The Project Gutenberg eBook of James Watt und die Erfindung der Dampfmaschine

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Title: James Watt und die Erfindung der Dampfmaschine

Author: Georg Biedenkapp

Release date: July 3, 2016 [eBook #52492]

Language: German

Credits: Produced by Peter Becker and the Online Distributed
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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK JAMES WATT UND DIE ERFINDUNG DER DAMPFMASCHINE ***

James Watt
und die Erfindung der Dampfmaschine

Die »Technischen Monatshefte«
sind die erste auch allgemeinverständliche technische Zeitschrift.

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Technische Monatshefte

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Die »Technischen Monatshefte« wollen

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Im Jahre 1910 erschienen:
1. Max Eyth, ein deutscher Ingenieur und Dichter.
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Für 1911 sind vorgesehen:
1. James Watt und die Erfindung der Dampfmaschine.
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Verlag der »Technischen Monatshefte«, Stuttgart
(Franckh'sche Verlagshandlung).

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James Watt
und die Erfindung der Dampfmaschine

Eine biographische Skizze

von

Dr. Georg Biedenkapp

Mit 23 Abbildungen

1911
Verlag der Technischen Monatshefte
:: Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart ::

Inhalt

Seite
Watt und Nietzsche5
Watts engere Heimat und ihre berühmten Männer7
Watts Vorfahren8
Watts Jugend9
Watts Lehrzeit13
Watt als Universitätsmechaniker15
Geschichte der Dampfmaschine bis auf Watt17
Eine verbesserte Newcomenmaschine im Roman27
Watt erfindet den Kondensator29
Watts erste Maschine im Modell31
Many a clip 'twixt cup and lip33
»Mein Herz blutet für ihn«34
Boulton37
Die Retterin der Cornwallgruben39
Drehbewegung, Doppelwirkung, Dampfsteuerung, Drosselklappe43
Prozesse47
Andre Entdeckungen und Erfindungen Watts49
Watt, Darwins Großvater und Goethe51
Watts Lebensabend und Tod53

[S. 5]

Watt und Nietzsche.

»Eine tolle Zusammenstellung«, wird vielleicht mancher sagen, wenn er diese beiden Großen so nebeneinander gerückt findet!

Was hat der Erfinder eines zwar sehr nützlichen, aber sonst »öden Mechanismus«, — was hat der Förderer menschlicher Bequemlichkeit und des krassen Materialismus mit dem idealen Streben eines einsamen Philosophen gemein, der erhabenste Gedanken der Schnellkraft geflügelter Worte anvertraute und sich der Massenwucht, der Herrschaftslüsternheit der Pöbeltriebe entgegenstemmte?

Was hat der nüchterne Techniker und Mechaniker Watt mit dem poetisch gestaltenden Denker zu schaffen?

Wie kommt die Grauheit des Fabrikbetriebs zur Buntheit der Nietzscheschen Gedankenwelt?

Verbietet es wirklich nicht der gute Geschmack, den Mann, der Millionen von Pferdekräften aus dem Boden stampfte und dem Menschen eine bis dahin unerhörte Macht über die Elemente und Schätze der Natur gab, in einem Atem zu nennen mit dem Lenker der Geister, der neue seelische Schätze ans Licht hob und Millionen von Geisteskräften freimachte? Soll im Ernste der Schöpfer der modernen Dampfmaschine mit dem »Umwerter aller Werte« verglichen werden?

Ohne mit einer Wimper zu zucken, behaupten wir, daß jeder nur zu seinem Nutzen und Besten sich von dem übertriebenen Gerede über die Umwertung aller Werte durch Nietzsche hinwenden wird zu dem Urheber der gewaltigen Umwertung vieler Werte, als der James Watt unbestritten in aller Zukunft wird gelten müssen.

Wir wollen Nietzsche das Verdienst nicht absprechen, daß er dazu beitrug, das bessere Individuum gegenüber den Herdentrieben zur Selbstbesinnung zu bringen. Wir wollen uns vieler seiner glänzenden, scharfsinnigen, in so künstlerische Form gegossenen Gedanken freuen, darüber wollen wir aber auch ihre Mängel, ihr unlogisches Widereinanderstreben, ihr schwachen Gemütern gefährliches Wesen nicht übersehen! Gerade aber weil mit der »Umwertung aller Werte«, als einer Leistung Nietzsches, soviel Unfug getrieben worden ist und immer noch getrieben wird, wollen wir zeigen, daß der große Schotte und Mehrer menschlicher Machtmittel eine jedenfalls ganz unübersehbare, heute noch nicht zum Stillstand gelangte Umwertung der Werte eingeleitet hat. Mehr noch als der erste Napoleon, dessen glänzende Taten und Leistungen immer mit dem entsetzlichsten Blutgeruch behaftet bleiben werden, hat der vom Norden Englands gekommene Erfinder das äußere Antlitz der Erde umgestaltet. Die Revolution im Wirtschaftsleben, die von Watts Hirn ihren Ausgang nahm, war wohl nicht minder folgenreich als die große französische Revolution, die bald nach der Erfindung der Dampfmaschine ausbrach. Denn durch den still beschaulichen Sproß einer schottischen Mathematikerfamilie ist Dampf hinter alle Dinge gekommen, konnten die Schächte tiefer in die Erde getrieben werden, wurden Meere ausgetrocknet, Berge versetzt, Zünfte und Sticklüfte beseitigt, die schaffenstüchtige Menschheit um Millionen leidloser, eiserner Knechte bereichert, zahlreiche Gewerbe umgeschaffen und die Bevölkerungsmöglichkeit der Kulturländer ganz gewaltig gesteigert.

Eine unmittelbare Folge der Dampfmaschine waren Dampfschiff und Eisenbahn, und diese neuen Verkehrsmittel haben überhaupt erst das Aufblühen Europas und Amerikas ermöglicht. Sie gaben dem Volkskörper der weißen Rasse, der sich über Europa hinaus reckte, neue Nerven und Adern, neue Arme, Beine und Hirne.

[S. 6] Als Watt Armeen eiserner, unfühlender Diener fast aus dem Boden stampfte, schuf er einen neuen Begriff menschlicher Leistungsfähigkeit, gab er dem Denken Vertrauen zu sich selber, half er somit den menschlichen Geist aus den starren Banden aufgepfropfter oder eingewurzelter Vorstellungen befreien. Schon dadurch also war er ein Umwerter vieler Werte.

Durch Eisenbahn und Dampfschiff, die Watt erst ermöglichte, schrumpften Räume und Zeiten zusammen. Die Entfernungen verkürzten sich, die Begriffe nah und fern, lang und kurz, schnell und langsam wurden umgewertet. Mit dem Anfang der Eisenbahnen in Deutschland war das Ende der traurigen Kleinstaaterei gekommen. Der Unfug hörte auf, daß der Sachse, der Thüringer, der Schwabe schon innerhalb eines Tagemarsches oder binnen weniger Stunden ins »Ausland« gelangen konnten. Fortab war der Deutsche nicht mehr Ausländer für den Deutschen. Mithin haben wir hier ein Beispiel für politische Umwertungen, und nur eines für viele. Geldfürstentümer von unerhörtem Reichtume wuchsen aus dem Boden. Der alte Schwertadel verarmte. Dazwischen schob sich durch streberhafte Gefügigkeit emporgekommener Ämteradel. Mit solchen Wandlungen aber ergab sich eine Umwertung der Begriffe reich und arm, hoch und niedrig, vornehm und gemein, edel und unedel, gut und schlecht. Und nur logische Folgerungen aus technischen Prämissen waren die Untersuchungen Nietzsches über die Begriffe gut und böse.

Unverständige und Übelwollende gefallen sich gern darin, die Technik als die Mutter »öder Mechanismen«, als die Amme eines krassen Materialismus anzuschwärzen. Nicht nur wird dabei geflissentlich übersehen, daß die Technik oft die Retterin aus größten Nöten war; man will auch nicht Wort haben, daß die Technik hohen Gemütswert besitzt, daß sie eine poetische Seite hat und zur Quelle ästhetischer Befriedigung werden kann. Dichter und Ingenieure in einer Person waren nicht nur und nicht erst die Deutschen Max Eyth und Heinrich Seidel. James Watt selber war Poet und Mechaniker zugleich, wie Nietzsche Poet und Philosoph. Und die vielseitigere Natur besaß vielleicht der Schotte. Denn er vereinigte mit der nüchternen Sachlichkeit des tiefgründigen Forschers die zähe Beharrlichkeit des Tatmenschen und den Phantasiereichtum einer künstlerischen Persönlichkeit. Erasmus Darwin, des berühmten Zoologen Großvater, war vom Zauber der Wattschen Dampfmaschine so sehr entzückt, daß er ihr eine längere Dichtung widmete, die in seinem Werke »Der Botanische Garten« erschien. So alt ist also bereits das Thema von der Poesie der Technik, und auch hier ist Watt der Einleiter einer Umwertung geworden.

In der gleichen Stadt Glasgow, wo Watt seine Laufbahn als Mechaniker begann, war der berühmte Begründer der Nationalökonomie, Adam Smith, als Professor tätig, und Watt und Smith gehörten, wie Smiles in einem Werke über »Boulton und Watt« erzählt, einem Klub an. Der große Nationalökonom aber hat später in seinem Werke über die Ursachen des Reichtums der Nationen gerade die Berufstätigkeit nicht genügend beachtet und veranschlagt, die von Watt vertreten wurde, die Technik. Das war sein Schaden, denn das wurde zur Fehlerquelle des Werks.

So schreibt mit Recht Eugen Dühring in seiner Geschichte der Nationalökonomie: »Wie Adam Smith schon die Technik überhaupt nicht als erste produktive Macht ansah, so konnte er insbesondere noch viel weniger die Bedeutung würdigen, die diejenigen ausschließlich geistigen Tätigkeiten haben, die auf Erfindungen hinarbeiten oder sie unmittelbar machen. Die auf technische Erfindungen gerichtete Forschung ist so gewaltig produktiv, daß sich mit ihr keine andere wirtschaftliche Macht messen kann.« Man wird es dem Schotten Adam Smith zugut halten müssen, daß erst durch seinen jüngeren Landsmann James Watt der Welt in glänzendster Weise dargetan werden mußte, was technische Schöpferkraft und Erforschung der Natur wirtschaftlich zu bedeuten haben. Indem Watt also die noch von Smith nicht gebührend gewürdigte Technik zu Glanz und Geltung brachte, hat er auch in dieser Richtung »Werte umgewertet«. Die Herausbildung neuer Berufsstände, nämlich der Ingenieure, Monteure usw., knüpft sich zu einem wesentlichen Teile an das Schaffen des ehemaligen Mechanikers. Prozentual nehmen im Volkskörper die Personen zu, die einen Teil ihrer Vorbildung auf den strengsten Gebieten der Wissenschaft empfangen, auf den Gebieten der Mathematik und Mechanik. Somit sehen wir hier James Watt als den Ausgangspunkt sozialer Verschiebungen und Umwertungen.

Nur eines kurzen Hinweises bedarf es auf die Arbeiterfrage, die sich beim Heraufkommen des Maschinenzeitalters entwickelt hat. Auch hier trug Watt dazu bei, daß neue Fragestellungen sich erhoben, Werte zusammenbrachen und neue[S. 7] entstanden. Die von ihm unabsichtlich eingeleitete Wertumwertung ist heute noch nicht zu ihrem Abschluß gelangt.

Es wäre eine reizvolle Aufgabe, den Vergleich Watts mit Nietzsche ausführlicher zu behandeln, als es hier im Rahmen einer Wattbiographie möglich ist. Aber auf einige weitere Vergleichspunkte sei doch noch kurz hingewiesen. Wie Nietzsche seinen »Zarathustra« auf sonnigen Spaziergängen binnen wenigen Tagen im Geiste entwarf, so empfing Watt die Hauptidee seiner Erfindung auf einem Spaziergang im Freien. Wie der Dichterphilosoph seine Werke zur Welt brachte unter jahrelangen Kopfschmerzen, so zieht sich durch die Schaffenszeit Watts die immer wiederholte Klage über das gleiche Elend. Wie Nietzsche ein Entzücken gerade an der gedrungenen Begriffsfülle der lateinischen Sprache empfand, so begegnen wir in Watts Briefen einer Menge lateinischer Zitate, die man dem Mechaniker bei all seiner Belesenheit kaum zutrauen sollte. »Um die Erfinder neuer Werte dreht sich die Welt«, sagt der Einsiedler von Sils-Maria, »unhörbar dreht sie sich. Die stillsten Stunden sind es, die den Sturm bringen. Der Pöbel aber glaubt, die Welt drehe sich um die Erfinder neuen Lärms.« Ist es nicht eine hübsche Gleichläufigkeit dazu, wenn Watt an seinen Freund und Geschäftsteilhaber, den vornehmen Industriellen Boulton, in einem Briefe über die Aufstellung einer der ersten Dampfmaschinen im Cornwaller Grubenbezirk folgendes berichtet: »Geschwindigkeit, Kraft, Größe und der furchtbare Lärm der Maschine haben jetzt alle, die sie sahen, ob Freund, ob Feind, befriedigt. Ich hatte sie ein- oder zweimal so eingestellt, daß ihr Gang ruhiger war, und sie weniger Lärm machte; aber Mister Wilson (der Besitzer) kann nicht schlafen, wenn sie nicht tobt. Da habe ich sie denn dem Maschinenwärter überlassen. Nebenbei gesagt — die Leute scheinen von der Größe des Lärms auf die Kraft der Maschine zu schließen. Das bescheidene Verdienst wird hier ebensowenig anerkannt wie bei den Menschen


Watts engere Heimat und ihre berühmten Männer.

Seiner Herkunft nach ist Watt ein Sohn Schottlands, in dessen nördlichsten Teil vor einem Jahrtausend die Kelten von den andringenden Angelsachsen zurückgedrängt wurden. Heute noch wird im schottischen Hochland meist keltisch gesprochen. Das Land ist durchweg gebirgig. Tiefe Meeresbuchten zerfransen die Küste. Wald und Weide, Seen und zahlreiche Wasserläufe erhöhen die landschaftlichen Reize, die aber wiederum durch Nebel, Regen und mehr windiges als kaltes Wetter beeinträchtigt werden. Noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, also noch zu Lebzeiten Watts, zählte Schottland im ganzen nicht mehr Einwohner als eine moderne Riesenstadt: etwas über anderthalb Millionen. Aber darin gleicht dieses dünn bevölkerte Land andern merkwürdigen europäischen Landstrichen wie Schweden, der Normandie, dem Elsaß, Schwaben, Thüringen und dem Harzgebiet, daß es eine auffallend große Zahl ganz ausgezeichneter Männer hervorbrachte. Hervorragende Kenner der Wissensgeschichte pflegen den feineren schottischen Geist über den gröberen englischen zu stellen, der sich in breiten Ausspinnungen gefällt.

Zur selben Zeit, da Watt durch seine Dampfmaschine eine Umwertung vieler Werte einleitete, lebte, wie schon erwähnt, der Schotte Adam Smith, dann Hume, Black und Burns, lauter berühmte Schotten. Burns war der bekannte Lyriker, der auch in Deutschland Nachahmer und Bewunderer fand. Adam Smith begründete die moderne Nationalökonomie; er machte die Arbeit zum Grundstein seines Systems, während vor ihm der Boden oder der Handel als alleinige Ursachen des Wohlstandes der Völker in den Vordergrund gerückt worden waren. Smith bewies in seinem Werke bereits großes Wohlwollen für die arbeitende Klasse und wollte die Einmischung des Staates in die wirtschaftlichen Vorgänge aufs äußerste beschränkt wissen.

Mit Smith eng befreundet war der aus Edinburg stammende berühmte Philosoph David Hume, der durch seine klassischen Arbeiten drei wissenschaftlichen Gebieten angehört, der Philosophie, der Geschichtsschreibung und der Nationalökonomie. Wir brauchen uns nur zu vergegenwärtigen, was Kant dem schottischen Denker schuldet, um einen Begriff von Humes Bedeutung zu bekommen. Humes Untersuchungen über den menschlichen Verstand waren es, die den Königsberger Philosophen »aus seinem[S. 8] dogmatischen Schlummer erweckten«. Hume setzte die von Locke begonnene Erkenntniskritik fort. Er übte tief einschneidende Kritik an den metaphysischen Ideen und erweckte dem Verstand wieder Lust und Vertrauen zu sich selbst. Bis auf den heutigen Tag hat Hume in Sachen des Denkens einen wachsenden Einfluß ausgeübt. Erinnern wir uns deshalb hier, daß auch Watts mehr in die Augen fallende Leistung dazu beigetragen hat, dem menschlichen Geiste einen erhöhten Begriff von seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten beizubringen!

Wie Smith auf nationalökonomischem, Hume auf philosophischem und historischem, Watt auf technischem Gebiete ein Bahnbrecher war, so erstand in Black, der erst in Glasgow, dann in Edinburg als Professor der Medizin wirkte, ein Bahnbrecher auf dem Gebiete der Chemie und der Physik. Black war der erste Chemiker, der den Gewichtsveränderungen einen entscheidenden Einfluß auf die Erklärung von chemischen Vorgängen einräumte, und der erste Entdecker eines von der Luft verschiedenen Gases: der Kohlensäure, die er »fixe Luft« nannte. Ferner hat Black die latente oder Schmelzwärme entdeckt und dadurch auch Beziehungen zur Geschichte der Dampfmaschine erhalten. Wir werden noch sehen, wie gerade seine Freundschaft sich für Watt als sehr nützlich erwies. Hier aber wollen wir nochmals betonen, wie merkwürdig es doch ist, daß ein so kleines, dünn bevölkertes Stückchen Europas, wie Schottland, um die gleiche Zeit vier auf modernen Gebieten bahnbrechende Männer hervorbringen konnte, einen Hume, Smith, Black und Watt! Und wie vorher den Logarithmenerfinder Lord Napier, so hat es später noch den Philanthropen Carnegie hervorgebracht.


Watts Vorfahren.

Watts Urgroßvater war als Pächter bei Aberdeen ansässig und kam in einem Gefecht der presbyterianischen Covenanter gegen die königlichen Truppen ums Leben. Dessen Sohn, also Watts Großvater, wurde von Verwandten erzogen und ließ sich später in einem Orte bei Greenock als Lehrer der Mathematik und Schiffahrtskunde nieder. Sein Protestantismus stempelte ihn in den Augen der damaligen Regierung zu einem widerspenstigen, gesetzeswidrigen Schulmeister (disorderly schoolmaster officiating contrary to law). Aber das hinderte nicht, daß Thomas Watt in seiner Gemeinde bürgerliche und kirchliche Ämter versah, bis er hochangesehen im Alter von 92 Jahren als Professor der Mathematik das Zeitliche segnete. Er bekleidete in Greenock verschiedene Ämter, war Ratsherr, Gemeinderechner und Bürgermeister. Watts Vater hatte, obwohl der Mathematikprofessor Watt seinen beiden Söhnen Vermögen hinterließ, einen praktischen Beruf ergriffen, während der Oheim des Erfinders, also der andre Sohn des Mathematikprofessors, wiederum Mathematiker wurde. Der Vater des Erfinders entwickelte als Häuser- und Schiffsbauer, als Schreiner, Tischler, Zimmermann, als Reeder, Kaufmann und Schiffsgeräteverfertiger im Laufe eines langen Lebens eine bedeutende Vielseitigkeit, die offenbar durch die dürftigen Verhältnisse des kleinen Platzes bedingt wurde. Denn Greenock war zu Beginn des 18. Jahrhunderts nur ein Fischerdorf, entwickelte sich aber bald darauf derart, daß es das Örtchen Crawfordsdyke, wo Watts Großvater sich angesiedelt hatte, überholte und in sich aufnahm.

Die männliche Linie der Familie Watt starb im Jahre 1848 mit dem Sohne des Erfinders aus. Auch dieser Sohn hatte eine mathematisch-technische Bildung erhalten, so daß wir von vier Generationen dieser Familie sagen können: sie gehörten dem mathematisch-mechanischen Gebiete an, erreichten alle vier ein außerordentlich hohes Alter, waren aber dennoch ein aussterbendes Geschlecht. Auf Rechtschaffenheit und Glaubenstreue wurde von Urgroßvaters Zeiten her besonders gehalten.

Übrigens wollen wir nicht unerwähnt lassen, daß uns der Familienname Watt als der eines adligen Geschlechtes in der Schweiz begegnet. Ein Joachim von Watt, 1484 in Sankt Gallen geboren, studierte in Wien, führte dort eine Zeitlang ein tolles Raufleben, wurde mit dreißig Jahren Professor und ließ sich später in Sankt Gallen als Arzt nieder. Mit Zwingli, Erasmus und Luther befreundet, war er ein Hauptförderer der Reformation und amtierte auch als Bürgermeister. Von seinen zahlreichen Schriften ist seine Chronik der Äbte von Sankt Gallen die wichtigste. Das Kloster Sankt Gallen ist von irischen oder, wie sie im Mittelalter genannt[S. 9] wurden, skotischen, also schottischen Mönchen gegründet worden. Indessen ist es höchst unwahrscheinlich, daß etwa schottische Watts sich im Schutze des genannten Klosters angesiedelt hätten. Eher möchte man vermuten, daß Abkömmlinge des schweizerischen Rittergeschlechtes nach England auswanderten.

So sehen wir zum Beispiel den Erfinder selbst die Hilfe eines aus der Schweiz zugewanderten Färbers in Anspruch nehmen, um Deutsch zu lernen, dessen er zum Verständnis von Leupolds »Theatrum machinarum« benötigte. Vielleicht gelingt es einer künftigen Forschung, hier noch Licht zu schaffen.


Watts Jugend.

Den Vater haben wir schon als ungemein rührigen, vom Vertrauen seiner Mitbürger getragenen Mann kennen gelernt. Die Mutter des Erfinders wird als unübertreffliche Frau von großem Liebreiz, mit trefflichen Gaben des Geistes und des Gemütes geschildert. Sie entstammte einer Familie Muirhead, die zu Professorenkreisen gehörte; ein Professor Muirhead, Verwandter von Watts Mutter, war durch eine Homerausgabe berühmt. Von fünf Kindern starben drei in frühester Jugend, ein Bruder Watts, der auf einem Schiffe seines Vaters nach Amerika fuhr, fand bei Sturm auf hoher See den Untergang. Für das Verhältnis des einzig überlebenden Sohnes James zu seiner Mutter ist es bezeichnend, daß sie in ihm alles fand, was sie von einer Tochter Liebes hätte erwarten dürfen. Denn Watt war ein außerordentlich schwächliches Kind und gedieh nur dank sorgsamster Pflege. So wurde er eben ein Muttersöhnchen. Und weil er infolge häufiger Kränklichkeit und oft wochenlangen Kopfschmerzes nicht mit den übrigen Knaben mittun, nicht mit ihnen an den Ufern des Clyde herumspielen oder Entdeckungs- und Räuberfahrten in die Umgebung machen konnte, im Gegenteil wegen seiner Schwächlichkeit dem Spott und der Roheit der stärkeren Jungen ausgesetzt war, so mußte sich das ganze Wesen dieses Kindes nach innen entfalten und Anschluß bei der Mutter suchen. Erinnern wir uns hier, daß die alten Völker, die schwächliche Kinder einfach beseitigten, sich gerade dadurch oft der besten, nämlich der geistigsten, Kräfte beraubten! Ein Kepler, ein Newton, ein Watt wären im alten Sparta Kinder des Todes gewesen.

Ein hübscher Zufall wollte es, daß der wohl größte Techniker seiner Zeit fast in der gleichen Woche wie der wohl größte Mathematiker der gleichen Epoche zur Welt kam. Lagrange wurde am 25. Januar 1736 zu Turin geboren, Watt am 19. oder 31. Januar dieses Jahres zu Greenock am Clydeflusse. In allen Biographien Watts findet man als Geburtsdatum den 19. Januar angegeben. Das muß aber auf einem mit rührender Treue immer wieder nachgeschriebenen Irrtum beruhen, vielleicht dadurch veranlaßt, daß Watt am 19. August des Jahres 1819 starb. Er selbst schreibt am 31. Januar 1770 an seinen Freund Dr. Small in Birmingham: »Ich trat heute (to-day) in das 35. Jahr meines Lebens und ich glaube, ich habe noch nicht für 35 Pfennig Gutes auf der Welt getan, aber ich kann's nicht ändern.« Hier bezeichnet also Watt den 31. Januar als seinen Geburtstag. Aber ob so oder so, es sind nur wenige Tage Unterschied vom Geburtstage des großen französischen Mathematikers. Im Mannesstamm sind die Familien Watt und Lagrange heute ausgestorben.

Allerhand Anekdoten werden von der Frühreife des späteren Erfinders überliefert. Dabei ist zu beachten, daß selbst Personen, wie der französische Naturforscher Arago, sie ohne Zweifelsbekundung wiedergeben und von Watts Sohne selber Berichte empfingen oder empfangen konnten. Von der Mutter im Lesen, vom Vater im Schreiben und, den Familientraditionen entsprechend, früh in Mathematik unterrichtet, soll er bereits als Sechsjähriger über geometrischen Aufgaben gesessen haben. Mit einem Stück Kreide in der Hand stand er am Herde, als ein Bekannter seines Vaters zu diesem äußerte, er solle doch den Knaben in die Schule schicken, statt ihn zu Hause seine Zeit vertrödeln zu lassen. »Sehen Sie erst, was der Junge macht,« versetzte der Vater, »bevor Sie ihn verurteilen.« Klein-Jamie befaßte sich gerade mit einer geometrischen Aufgabe. Ein andermal tadelte ihn seine Tante mütterlicherseits, weil er seit einer Stunde, ohne ein Wort zu sprechen und ohne ein nützliches Buch zur Hand zu nehmen, am Teekessel spielte, indem er über die Mündung bald einen Löffel, bald eine Tasse hielt und die[S. 10] Tropfen zählte, die sich bildeten. Während Arago in seiner Wattbiographie dies jugendliche Experiment als eine Vorbereitung zu späteren Dampfbändigungstaten darstellt, hat Watt selber jedenfalls in seinen Auslassungen über die ersten Anregungen zum Studium der Dampfmaschine nichts von solchen Kindheitserinnerungen erwähnt, und dies Schweigen scheint mir gegen die Anekdote zu sprechen. Auch Smiles mißt in seiner großen Biographie »Boulton und Watt« der Anekdote keine Bedeutung bei. Von außerordentlicher Tragweite war dagegen der Umstand, daß Watt neben und in einer Werkstatt aufwuchs, wo er die Handhabung aller möglichen Geräte kennen lernte, die Zimmerleute und Mechaniker bei ihrer Arbeit sah und selber von klein auf bosselte und drechselte. Die Werkleute seines Vaters sagten von ihm, er habe ein Vermögen in seinen Fingern. Schon in frühester Kindheit also beginnt bei ihm die Vorbereitung für den späteren Beruf eines Mechanikers, und wir können uns hier erinnern, daß einem Heinrich Hertz, einem Philipp Reis und Grafen Zeppelin die früh erworbene Geschicklichkeit der Hand und Fertigkeit im Drechseln und Bosseln für ihre Erfindungen von großem Nutzen gewesen ist. Regelmäßigen Schulunterricht empfing Watt vor dem vierzehnten Jahre nicht. Teils war seine Kränklichkeit die Ursache, teils wohl auch der Wille des Vaters, der sich sagen mochte, daß der schwächliche Junge von mechanischen Arbeiten gleichen Nutzen für den Körper wie für den Geist haben würde. Soweit aber James die Schule besuchte, erwies er sich als unter dem Durchschnitt, als dumm und hinter seinen Jahren zurückgeblieben. Das änderte sich erst, als er in die Mathematikklasse kam, wo er sich bald auszeichnete. Wir haben hier also ein neues Beispiel zu der langen Reihe berühmter Forscher und Erfinder, die auf der Schule sehr geringe Erwartungen weckten und später durch ihr Leben und Wirken glänzend enttäuschten: Robert Mayer, Darwin, Gustav Jäger, Liebig, Berzelius, Linné, Bessel, Alexander v. Humboldt, Werner Siemens, Riggenbach, List, Thaer u. a. Der gleiche Knabe, der seinen Lehrern so schwerfällig und zurückgeblieben erschien, konnte Erwachsene durch seine frei erfundenen Erzählungen stundenlang in höchste Spannung versetzen. Man kann als sicher annehmen, daß Watt, als Sohn eines Geistlichen und infolgedessen zuerst vorwiegend mit Literatur und Sprachen genährt, wohl einer der fruchtbarsten Dichter Schottlands geworden wäre. Ehe er vierzehn Jahre zählte, brachte ihn seine Mutter Luftwechsels wegen zu Verwandten nach Glasgow. Damals war es ein kleines Universitätsstädtchen, das noch keinen einzigen großen Fabrikschornstein kannte. Jeden Abend vor dem Schlafengehen begann Jung-Jamie seine Tante in ein Gespräch zu verwickeln, in dessen Verlaufe er eine Geschichte nach der andern, fröhlichen oder gruseligen Inhalts, erzählte, während die ganze Familie auf den jedesmaligen Ausgang gespannt war. So verstrichen die Stunden, und die gute Tante kam nicht mehr zu genügendem Schlafe, so daß sie den Jungen nach Greenock zurückbrachte, um die Ordnung ihres Lebens wieder ins Geleise zu bringen. An der Glaubhaftigkeit dieser Anekdote dürfte um deswillen nicht zu rütteln sein, weil auch Walter Scott aus eigner Beobachtung und von Hörensagen wußte, daß noch der hoch betagte Erfinder ein Meister in selbsterfundenen Geschichten war. Als er in hohem Alter in Gesellschaft eines Tages den Faden seiner frei erfundenen Erzählung nicht schnell genug weiterspinnen konnte, vielmehr durch reichliche Griffe in die Schnupftabaksdose Kunstpausen erzielte und dadurch die Frage veranlaßte, ob er heute etwa eine von ihm selbst erfundene Geschichte berichte, soll er geantwortet haben: »Diese Frage setzt mich in Erstaunen. Seit vielen Jahren verbringe ich meine Abende in ihrer Gesellschaft und tue nichts anderes.« Wir haben also sowohl aus der Jugend wie aus dem Alter die gut bezeugte Überlieferung, daß Watt einen unerschöpflichen Phantasiereichtum, eine seltene Gabe für packende, anschauliche Erzählungen besaß. Der große Mechaniker war auch ein hochbegabter Poet, und seine Briefe, fast die einzigen von ihm erhaltenen Schriftstücke literarischen Charakters, bestätigen diese Behauptung, denn Watts Sprache verrät einen wahren Bilderreichtum.

