieht sich unserer inneren Erfahrung; aber die gewollte Bewegung tritt mit Sicherheit ein, sie ist also in gesetzmäßiger Weise mit dem inneren Zustand verknüpft, jedoch ohne daß die Zwischenglieder uns zum Bewußtsein kommen.
Daß der Wille des Menschen in dem Augenblick, wo [S. 58]er einen Entschluß faßt, frei sei, d. h. daß er in demselben Augenblick auch einen andern Entschluß fassen könnte, wird überall im praktischen Leben vorausgesetzt. Diesem Indeterminismus, der auch wissenschaftlich vertreten wurde, steht der Determinismus gegenüber, der die Willensfreiheit in diesem Sinne leugnet. Die Psychologie kann diese Frage für sich allein nicht entscheiden, die Ethik hat zu untersuchen, ob die Willensfreiheit eine Forderung des sittlichen Bewußtseins ist, die Metaphysik, ob sie im Zusammenhang der Welt denkbar ist. Ganz außerhalb des Gebiets der Psychologie liegen Ansichten, wie die von der Machtlosigkeit des menschlichen Willens (Fatalismus). Vom Standpunkt der Psychologie ergibt sich als Für und Wider etwa Folgendes:
1. Der Determinismus erklärt, durch die Behauptung der Freiheit des Willens sei das Gesetz der Kausalität, daß alles eine Ursache haben müsse, und damit der Zusammenhang des Bewußtseinslebens aufgehoben. Der Indeterminismus macht dagegen geltend, die ausnahmslose Gültigkeit des naturwissenschaftlichen Kausalgesetzes sei für die geistige Welt weder erwiesen, noch willkürlich anzunehmen.
2. Der Indeterminismus weist auf gewisse psychologische Tatsachen hin: auf das Bewußtsein der Freiheit und Verantwortlichkeit, auf das Gefühl der Reue, die nur erklärbar seien unter der Voraussetzung, daß man wirklich in derselben Lage anders handeln könnte, als man gehandelt hat. Der Determinismus erklärt diese Tatsachen daraus, daß das handelnde Individuum seine eigene Charaktereigentümlichkeit nicht in Rechnung bringt und so die, von äußerem Zwang allerdings unabhängige Wahl zwischen den Motiven, die auf Grund derselben nur in einer einzigen Richtung erfolgen kann, als absolut freie ansieht. In der Erinnerung an eine böse Tat ergebe sich[S. 59] dann die Reue aus der Selbstverurteilung und aus dem Wunsche, anders gehandelt zu haben.
Es gibt Bewegungen, deren Eigentümlichkeit darin besteht, daß sie einen innern Zustand ausdrücken, daß sie Zeichen eines bestimmten inneren Zustandes sind. Sie sind keine besondere Art neben den unwillkürlichen und willkürlichen Bewegungen, sondern immer eines von beiden, aber sie verdienen eine besondere Beachtung, weil alle Entwickelung des geistigen Lebens auf dem Verkehr der Menschen untereinander beruht, und dieser Verkehr nur durch Ausdrucksbewegungen möglich ist. Soweit diese in äußerlich sichtbaren Körperbewegungen bestehen, werden sie auch Gebärden genannt.
Man kann dreierlei Arten von Ausdrucksbewegungen unterscheiden, die aber häufig zusammenwirken:
1. Bewegungen, die nur die starke Erregung des Gefühls unmittelbar zum Ausdruck bringen. Sie wurden schon oben bei den Reflexbewegungen erwähnt als ein Mittel, die große innere Spannung nach außen zu leiten. Hierher gehört das Erblassen und Erröten, Lähmung und Spannung der Muskeln, das Lachen und Weinen. Das Lachen ist der Ausdruck körperlichen und geistigen Wohlbehagens, des letzteren besonders, sofern es durch starke Gegensätze hervorgerufen wird, z. B. durch den Gegensatz einer kurzen dicken und einer langen hageren Gestalt. Ähnlich beruht der Witz auf der „plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in Nichts” (Kant). Die Ursache dieser Vorgänge ist vielleicht die, daß ein Grundbedürfnis des Geistes, die Bewegung durch Gegensätze[S. 60] hindurch hier besonders rein und vollkommen befriedigt wird. Das Lachen besteht in einem stoßweisen Ausatmen, das durch Einatmung unterbrochen ist. Das Weinen ist der Ausdruck geistigen oder körperlichen Schmerzes; sein Hauptmerkmal ist die Aussonderung von Wasser durch die Tränendrüsen. Doch sind beide Erscheinungen auch von Bewegungen der Gesichtsmuskeln begleitet, die nach Form 2 zu erklären sind.
2. Bewegungen, welche die Gefühle mit Hilfe der Assoziation ähnlicher Empfindungen ausdrücken. So werden z. B. diejenigen Gefühle, welche der Sprachgebrauch als bitter, herb, süß bezeichnet, durch Bewegungen des Mundes ausgedrückt, welche sonst mit den betreffenden Geschmacksempfindungen verbunden sind.
3. Bewegungen, die zum Ausdruck von Vorstellungen und dadurch oft auch mittelbar zum Ausdruck von Gefühlen dienen. Auf einfache Weise geschieht dies, wenn wir auf Personen und Dinge, von denen die Rede ist, mit der Hand hinweisen. Häufiger möglich ist die Nachbildung des betreffenden Gegenstandes oder seiner Merkmale durch malende Gebärden. So sucht der Erzähler seine Schilderung anschaulich zu machen. Dadurch kann auch mittelbar ein Gefühl ausgedrückt werden, z. B. wenn durch das Ballen der Faust die Vorstellung eines Angriffs hervorgerufen und dadurch der Zorn gegen den Beleidiger ausgedrückt wird.
Die wichtigste Form der Ausdrucksbewegungen überhaupt ist aber die Sprache, wo Vorstellungen durch Bewegungen des Sprachorgans, durch den gesprochenen und gehörten Laut, ihren Ausdruck finden. Doch werden in ihr auch die erste und zweite Form der Ausdrucksbewegungen verwendet. Ursprünglich war die Sprache[S. 61] wohl eine unwillkürliche, von Gebärden begleitete Äußerung des Sprachorgans, die als eine Art Reflexbewegung den Eindruck wiedergab, den die Gegenstände machten, und auf einer unklaren Beziehung zwischen Laut und Bild beruhte. Die eigentliche Schallnachahmung, auf die von den Vertretern der sogenannten onomatopoëtischen Theorie der Ursprung der Sprache zurückgeführt wird, wäre nur ein unwesentlicher Teil der so entstandenen Laute. Die erläuternde Begleitung der Gebärden und das Bewußtsein einer Verwandtschaft zwischen Laut und Bild trat aber allmählich zurück, das Wort wurde bloßes Zeichen und konnte auch für Gemeinvorstellungen und abstrakte Begriffe, denen kein bestimmter Gegenstand entsprach, gebraucht werden. Von andrer Seite her geschah dies in der Schrift: zuerst Nachbildung der Form der Gegenstände in der Bilderschrift und dann Verwandlung dieser Bilder in selbständige Schriftzeichen. So wurde die Sprache das unerschöpfliche und unentbehrliche Mittel für die Unterscheidung und den Austausch der Gedanken und damit für die Ausbildung des Denkens überhaupt.
Die Veranlassung der Ausdrucksbewegungen ist immer ein innerer Zustand. Die Schauspielkunst nimmt alle Ausdrucksbewegungen in ihren Dienst und sucht dieselben allerdings künstlich, d. h. ohne daß die natürlichen äußeren und inneren Anlässe dazu gegeben sind, hervorzubringen; aber der Schauspieler kann eine der höchsten Forderungen, die Lebenswahrheit, doch nur erreichen, indem er den inneren Zustand selbst künstlich erzeugt, dem die Ausdrucksbewegungen ungezwungen folgen. Hat er Sprache und Gebärden nur mechanisch erlernt, so erscheint sein Spiel als ein „Gemachtes”, weil es eben nicht „Ausdruck” eines Innern ist.
Es war schon mehrmals davon die Rede, von wie großer Wichtigkeit für das geistige Leben die Wiederholung ist. Hat sie den Zweck, größere Fertigkeit zu erreichen, so heißt sie Übung. Das Resultat der häufigen Wiederholung ist die Gewohnheit. Werden Vorstellungsreihen, die durch Assoziation verbunden sind, häufig wiederholt, so geht die Wiedererzeugung jedesmal leichter vor sich, und die Zwischenglieder kommen gar nicht mehr als selbständige zum Bewußtsein. Ein Beispiel dafür ist die Wahrnehmung der Entfernung, die ursprünglich aus der Wahrnehmung der scheinbaren Größe, deren Vergleichung mit der wirklichen Größe und der Feststellung des Resultats besteht. Durch die Übung werden wir diese Berechnung so gewöhnt, daß wir mit Überspringung der Mittelglieder unmittelbar die Entfernung selbst wahrzunehmen glauben (vgl. o. S. 36).
Dasselbe gilt auch von den Bewegungsvorstellungen und infolgedessen von den Bewegungen selbst, die der Wille regiert. Die Leitung durch die motorischen Nerven und die Ausführung der Bewegungen durch die Muskeln geht mit jeder Wiederholung leichter und schneller vor sich. Eine solche gewohnheitsmäßige Verbindung von Vorstellung und Bewegung stellt z. B. die Sprache dar. Vorstellung, Sprachlaut und Schriftzeichen sind für unser Bewußtsein fast zu einer Vorstellung verschmolzen, so daß das eine ohne weiteres das andere hervorruft. Indem wir schreiben, fügt sich an die Vorstellungen, die wir hervorbringen, das Bild der betreffenden Schriftzeichen und der dazu nötigen Bewegungen, und durch Vermittlung der motorischen Nerven wird die entsprechende Muskelgruppe in Bewegung gesetzt, um die Schriftzeichen zu Papier zu bringen; daneben geht aber[S. 63] immer in engster Assoziation eine Vorstellung von dem Klange her, den die gesprochenen Worte hätten. Dieser komplizierte Vorgang ist uns durch unzählige Wiederholungen so geläufig geworden, daß er uns als ein einziger Akt erscheint. Ebenso sind andere komplizierte Bewegungen: das Sprechen, das Klavierspielen, die Tätigkeit des Setzers, zu erklären.
Je größer die Übung ist, je leichter und schneller deshalb die Bewegung erfolgt, desto weniger bedarf es für jede einzelne Bewegung einer besonderen Willensanstrengung, so daß die Reihe der einmal angefangenen Bewegungen scheinbar ganz ohne Zutun des Willens abläuft. Ein Willensakt scheint nur notwendig zu sein beim Anfang und Abschluß der Bewegung und beim Eintreten von Hindernissen. Doch wird anzunehmen sein, daß überall der Wille noch mitwirkt, nur in viel schwächerem Grade. Die Bewegung des Gehens scheint wohl, einmal angefangen, von selber sich fortzusetzen, und doch müssen wir annehmen, daß nicht bloß beim Aufstehen oder Aufhören der Wille mitwirkt, sondern auch zur fortwährenden Spannung der Muskeln zur Einhaltung einer bestimmten Richtung. So schwinden also auch hier bei fortgesetzter Übung die Zwischenglieder für das Bewußtsein.
Diese Macht der Gewohnheit, die den Aufwand an Willenskraft wesentlich einschränkt, beherrscht unser ganzes alltägliches Leben. Besonders aber macht sie sich auch im eigentlichen Handeln geltend. Auf Grund seiner eigentümlichen Anlage und Erziehung erwirbt sich der Mensch in der Wechselwirkung mit andern eine gewohnheitsmäßige Form des Handelns, einen Charakter. Das Zustandekommen bestimmter Grundsätze auf sittlichem Gebiete ist deshalb wertvoll, weil dadurch die einzelnen[S. 64] Handlungen dem Einfluß der Beweggründe des Augenblicks entzogen sind. Nur wo neue, ungewohnte Aufgaben gestellt werden und wo verschiedene Grundsätze in Widerstreit geraten, findet wieder eine allseitige Überlegung der verschiedenen Motive und der eigenen Grundsätze, eine besondere Entscheidung des freien Willens statt.
Die bisherige getrennte Behandlung der Seelenvermögen ist, wie schon erwähnt, eine Abstraktion der Wissenschaft, die der Wirklichkeit nicht entspricht. Es haben sich auch schon an verschiedenen Punkten Beziehungen zwischen ihnen gezeigt: im folgenden wird sich noch genauer ergeben, wie eng sie zusammengehören.
1. Das Erkennen ist abhängig vom Fühlen und Wollen. Das Gefühl ist das Hauptmittel, Vorstellungen in der Erinnerung festzuhalten, denn es verknüpft sie durch das Interesse mit dem Individuum. Nur der Wert, den die Erkenntnis durch die Verbindung mit Lust- und Unlustgefühlen für uns hat, veranlaßt uns, mit Sorgfalt der Wahrheit nachzugehen, sonst würden wir uns gleichgültig dem Strome der Vorstellungen überlassen. Und diese Konzentration auf bestimmte Vorstellungen und Vorstellungsreihen, die allein zur Erkenntnis führen kann, ist nur möglich mit Hilfe des Willens, der die Aufmerksamkeit in der Richtung des Interesses lenkt.
2. Das Gefühl kann sich nur entwickeln unter Mitwirkung von Vorstellungen und Willensakten. Die Gefühle sind an sich zu unbestimmt, um klar auseinandergehalten[S. 65] zu werden. Erst durch die Verknüpfung mit den Vorstellungen, denen sie ihre Entstehung verdanken, lassen sie sich klar unterscheiden und gegeneinander abwägen. Ebenso ist eine deutliche Erinnerung von Gefühlen nur möglich durch Wiedererzeugung der Vorstellungen, an welche sie sich geknüpft haben. Und sollen die höheren Gefühle, die intellektuellen, ästhetischen, sittlichen, religiösen, vor Verirrungen bewahrt werden, so muß das Denken sich auf sie richten und Grundsätze der Beurteilung daraus gewinnen, die dann wieder auf das Fühlen selber zurückwirken und es vor Ausschreitungen bewahren. Es muß aber auch der Wille zu Hilfe kommen. Durch einen Willensakt kann zwar nicht unmittelbar die Entstehung eines Gefühls verhindert oder ein vorhandenes unterdrückt werden, aber dies kann mittelbar geschehen, indem die Bewegungen, in denen sich die Gefühlserregung äußert, gehemmt, oder die Vorstellungen, an denen es sich nährt, ihm entzogen werden. So kann der Zornige den Affekt unter Umständen unterdrücken, indem er den Zorn nicht zum Ausbruch kommen läßt, d. h. indem er Selbstbeherrschung übt. Tatenlose Trauer wird unterbrochen, indem der Trauernde in eine andere Welt von Vorstellungen, in eine neue Umgebung versetzt wird, in der ihn nichts mehr an den Gegenstand seines Gefühls erinnert. Das ganze Gefühlsleben aber kann nur dann ein gesundes bleiben, wenn es von dem Willen in Zucht genommen wird, der ebenso ein Aufgehen im Gefühl auf Kosten der Tatkraft, wie eine Vernachlässigung des Gefühls zu Gunsten des bloß verstandesmäßigen Strebens verhindert.
3. Der Wille ist ohne Vorstellungen und Gefühle nicht denkbar. Er bedarf eines Zieles, auf dessen Verwirklichung er gerichtet ist. Dieses Ziel könnte dem[S. 66] Wollenden aber gleichgültig sein, wenn nicht die Erreichung desselben durch Verknüpfung mit Lustgefühlen einen gewissen Wert für ihn hätte. Ferner wäre es nicht möglich, einen Zweck zu erreichen, ohne eine Erkenntnis der Mittel dazu, die vom Verstand ausgehen muß. Soll endlich die Reihe der Willensakte nicht einen planlosen Wechsel darstellen, sondern eine gewisse gleichmäßige Folgerichtigkeit, so sind bestimmte Grundsätze nötig, die vom Denken zur Leitung des Willens aufgestellt werden.
So verschlingen sich die drei Arten geistiger Vorgänge in der verschiedensten Weise. Und wie an einem Individuum zu verschiedenen Zeiten das eine Mal das Gefühl, das andre Mal der Gedanke oder der Wille vorwiegt, so erhalten die verschiedenen Individuen ein eigentümliches Gepräge, je nachdem das Denken, das Fühlen oder das Wollen bei ihnen vorwiegt, so spricht man von Verstandesmenschen, Gefühlsmenschen und Männern der Tat. Die höchste Form ist aber immer das ideale Gleichgewicht, die harmonische Ausbildung aller Seiten des menschlichen Geistes.
Die Logik ist die Wissenschaft von den Gesetzen des richtigen Denkens. Das Denken ist als Element des geistigen Lebens auch Gegenstand der Psychologie, aber die Psychologie betrachtet es nur nach seiner tatsächlichen Wirklichkeit und sucht es wie alle andern geistigen Vorgänge nach seinen allgemeinen Gesetzen zu erklären; das richtige, wie das unrichtige Denken findet gleichmäßige Berücksichtigung. Die Logik hebt aus diesem Stoff der Psychologie dasjenige Denken heraus, das geeignet ist, dem Zwecke der Erkenntnis der Wahrheit zu dienen. Die Tatsachen des Irrtums und des Streites lehren, daß das Denken in der Verfolgung dieses Zweckes auf Abwege geraten kann; es fragt sich daher, wie das richtige Denken beschaffen ist, das zum Ziele führt.
Wenn wir diese Frage beantworten sollen, müssen wir ein Mittel haben, das richtige Denken vom unrichtigen zu unterscheiden. Das nächstliegende wäre, als richtiges Denken dasjenige zu bezeichnen, dessen Resultate mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Dem steht aber der Einwand gegenüber, der vom Standpunkte der Logik aus nicht widerlegt werden kann, daß die ganze wirkliche Welt nur in der Vorstellung vorhanden ist (vgl. § 3). Jedenfalls können wir einen Vergleich zwischen[S. 68] dem Gedachten und der Wirklichkeit nur anstellen, indem wir auch diese Wirklichkeit denkend erfassen; wir kommen also über den Kreis des Gedachten nicht hinaus, um es mit einer davon unabhängigen Wirklichkeit vergleichen zu können. Ebensowenig können wir die Richtigkeit des Denkens von der Anerkennung der andern denkenden Wesen abhängig machen; die Allgemeingültigkeit des Gedachten ist teils nicht vorhanden, teils zu unsicher, um als Maßstab für seine Richtigkeit gelten zu können.
Und doch haben wir ein unmittelbares Bewußtsein davon, was richtiges Denken ist. Es ist einfache psychologische Tatsache, daß wir das richtige Denken von dem unrichtigen ohne weiteres unterscheiden; wir finden in uns eine innere Nötigung, gerade so und nicht anders zu denken, und wir nehmen an, daß auch andere ebenso denken müssen. Die Logik muß sich also darauf beschränken, die Bedingungen darzustellen, unter denen dieses notwendige und allgemeingültige Denken zustande kommt. Damit ist ihre Aufgabe nach zwei Seiten abgegrenzt. Sie sieht ab von dem einzelnen Wissensstoff selbst und zeigt nur, wie man von gegebenen Voraussetzungen aus, deren Wahrheit sie nicht zu prüfen hat, durch das Denken zu einer Erkenntnis gelangen kann, und sie unterscheidet sich von der Erkenntnistheorie dadurch, daß sie das Denken nicht daraufhin betrachtet, ob es zur Erkenntnis einer von ihm unabhängigen Welt führen kann, sondern für sich allein nach seinen eigenen Gesetzen.
Aus der geschilderten Aufgabe der Logik geht auch hervor, daß die Logik nicht die Kunst des Denkens lehren kann, so wenig als die Poetik die Kunst des Dichtens lehrt. Aber es läßt sich doch nicht behaupten, daß die Kunst des Denkens überhaupt unabhängig wäre[S. 69] von der Kenntnis der logischen Gesetze. Die Fähigkeit richtig zu denken ist dem Menschen angeboren, aber es gilt auch hier, daß es besser ist, wenn er die Grundsätze seines Verfahrens kennt, als wenn er sie nicht kennt. Denn wie nur der eine Sprache ganz beherrscht, der auch ihre Grammatik kennt, so versteht nur der die Gesetze des Denkens mit voller Sicherheit zu handhaben, der sich ihrer auch bewußt ist. Geradezu unentbehrlich ist diese Kenntnis, wenn es sich darum handelt, Fehler nachzuweisen oder besonders schwierige Fragen zu lösen, so besonders in der Philosophie und überall, wo die Gewinnung eines Resultates von der Befolgung einer klaren, sicheren Methode abhängig ist.
Die Logik beschäftigt sich teils mit den Elementen des Denkens, den Begriffen, Urteilen und Schlüssen, teils mit der Art, wie diese Elemente in Beziehung zu einander gesetzt werden, um die Wissenschaft als ein zusammenhängendes Ganzes zu erzeugen. Die Form des wissenschaftlichen Verfahrens heißt Methode. So kann man die Logik einteilen in eine Elementarlehre und eine Methodenlehre.
Der Begriff ist die durch ein Wort repräsentierte Einheit aller in einer Gemeinvorstellung gedachten wesentlichen Merkmale (s. o. § 13). Er entsteht durch Abstraktion von den ungleichartigen Merkmalen und Reflexion auf die gleichartigen. Was im[S. 70] Begriff gedacht wird, gilt als das Wesen der Gegenstände, die unter ihn fallen, und so nennt man diejenigen Merkmale, ohne welche der Begriff nicht gedacht werden kann, wesentliche, und diejenigen, die auch fehlen können, außerwesentliche oder zufällige. So sind wesentliche Merkmale des Begriffs Mensch: Vernunft, Sprache, aufrechter Gang; außerwesentliche: Schönheit, Gelehrsamkeit, Bosheit. Es scheint wohl gleichartige Merkmale zu geben, die nicht wesentlich sind, die in keinem inneren Zusammenhang zum Wesen des betreffenden Gegenstandes stehen. Dies ist aber nur auf einer unvollkommenen Stufe der Erkenntnis möglich; der Fortschritt der Wissenschaft muß entweder die Gleichartigkeit auf einen inneren Wesenszusammenhang zurückführen oder als eine nur scheinbare nachweisen. In der Mathematik gibt es kein gleichartiges Merkmal, das nicht zugleich wesentlich ist; z. B. der Begriff des gleichseitigen Dreiecks schließt die Gleichheit der Winkel nicht unmittelbar in sich, kann aber doch nicht ohne dieses Merkmal gedacht werden.
Die wesentlichen Merkmale eines Begriffs werden auch eingeteilt in eigentümliche (notae propriae), welche denselben ausschließlich eigen sind, und gemeinsame (n. communes), welche auch andern Begriffen zukommen, ferner in ursprüngliche und abgeleitete Merkmale. Ein ursprüngliches Merkmal des Parallelogramms ist die Parallelität der Gegenseiten, von diesem abgeleitet: die Gleichheit derselben.
Die Reihe von Individualvorstellungen, aus welchen der Begriff gebildet wird, muß nicht notwendig von verschiedenen Individuen herrühren, sondern sie kann auch auf dasselbe Individuum zu verschiedenen Zeiten sich beziehen, und dann erhalten wir den Individualbegriff. So machen wir uns besonders von menschlichen[S. 71] Individuen Individualbegriffen, indem wir die verschiedenen Individualvorstellungen, die wir von ihnen aus verschiedenen Zeiten haben, zu einem Begriff zusammenfassen.
An jedem Begriff wird unterschieden: der Inhalt, d. h. die Gesamtheit der darin gedachten Merkmale, und der Umfang, d. h. die Summe der Gegenstände oder Vorstellungen, die in sein Gebiet fallen. So bilden den Inhalt des Begriffs Parallelogramm: die Merkmale Viereck und Parallelität der Gegenseiten, den Umfang desselben: die Quadrate, Rechtecke, Rhomben und Rhomboide; den Inhalt des Begriffs Tier: organisches Wesen, Empfindung, freie Bewegung, den Umfang: Säugetiere, Vögel, Amphibien, Fische, Würmer u. s. w.
Werden in den Begriff neben den wesentlichen noch zufällige Merkmale aufgenommen, so wird der Umfang desselben zu klein, der Begriff ist zu eng. Wenn nicht alle wesentlichen Merkmale aufgenommen werden, so wird der Umfang zu groß, d. h. der Begriff ist zu weit. Der Begriff Parallelogramm wird zu eng, wenn er das Merkmal gleichseitig erhält, denn aus seinem Gebiet werden dadurch das Rechteck und das Rhomboid ausgeschlossen; er wird zu weit, wenn das wesentliche Merkmal: Parallelität der Gegenseiten weggelassen wird, denn dann fällt er mit dem Begriff des Vierecks zusammen.
Je größer der Inhalt eines Begriffes, desto kleiner der Umfang, und je größer der Umfang, desto kleiner der Inhalt. Begriffsumfang und Begriffsinhalt stehen also ihrer Größe nach in umgekehrtem Verhältnis zueinander. So ist der Umfang des Begriffs Geld größer als der Umfang des[S. 72] Begriffs Silbergeld, denn er umfaßt auch das Kupfergeld, Goldgeld und Papiergeld, dagegen sein Inhalt ist kleiner, nämlich um das Merkmal Silber. Der Umfang eines Begriffs wird also durch Hinzufügung von Merkmalen beschränkt (Determination), durch Weglassung von Merkmalen erweitert (Abstraktion).
Von dem Grade der Einsicht in den Inhalt und Umfang des Begriffs hängt die Klarheit und Deutlichkeit desselben ab. Ein Begriff ist klar, wenn man das, was zu seinem Umfang gehört, genau von dem unterscheiden kann, was in den Umfang anderer Begriffe fällt, so daß keine Verwechslung möglich ist. So ist der Begriff Logik klar, wenn man ihn von Psychologie, Erkenntnistheorie, Metaphysik genau unterscheiden kann. Ein Begriff ist deutlich, wenn die Merkmale, die seinen Inhalt bilden, für sich klar sind. So hat derjenige einen deutlichen Begriff der Logik, der von der Wissenschaft überhaupt und von den Gesetzen des Denkens eine klare Vorstellung hat.
Nach dem Inhalt unterscheidet man einfache und zusammengesetzte Begriffe, je nachdem dieselben nur ein einziges oder mehrere Merkmale enthalten. Einfache Begriffe sind: Etwas, Sein, Punkt, Raum; zusammengesetzte: Löwe, Sechseck, Urteil.
Nach dem Verhältnis des Umfangs der Begriffe unterscheidet man untergeordnete (subordinierte), übergeordnete (superordinierte) und nebengeordnete (koordinierte) Begriffe. Denjenigen Begriff, der unmittelbar aus Individualvorstellungen entstanden ist, nennt[S. 73] man Artbegriff, z. B. den Begriff Nachtigall; denjenigen, der selbst wieder aus Artbegriffen entstanden ist und deshalb die Individualvorstellungen nur mittelbar in sich befaßt, den Gattungsbegriff, z. B. Singvogel. Der Gattungsbegriff heißt auch der höhere oder weitere und der Artbegriff der niedere oder engere Begriff. Aus Gattungsbegriffen können wieder andere höhere Gattungsbegriffe gebildet werden, so fällt der Begriff Singvogel unter die höheren Gattungsbegriffe: Vogel, Tier, organisches Geschöpf, Körper, von denen jeder wieder einen weiteren Umfang hat, als der vorhergehende, so daß ein Gattungsbegriff im Verhältnis zum folgenden höheren immer wieder als Artbegriff betrachtet werden könnte; doch wird diese Stufenleiter von Art- und Gattungsbegriffen häufig durch besondere Ausdrücke bezeichnet, wo dann auch Art und Gattung ihre ganz bestimmte Stelle haben. So konstruiert besonders die Naturwissenschaft von oben nach unten folgendes Schema: Reich, Kreis, Gruppe, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung, Art, Individuum.
Begriffe, die demselben nächsthöheren Gattungsbegriff untergeordnet sind, stehen im Verhältnis der Beiordnung oder Koordination, z. B. Frühling, Sommer, Herbst, Winter, innerhalb der Gattung Jahreszeiten. Da die beigeordneten Begriffe sich ausschließen, so stehen sie in einem gewissen Gegensatz und zwar im kontradiktorischen Gegensatz (Widerspruch), wenn es nur zwei Begriffe sind, die miteinander den Umfang des höheren Begriffs ausfüllen, so daß der eine geradezu die Verneinung des anderen ist, z. B. Mensch und Nichtmensch, zeitlich und ewig, Bewegung und Ruhe, schuldig und unschuldig; im konträren Gegensatz (Widerstreit), wenn es [S. 74]mehrere Begriffe sind, so daß sie sich zwar auch gegenseitig ausschließen, aber mit anderen Begriffen sich in den Umfang des höheren Begriffes teilen. Was sich nicht bewegt, ruht; daraus aber, daß es nicht Frühling ist, folgt nicht, daß es Sommer sein muß, es kann auch Herbst oder Winter sein, nur keines von beiden zugleich.
Zwei Begriffe sind identische oder Wechselbegriffe, wenn sie nach Inhalt und Umfang sich decken, z. B. der Begriff eines gleichseitigen und der eines gleichwinkligen Dreiecks, Aristoteles und der Begründer der Logik. Der Unterschied besteht dann nur im sprachlichen Ausdruck, der nur je nach dem Zusammenhang eine der Seiten des Begriffes besonders hervorhebt. Zwei Begriffe kreuzen sich, wenn sie nur einen Teil ihres Umfanges gemeinsam haben, z. B. Neger und Sklaven; sie sind einstimmig, wenn sie an demselben Gegenstand vorkommen können, z. B. rechtwinklig und gleichseitig an dem Begriff Quadrat. Disparate Begriffe nennt man diejenigen, welche überhaupt nicht im Umfang eines beiden gemeinsamen höheren Begriffs untergebracht werden können, z. B. Dreieck und Tapferkeit.
Das Urteil ist der Akt der Ineinssetzung oder Trennung zweier Begriffe, der mit dem Bewußtsein seiner Allgemeingültigkeit vollzogen wird. Die sprachliche Form des Urteils ist der Aussagesatz. In jedem Urteil wird etwas von etwas ausgesagt. Das, wovon etwas ausgesagt wird, ist das Subjekt und das, was ausgesagt wird, das Prädikat. Die [S. 75]Ineinssetzung beider wird durch die Kopula vermittelt. Sprachlich wird die Kopula ausgedrückt durch die Flexionsendung des Verbums. In dem Urteil: das Eisen glüht, ist Eisen der Subjektsbegriff, glühen der Prädikatsbegriff und die Flexionsendung t das Mittel, die Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat darzustellen. Auch wo das Verbum sein als Kopula verwendet wird, sagt es nicht zugleich die Existenz des Subjekts aus (Existentialurteil), sondern dient nur als Träger der Flexionsendung, die das Subjekt mit dem Prädikat verknüpfen soll, z. B. der Pegasus ist geflügelt.
Die herkömmliche Einteilung der Urteile, die in ihren Grundzügen von Kant aufgestellt wurde, ist die nach den 4 Gesichtspunkten, die bei jedem Urteil in Betracht kommen sollen, nach der Quantität, Qualität, Relation und Modalität.
Nach der Quantität unterscheidet man 1. allgemeine Urteile, wo das Prädikat von dem ganzen Umfang des Subjekts gilt: alle S sind P; alle Menschen sind sterblich; 2. besondere oder partikuläre Urteile, wo das Prädikat nur von einem Teil des Umfangs des Subjekts gilt: einige S sind P; einige Könige waren Philosophen; und 3. einzelne oder individuelle Urteile, wo das Prädikat von einem einzelnen Individuum gilt: S ist P; Bismarck ist ein großer Mann.
Soll diese Einteilung festgehalten werden, so bedarf sie jedenfalls der Ergänzung. Es wurde mit Recht angeführt, das individuelle Urteil könne auch als allgemeines betrachtet werden, da auch bei ihm das Prädikat vom ganzen Umfang des Subjekts gelte. Doch ist dieser[S. 76] Fall, daß das Prädikat, wenn auch vom ganzen Umfang des Subjekts, so doch nur von einem Individuum gilt, eigenartig genug, um als solcher eine besondere Art zu begründen. Das partikuläre Urteil kann als selbständiges nur festgehalten werden, wenn es näher bestimmt wird, so daß es entweder lautet: nur einige S sind P, oder: mindestens einige S sind P. Das ganz unbestimmte partikuläre Urteil: einige Menschen sind sterblich, ist wertlos; nur wenn es entweder das entsprechende allgemein vorbereitet, z. B.: (mindestens) einige Fixsterne haben eigene Bewegung, oder ein allgemeines verneint, z. B.: (nur) einige Planeten haben Monde, hat es selbständige Berechtigung. Beim allgemeinen Urteil muß unterschieden werden zwischen dem empirisch allgemeinen und dem unbedingt allgemeinen. Beim empirisch allgemeinen beruht die Behauptung, daß das Prädikat in allen Subjekten vorkommt, auf Erfahrung und Zählung, z. B. in dem Urteil: alle Geladenen sind gekommen, auf einer Vergleichung der Zahl der Gekommenen mit der Zahl der Geladenen. Beim unbedingt allgemeinen Urteil wird das Prädikat auf Grund eines Wesenszusammenhanges im voraus auch von denjenigen Subjekten ausgesagt, an denen es noch nicht beobachtet wurde, z. B.: alle Rechtecke haben gleiche Diagonalen.
Nach der Qualität werden die Urteile eingeteilt in 1. bejahende oder affirmative, wo Subjekt und Prädikat in eins gesetzt werden: S ist P; 2. verneinende oder negative, wo Subjekt und Prädikat getrennt werden; 3. unendliche oder limitierende, wo das Subjekt mit einem verneinten Prädikat verknüpft wird: S ist Nicht P.
Diese letztere Form kann jedoch nicht als eine besondere gelten, sie fällt vielmehr mit dem verneinenden Urteil zusammen. Unendlich werden diese Urteile genannt, weil z. B. in dem Urteil: dieser Mensch ist nichtschuldig, dem Subjekt die unendliche Anzahl aller möglichen Prädikate, mit Ausnahme des einen: schuldig, beigelegt wird. Dieses unendliche Prädikat ist aber nicht vorstellbar und wird auch tatsächlich nie vorzustellen versucht. Man denkt sich unter dem Nichtschuldig nicht alle möglichen Prädikate, z. B. blau, sechseckig, gasförmig, vielmehr ist auch hier die Absicht immer nur, das entsprechende bejahende Urteil zu verneinen.
Aus der Kombination der Einteilungen nach Quantität und Qualität ergeben sich vier Arten von Urteilen, die in der Logik durch die 4 Buchstaben a e i o bezeichnet werden: 1. das allgemein bejahende: alle S sind P (a); 2. das allgemein verneinende: kein S ist P (e); 3. das partikulär bejahende: einige S sind P (i); 4. das partikulär verneinende: einige S sind nicht P (o). Die Buchstaben sind den Wörtern affirmo (ich bejahe) und nego (ich verneine) entnommen.
Nach der Relation, d. h. nach der Art der Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat unterscheidet man 1. kategorische Urteile, die eine einfache Aussage enthalten: S ist P; 2. hypothetische Urteile, die nur bedingt etwas aussagen: wenn X ist, so ist S P; wenn das Glas gerieben wird, so entwickelt sich Elektrizität; 3. das disjunktive Urteil, welches aussagt, daß dem Subjekt von mehreren sich ausschließenden Prädikaten jedenfalls eines zukomme: S ist entweder P oder Q oder R; Dreiecke sind entweder spitzwinklig oder rechtwinklig oder stumpfwinklig;[S. 78] entweder die Franzosen oder die Deutschen werden siegen.
Im hypothetischen Urteil sind also an die Stelle des Subjekts und des Prädikats zwei Sätze getreten, die in das Verhältnis von Grund und Folge zueinander gesetzt werden. Es wird in dem obigen Beispiel weder behauptet, daß in einem bestimmten Augenblick das Glas gerieben wird, noch daß sich Elektrizität entwickelt, sondern es sind zwei als Hypothesen aufgestellte Sätze, von denen nur behauptet wird, daß die Gültigkeit des einen die notwendige Folge der Gültigkeit des anderen sei. Die Negation kann beim hypothetischen Urteil in vierfacher Weise auftreten, je nachdem Vordersatz oder Nachsatz oder beide oder endlich die notwendige Folge selbst verneint werden. Beispiele: 1. Wenn der Himmel bewölkt ist, fällt kein Tau. 2. Wenn eine Linie nicht krumm ist, so ist sie gerade. 3. Wenn ein Dreieck nicht gleichseitig ist, so ist es auch nicht gleichwinklig. 4. Wenn ein Parallelogramm rechtwinklig ist, so ist es darum nicht notwendig ein Quadrat.
Zum disjunktiven Urteil gehört eigentlich eine Reihe möglicher Sätze, die sich gegenseitig ausschließen, und die zusammen den Umfang des Subjekts- oder Prädikatsbegriffs erschöpfen: S ist P, S ist Q, S ist R, die also bei zwei Gliedern im kontradiktorischen, bei mehr Gliedern im konträren Gegensatze stehen.