Doch verfolgen wir den Gang seiner weiteren Schulbildung. Von der Handelsschule, die er bis zu seinem vierzehnten Jahre mit reichlichen Unterbrechungen besuchte, kam er in die Latein- oder Grammarschule. Dort machte er gute Fortschritte in Latein und Griechisch, noch bessere aber in Mathematik. In diesem Fache war er der Beste. Zu Hause wurde Zeichnen, Schnitzen, Konstruieren geübt; Jamie besserte Kompasse, Quadranten und sonstige Schiffsinstrumente aus. Watts ganze Denkrichtung hatte sich durch den Mangel an körperlicher Betätigung früh von den Trieben der gleichaltrigen Jugend abzweigen müssen. Vater, Mutter und[S. 11] gute Bücher bildeten den hauptsächlichen Umgang. Und da der Umgang mit Büchern immer auch ein Umgang mit den Menschen ist, die diese Bücher schrieben, so wuchs eben Jamie in der besten Gesellschaft auf, die damals in Greenock zu haben war. Unterhaltungslektüre, Balladen und Geschichten las er so oft, bis er die besten Sachen auswendig wußte.

In die Jugendzeit Watts fiel das letzte Aufflackern der schottischen Rebellion gegen die britische Herrschaft. Bis in die unmittelbare Nähe von Greenock kam eine Streifschar wilder Bewohner der Hochlande. So lernte der Knabe denn die Aufregungen des Krieges, die ihm aus vielen Erzählungen bekannt waren, auch aus dem unmittelbaren Erleben in der engeren Heimat kennen. Aber mehr fesselten ihn doch Instrumente und Maschinen, deren Geheimnis zu enträtseln er keine Ruhe hatte. Wir erfahren, daß er vor Vollendung des fünfzehnten Jahres mit größter Aufmerksamkeit bereits zweimal die Elemente der Naturphilosophie, wir würden sagen der Naturwissenschaft, von 's Gravesande durchgegangen hatte. Das Buch gehörte seinem Vater und ist vermutlich das große zweibändige Werk 's Gravesandes, betitelt »Physices Elementa Mathematica experimentis confirmata«, das 1720 erschien, und von dem mir eine vierte Auflage aus dem Jahre 1748 vorliegt, also aus einem Jahre, da Watt 12 Winter zählte. Dies Werk ist lateinisch geschrieben, mit schönen großen lateinischen Typen gedruckt und so reich mit Kupferstichen ausgestattet, wie man es heute kaum bei einem wissenschaftlichen Werke findet. Selbst wenn Watt aus der englischen Ausgabe in englischer Übersetzung gelernt haben sollte, so dürfte doch anzunehmen sein, daß auch diese die Gesetze der Mechanik, des Luft- und Dampfdruckes, des Lichtes, der Elektrizität usw. mit reichlichen Illustrationen erläutert hat. Vergegenwärtigen wir uns überhaupt einmal, welcherlei naturwissenschaftlich wichtige Tatsachen als Neufunde in den Gesichtskreis des jungen Watt getreten sein mögen, um uns ein Bild der damaligen Zeit in wissenschaftlicher Hinsicht zu machen! Das Werk 's Gravesandes selbst veranschaulicht uns auf das lebhafteste, mit welchem Anteil man der Zusammensetzung des weißen Lichtes aus den bunten Farben nachging, mit welchem Eifer man elektrische Versuche anstellte, wie man sich freute, einen luftleeren Raum herstellen zu können, nachdem das Mittelalter mit seinem Glauben an den Abscheu der Natur vor dem Leeren abgewirtschaftet hatte. Man lebte unter dem Eindruck eines glänzenden Aufschwungs der auf Versuche sich stützenden Forschung und der Mathematik. Die Zeit unmittelbar vor Watt war an naturwissenschaftlichen Entdeckungen vielleicht noch reicher als unsre eigene. Galilei hatte mit dem Fernrohr neue Welten am Firmament entdeckt, hatte den leichten Hauch, das Nichts, die Luft gewogen. Sein Schüler Torricelli maß den Luftdruck. Das Barometer wurde erfunden. Otto von Guericke hatte die Luftpumpe und die erste Elektrisiermaschine erdacht. Huygens konstruierte eine Pulverexplosionsmaschine, in der die Pulvergase einen luftverdünnten Raum erzeugten und der äußere Luftdruck verwendet wurde, durch die Maschine Wasser in die Höhe zu heben. Von da aus nahm die Geschichte der Dampfmaschine ihren Anfang. Newton hatte Versuche über die Zusammensetzung des Lichtes angestellt, das Gravitationsgesetz gefunden, die Infinitesimalrechnung geschaffen. Huygens bewies, daß das Licht eine Art Wellenbewegung sein müsse. Der Schotte und Landsmann Watts, Lord Napier von Merchiston, hatte die Logarithmen eingeführt und damit eine neue Art Hexerei gelehrt. Gerade auf den Gebieten der exakten Wissenschaften ist also das Jahrhundert vor Watts Geburt ein klassisches zu nennen. Aber man würde sich gewaltig irren, wenn man meinte, alle die hochinteressanten Dinge, die uns heute über das Leben der Tiere und Pflanzen, insbesondere über die Kleinlebewelt, über die Insekten und Polypen in ungezählten volkstümlichen Schriften dargeboten werden, seien jenem Zeitalter fremd geblieben. Hales hatte in England physiologische Versuche über das Leben der Pflanze veröffentlicht. Linné war fast zwei Jahrzehnte vor Watt geboren. Der ehemalige Angestellte eines Tuchgeschäftes Anton Leeuwenhoek hatte mit einem selbstgefertigten Kleinseher (Mikroskop nennt man es auf deutsch) die Welt der kleinen Ungeheuer im Wassertropfen entdeckt. Swammerdam lehrte den kunstvollen Bau eines Bienenleibes kennen. Als Watt acht Jahre alt war, gab der Genfer Trembley seinen Zeitgenossen die merkwürdige Entdeckung bekannt, daß der zentimetergroße Süßwasserpolyp sich Umstülpung und zehnfache Zerschneidung gefallen läßt, ohne daß sein Leben endet. Jedes Schnittstück wird sogar wieder ein ganzer Polyp. In die Kindheit Watts fällt die Herausgabe eines sechsbändigen Werkes über das Leben der Insekten, in dem der französische Physiker Réaumur, der gleiche, dem wir die bekannte Thermometerskala verdanken, die erstaunlichen Leistungen der Insekten im Weben und Spinnen, im Bauen und[S. 12] Zusammenarbeiten schildert. Und als Watt aus seinem 's Gravesande die damals noch mit dem ganzen Reiz der Neuheit verklärten elektrischen Versuche und Tatsachen kennen lernte, da dauerte es keine drei Jahre mehr, bis aus Amerika die Nachricht kam, dort habe einer den Beweis erbracht, der Blitz sei nur eine große elektrische Entladung — worüber sich die Londoner Königliche Gesellschaft der Wissenschaften pflichtschuldig erst lustig machte. Ja, so groß war im Anfang des 18. Jahrhunderts die Anteilnahme an den Naturwissenschaften, daß der Hamburger Dichter Brockes in seinen poetischen Werken, die er »Irdisches Vergnügen in Gott« betitelte, gar nicht so üble Verse auf allerhand physikalische, zoologische und sonstige Erscheinungen brachte, Verse, die man auch heute noch lesen kann. Ich wünschte, ich könnte dem Leser hier einen Begriff geben, mit wie zahlreichen belehrenden Abbildungen Werke damaliger Zeit ausgestattet waren, um glaubhaft zu machen, daß James, ein unersättlicher Leser in seiner Jugend, voll Interesse für Physik und Mechanik, für Botanik und Geologie, der lebhaftesten Anregungen selbst in dem weltentlegenen Greenock mit seinen Strohdächern nicht entbehrte. Und wenn der Fünfunddreißigjährige später einmal klagt, er habe noch nichts auf der Welt genützt, so wollen wir angesichts dieser Bekundung von Ehrgeiz nicht unerwähnt lassen, daß auch das Gerücht von andren als wissenschaftlichen Heldentaten an sein jugendliches Ohr drang: die Taten Friedrichs des Großen, des Philosophen auf dem Throne, der einen Voltaire, einen Lagrange in seine Umgebung berief und ein Kriegsheld ersten Ranges war.

Ein Genie ohne die Fähigkeit zum Alleinsein, ohne Hang zur Einsamkeit und Zwiesprache mit sich selbst, dürfte ein Widerspruch in sich sein. Daher wird uns auch von Watt berichtet, daß er gerne bei Nacht einsame Spaziergänge machte, Mond und Sterne beobachtete, ohne Begleitung ausgedehnte Streifzüge in die Umgebung unternahm, in einsame Täler und zu endlos sich streckenden Wasserflächen. Ein Sohn der Schmerzen, insonderheit des Kopfwehs von Jugend auf, las er auch gerne medizinische Bücher, wo er ihrer habhaft werden konnte, und zu seinem Sohne soll er später gesagt haben, er wäre Arzt geworden, hätte er sich fähig gefühlt, das Leiden der Kranken mitanzusehen. Bekanntlich kamen auch Darwin und Herder, beide Väter der Entwicklungslehre, dadurch vom medizinischen Studium ab, daß sie den Anblick der zu ihrer Zeit freilich noch entsetzlich blutig verlaufenden Operationen nicht ertragen konnten. Gerade weil aber für feinere Naturen das ärztliche Studium schwere Hindernisse bietet, will es mir um so unglaubhafter erscheinen, was durch Smiles und Arago, die beide aus bester Quelle schöpfen konnten, berichtet wird: Watt sei eines Tages dabei betroffen worden, wie er den Kopf eines an einer ungewöhnlichen Krankheit gestorbenen Kindes in sein Zimmer trug, um ihn zu sezieren. Dazu gehörten doch wohl nicht nur starke, sondern auch rohe Nerven. Das Fehlen näherer Einzelheiten, nach denen doch die Überlieferer dieser Nachricht hätten forschen müssen, macht die Sache höchst unglaubhaft. Zur Ehre Watts wollen wir annehmen, daß es eine auf Mißverständnis beruhende Anekdote ist. Wir wissen ja aus unsrer eignen Zeit, wie selbst berühmte lebende Forscher in wissenschaftlichen Nachschlagewerken tot oder als im Irrenhaus befindlich verzeichnet wurden; wir wissen, wie Unwahrheiten sich jahrzehntelang in wissenschaftlichen Werken trotz längst erfolgter Widerlegungen erhalten: da mag leicht auch über einen berühmten Mann des 18. Jahrhunderts eine unwahrscheinliche Anekdote vermeintlich zu seiner Ehre, in Wahrheit zu seinem Schaden in Umlauf gebracht worden sein. Es entspricht ein solcher Zug durchaus nicht dem Charakter des großen Erfinders. Watt war es ein unerträglicher Gedanke, daß andre Leute durch seine technischen Projekte sollten zu Schaden kommen; wie hätte er sich da auch nur im Geiste an einer Kindesleiche, an den Gefühlen der nichtsahnenden Eltern versündigen können, abgesehen davon, daß es früher selbst große Gelehrte Kämpfe gekostet hat, in den Besitz von Leichen zu gelangen. Auf diese Art sich Wissen zu verschaffen, stimmt auch nicht zum Wesen eines Mannes, der in seinen Kindertagen täglich im Hause auf die Bilder zweier solcher Geistesriesen zu schauen gewohnt war, wie Newtons und des Logarithmenschöpfers Lord Napiers.

Schon aus den bisher vorgetragenen Bemerkungen über wissenschaftliche und literarische Neigungen des jungen Watt dürfte hervorgehen, daß hier eine außerordentlich vielseitige geistige Beanlagung, ein höchst seltenes Beieinander verschiedenster Talente vorhanden war, die Hand geschickt zu feinsten Zeichnungen, zum Schnitzen, Bosseln und Drechseln, — der Verstand den mathematischen Naturwissenschaften zugewandt und gewachsen, — die Phantasie üppig sprudelnd wie die des fruchtbarsten Romanschriftstellers, — und ein Charakter, dem es vielleicht zur Empfehlung gereicht, daß er sich mit der übrigen[S. 13] Jugend nicht gemein machen konnte, sondern lieber für sich blieb. Wir haben Schilderungen, die den jungen Mann und den ehrwürdigen Greis im gleichen Sinne darstellen. Hier sei zunächst nur das Zeugnis Walter Scotts angeführt, von welcher reichen Vielseitigkeit Watt in seinen alten Tagen noch glänzende Proben ablegte. In der Vorrede zum »Kloster« äußert sich der schottische Romanschriftsteller folgendermaßen:

»Watt war nicht nur der tiefste Gelehrte und derjenige, der mit dem glücklichsten Erfolge aus gewissen Kombinationen von Zahlen und Kräften brauchbare Anwendungen gezogen hatte, er nahm nicht nur unter denen, die durch die Allgemeinheit ihrer Bildung sich auszeichnen, einen der ersten Plätze ein: er war auch der beste, der liebenswürdigste Mensch. Das einzige Mal, wo ich mit ihm zusammengetroffen bin, war er von einer kleinen Gesellschaft Gelehrter aus dem Norden umgeben.... Da sah und hörte ich, was ich niemals wieder sehen und hören werde. Der muntere, liebenswürdige, wohlwollende Greis von 81 Jahren nahm an allen Fragen einen lebhaften Anteil; seine Kenntnisse standen jedem zur Verfügung, der sie in Anspruch nahm. Er verbreitete über jeden Gegenstand die Schätze seiner Talente und seiner Einbildungskraft. Unter den Gentlemen befand sich ein gelehrter Philologe; Watt unterredete sich mit ihm über den Ursprung des Alphabets, als wenn er der Zeitgenosse des Kadmos gewesen wäre. Als ein berühmter Kunstrichter sich zu ihnen gesellte, hätte man behaupten mögen, daß der Greis sein ganzes Leben dem Studium der schönen Wissenschaften oder der Nationalökonomie gewidmet habe. Es würde überflüssig sein, die exakten Wissenschaften zu erwähnen: sie bildeten seine glänzende und spezielle Lebensaufgabe; wenn er indessen mit unserem Landsmann Jedediah Cleishbotham sprach, so hätte man darauf geschworen, daß er der Zeitgenosse Claverhouses und Burleys, der Verfolger und der Verfolgten, gewesen wäre; daß er wirklich genau die Flintenschüsse gezählt hätte, die die Dragoner auf die flüchtigen Covenanter abfeuerten. Wir entdeckten endlich, daß kein Roman von nur einigem Ruf ihm entgangen war, und daß die Leidenschaft des berühmten Gelehrten für diese Art von Schriften derjenigen an Lebhaftigkeit gleichkam, die sie einer jungen Putzmacherin von 18 Jahren einflößen.«

Indessen sollte sich doch diesem so reich beanlagten und verschwenderisch ausgestatteten Jüngling, dem Sohn eines der angesehensten und wohlhabendsten Bürger von Greenock, nicht die gelehrte Laufbahn öffnen. Watts Vater war durch kaufmännische Unternehmungen, durch den Verlust von Seeschiffen in seinen Vermögensverhältnissen zurückgekommen. Er mußte deshalb darauf Bedacht nehmen, den Sohn und dessen jüngeren Bruder bald etwas Praktisches lernen zu lassen. Die Aussicht, Professor der Mathematik oder Naturwissenschaft zu werden, war durch düstere finanzielle Wolken verhängt. Daher galt es, eine Wahl zu treffen, die der Forderung der angeborenen Neigungen und des praktischen Nutzens gleicherweise entsprach: Watt entschied sich für den Beruf eines mathematischen Instrumentenmachers, um als Feinmechaniker immer noch den Überlieferungen der Vorfahren, dem Geiste Newtons und Napiers, den Mahnungen ihrer Wandbilder, treu bleiben zu können. Wir kommen damit zu Watts Lehrjahren.


Watts Lehrzeit.

Achtzehn Jahre alt, verließ James Watt das Vaterhaus, um in dem nicht allzuweit entfernten Städtchen Glasgow bei einem geeigneten Meister in die Lehre zu treten. Dort fehlte es ihm nicht an einflußreichen Verwandten, und von der Gefahr, auf Abwege zu geraten, konnte keine Rede sein. Nur zwei sich kreuzende Hauptstraßen besaß das Städtchen damals, dessen meiste Häuser aus Holz gebaut und mit Stroh gedeckt waren. Selten, daß sich auf dem vorbeifließenden Clyde ein größeres mehrmastiges Schiff zeigte, obwohl die angesehensten Bürger Händler mit Virginiatabak waren, die gar stolz in ihren Scharlachröcken, Hahnfederhüten und Puderzöpfen die kurze Hauptstraße durchwandelten. Wirtshäuser und Zeitungen gab es nicht; die Neuigkeiten der Welt kamen den Glasgowern eine Woche später durch ein Londoner Blättchen zur Kenntnis. Man traf sich, nach Beruf und Neigung zusammengeführt, abends in den Klubs. Theater waren ebenfalls nicht zu finden, und als im Jahre 1752 ein hölzernes Theater errichtet wurde, fand sich das Volk in seinen religiösen Gefühlen so verletzt, daß es die Bude stürmte[S. 14] und die Besucher mißhandelte. Und als der Bau eines Theaters im Jahre 1762 wiederum ins Auge gefaßt wurde, wollte niemand Grund und Boden dazu verkaufen. Zu neuen Ausschreitungen kam es zwei Jahre später, als man vor den Stadttoren dennoch ein Theater baute. Waren also die biederen Glasgower zwar Feinde des Theaters, so doch nicht eines kräftigen und reichlich bemessenen Trunkes, eine Schwäche, die dem nie ganz gesunden Watt jedenfalls nichts anhaben konnte. Zunächst freilich sollte sein Aufenthalt in dem kleinen Universitätsstädtchen, in dem er nach einigen Jahren die wichtigste Erfindung für die Dampfmaschine machte, nicht von langer Dauer sein. Der Meister, bei dem er in die Lehre trat, nannte sich zwar Optiker und war auch ein sehr vielseitiger Mann, der Brillen, Geigen und Spinette verkaufte oder zur Ausbesserung annahm, auch einfachere mathematische Instrumente zur Not wieder instand setzte, aber um des Lebens Notdurft willen auch Angelruten und Fischnetze oder was sonst gewünscht wurde, herstellte. Da man sich aber die Ausbildung des jungen Watt zum mathematischen Instrumentenmacher doch etwas gründlicher und tiefer vorgestellt hatte, so erhielt Watt von dem Professor der Naturwissenschaft Dick den Rat und die nötigen Empfehlungsbriefe zur Übersiedlung nach London. Sie erfolgte in Begleitung eines Verwandten. Hoch zu Roß gelangte der Jüngling in ebensoviel Tagen von Glasgow nach der britischen Hauptstadt, wie es heute mit der Eisenbahn Stunden erfordert, wenn man den bummeligsten Zug nimmt. Watts Unterbringung bei einem Londoner Meister machte aber große Schwierigkeiten. Niemand wollte oder durfte ihn nehmen, da er die vorgeschriebene Bedingung, nämlich siebenjährige Lehrlingschaft bei einem eingesessenen Meister, weder erfüllt hatte noch erfüllen konnte. Nach vierzehntägigem vergeblichem Suchen schrieb Watt an seinen Vater, höchstens gegen Draufzahlung eines Lehrgeldes würde ihn ein Meister für ein Jahr bei sich aufnehmen. So entschloß er sich denn, zunächst bei einem ihm durch seinen Verwandten bekannt gewordenen Uhrmacher namens Neale ohne jede Vergütung in Dienst zu treten. Bei diesem übte er sich in der Kunst des Gravierens. Bald jedoch glückte es ihm, bei einem regelrechten Verfertiger mathematischer Instrumente, namens Morgan, gegen ein Lehrgeld von zwanzig Guineen und Überlassung seiner Arbeitsergebnisse für ein Jahr unterzukommen. Rasch erwarb sich der eifrige Jüngling Fertigkeit in der Herstellung von messingnen Transporteuren, Quadranten, Azimutalkompassen, Theodoliten, Verhältniszirkeln und was der mathematischen Instrumente noch mehr sind. Er lernte auch die Vorteile einer weitgehenden Arbeitsteilung kennen. Im Bestreben, möglichst bald keiner väterlichen Zuschüsse mehr zu bedürfen, schränkte sich Watt aufs äußerste ein, und wo er durch Arbeiten in seiner Freizeit etwas verdienen konnte, setzte er die Stunden der Nacht daran. Schlimme Zustände herrschten damals in London und seiner Umgebung. Das Schicksal, das den deutschen Dichter Seume und viele andre unglückliche Opfer fürstlicher Habsucht und Gewissenlosigkeit traf, über See als Soldat verkauft zu werden, drohte auch einem Watt, wenn er unvorsichtig war. Truppen von Werbern griffen junge Männer auf und zwangen sie, Matrosen zu werden; Agenten der Ostindiengesellschaft führten dieser zwangsweise Leute für den Kolonialdienst zu, Seelenverkäufer lieferten eingefangenes Menschenmaterial auch an die amerikanischen Pflanzer. Wehe dem, der in seinen Personalverhältnissen nicht ganz einwandfrei war! Er entrann nicht mehr seinen Häschern, und Watt hätte sich ebenfalls nicht vor dem Lordmayor genügend legitimieren können, denn er befand sich in einer gesetzlich nicht erlaubten Lehrlingsstellung, er hatte die vorgeschriebenen sieben Jahre Lehrzeit nicht durchgemacht. So konnte er sich immer noch in der Werkstatt seines Meisters am sichersten fühlen, seine zehn Stunden herunterarbeiten und abends, abgerackert und mit zitternden Händen, wie er selbst schrieb, sein Lager aufsuchen. Sein Arbeitsplatz in der Nähe der Ladentür zog ihm aber eine schlimme Erkältung, Husten und Rheumatismus zu. Das Übel wich nicht, so daß Watt im Herbst 1756 nach der schottischen Heimat zurückkehrte, mit Bions Werk über mathematische Instrumente und allem Handwerkszeug versehen, das zur Niederlassung als Meister im Norden erforderlich war.


[S. 15]Watt als Universitätsmechaniker.

Nachdem der Zwanzigjährige in der Pflege des Elternhauses seine Gesundheit wiederhergestellt hatte, wollte er sich im benachbarten Glasgow als Meister niederlassen. Aber der Mann, dessen revolutionäre, in Eisen gebundene Werke bald alle Zunftschranken über den Haufen stürzen sollten, mußte sich zunächst von der Glasgower Zunft der Hammerschmiede bedeuten lassen, daß es am Ort keinen Raum für jemanden gäbe, der nicht die regelmäßige Lehrzeit bei einem Glasgower Meister durchgemacht noch einen eingesessenen Bürger zum Vater habe. Es ist ja so ziemlich in den meisten Fällen für die einem Zeitalter allernötigsten Menschen kein Raum gewesen. In Watts Falle aber wurde der Schaden, den die eine Zunft stiftete, durch eine andere Zunft, die Glasgower Professoren, gutgemacht. Watt war mit den Professoren Muirhead und Anderson verwandt. Den Professor Anderson muß man schon um deswillen rühmend hervorheben, weil er der erste war, der Vorlesungen für Arbeiter und Handwerker einführte, Naturwissenschaft ins Volk zu bringen suchte und die volkstümlichen Zwecken gewidmete Andersonian University stiftete. Professor Dick verschaffte dem jungen Meister zunächst den Auftrag, eine Sammlung mathematisch-astronomischer Instrumente wieder instand zu setzen. Diese Instrumente waren über See gekommen und zum Teil verrostet. Sie entstammten dem Nachlaß eines auf Jamaika gestorbenen Kaufmanns Macfarlane, der sich in seinen Mußestunden mit astronomischen Beobachtungen beschäftigte. Und weil die Glasgower Handwerkerzunft Watt nicht einmal eine Werkstatt zu Experimenten beziehen lassen wollte, so ernannte die Professorenschaft den jungen Verwandten zweier ihrer Mitglieder zum Universitätsmechaniker, der den Professoren der Naturwissenschaft mit der Herstellung von Instrumenten an die Hand gehen sollte. Innerhalb der Universitätsräume, in denen die Handwerker nichts zu sagen hatten, wurde Watts Werkstatt eingerichtet, auch durfte er sich noch einen Laden nach der Straße zu halten. Freilich, zu verdienen bekam er nicht viel. Es bestand keine zureichende Nachfrage nach seinen Instrumenten, und der Vater mußte hier und da noch aushelfen. Watt verlegte sich auf den Verkauf von Karten, besserte Geigen, Flöten und Gitarren aus, fertigte auch solche Instrumente und baute sogar auf Bestellung Drehorgeln.

Es ist nicht ohne einen geheimen Reiz, daß der Schöpfer der vervollkommten Dampfmaschine eine Zeitlang Musikinstrumentenmacher war; die reine Unterhaltungs- und Vergnügungskunst der Musik war hier, wie in manch andern interessanten Fällen, die Amme der Technik. So begann auch der englische Physiker Wheatstone, den die Geschichte der Telegraphie kennt, seine Laufbahn als Musikinstrumentenmacher, Hughes war erst Musiklehrer, ehe er in die Telegraphie eingriff, Chladni kam von der Musik her zur Physik, und derartige Beziehungen zwischen Musik und Technik, zwischen einem ästhetischen und dem rein praktischen Gebiet, gibt es noch mehrere, ein Vergnügen für Leute, die gerne verknüpfende Fäden zwischen Gegensätzen aufsuchen. Aus jener Zeit so schlechten Geschäftsganges wird uns berichtet, daß Watt auch, seine Muße auszufüllen, Erzählungen und Verse schrieb — schade, daß uns davon nichts erhalten ist. Dank seiner Vielseitigkeit und den Freundschaften, die er sich erst in Professorenkreisen, dann bei Studenten und Glasgowern Bürgern zu erwerben verstand, brachte er allmählich sein Geschäft doch in die Höhe. Er mietete einen Laden in der Stadt, verband sich 1760 mit einem gewissen Craig, der die kaufmännische Leitung übernahm, und beschäftigte vier Jahre später bereits 16 Arbeiter. Da er nun achtundzwanzig Jahre zählte, war es Zeit, sich nach einer Lebensgefährtin umzuschauen. Die Wahl fiel auf eine Base, namens Miller, ein Mädchen, das ihm eine treue, nie verzagende, aber leider früh entrissene Gefährtin wurde.

Ein Jahr nach seiner Verheiratung machte Watt, als Frucht sorgfältiger experimenteller Forschungen, jene für die Umgestaltung der Dampfmaschine so folgenreiche Erfindung des Kondensators. Ehe wir darauf weiter eingehen, müssen wir unsre Aufmerksamkeit noch einer Person zuwenden, die etwa ums Jahr 1758 den jungen Watt zum ersten Male auf die Verwertung der Dampfkraft hinlenkte.