Nach der Modalität werden die Urteile eingeteilt in 1. problematische, wo die Verknüpfung oder Trennung von Subjekt und Prädikat nur als Vermutung hingestellt wird: S kann P sein; 2. assertorische, deren Gültigkeit [S. 79]schlechthin behauptet wird: S ist P; 3. apodiktische, deren Gültigkeit als notwendig hingestellt wird: S muß P sein.
Das problematische Urteil leidet in dieser Form an einer gewissen Zweideutigkeit. S kann P sein, drückt sowohl die subjektive Ungewißheit aus: der See ist vielleicht gefroren, die Erscheinung des Lichtes beruht vielleicht auf Ätherschwingungen, als auch die objektive Möglichkeit: Wasser kann gefrieren. Das letztere Urteil enthält nichts Problematisches, denn es spricht dem Wasser mit Bestimmtheit eine Eigenschaft zu, die unter gewissen Bedingungen mit Sicherheit eintritt. Dagegen ist das Urteil über die Erklärung der Erscheinung des Lichtes ein wirklich problematisches, für das aber doch derjenige, der es als Hypothese ausspricht, bei dem jeweiligen Stand der Wissenschaft Allgemeingültigkeit beansprucht. Nur der Unterschied zwischen assertorischem und apodiktischem Urteil fällt dahin, da jedes Urteil, also auch das assertorische, mit dem Bewußtsein seiner Notwendigkeit vollzogen wird.
Im Anschluß an den grammatikalischen Unterschied zwischen einfachen und zusammengesetzten Sätzen wurde in der Logik zwischen einfachen Urteilen, die nur aus Subjekt, Prädikat und Kopula bestehen, und zusammengesetzten Urteilen, die mehrere einfache in sich schließen, unterschieden.
Zu den zusammengesetzten Urteilen werden dann neben den schon genannten hypothetischen und disjunktiven Urteilen folgende gerechnet:
1. Die konjunktiven Urteile. Von demselben Subjekt werden mehrere Prädikate bejaht oder verneint.
S ist { | sowohl | } P { | als | } P1 { | als | } P2. |
weder | noch | noch |
2. Die kopulativen Urteile. Von mehreren Subjekten wird dasselbe Prädikat bejaht oder verneint.
Sowohl | } S1 { | als | } S2 { | als | } S3 ist P. |
Weder | noch | noch |
3. Die divisiven Urteile. Dem Gattungsbegriff werden die seinen ganzen Umfang erschöpfenden Artbegriffe als Prädikate beigelegt. S ist teils P teils P1 teils P2. Das divisive Urteil steht in naher Beziehung zum disjunktiven. Viele disjunktive Urteile lassen sich auch divisiv ausdrücken, z. B. das disjunktive Urteil: die Linien sind entweder gerade oder krumm, lautet divisiv: die Linien sind teils gerade, teils krumm. Doch scheiden sie sich schon bei genauerem sprachlichen Ausdruck voneinander. Beim disjunktiven Urteil sind es einzelne Subjekte, von denen die Disjunktion gilt, also genauer: eine Linie ist entweder gerade oder krumm; beim divisiven Urteil ist es der Subjektsbegriff nach seinem ganzen Umfang, der in seine Teile zerlegt wird: die Linien (überhaupt) sind teils gerade, teils krumm. Andere disjunktive Urteile, welche den Prädikatsbegriff in seine Unterschiede entwickeln, lassen sich gar nicht in divisive verwandeln; z. B.: die Welt ist entweder von Ewigkeit her oder geworden.
Die hypothetischen und disjunktiven Urteile werden jedoch nicht mit dem gleichen Recht, wie die konjunktiven, kopulativen und disjunktiven, zusammengesetzte Urteile genannt. Sie bestehen nicht aus selbständigen Urteilen, sondern nur aus hypothetischen Sätzen, die für sich allein keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen. Man sah deshalb mit Recht auch bei der Annahme von zusammengesetzten Urteilen die hypothetischen als einfache an und sprach von zusammengesetzten hypothetischen Urteilen, wenn dieselben mehrere Vordersätze oder mehrere Nachsätze oder beides besitzen.
Nach einer anderen Richtung erheben sich Bedenken, wenn man das konjunktive, kopulative oder divisive Urteil als ein zusammengesetztes Urteil bezeichnen will; denn es sind eigentlich verschiedene selbständige Urteile, deren Beziehung nur durch die Partikeln einen kurzen sprachlichen Ausdruck findet. Von einem zusammengesetzten Urteil in diesem Sinn zu reden, wäre also ungefähr dasselbe, wie wenn man eine Straße ein zusammengesetztes Haus nennen wollte (Mill). Es müßten dann neben den genannten Urteilen noch die zusammengesetzten Sätze mit wenn, obgleich, aber u. s. w. als zusammengesetzte Urteile aufgeführt werden; alle diese Satzverbindungen begründen jedoch keine neuen Arten der Urteilsfunktion selbst gegenüber dem einfachen Urteil. Es empfiehlt sich daher überhaupt nicht, von einem zusammengesetzten Urteil zu sprechen, sondern nur von einer Zusammensetzung von Urteilen; denn die Urteile, die so bezeichnet werden könnten, bestehen teils nicht aus wirklichen Urteilen, wie die hypothetischen und disjunktiven, teils nur aus einer sprachlichen Verbindung selbständiger Urteile.
Es wird sich demnach die alte Kategorie der Relation aufrecht erhalten lassen; denn neben der einfachen Ineinssetzung oder Trennung bildet das Verhältnis von Grund und Folge und das der Disjunktion eine eigentümliche Art der Beziehung zwischen den an Stelle des Subjekts und Prädikats tretenden Sätzen.
Die Betrachtung der Urteile nach Quantität, Qualität, Relation und Modalität hat ergeben, daß die traditionelle Einteilung im einzelnen verschiedene Mängel hat, daß aber die damit aufgestellten Einteilungsgründe in der[S. 82] Hauptsache festgehalten werden können. Der allgemeine Akt des Urteilens selbst ist allerdings überall derselbe (Sigwart), überall wird ein Subjekt mit einem Prädikat in eins gesetzt oder von ihm getrennt und für diesen Akt Allgemeingültigkeit in Anspruch genommen, aber die Urteile erleiden Modifikationen je nach der Beschaffenheit der Subjekte, der Prädikate und der Kopula. Die verschiedenen Arten dieser Bestandteile des Urteils haben immer einen wesentlichen Einfluß auf das Urteil selbst, und so bietet sich als einfachste Einteilung die nach den Subjekts-, den Prädikats- und den Beziehungsformen (so Wundt, von dem jedoch die Auffassung und Ausführung der folgenden Einteilung abweicht); danach würde sich ungefähr folgende Einteilung der Urteile ergeben:
1. In Beziehung auf die Zeit der Gültigkeit der Urteile:
a) Erzählende Urteile. Dem Subjektsbegriff liegt eine Individualvorstellung zu Grunde, die als solche einer bestimmten Zeit angehört. Das Urteil selbst ist daher nur für einen bestimmten Zeitabschnitt gültig, z. B.: diese Blume ist schön.
b) Erklärende Urteile. Dem Subjektsbegriff liegt eine Gemeinvorstellung zu Grunde, die als solche an keinen bestimmten Zeitabschnitt gebunden ist. Das Urteil selbst bezieht sich deshalb auf keinen einzelnen Zeitpunkt, z. B.: das Gold ist gelb.
2. In Beziehung auf den Umfang ihrer Gültigkeit (Quantität):
a) Urteile mit Impersonalien. Das Subjekt ist ein unpersönliches Fürwort. Das Urteil gibt nur der[S. 83] unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung als solcher Ausdruck, das Fürwort ist nur der sprachliche Ersatz eines Subjektes, der als leere Form gewohnheitsmäßig hinzugefügt wird, z. B.: es blitzt, es regnet. Daher ist auch der Umfang der Gültigkeit des Urteils unbestimmt.
b) Individuelle Urteile. Der Umfang der Gültigkeit des Urteils beschränkt sich auf den Individualbegriff, der das Subjekt bildet, z. B.: Cäsar hat gesiegt.
c) Partikuläre Urteile. Das Subjekt steht in unbestimmter Mehrzahl. Das Urteil gilt zunächst nur für einen Teil des Umfangs des Subjektsbegriffs:
mindestens } einige S sind P. nur d) Allgemeine Urteile. Das Subjekt umfaßt alle Individuen, die unter einen bestimmten Begriff fallen, und zwar entweder auf Grund der Erfahrung (empirisch allgemein) oder auf Grund eines Wesenszusammenhangs (unbedingt allgemein) (s. S. 76). Bei dem letzteren wird die Allgemeinheit statt durch: alle, jeder, keiner, auch durch den einfachen Singular des Gattungsbegriffs ausgedrückt, z. B.: das Tier hat Empfindung.
Je nach den Vorstellungen, die dem Prädikatsbegriff zu Grunde liegen, wechselt die Art der Anknüpfung des Prädikats an das Subjekt, die bejaht oder verneint wird. Es lassen sich fünf Hauptarten von Vorstellungen unterscheiden, die auch von der Sprache durch verschiedene Wortformen gekennzeichnet sind: die Vorstellungen von [S. 84]Dingen, von deren Tätigkeiten und Eigenschaften, von den Modifikationen der Tätigkeiten oder Eigenschaften und von den Beziehungen zwischen den Dingen. Diesen Vorstellungsarten entsprechen die Wortformen: Substantiva, Verba, Adjektiva, Adverbia, Partikeln.
Danach ergeben sich fünf Prädikatsformen, welche die Urteilsfunktion selbst modifizieren.
1. Subsumtionsurteile. Der Prädikatsbegriff ist ein Gattungsbegriff, in dessen größeren Umfang der Subjektsbegriff fällt, z. B.: dies ist Eisen, der Walfisch ist ein Säugetier.
2. Tätigkeitsurteile. Der Prädikatsbegriff spricht dem Subjekt eine Tätigkeit zu: die Erde bewegt sich.
3. Eigenschaftsurteile. Das Prädikat wird als Eigenschaft dem Subjekt beigelegt: Schnee ist weiß.
4. Modifikationsurteile. Die Tätigkeiten und Eigenschaften werden auf einer höheren Stufe des Denkens für sich betrachtet und zu abstrakten Substantiven gemacht. Sie können dann selbst verschiedene Modifikationen als Prädikate erhalten, z. B.: dieses Rot ist schön; die Bewegung der Brieftaube ist schnell.
5. Beziehungsurteile. Das Prädikat sagt eine Beziehung zwischen verschiedenen Gegenständen aus, z. B.: die Stadt liegt am Rhein. Hier ist eine räumliche Beziehung zwischen der Stadt und dem Rhein ausgesprochen.
Die Urteile unterscheiden sich durch die Art, wie das Prädikat auf das Subjekt bezogen wird:
1. Nach der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Beziehung überhaupt (Qualität):
a) Bejahende Urteile: S ist P.
b) Verneinende Urteile: S ist nicht P.
2. Nach der Art der Beziehung (Relation):
a) Kategorische: S ist P.
b) Hypothetische: Wenn A gilt, so gilt B.
c) Disjunktive: A ist entweder B oder C oder D.
3. Nach der Art der Gültigkeit der Beziehung (Modalität):
a) Bedingt gültige Urteile: die Vermutung und die Hypothese: A ist vielleicht P.
b) Unbedingt gültige Urteile: S ist P oder muß P sein.
Jedes Urteil läßt sich nach diesen verschiedenen Gesichtspunkten betrachten. So fallen z. B. die Urteile: alle Menschen sind sterblich, nach I. unter 1. b), 2. d), nach II. unter 3., nach III. unter 1. a), 2. a), 3. b); Hannibal mußte entweder siegen oder untergehen, nach I. unter 1. a), 2. b), nach II. unter 2., nach III. unter 1. a), 2. c), 3. b); zuweilen, wenn der Blitz einschlägt, zündet er, nach I. unter 1. b), 2. c), nach II. unter 2., nach III. unter 1. a), 2. b), 3. b).
Bei dem Schlußverfahren werden gewisse einfache Regeln befolgt, die zwar Grundgesetze des Denkens überhaupt sind, die aber besonders beim Schließen hervortreten und deshalb am besten hier behandelt werden.
Es werden gewöhnlich vier Grundgesetze des Denkens gezählt.
1. Der Grundsatz der Identität (principium identitatis) lautet in seiner ursprünglichen Form: A ist A, jeder Begriff, jedes Urteil ist sich selbst gleich; als dazu gehörig wurde auch der Grundsatz der Einstimmigkeit aufgestellt: A, welches B ist, ist B, von[S. 86] einem Begriff kann jedes Merkmal, das er hat, ausgesagt werden.
2. Der Grundsatz des Widerspruchs (principium contradictionis) lautet nach Aristoteles: „Es ist unmöglich, daß dasselbe demselben in derselben Beziehung zugleich zukomme und nicht zukomme.” Kontradiktorisch einander entgegengesetzte Urteile: A ist B und A ist nicht B, können nicht beide zugleich wahr sein. Vielmehr folgt aus der Wahrheit des einen die Falschheit des andern.
3. Der Grundsatz des ausgeschlossen Dritten (principium exclusi tertii) lautet: Zwei kontradiktorisch einander entgegengesetzte Urteile: A ist B und A ist nicht B, können nicht beide zugleich falsch sein, ein drittes Urteil über dieselbe Beziehung zwischen A und B ist ausgeschlossen. Aus der Falschheit des einen folgt also die Wahrheit des andern.
4. Der Grundsatz des zureichenden Grundes (principium rationis sufficientis) lautet: Jedes Urteil muß einen zureichenden Grund haben. Die Art, wie dieses Verhältnis von Grund und Folge zum Fortschritt im Denken benützt wird, ist noch genauer formuliert in dem Grundgesetz des logischen Zusammenhangs: Mit dem Grund ist die Folge gesetzt und mit der Folge der Grund aufgehoben.
Die wichtigsten dieser Sätze sind der Grundsatz des Widerspruchs und der des zureichenden Grundes. Der Grundsatz der Identität ist, für sich betrachtet, gänzlich inhaltslos; er kommt für das Denken erst in Betracht, wenn dem Satze: A ist A, der andere gegenübertritt: A ist nicht A, wenn er also in den Satz des Widerspruchs übergeht. Eine psychologische Forderung ist allerdings im Satz der Identität eingeschlossen, nämlich[S. 87] die Forderung, dieselbe Vorstellung, denselben Begriff, dasselbe Urteil immer wieder in demselben Sinn zu fassen; dies ist aber eine Voraussetzung für alles Denken, die nicht erst von der Logik festzustellen ist. Der Grundsatz des ausgeschlossenen Dritten beruht auf dem Satz des Widerspruchs in Verbindung mit dem Charakter der Verneinung überhaupt und wird deshalb besser nicht als ein selbständiger Satz festgehalten. Die beiden Urteile: A ist B und A ist nicht B, können nicht beide falsch sein; denn nehmen wir an, beide wären falsch, also zu verneinen, so würden sich die beiden Sätze: A ist nicht B und A ist B, nebeneinander als wahr ergeben, was durch das Gesetz des Widerspruchs ausgeschlossen ist.
Von dem logischen Grund der Wahrheit eines Urteils ist zu unterscheiden der — ebenfalls jedesmal vorhandene — psychologische Grund seiner Gewißheit, die subjektiven Gründe, die den Urteilenden veranlassen, das Urteil als wahr auszusprechen. Dem logischen Grund oder Erkenntnisgrund steht ferner gegenüber der Realgrund oder die Ursache im Verhältnis zur Wirkung, die reale Kausalität. Z. B. das Sinken der Temperatur kann von uns als Grund benützt werden, um eine Folge, z. B. das Fallen der Quecksilbersäule des Thermometers, daran zu knüpfen, und die Mehrzahl logischer Gründe beruht auf solcher realer Kausalität; aber es gibt auch viele Erkenntnisgründe, welche nicht zugleich Realgründe sind, z. B. alle, welche den Ausgangspunkt für mathematische Folgerungen bilden.
So bleiben also als die beiden Grundgesetze des Denkens der Satz des Widerspruchs und der Satz des logischen Zusammenhangs von Grund und Folge übrig. Durch sie bewegt sich das fortschreitende[S. 88] Denken, indem es durch Vermeidung des Widerspruchs Einheit, durch allseitige Begründung Zusammenhang herzustellen sucht (vgl. S. 7).
Der Schluß ist die Ableitung eines Urteils aus einem oder mehreren anderen Urteilen; die Ableitung eines Urteils aus einem andern heißt unmittelbarer Schluß, die Ableitung aus mehreren andern mittelbarer Schluß.
Der unmittelbare Schluß wird gewöhnlich durch Umformung eines Urteils gewonnen, er soll aber auch auf analytischem Wege aus einem Begriff abgeleitet werden können.
Dieser Schluß aus einem Begriff berührt sich nahe mit dem Unterschied zwischen analytischen und synthetischen Urteilen. Der vieldeutige Unterschied wird von Kant folgendermaßen bestimmt: „In allen Urteilen, worinnen das Verhältnis eines Subjekts zum Prädikat gedacht wird, ist dieses Verhältnis auf zweierlei Art möglich. Entweder das Prädikat B gehört zum Subjekt A als etwas, was in diesem Begriffe A (versteckterweise) enthalten ist; oder B liegt ganz außer dem Begriff A, ob es zwar mit demselben in Verknüpfung steht. Im ersten Falle nenne ich das Urteil analytisch, in dem andern synthetisch. Analytische Urteile (die bejahenden) sind also diejenigen, in welchen die Verknüpfung des Prädikats mit dem Subjekte durch Identität, diejenigen aber, in denen diese Verknüpfung ohne Identität gedacht wird, sollen synthetische heißen. Die ersteren könnte man auch Erläuterungs-, die andern Erweiterungsurteile heißen, weil[S. 89] jene durch das Prädikat nichts zum Begriff des Subjekts hinzutun, sondern diesen nur durch Zergliederung in seine Teilbegriffe zerfällen, die in selbigem schon (obgleich verworren) gedacht waren; dahingegen die letzteren zu dem Begriffe des Subjekts ein Prädikat hinzutun, welches in jenem gar nicht gedacht war, und durch keine Zergliederung desselben hätte können herausgezogen werden.” So ist nach Kant das Urteil: alle Körper sind ausgedehnt, ein analytisches, denn man dürfe den Begriff eines Körpers nur zergliedern, um das Prädikat darin anzutreffen; das Urteil: alle Körper sind schwer, ein synthetisches, denn es sei etwas ganz anderes als das, was in dem bloßen Begriff eines Körpers überhaupt gedacht werde. Man könnte also auf dem einfachen Wege der Analyse des Begriffs Körper das Urteil gewinnen: alle Körper sind ausgedehnt.
Will man diese Begriffsbestimmung Kants festhalten, so muß sie nach zwei Seiten berichtigt werden.
1. Kant setzt voraus, daß es Begriffe von allgemein anerkanntem Inhalt mit gleicher Wortbezeichnung gebe. In Wirklichkeit könnte dasselbe Urteil: alle Körper sind schwer, für den einen ein analytisches, für den andern ein synthetisches sein, je nachdem sie das Merkmal der Schwere schon in ihren Begriff des Körpers aufgenommen oder noch nicht aufgenommen hätten. Es hängt also von dem Bildungsstande des Urteilenden und von der Stufe der Wissenschaft ab, ob ein Urteil ein analytisches oder ein synthetisches ist. Das analytische Urteil ist dann nur unter der Voraussetzung richtig, daß der Subjektsbegriff richtig ist, oder mit andern Worten: daß die Prädikate, die aus ihm abgeleitet werden, ihm schon durch wirkliche Urteile zugesprochen wurden; daher ist wohl auch die Ableitung eines[S. 90] Urteils aus einem Begriffe nicht als eine besondere Art des Schlusses anzusehen.
2. Kant redet beim analytischen Urteil nur von Begriffen, es wird aber zugegeben werden müssen, daß es auch auf dem Gebiete der Wahrnehmung ein analytisches Urteil gibt. Das Urteil: diese Rose ist gelb, gewinne ich nur durch Analyse meiner unmittelbaren Anschauung der gelben Rose, die ich vor mir habe. Nur für denjenigen wäre dieses Urteil ein synthetisches, den ich durch meine Beschreibung der gelben Rose veranlassen würde, zu seinem Begriff der Rose das Merkmal gelb, das für ihn nicht unmittelbar darin enthalten war, hinzuzufügen.
Die Ableitung eines Urteils aus einem andern erfolgt durch Umformung des gegebenen Urteils. Es werden gewöhnlich 7 Arten solcher Umformungen aufgeführt.
Die erste derselben ist die Konversion (Umkehrung). Sie besteht darin, daß die Glieder des Urteils ihre Stellung wechseln; es wird z. B. im kategorischen Urteil das Subjekt zum Prädikat und das Prädikat zum Subjekt, im hypothetischen Urteil der Vordersatz zum Nachsatz und der Nachsatz zum Vordersatz. Diese Umkehrung geschieht mit oder ohne Veränderung der Quantität; im ersten Fall heißt sie unreine (conversio per accidens), im zweiten Fall rein (conversio simplex).
Für die einzelnen Formen der Kombination von Quantität und Qualität: allgemein bejahende a, partikulär bejahende i, allgemein verneinende e und partikulär verneinende o, ergibt sich folgendes:
1. Aus a wird i (unreine Umkehrung). Z. B. der Satz: alle kongruenten Dreiecke sind auch Dreiecke von gleichem Inhalt, läßt nur eine unreine Umkehrung zu:[S. 91] einige Dreiecke von gleichem Inhalt sind auch kongruent. Reine Umkehrung ist nur als Ausnahme in dem Fall möglich, wenn der Umfang des Subjekts- und des Prädikatsbegriffes sich decken; z. B.: alle gleichseitigen Dreiecke sind auch gleichwinklig. Das Verhältnis der Begriffe läßt sich am besten durch Kreise veranschaulichen. Es zeigt sich, daß der dem Subjektsbegriff S entsprechende Kreis entweder ganz in den Umfang des Kreises P fällt, wie bei 1., oder daß beide Kreise sich decken, wie bei 2. Daraus ergibt sich, daß jedenfalls einige S, unter Umständen alle in den Umfang des Kreises P fallen, so daß bei 1. nur unreine, bei 2. reine Umkehrung möglich ist.
2. Aus i wird i (reine Umkehrung). Einige Parallelogramme sind regelmäßige Figuren, einige regelmäßige Figuren sind Parallelogramme. In dem für i natürlichen Falle 1. schneiden sich die Kreise, und der beiden gemeinsame Raum versinnlicht die Möglichkeit der reinen Umkehrung. Der Kreis P kann aber auch ganz in den Kreis S fallen, wie bei 2., dann ist die Umkehrung unrein, z. B.: einige Parallelogramme sind Rechtecke, alle Rechtecke sind Parallelogramme; oder S in sich schließen, wie bei 3. und 4., wo sich wieder i ergibt.
3. Aus e wird e (reine
Umkehrung). Kein Schuldloser
ist unglücklich, kein Unglücklicher
schuldlos. Die beiden[S. 92]
Kreise S und P sind vollständig getrennt, kein S ist P
und kein P S.
4. Aus o folgt nichts. Durch das Urteil: einige S sind nicht P, ist das Verhältnis von S und P zu wenig bestimmt, als daß etwas daraus gefolgert werden könnte. Die Fälle 1., 2. und 3. sind alle von o aus möglich, es läßt sich aber kein allen gemeinsames Urteil mit P als Subjekt daraus ableiten.
Bei der Kontraposition wechseln die Glieder des Urteils ihre Stellung, das kontradiktorische Gegenteil des Prädikats wird zum Subjekt und die Qualität des Urteils wird verändert.
1. Aus a wird e. Aus: jedes S ist P, folgt: alle NichtP sind nicht S oder kein NichtP ist S; z. B.: jeder wirklich religiöse Mensch handelt auch sittlich; wer nicht sittlich handelt, ist kein wirklich religiöser Mensch. Nach den Figuren § 41 für a ist klar, daß, da S ganz in P liegt, alles, was außerhalb des Kreises P liegt, also NichtP ist, auch außerhalb des Kreises S liegen muß, also nicht S ist.
2. Aus e wird i. Wenn kein S P ist, so sind mindestens einige NichtP S, vgl. die Fig. § 41 e; denn da S ganz von P getrennt ist, so fällt es jedenfalls in den Raum außerhalb P, d. h. von NichtP; z. B.: nichts Gutes ist unschön, einiges nicht Unschöne ist gut.
3. Aus o wird i. Wenn einige S nicht P sind, so sind mindestens einige NichtP S. Nach den 3 Figuren § 41 o muß jedenfalls ein Teil von S außerhalb P liegen, also mit einigen NichtP zusammenfallen; z. B.: einiges Lebende ist nicht beseelt, einiges Unbeseelte ist lebendig.
4. Aus i folgt nichts. Durch Kontraposition würde sich ergeben: einige NichtP sind nicht S, und dies würde für Figur § 41. i. 1. 3. 4. zutreffen, aber bei Fig. 2 ist die Möglichkeit denkbar, daß S die Gesamtheit alles Seienden umfaßt, dann wäre es nicht richtig, daß einige NichtP nicht S sind, denn alle NichtP wären S.
Eine dritte Art des unmittelbaren Schlusses beruht auf der Veränderung der Relation. Aus dem einfachen kategorischen Urteil: alle A sind B, kann ein hypothetisches abgeleitet werden: wenn etwas A ist, so ist es B, z. B.: jeder Feigling ist verächtlich; wenn einer ein Feigling ist, so ist er verächtlich. Aus dem disjunktiven Urteil können mehrere hypothetische abgeleitet werden. Das disjunktive Urteil: A ist entweder B oder C, schließt die beiden hypothetischen ein: wenn A nicht B ist, so ist es C, und: wenn A nicht C ist, so ist es B, z. B.: die Menschen stammen entweder von einem oder von mehreren Paaren ab. Ebenso lassen sich zusammengehörige hypothetische Urteile in einem disjunktiven aussprechen.
Bei der Subalternation wird daraus, daß ein Urteil von dem ganzen Umfang des Subjektsbegriffes gilt, geschlossen, daß es auch von einem Teil desselben gilt. Dagegen folgt aus der Verneinung des partikulären[S. 94] auch die Verneinung des entsprechenden allgemeinen Urteils. Es folgt 1. aus der Wahrheit von a die von i, 2. aus der Unwahrheit von i die von a.
Bei dem unmittelbaren Schluß durch Äquipollenz wird die Qualität des Urteils selbst und die des Prädikats verändert und nach dem Grundsatz: Duplex negatio affirmat, ein mit dem ersten übereinstimmendes Urteil hergestellt. Aus: alle S sind P, wird: kein S ist ein NichtP, z. B.: jede Lüge ist verwerflich; es gibt keine Lüge, die nicht verwerflich wäre.
Der unmittelbare Schluß durch Opposition besteht darin, daß aus der Wahrheit eines Urteils die Unwahrheit seines Gegenteils gefolgert wird und umgekehrt. Wie die Begriffe, so können auch die Urteile in einem kontradiktorischen und in einem konträren Gegensatz stehen. Im kontradiktorischen Gegensatz stehen zwei Urteile, von denen das eine dasselbe bejaht, was das andere verneint, also: das allgemein bejahende und das partikulär verneinende, das allgemein verneinende und das partikulär bejahende. Im konträren Gegensatz stehen diejenigen Urteile, von denen zwar nur eines wahr sein kann, die aber weitere Möglichkeiten übrig lassen: das allgemein bejahende und das allgemein verneinende; denn beide können falsch sein, und dann ist noch das partikulär bejahende und das partikulär verneinende möglich, z. B. falsch a und e, richtig i: einige Menschen erreichen ein Alter von hundert Jahren. Daneben wird noch das subkonträre Verhältnis unterschieden, in welchem das partikulär bejahende und das[S. 95] partikulär verneinende Urteil zueinander stehen, und das Verhältnis der Subalternation (vgl. § 44) oder Unterordnung, das von solchen Urteilen gilt, die das von dem ganzen Umfang des Subjektsbegriffes Ausgesagte auch auf einen Teil desselben beziehen.
Diese Verhältnisse der Urteile lassen sich in folgendem Schema veranschaulichen:
A | Konträrer | Gegensatz | E | |||||||||||||||||||||||||||
K | z | |||||||||||||||||||||||||||||
o | t | |||||||||||||||||||||||||||||
n | a | |||||||||||||||||||||||||||||
t | s | |||||||||||||||||||||||||||||
r | n | |||||||||||||||||||||||||||||
a | e | |||||||||||||||||||||||||||||
d | g | |||||||||||||||||||||||||||||
i | e | |||||||||||||||||||||||||||||
U | k | G | U | |||||||||||||||||||||||||||
n | t | n | ||||||||||||||||||||||||||||
t | o | r | t | |||||||||||||||||||||||||||
e | r | e | e | |||||||||||||||||||||||||||
r | i | h | r | |||||||||||||||||||||||||||
o | sc | o | ||||||||||||||||||||||||||||
r | i | h | r | |||||||||||||||||||||||||||
d | r | e | d | |||||||||||||||||||||||||||
n | o | r | n | |||||||||||||||||||||||||||
u | t | u | ||||||||||||||||||||||||||||
n | k | G | n | |||||||||||||||||||||||||||
g | i | e | g | |||||||||||||||||||||||||||
d | g | |||||||||||||||||||||||||||||
a | e | |||||||||||||||||||||||||||||
r | n | |||||||||||||||||||||||||||||
t | s | |||||||||||||||||||||||||||||
n | a | |||||||||||||||||||||||||||||
o | t | |||||||||||||||||||||||||||||
K | z | |||||||||||||||||||||||||||||
I | Subkonträrer | Gegensatz | O |
Der unmittelbare Schluß durch Opposition erfolgt demgemäß nach folgenden Regeln:
1. Aus der Wahrheit eines Urteils folgt die Unwahrheit seines kontradiktorischen Gegenteils.
2. Aus der Unwahrheit eines Urteils die Wahrheit seines kontradiktorischen Gegenteils.
3. Aus der Wahrheit eines Urteils die Unwahrheit des konträr entgegengesetzten.
4. Aus der Unwahrheit eines Urteils die Wahrheit des entsprechenden subkonträren.
Die modale Konsequenz besteht darin, daß die sogenannte Modalität der Urteile verändert wird; dann folgt:
1. Aus der Gültigkeit des apodiktischen Urteils die des entsprechenden assertorischen und des problematischen, und aus der Gültigkeit des assertorischen die des problematischen Urteils. Z. B.: die Summe der Winkel eines Dreiecks beträgt notwendig und deshalb immer auch tatsächlich zwei Rechte.
2. Aus der Ungültigkeit des problematischen Urteils die des assertorischen und apodiktischen, und aus der des assertorischen die des apodiktischen Urteils. Ist die Vermutung unrichtig, daß A B ist, so ist es auch tatsächlich nicht so und muß nicht so sein.
Die unmittelbaren Schlüsse sind von ungleichem Werte. Von geringerer Bedeutung sind die Äquipollenz, die Subalternation, die modale Konsequenz und die Veränderung der Relation, teils weil sie Selbstverständliches aussagen, teils weil sie nur sprachliche Umformungen darstellen. Doch können die letzteren, so z. B. durch Umwandlung der Relation, dazu dienen, den Urteilen diejenige sprachliche Form zu geben, die am meisten ihrem logischen Charakter entspricht, und so überhaupt den Blick für die sprachliche Einkleidung der logischen Formen schärfen.
Wichtiger sind: die Opposition, die Konversion und die Kontraposition. Die Opposition führt zur scharfen Fassung des gegenseitigen Verhältnisses der Urteile. Die[S. 97] unreine Konversion des allgemein bejahenden Urteils gibt Aufschluß darüber: 1. daß Subjekt und Prädikat nicht notwendig zusammengehören, 2. daß sie miteinander vereinbar sind. Die reine Konversion des allgemein verneinenden Urteils vermittelt die wichtige Erkenntnis, daß zwei Begriffe A und B einander gegenseitig ausschließen. Die Kontraposition stellt die negative Seite der Zusammengehörigkeit zweier Begriffe dar: wenn alle S P sind, so findet sich überall, wo P sich nicht findet, auch S nicht.
Konversion und Kontraposition des kategorischen Urteils erleiden jedoch dadurch eine gewisse Einschränkung, daß sie Urteile voraussetzen, in denen das Prädikat auch wirklich Subjekt werden und als der höhere Begriff gegenüber dem Subjektsbegriff angesehen werden kann, wie in dem Beispiel: alle kongruenten Dreiecke sind auch Dreiecke von gleichem Inhalt. Dagegen lassen sich alle diese unmittelbaren Schlüsse auch vom hypothetischen Urteil aus vollziehen, und hier gewinnen besonders die genannten beiden Formen größere Bedeutung. Die unreine Konversion von a: Wenn A gilt, so gilt B: zuweilen wenn B gilt, gilt A, drückt dann aus, daß aus der Wahrheit der Folge nicht einfach auf die Wahrheit des Grundes geschlossen werden kann; die reine Konversion von e: Wenn A nicht gilt, so gilt B nicht, wenn B nicht gilt, so gilt A nicht: daß, wenn mit der Verneinung des Grundes die Verneinung der Folge verknüpft ist, auch das Umgekehrte wahr ist. Die Kontraposition aber: Wenn A gilt, so gilt B, wenn B nicht gilt, so gilt A nicht, wird zum Ausdruck des Gesetzes der logischen Notwendigkeit, daß mit der Folge der Grund aufgehoben ist, z. B. das Urteil: Wenn einer durchs Herz geschossen wird, so stirbt er, gestattet unmittelbar den Schluß aus der Kontraposition:[S. 98] Wenn einer nicht stirbt, so wurde er nicht durchs Herz geschossen, aber nicht den durch reine Konversion: Wenn einer stirbt, so wurde er durchs Herz geschossen; denn die Folge, das Sterben, ist auch noch an andere Gründe geknüpft.
Der mittelbare Schluß ist entweder ein Schluß vom Allgemeinen auf das Besondere oder ein Schluß vom Besonderen auf das Allgemeine. Im ersteren Fall heißt er Syllogismus im engeren Sinn, im zweiten Induktion.
Der Syllogismus ist ein einfacher, wenn er aus zwei Urteilen, ein zusammengesetzter, wenn er aus mehr als zwei Urteilen abgeleitet ist. Die Urteile, aus denen das neue Urteil abgeleitet wird, heißen Prämissen (propositiones praemissae), das abgeleitete Urteil Schlußsatz (conclusio). Die Möglichkeit, den Schlußsatz aus den Prämissen abzuleiten, beruht darauf, daß die Prämissen einen Begriff gemeinsam haben, den sogenannten Mittelbegriff (terminus medius), der im Schlußsatz nicht mehr vorkommt. Diejenige Prämisse, welche das Subjekt des Schlußsatzes, den Unterbegriff (terminus minor), oder das untergeordnete Satzglied, z. B. beim hypothetischen Urteil den Vordersatz, enthält, wird Untersatz (propositio minor), diejenige, welche das Prädikat des Schlußsatzes, den Oberbegriff (terminus major) enthält, Obersatz (propositio major) genannt. Alle zusammen bilden die Elemente des Schlusses (syllogismi elementa).
Die Syllogismen werden je nach der Stellung des [S. 99]Mittelbegriffes in verschiedene Schlußfiguren eingeteilt. Es sind 4 Fälle der Stellung des Mittelbegriffs möglich. Er ist entweder in beiden Prämissen Prädikat, oder in beiden Subjekt, oder in der einen Prämisse Subjekt, in der andern Prädikat; der letztere Fall läßt wieder zwei Möglichkeiten offen, da der Mittelbegriff entweder im Ober- oder im Untersatz Prädikat und im andern Subjekt sein kann. Bezeichnet man den Subjektsbegriff mit S, den Prädikatsbegriff mit P und den Mittelbegriff mit M, so lassen sich die 4 Schlußfiguren in folgendem Schema darstellen:
1. | M P | 2. | P M | 3. | M P | 4. | P M |
S M | S M | M S | M S | ||||
S P | S P | S P | S P |
Die drei ersten Figuren wurden schon von Aristoteles aufgestellt, die vierte von dem Arzt und Philosophen Galenus († 200 n. Chr.); sie wird daher die galenische genannt.
Innerhalb einer jeden Figur würden sich nun durch Kombination von Quantität und Qualität der Prämissen nach den Buchstaben a e i o 16 Formen denken lassen, die folgende Tafel darstellt, wobei der erste Buchstabe auf den Obersatz, der zweite auf den Untersatz sich bezieht.
a a | e a | i a | o a |
a e | (e e) | (i e) | (o e) |
a i | e i | (i i) | (o i) |
a o | (e o) | (i o) | (o o) |
Im ganzen würden sich also 64 Kombinationsformen der Prämissen oder Modi denken lassen. Von diesen erweist sich aber eine größere Anzahl als unbrauchbar, teils aus allgemeinen Gründen, die für alle 4 Figuren gleichmäßig gelten, teils weil sie den besonderen Gesetzen der einzelnen Figuren widersprechen.