Robison war es, der, noch etwas jünger als Watt und voll Interesses für mechanische Erfindungen und Gesetze, die Absicht hegte, einen durch Dampfkraft getriebenen Wagen zu erfinden und zu diesem Zwecke Watts Mitarbeit wünschte. Deshalb wollen wir einige Stellen sowohl aus Watts Äußerungen über Robison als aus dessen Mitteilungen über Watt hierhersetzen. Den Siebzigern nahe, schrieb Watt in seinen Erinnerungen[S. 16] an den eben verstorbenen, im Leben treu bewährten Robison folgendes: »Unsre Bekanntschaft begann im Jahre 1756 oder 57, als ich von der Universität Glasgow beauftragt wurde, einige astronomische Instrumente, die ihr Doktor Macfarlane in Jamaika vermacht hatte, in Ordnung zu bringen. Mr. Robison war damals ein sehr hübscher junger Mann und ziemlich jünger als ich. Er führte sich bei mir ein, und ich war glücklich, in ihm eine Person zu finden, die so viel besser über mathematische und philosophische Gegenstände unterrichtet war als ich und, während sie äußerst mitteilsam war, eine sehr klare Art besaß, ihre Gedanken darzulegen. Zwischen zwei jungen Leuten feurigen Geistes und ähnlicher Ziele bildete sich bald eine Freundschaft. — — Bald darnach ließ ich mich als mathematischer Instrumentenmacher im Glasgower Universitätshause nieder und wurde häufig durch Mr. Robisons Gesellschaft beglückt, bis er gegen Ende 1758 die Universität verließ und, wie ich glaube, in einem von Sr. Majestät Schiffen auf See ging. Während dieser Periode lenkte er meine Aufmerksamkeit auf die Dampfmaschine, eine Maschine, von der ich damals sehr wenig Kenntnis besaß, und meinte, daß sie verwendet werden könnte, Räderwagen Bewegung zu geben, und daß es zu diesem Zwecke sehr angebracht sein würde, den Zylinder mit seinem offenen Ende nach unten zu setzen, um die Notwendigkeit zu vermeiden, einen Balancier zu gebrauchen. Diese letztere Idee hatte er einige Zeit zuvor im ‚Universal Magazine‛ veröffentlicht. Demgemäß begann ich ein Modell, mit zwei Zylindern von Zinnblech, die mittels Zahngetriebes abwechselnd auf zwei Räder auf der Achse der Wagenräder wirken sollten. Aber das Modell entsprach, weil zu leicht und ungenau gearbeitet, nicht den Erwartungen. Beide, Mr. Robison und ich, hatten andre Geschäfte, die dringend zu erledigen waren; und da keiner von uns beiden eine Idee von den wahren Prinzipien der Maschine hatte, so wurde der Plan verlassen.« Watt erzählt weiter, wie er dann seine Experimente wieder aufnahm, wie ferner noch einmal im Jahre 1765 Robison ihm die Anregung gab, einen perspektivischen Zeichenapparat des Doktor Lind zu verbessern, wie drei Jahrzehnte später, 1799, Robison, obwohl schwer leidend, im Winter von Edinburg nach London reiste, um in Watts Patentprozeß ein glänzendes Zeugnis für den Erfinder abzulegen. Zum Schluß entwirft Watt noch mit einigen Strichen ein glänzendes Charakterbild seines Freundes, dem er nachrühmt, daß niemand ihm in der schnellen und klaren Erfassung wissenschaftlicher Probleme gleichkam.

In sehr anmutiger Weise wird diese Schilderung des Charakters Robisons durch dessen Worte über Watt ergänzt. Wir müssen sie hierhersetzen, schon weil sie uns den bezaubernden Eindruck beschreiben, den der junge Feinmechaniker auf seine studierte oder studierende Umgebung ausübte. Freilich müssen wir dabei, um kritisch zu bleiben, mit veranschlagen, daß der also gelobte Watt damals bereits der berühmte Erfinder war, den in jungen Jahren gekannt und bewundert zu haben man stolz sein durfte. Robison nun gibt folgende Schilderung: »Ich sah einen Handwerker und erwartete nicht mehr; war aber erstaunt, einen Forscher zu sehen, so jung wie ich selbst und allzeit bereit, mich zu belehren. Ich hatte die Eitelkeit, mich für einen ansehnlich weit vorgeschrittenen Kopf in meinem Lieblingsfache (Naturwissenschaft und Mechanik) zu halten, fühlte mich aber ziemlich vernichtet, Mr. Watt mir so sehr überlegen zu finden.« Weiter schildert Robison, wie er Watt immer auf vorher nicht von andern betretenen Wegen fand, und wie er selber, statt Führer zu sein, ihm folgen mußte. »Alle jungen Leute, die wegen irgendeiner wissenschaftlichen Liebhaberei bekannt waren, wurden Besucher Watts; und sein Zimmer war ein Stelldichein für all dergleichen Leute. Kam irgendeinem von uns eine zu harte Nuß zwischen die Zähne, so gingen wir zu Mr. Watt. Er brauchte nur angeregt zu werden; alles wurde ihm Ausgangspunkt eines neuen und ernsthaften Studiums, und wir wußten, daß er es nicht fahren lassen würde, bis er entweder seine Bedeutungslosigkeit entdeckt oder etwas daraus gemacht hatte. Einerlei, in welcher Richtung, — Sprachen, Altertum, Naturgeschichte, ja sogar auch Poesie, Kunstkritik, Werke von Geschmack wie auch jedes beliebige in der Richtung auf Zivil- oder Kriegsingenieurkunst — er war überall zu Hause und bereit zu unterrichten. Kaum je wurden Projekte wie Kanäle, Flußvertiefungen, Kartenaufnahmen oder dergleichen in der Nachbarschaft unternommen, ohne Mr. Watt zu befragen; und er wurde sogar dazu gedrängt, sich einige beträchtliche Arbeiten auf den Hals zu laden, obwohl sie derart waren, daß er darin nicht die geringste Erfahrung besaß. Fügt man noch zur Überlegenheit seines Wissens, die jedermann zugab, die ungezwungene Einfachheit und Lauterkeit von Mr. Watts Charakter, so ist es kein Wunder, daß die Anhänglichkeit seiner Bekannten stark war. Ich habe ein[S. 17] Stück von der Welt gesehen und ich muß sagen, daß ich nie einen zweiten Fall so allgemeiner und herzlicher Zuneigung zu einer Person, die alle als ihnen überlegen anerkannten, gesehen habe. Doch wurde diese Überlegenheit unter der liebenswürdigsten Lauterkeit verborgen, unter bereitwilliger Anerkennung jeden Verdienstes eines andern. Mr. Watt war der erste, der Begabung eines Freundes Dinge zuzuschreiben, die oft nichts anderes waren als seine eignen Anregungen, weiter entwickelt und ausgestaltet durch einen andern. Ich bin wohl berechtigt dies zu sagen, denn ich habe es oft in meinem eignen Falle erfahren.« Weiter führt Robison in seinem begeisterten Lobeshymnus auf den jungen Watt aus, wie dieser Deutsch lernte, nur um Leupolds »Schauplatz der Maschinen« verstehen zu können, wie Robison selber deshalb ebenfalls die schwere Sprache in Angriff nahm, wie sie beide in einem andern Falle sich an das Italienische machten. Und dann hebt Robison hervor, daß Watt sein Wissen nicht für sich, sondern stets zum allgemeinen Besten erstrebt und aufgespeichert habe. So mitteilsam und offenherzig sei er hinsichtlich seiner Erfindungen und Ideen gewesen, daß er in andern Kreisen, etwa in London, seines geistigen Eigentums hätte leicht beraubt werden können, da andre auf Erfindungen, von denen er kein Aufhebens machte, gleich mehrere Patente genommen haben würden. Tatsächlich werden ja mehrere Erfindungen Watts auf dem Gebiete der Nivellierkunst und der Vermessung namhaft gemacht, auf die andre sich früher oder später Patente erteilen ließen. Brachte es doch sogar der Knopffabrikant Pickard fertig, sich die Watt durch Verrat entwendete Idee der Kurbelbenutzung zur Erzielung von Drehbewegung patentieren zu lassen, während der erste Erfinder gezwungen war, seine eigne, aber einem andern patentierte Idee zu umgehen. Zahlreiche Erfahrungen solcher Art, dazu die jahrelangen Kämpfe nur um das nackte Dasein und das Gelingen seiner Pläne machten freilich aus dem allseits beliebten jungen Manne fast einen Menschenfeind, der sich in den stärksten Ausdrücken über Plagiate und »Schuftigkeit des größten Teiles der Menschheit« erging. Neun Zehntel seien schurkig, der Rest meist Narren. Oder »Die Schuftigkeit der Menschheit übersteigt jede Vorstellung«. Er hatte von seinem Standpunkte aus recht. Gerade die überquellende Begeisterung des bei seinen Landsleuten berühmten Professors Robison darf uns eine Gewähr sein, daß der junge Meister Watt jene Erfahrung durchlebte, die Schiller in seinem kleinen Gedichte »Licht und Wärme« folgendermaßen beschreibt:

»Der bessre Mensch tritt in die Welt
Mit fröhlichem Vertrauen
Und glaubt, was ihm die Seele schwellt,
Auch außer sich zu schauen,
Und weiht, von edlem Eifer warm,
Der Wahrheit seinen treuen Arm.
Doch alles ist so klein, so eng.
Hat er es erst erfahren,
So sucht er in dem Weltgedräng
Sich selbst nur zu bewahren.
Das Herz in kalter, stolzer Ruh'
Schließt endlich sich der Liebe zu.«

Erst als Watt, der Existenzsorgen und ewigen Kopfleiden enthoben, sich eines behaglichen Alters erfreuen konnte, scheint das Gewinnende und Einnehmende seiner Jugend wiedergekehrt zu sein. Doch wir haben uns nunmehr dem Hauptabschnitt seines Lebens zuzuwenden, der die Geschichte seiner Dampfmaschine umfaßt. Und da ist es an der Zeit, die Geschichte der Dampfmaschine vor dem Eingreifen Watts kurz hier vor Augen zu führen.


Geschichte der Dampfmaschine bis auf Watt.

Abb. 1. Püstrich.
(Aus Feldhaus, Ruhmesblätter der Technik.)
Abb. 2. Vorrichtung zum Öffnen von Tempeltüren.
(Aus Feldhaus, Ruhmesblätter der Technik.)

Mindestens seit fünftausend Jahren hat die europäische und asiatische Menschheit in oft riesigen bauchigen Gefäßen, die, mit Wasser gefüllt, über dem Feuer hingen oder standen, sich Dampf entwickeln sehen. Unmittelbar vor Augen hatten da denkende Köpfe ein Beispiel für die auch sonst in der Natur beobachtete Verwandlung eines Stoffes in einen anderen, von Wasser in Luft, — denn der Dampf wurde noch vor einigen Jahrhunderten eben als Luft bezeichnet, — von Feuer oder Wärme in Wasser — denn das Wasser nahm die Wärme, das Feuer also, in sich auf, — und daß das Wasser Erde in sich enthält, lehren die Flüsse: Ägypten z. B. ist ja ein Geschenk des Niles! Den umgekehrten Weg der Stoffverwandlung beobachtete man beim Gewitter: aus der Regenwolke (dem Dampfe) fällt Wasser und Feuer herunter; Wasser scheint, zumal in heißen Ländern, die Pflanzen plötzlich zu nähren; die Pflanzen wieder, die Hölzer,[S. 18] geben Feuer! So bildete sich bereits vor mindestens dreitausend Jahren hier und da, bei Indern und Griechen nachweisbar, wohl auch bei Babyloniern und Ägyptern und später auch bei den Germanen, die Einheitslehre, daß das Feuer das Urelement der Welt sei, das Feuer, das in den Gestirnen, in der Sonne, im Blitz, im Wolkenwasser, im Bauch der Tiere und Menschen sitzt, das Feuer, das aus den roten Rosen und anderen gelben oder flammroten Blüten hervorlodert. Erst heute fassen wir, belehrt durch älteste Mythologie, Philosophie und Dichtung, bei vergleichender Betrachtung dieser Gebiete, welch große Denkarbeit bereits von scheinbar kindlichen Zeitaltern geleistet worden ist. Aber noch weit war der Weg, den Urgott, das Urelement Feuer, in der Feuermaschine (wie die Dampfmaschine noch im vorigen Jahrhundert hieß) uns dienstbar zu machen. Erst hat sich der Feuergott reichlich verehren und von den Priestern zu mancherlei Volksbetrug mißbrauchen lassen, ehe im alexandrinischen Zeitalter, nachdem eine vielhundertjährige Aufklärungsarbeit durch griechische Philosophen geleistet war, Gelehrte ohne Schaden für ihr leibliches Wohl, gewissermaßen ohne Furcht vor der Rache des verratenen Feuergottes, so manches Priesterkunststückchen in ihren Büchern beschreiben konnten, bei dem unter Benutzung von Dampf oder erhitzter Luft dem Volke Wunder vor Augen geführt wurden. Ja, wenn wir heute dank babylonischer Forschungsarbeit erkennen, wie selbst ausgeprägte Religionslehren und Kultgebräuche in merkwürdiger, auffallender Übereinstimmung sich von Vorderasien bis nach Nordeuropa hin erstrecken, — wenn wir in den Püstrichen des germanischen Mittelalters (Abb. 1) noch Nachkommen jener Dampfmaschinerien erblicken dürfen, mit denen man Götterfurcht erzeugte, dann möchte man fast glauben, daß der Dampf im Geheimwissen der Priester bereits seit fünftausend Jahren eine völkerbezwingende Rolle spielte. Vielleicht hat sich mit seiner Hilfe das Priestertum vom Ganges-, Nil- und Euphratgebiet bis nach Britannien hin organisiert. Freilich geben uns zu solchen fast tollkühn scheinenden Vermutungen erst Forschungsergebnisse der jüngsten Vergangenheit die Berechtigung. Heron von Alexandria, der zu einer Zeit lebte, wo er von Arminius und den ersten Christen gehört haben konnte, beschreibt uns ein Modell, bei dem mit Hilfe des Druckes, den eingeschlossene und erwärmte Luft ausübt, ein Gewicht abwärts bewegt und dadurch zwei Tempeltüren geöffnet werden (Abb. 2). Er beschreibt uns auch eine Turbine oder, wenn man will, Dampfmaschine, die auf dem Rückstoß ausströmenden Dampfes beruht. Der Äolipile oder dem Äolsball strömten aus einem Wassergefäß durch seitlich einmündende Röhren Dämpfe zu. Die gleichen Dämpfe entwichen dann aus angelöteten Röhrchen und führten eine Drehung herbei.[S. 19] Dergleichen kann man ja heute bei Rasensprengern in Gärten beobachten. Übrigens hatte man nicht erst die Vorgänge im Heronsball (Abb. 3) nötig, um das Erdbeben unter Berufung auf Dampfausbrüche zu erklären. Schon das Bullern des siedenden Wassers im Kessel leistete diesen Dienst. Sicher hat das Mittelalter noch manche Kunde von Dampfmechanismen aus dem Altertum besessen, die verloren gegangen sind. Eine Dampfkanone, den Erzdonnerer, beschreibt uns Leonardo da Vinci, der gewaltige, seiner Zeit oft um ein halbes Jahrtausend vorauseilende Denker, Künstler und Forscher, der schon ein Jahrhundert vor Galilei eindringlich experimentelle Naturwissenschaft trieb und sie dem Wortgelehrtentum der Aristoteliker entgegensetzte. Leonardo schreibt die Dampfkanonen einem als bekannt vorausgesetzten Archimedes zu, der aber nicht unbedingt identisch zu sein braucht mit dem großen griechischen Mathematiker und Verteidiger von Syrakus. In einen erhitzten Raum wurde Wasser eingelassen, so daß es plötzlich verdampfte und eine Kugel vom Gewicht eines Talentes sechs Stadien, also rund einen Kilometer, weit schleuderte. Wieder hundert Jahre später beschreibt uns der Italiener Branca, ein Zeitgenosse Galileis, in einem Werke über seine verschiedenen Maschinen einen Turbinenapparat (Abb. 4). Aus dem Munde eines Mannskopfes hervorströmender Dampf treibt ein Schaufelrad, wie ein Waldbach das Rad einer Mühle. Diese Drehung wird dann zum Drehen von Bratspießen verwendet, und es lag nahe, entsprechende Variationen zu ersinnen, zum Beispiel ein kleines Farbenstampfwerk treiben zu lassen. Wenn Giambattista della Porta in seinem 1606, also noch vor Branca erschienenen Buche einen Apparat beschreibt, womit durch den Druck des Dampfes Wasser gehoben wird, so war dies auch im Prinzip nichts andres als jene von Heron beschriebene Heißluftverwendung zum Öffnen von Tempeltüren; Dampf war ja bis in die Neuzeit hinein nichts anderes als »Luft«.

Abb. 3. Heronsball (Äolipile).
Abb. 4. Brancas Dampfrad 1629.

Daß bei genauerem Durchsuchen der älteren Literatur immer mehr Schriftsteller gefunden werden, die von fern her in die Geschichte der Dampfmaschine gehören, darf nicht wundernehmen. Sie haben aber meist nur das Verdienst, ein Problem am Einschlafen verhindert zu haben. Ein Salomon de Caus verschwindet unter dieser neueren Betrachtung fast ganz aus der Vorgeschichte der Feuermaschine, nachdem er durch Dokumentenfälscher zu einem Märtyrer der Technik und Forschung geworden war. Was es für eine Bewandtnis mit der Maschine des Engländers David Ramseye hat, der 1630 ein Patent auf die Erfindung nahm, Wasser aus tiefen Gruben durch Feuer zu heben, wissen wir nicht. Ebensowenig ist man sich darüber klar, was es mit der Maschine des Engländers Edward Somerset, Marquis of Worcester, auf sich hat. Dieser tief in die politischen Kämpfe seiner Zeit verwickelte[S. 20] Edelmann kam in der Kerkerhaft dazu, unter hundert angeblich von ihm erfundenen Maschinen und Vorrichtungen auch eine »wunderbare und höchst kraftvolle Art zu erwähnen, Wasser durch Feuer in die Höhe zu treiben.«

Vieles Phantastische in den 1663 veröffentlichten »Hundert Namen und Proben« solcher Erfindungen, die er versucht und vollkommen gemacht zu haben sich rühmt, machten den katholischen Royalisten in den Augen nüchterner Forscher seiner Zeit verdächtig, es mehr auf Geld und Reklame als auf Ehre abgesehen zu haben. Indessen scheint doch der Marquis nur einem verständnislosen Zeitalter gegenüber gestanden zu haben, denn daß die größten Gelehrten ihn verwarfen, darf nicht irremachen; auch in den letzten Menschenaltern haben »größte Gelehrte« gediegenste Erfindungen und Entdeckungen verworfen oder nicht zu würdigen verstanden. Merkwürdig ist noch, daß der 1667 verstorbene unglückliche Marquis sich eines deutschen Mechanikers Kalthof bei seinen Erfindungen bediente; vielleicht war gerade dieser Mechaniker der spiritus rector, wie man denn auch im 19. Jahrhundert Mechanikererfindungen, um ihnen besseren Absatz zu sichern, mit Professorennamen taufte. Gerade das höchst unglückliche Schicksal des Marquis spricht wohl dafür, daß er ein bedeutender Kopf war, der sich bei wirklichen Schwindelabsichten leicht ein besseres Dasein hätte schaffen können.

In einer 1683 erschienenen Schrift über die Hebung von Wasser durch Maschinen schreibt der Engländer Samuel Moorland, das durch die Kraft des Feuers verdampfte Wasser werde sogleich einen zweitausendmal größeren Raum als zuvor einnehmen, so plötzlich, daß es, nach den Gesetzen der Statik regiert und von der Wissenschaft dem Gesetze von Maß, Druck und Gleichgewicht unterworfen, als Dampf seine Last tragen werde, »guten Pferden vergleichbar«.

Wie man sieht, ziehen sich durch das ganze 17. Jahrhundert Versuche hin, Wasser durch Feuer zu heben. Kein Wunder, denn schon im 16. Jahrhundert waren die Schriften Herons von Alexandria wieder im Druck erschienen. Daß man wesentlich über die Künste des Altertums auf diesem Gebiete hinauskam, hing aber nunmehr mit der Forschungstätigkeit Galileis zusammen. Er hat die Gesetze der Bewegung und der Kraftbetätigung mathematisch und durch Versuche festgestellt, hat dem Verstand, der in Anbetung des Aristoteles erstarb, durch Widerlegung der Aristotelischen Weisheit bezüglich des freien Falles wieder Lust und Vertrauen zu sich selber geschaffen, auch bewiesen, daß die Luft Gewicht habe, und sich die Krone des Märtyrers erworben, als er die kopernikanische Lehre vertrat und stützte. Von seinen Bewegungsgesetzen führt eine ununterbrochene Linie zur rasend beschleunigten Bewegung von Gütern, Menschen und Gedanken im 19. Jahrhundert.

Aristoteles hatte gelehrt, daß die Luft absolute Leichtigkeit, d. h. das Bestreben habe, sich in gerader Richtung vom Mittelpunkte der Erde fortzubewegen. Galilei meinte, dann müsse verdichtete Luft noch leichter sein als gewöhnliche denn das Bestreben nach oben sei stärker. Durch Abwägen aber stellte er fest, daß ein Glaskolben mit hineingepreßter, also verdichteter Luft schwerer ist als bei Füllung mit gewöhnlicher Luft! Die Aristoteliker lehrten, um das Saugen, das Aneinanderhaften von Platten, das Aufsteigen von Flüssigkeiten in Pumpen zu erklären, die Natur habe einen Abscheu vor dem leeren Raum, den bekannten »horror vacui«. Galilei suchte durch Versuche die Größe des Widerstandes zu bestimmen, den dieser angebliche Horror bietet. Und es machte ihn stutzig, daß das Wasser in Pumpen trotz allen Abscheus nicht mehr in die Höhe stieg, wenn das Saugrohr über zehn Meter lang war. Sein Schüler Torricelli verfolgte die Sache weiter. Da mit einer Wassersäule von zehn Metern Höhe nicht leicht zu experimentieren war, so ersann er den Versuch, wie groß der Abscheu der Natur bei der Benutzung von Quecksilber wäre. Man nahm eine mit Quecksilber gefüllte Glasröhre von einem Meter Länge und stülpte sie über ein mit Quecksilber gefülltes flaches Gefäß, so daß ein Teil des Quecksilbers aus der langen Röhre auslief. Es zeigte sich, daß die lange Röhre noch etwa zu drei Vierteln gefüllt war, das leere Viertel mußte einen richtigen leeren Raum darstellen, hier war also der Beweis erbracht, daß die Natur nicht immer die Leere scheut. Offenbar hielt die Quecksilbersäule in der langen Röhre einer Luftsäule vom gleichen Querschnitt und von der Höhe der Atmosphäre das Gleichgewicht. Der Franzose Pascal ließ dann gleich im nächsten Jahre durch einen Versuch auf dem Puy de Dome feststellen, daß die Länge der Quecksilbersäule in der Glasröhre um so mehr abnimmt, je höher man sich über den Meeresspiegel erhebt. Das Barometer war damit erfunden.

Um die gleiche Zeit machte Magdeburgs Bürgermeister, Otto v. Guericke, ebenfalls Versuche über den »horror vacui«. Er erfand dabei die Luftpumpe und erregte durch das bekannte[S. 21] Experiment mit den Magdeburger Halbkugeln das größte Aufsehen. Diese Leistungen Torricellis und Guerickes fielen um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Jetzt fehlte nur noch die erste Verwertung dieser Entdeckungen, die um so erstaunlicher waren, als sie einen fast zweitausendjährigen Aberglauben beseitigten. Die Luft, von der man sich bisher nur hatte Segel blähen und Windmühlen treiben lassen, mußte nun zum ersten Male dem Menschen auch bei völliger Windstille Dienste leisten, ohne erst angefeuert, das heißt erwärmt zu werden, wie es in jenen Heißluftmaschinen, die Heron beschrieb, erforderlich war. Der französische Mechaniker Hautefeuille beschreibt in einem 1678 erschienenen Buche, wie er durch Pulverexplosion in einem geschlossenen Behälter unter Verdrängung der Luft einen luftverdünnten Raum schafft, in den der äußere Luftdruck Wasser hineindrücken soll. Ferner beschreibt er die erste Gaskraftmaschine, wie sie erst im vorigen Jahrhundert zur Ausbildung gekommen ist. Drei Jahre später schlug Huygens vor, die Fliehkraft der Pulvergase für eine Kolbenmaschine nutzbar zu machen. Das war das gleiche, was Hautefeuille wollte. Huygens Schüler und Assistent aber war Denis Papin, der die erste den Namen mit Recht tragende Dampfmaschine entwarf und erprobte.

Es lassen sich im Leben oft genug Beispiele beobachten, wie Leutchen kleinen Talentes, aller Stümpereien ungeachtet, immer nur die Treppe hinauffallen, Beförderung auf Beförderung erlangen, ohne es verdient zu haben. Umgekehrt gibt es nicht selten begabte Menschen, die mit jeder noch so fruchtbaren Idee, jeder noch so tüchtigen Leistung sich nur die Treppe hinabbefördern, Leute, die sich gewissermaßen mit jedem Werk ihres Geistes ein Gewicht mehr schaffen, das sie beim Schwimmen im Lebensstrom in die Tiefe zu ziehen trachtet. Solch ein Genie war der 1647 in Blois in Frankreich geborene Denis Papin. Ein außerordentlich fruchtbarer Erfinder, reich an Gedanken und an praktischem Geschick, ein scharfer Denker und Freund von Huygens, Boyle, Leibniz, ist er schließlich in London verschollen. Von ihm ging der Gedanke aus, statt des explodierenden Pulvers zur Herstellung eines luftverdünnten Raumes die Spannkraft des Wasserdampfes zu benutzen, der einen Kolben fortzudrücken hätte. Sein Digestor, in dem er größere Dampfspannungen zum Garmachen unter Heizmaterialersparnis verwendete, seine Zentrifugalpumpe, der Zentrifugalventilator, ein Entwurf zur Kraftübertragung, die Verbesserung der Luftpumpe, der Versuch eines Unterseeboots, das Modell eines Dampfwagens und noch eine Menge andrer Erfindungen und Ideen zu solchen begründen seine Ansprüche auf dauernden Nachruhm. Nur ist es falsch, ihm das erste Dampfschiff zuzuschreiben, und dafür ist ihm in Kassel sogar ein Denkmal errichtet worden. Anfangs ließ sich Papins Laufbahn gut an, insofern er unter einem so großen Mathematiker und Physiker wie Huygens, dem Erfinder der Pendeluhr, als dessen Assistent arbeiten durfte. Noch ehe ihm die Aufhebung des Ediktes von Nantes den Aufenthalt in Frankreich unmöglich machte, ging er nach London und hatte auch dort den Beifall der Besten für sich. Aber allzugut mögen seine Leistungen nicht honoriert worden sein, sonst wäre er nicht einem Rufe des Landgrafen von Hessen nach Marburg gefolgt. In der kleinen hessischen Universitätsstadt und später in Kassel verbrachte er, wenigstens der allerdrückendsten Nahrungssorgen einigermaßen enthoben, die fruchtbarsten Jahre seines Lebens. Eine Berufung nach London schlug er aus, da ihm gerade damals gute Aussichten auf Verwirklichung seiner Lieblingspläne winkten. Aber es kam anders. Enttäuschungen folgten auf Enttäuschungen, so daß er schließlich sich aufmachte, in London nochmals sein Glück zu versuchen. Das Schiff, mit dem er die Weser hinabfuhr, wurde ihm von der Schiffergilde im Streit um die Durchfahrt zerstört. Die Privilegien der Gilde gestatteten nicht, daß jemand, der nicht zur Gilde gehörte, die Weser befuhr. Wie Watt, der Vollender, so mußte Papin, der Beginner, die Gegnerschaft jener Zünfte erfahren, deren Dasein gerade durch die Dampfmaschine untergraben worden ist. In London wollte man aber den Mann, den man erst zu gewinnen gesucht hatte, seinem Schicksale, das heißt dem Untergange, überlassen. Die Königliche Akademie der Wissenschaften ließ alle Gesuche Papins unbeachtet. Nicht einmal eine Stelle als Physiklehrer erhielt er. Gerade, daß er lange mit Leibniz in Verbindung gestanden hatte, schadete ihm hier. Leibniz war in den Augen der Briten der, der ihrem Newton die Differentialrechnung entwendet hatte. Im tiefsten Grunde waren es wieder die engherzigen und neidischen Gelehrten, die einen Beweis eigner Überlegenheit zu liefern wähnten, wenn sie einen überlegenen Mann elend verkommen ließen. Unter welchen Umständen Papin 1712 aus dem Leben schied, wissen wir nicht genau. Es besagt genug, wenn er im letzten uns erhaltenen Briefe klagt, selbst wenn er das Beste leiste, ziehe er sich[S. 22] nur Feindschaft zu. Achten wir darauf, daß die Orte seines Wirkens Paris, London und Marburg waren, so erinnert uns das an den Schicksalsverwandten Giordano Bruno, der gleichfalls von Paris über London nach Marburg ging, stets das Gegenteil der Sippe, die die Treppe hinauffällt, zum Scheiterhaufen schließlich klaglos bereit, weil ihm das Leben genügend verleidet war.