1. Aus rein verneinenden Prämissen folgt nichts (ex mere negativis nihil sequitur). Es sind drei Fälle möglich.
a) Beide Prämissen sind allgemein verneinend: e e. Daraus folgt, daß sowohl S als P von dem Mittelbegriff M vollständig getrennt sind; da aber durch den Mittelbegriff das gegenseitige Verhältnis von S und P bestimmt werden soll, so kann unter diesen Umständen über dieses Verhältnis nichts erschlossen werden. Es ergibt sich eine Reihe von Möglichkeiten, über die nicht entschieden werden kann, wie die folgende Veranschaulichung durch Kreise zeigt:
b) Die eine Prämisse ist allgemein, die andere partikulär verneinend: e o. Über das Verhältnis von S und P läßt sich nichts aussagen, weil die unbestimmte partikulär verneinende Prämisse neben andern Formen[S. 101] auch die allgemein verneinende nicht ausschließt, so daß die Unsicherheit von a) nur vermehrt ist.
c) Beide Prämissen sind partikulär verneinend: o o. Da das bei b) Gesagte hier noch mehr gilt, so ist die Unsicherheit eine noch größere.
Durch diese Regel werden 4 Formen beseitigt: ee, eo, oe, oo.
2. Aus rein partikulären Prämissen folgt nichts (ex mere particularibus nihil sequitur).
a) Beide Prämissen sind partikulär bejahend: i i. Das Verhältnis der Begriffe S und P zu M ist zu unbestimmt, als daß daraus über das Verhältnis von S und P etwas erschlossen werden könnte; vgl. die folgenden Figuren, die alle i i entsprechen.
b) Eine Prämisse ist partikulär bejahend, die andere partikulär verneinend: io, oi. Auf Grund der Voraussetzung ergibt sich eine Reihe von Möglichkeiten, zwischen denen nicht entschieden werden kann; vgl. die Fig.
c) Beide Prämissen sind partikulär verneinend: oo. Dieser Fall deckt sich mit 1. c).
Es fallen also außer oo noch weg: ii, io, oi in jeder Form, also 12 weitere Modi.
3. Aus einem partikulären Obersatz und einem verneinenden Untersatz ergibt sich kein logisch gültiger Schlußsatz.
a) Der Obersatz ist partikulär bejahend, der Untersatz allgemein verneinend: i e: Einige M sind P. Kein S ist M. Aus den unter dieser Voraussetzung möglichen Kreiskombinationen ergibt sich zwar der Schlußsatz: Einige P sind nicht S; aber wenn der Oberbegriff P als Subjekt verwendet wird, so sind die Voraussetzungen verändert, der Schluß ist dann aus einem partikulären Untersatz und einem verneinenden Obersatz gewonnen worden. Sonst aber ergibt sich kein bestimmtes Resultat, vgl. Fig.
b) Der Obersatz ist partikulär bejahend: oe und
c) der Untersatz ist partikulär verneinend, sind schon durch 1. und 2. ausgeschlossen.
Durch diese Regel fällt ein neuer Modus weg: i e, so daß von den 64 Modi im ganzen 32 beseitigt wurden, die in der Tafel S. 99 durch Klammern bezeichnet sind.
Außerdem wurden aber noch verschiedene Modi durch die besonderen Gesetze der einzelnen Figuren ausgeschlossen. Der Beweis für die übrigbleibenden Modi wurde von Aristoteles und den Scholastikern durch Zurückführung auf die Modi der ersten Figur geführt; deutlicher und anschaulicher ist der Beweis durch Kreise.
Die erste Figur hat den Mittelbegriff als Subjekt im Obersatz, als Prädikat im Untersatz. Aus ihren Modi sind noch diejenigen auszuscheiden, 1. deren Obersatz partikulär und 2. deren Untersatz verneinend ist. Es fallen also noch weg: ia, oa, ae, ao, und es bleiben nur folgende 4 übrig: aa, ea, ai, ei. Von den Scholastikern, zuerst von Petrus Hispanus († 1277 als Papst Johann XXI.), wurden den einzelnen Modi Namen gegeben, deren drei Vokale nacheinander die logische Form des Obersatzes, des Untersatzes und des Schlußsatzes bezeichnen. Der erste Modus der ersten Figur, dessen Prämissen samt dem Schlußsatz allgemein bejahenden Charakter haben, also aaa hieß daher Barbara. Sämtliche Modi der 4 Figuren wurden in folgenden Versus memoriales zusammengefaßt:
1. Barbara hat die Form
M a P | Alle Menschen sind sterblich | |
S a M | Alle Könige sind Menschen | |
S a P | Alle Könige sind sterblich. |
Nach allen diesen 4 Figuren, die den Voraussetzungen dieses Modus entsprechen, ergibt sich, daß der Kreis S innerhalb des Kreises P liegen oder mit demselben sich decken muß, weil er in den Kreis M fällt, der selbst von P umschlossen wird oder mit demselben sich deckt.
2. Celarent
M e P | Kein Mensch ist frei von Irrtum | |
S a M | Alle Logiker sind Menschen | |
S e P | Kein Logiker ist frei von Irrtum. |
Da M ganz von P getrennt ist, so muß auch S, das ganz in M liegt, von P getrennt sein.
3. Darii
M a P | Alle Figuren mit gleichen Seiten und Winkeln sind regelmäßige Figuren | |
S i M | Einige Dreiecke haben gleiche Seiten und Winkel | |
S i P | Einige Dreiecke sind regelmäßige Figuren. |
Kreis M muß ganz in Kreis P liegen; wenn also einige S M sind, so müssen mindestens diese „einige S” auch in P liegen.
4. Ferio
M e P | Nichts Vergängliches hat unbedingten Wert | |
S i M | Einige Güter sind vergänglich | |
S o P | Einige Güter haben keinen unbedingten Wert. |
Da M ganz außerhalb P liegt, so müssen mindestens diejenigen S, die M sind, ebenfalls außerhalb P liegen.
Bei der zweiten Figur ist der Mittelbegriff in beiden Prämissen Prädikat. Die beiden Regeln für diese Figur sind: 1. der Obersatz muß allgemein und 2. eine der beiden Prämissen muß verneinend sein. Durch 1. fallen noch ia und oa, durch 2. aa und ai aus, und es bleiben ebenfalls 4 übrig: ea, ae, ei, ao.
1. Cesare
P e M | Die Affekte beruhen nicht auf Vorsatz | |
S a M | Die Tugenden beruhen auf Vorsatz | |
S e P | Also sind die Tugenden nicht Affekte. |
Da P ganz von M getrennt ist, so muß auch S, das in M liegt, ganz von P getrennt sein.
2. Camestres
P a M | Die Gesamtzahl der zu unserem Sonnensystem gehörenden Weltkörper muß die Bahn des Uranus vollständig bestimmen | |
S e M | Die bekannten Weltkörper unseres Sonnensystems aber bestimmen nicht die Bahn des Uranus vollständig | |
S e P | Folglich bilden die bekannten Weltkörper unseres Sonnensystems nicht die Gesamtzahl aller vorhandenen. |
Dieser Schluß des Astronomen Leverrier führte zur Entdeckung des Neptun durch Galle (1846).
Camestres hat Ähnlichkeit mit Cesare, nur S und P haben ihre Rollen vertauscht. Der Beweis ist daher mit veränderten Zeichen derselbe.
3. Festino
P e M | Keine wahre Kunst ist bloß mechanische Tätigkeit | |
S i M | Manche Virtuosität ist bloß mechanische Tätigkeit | |
S o P | Manche Virtuosität ist keine wahre Kunst. |
Da M von P getrennt ist, so müssen auch diejenigen S, die in den Kreis M fallen, von P getrennt sein.
4. Baroco
P a M | Alle wirklich sittlichen Menschen haben auch die rechte Gesinnung | |
S o M | Manche, die legal handeln, haben nicht die rechte Gesinnung | |
S o P | Manche, die legal handeln, sind keine wirklich sittlichen Menschen. |
Da P ganz in Kreis M fällt, so können diejenigen S, die nicht in Kreis M fallen, auch nicht in Kreis P fallen.
Bei der dritten Figur ist der Mittelbegriff in beiden Prämissen Subjekt. Als Regel für die dritte Figur gilt, daß der Untersatz bejahend sein muß. Es fallen also ae und ao weg, so daß 6 Modi übrig bleiben.
1. Darapti
M a P | Alle Wale sind Säugetiere | |
M a S | Alle Wale sind Wassertiere | |
S i P | Also sind einige Wassertiere Säugetiere. |
Der Beweis ergibt sich für diesen und die noch folgenden Modi aus einer Betrachtung der Kreisverhältnisse nach Analogie der vorangegangenen Beweise.
2. Felapton
M e P | Kein Mohammedaner ist ein Christ | |
M a S | Alle Mohammedaner sind Monotheisten | |
S o P | Einige Monotheisten sind nicht Christen. |
3. Disamis
M i P | Einige Pronomina der französischen Sprache sind der Casusflexion fähig | |
M a S | Alle französischen Pronomina sind Wörter der französischen Sprache | |
S i P | Einige Wörter der französischen Sprache sind der Casusflexion fähig. |
4. Datisi
M a P | Alle strafrechtlich Verurteilten werden geschädigt | |
M i S | Einige strafrechtlich Verurteilte sind unschuldig | |
S i P | Einige Unschuldige werden geschädigt. |
5. Bocardo
M o P | Einige Amphibien haben keine Füße | |
M a S | Alle Amphibien sind Tiere | |
S o P | Einige Tiere haben keine Füße. |
6. Ferison
M e P | Kein Mensch ist fehlerlos | |
M i S | Einige Menschen sind bewundernswert | |
S o P | Einiges Bewundernswerte ist nicht fehlerlos. |
Der Mittelbegriff ist im Obersatz Prädikat, im Untersatz Subjekt. Als Regeln für die vierte Figur gelten: 1. Keine Prämisse darf partikulär verneinend sein. 2. Ein allgemein bejahender Obersatz darf nicht mit einem partikulär bejahenden Untersatz zusammentreffen. Es fallen also noch weg: oa, ao und ai und es bleiben fünf Modi übrig.
1. Bamalip
P a M | Alle schlechten Wärmeleiter sind Mittel, die Wärme zu erhalten | |
M a S | Alle wollenen Kleider sind schlechte Wärmeleiter | |
S i P | Einige von den Mitteln, Wärme zu erhalten, sind wollene Kleider. |
Die Prämissen sind hier wie bei Calemes und Dimatis im Verhältnis zu Barbara, Celarent und Darii nur umgestellt.
2. Calemes
P a M | Alle Rhomboide sind Parallelogramme | |
M e S | Kein Parallelogramm ist ein Trapez | |
S e P | Kein Trapez ist ein Rhomboid. |
3. Dimatis
P i M | Einiges Angenehme ist verwerflich | |
M a S | Alles Verwerfliche ist schädlich | |
S i P | Einiges Schädliche ist angenehm. |
4. Fesapo
P e M | Kein bescheidener Mensch ist hochmütig | |
M a S | Alle Hochmütigen sind beschränkt | |
S o P | Einige beschränkte Menschen sind nicht bescheiden. |
5. Fresison
P e M | Kein demokratischer Staat hat erbliche Regenten | |
M i S | Einige Staaten mit erblichen Regenten sind gut regiert | |
S o P | Einige gut regierte Staaten sind nicht demokratisch. |
Für die logische Form des Schlußsatzes aller vier Figuren wurde die Regel aufgestellt: Der Schluß folgt dem schwächeren Teil (conclusio sequitur partem debiliorem). Ist also eine der Prämissen partikulär oder verneinend, so muß auch der Schlußsatz partikulär oder verneinend sein. Sind beide Prämissen allgemein, so kann der Schlußsatz allgemein oder partikulär sein.
Demgemäß ergeben sich für die erste Figur Schlußsätze von allen Formen: a e i o, für die zweite nur negative: e o, für die dritte nur partikuläre: i o, für die vierte: partikulär bejahende, allgemein verneinende und partikulär verneinende Schlußsätze: i e o.
Ebenso folgt in Beziehung auf die Modalität der Schlußsatz derjenigen Prämisse, welche die geringere Gewißheit hat; er ist apodiktisch, wenn beide Prämissen apodiktisch sind, assertorisch oder problematisch, wenn eine der Prämissen assertorisch oder problematisch ist.
Der wissenschaftliche Wert der Syllogismen ist ein sehr verschiedener, und es ist ein Hauptmangel des traditionellen Systems, daß es im rein formalen Interesse der vollständigen Klassifikation alle gleichberechtigt nebeneinander stellt. Am wertvollsten ist die Form Barbara; ihr folgt besonders die mathematische Beweisführung. Die brauchbarsten sind überhaupt die allgemein bejahenden Schlußsätze. Die allgemein verneinenden geben wenigstens über die gegenseitige Ausschließung zweier Begriffe, die partikulären Schlußsätze über deren Vereinbarkeit oder nicht notwendige Zusammengehörigkeit Auskunft. Die unnatürlichsten Formen finden sich in der später hinzugefügten vierten Figur.
Die Voraussetzung der traditionellen Lehre ist ein schon vorhandenes Begriffssystem, das mit der Wirklichkeit übereinstimmt, so daß es sich nur um eine Über- oder Unterordnung der Begriffe und um eine Subsumtion des einzelnen unter die Begriffe handeln kann. Mit Rücksicht darauf lassen sich die einzelnen Modi auf zwei Hauptformen zurückführen. Wenn das Urteil gilt: S ist P oder nicht P, so können offenbar auch die einzelnen Merkmale, die P enthält, von dem Subjekt S bejaht oder verneint werden, nach dem Grundsatz: Nota notae est nota rei ipsius, repugnans notae repugnat rei. (Das Merkmal des Merkmals ist ein Merkmal des Gegenstandes selbst; was dem Merkmal widerspricht, widerspricht auch dem Gegenstand.) Ebenso kann das P von allem, was in den Umfang des Subjektes S fällt, bejaht oder verneint werden, nach dem sogenannten dictum de omni et nullo: Was von allen gilt, gilt auch von einigen und einzelnen; was von keinem gilt, gilt auch nicht von einigen oder einzelnen. Es ist[S. 111] natürlich, daß die Schlüsse, solange sie nur dazu dienen, die schon vorhandenen Begriffsverhältnisse immer wieder auszulegen, zum Fortschritt des Wissens nichts beitragen. Dies geschieht erst, wenn sie sich in den Dienst der Neubildung von Begriffen stellen.
Es wurden daher Versuche verschiedener Art gemacht, dem Syllogismus eine fruchtbarere und einheitlichere Form zu geben. Beneke schließt sich noch nahe an die traditionelle Lehre an, indem er die Substitution eines Begriffes für einen andern als Prinzip des Syllogismus aufstellt. Lotze stellt das disjunktive Urteil in den Vordergrund, während Wundt vor dem Versuche warnt, irgend eine Schlußform zur allgemeingültigen zu machen.
Sigwart sieht in dem gemischten hypothetischen Schluß (s. u. § 57) die allgemeinste Form alles Schließens und führt dementsprechend alle Schlußformen auf den Satz der logischen Notwendigkeit zurück, daß mit dem Grunde die Folge gesetzt und mit der Folge der Grund aufgehoben sei. So ergibt sich z. B. für alle Modi der 1. und 2. Figur eine einzige Formel:
Gemeinsamer Obersatz: Wenn etwas B ist, ist es A — nicht X
1. Figur: | Untersatz | C (alles, einiges, ein C) ist B |
Schlußsatz | C (alles, einiges, ein C) ist A — nicht X | |
2. Figur: | Untersatz | C (alles, einiges, ein C) ist nicht A — ist X |
Schlußsatz: | C (alles, einiges, ein C) ist nicht B |
Doch darf die Bedeutung des Syllogismus auch nicht unterschätzt werden. Dies geschieht besonders auf Grund von zweierlei Einwänden gegen seine Brauchbarkeit.
Es wurde darauf hingewiesen, in dem Schlusse: alle Menschen sind sterblich, Sokrates ist ein Mensch, also ist Sokrates sterblich, müsse der Schlußsatz im Obersatz schon vorausgesetzt werden: solange es noch ungewiß wäre, ob[S. 112] Sokrates sterblich ist, könnte auch der allgemeine Satz: alle Menschen sind sterblich, nicht ausgesprochen werden, der Schlußsatz setze also das schon voraus, was er beweisen wolle. Diesen Einwand gab J. St. Mill zu und wich ihm aus, indem er den allgemeinen Satz überhaupt fallen ließ und an Stelle des Syllogismus den Schluß vom Besonderen auf das Besondere setzte. Der Schluß auf die Sterblichkeit des Sokrates würde also nicht von dem Grundsatz der allgemeinen Sterblichkeit ausgehen, sondern nur von der Beobachtung, daß eine Anzahl Menschen sterblich sind. Der Syllogismus selbst, mit seinem allgemeinen Satz, dient nach Mill nur zur Sicherung des Verfahrens.
Vom Standpunkt der Psychologie aus ist allerdings nicht zu leugnen, daß tatsächlich das bewußte Schließen vielfach nur von Besonderem auf Besonderes übergeht, aber für die logische Betrachtung ist es außer Zweifel, daß die Richtigkeit und Allgemeingültigkeit des Schlusses immer von der richtigen Verwendung des allgemeinen Satzes abhängig ist. Jener Widerspruch aber ist nur gültig, wenn von den tatsächlichen Bedingungen des menschlichen Denkens abgesehen wird. Wer den allgemeinen Satz mit seiner Anwendung auf alle einzelnen Fälle beständig gegenwärtig hätte, der bedürfte keines Schlusses; wenn aber tatsächlich einmal der Versuch sich einstellt, dem allgemeinen Satz gegenüber eine Ausnahme gelten zu lassen, wie z. B. gegen jenen allgemeinen Satz von der Sterblichkeit in der Sage vom ewigen Juden, dann wird die Regel ins Gedächtnis gerufen und auf den einzelnen Fall angewendet.
Damit hängt ein zweites Bedenken gegen die Brauchbarkeit des Syllogismus zusammen: im wirklichen Leben[S. 113] werden die Schlüsse nie mit dieser Umständlichkeit vollzogen, der Syllogismus könne also in keiner Weise das richtige Denken unterstützen. Jedenfalls ist richtig, daß wir uns beim Denken selten der einzelnen Bestandteile des Schlusses nach der Tafel der Syllogismen bewußt sind. Nach den psychologischen Gesetzen der Übung und Gewöhnung ist dies aber auch nicht zu erwarten. Vielmehr ist im voraus anzunehmen, daß auch bei diesen unzähligemal verwendeten Formen die Mittelglieder dem Bewußtsein entfallen (vgl. § 28), so daß ganze Reihen von Schlüssen mit mechanischer Schnelligkeit vollzogen werden. Nur bei Fehlern und Schwierigkeiten wird Glied für Glied berücksichtigt; mancher Streit im täglichen Leben dreht sich um unklar gedachte logische Gesetze. Die Wissenschaft geht diesen halbbewußten Elementen nach und stellt sie heraus; und sie leistet damit auch dem Denken einen wichtigen Dienst, denn nur auf Grund dieser Kenntnis kann es seine Irrwege als solche erkennen und mit stetiger Sicherheit fortschreiten.
Der hypothetische Schluß ist ein Schluß, in welchem mindestens der Obersatz ein hypothetisches Urteil ist. Ein Schluß heißt rein, wenn die Prämissen gleiche Relation haben, im andern Fall gemischt. So versteht man unter gemischtem hypothetischen Schluß gewöhnlich denjenigen Schluß, dessen Obersatz ein hypothetisches, und dessen Untersatz ein kategorisches Urteil ist, von der Form:
Wenn | A gilt, | so gilt X | |
A gilt | oder | X gilt nicht | |
also | gilt X | also gilt A nicht. |
Der gemischte hypothetische Schluß ist also die einfache Anwendung des Grundgesetzes, daß mit dem Grund die[S. 114] Folge gesetzt (modus ponens), mit der Folge der Grund aufgehoben ist (modus tollens).
Z. B.: | Wenn es geregnet hat, so ist es naß. |
Nun hat es geregnet | |
Also ist es naß, |
aber nicht umgekehrt:
nun ist es naß |
also hat es geregnet, |
ebensowenig:
nun hat es nicht geregnet |
also ist es nicht naß, |
dagegen richtig:
nun ist es nicht naß |
also hat es nicht geregnet, |
oder, bei verneinendem Nachsatz:
Wenn es einen Zufall gibt, so gibt es keine Vorsehung.
Nun gibt es eine Vorsehung |
Also gibt es keinen Zufall, |
oder, bei Verneinung der Bedingung und des Bedingten (conditio sine qua non):
Wenn dieser Satz nicht richtig ist, so kann die ganze Beweisführung nicht aufrecht erhalten werden.
Nun ist dieser Satz nicht richtig. |
Also kann die ganze Beweisführung nicht aufrecht erhalten werden. |
Der reine hypothetische Schluß hat zwei hypothetische Prämissen. Daraus, daß etwas Folge des Grundes ist, wird geschlossen, daß es auch Folge dessen sein muß, dessen Folge der Grund ist. Der Schlußsatz ist dann [S. 115]also selbst hypothetisch, nach dem Schema:
Wenn A gilt, so gilt M |
Wenn M gilt, so gilt X |
Also wenn A gilt, so gilt X. |
Das Gesetz dieses reinen hypothetischen Schlusses läßt sich auch kurz so ausdrücken: Die Folge der Folge ist auch Folge des Grundes.
Z. B.: Wenn sich die Temperatur erhöht, so verlängern
sich die Pendel der Uhren.
Wenn die Pendel der Uhren sich verlängern, so werden die Schwingungen verlangsamt. |
Wenn die Schwingungen verlangsamt werden, so gehen die Uhren nach. |
Also: Wenn die Temperatur sich erhöht, so gehen die Uhren nach. |
Der disjunktive Schluß ist ein Schluß, dessen Obersatz ein disjunktives Urteil ist. Der Schluß beruht auf dem in der Disjunktion ausgesprochenen Verhältnis der Glieder.
Es kann also
I. von der Gültigkeit eines bestimmten Gliedes auf die Ungültigkeit der übrigen geschlossen werden (modus ponendo tollens):
A ist entweder B oder C oder D |
A ist B |
Also ist A weder C noch D; |
II. auf die Gültigkeit eines Gliedes von der Ungültigkeit aller übrigen geschlossen werden (modus tollendo ponens):
A ist entweder B oder C oder D |
A ist weder C noch D |
A ist B. |
Z. B.: Dieses Dreieck ist entweder rechtwinklig oder spitzwinklig oder stumpfwinklig.
Nach I. | Nun ist es rechtwinklig |
Also weder spitzwinklig noch stumpfwinklig. | |
Nach II. Nun ist es weder spitzwinklig noch stumpfwinklig | |
Also ist es rechtwinklig. |
Ist die Disjunktion eine mehrgliedrige, so ergibt sich für den Fall I. ein konjunktiv verneinendes Urteil, für den Fall II. eine um ein Glied verkleinerte Disjunktion. Bei einer zweigliedrigen Disjunktion ergibt sich im ersten Fall das einfach verneinende, im zweiten Fall das einfach bejahende Urteil.
Eine besondere Art des disjunktiven Schlusses ist das Dilemma, Trilemma, Polylemma (syllogismus cornutus). Hier wird aus der Verneinung aller Glieder der Disjunktion die Verneinung ihrer gemeinschaftlichen Voraussetzung erschlossen.
Wenn A gilt, so gilt entweder B oder C |
Nun gilt weder B noch C |
Also gilt auch A nicht; |
oder kategorisch gefaßt:
A ist entweder B oder C |
Nun ist S weder B noch C |
Also ist S auch nicht A. |
Ein Trilemma ist z. B. die folgende Beweisführung von Leibniz:
Wäre die wirklich existierende Welt nicht die beste unter
allen möglichen Welten, so hätte Gott die beste entweder
nicht gekannt, oder nicht hervorbringen und erhalten können,
oder nicht hervorbringen und erhalten wollen; nun aber
ist (infolge der göttlichen Weisheit, Allmacht und Güte)[S. 117]
weder das erste, noch das zweite, noch das dritte wahr, |
also ist die wirkliche Welt die beste unter allen möglichen Welten. |
Im zusammengesetzten Schluß sind mehrere Schlüsse durch gemeinsame Glieder zu einem Ganzen vereinigt. Sind die einzelnen Schlüsse so angeordnet, daß der Schlußsatz des ersten Schlusses zu einer Prämisse des zweiten, und der Schlußsatz des zweiten zu einer Prämisse des dritten wird, so entsteht die Schlußkette (syllogismus concatenatus). Derjenige Schluß, in welchem der gemeinsame Satz Schlußsatz ist, heißt der Vorschluß (Prosyllogismus) im Verhältnis zum folgenden, dem Nachschluß (Episyllogismus). Bewegt sich die Schlußkette in der Richtung vom Vorschluß zum Nachschluß, so heißt sie episyllogistisch oder progressiv, im andern Fall prosyllogistisch oder regressiv.
Z. B. | 1. | Der Tugendhafte ist anspruchslos |
Der Anspruchslose ist zufrieden | ||
Der Tugendhafte ist zufrieden. | ||
2. | Der Tugendhafte ist zufrieden | |
Der Zufriedene ist glücklich | ||
Der Tugendhafte ist glücklich. |
progressiv in der Richtung: 1. 2.
regressiv in der Richtung: 2. 1.
Ein Schluß, der durch Weglassung einer der beiden Prämissen verkürzt ist, heißt ein Enthymem; z. B.: er muß gestraft werden, denn er hat ein Verbrechen begangen.
Wird in einem einfachen Schluß zu einer der beiden Prämissen eine Begründung hinzugefügt, so entsteht das [S. 118]Epicherem.
Wenn in einer progressiven Schlußkette alle Schlußsätze außer dem letzten weggelassen werden, so entsteht eine einfachere Form, die Kettenschluß oder Sorites genannt wird. Man unterscheidet nach dem Verhältnis, in welchem die Begriffe aufeinander folgen, zwischen dem aristotelischen und dem goklenischen Sorites (zuerst behandelt 1598 von dem Marburger Professor Goklenius). Bei dem aristotelischen Sorites fehlen diejenigen Schlußsätze, welche in dem folgenden Syllogismus Untersätze werden, er schreitet also von den niederen Begriffen zu den höheren fort und hat folgende Form:
Untersatz | A ist B | der Tugendhafte ist anspruchslos |
Obersatz | B ist C | der Anspruchslose ist zufrieden |
(Schlußsatz | A ist C) | |
(Untersatz | A ist C) | |
Obersatz | C ist D | der Zufriedene ist glücklich |
Schlußsatz | A ist D | der Tugendhafte ist glücklich. |
Bei dem goklenischen Sorites fallen diejenigen Schlußsätze aus, welche in dem folgenden Syllogismus Obersätze werden, es wird von den höheren Begriffen zu den niederen weitergegangen, er hat also folgende Form:
Obersatz | C ist D | der Zufriedene ist glücklich |
Untersatz | B ist C | der Anspruchslose ist zufrieden |
(Schlußsatz | B ist D) | |
(Obersatz | B ist D) | |
Untersatz | A ist B | der Tugendhafte ist anspruchslos |
Schlußsatz | A ist D | der Tugendhafte ist glücklich. |
Ein unrichtiger Schluß wird Fehlschluß (paralogismus) genannt, wenn er auf Irrtum beruht, Trugschluß (sophisma), wenn er aus der Absicht, zu täuschen, hervorging.
Solche Schlußfehler beruhen teils auf einer Mißachtung der Gesetze des Schließens, insbesondere der für die Schlußfiguren geltenden Regeln, teils auf der Mehrdeutigkeit eines Begriffs, besonders des Mittelbegriffs. Es sind dann statt der drei Begriffe vier, aus denen der Schluß gezogen wird (quaternio terminorum).
Von den folgenden Beispielen enthält 1. und 5. Fehler gegen die Gesetze des Schließens, 2. 3. 4. eine quaternio terminorum, 6. und 7. eine sophistische Verwendung des Dilemmas.
1.
Der Kaukasier hat Menschenrechte | |
Der Neger ist kein Kaukasier | |
Folglich hat er keine Menschenrechte. |
2.
Herodes war ein Fuchs |
Alle Füchse haben vier Füße |
Also hatte Herodes vier Füße. |
3. Tertullians Schluß:
Es widerspricht den Bedingungen menschlicher Existenz, dauernd mit den Füßen nach oben und mit dem Kopf nach unten zu leben.
Die Antipoden müßten dies |
Also gibt es keine Antipoden. |
4.
Aller Anfang ist schwer |
Müßiggang ist aller Laster Anfang |
Also ist Müßiggang schwer. |
5. Der „Lügner” der Alten. Epimenides der Kreter sagt: alle Kreter sind Lügner; Epimenides ist aber selbst ein Kreter, also ist es nicht wahr, daß die Kreter Lügner sind, also sagt auch Epimenides die Wahrheit, also sind alle Kreter Lügner &c. [S. 120]&c.
6. Der Krokodilschluß: Eine Ägypterin sah, wie ihr am Nil spielendes Kind von einem Krokodil ergriffen wurde. Die Mutter bat das Tier, ihr das Kind wiederzugeben. Das Krokodil antwortete: Ich will es dir zurückgeben, wenn du errätst, was ich tun werde. Die Mutter tat den Ausspruch: Du wirst mir mein Kind nicht wiedergeben. Beide argumentierten darauf in folgenden Dilemmen gegeneinander: Das Krokodil sagt: Du magst wahr oder falsch gesprochen haben, so habe ich das Kind nicht zurückgegeben; denn ist deine Rede wahr, so erhältst du es nicht wieder nach deinem eigenen Ausspruch, ist sie aber falsch, so gebe ich es nicht zurück laut unsrer Übereinkunft. Die Mutter erwidert: Ich mag wahr oder falsch gesprochen haben, so mußt du mir mein Kind wiedergeben. Denn ist meine Rede wahr, so mußt du es mir geben laut unsrer Übereinkunft; ist sie aber falsch, so ist das Gegenteil wahr: Du wirst mir mein Kind zurückgeben.
7. Das Sophisma des Euathlus. Euathlus nahm beim Sophisten Protagoras Unterricht in der Sophistik mit dem Vertrag, der Schüler solle die zweite Hälfte des Honorars erst dann bezahlen, wenn er seinen ersten Prozeß gewonnen hätte. Als nun nach vollendetem Unterricht Euathlus keinen Prozeß annahm und auch seinen Lehrer nicht bezahlte, verklagte ihn dieser und brachte folgendes Dilemma vor: „Sowohl wenn du von den Richtern zu meiner Bezahlung verurteilt, als wenn du nicht von ihnen verurteilt werden wirst, mußt du mich bezahlen. Werden sie dich zur Zahlung verurteilen, so mußt du zahlen kraft dieses Urteilsspruchs; wirst du aber nicht verurteilt, so mußt du unsrem Vertrage gemäß bezahlen, denn du hast den ersten Prozeß gewonnen.” Daraus antwortete Euathlus, er sei auf keinen Fall zur Zahlung verpflichtet, denn dies[S. 121] sei sein erster Prozeß; verliere er den, so brauche er gemäß dem Vertrage nicht zu bezahlen, gewinne er ihn aber, so brauche er gemäß dem Urteilsspruche der Richter nicht zu bezahlen. — Die Richter sollen durch diesen Streit so in Verlegenheit gesetzt worden sein, daß sie ihre Entscheidung auf unbestimmte Zeit vertagten.
Die Induktion ist der Schluß vom Besonderen aufs Allgemeine; sie gewinnt aus einzelnen Wahrnehmungsurteilen allgemeine Sätze und hat folgende Form:
Sowohl M1 als M2 als M3 ... ist P. |
Sowohl M1 als M2 als M3 ... ist S. |
Jedes S ist P. |
Der allgemeine Satz, zu welchem die Induktion führt, faßt entweder lauter gleiche begrifflich nicht unterscheidbare, nur in Raum und Zeit getrennte Fälle zu einem Spezialgesetz zusammen, z. B. der Satz, daß Sauerstoff und Wasserstoff sich in bestimmtem Gewichtsverhältnis zu Wasser verbinden; oder er vereinigt verschiedene Arten in einem Gattungsbegriff, z. B. der Satz: Alle Elementarstoffe verbinden sich chemisch in bestimmten Gewichtsverhältnissen. Im ersteren Fall, bei der „Induktion von Spezialgesetzen” (Sigwart) wird geschlossen: Was in allen einzelnen Fällen der gleichen Art gilt, gilt von der Art überhaupt. Im zweiten Fall, bei der „generalisierenden Induktion” wird geschlossen: Was von allen Arten einer Gattung gilt, gilt auch von der Gattung selbst.
Die Induktion ist eine vollständige, wenn M1 M2 M3 im Untersatz den ganzen Umfang des Begriffs S ausfüllen. Z. B.:
Sowohl Merkur, als Venus, als Erde, als Mars, als Jupiter, als Saturn haben Achsendrehung. |
Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn sind die alten Planeten. |
Also haben die alten Planeten Achsendrehung. |
Unvollständig heißt die Induktion, wenn durch Aufzählung der M der Umfang von S nicht erschöpft wird. So würde das letztgenannte Beispiel eine unvollständige Induktion darstellen, wenn statt auf die alten Planeten auf die Planeten überhaupt geschlossen würde.
Der Induktionsschluß hat Ähnlichkeit mit dem Syllogismus der dritten Figur, es wäre nur an die Stelle des Mittelbegriffs die Gesamtheit der Einteilungsglieder getreten. Der Unterschied ist nur der, daß der Schlußsatz nicht partikulären, sondern allgemeinen Charakter hat, und die Eigentümlichkeit der Induktion besteht gerade darin, daß sie unter der Voraussetzung einer gewissen Gesetzmäßigkeit und Notwendigkeit in der Welt von einer Anzahl sorgfältig beobachteter einzelner Fälle aus einen allgemeinen Satz aufstellt, der auch auf andere noch nicht beobachtete Fälle zu schließen erlaubt.
Von den Fehlern, die bei der Induktion vorkommen, ist naturgemäß der häufigste die falsche Verallgemeinerung, besonders Verwechslung der bloßen zeitlichen Aufeinanderfolge mit dem ursächlichen Verhältnis des post hoc mit dem propter hoc.
In naher Beziehung zu dem Induktionsschluß steht der Schluß der Analogie, als Schluß vom Besonderen oder Einzelnen auf ein demselben nebengeordnetes Besonderes oder Einzelnes.[S. 123] Daraus, daß zwei Arten oder Individuen in einer Reihe von Merkmalen übereinstimmen, wird geschlossen, daß sie auch andere gemeinsam haben; er hat also folgende Form:
M ist P. | Z. B.: Die Erde ist Trägerin organischen Lebens. |
M ist A. | Die Erde ist ein unsere Sonne umkreisender Planet mit Achsendrehung, mit Atmosphäre, mit Wechsel der Jahreszeiten u. s. w. |
S ist A. | Der Mars ist ein unsere Sonne umkreisender Planet mit Achsendrehung, mit Atmosphäre, mit Wechsel der Jahreszeiten u. s. w. |
S ist P. | Also ist auch der Mars Träger organischen Lebens. |
Die Methodenlehre hat zu zeigen, wie die einzelnen Elemente des Denkens, Begriffe, Urteile, Schlüsse zum Ganzen eines wissenschaftlichen Systems verarbeitet werden. Das Ziel der Wissenschaft überhaupt ist die Erkenntnis der der Wahrnehmung zugänglichen Welt. Dazu gehört zuerst ein Weltbild in den Formen von Raum und Zeit, das wir durch die Anschauung zu gewinnen suchen. Dieses bildet den Stoff, den die Wissenschaft erst gestaltet und der deshalb nicht in das Gebiet der Logik fällt. Weiter enthält das Ideal der Welterkenntnis ein vollständiges Begriffssystem, in welchem die Begriffe sowohl ihrem Inhalt nach durch Erklärungen vollkommen verdeutlicht, als auch ihrem Umfang nach durch Einteilungen klar gegeneinander abgegrenzt sind. Endlich aber bedarf es[S. 124] vollkommener Urteile, welche unser Wissen über den Zusammenhang der Welt aussprechen, und einer erschöpfenden Begründung dieser Urteile durch ein sorgfältiges Beweisverfahren. Da aber die Wissenschaft diesem Ideal der Welterkenntnis sich immer nur annähern kann, so muß sie sich noch der Mittel ihres stetigen Fortschrittes bewußt werden, der Methoden, durch welche eine neue Erkenntnis zustande kommt.