Abb. 5. Papins Pulvermaschine 1688.

Huygens Pulvermaschine hatte Papin durch Anbringung einer Zündpfanne verbessert (Abb. 5). Aber das erzielte Vakuum war zu gering und der Betrieb zu gefährlich. Statt des Pulvers versuchte es nun der Gelehrte mit dem Wasserdampf. Ein zylindrisches Gefäß wurde zum geringen Teile mit Wasser gefüllt, auf dessen obere Fläche sich der Kolben aufsetzte. Die Kolbenstange führte durch den Deckel des Gefäßes. Eben durch diesen Deckel konnte auch durch eine Öffnung Luft entweichen. Wurde das Wasser verdampft, so schob der Dampf den Kolben in die Höhe, drängte die Luft aus dem Zylinder und drückte den Kolben so weit nach oben, bis eine Klinke in die Nut der Kolbenstange einschnappte und den Kolben jetzt festhielt. Durch Entfernung der Feuerung kam der Dampf zur Verdichtung. Es entstand ein luftverdünnter Raum. Gab man jetzt die Kolbenstange wieder frei, so wurde sie durch den äußeren Luftdruck heruntergetrieben. Dabei konnte sie ein Gewicht hochziehen, das mit ihr durch eine über Rollen geleitete Schnur in Verbindung stand (Abb. 6). Papin wollte bereits seine Maschine für den Bergwerkbetrieb verwenden, sie sollte Wasser und Erze aus den Gruben schaffen, aber auch unter Benutzung von Schaufelrädern Schiffe gegen den Wind treiben. Die Umwandlung der hin und her gehenden Bewegung in eine Drehbewegung sollte durch eine Vorrichtung geschehen, die im vorigen Jahrhundert Otto, der Erfinder der atmosphärischen Gasmaschine, benutzte: eine gezahnte Kolbenstange griff beim Heraufgehen in Triebräder ein, die lose auf ihrer Achse liefen, beim Herabgehen des Kolbens aber durch Sperrklinken mit der Welle gekuppelt wurden, so daß die auf der Welle sitzenden Räder, Schaufelräder oder Wagenräder, zur Drehung gelangten. Die Ausführung dieser Maschine gelang aber Papin nicht, weil es weder geeignete Werkleute noch eine zulängliche Technik zur Herstellung der großen Zylinder gab. Hatte noch zwei Menschenalter später ein Watt trotz seiner Verbindung mit Englands größten Industriellen ein Jahrzehnt nötig, um nur geeignete Zylinder zu erhalten, so war Papin in noch schlimmerer Lage. Schon 1690 empfahl er daher die Errichtung einer Fabrik für große Zylinder. Dazu hätten aber Geld, sichere Absatzaussichten und weitblickende Männer gehört, und das war alles nicht vorhanden.

Abb. 6. Papins atmosphärische Kolbenmaschine 1690.

Papin baute eine zweite Maschine, in der er den Dampf zum Heben des Wassers benutzte, ohne dabei das Hinströmen der Luft nach einem luftverdünnten Raume zu verwenden. Die Hilfe des Landgrafen von Hessen, in dessen Diensten er zwanzig Jahre stand, und der eine Maschine[S. 23] zum Wasserheben wünschte, erlangte er nach anfangs mißlungenen Versuchen erst wieder, als von England die Nachricht kam, dort baue Savery eine Maschine, die im Bergwerkbetriebe Verwendung finden solle. Wir wollen uns also zunächst zu Saverys Dampfdruckmaschinen wenden.

Savery, um die gleiche Zeit wie Papin geboren, entstammte einer in Devon ansässigen Familie, war also nicht weit von dem großen Bergwerksgebiet Cornwall entfernt, in dem seine, Newcomens und Watts Maschinen der Reihe nach ihre erste Verbreitung fanden. Als Ingenieuroffizier machte er verschiedene Erfindungen, aber mit seinem Schaufelradboot fand er beim Marineamt keine Gegenliebe, wohl aber Anlaß zu bitteren Beschwerden über das Beamtentum und seinen grünen Tisch. Die Not des Cornwaller Bergbaus mit den die Gruben ersäufenden Wassern veranlaßte Savery, der ja in dieser Gegend aufgewachsen war, sich um eine geeignete Maschine zu bemühen. Dabei machte man ihm den Vorwurf, er habe Worcesters Gedanken benutzt. Selbst wenn das geschehen ist, so bleibt ihm immer das Verdienst der praktischen Ausgestaltung, die ja immer noch wahre Erfindungsarbeit im kleinen und Unvorhergesehenen erheischt. Ein Patent auf eine Feuermaschine zum Wasserheben aus Bergwerken, zur Wasserversorgung von Städten, zum Mühlenbetriebe und andern Zwecken erhielt er 1698 auf 14 Jahre, eine Frist, die ihm später noch verlängert wurde, da er nachwies, wieviel Geld und Arbeit ihn die Maschine gekostet habe. In der Schrift »Der Freund des Bergmanns« beschrieb er 1702 die Maschine, die sich in der tatsächlichen Ausführung folgendermaßen gestaltete (Abb. 7). In zwei eichelförmigen kupfernen Behältern wurde abwechselnd, das heißt innerhalb desselben Behälters und zwischen den beiden Behältern abwechselnd, durch Dampfeinlaß und Dampfverdichtung ein luftverdünnter Raum erzeugt. Dieser saugte von unten durch die Saugröhre Wasser herauf, das dann durch neuen Dampf weiter nach oben in die Druckröhre gehoben wurde. Der Dampfzutritt nach den kupfernen Eicheln wurde durch eine auf dem Deckel des Dampfkessels befindliche schwingende Platte geregelt, das älteste Dampfverteilungsorgan, das, durch eine Stange von der Hand bewegt, im selben Augenblick den Dampf von der einen Eichel absperrte, wo es dem Dampf zum andern Arbeitsraum, zur andern Eichel, den Zutritt öffnete. Die Dampfverdichtung erfolgte durch Übergießen der Eicheln mit Wasser, das aus einem über die Eichel gerückten Rohrende strömte.

Diese Maschine des Thomas Savery wurde vielfach für Wasserversorgung von Städten und Schlössern verwandt; für die Bergwerke war ihr Betrieb meist zu teuer und nicht wirksam genug. Auch schreckten häufige Explosionen ab. Immerhin war sie ein großer Fortschritt. Savery kannte auch schon die Expansionswirkung, das Vermögen des Dampfes, bei der Ausdehnung noch Arbeit zu leisten. Er führte als Maß der Arbeitsleistung die Pferdestärke ein, denn die Pferde wurden beim Göpelbetriebe verwandt, mit dem man Wasser, Erze und Gesteine aus den Schächten heraufbeförderte, die Dampfmaschine aber ersetzte die Arbeit der Pferde.

Abb. 7. Saverys Dampfpumpe.

Als die erste Zeichnung einer Saveryschen Maschine durch Leibnizens Vermittlung an Papin gelangte, vermochte dieser den hessischen Landgrafen zu überzeugen, daß jene Maschine[S. 24] im Prinzip mit der von Papin geplanten übereinstimme. Er erhielt die Mittel zu weiteren Versuchen, bei denen er aber von Dampfverdichtung und luftverdünntem Raume absah. Die 1707 beschriebene Konstruktion war eine Dampfdruckpumpe ohne Kondensation (Abb. 8). Aus dem links befindlichen Kessel, der mit Ventil versehen ist, strömt der Dampf in den in der Mitte stehenden zylindrischen Arbeitsraum, wo er eine Kolbenfläche nach unten drückt. Dadurch wird Wasser in einen (rund einen halben Dezimeter breiten und fast vierzehnmal so hohen) Zylinder gehoben, von wo aus es ein Wasserrad oder dergleichen in Bewegung setzen kann. Die Kolbenbreite oder der Schwimmer im mittleren Gefäß hatte eine Vertiefung, in die von außen glühendes Eisen gehalten wurde, um die Spannkraft des Dampfes zu erhöhen. Hatte der Dampf unter Entspannung Arbeit geleistet, so konnte er durch einen Hahn am mittleren Zylinder entweichen. Leibniz machte Papin darauf aufmerksam, daß der Abdampf verwandt werden könnte, die Luft in dem Behälter rechts zu erwärmen, die dann auch ihrerseits das Wasser noch weiter heben oder drücken könnte. Auch wies Leibniz darauf hin, daß das Öffnen und Schließen der Hähne bei dieser Maschine durch deren Gang selbsttätig bewirkt werden könnte. Das wird besonders jetzt betont, seit man die Erfindung des Knaben Potter, die automatische Steuerung, ins Reich der Fabeln verweisen zu müssen glaubt. Eine im Jahre 1706 dem Landgrafen vorgeführte Maschine hob Wasser ein Stockwerk hoch. Aber die ungünstigen politischen Verhältnisse wendeten das Interesse des Fürsten von der Technik ab, und Papin, der meist sein eigner Zeichner, Schmied und Monteur gewesen war, schiffte sich im nächsten Jahre nach England ein, wo man ihn wohl nicht nur als den Freund von Leibniz, sondern auch als den Rivalen Saverys jeder Hilfe oder auch nur vom Anstand gebotenen Unterstützung verlustig gehen ließ, so daß er dort im Elend verkam.

Abb. 8. Papins Dampfpumpe 1707.

Gleich Savery stammt aus der Gegend von Cornwall auch Newcomen, der nächste in der Reihe der Männer, die Watts Vorläufer waren. Er wurde zu Dartmouth an der Südküste Cornwalls geboren. Einem Newcomen als Grobschmied und Eisenhändler kam es zustatten, daß er bei seinen Schmiedearbeiten nicht auf fremde Leistungen angewiesen war. Von seinem Leben wissen wir sonst wenig. Er soll als frommer Baptist selber sonntäglich gepredigt haben und für Savery ein Gegenstand der Ausnutzung gewesen sein.

Da er in der Nähe Saverys lebte, so ist es glaubhaft, daß er von dessen Bemühungen um eine Maschine für den Cornwaller Bergbau Kunde bekam, zumal Savery stets nach geschickten Werkleuten suchte. Andererseits wird auch berichtet, Newcomen sei bei der Patentierung seiner Maschine von dem einflußreichen Savery überholt und verdrängt worden. Ob er mit seinen Maschinen viel verdiente, wissen wir nicht. Aber seine Maschine war für Watt die nachhaltige Anregung und der Anlaß zu einer Reihe von weittragenden[S. 25] Verbesserungen. Bemerkt sei noch, daß Newcomen geschäftlich mit einem Glaser namens Cawley verbunden war, der sehr rührig und verständnisvoll dem schlichten und frommen Maschinenbauer beistand. Als Newcomen im Jahre 1729 in London starb, war seine atmosphärische Maschine schon ziemlich verbreitet. Nur zögernd aber hatte sie sich vom Jahre 1712 ab Eingang verschafft. Newcomen soll sich, als er sich mit der Absicht trug, eine Maschine eigner Erfindung zu bauen, zunächst an den berühmten Gelehrten Hooke gewandt haben. Dieser verwies ihn — wie man erzählte — auf Papins Versuche (die Newcomen aber wahrscheinlich gekannt hat) und riet ihm im ganzen von Bemühungen gerade in dieser Richtung ab. Newcomen muß wohl den gelehrten Herrn trotz dessen Berühmtheit richtig eingeschätzt haben. Denn er baute seine Maschine doch, und wenn sie im Prinzip gar nichts anderes ist als die erste Papinsche Kolbenmaschine mit Erzeugung luftverdünnten Raumes, so bleibt ihm doch der Ruhm, das Projekt zur Lebensfähigkeit gebracht und im großen ausgeführt zu haben. Er lief damit ja eine Gefahr, deren Größe wir aus den uns näher bekannten Schicksalen Watts ermessen können, und die wir wahrlich nicht gering veranschlagen dürfen.

Abb. 9. Newcomenmaschine 1712.

Bei Newcomen dürfen wir auch nicht übersehen, daß er eben nur ein Grobschmied war und nicht zur Zunft derer gehörte, die gelehrte Geschichte schreiben. Sonst würde er wohl längst unter die genialen Erfinder gerückt worden sein, denn, wie wir noch sehen werden, hat er durch eine Beobachtung und ihre richtige Deutung sowie praktische Verwertung die Dampfmaschine bedeutend leistungsfähiger gemacht. In der Dampfmaschine Newcomens (Abb. 9) strömt der Dampf aus dem Kessel in den Zylinder und schiebt dort einen dicht abschließenden Kolben in die Höhe. Dabei wird der Kolben gleichzeitig durch das Pumpengestänge, das vom andern Ende des Schwingbalkens oder Balanciers in die Tiefe des Schachtes hinabhängt, hochgezogen. Hat der Kolben seine Höchstlage erreicht, so wird der darunter befindliche Dampf verdichtet. Anfangs geschah dies nur durch Kühlung des Kupferbehälters von außen durch Einlaß von Wasser in den Zwischenraum zwischen dem Zylinder und einem ihn umschließenden Mantel. Unter dem Kolben entstand ein luftverdünnter Raum. Damit erhielt aber die oben auf den Kolben drückende Luftsäule über das Pumpengestänge das Übergewicht und drückte den Kolben hinab. Das entgegengesetzte Ende des Balancier genannten Wagebalkens ging gleichzeitig in die Höhe und damit auch das Pumpengestänge, das unten im Schacht das zu hebende Wasser ansaugte und in die Höhe beförderte. Eines Tages fiel es Newcomen auf, daß seine Maschine plötzlich viel schneller arbeitete. Er forschte der Ursache nach und prüfte, ob der Kolben überall noch gut abdichte. Es fand sich ein Loch im Kolben, durch das Wasser von der über dem Kolben zur besseren Dichtung befindlichen Wasserschicht in den luftverdünnten Raum dringen konnte. Sofort soll Newcomen sich gesagt haben, daß das eindringende Wasser die Verdichtung des Dampfes beschleunigte und es deshalb rätlich sei, regelrecht Wasser in den Arbeitsraum des Dampfes und nachfolgenden Vakuums einzuspritzen. Dieser Gedanke, mag er nun dem Zufall oder der Überlegung entsprungen sein, erwies sich außerordentlich wertvoll. An Stelle der Oberflächenkondensation des Dampfes trat jetzt die Einspritzverdichtung. Das vermehrte die Hubzahl der Maschine bedeutend. Die beiden Hähne, von denen der eine den Dampf vom Kessel nach dem Zylinder, der andre das Einspritzwasser in den dampfgefüllten Zylinder strömen ließ, wurden sehr bald derart mit der Bewegung des Wagbalkens oder Schwingbaums verbunden, daß die ganze Steuerung der Maschine selbsttätig arbeitete. Daß der berühmte Knabe Humphrey Potter zuerst die Hebel der von ihm gewarteten Hähne mit dem Balancier verbunden hat, wird jetzt stark angezweifelt, doch auch nicht genügend widerlegt. Und man fragt vergebens, ob sich eine derartige Überlieferung[S. 26] habe aus der Luft greifen lassen. Noch zu Newcomens Lebzeiten wurde durch Henry Beighton die selbsttätige Steuerung folgendermaßen gestaltet (Abb. 10). Ein sogenannter Steuerbaum hing vom diesseitigen Hebelarm des Balanciers herunter und bewegte sich mit ihm auf und ab. Zapfen an diesem Steuerbaum drückten auf die Steuerhebel, brachten Überfallgewichte zum Kippen und bewirkten dadurch ein schnelles Öffnen oder Schließen der Dampf-, bzw. Einspritzöffnung.

Abb. 10. Beightons Steuerung 1718.

Beim Dampfeinlaß wurde eine Platte, die sich auf der Innenseite des Kessels befand und sich mit einer durch die Kesselwand gehenden beweglichen Achse drehte, weggeschoben. Diese Achse wurde mittelbar durch den Steuerbaum hin und her gedreht. Ebenso ließ sich der Einspritzhahn durch Hin- und Herdrehen einer Achse unter Vermittlung des Steuerbaums bewegen. Abbildung 10 veranschaulicht die selbsttätige, von Beighton eingeführte Steuerung sehr klar. Links den Steuerbaum mit den quergesteckten Zapfen denke man sich aufwärts bewegt. Der oberste Zapfen wird dann den gebogenen Hebelarm heben und dadurch die obere Steuerwelle drehen, so daß das oben befindliche Gewicht kippt und der eine Gabelarm des umgekehrten Ypsilons in den Querzapfen einer wagrecht angeordneten Zugstange eingreift. Man verfolge nun den Weg zum Dampfeinlaß. Dann wird man leicht bemerken, daß die gestrichelt gezeichnete schwingende Dampfeinlaßplatte sich innen im Kessel vor den Dampfauslaß stellen muß. Der untere Zapfen am Steuerbaum aber wird beim Hinaufgehen den Hebel in die Höhe drücken, der die zweite Steuerwelle dreht. Daran befindet sich ein Zahnradabschnitt. Dieser gezähnte Sektor greift in einen zweiten gleichartigen Zahnradabschnitt ein und betätigt den Hahn der Kühlwassereinspritzleitung. Schon vor Smeaton, dem Rechtsanwaltssohn, der die Newcomenmaschine durch systematische Forschung bedeutend verbesserte, wurde ein Organ zur Regulierung der Hubzahl oder Arbeitsgeschwindigkeit der Maschine verwandt, Katarakt (Wasserfall) genannt (Abb. 11). Der Gang der Maschine war[S. 27] abhängig vom Tempo der Kühlwassereinspritzung. Diese Einspritzung wurde ausgelöst durch das Emporgehen des links unten in dem Behälter befindlichen schräg gestellten Hebelarms des Winkelhebels. Sein senkrechter Winkelarm trägt ein Trichtergefäß, das von oben durch Wasserfluß so weit gefüllt wird, bis es umkippt und den nach unten gerichteten Hebelarm in die gestrichelt gezeichnete höhere Lage bringt. Dadurch wird unten eine Klinke ausgehoben und der Kühlwassereinlaß geöffnet. Die Hubzahl konnte daher durch Einstellung des kleinen Zuflußhahnes über dem Katarakt beliebig bemessen werden. Im Munde der Bergleute hieß der Katarakt scherzweise »Jack in the box« (»Hans in der Büchse«). Das Einspritzwasser, das seine Arbeit getan hatte, wurde durch eine Abflußröhre aus dem Zylinder entfernt. Die Luft gelangte durch das sogenannte Schnüffelventil aus dem Dampfarbeitsraum ins Freie, indem sie ein Ansatzrohr am unteren Zylinderende passierte und, Blasen werfend, durch das Wasser entwich, das sich über dem Klappventil befand, um das Eindringen der äußeren Luft zu verhindern. Aus unserer Beschreibung geht zur Genüge hervor, daß sich an dieser atmosphärischen Maschine vor dem Eingreifen Watts bereits mancher höchst sinnreiche Mechanismus befand, daß das Ganze sich überhaupt schon der Papinschen Vakuumkolbenmaschine gegenüber im Verhältnis des etwas noch plumpen, aber doch ausgewachsenen Mannes zum unbehilflichen, aber alle Anlagen enthaltenden Kindlein befand.

Abb. 11. Katarakt.

Eine verbesserte Newcomenmaschine im Roman.

Die Newcomenschen Feuermaschinen wurden in der Folgezeit mannigfach verbessert. Besondere Ersparnisse an Feuerungsmaterial erzielte der Erbauer des Eddystoneleuchtturmes Smeaton, der berühmte Ingenieur und Freund Watts, der Watt nach dessen eigenem Zeugnis wie die jüngeren Ingenieure überhaupt technisch denken gelehrt hat. Als die Wattschen Maschinen aufkamen, hörte man noch lange nicht auf, Newcomensche Feuermaschinen zu bauen, zumal da, wo die Kohle reichlich und billig war. Auch Wattsche Verbesserungen wurden dabei verwandt, so zum Beispiel die Schließung des Zylinders auch oben, die Durchführung der Kolbenstange durch eine gutgedichtete Stopfbüchse, die Lenkung des Dampfes so, daß er bald über, bald unter dem Kolben eintritt und so die Arbeit übernimmt, die vorher der Luftdruck allein besorgt hatte. Eine solche Maschine beschreibt uns Max Eyth in seinem Roman »Der Schneider von Ulm«. Sie war zu Anfang des 19. Jahrhunderts in der Friedrichsgrube bei Tarnowitz in Oberschlesien tätig; gerade aber die bedeutendsten Wattschen Verbesserungen, der getrennte Kondensator und das Parallelogramm zur Geradführung der Kolbenstange, fehlten nach der Beschreibung. Diese Maschine, im Grunde eine Mischung Newcomenscher und Wattscher Ideen, ist aber gerade, weil ihr das Wichtigste der Wattschen Maschine abgeht, nämlich der gesonderte Dampfverdichtungsraum oder Kondensator, mehr als eine Newcomensche denn als Wattsche Feuermaschine zu bezeichnen. Weil sie den Übergang von der einen zur andern gut veranschaulicht, wollen wir die Stelle aus dem Eythschen Roman hierhersetzen:

»Auf dem Weg nach dem Maschinenhaus hörten sie die dumpfen, geheimnisvollen Schläge des Ungetüms mit jedem Schritt deutlicher. Vor dem Haus schien der Boden zu zittern, Ketten klirrten, Stangen rasselten; hinter dem Haus hörte man Wasser rauschen, als ob ein mächtiger Bach über Felsen stürzte. — Als sie in den hohen, matt erhellten Raum eintraten, war es zunächst schwierig, irgend etwas zu unterscheiden. Ein finsteres, formloses Ding, wie die Trommel einer riesigen Säule, stand auf einem Untersatz aus roh behauenen Quadern. Dies war der neue Zylinder, aus dem eine blinkende, runde Stange emporschoß, um sodann wieder in seinem Inneren zu versinken. Die Stange hing an einer schweren Kette, die hoch oben, fast am Dach des Gebäudes, von einem Arm aus wuchtigen Holzbalken in die Höhe gezogen wurde, der sich langsam und feierlich auf und ab bewegte, aber bei jedem Niedergang mit dröhnendem Lärm auf[S. 28] eine Unterlage aufschlug, die im Mauerwerk angebracht war. Hinter dem Steinpfeiler, der den Drehzapfen dieses wagebalkenartigen Doppelarmes trug, hing, wieder an einer Kette, das gewaltige Pumpengestäng, das in der unergründlichen Tiefe einer schwarzen Schachtöffnung verschwand. Von den Armen des Schwingbaums hingen vor und hinter dem Pfeiler weitere Stangen herab, von denen die eine an wunderlich geformten Hebeln und Knaggen zog und drückte, die manchmal dem Gang der Stange folgten, dann wieder plötzlich, als ob sie ärgerlich wären, selbständige, unerwartete, schnappende Bewegungen machten. Die Stange auf der andern Seite des Pfeilers saugte an einer kleinen Pumpe, die in einer Grube verdeckt stand und in heftigen Stößen dampfendes Wasser in eine Rinne warf, das gurgelnd durch ein Loch in der Mauer davonlief. Das also war die Feuermaschine. Neben ihr, in einen unförmlichen Backsteinmantel eingemauert, stand der Dampfkessel, vor dessen feuersprühender Esse ein schweißtriefender, kohlenschwarzer Mann hantierte. Wenn er die Feuertür öffnete, um frische Kohlen auf die sausende Glut zu werfen, glühten der ganze Raum, die Hebeln und Knaggen, die blinkende Kolbenstange und die schwarzen Ketten in flammrotem Licht, das wildbewegte, fast greifbare Schatten in die Ecken und Winkel des finsteren Gebäudes warf. Das Unheimlichste waren die Töne des Ungetüms. Das knarrte und ächzte, knallte und krachte, zischte und sauste, seufzte und stöhnte, bald da, bald dort, als ob in jedem Winkel ein andrer Kobold säße. Alles aber übertönte der donnerähnliche Schlag in der Höhe, wenn der Schwingbaum auf seine Unterlage traf. Dem Schlag folgte eine fünf Sekunden lange feierliche Stille. Dann war es, als ob jemand auf den Boden, auf ein Blech klopfte; langsam, widerwillig setzte der Schwingbaum sich wieder in Bewegung, unten im Schacht räusperten sich die Pumpen, und das grause Spiel, das Ächzen und Stöhnen, das Sausen und Zischen, das Knallen und Schlagen begann aufs neue. Wer erinnert sich an all das, wenn er in den spiegelblanken Salon tritt, in dem heutzutage eine Dampfmaschine von tausend Pferdekräften mit einem kaum hörbaren Seufzer, wenn nicht ganz lautlos, ihre Riesenarbeit verrichtet? So aber sah und hörte es sich an, als die Dampfmaschine in ihrer Kindheit die Glieder zu regen begann!« Die folgende Schilderung von der Dampfsteuerung bald über, bald unter den Kolben betrifft eine Anordnung, die erst Watt aufgebracht hat; dagegen beachte man, daß die Kondensation nicht in einem besonderen Behälter wie bei Watt, sondern unmittelbar noch wie bei Newcomen unter dem Kolben erfolgt. Von der fundamentalsten Erfindung Watts ist also hier kein Gebrauch gemacht.

Es heißt da im Roman weiter: »Die Knaggen und Hebel, die ein vom Schwingbaum auf- und abgezogener Rahmen in Bewegung setzte, öffneten und schlossen die Ventile, die den Dampf bald in den oberen, bald in den unteren Zylinderraum eintreten ließen. Das aber ging so zu: zuerst strömte der Dampf in den oberen Zylinderraum und drückte den Kolben nach unten. War der Kolben am Boden angelangt, so schloß sich das Einlaßventil, und ein anderes öffnete sich, so daß der Dampf aus dem oberen in den unteren Zylinderraum treten konnte, während das Gewicht des Pumpengestänges am andern Ende des Schwingbaums den Kolben nach oben zog. War der Kolben wieder oben und infolgedessen aller Dampf im Zylinder in den unteren Zylinderraum getreten, so schloß sich das Ventil zwischen dem oberen und unteren Raum. Gleichzeitig spritzte eine kleine Hilfspumpe kaltes Wasser in den Zylinder, so daß sich der dort befindliche Dampf kondensierte und ein luftleerer Raum entstand, der den Kolben wieder herabzusaugen suchte. Wenige Sekunden nachher öffnete sich aber auch das Ventil wieder, das frischen Dampf in den oberen Zylinderraum zuließ, so daß sich der Kolben wieder mit voller Kraft abwärts bewegte und das Pumpengestäng aufs neue emporhob, worauf sich diese Bewegungen wie zuvor wiederholten. Das Gewicht des Pumpengestänges drückten die Grubenwasser in die Höhe; was die Feuermaschine tat, war, nach jedem Pumpenstoß das Gestäng wieder zu heben oder, in andern Worten, die vierzig Pferde zu ersetzen, die vordem an dem Pumpengestäng gezogen hatten.«


[S. 29]Watt erfindet den Kondensator.

Watts jugendlicher Freund Robison hatte die Aufmerksamkeit des Erfinders zum ersten Male auf die Dampfmaschine gelenkt, als er ihm vorschlug, die in Newcomenschen Maschinen bereits so erfolgreich verwertete Dampfkraft zur Bewegung von Wagen heranzuziehen. Das ist nach Watts eigner Angabe 1759, vielleicht oder schon etwas früher gewesen. Sobald seine Geschäfte es ihm wieder erlaubten, befaßte er sich mit Versuchen, indem er auf einen Papinschen Digestor oder Kochtopf eine Röhre mit beweglichem Kolben aufsetzte, den hochgespannten Dampf durch eine verschließbare Öffnung in diese Röhre treten und darin den ziemlich belasteten Kolben hochschieben ließ. In dieser Richtung auf eine Dampfmaschine hinzuarbeiten, gab er aber auf, als ihm klar wurde, daß genügende Dichtung nicht zu erreichen und die Explosionsgefahr zu groß war. Jedenfalls aber sah er sich bereits in der Literatur über Dampfmaschinen um, zumal, als ihm 1763 von der Universität der Auftrag wurde, das Modell einer Newcomenschen Maschine (Abb. 12) wieder instand zu setzen. Diesen Auftrag hatte Watt vielleicht selbst durch Vermittlung des ihm befreundeten Professors Anderson herbeigeführt, als ihm bekannt wurde, daß dies Modell vorhanden war und sich bei einem Londoner Mechaniker zur Ausbesserung befand, ohne dort in Angriff genommen zu werden. Watt studierte fleißig die Werke von Desaguliers und Belidor über die Geschichte der Dampfmaschine. Nachdem er jenes Modell vom mechanischen Standpunkt aus völlig instand gesetzt hatte, fand er, daß trotz des großen Kessels nicht genügend Dampf erzeugt wurde, um einen Hub zu erzielen, dabei war der Dampfkessel im Gegensatz zu den wirklichen Maschinen sogar unverhältnismäßig groß. Dies setzte Watt in nicht geringes Erstaunen. Wo lag der Grund, daß im kleinen trotz verhältnismäßig größeren Kessels der Apparat nicht arbeitete? Watt stellte Versuche an, ob vielleicht das ungünstige Verhältnis der Gesamtoberfläche des Zylinders zum Zylinderinhalt schuld trüge. Er stellte sich ferner Zylinder aus anderm Material, aus Eisen und Holz statt aus Bronze her, woraus der Zylinder des Modells gemacht war. Vielleicht waren die Wärmeleitungsverhältnisse dieser Stoffe entscheidend? Aber alle diese Versuche führten zu keinem befriedigenden Ergebnis. Was er da fand, stand in schwer vereinbarem Gegensatz zu den Tatsachen bei großen Maschinen. Erzielte er durch stärkere Kühlwassereinspritzung ein schnelleres, größeres und kräftigeres Vakuum, so bedurfte es gleich hinterher wieder viel mehr Dampfes, da die Abkühlung der Zylinderwände größer geworden war und nunmehr ein Teil des Dampfes seiner Elastizität durch die größere Abkühlung verlustig ging. Auch ward es Watt offenbar, daß bei minder starker Abkühlung im Vakuum ein Teil des Einspritzwassers unter dem niedrigeren Druck schneller verdampfte als unter Atmosphärendruck.