So ergeben sich vier Hauptpunkte, welche die Methodenlehre zu behandeln hat: die Begriffsbestimmung, die Einteilung, der Beweis und der Fortschritt der Wissenschaft.
Die Begriffsbestimmung oder Definition ist ein Urteil, in welchem die Bedeutung eines einen Begriff bezeichnenden Wortes angegeben wird, entweder durch vollständige Aufführung der Merkmale eines Begriffs oder durch Angabe der nächsthöheren Gattung (genus proximum) und des artbildenden Unterschieds (differentia specifica). Durch das erstere wird der Begriff vollkommen deutlich gemacht, durch das letztere seine Stellung im geordneten System der Begriffe angegeben.
Man unterscheidet gewöhnlich zwischen Worterklärungen (Nominaldefinitionen), z. B. Division heißt Einteilung, und Sacherklärungen (Realdefinitionen), welche den Inhalt des Gedachten darlegen. Für die Logik gibt es aber nur Worterklärungen, die zugleich Sacherklärungen sind. Jede Definition gibt an, welcher Begriff mit einem[S. 125] bestimmten Wort zu verbinden ist. Die Nominaldefinition in dem genannten Sinn fällt rein in das sprachliche Gebiet.
Die vollständige Angabe der Merkmale eines Begriffs ist in den meisten Fällen nicht möglich. Die gebräuchliche Art der Begriffsbestimmung ist daher diejenige, welche den übergeordneten Gattungsbegriff und den artbildenden Unterschied angibt, z. B.: Das Parallelogramm ist ein Viereck mit parallelen Gegenseiten: Viereck ist der Gattungsbegriff, die Parallelität der Gegenseiten das Merkmal, welches das Parallelogramm von anderen Arten des Vierecks unterscheidet.
Wird der Begriff im Anschluß an den bestehenden Sprachgebrauch bestimmt, so heißt die Definition analytisch. Synthetisch ist sie, wenn mit einem Wort ein neuer Begriff ohne oder nur in teilweiser Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch gebildet wird. Von einem Begriff, der nur ein Merkmal hat, z. B. Sein, Etwas, kann eine eigentliche Definition nicht gegeben werden.
Als Hauptfehler, die bei der Definition vorkommen, werden folgende angeführt:
1. Die Definition ist zu weit, wenn ihr wesentliche Merkmale fehlen, z. B. das Quadrat ist ein gleichseitiges Parallelogramm. Sie ist zu eng, wenn sie zu viel Merkmale aufnimmt, z. B. das Dreieck ist eine geradlinige Figur mit drei gleichen Seiten.
2. Die Definition darf keine überflüssigen Merkmale aufnehmen, die in anderen schon enthalten oder notwendig mit ihnen gegeben sind (Abundanz); z. B. Parallele Linien sind solche Linien, die gleiche Richtung und überall gleichen Abstand voneinander haben.
3. Die Tautologie ist zu vermeiden. Der zu definierende Begriff darf weder ausdrücklich noch versteckt in der Definition wiederkehren, z. B. das Gedächtnis ist das Vermögen, des früher Bewußtgewordenen wieder zu gedenken.
4. Ein Zirkel entsteht, wo ein Begriff durch einen zweiten, dritten, vierten und der zweite oder dritte oder vierte wieder durch den ersten erklärt wird, z. B. Größe ist das der Vermehrung und der Verminderung Fähige; da Vermehrung Zunahme der Größe und Verminderung Abnahme der Größe ist, so ist der Begriff der Größe in der Definition derselben schon vorausgesetzt.
5. In der Definition dürfen keine bildlichen Ausdrücke gebraucht werden, weil sie zu unbestimmt sind, und negative Bestimmungen nur da, wo die positiven nicht ausreichen, z. B. der Staat ist der Mensch im großen; negativ und zu weit: der Kreis ist eine Figur, die keine Ecken hat.
6. Die Definition darf nicht mit der Aufzählung der Arten des Begriffs verwechselt werden, denn diese enthalten ihn ja selbst, so daß ein Zirkel entstünde; z. B. Planeten sind Venus, Erde, Mars u. s. w.
Der Inhalt eines Begriffs kann auch durch weniger strenge Formen angegeben werden, die von der Erklärung im logischen Sinn unterschieden werden müssen; z. B. die Beschreibung, die Erörterung, die Entwickelung, die Erläuterung.
Die Einteilung ist die vollständige Angabe der Teile des Umfangs eines Begriffs. Der Gattungsbegriff wird in die Artbegriffe zerlegt, die im[S. 127] Verhältnis der Disjunktion zueinander stehen. Die sprachliche Form der Einteilung ist das divisive Urteil: Die Vögel sind teils Luftvögel, teils Erdvögel, teils Wasservögel.
Die Voraussetzung einer solchen Differenzierung eines Gattungsbegriffs in seine Artbegriffe ist, daß er noch in einem oder mehreren seiner Merkmale unbestimmt sei. Dasjenige Merkmal, in welchem die Unterschiede hervortreten, auf welchem also die Einteilung beruht, heißt Einteilungsgrund (fundamentum sive principium divisionis).
Die Einteilung geschieht entweder durch innere Entwickelung schon vorhandener Merkmale oder Hinzunahme neuer. Im ersten Fall liegt der Einteilungsgrund in dem gegebenen Begriffe selbst; so ist mit dem Begriff der Linie das Merkmal der Richtung schon gegeben, die als Bewegung vorgestellt wird und entweder, wie bei der geraden Linie, gleichbleiben kann, oder wie bei der krummen, sich stetig ändert. Im zweiten Fall geschieht die Determination durch ein neues Merkmal, das im ursprünglichen Begriff nur als unbestimmte Möglichkeit gegeben war. So kann der Begriff der Flüssigkeit nach Geschmacksunterschieden eingeteilt werden, während das Merkmal des Geschmacks ihm gar nicht notwendig zukommt. Daher kann auch das Fehlen eines Merkmals einen Unterschied begründen.
Je nach der Zahl der Einteilungsglieder heißt die Einteilung Dichotomie, Trichotomie, Tetrachotomie, Polytomie. Oft verlieren sich die Arten in eine unendliche Reihe, z. B. der Begriff des Vielecks schließt in sich die Arten des Vierecks, des Fünfecks, des[S. 128] Sechsecks u. s. w. Man unterscheidet auch zwischen natürlicher Einteilung, die sich auf alle wesentlichen Merkmale eines Begriffes stützt, und künstlicher Einteilung, bei welcher ein einzelnes Merkmal als Einteilungsgrund benützt wird, doch womöglich so, daß die Modifikationen dieses Merkmals in ursächlichem Zusammenhang mit den Modifikationen der anderen Merkmale stehen. Im Gegensatz zur natürlichen Einteilung steht z. B. Linnés Einteilung des Pflanzenreiches nach der Zahl und Stellung der Staubgefäße in 24 Klassen.
Es macht ferner einen Unterschied, ob bei der Einteilung von dem logischen Umfang eines Begriffes oder von dem empirischen Umfang desselben ausgegangen wird. Es müßten z. B. bei der logischen Einteilung der Menschen nach Farben sämtliche Farben vertreten sein, auch blau oder grün, während die empirische nur nach den tatsächlich vorhandenen Farben klassifiziert. Aber auch wenn der ganze empirische Umfang eines Begriffs erschöpft wird, ist damit noch keine Garantie für logische Vollständigkeit gegeben.
Die hauptsächlichen Fehler der Einteilung sind folgende:
1. Die Einteilung ist zu weit, wenn sie zu viel, zu eng, wenn sie zu wenig Einteilungsglieder enthält. Zu weit ist z. B. die Einteilung der Dreiecke in rechtwinklige, schiefwinklige und gleichwinklige.
2. Die Glieder der Einteilung müssen einander ausschließen, dürfen sich nicht kreuzen, z. B. die Einteilung der Neigungen in Selbstliebe, Neigung zu andern und gegenseitige Neigung.
3. Es dürfen nicht verschiedene Einteilungsgründe vermischt werden, sonst wird die Einteilung[S. 129] verworren, z. B. die der Menschen in Europäer und Schwarze.
In einem System der Wissenschaft müssen die Begriffe durch Erklärungen und Einteilungen ihrem Inhalt und Umfang nach genau bestimmt sein. Diese Begriffe kommen aber nur zustande durch Urteile, welche ihnen gewisse Prädikate zu- oder absprechen, und diese Urteile selbst bedürfen der Begründung, um gültig zu sein. Dies geschieht, indem einzelne Schlüsse zum Beweis verbunden werden und so jedes einzelne Urteil durch seinen Zusammenhang mit andern bereits feststehenden in das System der Wissenschaft aufgenommen wird.
Der Beweis ist also die syllogistische Ableitung eines Urteils aus anderen Urteilen, die als gewiß und notwendig erkannt sind. Doch bedürfen auch diese eigentlich wieder des Beweises und so führt genau genommen jeder Beweis zu gewissen Sätzen zurück, die einer Begründung weder fähig, noch bedürftig sind, zu den Grundsätzen oder Axiomen. Vom einzelnen Schluß unterscheidet sich der Beweis dadurch, daß das zu beweisende Urteil im voraus bekannt ist und die Veranlassung zum Beweis bildet, und daß auch auf die materiale Wahrheit der Prämissen Rücksicht genommen wird. Außerdem stellt der Beweis gewöhnlich eine ganze Schlußkette dar.
Der Beweis ist ein direkter, wenn er die Wahrheit eines Satzes einfach durch kategorischen oder hypothetischen Schluß aus feststehenden Prämissen ableitet, ein[S. 130] indirekter oder apagogischer, wenn der zu beweisende Satz aus einem disjunktiven Urteil durch Aufhebung der übrigen Disjunktionsglieder gewonnen wird. Ein direkter Beweis ist es z. B., wenn daraus, daß die Summe zweier Winkel eines Dreiecks gleich einem Rechten ist, bewiesen wird, daß der dritte Winkel ein Rechter sein muß; ein indirekter Beweis wäre es, wenn von der Disjunktion ausgegangen würde: Entweder ist er ein stumpfer oder ein spitzer oder ein rechter Winkel, und aus der Ungültigkeit der beiden ersten Glieder die Gültigkeit des letzten gefolgert würde.
Die Widerlegung (refutatio) ist der Beweis der Unrichtigkeit eines Satzes oder eines Beweises. Die Unrichtigkeit eines Satzes folgt daraus, daß er selbst oder eine seiner Konsequenzen (deductio ad absurdum) einem wahren Satze widerstreitet. Die Unrichtigkeit wird also bewiesen durch den Beweis des kontradiktorischen Gegenteils. Die Widerlegung eines Beweises geschieht durch Entkräftung der Beweisgründe. Zur gründlichen Widerlegung einer entgegenstehenden Ansicht gehört aber sowohl der Beweis der eigenen Ansicht, als die Widerlegung des gegnerischen Beweises.
Es erhebt sich noch die Frage, wie der Beweis gefunden wird. Da der Beweis durch Schlüsse sich bewegt, so muß er das zu gewinnen suchen, was die Schlüsse möglich macht, einen Mittelbegriff. Wäre der Satz zu beweisen, daß Tugend lehrbar ist, so müßte ein Mittelbegriff gefunden werden, der einerseits der Tugend als Prädikat zugesprochen werden und andrerseits das Subjekt zu lehrbar bilden könnte. Ein solcher Mittelbegriff ist Wissen, daraus ergibt sich der Schluß: Wissen[S. 131] ist lehrbar, die Tugend ist Wissen, also ist die Tugend lehrbar. Doch wird nur selten ein einziger Mittelbegriff genügen. In den meisten Fällen müssen die Vermittlungen auf umständlichere Weise gesucht werden.
Die hauptsächlichsten Beweisfehler sind, neben den schon genannten Verstößen gegen die Regeln des Schlusses überhaupt, folgende:
1. Die unvollständige Disjunktion beim indirekten Beweis.
2. Eine unrichtige Prämisse, durch welche die ganze folgende Beweisführung in Frage gestellt wird (proton pseudos).
3. Das zu Beweisende darf nicht vorausgesetzt werden, so daß etwa in einer der Prämissen der Schlußsatz schon enthalten wäre (Zirkelbeweis).
4. Das, was aus den Prämissen erschlossen wird, darf nicht von dem zu Beweisenden abweichen (heterozetesis), weder qualitativ (metabasis eis allo genos), noch quantitativ, indem zu viel oder zu wenig bewiesen wird.
Werden diese Fehler mit der Absicht zu täuschen gemacht, so spricht man von Erschleichung (subreptio).
Durch Erklärungen und Einteilungen wird das Verhältnis der Begriffe zueinander geordnet, durch den Beweis der logische Zusammenhang zwischen den Urteilen hergestellt; damit ist gezeigt, wie gegebene Elemente wissenschaftlich verarbeitet werden.
Die Wissenschaft begnügt sich aber nicht mit dem Gewonnenen, sondern sie schreitet fort; es erhebt sich also noch die Frage, welche Methoden sie anwendet, um[S. 132] zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Hier sind folgende Wege möglich:
1. Man geht aus vom einzelnen tatsächlich Gegebenen, das man beobachten kann, und sucht daraus allgemeine Sätze zu gewinnen. Dies ist das induktive Verfahren.
2. Man geht aus von den allgemeinen Sätzen, die man schon gewonnen hat, und sucht durch logische Verarbeitung derselben neue Aufschlüsse über das Besondere und Einzelne zu gewinnen. Dies ist das deduktive Verfahren.
3. Der eigentliche Fortschritt der Wissenschaft findet aber nur in der Verbindung beider Methoden, der Induktion und Deduktion, statt, wie sie besonders die Hypothese darstellt.
4. Die Art endlich, wie die Wissenschaft als Ganzes fortschreitet, ist bestimmt durch das logische Ideal des Systems.
Die Induktion als einfacher Schluß wurde schon in der Elementarlehre behandelt (§ 61). Die wichtigsten Leistungen der induktiven Methode sind folgende:
1. Die Induktion führt zur Bildung realgültiger Begriffe. Unsere Begriffe sind zunächst nur subjektive Gebilde und bedürfen der fortwährenden Verbesserung durch neue Wahrnehmungen. Wenn wir einen Gegenstand wahrnehmen, der zwar unter einen von uns schon gebildeten Begriff fällt, aber ein Merkmal zeigt, das wir in diesen Begriff noch nicht aufgenommen haben, so tritt die Frage an uns heran, ob dieses Merkmal mit dem Begriff notwendig zusammengehört oder nicht. Wir werden zu diesem Zweck darauf achten, ob sich an[S. 133] allen Gegenständen, die unter diesen Begriff fallen, das neue Merkmal findet, und je häufiger dies der Fall ist, mit um so größerer Wahrscheinlichkeit werden wir die Frage der Zusammengehörigkeit bejahen können. Auf diesem Wege können unsere subjektiven Begriffe allmählich zu Wesensbegriffen werden, die der Wirklichkeit entsprechen. In der beschriebenen Weise wird z. B. derjenige verfahren, der zum Begriff der Schlange das ihm neue Merkmal der gespaltenen Zunge hinzufügen muß.
Nun zeigt aber die Tatsache der Veränderung, daß die Notwendigkeit, welche die Merkmale der Dinge zusammenhält, doch keine unbedingte ist, es müßte denn die Veränderung selbst nach notwendigen Gesetzen vor sich gehen, und zwar entweder als eine Entwickelung aus dem Wesen der Dinge selbst heraus, wie bei den organischen Wesen, oder durch äußere Ursachen veranlaßt. Die logische Behandlung der letzteren ist eine weitere Hauptaufgabe der Induktion.
2. Wir gewinnen durch Induktion allgemeine Sätze über das Wirken von Ursachen. Besonders diese Seite der Induktion hat durch J. St. Mill eine grundlegende Bearbeitung erfahren.
Es ist die gewöhnliche Vorstellung, daß wir das Wirken von Ursachen ebenso wie irgend etwas anderes unmittelbar wahrnehmen. In Wirklichkeit beobachten wir nur, daß eine Veränderung auf eine andere folgt. Explodiert eine Granate in dem Augenblick, in welchem jemand sie berührt, um sie wegzuwerfen, so ist die Wahrnehmung dieses Vorgangs ganz dieselbe, ob die Berührung die Ursache der Explosion, oder ob es nur ein zufälliges Zusammentreffen war. Eine genauere Betrachtung zeigt, daß wir da ein kausales Verhältnis annehmen, wo eine Veränderung regelmäßig auf eine andere[S. 134] folgt. Es gilt also der Satz: Die Ursache ist das regelmäßige Antecedens, die Wirkung das regelmäßige Consequens. Wenn jene Explosion unter denselben Umständen regelmäßig erfolgen würde, so würden wir schließlich die Berührung als Ursache annehmen. Damit aber nicht auch die Nacht als Ursache des Tages angesehen werde, fügt Mill hinzu, das Consequens müsse dem Antecedens unbedingt, d. h. unabhängig von irgend welchen andern bedingenden Umständen, z. B. von dem Aufgang der Sonne, folgen.
Um von dieser Grundlage aus auf wissenschaftlichem Wege sichere Gesetze über das Wirken von Ursachen zu gewinnen, stellt Mill zwei Hauptmethoden auf, die Methode der Übereinstimmung und die Methode der Differenz.
Die Methode der Übereinstimmung wird von ihm in folgendem „Kanon” zusammengefaßt: „Wenn zwei oder mehr Instanzen des zu erforschenden Phänomens nur einen Umstand gemein haben, so ist der Umstand, in dem allein alle Instanzen übereinstimmen, die Ursache (oder Wirkung) des gegebenen Phänomens.”
Bezeichnen wir das Antecedens mit großen und das entsprechende Consequens mit kleinen Buchstaben, so ergibt sich folgendes Schema:
A | B | C | a | b | c |
A | D | E | a | d | e |
A | F | G | a | f | g |
Da B C D E F G nicht jedesmal dabei sind, wenn a auf A folgt, so können sie jedenfalls nicht die Ursachen sein, also muß es A sein. Die Wirkung a sei z. B. Kristallisation. Wir vergleichen Fälle, in denen Körper kristallinisches Gefüge annehmen, aber sonst in nichts [S. 135]übereinstimmen; zeigt sich, daß sie nur ein Antecedens gemeinsam haben, nämlich: Ablagerung eines festen Stoffes aus einem flüssigen Zustand, so schließen wir, daß das Festwerden einer Substanz aus einem flüssigen Zustand ein unabänderlich vorangehender Umstand seiner Kristallisation ist.