Abb. 12. Modell einer atmosphärischen Maschine (Newcomenmaschine) um 1750, wie es Watt zur Instandsetzung übergeben wurde.

Es half nichts. Wollte der junge Mechaniker eine auf Maß, Zahl und Gewicht zurückgeführte Klarheit über diese Verhältnisse gewinnen, so mußte untersucht werden, bei welchen Temperaturen Wasser unter größeren als atmosphärischen Drucken kocht, mußte festgestellt werden, welche Menge Dampfes sich aus einer bestimmten[S. 30] Menge Wassers entwickelt, mußte erforscht werden, wieviel Wärme der Dampf an Wasser abgibt, wenn er dessen Wärme auf seine eigene Temperatur erhöht.

Als Arago, ein französischer Physiker, der das Leben Watts im Rahmen eines Akademievortrages behandelte, diese von Watt noch vor seiner Haupterfindung angestellten Untersuchungen aufzählte, kam er zu dem Schlusse, das sei Stoff genug gewesen, das Leben eines fleißigen Naturforschers auszufüllen, und damit dürfte er nicht so unrecht haben. Aber wie einfach waren die Mittel, mit denen Watt seine Untersuchungen machte! Nicht einmal ein Laboratorium stand ihm zur Verfügung, und doch gelangte er zu Ergebnissen, die ein halbes Jahrhundert später mit weitaus besseren Mitteln nicht wesentlich genauer erzielt wurden. Er untersuchte das Verhältnis, in dem bei wachsenden Temperaturen die Spannungen des Wasserdampfes zunehmen. Die Werte der Temperaturen trug er als Abszissen, der Spannungen als Ordinaten in ein Koordinatensystem ein und fand, daß die Temperaturen im arithmetischen, die Spannungen im geometrischen Verhältnis zunehmen. In dem Werke Desaguliers stieß er bei der Berechnung, welches Quantum Dampf einer bestimmten Menge Wassers bei Atmosphärendruck entspricht, auf einen groben Rechenfehler. Das ermutigte ihn, diese Frage noch einmal zu untersuchen. In einen Glaskolben füllte er eine geringe Menge Wassers und befestigte in der Mündung eine beiderseits offene, unten bis auf das Wasser reichende Glasröhre, so daß Luft aus diesem Gefäße nur durch die Röhre entweichen konnte. Das Gefäß wurde dann in einem Ofen so erhitzt, daß das Wasser darin verdampfte. Der aufsteigende Dampf riß an Luft alles, was nicht schon infolge der Wärme entwichen war, mit sich zur Röhre hinaus. Als der letzte Wassertropfen verdampft war, wurde die Glasröhre geschlossen, das Gefäß aus dem Ofen genommen, und ein kalter Luftstrom gegen eine Stelle des Gefäßes gerichtet, damit sich der darin befindliche Dampf verdichte. Abwiegen des Gefäßes mit und ohne den jetzigen Inhalt, weiter des gänzlich ausgetrockneten und danach des mit Wasser ganz gefüllten Gefäßes ergab die Werte, aus denen Watt berechnete, daß ein bestimmtes Wasserquantum bei Verwandlung in Dampf von der Temperatur des siedenden Wassers sich auf das Achtzehnhundertfache seines Rauminhalts ausdehnt. Es war Watt aufgefallen, daß eine verhältnismäßig sehr große Menge Einspritzwassers durch die Dampffüllung des Zylinders, die aus einer sehr viel geringeren Menge Wassers herrührte, so stark erwärmt wurde. Um die Sache genauer zu untersuchen, stellte er Wasser in einem gegen Wärmeverluste geschützten Behälter neben einen Teekessel, in dem Wasser verdampft wurde. Der ausströmende Dampf wurde so lange durch eine erst wagrecht, dann senkrecht verlaufende Glasröhre in den Wasserbehälter geleitet, bis das Wasser darin fast kochte, d. h. aufhörte, noch länger Dampf zu verdichten. Beim Wiegen fand sich, daß das erwärmte Wasser, das den ausströmenden Dampf aufgenommen hatte, sich um ⅙ seines Gewichtes vermehrt hatte. Watt folgerte, daß Wasser, in Dampf verwandelt, sechsmal sein eignes Gewicht Brunnenwassers zur Siedehitze bringe. Damit war Watt für seine Person selbständig zur Entdeckung der latenten Wärme gelangt, und er wurde nicht wenig überrascht, daß der ihm befreundete Dr. Black, ein Mediziner an der Glasgower Universität, dem er seine Resultate mitteilte, schon früher zur Entdeckung dieser Tatsachen gelangt war. Black hatte gefunden, daß eine bestimmte Gewichtsmenge Eis von 0° C in einer gleichen Gewichtsmenge Wassers von 80° C schmilzt und daß die Temperatur der beiden Gewichtsmengen flüssigen Wassers 0 ist, während eine Gewichtsmenge Wassers von 0° C, mit gleicher Gewichtsmenge Wassers von 80° C gemischt, eine gemeinsame Temperatur von 40° C ergibt. Er schloß daraus, es müßte die aus dem Eise hervorgegangene Wassermenge 80° C Wärme in sich aufgenommen haben, ohne daß diese verborgene (latente) Wärme für unsere Instrumente unmittelbar meßbar wäre. Wenn Watt nun feststellte, daß verdampftes Wasser das Sechsfache seines eignen Gewichtes an Brunnenwasser auf Siedehitze bringen könne, so war diese Temperaturerhöhung auch nur möglich dank der im Dampf latenten, mit dem Thermometer nicht meßbaren Wärme.

An Wasserstandsgläsern, die Watt statt der Probierhähne bei den Dampfkesseln einführte, konnte er jederzeit ablesen, wieviel Wasser verdampft war. Er konnte also auch feststellen, wievielmal eine bestimmte Menge Wassers den Zylinder mit Dampf füllte. Den Schluß, den er nun aus allen diesen mehrfach abgeänderten Versuchen und Feststellungen zog, hätte er vielleicht auch ohne sie gewinnen können. Es ist nicht abzusehen, warum der Gedanke, die Dampfkondensation in einen besonderen Raum abseits vom Zylinder zu verlegen, nicht hätte auftauchen können, nachdem man sich einmal klar geworden war, daß die abwechselnde Erhitzung und Abkühlung[S. 31] des Zylinders überflüssigerweise viel Brennstoff vertat. Dergleichen läßt sich aber nur hinterher leicht sagen. Gerade die zahlenmäßigen Feststellungen gaben Watt erst recht deutliche Vorstellungen, erhöhten sein Erstaunen und schärften sein Nachdenken, wie der Brennstoffverschwendung abzuhelfen sei.

Helmholtz schilderte einmal in einer Tischrede, wie ihm am besten und ehesten erlösende Gedanken kämen, wenn er wochenlang der gleichen Sache nachging und sie auf Spaziergängen in sonniger, bergiger Landschaft mit sich herumtrüge. Nietzsche schuf unter ähnlichen Umständen seinen Zarathustra. Watt hat sich auf eine Anfrage Harts über das erstmalige Aufblitzen der erlösenden Idee, nämlich des getrennten Dampfverdichtungsraumes, folgendermaßen geäußert: »Eines Sonntagnachmittags hatte ich im Glasgower Grün einen Spaziergang unternommen: als ich halbwegs zwischen Hirts Haus und Arns Brunnen war und meine Gedanken sich natürlicherweise mit jenen Experimenten beschäftigten, die ich gerade anstellte, um Wärme im Zylinder zu sparen, so kam mir eben auf jener Wegstrecke der Gedanke in den Sinn, daß, weil Dampf ein elastischer Dunst (Vapour) war, er sich ausdehnen und in einen vorher luftleer gemachten Raum stürzen würde; und daß, wenn ich einen luftverdünnten Raum in einem getrennten Gefäß herstellen würde, dazu auch eine Verbindung zwischen dem Dampf im Zylinder und dem luftleer gemachten Gefäß, jene Folge eintreten müßte.« Es war im Anfang des Jahres 1765, daß Watt diese nachträglich so selbstverständlich erscheinende Idee faßte. Mit ihr zugleich ergaben sich binnen zwei Tagen alle übrigen Erfindungen zur Verbesserung der Dampfmaschine gewissermaßen nur als Ergänzungen und von selbst. Die Entfernung des Einspritz- und Kondensationswassers sowie der mit dem Wasser eingedrungenen Luft mußte durch Pumpen erfolgen. Die Dichtung des Kolbens in der Newcomenmaschine durch eine auf der oberen Kolbenfläche ruhende, immer neu ergänzte Wasserschicht vertrug sich nicht mit dem neuen Prinzip, den Zylinder andauernd so heiß als möglich zu erhalten. Das Wasser über dem Kolben wäre verdampft oder hätte den Zylinder gekühlt. Andre Dichtungsmittel, Wachs, Talg, Fett, Dung, mußten somit erprobt werden. Auch die Luft über dem Kolben konnte in dem oben offenen Newcomenschen Zylinder dessen Temperatur erniedrigen. Also war der Zylinder oben zu schließen. Die Kolbenstange mußte durch ein Loch des Deckels, durch eine Stopfbüchse, durchgehen. Dann ließ sich aber auch der Dampf über den Kolben leiten und dazu verwenden, den Druck der atmosphärischen Luft zu ersetzen und den Kolben herabzudrücken. Um nun auch von außerhalb des Zylinders die Kühlung durch umgebende Luft zu verhindern, mußte der Zylinder von einem Mantel umgeben werden, der Wärme nach außen nicht abgab und weit genug vom Zylinder abstand, damit zwischen Mantel und Zylinderwandung Dampf eintreten konnte, der die Temperatur innerhalb des Zylinders gleichmäßig erhielt. Alle diese Verbesserungen ergaben sich, wie Watt selbst schreibt, in einem oder zwei Tagen ungezwungen aus der einzigen, so fruchtbaren Idee vom getrennten Kondensator. Und nun machte sich Watt an die experimentelle Prüfung, um auch hier wieder zu zeigen, mit wie geringen Mitteln das Genie Großes leistet.


Watts erste Maschine im Modell.

Viel Zeit und mehr Geld, als sich mit einem schuldenfreien Dasein vertrug, hatte Watt an seine theoretischen und experimentellen Untersuchungen gewandt, um die Größenbeziehungen zwischen Wasser, Dampf, Zylinderfüllung und verdampftem Wasser herauszubekommen. Lange war er im dunkeln weitergetappt, gefoppt von manchem Irrlicht, bis ihm in wenig Stunden eine ganze Reihe neuer Ideen oder eine Hauptidee, die aber eine Reihe andrer in ihrem Schoße barg, aufblitzte. Sofort machte er sich an die Herstellung eines Maschinenmodells. Dieser denkwürdige Apparat (Abb. 13) ist noch erhalten. Er befindet sich in London im Kensingtonmuseum. »Ich nahm eine große Messingspritze, eindreiviertel Zoll Durchmesser und zehn Zoll lang, machte aus Zinnblech einen Deckel und Boden daran, dazu eine Röhre, die (zu der als Zylinder dienenden Spritze) vom Kessel her den Dampf nach beiden Enden des Zylinders führen sollte; eine zweite Röhre hatte den Dampf von dem oberen Ende des Zylinders nach dem Kondensator[S. 32] zu leiten — denn um Apparat zu sparen, kehrte ich den Zylinder um (so daß die Kolbenstange nach unten hing und das Vakuum oberhalb des Kolbens erzeugt wurde); ich bohrte der Länge nach durch die Kolbenstange ein Loch und befestigte am unteren Ende ein Ventil, das Wasser herauszulassen, das bei der ersten Zylinderfüllung durch den verdichteten Dampf entstehen würde. Der Kondensator, den ich benutzte, bestand aus zwei Röhren dünnen Zinnblechs, zehn oder zwölf Zoll lang und etwa ein sechstel Zoll Durchmesser. Diese Röhren standen senkrecht und waren oben in Verbindung mit einer kurzen wagrechten Röhre großen Durchmessers. Letztere hatte auf der Oberseite eine Öffnung, die durch ein nach außen gehendes Ventil geschlossen wurde. Diese Röhren wurden unten verbunden mit einer andern senkrechten Röhre, die als Luft- und Wasserpumpe diente. Beide Kondensatorröhren und die Luftpumpe wurden in eine kleine, mit kaltem Wasser gefüllte Büchse gestellt. Diese Konstruktion des Kondensators wurde gewählt, weil ich wußte, daß Wärme sehr rasch dünne Metallplatten durchdrang, und bedachte, daß, wenn keine Einspritzung in ein luftleer gemachtes Gefäß erfolgte, nur das Wasser, aus dem der Dampf bestanden hatte, und die Luft, die mit dem Dampf oder durch undichte Stellen eintrat, herauszuschaffen wären. Die Dampfröhre wurde an einen kleinen Kessel befestigt.

Abb. 13. Watts erstes Modell einer Dampfmaschine mit getrenntem Kondensator 1765.
(Aus »Zeitschr. d. Vereins D. Ingenieure« 1896, S. 979.)

Der erzeugte Dampf wurde in den Zylinder gelassen und trat bald durch die Höhlung der Kolbenstange und am Ventil des Kondensators aus. Als angenommen werden konnte, daß die Luft hinausgetrieben war, wurde der Dampfhahn (der den Kessel mit dem Zylinder verband) geschlossen, und die Luftpumpenkolbenstange in die Höhe gezogen; sie ließ dadurch die kleinen Röhren des Kondensators im Zustand eines luftverdünnten Raumes, der Dampf schoß da hinein und wurde (weil die Kondensatorenröhren von kaltem Wasser umspült waren) verdichtet. Unmittelbar darauf ging der Kolben des Zylinders in die Höhe und hob damit ein Gewicht von achtzehn Pfund, das ans untere Ende der Kolbenstange gehängt war. Der Auspumphahn (der den Zylinder mit den Kondensatorröhren in Verbindung setzte) wurde geschlossen, der Dampf von neuem in den Zylinder gelassen, und der Vorgang wiederholt; die Menge verbrauchten Dampfes und gehobenen Gewichtes wurde beobachtet, und, abgesehen von der Nichtanwendung eines Dampfmantels und äußerer Umkleidung, war die Erfindung vollständig, soweit die Ersparung von Dampf und Brennstoff in Betracht kam. Ein großes Modell mit einem äußeren Zylinder und einem hölzernen Behälter darum wurde gleich darnach hergestellt; die damit gemachten Versuche bestätigten die Erwartungen, die ich hegte, und erhoben den Vorteil der Erfindung über jeden Zweifel. Später wurde es dienlich gefunden, den Röhrenkondensator durch ein leeres Gefäß zu ersetzen, gewöhnlich von zylindrischer Form, in das eine Einspritzung spielte, und weil nunmehr Wasser und Luft herauszuziehen war, mußte die Luftpumpe vergrößert werden. Diese Änderung wurde vorgenommen, weil zur Verdichtung des Dampfes einer großen Maschine eine genügend ausgedehnte Oberfläche beschafft werden muß, der Röhrenkondensator aber alsdann einen zu großen Raum beansprucht hätte, und weil das schlechte Wasser, womit die Maschinen häufig gespeist werden, die Zinnplatten überkrustete und sie verhindert haben würde, die Wärme rasch genug nach außen abzugeben. Die Zylinder wurden mit ihren Mündungen nach oben gestellt und mit einem Arbeitsbalken, dem Balancier, und andern Vorrichtungen versehen, die in den alten Maschinen üblich waren, denn die Umkehrung des Zylinders oder richtiger nur[S. 33] der Kolbenstange im Modell war ja nur ein Mittel gewesen, leichter die neue Erfindung zu versuchen, bei großen Maschinen unterlag sie manchen Bedenken.«

Mit diesen Worten, zu denen wir nur in Klammern einige Verdeutlichungen zufügten, beschreibt Watt selber sein erstes Versuchsmodell. Seinem Freunde Robison teilte er übrigens die gefundene Lösung zunächst nur andeutungsweise mit, denn er hatte es übelgenommen, daß Robison in einer andern Angelegenheit Anvertrautes nicht vorsichtig genug bewahrt hatte. Robison schrieb später ein Werk über »Mechanical philosophy«, wir würden sagen über die »Prinzipien der Mechanik«, worin er auch natürlich der Erfindung, der er so nahe stand, eingehend gedenkt. Watt hat Zusätze und Berichtigungen dazu geschrieben, da Robison vor ihm aus dem Leben schied. Robison stellt es so dar, als habe Professor Black die Untersuchungen über die Wärmeverhältnisse der Newcomenmaschine bei Watt angeregt und sei dadurch Miturheber der Erfindung geworden. Aber Watt stellt mit klaren entschiedenen Worten die Mitvaterschaft Blacks in Abrede. Auch beruft er sich auf Black selbst, der in einer schriftlichen Niederlegung ausdrücklich Watts alleiniges Verdienst um die Erfindung des Kondensators hervorhebt.


Many a clip 'twixt cup and lip.[1]

Hätte Watt geahnt, was die Erfindung ihn noch für Aufregungen, Entbehrungen und bittere Erfahrungen kosten würde, hätte er vorausgesehen, daß nacheinander zwei der tatkräftigsten Unternehmer und selber als geniale Männer anerkannte Industrielle hart an den Rand des Untergangs gelangen würden, ehe seine von ihnen übernommenen Patente wenigstens dem Erfinder selbst ein sorgenfreies Dasein zu bereiten begannen, — hätte ihm jemand den Ärger vorausgesagt, den er im Laufe mehrjähriger Prozesse über Patentverletzungen, Advokatenleistungen und Richterstumpfsinn durchkosten mußte, dann würde er vielleicht seine Erfindung von vornherein verflucht haben. Denn Äußerungen wie »I curse my inventions« (ich verwünsche meine Erfindungen) oder »of all things in life there is nothing more foolish than inventing« (von allen Dingen im Leben ist nichts törichter als das Erfinden), — solche Aussprüche finden sich viele Jahre lang in Watts Briefwechsel. Er war genau im Denken und Forschen, aber auch wohl genau in Geldsachen. Wir haben noch einen Brief seines Sohnes, worin dieser sich in einer Geldverlegenheit nicht an seinen Vater, sondern an dessen Geschäftsteilhaber Boulton wendet, — bezeichnend genug! Aus dieser Genauigkeit in Geldsachen verstehen wir auch seine Äußerung, »er könne den Gedanken nicht ertragen, daß andre Leute durch seine Pläne Geld verlieren würden«. Und gerade diesem peinlich denkenden Manne sollte es beschieden sein, in Schulden zu geraten, einen seiner Förderer Bankrott machen zu sehen und seinen Geschäftsteilhaber Boulton in eine sehr bedenkliche Lage zu bringen. Zwanzig Jahre schwerster Mühen dauerte es noch, bis Watt mit einiger Ruhe in die Zukunft sehen konnte! Gründlich mußte er die Wahrheit des Sprichwortes erproben: »There is many a clip — 'twixt cup and lip« — eine Lebensweisheit, die Watt auch launig anders wiedergab: »In mechanics many things fall out between the cup and the mouth«, »In der Mechanik geht viel zugrund zwischen Bechersrand und Mund«. So gab es schon bei den Versuchsmaschinen, die Watt zunächst immer noch in kleinerem Maßstabe ausführte, mancherlei Schwierigkeiten und unvorhergesehene Zwischenfälle. Mit einer gewissen Heimlichkeit mußten die Versuche schon gemacht werden, sollte das Wesen der neuen Erfindung nicht rasch Gemeingut der Erfindungsdiebe werden. So mietete Watt einen geräumigen Keller, und dort baute er mit Hilfe eines Klempnermeisters die erste Versuchsmaschine. Der Feinmechaniker mußte sich jetzt zum Maschinenbauer ausbilden. Die neuartigen Teile, die er Schmieden und Klempnern in Arbeit gab, wurden oft genug verkehrt angefertigt. Besondere Mühe machte die Herstellung passender Zylinder. Überall fehlte es an geschulten Arbeitern und einer zuverlässigen Zylinderbohrtechnik. Natürlich konnte sich Watt nicht mehr so eingehend um sein Geschäft kümmern, das ja ohnehin seine Arbeitskraft in die verschiedensten Richtungen zersplittert hatte. Als sein Partner Craig starb, gab deshalb Watt das Geschäft ganz auf. Die neue Maschine ließ[S. 34] seine Gedanken nicht mehr los. Aber die Versuche kosteten immer mehr Geld. Watt hatte Familie, und wenn ihn auch seine brave, tapfere Frau stets ermutigte und ihm Trost zusprach, so drückten doch die Schulden. ... Und dann kamen wieder einmal die bösen Kopfschmerzen dazwischen, das alte Übel, unter dessen Pein der Erfinder die Zukunft nur in den schwärzesten Farben sah. Aber Watts hochmögende Freunde, besonders der Professor Black, waren ihm immer noch zugetan. Black, der von sich selbst später gestand, das Geldsparen und Kapitalistwerden mache ihm Freude, half öfters mit kleineren Summen aus. Noch wichtiger aber war, daß Black, der berühmte schottische Chemiker, Beziehungen zu Roebuck hatte, dem Besitzer der Carronwerke, und daß er diesen Mann auf Watt aufmerksam machte, so daß unser Erfinder nun mit einem kapitalkräftigen und unternehmungslustigen Industriellen Verbindung erhielt. Wer war nun dieser Dr. Roebuck, dem die Geschichte immer das große Verdienst nachzurühmen haben wird, dem Vervollkommner der Dampfmaschine zuerst tatkräftig unter die Arme gegriffen zu haben?

[1] Manch eine Klippe zwischen Becher und Lippe, oder auch: Zwischen Lipp' und Kelchesrand schwebt der dunklen Mächte Hand.

Mein Herz blutet für ihn.

In kürzeren Darstellungen des Lebens unsres Erfinders, in Lesebuchstücken und Lexikonartikeln finden wir Dr. Roebuck fast ausnahmslos mit schnödem Undank behandelt. Es heißt da, Watt habe sich mit einem Industriellen namens Roebuck verbunden, der Mann habe aber bald Bankrott gemacht und Watt hätte Mühe gehabt, aus dem Schiffbruch des Kapitalisten auch nur sein nacktes Patent zu retten. Roebuck gehört aber nicht nur selber unter die Erfinder, sondern auch unter die großen Männer der Tat. Das gleiche Nachschlagewerk, das ihm nicht einmal ein besonderes Artikelchen widmet, muß Roebuck in der Liste der Erfinder und Entdecker bringen. Mitten unter den stolzesten Namen des 18. Jahrhunderts befindet sich auch der seine als des Erfinders der Schwefelsäurefabrikation in Bleikammern. Der Schilderer des Lebens so vieler berühmter englischer Ingenieure und Erfinder, Samuel Smiles, verzeichnet in einem Buche spöttisch das gleiche, was wir hier tadelten. In der zu Glasgow erschienenen »Cyclopedia of Biography«, einem biographischen Nachschlagewerke, heißt es nämlich von Roebuck: »Roebuck, John, ein Arzt und Experimentalchemiker, geboren 1718 zu Sheffield; starb, nachdem er sich durch seine Projekte selber ruiniert hatte, 1794.« Das ist alles! Als Sohn eines Messerfabrikanten in der Stadt Sheffield, fühlte sich der junge Roebuck unwiderstehlich zu wissenschaftlichen Studien hingezogen. Er studierte Medizin und Chemie, war in Edinburg mit keinem Geringeren als Hume befreundet, erwarb in Leiden den Doktortitel und ließ sich in Birmingham als Arzt nieder. Hier wurde er auf die Dürftigkeit der Materialien und Methoden in der Birminghamer Metallfabrikation aufmerksam und machte sich daran, ein neues Eisenschmelzverfahren zu erfinden. Dies gelang ihm unter Verwendung der Steinkohle statt der Holzkohle. Ferner ersann er andre Verfahren zur Reindarstellung von Gold und Silber. Auch verdanken wir ihm vorteilhaftere Verfahren zur Gewinnung verschiedener Chemikalien, insbesondere die schon erwähnte Herstellung von Schwefelsäure in Bleikammern in großen Mengen, während sie bis dahin nur in kleinen Mengen in Glasgefäßen hatte gewonnen werden können. In Schottland errichtete er 1749 eine glänzend rentierende Schwefelsäurefabrik. Und dort schuf er auch bei Prestonpans eine Porzellan- und Tonwarenfabrik. Von seinen Erfolgen verleitet, wohl auch von dem edlen Ehrgeiz befangen, dem Lande nützliche Industrien zuzuführen, errichtete Roebuck mit Heranziehung des Geldes von Verwandten und Freunden am Carronflusse ein großes Eisenwerk, das erste in Schottland. Geschickte Werkleute, Gießer und Schmiede wurden aus England herübergeholt, und 1760 der erste Hochofen angeblasen. Roebuck leistete gleichzeitig als Erfinder, der immer neue Patente entnahm, und als Geschäftsmann in vielseitigster Tätigkeit Hervorragendes. Die Carronwerke erlangten Berühmtheit. Die Beförderung der neuen Industrieerzeugnisse erzwang geradezu neue Verkehrswege. Daher begann in den nächsten Jahrzehnten der Bau oder die Vermessung verschiedener Kanäle. Das waren Arbeiten, bei denen auch Watt einige Jahre sein Brod fand, so daß schon hier Roebuck im Grunde vorteilhaft in Watts Leben eingriff. Roebuck machte sich aber auch daran, die reichen Kohlenlager in Schottland[S. 35] auszubeuten. Immer neue Kapitalien wurden in aussichtsreiche Unternehmungen gesteckt, bis auf einmal, ehe noch die Unternehmungen Früchte trugen, das Geld knapp wurde und Roebuck Konkurs machte. Doch eilen wir dem Verlauf der Dinge nicht vor. Roebuck brauchte für seine Kohlenschächte zur Herausschaffung der Grubenwasser leistungsfähigere Maschinen, als es die Newcomenschen waren. Black, der Chemiker, machte ihn auf seinen jungen Freund Watt aufmerksam, der da eben eine neue, vielversprechende Erfindung gemacht habe. Das Prinzip dieser neuen Schöpfung mußte einem erfinderischen Kopfe wie Roebuck schnell einleuchten. Er übernahm daher die Deckung der Schulden, die Watt bisher für seine Versuche gemacht hatte. Daß sie sich auf 20000 Mark beliefen, möchte ich nicht glauben, obwohl alle einschlägigen Schriftsteller das nachbeten. Wahrscheinlich ist in dieser Summe gleichzeitig eine Vergütung für Watt einbegriffen gewesen. Roebuck machte sich ferner anheischig, die Kapitalien für fernere Versuche aufzubringen. Dafür sollte er ⅔ des Gewinns von dem Bau der Maschine erhalten. Um seinen Kohlenbergwerken nahe zu sein, hatte Roebuck den Edelsitz Kinneil House am Firth of Forth, der früher dem Herzog von Hamilton gehörte, bezogen. In dessen Nähe baute Watt in ziemlicher Heimlichkeit eine kleinere Maschine, an der aber bald dies, bald jenes mißriet. Während das den Mut Watts stets sinken ließ, regte es Roebucks Tatkraft nur zur Weiterarbeit an. Wohl nicht ohne Berechtigung mag Roebucks Gattin die Äußerung getan haben, ohne Roebuck würde Watt selber seine Erfindung aufgegeben haben. Nicht am Prinzip, sondern an der noch mangelhaften Technik der Zylinderherstellung und der feineren Mechanikerarbeiten sowie am Fehlen geschulter Arbeiter lag die Schuld. Watt konnte nicht immer zugegen sein; war er aber abwesend, dann ging alles verkehrt, und man mußte hernach die Arbeit von neuem anfangen. Daß die Maschine Geld brachte, daran war für die nächste Zeit nicht zu denken. So mußte sich denn Watt entschließen, von seiner Kenntnis der Meßinstrumente und der Mathematik Gebrauch zu machen: er wurde Zivilingenieur und Geometer, der teils Vermessungsarbeiten für die Kanalgesellschaften, teils Ingenieurarbeiten für Glasgow und die Nachbarorte übernahm. Nach seinen Entwürfen wurde z. B. die Clydebrücke bei Hamilton gebaut. Auch Hafenanlagen, Krane und was ihm sonst der Zufall an ähnlichen Aufträgen brachte, führte er aus. Dazwischen wurde langsam an der Maschine weitergearbeitet.

Der Kanalbauten wegen mußte Watt 1767 nach London reisen, um dort vom Parlament gewisse Genehmigungen zu erlangen. Aber er wußte weder die Arbeiter, die seinem Befehle unterstanden, noch die hartgesottenen Politiker des Parlamentes richtig zu behandeln. Er konnte wohl die Natur bemeistern, indem er ihre schwache Seite herausfand. Aber Menschen zu meistern, war ihm, dem feinen Kopf und Verächter des Gemeinen, nicht gegeben. Er haßte Geschäftsverhandlungen und wollte lieber — wie er schrieb — vor eine geladene Kanone treten als eine Rechnung aufsetzen oder einen Handel abschließen, für den er verantwortlich war. Wohl erreichte er sein Ziel in der britischen Hauptstadt; aber bezeichnend ist, was er über die Parlamentarier äußerte: er habe nie eine größere Menge fauler Köpfe (wrongheaded men) beisammen gesehen. Das stimmt überein mit dem, was ein andrer Schotte, der berühmte »Schmieder der Volkswirtschaftslehre« Adam Smith, sagt: der Politiker sei ein »insidious animal«, ein hinterhaltiges Tier. Aber mit dem verwünschten Parlament mußte Watt bereits im nächsten Jahre wieder in Verbindung treten; es galt, ein Patent auf seine Maschine zu erwirken. Es wäre ein Wunder, wenn wir nicht aus dieser Zeit Klagen über Zeitverlust durch bequemes Beamtentum hätten. Kopfschmerzen und schlaflose Nächte brachten Watt in eine verzweifelte Stimmung, aber Roebuck drängte zur Weiterarbeit. Eine leistungsfähigere Maschine war ja der Bergwerkindustrie nötig wie das liebe Brot. Auf der Heimkehr von London hatte Watt die erste Begegnung mit dem Metallwarenfabrikanten Boulton in Soho, dessen Fabrik er schon im vorhergehenden Jahre als einen großen, gut geleiteten, siebenhundert Arbeiter zählenden Betrieb kennen gelernt hatte. Schon seit einiger Zeit bearbeitete nämlich Watt seinen Freund Dr. Small, daß dieser den ihm eng befreundeten, weitschauenden und sehr begabten Boulton für seine Maschine gewinnen möge. Boulton wurde durch Watts Wesen von vornherein eingenommen, aber es dauerte doch noch ein halbes Dutzend Jahre, ehe er der Wattschen Erfindung auch mit Kapital näher trat. Mittlerweile tröstete Small, ein ausgezeichneter Mann, den Erfinder brieflich: er hoffte immer noch mit einem Feuerwagen Wattscher Herkunft fahren zu können. Daß Watt sich nach einem andern Kapitalisten umsah, hing mit Roebucks plötzlich sehr mißlich gewordenen Vermögensverhältnissen zusammen. Es war überhaupt eine Zeit schlechten Geschäftsganges. Daher bei[S. 36] Boulton keine Lust zu neuen Unternehmungen, bei Roebuck aber Geldschwierigkeiten, die so groß wurden, daß er nicht einmal mehr die Kosten für die Patententnahme 1769 aufbringen konnte. Wenn Black nicht die Summe vorgeschossen hätte, wäre Watt übel daran gewesen. Und dann fielen wieder neue Versuche mit der Maschine in Kinneil House nicht befriedigend aus, wiederum ein Grund für Boulton zurückzuhalten. Watt geriet in eine verzweifelte Stimmung. Doch ein Trost war es, daß wenigstens im vorhergehenden Jahre, 1769, das Patent gesichert war, im gleichen Jahre mit Arkwrights Patent auf die durch Wasserkraft getriebene Garnspinnmaschine.

Abb. 14. Faksimile von Watts Handschrift: Vorschlag des Schraubenpropellers. (Nach Muirhead.)

Im Jahre 1770 schickte Watt Zeichnungen der in Kinneil House errichteten Maschine nach Soho. Boulton wollte dort, wo bessere Werkleute und besseres Material zur Verfügung standen, einen Versuch mit dem Bau einer Wattschen Maschine machen. Damals trug sich Boulton mit dem Gedanken, auf einem bei Birmingham vorbeiführenden Kanal die Boote durch Dampfmaschinen befördern zu lassen. Small schrieb Watt von diesem Plane. Watt schlug in seinem Antwortschreiben vor, Spiralruder anzuwenden. So haben wir eigentlich schon bei Watt den Schraubenpropeller (Abb. 14), als dessen Erfinder Ressel gilt, obwohl die Idee sogar schon vor Watt vertreten war. Man würde irren, wenn man glaubte, der Erfinder habe sich damals nur mit der Dampfmaschine beschäftigt. Seine Vermessungsarbeiten führten ihn auf mancherlei Verbesserungen der Nivellierinstrumente und auf neue Erfindungen auch auf diesem Gebiete. Dazwischen gab es gelegentlich chemische Versuche. Black und Roebuck, mit denen Watt damals verkehrte, waren ja beide Chemiker. Freilich kamen dann auch ganze Monate, in denen Watt froh war, sein Tagewerk bei Schnee und Regen, in Schmutz und Sturm, voll Ärger über Arbeiter und Unternehmer hinter sich zu haben. Aber gesundheitlich bekam ihm der Aufenthalt im Freien nicht schlecht. Dafür war er wieder wochenlang von seinen Lieben getrennt, und nachts zehrte die Sorge: er wurde grau, ohne für Weib und Kind Ersparnisse gemacht zu haben. Infolge der großen Geldschwierigkeiten, in die Roebuck geraten war, stockte auch die Weiterentwicklung der Maschine. Watt verdiente damals bei den Vermessungsarbeiten am Monklandkanal, wo er hundert Mann unter sich hatte, 4000 Mark im Jahre. Auch war er bei einer Töpferei beteiligt, die nach seiner eignen Äußerung scheußlich schlechte Ware erzeugte, aber doch blühte. — Freilich dauerte die Herrlichkeit nicht lange, denn schon das nächste Jahr (1772) brachte wieder eine Geschäftskrise. Die Kanalarbeiten stockten, und Watt wurde entlassen. Aber er fand bald wieder Arbeit am Kaledonischen Kanal, der freilich erst ein Menschenalter später fertig wurde. Die späteren Ingenieure benutzten dabei noch Watts als vorzüglich anerkannte Geländeaufnahmen. In diesem Jahre traf ein harter Schlag unsern Erfinder. Durch die Krankheit seiner Frau wurde er plötzlich von seinen Arbeiten abgerufen. Daheim fand er eine Tote. In einem Briefe schildert er, wie er damals beim Betreten seines Hauses allen Mut zusammennehmen mußte, wenn ihm nicht mehr, wie früher, die treue, bewährte Lebensgefährtin entgegenkam, die nur seine Sorgen und Mühen, nicht seinen Sieg miterlebte....

Der finanzielle Zusammenbruch Roebucks war die Ursache, daß Boulton sich entschloß, der Wattschen Erfindung auch als Teilhaber näher zu treten. Roebuck hatte das Vermögen seiner Frau und seiner Verwandten herangezogen, um seine weitangelegten, riesigen Unternehmungen über Wasser zu halten. Der Zusammenbruch verschlang alles. Von der Höhe einer glänzenden und für das Gemeinwohl hoch verdienstlichen Laufbahn stürzte der gewaltige Mann in die Tiefe. Unbeachtet und zurückgezogen lebte er noch bis 1794. Wie schmerzlich muß es wohl für ihn gewesen sein zu sehen, daß er eine Erfindung in der Hand gehabt hatte, die später so glänzende Einnahmen erzielte! Watt gibt Roebuck das Zeugnis, daß er ohne ihn unter seiner[S. 37] Last zusammengebrochen wäre. »Mein Herz blutet für ihn,« schrieb er einem Freunde, »aber ich kann nichts für ihn tun; ich habe lange bei ihm ausgehalten, die Pflicht für meine Familie zwingt mich, nach einem andern Unternehmer mich umzutun.«


Boulton.

Mit Recht ist gesagt worden, Watt hätte ganz Europa durchsuchen können, ohne einen geeigneteren Mann als Boulton zu finden, um seine Erfindung in die Praxis einzuführen. Man hört in unsern Tagen oft das phrasenhafte Wort vom königlichen Kaufmann; auf Boulton angewandt, ist es aber am Platze. Ein hoch begabter, trefflich gebildeter, ehrenhaft denkender Mann, hatte sich Boulton die Aufgabe gestellt, den wenig guten Ruf der Birminghamer kunstgewerblichen Erzeugnisse zu heben. Nur erstklassige Fabrikate sollten seine Metallwerkstätten verlassen. Boulton beschäftigte Künstler aus Italien und Frankreich und erwarb sich ein Verdienst durch die Vervielfältigung vornehmster Kunstwerke, wobei ihn sein König und der Adel durch leihweise Überlassung ihrer Kunstschätze zur Nachbildung unterstützten. Der Ruf seiner Firma drang weit über Englands Grenzen. Kaiser und Könige, Künstler und Gelehrte verfehlten nicht, die berühmte Fabrik zu Soho zu besichtigen und sich von ihrem gastlichen und vornehmen Besitzer bewirten zu lassen. Boultons größtes Verdienst war aber nicht nur die Durchbringung der Dampfmaschine, sondern auch sein Kampf und Sieg über die Münzfälschungen. Nachdem er nämlich der Wattschen Erfindung durch seine außerordentliche Tatkraft unter größten finanziellen Bedrängnissen zum Siege verholfen hatte, warf er sich mit Macht auf das Münzproblem, d. h. die Herstellung von schwer durch Fälscher nachzumachenden Münzen. Ein großer Teil des damals umlaufenden Geldes war das Erzeugnis von Fälschern. Boulton hat ihnen durch neue Münzprägemaschinen das Handwerk erschwert. Zu den Letzten, die seiner Münze Aufträge gaben, gehörten natürlich seine lieben Landsleute. Daran war aber nur der träge Beamtenstand schuld. Die königlichen Münzbeamten sahen nämlich mit Verdruß, daß wieder ein Kaufmann, keiner der Ihren, die Initiative ergriff, dem Münzübel zu wehren. So rührten sie sich nicht, den Mann zu unterstützen, der erst auf dem Wege über das Ausland zur Autorität für sie werden mußte. Boulton war selbst auch, wie Roebuck, Erfinder und Ingenieur, seine Vielseitigkeit sei beleuchtet durch die Anschaffung einer wertvollen Virgilausgabe, durch Fossiliensammlungen, chemische und elektrische Versuche, seine Freundschaft mit Männern wie Watt, Erasmus Darwin, Priestley, Small, Wilhelm Herschel u. a. Boulton war um so eher für Watts Erfindung zu gewinnen, als er selbst schon mit einem eigenen Dampfmaschinenmodell Versuche gemacht hatte.

Roebuck, früher in Birmingham ansässig, war mit Boulton befreundet. Dieser hatte ihm 24000 Mark geliehen und konnte sie von ihm nicht zurückerhalten. Auf Anregung Watts war Boulton bereit, unter Verzicht auf die geliehene Summe den Anteil Roebucks an Watts Erfindung, also Zweidrittelgewinn, zu übernehmen. Das war für Watt Grund zu neuen Hoffnungen! Schon hatte er in verzweifelter Stimmung daran gedacht, wenn sonst kein Geld aus der Erfindung zu machen sei, wenigstens ein Buch darüber zu schreiben und die Ehre der Erfindung zu retten. Seiner schottischen Heimat war er damals so überdrüssig, daß er Land und Leute, Klima und Vermessungsarbeiten förmlich haßte. Bis ins Herz fühlte er sich krank. Ihn drängte es hinaus aus Verhältnissen, die ihn fast nur an Mißerfolge und gar an den Tod einer geliebten, edlen Frau mahnten. Da mußte er es wohl mit Freuden begrüßen, daß er nunmehr die in Kinneil hergestellten Maschinenteile nach Soho schicken konnte, um selbst in Boultons Dienste zu treten. Zunächst galt es, die Maschine in Soho zusammenzusetzen. Dabei übernahm aber Watt auch gelegentlich andre Dienstleistungen für Boulton. Und ein Glück war es, daß die zusammengesetzte Maschine gute Arbeit leistete! Jetzt knüpfte Boulton seine Bereitwilligkeit, mit aller Kraft die Fabrikation in Angriff zu nehmen, nur noch an eine freilich schwere Bedingung: Watt mußte nach London und bei den querköpfigen (»wrongheaded«) Parlamentsmitgliedern um Verlängerung seines Patentes einkommen. Von den vierzehn Jahren gewährten Schutzes waren bereits fast sechs herum. Die übrigen acht Jahre waren eine zu kurze Frist, um das große Geschäftsrisiko zu wagen, das in der Fabrikation eines so gänzlich neuen und bald[S. 38] von andern Fabriken nachgeahmten Artikels bestand. Zwar die Bergwerksbesitzer und Minenpächter, die bereits davon gehört hatten, es sei eine neue Kraftmaschine erfunden, die von keinem Geringeren als dem bekannten und einflußreichen Boulton hergestellt werde, boten alles auf, einen Parlamentsbeschluß zu hintertreiben, der ihnen die Benutzung der neuen Erfindung verteuern mußte. Aber sie richteten nichts aus. Das Parlament bewilligte die Verlängerung des Patentes auf 25 Jahre in Anbetracht der Schwierigkeit und der großen Geldaufwendungen, die das neue Unternehmen erforderte. Watt hatte nun nicht mehr nötig, sich nach einer Stelle umzusehen, wo er taglöhnern konnte. Selbst das Anerbieten, das ihm von Rußland auf Vorschlag des dorthin gegangenen Robison damals gemacht wurde, gegen eine Besoldung von 20000 Mark jährlich dorthin überzusiedeln, konnte er ablehnen. Und das tat er um so lieber, als er kein Vertrauen in die Freiheitsbürgschaften dieses Reiches setzte.

Aber nicht nur in den Hafen der fabrikmäßigen Herstellung seiner Erfindung lief Watt damals ein. Er gelangte auch, ein Jahr darnach, in den Hafen einer neuen Ehe. Bei einem Besuche Glasgows lernte der nun vierzigjährige Erfinder die Tochter Anna des Färbers Macgregor kennen. Seine Werbung fand Gehör, doch der vorsichtige Schwiegervater wollte, bevor er seine Einwilligung gab, Einsicht in die Vermögensverhältnisse und Zukunftsaussichten des Tochtermanns haben, und dieser schwiegerväterlichen Härte verdanken wir ein Schriftstück, worin Boulton auf Watts Bitte hin ausdrücklich schriftlich die zwischen ihm und Watt bereits mündlich getroffenen Vereinbarungen anerkennt. »Es ist schwierig,« so schreibt der Fabrikant, »den wirklichen Wert Ihrer Eigentumsrechte bei unsrer Teilhaberschaft festzusetzen. Jedenfalls will ich es bestimmt bezeichnen, und ich kann wohl sagen, ich würde Ihnen gern zwei-, auch dreitausend Pfund für die Übertragung Ihres Drittels an dem Patent geben. Es würde mir aber leid tun, mit Ihnen einen für Sie so unvorteilhaften Handel abzuschließen, und ich würde jedes Geschäft bedauern, das mich Ihrer Freundschaft, Zuneigung und tatkräftigen Hilfe berauben würde. Ich hoffe, daß wir in Liebe und Eintracht die 25 Jahre zusammen aushalten werden, und das wird mir lieber sein, als wenn ich als alleiniger Inhaber so reich wie ein Nabob werden könnte. Ich würde Ihnen gerne sofort die betreffende Anweisung und den Vertrag über unsere Teilhaberschaft übersenden. Leider ist es mir unmöglich, da der Rechtsanwalt Herr Dadley plötzlich nach London gerufen wurde und ich das Aktenstück nicht vor seiner Rückkehr erhalten kann. Wenn Sie aber vielleicht mit Ihren Freunden darüber verhandeln wollen, so können Sie ihnen von folgenden Hauptpunkten eine Abschrift geben. Ich habe sie aus unsrer Korrespondenz ausgezogen, und soviel ich weiß, enthalten sie das Hauptsächlichste unsres Vertrages. Sie überweisen mir ⅔ des Patentes unter folgenden Bedingungen: Ich habe die Kosten für die Versuche, für die Erwerbung des Patentes sowie für das, was für die Maschine vom Juni 1775 gebraucht wurde, zu tragen, auch die Ausgaben für die ferneren Versuche zu bestreiten. All dies Geld ist von mir unverzinslich herzugeben und darf nicht gegen Sie verrechnet werden. Die Versuchsmaschinen sind mein Eigentum, da sie von meinem Gelde gekauft werden. Ferner habe ich das Kapital, das zum Geschäftsbetriebe nötig ist, gegen übliche Zinsen vorzuschießen. Der Gewinn des Geschäftes nach Bezahlung oder Abschreibung der Zinsen, der Arbeitslöhne und aller Geschäftsunkosten, soweit sie sich auf unser Dampfmaschinengeschäft beziehen, ist in 3 Teile zu teilen, von denen Sie einen, ich zwei erhalte. Sie haben die Zeichnungen zu entwerfen, die Angaben zu machen und die Leitung zu übernehmen. Die Auslagen für Geschäftsreisen ersetzt das Geschäft. Ich habe die Bücher genau zu führen und dafür Sorge zu tragen, daß jährlich Abschluß gemacht wird. Ferner habe ich Sie in der Leitung der Arbeiter zu unterstützen, Geschäfte abzuschließen sowie überhaupt alles das zu tun, was wir beide von Interesse für das Geschäft halten. Ein Buch ist zu führen, worin alle neueren Übereinkommen zwischen uns zu Protokoll genommen werden, die, mit unsrer beider Unterschrift versehen, dieselbe Kraft haben wie unser Vertrag. Keiner darf seinen Anteil ohne Zustimmung des andern veräußern. Sollte einer von uns sterben oder zu gemeinsamer Tätigkeit unfähig werden, so soll der andere der einzige Leiter sein, ohne Kontrolle der Erben, Testamentsvollstrecker oder gesetzlichen Nachfolger. Die Bücher jedoch können von ihnen eingesehen werden, auch kann der tätige Teilhaber eine vernünftige Entschädigung für seine Mühewaltung beanspruchen. Der Vertrag tritt mit dem 1. Juni 1775 auf 25 Jahre in Kraft. Unsre Erben, Testamentsvollstrecker usw. sind zur Beobachtung des Vertrages verpflichtet. Im Falle wir beide sterben, sind unsre Erben usw.[S. 39] unsre Nachfolger auf Grund des gleichen Vertrages.«

Und damit wenden wir uns den Arbeiten zu, die jetzt von Soho aus in die Welt gingen, den black devils, schwarzen Teufeln, oder iron angels, eisernen Engeln.


Die Retterin der Cornwallgruben.

Vom nördlichsten zum südlichsten Teile der britischen Halbinsel, das war der Wechsel, den die nächsten Jahre für Watt nach seiner Übersiedlung zur Sohoer Fabrik brachten. Vom nördlichen Schottland, wo er Kanäle vermessen hatte, warf ihn das Schicksal nach dem Bergwerkbezirk Cornwall. Denn von hier kamen die meisten Bestellungen auf Wattsche Maschinen, weil viele Grubenbesitzer und Pächter vor dem Ruin, vor Aufgabe ihres Grubenbetriebes standen, wenn es nicht gelang, die die Gruben ersäufenden unterirdischen Wasser rechtzeitig heraufzuschaffen. Erst Wasserräder, die Schöpfwerke ähnlich den Eimerreihen unsrer Baggermaschinen antrieben, — dann die Verwendung vieler Hunderte von Pferden, um die Bewegung eines wagrechten Rades auf ein senkrechtes zu übertragen, Pumpen zu betreiben, die das Wasser emporschafften, — schließlich die ungefügen Newcomenschen Maschinen, die die Pferde ersetzten: das waren die Mittel, mit denen sich der Bergbau damals gegen die Wasser der Tiefe wehrte. Im Grubenbezirk von Cornwall war zur Zeit Watts die Not aufs äußerste gestiegen. Viele Schächte schienen verlassen werden zu müssen, weil mit den Newcomenschen, von Smeaton verbesserten Feuermaschinen nichts mehr zu erreichen war. Ein ganzer Landstrich, Tausende von Familien sahen schlimmsten Zeiten entgegen. Kaum war es daher bekannt, daß Boulton und Watt eine eigne Fabrik zur Herstellung neuer Kraftmaschinen errichteten, als auch schon Bestellungen einliefen. Und weil von dem Ausfall der ersten Maschinen und ihrer Leistungen in den bedrohtesten Gruben der Ruf des ganzen Unternehmens der Firma Boulton und Watt abhing, so weilte Watt selber in den nächsten Jahren mit kurzen Unterbrechungen meist im Cornwaller Grubenbezirk. Es war eine aufregende Zeit für Watt. Die Cornwaller Bergwerkbesitzer und Pächter und erst recht die Arbeiter waren gerade kein gemütlicher Umgang. Immer wieder mußte er »hinaus ins feindliche Leben«, widerspenstige Maschinen in Ordnung zu bringen und die Maschineninhaber zum Bezahlen anzuhalten. Davon schienen diese Leute meist keine Freunde zu sein, ging es ihnen doch oft selber schlecht. So suchten sie sich ihren Verpflichtungen zu entziehen, indem sie mit Boulton und Watt rechteten. Ein Drittel der Kohlenersparnis sollten sie zahlen, und dies nachzurechnen hatte Watt einen Hubzähler am Schwingbaum angebracht. Aber bald fühlte sich dieser, bald jener Pächter im berechneten Quantum ersparter Kohle benachteiligt. Das gab schwere Verdrießlichkeiten, und zehn Jahre dauerte es, bis die Sohoer Firma Überschüsse erzielte. Fast eine Million, genauer vier Fünftel dieses Betrags, hatte Boulton in das Geschäft stecken müssen. Boulton wußte oft am Sonnabend nicht, womit er seine Arbeiter löhnen sollte. Von den Bankiers waren nur mit Mühe Vorschüsse zu erlangen und die neu eingegangenen Schulden drückten auf Watts Gemüt bis zur verzweifeltsten Schwarzseherei. Dazu traten immer neue Aufgaben. Er mußte Zeichnungen neuer Maschinen entwerfen, konstruktive Einzelheiten durchprobieren, dann aber bei andrängender Arbeitsfülle wegen Kopfschmerzen alles liegen lassen. Das gab oft recht schwere Zeiten. Als sich aber die ersten Maschinen in den Bergwerkbetrieben bewährt hatten, kamen auch bald zahlreiche Bestellungen, und es dauerte nicht lange, da waren fast alle Newcomenschen Feuermaschinen aus Cornwall verdrängt und durch Wattsche ersetzt. Zunächst war es die einfachwirkende Niederdruckmaschine, die dort überall Eingang fand, und wir haben jetzt diese Retterin Cornwalls kurz zu betrachten (Abb. 15).

Abb. 15. Watts einfachwirkende Dampfmaschine 1788. (Nach Farey.)

Rechts zeigt die Abbildung den Kessel c, in dem der Dampf erzeugt wird. In den Kessel führen zwei Wasserstandsröhren y hinein. Die Flammen und Rauchgase gehen von unten um den Kessel herum durch den Kanal 9 in den Schornstein. Ein Dämpfer w kann durch Zug an seinem Gegengewicht, mit dem er durch eine über eine Rolle führende Kette verbunden ist, höher oder niedriger gestellt werden und dadurch die Stärke des Luftstroms beeinflussen, der den Kamin durchstreicht, mithin den Brand unter dem Kessel anfachen oder dämpfen. Oben vom Kessel führt die Röhre a den Rauch hinüber nach den »Nüstern« oder nozzles des Zylinders,[S. 40] nämlich zu den Ventilgehäusen b und e und der senkrechten Röhre d. Das Ventilgehäuse b enthält das Ventil, durch welches der Dampf in den Zylinder E gelassen wird, wenn der Kolben herabgehen soll. Der Zylinder ist oben geschlossen, die Kolbenstange geht durch eine mit einer Hanfpackung luftdicht gemachte Öffnung des Zylinderdeckels. Der Zylinder ist von einem Behälter eingeschlossen, und zwar so, daß zwischen Zylinder und Behälter eine heiße Dampfschicht lagert, die von der Röhre a aus durch eine kurze Rohrabzweigung rechts oben beim Zylinder eintritt. Hat der Dampf durch das Ventil b Eintritt erlangt, so geht er durch c nach dem Raum über dem Kolben. Ist das Ventil im Ventilgehäuse e geöffnet, so tritt der Dampf durch dieses und die wagerechte Röhre f in den Raum unter dem Zylinder. Das Ventil e heißt Gleichgewichtsventil, weil nunmehr der Dampf über und unter dem Kolben durch die Röhre d miteinander in Verbindung steht. Der Kolben geht in die Höhe nur durch das Übergewicht des Pumpengestänges, das am linken Ende des Schwingbaumes LL aufgehängt ist. Die senkrechte[S. 41] Röhre g verbindet den Raum unter dem Kolben mit dem Kondensator F, wenn das Ventil im Gehäuse i geöffnet ist. Der Kondensator F, gleich der links von ihm befindlichen Luftpumpe H von kaltem Wasser umspült, ist der Raum, wo der Dampf verdichtet wird, so daß unter dem Kolben im Zylinder ein luftleerer Raum entsteht und nun der über dem Kolben drückende Dampf den Kolben herunterdrückt. Dabei wird das Pumpengestänge gehoben und unten im Schacht Wasser angesaugt. Bei x führt eine kleine Kupferröhre nach außen. Die äußere Mündung endigt unter Wasser. Durch diese Röhre kann die Luft beim Ingangsetzen der Maschine ins Freie austreten, nachdem sie durch das Wasser gegangen ist. Das nach außen sich öffnende Ventil ist das Schnüffelventil. Es hat seinen Namen von dem Geräusch, das die durch das Wasser aufquellende Luft erregt. Links vom Kondensator befindet sich, gleichfalls im Kühlwasserbehälter GG, die Luftpumpe H. Ihr Kolben ist doppelt durchbohrt, die oberen Öffnungen sind durch nach oben gehende Klappen verschlossen. Durch diese Klappen kann Wasser und Luft aus dem Kondensator nach oben entweichen, ohne daß das Kühlwasser von außen in die Luftpumpe dringt. Die ausgepumpte Luft oder Flüssigkeit passiert dann noch das Ventil m; da das Kondenswasser aber warm ist, so wird es jetzt aus dem Behälter J, der vom Kühlwassergefäß getrennt ist, durch die Pumpe S, die vom Schwingbaum aus betätigt wird, gleich wieder durch die mit 8 bezeichnete, wagrechte, gestrichelt angedeutete Röhre hinüber nach T und hinunter in den Kessel zur Dampferzeugung geleitet. Nachtragen müssen wir noch, daß sich auch zwischen dem Kondensatorraum und der Luftpumpe unten ein Ventil k befindet, das wie m nur nach links den Weg gibt, nicht nach rechts. Der Dampf im Kondensatorraum wird durch eine Einspritzung niedergeschlagen, die vom Kühlwasserbehälter durch ein Ventil im Gefäß j ausgeht. Das Einspritzventil wird ebenfalls mittelbar vom Schwingbaum aus betätigt. Der eichene Wagebalken, Schwingbaum oder Balancier LL dreht sich um den Zapfen p. Von dem Kreisstück 7 geht die Stange l senkrecht nach unten. Ihr breites Mittelstück ist der Steuerbaum. Das untere Ende betätigt die Luftpumpe. Der Steuerbaum hat an drei Stellen, von denen man auf der Abbildung nur 1 und 2 sieht, vorspringende Zapfen. Sie stoßen beim Auf- und Niedergehen des Steuerbaums an die Handgriffe r, s, 3 der Dampfsteuerungen, die nach den Ventilgehäusen b, e und i gehen. Bei t, u und 4 befinden sich die Steuerwellen. Wenn zum Beispiel 1 auf r drückt, dann geht der Hebelarm rechts von t in die Höhe. Damit geht aber auch die Zugstange hoch, die den Hebelarm des Ventils b außerhalb des Ventilgehäuses b hebt und infolgedessen innen im Ventilgehäuse das gezähnte Kreisstück, das Zahnstangenstück, in das der Hebelarm eingreift, hinabdrückt. Dadurch wird das Ventil geschlossen. Geht der Zapfen bei 1 wieder in die Höhe, so wird das Ventil b dadurch geöffnet, daß ein Gewicht auf einen Hebelarm wirkt, der die Steuerwelle t von links nach rechts dreht. Gewicht und Hebelarm sind auf der Abbildung nicht zu sehen. In gleicher Weise werden die beiden andern Ventile geschlossen und geöffnet. Man muß sich, um eine klare Vorstellung zu bekommen, mit einiger Geduld in die Zeichnung versenken und sich vor allem vergegenwärtigen, daß die Steuerwellen t, u und 4, die senkrecht zur Papierfläche stehen, noch wagrechte kurze, nicht gezeichnete Hebelarme tragen, an denen Gewichte so ziehen, daß die Steuerwelle eine Drehung beschreibt, sobald nicht die Handgriffe r, s und 3 von den Zapfen des Steuerbaums oder von der Hand des Maschinisten auf einen bestimmten Weg gezwungen[S. 42] werden. Wir verweisen hier auf die zwei Dampfsteuerungen von Maschinen, die im Gegensatz zu der hier beschriebenen einfachwirkenden doppelt wirkend sind. Es heißt das, daß der Dampf bei ihnen nicht nur über und unter den Kolben tritt, sondern daß er auch auf beiden Seiten Arbeit leistet (Abb. 16 u. 17).