Die Methode der Differenz wird von Mill folgendermaßen gefaßt:
„Wenn eine Instanz, in der das zu erforschende Phänomen eintritt, und eine Instanz, in der es nicht eintritt, jeden Umstand bis auf einen gemein haben, indem dieser eine nur in der ersteren vorhanden ist: so ist der Umstand, in dem die beiden Instanzen voneinander abweichen, die Wirkung oder die Ursache oder ein unentbehrlicher Teil der Ursache des Phänomens.”
Hier werden also zwei Fälle verglichen, die sich durch nichts anderes unterscheiden, als dadurch, daß in dem einen A und a gegenwärtig ist und in dem andern fehlt, nach dem Schema:
B | C | b | c | ||
A | B | C | a | b | c |
Wenn jemand durchs Herz geschossen wird, so wissen wir, daß es der Schuß war, der ihn tötete, weil er unmittelbar vorher noch in der Vollkraft des Lebens war und als neues Antecedens A nur die Wunde hinzukam. Die Wirkung a, der Tod, die ebenfalls neu hinzukam, muß deshalb durch A bewirkt sein.
Dieses Hinzutreten eines neuen Elements mit darauffolgender Wirkung kann leicht auch künstlich zustande gebracht werden. Die Differenzmethode ist daher vorzugsweise die Methode des Experiments.
Mill unterscheidet dann noch eine vereinigte Übereinstimmungs- und Unterschiedsmethode, eine Methode der Rückstände und eine Methode der Begleitveränderungen.
3. Die Induktion führt auch zu bloß empirischen Gesetzen, die keinen ursächlichen Zusammenhang, sondern nur ein tatsächliches Geschehen oder regelmäßige Zusammenhänge verschiedener Vorgänge aussagen, z. B., daß ein frei fallender Körper Räume beschreibt, die den Quadraten der Zeit proportional sind, oder daß Ebbe und Flut in regelmäßigen Zeitabschnitten wechseln. Es ist freilich die Aufgabe der Wissenschaft, auch diese zunächst empirischen Gesetze auf kausale Zusammenhänge zurückzuführen.
4. Durch die generalisierende Induktion gelangt man von spezielleren Gesetzen zu allgemeineren. Wenn A B C übereinstimmend das Prädikat P haben, so wird geschlossen, daß dies seinen Grund in gewissen gemeinsamen Merkmalen E und F habe; aus diesen Merkmalen E und F wird dann der höhere Gattungsbegriff gebildet und angenommen, daß alle Gegenstände, die unter denselben fallen, das Prädikat P haben müssen. So gelangt man z. B. zu dem allgemeinen Gesetz, daß alle Körper, die schwerer sind als Wasser, im Wasser untersinken. Dabei wird allerdings eine über die Erfahrung hinausgehende Voraussetzung gemacht, nämlich die, daß aus übereinstimmenden Gründen auch übereinstimmende Folgen fließen.
Die Deduktion steigt vom Allgemeinen zum Besonderen und Einzelnen herab: teils setzt sie die gewonnenen allgemeinen Begriffe und Wahrheiten in Beziehung zueinander und gewinnt daraus neue allgemeine Erkenntnisse, wie dies in ausgedehntem Maße die Mathematik tut; teils leitet sie aus den erkannten [S. 137]allgemeinen Gesetzen die einzelnen tatsächlichen Erscheinungen ab. Es ist daher hauptsächlich die Aufgabe der Deduktion, die gegebene wirkliche Welt aus Gesetzen zu erklären. Dies geschieht durch einfache Syllogismen, welche den gegebenen Fall als Folge eines oder mehrerer bekannter Gesetze darstellen. So erklärt sie z. B. die Tatsache, daß eine Flasche, in der Wasser gefriert, zerspringt, aus dem Gesetz, daß Wasser beim Gefrieren sich ausdehnt, und aus dem andern, daß das Glas wegen seiner Sprödigkeit sich nicht ausdehnen kann. Auf demselben deduktiven Wege, durch Ableitung aus einer Reihe von bereits feststehenden physikalischen Gesetzen wäre z. B. die mechanische Leistung einer Lokomotive zu erklären.
Aus einer Betrachtung der Induktion und der Deduktion folgt unmittelbar, daß sie einander nicht entbehren können. Die Deduktion geht aus von allgemeinen Sätzen und bedarf deshalb der Induktion, die allgemeine Sätze findet. Die Induktion führt nur zu einem höheren Grade von Wahrscheinlichkeit und bedarf einer fortwährenden Prüfung ihrer Resultate. Dies geschieht am besten dadurch, daß man aus den allgemeinen Sätzen, die durch Induktion gewonnen sind, nun zur Probe für ihre Richtigkeit versucht, deduktiv das Einzelne daraus zu erklären.
Das Hauptmittel, diese Verbindung beider Methoden für die Wissenschaft fruchtbar zu machen, ist die Hypothese. Die Hypothese ist die vorläufige Annahme der Wahrheit eines Satzes zum Zweck ihrer Prüfung an den daraus abgeleiteten Folgen. Jede einzelne Folgerung aus der Hypothese, die formell richtig abgeleitet ist, aber mit den Tatsachen oder anderen wahren[S. 138] Sätzen in Widerspruch steht, beweist die Unwahrheit der Hypothese. Jede Folge, die materiale Wahrheit hat, führt aber nur zu größerer Wahrscheinlichkeit, die sich allerdings der vollen Gewißheit nähern kann. Die Hypothese ist ferner um so wahrscheinlicher, je einfacher sie ist und je weniger sie Hilfshypothesen braucht. Die Hypothese erlangt Gewißheit und wird zur Theorie, wenn es gelingt, sie als das einzig mögliche Mittel zur Erklärung aller in Betracht kommenden Tatsachen nachzuweisen oder sie von bereits anerkannten Sätzen abzuleiten.
Die Entwickelung der Wissenschaft geht immer durch Hypothesen hindurch. Dies zeigt z. B. die ganze Geschichte der Astronomie; Hypothesen sind ferner die philologischen Konjekturen, die Versuche zur Erklärung des Lichtes, die Entwicklungslehre Darwins, die Diagnose des Arztes.
Das System ist die Verbindung zusammengehöriger Erkenntnisse zu einem logisch geordneten Ganzen. Die Wissenschaft ist die Zusammenfassung der in irgend einem Zeitpunkt erreichten gleichartigen Erkenntnisse in der Form dieser Verbindung. Wäre die Wissenschaft als System vollendet, so müßte einerseits eine vollkommene Klassifikation, anderseits eine vollkommene Deduktion erreicht sein. Die Gesamtheit der Begriffe müßte eine Pyramide darstellen, deren Spitze der höchste Begriff, deren Grundlage die untersten Arten bilden würden, die selbst die gesamte wirkliche Welt umfaßten. Die Deduktion aber würde alle wahren Urteile durch ein System von Schlüssen, durch eine Kette von Beweisen verbinden, die in ununterbrochener[S. 139] Reihenfolge zu den letzten Prämissen, zu den Axiomen zurückführen würden.
Die Wissenschaften sind noch weit von diesem logischen Ideal entfernt, aber sie werden dasselbe nicht entbehren können, wenn sie nicht in Einseitigkeit verfallen wollen, ob es nun als erreichbar gilt oder nicht, ob es nur als regulatives Prinzip, oder als wirkliches Ziel angesehen wird. Der Geist der Zeit, die Hegemonie der Naturwissenschaft hat die von unten aufbauende Methode in den Vordergrund gestellt, und mit Recht wenden sich die besten Kräfte der genauen Erforschung der Erfahrungswelt zu, aber die wissenschaftliche Arbeitsteilung droht das Ganze der Wissenschaft und der Wissenschaften in lauter kleine und kleinste Teile zu zersplittern: es ist die Aufgabe der Philosophie, das Bewußtsein wach zu erhalten, daß die Wissenschaft nur als Ganzes ihren Zweck erfüllt, und daß sie das nur kann, solange sie den Gedanken festhält, wenn auch nur als leitenden Grundsatz, daß die wissenschaftliche Arbeit von unten und die von oben her einmal zusammenkommen müssen.
Külpe, O., Einleitung in die Philosophie. 2. Aufl. 1898.
Paulsen, F., Einleitung in die Philosophie. 6. Aufl. 1900.
Volkelt, I., Vorträge zur Einführung in die Philosophie der Gegenwart. 1892.
Windelband, W., Präludien, Aufsätze und Reden zur Einleitung in die Philosophie. 2. Aufl. 1903.
Wundt, W., Einleitung in die Philosophie. 1901.
Bergmann, J., Geschichte der Philosophie. 2 Bände. 1892/93.
Erdmann, J., Grundriß der Geschichte der Philosophie. 2 Bde. 4. Aufl. 1895/96.
Eucken, R., Die Lebensanschauungen der großen Denker. 3. Aufl. 1899.
Rehmke, J., Grundriß der Geschichte der Philosophie. 1896.
Überweg-Heinze, Grundriß der Geschichte der Philosophie. 4 Bde. 8. Aufl. 1894-97.
Windelband, W., Geschichte der Philosophie. 2. Aufl. 1900.
[A] Die Titel derjenigen Bücher von B bis D, welche neben dem beginnenden Studium der Originalwerke der klassischen Philosophen zur weiteren Einführung und zur Vorbereitung auf die großen systematischen Werke wegen ihrer größeren Verständlichkeit sich eignen, [S. 141]sind gesperrt gedruckt.
Deussen, Allgemeine Geschichte der Philosophie. Bd. I und II 1894/99 (Indische Philosophie).
Gomperz, Th., Griechische Denker. Geschichte der antiken Philosophie. Bd. I und II. 1901.
Zeller, | E., | Die Philosophie der Griechen. 5 Bde. 3.-5. Aufl. 1879-92. |
„ | „ | Grundriß der Geschichte der griechischen Philosophie. 5. Aufl. 1898. |
Falckenberg, R., Geschichte der neueren Philosophie von Nikolaus von Kues bis zur Gegenwart. 3. Aufl. 1898.
Fischer, K., Geschichte der neueren Philosophie. 9 Bde. 4. Aufl. 1897-1901.
Höffding, G., Geschichte der neueren Philosophie. 1895/96.
Windelband, W., Die Geschichte der neueren Philosophie. 2 Bde. 2. Aufl. 1899.
Ebbinghaus, H., Grundzüge der Psychologie. Bd. I. 1901.
Höffding, H., Psychologie in Umrissen. 3. deutsche Ausgabe. 1901.
Höfler, A., Psychologie. 1897.
Jodl, F., Lehrbuch der Psychologie. 2. Aufl. 1903.
Külpe, O., Grundriß der Psychologie. 1893.
Lipps, Th., Grundtatsachen des Seelenlebens. 1883.
Lotze, | H., | Grundzüge der Psychologie. 4. Aufl. 1889. |
„ | „ | Mikrokosmus. 3. Aufl. 1876 ff. Bd. II. |
Volkmann, A. W., Lehrbuch der Psychologie. 2 Bde. 4. Aufl. 1894/95.
Wundt, | W., | Vorlesungen über die Menschen- und Tierseele. 3. Aufl. 1897. |
„ | „ | Grundriß der Psychologie. 4. Aufl. 1901. |
„ | „ | Grundzüge der physiologischen Psychologie. 5. Aufl. 1902. Bd. I und II. |
„ | „ | Völkerpsychologie. 1900. Bd. I u. II (die Sprache). |
Ziehen, Th., Leitfaden der physiologischen Psychologie. 5. Aufl. 1900.
Erdmann, B., Logik. Bd. I. 1892.
Lipps, Th., Grundzüge der Logik. 1893.
Lotze, H., Logik. 2. Aufl. 1880.
Mill, J. St., System der deduktiven und induktiven Logik. Deutsch von Schiel. 3 Bde. 4. Aufl. 1877.
Sigwart, Ch., Logik. 2 Bde. 2. Aufl. 1889/93.
Überweg, F., System der Logik und Geschichte der logischen Lehren. 5. Aufl. 1882.
Wundt, W., Logik. 3 Bde. 2. Aufl. 1893/95.
Weitere Werke des Verfassers vorliegender Psychologie und Logik:
Elsenhans, | Th., | Wesen und Entstehung des Gewissens. 1894. |
„ | „ | Selbstbeobachtung und Experiment in der Psychologie. 1897. |
„ | „ | Das Kant-Friesische Problem. 1902. |
Affekt 44.
Alpdrücken 27.
Analogieschluß 122 f.
Anaxagoras 9.
Äquipollenz 94.
Aristoteles 9. 103.
Assoziation 28. 31. 66.
Ästhetik 8.
Ästhetische Gefühle 42 f.
Atomisten 9.
Aufmerksamkeit 30. 68.
Ausdrucksbewegungen 59.
Axiome 129.
Baco 10.
Begierde 55.
Begriff 33. 69 f.;
Merkmale des B. 70;
Arten der B. 72 ff.;
Umfang des B. 71 f. 128.
Begriffsbestimmung 124 ff.
Beneke 111.
Bergmann 140.
Bewegungen 66;
unwillkürliche B. 53 f.
Beweis 129 ff.
Charakter 63. 67.
Deduktion 136 ff.
Definition 124 ff.
Denken 33.
Descartes 10. 16.
Determination 127.
Determinismus 58.
Deussen 141.
Deutlichkeit 72.
Ebbinghaus 141.
Eigennamen 33.
Einheit des Bewußtseins 18 f.
Einteilung 126 ff.
Eleaten 9.
Elsenhans 142.
Empfindung 21 ff.
Empirismus 10.
Enge des Bewußtseins 29.
Entfernung 36 f. 62. 66.
Enthymem 117.
Entschluß 56.
Epicherem 117.
Epikureer 10.
Erdmann, B. 142.
„ „ J. 140.
Erkennen 33. 64. 68.
Erkenntnistheorie 68.
Ethik 8.
Euathlus, Sophisma des E. 120.
Eucken 140.
Falckenberg 141.
Fehlschlüsse 118 ff.
Fichte 10.
Fischer, K. 141.
Galenus 99.
Gall 20.
Gebärden 59.
Gedächtnis 30 f.
Gefühl 39 f. 64 f.;
Verlauf der G. 44;
Abstumpfung der G. 45;
Verstärkung der G. 45.;
gemischte G. 46;
Bedeutung der G. 50 ff.
Gefühlston 40.
Gehen 63.
Geisteskrankheit 19.
Gemeinvorstellung 32.
Gemüt 44.
Geruch 39.
Geschmack 39.
Gesinnung 44.
Gewohnheit 62 f.
Gomperz 141.
Grundgesetze des Denkens 85 ff.
Hegel 11.
Heinze 140.
Heraklit 9.
Herbart 11. 16. 27.
Höffding 141.
Höfler 141.
Hörzentrum 20.
Hume 10.
Hypothese 137 f.
Hypothetisches Urteil 77 ff. 85-93. 97.
Idealismus 11.
Ideenassoziation 28 f.
Indeterminismus 58.
Individualbegriff 32.
Individualvorstellung 32.
Induktion 98. 132 ff.
Induktionsschluß 121 f.
Instinkt 54.
Intellektuelle Gefühle 42.
Jodl 141.
Kant 10. 25.
Kausalität 39.
Kettenschluß 118.
Klarheit 72.
Kontradiktorischer Gegensatz 73.
Kontraposition 92 f. 97.
Konträrer Gegensatz 73 f.
Konversion 90 ff. 97.
Külpe 140. 141.
Lachen 59.
Lebensgefühl 46 f.
Leibniz 10. 16.
Leidenschaft 44.
Lipps, Th. 141. 142.
Locke 10.
[S. 144]Logik 8. 13. 66 ff.
Lokalisationstheorie 20.
Lokalzeichen 38.
Lotze 11. 16. 38. 111. 141. 142.
Materialismus 11. 16. 19.
Metaphysik 8.
Mill, J. St. 10. 112. 133 ff. 142.
Mitgefühl 49 f.
Mittelbegriff 98.
Modale Konsequenz 96.
Motiv 56.
Motorisches Zentrum 20.
Müller, Joh. 23.
Nachahmungsbewegung 55.
Nachbilder 24.
Nervensystem 19 f.
Neukantianismus 11.
Neuplatoniker 10.
Oberbegriff 98.
Opposition 94 ff.
Parallaxe 37.
Partialgefühle 45.
Paulsen 140.
Pessimismus 11. 40.
Petrus Hispanus 103.
Physiologische Psychologie 15.
Physiologische Zeit 53.
Plato 9.
Positivismus 11.
Prämissen 98.
Psychologie 12. 14 f.
Phytagoreer 9.
Rationalismus 10.
Raumvorstellung 36 f.
Reflexbewegungen 53.
Reflexhemmungen 54.
Rehmke 140.
Religion 8 f.
Religiöse Gefühle 43.
Reproduktion 30.
Schauspielkunst 61.
Schelling 11.
Schluß 33 f. 85 ff.
Schlußfiguren 103 ff.
Schmerz 41.
Scholastiker 103.
Schopenhauer 11. 25.
Schrift 61.
Seelenvermögen 20 f.
Seele und Körper 16 f.
Sehzentrum 20.
Selbstgefühl 49 f.
Sigwart 111. 142.
Sinnesenergie, spezifische 23.
Sinnestäuschungen 12.
Sittliche Gefühle 43.
Sokrates 9.
Sophisten 9.
Sorites 118.
Spencer 10.
Spinoza 10.
Spiritualismus 16.
Sprache 32 f. 60 f.
Stimmung 47.
Stoiker 10.
Subalternation 93 f.
Syllogismus 98 ff. 110 ff.
System 138 f.
Temperamente 48.
Thales 9.
Tiefenvorstellung 38.
Totalgefühle 45.
Trauer 69.
Traumzustand 27.
Trendelenburg 11.
Trieb 55 f.
Trugschlüsse 118 ff.
Überweg 140. 142.
Übung 29. 31. 62.
Umwandlung der Relation 93.
Unbewußte Zustände 27.
Unterbegriff 98.
Urteil 33 f. 74 ff.;
Einteilung der U. 75 ff.;
analytische u. synthetische 88 ff.
Urteilsarten 81 ff.
Vernunft 34.
Verstand 34.
Volkelt 140.
Volkmann 141.
Vorsatz 56.
Vorstellung 24 f. 32.
Vorstellungsverlauf 25 ff.
Wahrnehmung 24 f.
Webersches Gesetz 23.
Widerlegung 130.
Wiederholung 66.
Wille 52 ff.; 65 f.
Willenszeit 54.
Windelband 140. 141.
Witz 59.
Wortblindheit 24.
Wundt 49. 111. 140. 142.
Wunsch 56.
Zeitvorstellung 35 f.
Zeller, E. 141.
Zerstreutheit 30.
Ziehen 142.
Zirkel 126.
Zorn 65.