Abb. 16. Steuerung an den ersten doppeltwirkenden Wattschen Maschinen.
Abb. 17. Zylinder, Steuerung, Kondensator, Luftpumpe, Schnüffelventil an Watts doppeltwirkenden Maschinen mit Drehbewegung 1787–1800.

Wie fast alles Neue, hatte auch die Wattsche Kondensatormaschine gerade in zünftigen Kreisen ihre Gegner, die mit überlegener Miene erklärten und im Lande aufschrien, diese Maschine stelle so hohe Anforderungen an genaue Werkstättenarbeit, daß keine Werkleute noch Werkzeugmaschinen ihnen entsprechen könnten, und daß daher die Maschinen selbst sich nie bewähren würden. Boulton und Watt konnten mit Ruhe gegen derartige Aussprengungen ihre Erfolge reden lassen. In ganz England und bald auch im Ausland wurde bekannt, was die Maschinen in den Cornwaller Bergwerken leisteten. Mancher Besitzer von Kupferwalzwerken oder Mühlen oder wer sonst auf Wasserräder als Betriebskraft angewiesen war, wünschte sich im stillen, wenn Dürre oder Frost das Wasserrad zum Stillstand brachte, ebenfalls die Vorteile der neuen Dampfmaschine, die die Grubenbesitzer ihr[S. 43] nachrühmten. Die Dampfmaschine konnte Tag und Nacht, winters und sommers arbeiten. Frost oder Dürre ließ sie, bei aller Wärme, »kalt«. Obwohl nun Watt angesichts der vielen neuen Aufgaben wenig Lust hatte, die Dampfmaschine auch für andre Betriebe einzurichten, so drängte ihn doch Boulton unaufhörlich, diesem Gedanken näher zu treten. Boulton sah voraus, daß das Bergwerksgeschäft, der Absatz für Grubenbezirke, ein zu beschränktes Feld sei. Er wollte die neue Maschine für alle möglichen Gewerbebetriebe verwendet sehen, und Watt mußte nachgeben. Vor allem war es nötig, die hin und her gehende Bewegung der Balanciermaschine in eine drehende zu verwandeln. Man hatte damals noch keine Erfahrung auf diesem Gebiete, so daß selbst ein so gewiegter Ingenieur wie Smeaton, dem Watt nachrühmt, daß »seine Lehren und Beispiele sie alle zu Ingenieuren gemacht hätten«, 1781 erklärte, eine Dampfmaschine sei niemals als Ersatz eines Wasserrades für den gleichmäßigen Betrieb zu gebrauchen, dabei sei es ganz einerlei, ob sie mit Kurbel oder sonst etwas zur Erzeugung der Drehbewegung versehen sei.


Drehbewegung, Doppelwirkung, Steuerung, Drosselklappe.

Abb. 18. Sonnen- und Planetenradgetriebe.

Schon 1771 sprach Watt sich dahin aus, daß man bei der Verwendung einer Kurbel eine drehende Bewegung erzeugen könne. Später, als er sich schon lange vom Sohoer Werk zurückgezogen hatte, äußerte er sich über den wirklichen Erfinder der Kurbeldrehbewegung als einen Mann, der leider nicht göttlich gesprochen worden sei, obwohl er die gewöhnliche Fußdrehbank erfunden habe. Diese Kurbelbewegung auf die Maschine zu übertragen, hätte nicht mehr Erfindungsgeist erfordert als der Gedanke, ein Brotmesser zum Käseschneiden zu verwenden. Durch die Versuche Watts, mit der Kurbel bei der Dampfmaschine Drehbewegungen zu erzielen, wurden Fremde, die fast immer bei Boulton und Watt Neues auszuspionieren suchten, aufmerksam gemacht. Und eines Tages ließ sich der Birminghamer Knopffabrikant[S. 44] Pickard, dem durch Washborough, einen sonst fähigen Erfinder, die Sache zu Ohren gekommen war, ein Patent auf die Anwendung der Kurbel bei der Dampfmaschine geben. Da Watt dies Patent nicht anfechten wollte, weil er seinen zahlreichen Feinden damit vielleicht einen Anlaß bot, unter Berufung auf Scheingründe auch seine eigenen Patente anzufechten, so war er jetzt von der Benutzung seiner eignen Idee ausgeschlossen. Von verschiedenen Arten, eine Drehbewegung[S. 45] zu erzielen, die er sich 1781 patentieren ließ, verwertete er praktisch das sogenannte Sonnen- und Planetenradgetriebe (Abb. 18), das eigentlich Murdock erfunden haben soll, auf den wir noch zurückkommen werden. Vermutlich sah sich Watt als den geistigen Vater dieser Erfindung an, die sofort wieder aufgegeben und durch einfache Kurbelbewegung ersetzt wurde, als das Pickardsche Patent erlosch. Im nächsten Jahre (1782) nahm Watt ein Patent auf die doppeltwirkende Maschine, deren Idee er schon fünfzehn Jahre vorher ausgesprochen hatte. Jetzt wurde, wie schon beschrieben, auf beiden Seiten des Kolbens der Dampf und ebenso auf beiden Seiten die Luftverdünnung durch Kondensation benutzt. Solche Maschinen konnten auch bei kleineren Ausmessungen mehr leisten als die einfachwirkenden. Aber es bedurfte bei ihnen auch wieder neuer Erfindungen in Einzelheiten. Hier wendete Watt zuerst die Geradlenkung der Kolbenstange, das Wattsche Parallelogramm an, auf das er, obschon nicht um Ruhm besorgt, am stolzesten zu sein gelegentlich vorgab. Bei diesem Parallelogramm (Abb. 19) dürfte auch sein Freund Robison ein kleines Verdienst haben. Vor vielen Jahren, als Watt noch Meister in Glasgow war, hatte Robison ihn angeregt, einen perspektivischen Zeichenapparat durch Verwendung einer Parallelogrammvorrichtung zu verbessern, und Watt war mit Erfolg dieser Anregung nachgekommen. Das Patent auf die Lenkergeradführung fiel in das Jahr 1784. Die Dampfverteilungsvorgänge bei der doppeltwirkenden Maschine veranschaulichen uns die Abb. 16 u. 17. Bei Abb. 17 muß man sich vorstellen, daß der Steuerbaum auf die Handgriffe mit seinen Knaggen oder Zapfen aufdrückt und dadurch eine Drehung der Steuerwellen verursacht. Oben und unten befinden sich je zwei Ventile untereinander, ein Ein- und ein Auslaßventil. Wie Abb. 17 zeigt, sind abwechselnd zusammen oben das Einlaß- und unten das Auslaßventil, oder umgekehrt oben das Auslaß- und unten das Einlaßventil geschlossen. Gewichte, die an den scheinbar abgebrochenen, senkrecht herabhängenden Stangen hängen, bewirken, sobald der daumenartige, kurze Hebel der Steuerwelle aus der ihn festhaltenden Klinke befreit wird, das Öffnen der Ventile.

Abb. 19. Ausgeführte Niederdruckmaschine mit dem Wattschen Parallelogramm (rechts und links am Balancier).

Ein Schwungrad gestaltete den Gang der doppeltwirkenden Maschine möglichst gleichmäßig. Es glich aber nur periodische Schwankungen von Kraft und Widerstand aus, wie sie die Kurbelbewegung mit sich brachte. Für plötzlich eintretende Änderungen des Dampfdruckes oder der Belastung durch die in Bewegung gesetzten oder ausgerückten Arbeitsmaschinen bedurfte es des Regulators (Abb. 20). Er wirkte auf eine Klappe im Dampfzuleitungsrohr, die so verstellt wurde, daß sie mehr oder weniger Dampf durchließ. Die Klappe drosselte einen Teil des Dampfes ab, daher der Name Drosselklappe. Die Änderung der Klappenstellung wird durch eine Hebelanordnung herbeigeführt, auf die die Drehung eines Kugelpaares K K wirkt. Von den Trägern der Kugeln gehen Arme nach der Hülse H, die auf der von ihr umfaßten, durch die Achse des Schwungrades mitgedrehten Stange auf und ab gleitet, je nachdem die Kugeln bei schnellerer oder langsamerer Drehung der senkrechten Stange durch die Zentrifugalkraft weiter aus- oder näher aneinander gehen. Die Hebung und Senkung der Hülse wirkt wieder auf das Hebelsystem, das mit der Drosselklappe D in Verbindung steht. Diesen Zentrifugalregulator übernahm Watt aus dem Mühlenbetriebe.

Abb. 20. Regulator.

Den Muschelschieber im Dampfverteilungsraum (Abb. 21), den wir aus Abbildungen der Dampfmaschine in Schulbüchern kennen, hat Watt nicht selbst erfunden. Dies Verdienst gebührt dem als bedeutenden Erfinder bekannten obersten Betriebsingenieur des Sohoer Werkes: Murdock, der 1779 als einfacher Arbeiter bei Boulton und Watt eintrat. Ein herkulisch gebauter Mann, Sohn eines Mühlenbauers und selber Mühlenbauer, fand Murdock bei Boulton sofort Arbeit, als Boulton darauf aufmerksam wurde, daß Murdock einen Hut eigner Erfindung und Herstellung in der Hand trug. Murdock war in den nächsten Jahren der einzige Arbeiter, auf den man sich immer verlassen konnte. Während die andern, stolz auf ihre Stellung in dem berühmten Werke, sich oft gewaltige Räusche leisteten, kam es Murdock nicht darauf an, Tage[S. 46] und Nächte durchzuarbeiten, um einen Maschinendefekt, eine Betriebsstörung in Ordnung zu bringen. Wo alles nichts mehr half, mußte Murdock kommen. Die Grubenbesitzer in Cornwall, mit deren ungeberdigen Betriebsführern Murdock manchen schweren Handel buchstäblich ausboxte, boten ihm eine große Summe, falls er die Überwachung ihrer Maschinen übernähme. Doch Murdock blieb seiner Firma treu. Er baute 1784 das erste Modell einer Lokomotive mit Benutzung der Wattschen Maschine und im Jahre 1785 die erste Dampfmaschine mit schwingendem Zylinder. Auch führte er zuerst in der Fabrik von Soho und in andern Birminghamer Betrieben die Gasbeleuchtung ein. Als er später zum Schutze seiner Erfinderehre von einer Parlamentskommission vernommen wurde, meinte einer der weisen Politiker, Murdock versuche doch zuviel zu beweisen, wenn er sich anheischig mache, ein Licht ohne Docht zu liefern. Auch die Erfindung des D-Schiebers, aus dem sich der Muschelschieber als Dampfverteilungsorgan entwickelte, war Murdocks Verdienst. Er hat viele Jahre lang das Werk in Soho als erster Ingenieur geleitet, eine schlichte, markige, vorbildliche Persönlichkeit, eine würdige Gestalt neben Boulton und Watt.

Abb. 21. Muschelschieber im Dampfverteilungsraum. Die Abbildungen veranschaulichen gleichzeitig die Bewegung des Kolbens unter dem Druck des Dampfes.

Watt baute nur sogenannte Niederdruckmaschinen, in denen höchstens 1¼ Atmosphärendruck verwendet wurde. Den Typus von Maschinen mit höheren Dampfspannungen stellt Abbildung 22 dar.

Abb. 22. Hochdruckmaschine, wie sie erst nach Watt gebaut wurde, vertikale Einzylindermaschine. E Dampfweg vom Kessel nach dem Dampfverteilungsbehälter oder Schieberkasten K, zwischen E und K die Drosselklappe. A Dampfzylinder, e und d lassen den Dampf ein und aus, der entweichende Dampf geht durch g und r ins Freie. B Kolben, R Kreuzkopf, P Pleuel- (oder Kurbelstange), Q Kurbelzapfen, f Exzenterscheibe, auf der durch Q gedrehten Welle sitzend, die auch das Schwungrad x dreht, die Exzenterscheibe bewegt den Dampfschieber in K auf und ab; h a v Regulator, hochgehendes h hebt b und dreht die Drosselklappe zwischen K und E. c Exzenterscheibe, betätigt Speisepumpe o, die den Dampfkessel mit Wasser versorgt.

Die Verwendung der Expansion des Dampfes, das heißt der Eigenschaft des Dampfes, im Zylinderraum Arbeit durch Entspannung zu leisten, obwohl die Dampfzufuhr abgesperrt wird, wenn erst ein kleiner Bruchteil des Zylinderraums gefüllt ist, diese in der späteren Entwicklung der Dampfmaschine nach Watt bedeutungsvoll gewordene Eigenschaft des Dampfes beschrieb Watt selber bereits in einem Briefe an Dr. Small im Jahre 1769. »Ich erwähnte gegen Sie ein Verfahren, das mich in Stand setzt, auf ziemlich leichte Weise die Wirkung des Dampfes zu verdoppeln, indem man die Spannkraft des Dampfes, die jetzt unbenutzt im Kondensator verloren[S. 47] geht, wirken läßt. Das würde aber zu große Zylinder erfordern. Die Idee ist daher am ersten für rotierende Dampfmaschinen von Bedeutung. Öffnen Sie das eine Dampfventil und lassen Sie so viel Dampf ein, bis der vierte Teil des in Frage kommenden Raumes mit Dampf gefüllt ist, schließen Sie jetzt den Dampfzutritt ab, dann wird der Dampf fortfahren, sich auszudehnen, und mit abnehmender Kraft seine Wirkung ausüben, bis er mit einem Viertel der anfänglichen Kraftäußerung endet. Die Summe dieser Reihe werden Sie größer finden als ½, obwohl nur ⅓ des Dampfes angewendet wurde. Die Kraftleistung wird allerdings ungleichmäßig sein, doch kann man diesem Übelstand durch ein Schwungrad oder auf andre Weise abhelfen.«

Nachdem die Expansion mit der Sohoer Versuchsmaschine erprobt worden, baute Watt für ein Londoner Wasserwerk die erste Expansionsdampfmaschine mit ⅔ Füllung. Ein Patent auf die Expansionsmaschine nahm er im Jahre 1782. Von der Ausführung dieser Maschine kam er aber bald zurück, weil die Dampfmaschinenwärter lieber mit vollem Dampf arbeiteten. Dafür waren die Verhältnisse des Kessels natürlich nicht vorgesehen, der Kessel lieferte bald nicht mehr genügend Dampf, und Klagen über Klagen liefen bei der Firma ein. So beschloß Watt, keine weiteren Expansionsmaschinen zu bauen, solange mit der Untauglichkeit des Wärterpersonals zu rechnen sei. Dagegen führte sich die doppeltwirkende Maschine mit Drehbewegung rasch in die verschiedensten Betriebe ein, so in Walzwerke und Mühlen aller Art. Für die Gebläse von Eisenhütten war die einfachwirkende Maschine mit hin und her gehender Bewegung verwendbar. Um in London aller Welt vor Augen zu führen, was die doppeltwirkende Maschine mit Drehbewegung leisten könne, errichtete Boulton 1786 unter großen Kosten eine Dampfmühle. Das Kapital wurde von einer Gesellschaft aufgebracht. Diese Dampfmühle, die den stärksten Widerstand der Mühlenbesitzer erfuhr, arbeitete anfangs nicht richtig. Da mußte Murdock herbei, um sie in Gang zu bringen. Die Albionmühle wurde ein Stelldichein für die vornehme Welt. Man bewunderte das neue Werk der Firma Boulton und Watt und wollte sogar ein Maskenfest darin abhalten. Das gestattete aber Watt keineswegs. Einige Jahre warf die Maschine keinen Gewinn ab, obwohl sie in einer Woche Mehl für 150000 Menschen mahlte. Als man hoffen durfte, daß sie sich bezahlt mache, wurde sie böswillig in Brand gesteckt, ein großer Geldverlust für die Gesellschafter. Die Täter ermittelte man nie.


Prozesse.

Vom Jahre 1785 ab begann endlich das Werk zu Soho Überschüsse zu zeitigen. Watt wurde in kurzer Zeit ein vermögender Mann. Er beeilte sich, sein sauer verdientes Vermögen in Grundbesitz anzulegen, so daß er Boulton nicht einmal beispringen konnte, als dieser nach einigen Jahren noch einmal mit großen Geldschwierigkeiten zu kämpfen hatte.

Eine stete Sorge war von den ersten Jahren des Sohoer Betriebes an die Furcht vor unlauterem Wettbewerb gewesen. Man hatte unter verschiedenen Patentverletzungen zu leiden. Die widerrechtlich von Konkurrenten hergestellten Maschinen taugten nichts, und dann hieß es, die Wattsche Maschine enttäusche. Das schädigte natürlich den Ruf der Firma sehr. Mit großer Besorgnis blickte Watt auch auf die Bemühungen fähiger Ingenieure, sein Patent zu umgehen, d. h. ebenfalls eine Wattsche Dampfmaschine zu bauen, aber ohne in juristisch nachweisbarer Form Watts Patent zu verletzen, wenn immer schon die Idee die gleiche war. Jonathan Hornblower war der Ingenieur, von dem man am ehesten Wettbewerb zu besorgen hatte. Schon 1776 baute er eine Maschine mit Expansion. Er benützte zwei verschieden große Zylinder, ließ den Dampf aus dem kleineren in den größeren Zylinder weichen und auch darin auf den Kolben wirken. Diese Maschine wurde 1781 patentiert. Watt sah darin eine Verletzung seines Patentes. Die Hornblowers hatten im Dienste der Firma Boulton und Watt seine Maschine genau kennen gelernt. Im letzten Jahrzehnt des Schutzes für die Wattsche Maschine kam es daher noch zu schwierigen Patentprozessen, die sich jahrelang hinzogen. Die Rechtsanwälte schienen, wie Watt bemerkte, sich verabredet zu haben, den Prozeß zu einer milchenden Kuh zu machen. Und von den Richtern war nicht zu verlangen, daß sie in heißer Inbrunst, dem Verletzten Recht zu schaffen, ihre Pflicht taten. Eine einzige Anwaltsrechnung für Bemühungen in Patentprozessen in den vier[S. 48] letzten Schutzjahren 1796–1800 belief sich auf mehr als 100000 Mark. Nun überlege man aber, was diese Prozesse Männer wie Watt und Boulton noch an Zeit, Aufregungen und Verdrießlichkeiten gekostet haben! Wir begegnen ja im Leben auch andrer höchst verdienter Erfinder solchen Patentprozessen, die Hunderttausende von Mark verschlangen. Die verklagten Patentverletzer erhoben gegen das Wattsche Patent vom Jahre 1769 die lächerlichsten Einwendungen: die Patentschrift sei nicht klar genug, um auf ihrer Grundlage eine Maschine zu bauen. Deshalb verdienten die Patentinhaber keinen Schutz. Ein zweiter Einwand war der, daß Watt seine Einspritzmethode nicht näher gekennzeichnet habe. In dieser Beziehung wollte aber Watt gar nichts Neues erfunden haben. Drittens machte man geltend, Watt habe nicht die Größenverhältnisse angegeben, in denen sich Zylinder, Kondensator und Luftpumpe zueinander befinden. Ferner sollte sich von den verschiedenen Dichtungsmitteln, die Watt erwähnt habe, nur eins, Tierfett, bewährt haben. Und fünftens bemängelten die Verletzer das Fehlen einer Zeichnung oder eines Modells bei der Patentschrift. Aber Watt hatte sich weislich auf Blacks und Smalls Rat gehütet, in seiner Spezifikation eine einzelne Maschine mit bestimmten Abmessungen zu beschreiben. Denn dann wären sofort die Nachahmer gekommen, hätten die gleiche Maschine in andern Größenverhältnissen und mit unwesentlichen Abweichungen gebaut und hätten sich, falls sie verklagt wurden, darauf berufen, die geschützte Maschine sei ja ganz verschieden von der ihren. Deshalb hatte Watt sich eine »Methode« patentieren lassen, den Dampfverbrauch und Brennstoffverbrauch durch gewisse Grundsätze zu verringern, von denen der Kondensator der wichtigste und die ausschlaggebende neue Erfindung war. Watt gibt selbst zu, alles andre an der Dampfmaschine nenne er nicht sein.

Von großem Gewicht im Prozesse gegen Hornblower war das Zeugnis des damals berühmten Professors Robison, der mitten im Winter von Edinburg herbeieilte, trotz körperlicher Leiden vor Gericht eine begeisterte Rede auf Watt zu halten. Obwohl Watt im Prozesse siegte, äußert er doch die Bemerkung, es habe ihm die juristische Zulänglichkeit der Richter nicht gerade imponiert. Mit der Ungunst der Richter war insofern zu rechnen, als Watt und Boulton ein Monopol genossen, und schon von den ersten Dampfmaschinen an die Grubenbesitzer in Cornwall undankbar genug die Inhaber der Sohoer Firma »Monopolisten, Tyrannen, Unterdrücker« nannten. Die Richter hatten vielleicht Verwandte, denen das Patent unbequem war, wer weiß? Schon oft hatten die Richter, die ja in weltgeschichtlich berühmten Prozessen selten die Gelegenheit verpaßten, sich der schlechteren Sache zuzuneigen, in Patentprozessen andrer Erfinder, zum Beispiel Arkwrights, dem Unrecht zum Rechte verholfen. Wenn sich brieflich auch einmal bei Watt die Äußerung findet, daß er mehr auf die Richter als auf die Gesetze vertraue, so ist doch wieder eine andere Äußerung des Erfinders bezeichnend, daß er Prozesse verabscheue und eine Sache für halb verloren erachte, die vor Gericht müsse. Den Eindruck, den Watt von den Spitzfindigkeiten sowohl der Advokaten wie der Richter empfing, kennzeichnen des Erfinders Worte: »Seit ich mich soviel unter den zweifelsüchtigen Gliedern der Juristenzunft bewege, ist es mir wahrhaft unmöglich, eine feste Ansicht über irgend etwas zu gewinnen.« Und wenn Watt später eine übertriebene Rechnung zu bezahlen hatte, pflegte er zu bemerken, »diese Rechnung könnte beinahe einem Londoner Rechtsanwalt Ehre machen«.

Von den im Prozeß gegen Hornblower verhörten gegnerischen Zeugen rührte sich später noch in einem Schmähschriftstücke der als geschickter Mechaniker und Erfinder bekannte Joseph Bramah. Man weiß im Publikum sehr wenig von den Leuten, die als Zeitgenossen eines Genies sich selber für weiser und besser hielten und sich in den unglaublichsten Schmähungen der Männer ergingen, an die sie nicht heranreichten. Welche elende, unreife Bürschchen haben sich sogar dem großen Galilei gegenüber als Meister aufspielen wollen! Welche dreisten Subjekte verhöhnten einen Robert Mayer! Und ein Bramah warf einem Watt Unklarheit, unverdaute, unzusammenhängende, unmögliche Ideen vor, nannte den Kondensator eine verzwickte und fragwürdige Sache: Watt hätte in Wahrheit nichts erfunden, als was dem Publikum mehr Schaden denn Nutzen zu bereiten geeignet wäre! Und in einer 1827 erschienenen Geschichte der Dampfmaschine von Tredgold wird behauptet, die Idee des Kondensators hätte auch einem andern früher oder später kommen müssen, und die Erzgruben wären dann schon lange vor dem Erlöschen des Wattschen Patentes besser entwässert worden.


[S. 49]Andre Erfindungen und Entdeckungen Watts.

Warum hat Watt nicht bereits selber seine Dampfmaschine dazu verwendet, Schiffe und Wagen zu bewegen? Aus dem sehr einfachen Grunde, weil er Geld verdienen mußte, um für seine Familie zu sorgen, und seine ganze Arbeitskraft brauchte, um die Maschinen fertigzustellen, die für die Bergwerke, die Walzwerke, Brauereien, Hochöfen und sonstige Betriebe benötigt wurden. Zwanzig Jahre lang hatte es gedauert, bis er auf einen grünen Zweig zu kommen begann. Zehn Jahre, das heißt: solange die Sohoer Fabrik noch keine Überschüsse erzielte, war Watt dem Namen nach Geschäftsteilhaber von Boulton, im Grunde aber, da er jährlich von der Firma 6600 Mark Gehalt erhielt, deren freilich unentbehrlicher Ingenieur. Indessen haben die Lebensschicksale andrer Erfinder, zum Beispiel Porters, gezeigt, daß kaufmännische Leiter intelligent genug sein können, den besten und unentbehrlichsten Mann aus dem Geschäfte zu drängen. Wäre Boulton nicht mehr als ein reiner Geschäftsmensch gewesen, Watt hätte schwerlich bei ihm ausgehalten. Vorläufig war er ja nur Angestellter und dachte gar nicht daran, immer auf neue Erfindungen auszuschauen, die sich vielleicht erst nach Jahrzehnten verwerten ließen. Lief er ja doch bei jeder Erfindung Gefahr, bestohlen und um die Früchte seines Geistes gebracht zu werden. Als Murdock, nach den Besitzern der beste Mann der Firma, 1784 eine Lokomotive baute, war Watt dagegen, nicht nur, weil er einen Eingriff in seine Patentrechte befürchtete, sondern weil er einen so fähigen und unersetzlichen Mann wie Murdock nicht auf Gebieten sehen wollte, wo er von den dringenden Aufgaben des Tages abgezogen würde. Wenn nun aber Watt auch sich nicht weiter mit der Verwertung der Dampfmaschine für Schiffahrt und Fuhrwerke befaßte, so hat er doch immer noch eine ganze Reihe andrer Erfindungen und Entdeckungen gemacht. Die allerbekannteste und heute in kaufmännischen Betrieben überall verbreitete ist die Kopiermaschine (Abbild. 23). Watt hatte, während er von Boulton getrennt war — es mußte sich ja jahrelang fast immer einer von den beiden im Minenbezirk Cornwall aufhalten, um bei den Maschinen nach dem Rechten zu sehen, — fast täglich ausführliche Briefe an Boulton zu schreiben. Beide Männer standen schriftlich in ununterbrochenem Gedankenaustausch. Da brachte die lästige Pflicht, Abschriften von diesem Briefwechsel zu machen, den Erfinder auf ein mechanisches Verfahren zur Herstellung solcher Abschriften. Die Kopierpresse, anfänglich als Walzenpresse ausgeführt, wurde erfunden. Boulton führte sie 1780 ins Geschäftsleben ein, indem er sie zuerst in London der vornehmen Welt und den Parlamentariern zeigte. Die Maschine begegnete großem Widerwillen. Man fürchtete, die Münz- und Notenfälscher würden das Papiergeld auch mit einer solchen Maschine nachahmen, und an falschem Gelde lief im Lande schon genug um. Einige Tage lang schimpfte ganz London über die Erfindung. Hörte Boulton doch selber, wie man ihn an den Galgen wünschte. Trotzdem trat die Maschine bald ihren Siegeszug um die Erde an.

Abb. 23. Kopierpresse (Zeitschr. d. Ver. D. Ing. 1896.)

Für die verschiedenen Typen von Maschinen, die in Soho hergestellt wurden, stellte Watt in Verbindung mit Southern Rechenformeln zur Abmessung der voneinander abhängigen Größen auf. Daß er den gewöhnlichen Rechenschieber durch Zufügung logarithmischer Skalen verbesserte, erinnert uns an Watts Landsmann Lord Napier, den Erfinder der natürlichen Logarithmen, zu dessen Bild Watt von Kind auf im Vaterhause aufgeschaut hatte.

Napier war auch Erfinder der Rechenstäbchen, die die Vielfachen der einzelnen Ziffern bis zum Neunfachen enthalten. Watt aber war eine Zeitlang damit beschäftigt, eine Rechenmaschine zum Multiplizieren und Dividieren zu erfinden.

Das Bestreben, in den Kesselfeuerungen eine möchlichst rauchfreie Verbrennung zu erzielen, führte Watt 1787 im Briefwechsel mit Argand zu Vorschlägen für verbesserte Lampen mit ständiger Ölzufuhr durch ein kleines Pumpwerk mit Federbelastung und Aufziehwerk. Dieser Gedanke ist, wie Prof. Ernst in seiner Arbeit über Watt und die Grundlagen des modernen Dampfmaschinenbaues schreibt, erst vor fünf Jahrzehnten[S. 50] in Deutschland bei der Moderateurlampe verwendet, durch die Petroleumbeleuchtung aber verdrängt worden. Im Jahre 1788 teilte Watt seinem berühmten Freunde Black mit, er habe ein neues Instrument erfunden, das gestatte, sehr einfach das spezifische Gewicht von Flüssigkeiten zu ermitteln. Es war eine sich in zwei Äste gabelnde Glasröhre, die mit der Mündung des einen Astes auf die Einheitsflüssigkeit, mit der andern auf die zu bestimmende Flüssigkeit gesetzt wurde. Dabei standen die beiden Flüssigkeitsspiegel gleich hoch. Saugte man oben an dem gemeinsamen Stiel, so traten die Flüssigkeiten in die Röhrenäste ein, die leichteren höher, die schwereren tiefer. Maß man nun, das Wievielfache der niederen die höhere Flüssigkeitssäule war, so hatte man das spezifische Gewicht der zu bestimmenden Flüssigkeit in Hinsicht auf die als Einheitsflüssigkeit benützte.

Die bleichende Wirkung des Chlors lernte Watt durch einen französischen Freund Berthollet kennen, und er veranlaßte daraufhin seinen Schwiegervater Macgregor, die Chlorbleiche in die Gewebeindustrie einzuführen. Ebenfalls für seinen Schwiegervater tätig war er durch Erfindung der Walzentrockenmaschine mit Dampfheizung (1781). Bis in die letzten Tage seines Lebens beschäftigte er sich mit der Herstellung einer Kopiermaschine für Medaillen und Büsten in Metall, Holz, Stein und Elfenbein. Viele dieser Büsten gelangen sehr gut und wurden Freunden »als Versuche eines jungen Anfängers«, geschenkt, wie Watt scherzend zu sagen pflegte.

Auf seine Erfindungen zur Verbesserung der Nivellierinstrumente, das prismatische Mikrometer, eine Teilungsschraube, die einen Zoll in tausend Teile teilte, und dergleichen wollen wir nicht weiter eingehen. Watt gehörte als Boultons Freund der sogenannten Mondgesellschaft an, einem erlesenen Kreis hervorragender Männer der Wissenschaft und Literatur, der sich zur Vollmondszeit versammelte, damit das große Licht den Heimweg erleuchte. Zu diesem Kreise gehörte auch Priestley, der Verfasser liberaler theologischer Streitschriften, einer Geschichte der Elektrizität und Entdecker des Sauerstoffs, ein ungemein vielseitiger Mann, der sich den glücklichsten Menschen nannte, immer heiter dreinblickte und doch stets in einen Federkrieg verwickelt war. Watt erlebte es mit, daß zur Zeit der französischen Revolution eine betörte Volksmenge unter dem Rufe »Kirche und König« das Haus Priestleys anzündete. Der große Chemiker und Theologe mußte damals fliehen, und tagelang wütete die offenbar von orthodoxen Geistlichen aufgestachelte Menge in Birmingham, so daß auch Boulton und Watt für ihre Sicherheit fürchteten, obwohl sie bekannt dafür waren, daß sie mit »Kirche und König« gingen. Durch Priestley lernte Watt den Versuch kennen, bei dem eine bestimmte Mischung brennbarer und entphlogistisierter (unentzündlicher) Luft (modern ausgedrückt: eine Mischung von Wasserstoff und Sauerstoff oder von gewöhnlicher Luft und Wasserstoff) durch den elektrischen Funken entzündet wird. Dabei wurde beobachtet, daß sich nach der Entladung am Glasgefäß innen Flüssigkeitströpfchen wie Tau ansetzten. Warltire stellte das gleiche Experiment an, um zu sehen, ob Wärme schwer ist oder nicht. Wir müssen uns in diese Zeit zurückversetzen, die noch nicht die Zusammensetzung des Wassers, auch nicht die Natur der Wärme als einer Kraft kannte, sie vielmehr für einen Stoff hielt. Auch Cavendish, der die Zusammensetzung der Luft entdeckt hatte, machte 1781 diesen Versuch, und er beobachtete ebenfalls den feuchten Niederschlag. Cavendish soll sofort vermutet haben, daß das Verschwinden der entphlogistisierten Luft, des Sauerstoffs, und das Erscheinen des wässrigen Niederschlages im Zusammenhang ständen und auf die Zusammensetzung des Wassers hinwiesen. Ende Januar 1784 stellte Cavendish seine Versuche an und gab dann seine Auffassung, daß Wasser aus Wasserstoff und Sauerstoff bestehe, der Gelehrtenwelt bekannt. Vor ihm aber hatte Watt schon als der Mann, der seit Jahrzehnten Zeuge war, wie Wasser in Luft (das heißt in Dampf) überging, herausgefunden, daß, wenn ganz trockene brennbare Luft (Wasserstoff) und ganz trockene entphlogistisierte Luft (Sauerstoff) durch den elektrischen Funken entzündet wurden, nach Abkühlung des Gefäßes die Menge des an der Innenwand des Gefäßes haftenden Wassers nahezu dem Gewicht der ganzen Luft gleich war. Daraus schloß Watt: das Wasser entsteht aus entphlogistisierter Luft (Sauerstoff) und brennbarer Luft (Wasserstoff) oder Phlogiston, das seiner latenten Wärme teilweise beraubt ist und sich mit Wärme und Licht vereinigt hat. »Und wenn Licht nur eine Modifikation von Wärme ist oder ein wesentlicher Bestandteil von Phlogiston, dann besteht reine Luft aus Wasser, das seines Phlogistons oder seiner latenten Wärme beraubt ist.« Das heißt: reine Luft ist Wasser ohne Wasserstoff, also Sauerstoff. In einem Briefe an Priestley setzte Watt 1783 seine Theorie auseinander. Dieser Brief, bestimmt vor der angesehensten Londoner Gelehrtengesellschaft, der[S. 51] Royal Society, vorgelesen zu werden, kam durch Watts eigene Schuld erst April 1784 zum Vortrag, nachdem Cavendish im Januar vorher seine Ansicht gleicher Richtung bekanntgegeben hatte, ohne Watt zu nennen. Watt hat Cavendish des »plagiarism«, des wissenschaftlichen Diebstahls einer Idee, beschuldigt, auch gibt es von ihm folgende briefliche Bemerkung: »Ich hatte, wie andere große Männer, die Ehre, mir meine Ideen gestohlen zu sehen. Nachdem ich meinen ersten Aufsatz über den Gegenstand schrieb, setzte Dr. Blagden (Cavendishs Freund und Vermögenserbe) meine Theorie Herrn Lavoisier in Paris auseinander. Bald darnach erfand Lavoisier sie selber und las einen Aufsatz über den gleichen Gegenstand vor der Königlichen Akademie der Wissenschaften. Seitdem hat Herr Cavendish eine Abhandlung vor der Königlichen Gesellschaft über die gleiche Idee vorgelesen, ohne mich im mindesten zu erwähnen. Lassen Sie uns beide immer in unsrer Vorwurfslosigkeit verharren und solche Verfahren verachten!« Später, nach Jahren, soll Watt sich weniger scharf über Cavendish ausgesprochen haben. Doch ist hier nicht der Ort, diese Frage zu entscheiden. Es genügt, daß Watt unbestritten als erster Entdecker in Frage kommt.

Und nun haben wir noch ein Verdienst Watts zu erwähnen: seinen Anteil an der Einführung eines für Europa und damit für die Erdenmenschheit einheitlichen Maß- und Gewichtssystems. Wir erinnern uns, daß Watt Deutsch lernte, um Leupolds großes technisches Werk »Schauplatz der Maschinen« lesen zu können. Ebenso erlernte er nach Robisons Zeugnis das Italienische. Watt fand beim Studium fremdsprachlicher Gelehrtenwerke den Mißstand, daß zur Vergleichung der Größenangaben immer von einem Land zum andern umgerechnet werden mußte. So schlug er denn schon 1783 vor, man solle von der Längeneinheit ausgehen, zur Gewichtseinheit die mit Wasser gefüllte Kubikeinheit nehmen, die Gewichtseinheit nach dem Zehnersystem von 1 bis 10000 abstufen, die Flüssigkeiten wägen, nicht messen und die Gewichte der Gase auf die Kubikeinheit des Wassers beziehen, so daß spezifische und absolute Gewichte durch die gleiche Gewichtseinheit ausgedrückt würden. Als Längeneinheit sollte das Sekundenpendel gelten, wie es Huygens bereits vorgeschlagen hatte. Statt des Sekundenpendels wurde später von der französischen Akademie der Wissenschaften das Meter gewählt. Schon 1783 brachte Watt dieses Maß- und Gewichtssystem französischen Gelehrten nahe, und da Watt mit Laplace, Monge, Berthollet und andern hervorragenden Franzosen Briefe tauschte, auch bei einem Aufenthalt in Paris persönlich mit ihnen verkehrte, so ist sein Verdienst um diese ideelle Einigung Europas nicht abzustreiten. Auch in dieser Hinsicht hat er fast buchstäblich »Werte umgewertet«.


Watt, Darwins Großvater und Goethe.

Wie hoch Watt seiner persönlichen Eigenschaften wegen auch von dem Großvater Darwins, dem Dichter und Arzte Erasmus Darwin, geschätzt wurde, der ebenfalls der Mondgesellschaft angehörte, geht aus einer Bitte E. Darwins hervor. Für seinen »Botanischen Garten« wünschte er eine von Watt geschriebene, kurze Geschichte der Dampfmaschine, soweit diese Geschichte von Watt selber gemacht worden war. Für die Vorgänger wollte Darwin selber etwas zusammenschreiben. Eine Stelle aus Watts Antwort auf diese briefliche Bitte ist für den Charakter des Mannes bezeichnend: »Bei dem, was ich Ihnen zu schicken gedenke, sollen Sie nicht befürchten, daß ich mich auf Rechnungen oder Mathematik einlassen werde. Meine Seele verabscheut beide und alle andern abstrakten Wissenschaften. Ich werde Ihnen einige Tatsachen mitteilen zur Erklärung einiger Warum und Weswegen, aber ich hoffe, Ihre Zeit nur mit zwei Quartseiten in Anspruch zu nehmen. Die Wahrheit zu sagen, obwohl ich nicht glaube, daß alle Ruhmsucht (vain glory) bei mir erstorben ist, so ist doch der Wunsch nach Ehre fast gesättigt; nichts bleibt jetzt übrig als das Verlangen nach Geld; es zu bekommen, kann ich mir gleichwohl nicht viel Mühe geben. Ich finde nämlich, es kann weder Gesundheit noch Glück kaufen. Deshalb würde ich meinetwegen mir nicht die Mühe machen zu schreiben, was Sie wünschen, aber ich kann mich nicht weigern, auf ein so ehrendes Ersuchen einzugehen. Doch verspreche ich[S. 52] Ihnen, es nur unter der Bedingung zu tun, daß Sie mir kein unmäßiges Lob zollen, wie Sie es letzthin taten, als Sie die Güte hatten, die Maschine im Druck zu erwähnen. Ohne mädchenhafte Schüchternheit zu erheucheln: — Sie machten mich in meinen eigenen Augen verächtlich, wenn ich bedenke, wieweit meine Ansprüche oder die der Dampfmaschine zurückblieben auf der Leiter menschlicher Erfindung — ich, der selber weiß, daß ich dem größten Teile erleuchteter Männer in den meisten Dingen nachstehe! Habe ich mich wirklich ausgezeichnet, so denke ich, es war durch Zufall und durch das Versehen andrer. Bewahren Sie die Würde eines Forschers und Geschichtsschreibers; melden Sie die Tatsachen und lassen Sie die Nachwelt richten. Verdiene ich es, so mögen einige meiner Landsleute, von Patriotismus begeistert, sagen: ‚Hoc a Scoto factum fuit‛ (dies wurde von einem Schotten geleistet).«

In Preußen lebte zur Zeit, da Watt seine Maschinen in Cornwall aufstellte, noch Friedrich der Große. Ihn machte der Geheimrat Gansauge, der auf seinem Kohlenbergwerk bereits eine Feuermaschine verwendete, auf die neue Erfindung aufmerksam, und der alte Fritz beauftragte seine Beamten, alles daran zu setzen, um den Bau der Wattschen Maschinen genau kennen zu lernen. Der Oberbergrat Waitz von Eschen und der Bergassessor Bückling wurden nach England gesandt, die Wattsche Maschine auszukundschaften.

England hatte damals Ausfuhrverbote erlassen und suchte seine Industriegeheimnisse durch hohe, auf ihren Verrat gesetzte Strafen zu schützen. Die preußischen Sendlinge mußten Arbeiter der Sohoer und andrer Werke aushorchen. Bückling soll sogar als Arbeiter in Watts Betrieb gelangt und so genauer Kenner seiner Maschinen geworden sein; schließlich habe er fliehen müssen, um schwerer Strafe zu entgehen. Auch der Freiherr vom Stein wird unter denen genannt, die sich das Werk in Soho besahen. Ein Jahr vor dem Tode des großen Königs wurde bei Hettstedt im Mansfelder Kreise eine einfachwirkende Wattsche Dampfniederdruckmaschine in Betrieb gesetzt. Danach wurden in Oberschlesien bei Tarnowitz Maschinen aufgestellt. Die erste ist wohl die, die wir aus der Eythschen Beschreibung kennen lernten. Goethe hat die Feuermaschine auf einer Reise durch Oberschlesien vielleicht nur an diesem Exemplar kennen gelernt; 1790 schrieb er in das Fremdenbuch, das den Besuchern der Feuermaschine in Oberschlesien vorgelegt wurde:

»Fern von gebildeten Menschen, am Ende des Reiches, wer hilft Euch
Schätze finden und sie glücklich bringen ans Licht?
Nur Verstand und Redlichkeit helfen; es führen die beiden
Schlüssel zu jeglichem Schatz, welchen die Erde bewahrt.«

Indessen war man nicht gerade durch Redlichkeit zu den Feuermaschinen gekommen; und die Schlesier haben sich bei Goethe beschwert, daß er sie »fern von gebildeten Menschen« nennt! Aber diese Zeilen beleuchten noch nicht das Verhältnis des Dichters zur Dampfmaschine oder zu Watt. Vielmehr nahm Goethe Interesse an einer kleinen Dichtung des Harfenmachers J. A. Stumpf, die unter der Überschrift »Der Kampf der Elemente« die Dampfmaschine verherrlichte. Goethe feilte die Dichtung durch und rückte sie in seine Zeitschrift ein, weil sie Zeugnis ablegt, wie mächtig poetische Gemüter von dem neuen Triumph menschlichen Geistes bewegt wurden. So seien diese Verse hier mitgeteilt, als Beweis, wie frühe schon die Poesie der Technik sich regte, die sich erst in jüngster Vergangenheit ein wenig Beachtung erobert, nachdem schon sogar im 16. Jahrhundert der Franzose Nicolaus Bourbon in lateinischen Versen eine Dichtung »Der Eisenhammer« verfaßt hatte (Ferraria, übersetzt und erläutert von Dr. L. H. Schütz, Göttingen 1895): —

»Gott sah, was er gemacht, und siehe, es war gut.
So schrieb ein Mann mit großem Geist und Mut.
Doch diese Lehre will der Welt nicht mehr behagen.
Der Zweifler macht bedenklich bittere Klagen.
Er ruft: Man werfe nur, nur einen flücht'gen Blick
In's Lebensspiel; was blickt man? Menschenglück?
Nein, Not und Tod und Elend sieht man hausen,
Die Elemente stets im Wechselkampfe brausen,
Und Sturm der Leidenschaft, die ewig Feindschaft brüten.
So murrt gar mancher trüb, raubt sich des Lebens Frieden!
Warum denn wurden wir so rund umgeben
Vom rohen Stoff, von Kräften aller Art?
Was will in unserer Brust das stete Streben,
Das sich mit ewig reger Neugier paart?
Gestalten soll der Herr die Erden?
Harrt hier nicht alles auf des Bildners Hand?
Ein Schöpfer soll der Mensch, wie Gott wohltätig werden?
Drum gab er ihm Stoff, Kräfte und Verstand.
So jener Mann, dem manches Werk gelungen,
Und dessen Geist nach Wahrheit stets gerungen,
Geprüft des Feuers, des Wassers Macht,
Kurz, der zuerst das Werk erdacht,
Wie durch der Elemente Kampf,
Des Feuers Wut, des Wassers Dampf,
Der Mensch Gewinn und nicht Verderben fand.
Die Wut des Feuers, des Wassers Macht
Ward von dem Künstler angefacht,
Er trennt durch eine dünne Wand
Die Feinde, die von Wut entbrannt.
[S. 53] Die Flammen an dem Kessel wüten,
In dem voll Zorns die Wellen sieden
Und streben, sich am Feind zu rächen,
Den starken Kerker zu zerbrechen.
Ein blanker Stab steigt magisch hoch empor
Vom Dampf verfolgt, durch ein gewaltig Rohr;
Im Nu stürzt in die heiße Flut
Ein kalter Strom, schreckt seine Wut;
Gleich sinkt der Stab — im Augenblick
Scheucht ihn der heiße Dampf zurück,
Der blanke Stahl steigt auf und nieder,
Belebt zum Streben alle Glieder
Nach einem Ziel, der große Bau
Folgt stets des Meisters Sinn genau —
Wie mancher tadelt nicht den Wunderlauf der Dinge
Und ungeprüft schilt, was er nicht versteht.
Der Forscher sieht entzückt, wie in der Wesen Ringe
Sich Teil und Ganzes stets im schönsten Bunde dreht.«

Daß Goethe an diesen Versen nicht achtlos vorüberging, sollte denen zu denken geben, die vom »öden Materialismus der Technik« reden und es nicht Wort haben wollen, daß hier nicht nur für den Kopf, sondern auch für das Herz etwas entstanden ist. Wenn Goethe im zweiten Teil des Faust seinen Helden die reinste und die höchste Freude empfinden läßt, als dem Meere Land abgerungen wird, so hat die Dampfmaschine bei der Entwässerung der Haarlemer Bucht in Holland gezeigt, wie Land im großen der See abgetrotzt werden kann. Damit begann die Dampfmaschine ja in Cornwall ihren Siegeszug um die Erde, daß sie innerhalb der Bergwerke das Land den Fluten der Schächte entriß.


Watts Lebensabend und Tod.

Im Alter von 63 Jahren hatte Watt noch die Aufregungen eines Patentprozesses zu durchkosten. Ein Jahr später erlosch der ihm gewährte Erfindungsschutz, und damit zog sich Watt ganz vom Geschäft zurück. Sein Sohn James und Boultons Sohn waren schon seit Jahren als Mitinhaber in das Geschäft eingetreten und bewährten sich zur Freude ihrer Väter. Boulton hatte sich auf Watts Ersuchen dazu verstanden, ihm statt des vertraglich zustehenden ⅓ die Hälfte des Reingewinns zu zahlen. So wurde Watt an seinem Lebensabend noch ein reicher Mann, auch seine Gesundheit besserte sich. Wie nach einem regnerischen und stürmischen Tage abends schließlich noch die Sonne hervorkommt und den Mann, der tagsüber stark geistig gearbeitet hat, hinaus ins Freie lockt, so gestaltete sich Watts Leben im ganzen: geistige Freuden bei stürmischen, widrigen Schicksalen, gegen Schluß aber Durchbruch sonnigen Friedens und Wohlstands.

Watts Vater war 75 Jahre alt geworden. Er selber brachte es auf 83. Natürlich sah er die meisten Freunde vor sich aus dem Leben scheiden: den rüstigen Boulton, der 1809 starb, Erasmus Darwin und Black, Robison u. a. Von seinen Kindern überlebte ihn nur der Sohn James aus erster Ehe, der 1848 kinderlos starb. Damit endigte die männliche Linie der Familie Watt, die sich von dem Mathematikprofessor ableitete, dessen Vater noch als Pächter bei Aberdeen in Schottland gesessen hatte. Aus der ersten Ehe waren Watt zwei Kinder in jugendlichem Alter gestorben, ein Kind wurde totgeboren. Aus der zweiten Ehe starben erst eine Tochter an einem Lungenleiden, dann ein herrlich aufgeblühter, mit allen Gaben des Körpers und Geistes ausgestatteter Jüngling ebenfalls an Schwindsucht. Für den greisen Erfinder war es ein schwerer Schlag, an tückischem Leiden einen Sohn hinsiechen zu sehen, von dem die höchsten Leistungen zu erwarten waren. Sein Sohn James hatte eine Zeitlang in der französischen Revolution eine Rolle gespielt. Soll er doch ein Duell zwischen Danton und Robespierre vereitelt haben, von Robespierre aber dann als englischer Spion verdächtigt, in tosender Versammlung den Verleumder zur Seite gestoßen und sich glänzend vom Verdachte gereinigt haben. Vor dem Haß Robespierres mußte er dann fliehen. In England wurde er von Burke als Jakobiner denunziert, vom selben Burke, der einst gegen Watts Patent gearbeitet hatte. Der alte Watt war einige Zeit in großer Sorge über das Schicksal des Sohnes. Offenbar aber hatte James doch Temperament und Anlagen. Wir wollen nicht verfehlen, dies hervorzuheben, denn es ist sehr selten und fast nur in Mathematikerfamilien nachzuweisen, daß vier Generationen oder mehr in gerader Linie immer tüchtige, den Durchschnitt überragende Leute hervorbringen.

Auf seinem Landgute in Heathfield bei Birmingham hatte sich der greise Erfinder eine Schmiede und Werkstatt hergerichtet, und bis ins letzte Jahr hinein beschäftigten ihn allerlei Erfindungen, zumal die oben erwähnte Skulpturkopiermaschine. Alljährlich reiste er einmal[S. 54] nach London, dort an den Schaufenstern und besonders den Buchläden sich freuend, zugleich wahrnehmend, wie seine Dampfmaschine die Welt allmählich umgestaltete. Im Jahre 1802 unternahm er eine Reise nach Belgien, den Rhein hinauf und nach Frankfurt a. Main, dann über Straßburg nach Paris. Kleinere Reisen durch Englands schönste Gegenden brachten Abwechslung in das Leben des Mannes, dem ein Freund nach dem andern im Tode voranging. Daß Watt ein wenig unter dem Pantoffel stand, überliefert uns sein Biograph Smiles. Watts Frau, die Färberstochter, hielt mit militärischer Strenge auf Sauberkeit. Ihren Mann durfte sie im Arbeitskostüm nicht zu Gesicht bekommen. Seine Schnupftabaksdose schloß sie weg, wo immer sie ihr in die Hände fiel. Um des lieben Friedens willen und als weiser Mann fügte sich Watt dem gestrengen weiblichen Regimente. Waren abends Freunde bei ihm zu Gast, so erwartete seine Frau, wenn sie sich aus dem Speisezimmer zurückgezogen hatte, daß er bald nachfolgte. Geschah es nicht, so kam ein Diener und drehte das von Murdock erfundene Gaslicht ab. Und der große Erfinder fügte sich lächelnd: »Wir müssen gehen!« Dafür aber war er in seiner Werkstatt in eignem Reich, und er soll sich dort auch oft Essen gekocht haben, um ungestört bei der Arbeit bleiben zu können. Vielleicht aber lag die hausfräuliche Strenge in Watts eigenstem, gesundheitlichen Interesse.

Im selben Jahre, in dem der erste Dampfer, die Savannah, teilweise noch mit Segelbenützung, den Ozean von Amerika nach Europa durchkreuzte, starb Watt, am 19. August 1819. Seine Geisteskräfte waren ihm bis ans Ende erhalten geblieben. Dankbar segnete er das Leben, das ihm soviel Freude bereitet habe. Ohne schweres Leiden verschied er nach kurzer Krankheit. Neben Boulton wurde er in der Handsworth Church bei Heathfield beigesetzt. Nicht weit davon wurde auch der treue, nie versagende Murdock, der ebenfalls ein hohes Alter erreichte, zur Ruhe bestattet.

Wir wollen nicht lang und breit erzählen, welche Ehren dem großen Erfinder von Gelehrten- und andern Gesellschaften erwiesen wurden. Auch nur erwähnen wollen wir die Aufstellung von Watts Büste in der Westminsterabtei unter den Helden des Krieges, der Dichtung und Wissenschaft. Die von Lord Brougham verfaßte Inschrift feiert den Erfinder als den Mann, der die Hilfsquellen seines Landes erweiterte und die Kraft des Menschen vermehrte. Statt uns aber auf solche Ruhmeshymnen einzulassen, die dem Erfolge oft genug auch da nachtrotten, wo das Verdienst kaum zulänglich ist, wollen wir von Watt lieber damit Abschied nehmen, daß wir uns noch einige seiner Aussprüche merken, damit nicht nur durch sein Werk, sondern auch durch sein Wort der große Mann noch in unsrer Erinnerung lebe. Vielleicht sind es besonders drei Äußerungen Watts, die man sich mit Nutzen merken kann:

Without a hobby-horse, what is life: Ohne ein Steckenpferd, was ist da das Leben?

Nature can be conquered, if we can but find out her weak side: Die Natur kann besiegt werden, wir müssen nur ihre schwache Seite finden.

It is a great thing to know what to do without: Es ist wichtig zu wissen, ohne was man etwas machen kann!


[S. 55]

Auf den Gebieten der freien und angewandten Kunst, der Literatur, des Theaters usw. haben wir in Deutschland eine ganze Reihe von Sammelwerken, die in Einzeldarstellungen schildern, was daraus dem Gebildeten zu wissen notwendig ist. Für die Industrie und die Technik, die bestimmenden Faktoren unserer Zeit, fehlen derartige Werke noch vollkommen. Und doch bezeichnet sich unser Jahrhundert selber mit eherner Stimme als

das Jahrhundert der Technik

Ist es da nicht die Pflicht jedes Gebildeten, sollte es nicht das eifrige Streben jedes wahrhaft modernen Menschen sein, dies Jahrhundert in seinem innersten Fühlen verstehen zu lernen? Man wird die Frage selten verneinen, aber man wird meist hilflos dastehen, wenn man diese Erkenntnis in die Tat umsetzen will, weil es keinen kundigen Führer gibt, der hier die Wege weist. Solche Führer

braucht

also unsere Zeit ebenso wie Führer für die Reise nach fernen Ländern.

Führer in die deutsche Industrie u. Technik

wollen nun die Bände sein, die wir unter dem Sammeltitel »Deutsche Arbeit« im Anschluß an unsere »Technischen Monatshefte« herausgeben.

Berufene Fachleute sollen in diesen Bänden darstellen, was sie von ihrem Spezialgebiet für allgemein wissenswert halten. Reiche bildliche Darstellungen werden den Text ergänzen.

Als erster dieser Führer erschien:
J. Kollmann,
Die Großindustrie des Saargebiets.

Mit 1 Karte und 50 Abbildungen, geh. M 2.—, geb. M 2.80.

Demnächst werden sich anschließen:

Die deutsche Schmuckindustrie.
Das rheinisch-westfälische Industriegebiet.
Deutsche Werftbetriebe.
Deutsche Porzellanfabriken.
Der oberschlesische Industriebezirk.
Deutsche Glashütten.
usw. usw.

Der Preis der einzelnen Bände wird je nach Umfang und Ausstattung M 1.— bis M 2.— für das geheftete, M 2.— bis M 3.— für das gebundene Exemplar betragen. So wird auch dem Minderbemittelten die Anschaffung möglich sein und jeder wird sich hier Kenntnisse verschaffen können, die praktisches Wissen darstellen, das sich im Lebenskampf jederzeit nutzbar machen läßt.

[S. 56] In unserer Sammlung

Lebensbilder
aus Industrie und Technik

erschien als erster Band

Max Eyth

ein deutscher Ingenieur und Dichter

Eine biographische Skizze, mit Proben aus
seinen Werken und vielen Abbildungen

von

Dr. Georg Biedenkapp

Abnehmer des Jahrgangs 1910 der Technischen Monatshefte
erhalten den Band kostenlos.

Ladenpreis kart. M 1.—, in hübschem Leinwandband M 1.80

In Vorbereitung befinden sich als weitere Bände der Sammlung

George Stephenson
Alfred Krupp
Leonardo da Vinci
Morse und Reis
John Ericsson

usw. usw.

Die Abonnenten der »Technischen Monatshefte« erhalten die einzelnen Bände jeweils kostenlos oder zu sehr ermäßigten Preisen.

Verlag der »Technischen Monatshefte«

(Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart)


Anmerkungen zur Transkription

Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen gebräuchlich waren, wie: Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert.
Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen: