Title: Ein Diwan
Author: active 12th century ha-Levi Judah
Translator: Emil Bernhard
Release date: February 6, 2020 [eBook #61327]
Language: German
Credits: Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed
Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This book was
produced from images made available by the HathiTrust
Digital Library.
JEHUDA HALEVI
Übertragen und mit einem Lebensbild
versehen von Emil Bernhard
ERICH REISS VERLAG / BERLIN
1921
I. | Gott: | |
Du Quell des wahren Lebens | 10 | |
Wenn die Sterne sich entzünden | 10 | |
Du, Seele, willst ins Vaterhaus | 11 | |
Mein Leib und Leben | 12 | |
Um sein Antlitz alle Frommen flehen | 14 | |
Gottes Hand wird dich beschatten | 15 | |
Zu dir steht all mein Sehnen | 15 | |
Hin nach meines Lebens Quelle | 18 | |
Wenn du allein des Herren harrst | 19 | |
Halt, o Herz! Wer darf sich wagen | 20 | |
Knechte der Zeit: – Knechte der Knechte! | 22 | |
Tag und Nacht will ich den Herren loben! | 22 | |
Jugend ist wie leichte Flocken | 23 | |
Mein Gott, ich will dich ehren | 24 | |
Bevor du mich geschaffen | 27 | |
Ruhig, ruhig, liebe Seele! | 28 | |
II. | Israel: | |
Wahrheit, ich liebe dich aus ganzer Kraft | 30 | |
Sonn’ und Mond im Wechsel der Geschlechter | 30 | |
Sei stark und harre deiner Zeit! | 31 | |
Seit du das Heim der Liebe bist | 32 | |
Entfessle deine rechte Hand | 32 | |
In deinem Lichte schläft aller Glanz | 33 | |
In deinem Haus zu ruhen | 34 | |
Fauler, wirst du nicht erröten? | 35 | |
Es blieben die Wunder, die herrlichen, fort | 36 | |
III. | Liebe: | |
Ofra wäscht ihre Kleider | 40 | |
Ich wiegt’ auf dem Schoße | 40 | |
Was drängt ihr mich also | 40 | |
Abschiedsverse: | ||
Mein Lieb, wir müssen uns schicken | 41 | |
Gedenke der Tage liebender Lust | 42 | |
Ein Meer von Tränen zwischen uns rollt | 42 | |
Ach, daß ich einst in dunklen Grabesräumen | 42 | |
Du hast einen Mord begangen | 42 | |
Willst du wirklich meinen Tod? | 43 | |
All’ meine Tränen blieben | 43 | |
Zwischen Bittre, zwischen Süße | 44 | |
Aller Reichtum dieser Welt | 44 | |
Der Frauen Ehre ist ihr edles Tun | 44 | |
Viel tausend Garben stehen | 44 | |
Unter deinen leichten Füßen | 45 | |
Deine Stimme hör’ ich nimmer | 45 | |
Mein Herz wird bitter | 45 | |
Wach doch auf aus deiner Ruh | 45 | |
Wie die Sonne über Sphären schreitet | 46 | |
Zum Ruhme der Braut: | ||
Das Silber läßt sich gründen | 46 | |
Was wendet sie sich allerwärts | 46 | |
Dein Gesicht voll Rosen eine Küste | 47 | |
Wie zwei Abendwölfe fahren | 47 | |
Keine Nacht besteht vor ihrem Lichte | 47 | |
Zeigte Liebchen mir die Wangen | 48 | |
Liebe Sänger, singt den Trauten | 48 | |
Was geht noch auf die Sonne | 51 | |
Mög’ des Paares holder Bund | 52 | |
IV. | Freundschaft: | |
Fein sänftlich, Freund, bin nicht von Erz | 54 | |
Sehnt sich deine Seele noch | 54 | |
Viele schon in meinem Herzen schufen | 56 | |
Wir kennen Abschied, dich von alten Tagen | 57 | |
Ist’s der Myrrhe zartes Düften? | 61 | |
Dieser Schlummer möge währen | 61 | |
Trank die Erde wie ein Kindlein | 62 | |
V. | Leben, Leiden, Dichten: | |
Eine Taube schluchzt vom Zweige | 68 | |
Sie besuchten mich im Traume | 72 | |
Und als nun alle war mein Gold | 73 | |
Siehe, Menschensohn, siehe | 73 | |
Kann dich Reichtum locken, Herz? | 73 | |
Freue dich vor deinem Nächsten | 74 | |
Weh der Kunde, die im Ohre gellt | 74 | |
Du meinst, das Dichten sei mir ein Beruf? | 75 | |
Nimm dieses Lied aus deines Freundes Hand! | 75 | |
Seh’ ich, wie Narren | 76 | |
Augen auf, mein Liebster traut | 76 | |
Zwei Rätsel | 76 | |
VI. | Zion: | |
Zion, willst du nimmer wieder (Zionide) | 80 | |
Im Orient ist mein Herz, im Okzident | 85 | |
Komm mit mir gen Zoan | 85 | |
Es war ein Tag so sehnsuchtsvoll | 86 | |
VII. | Das Meer: | |
Der Sturm | 88 | |
Holder Zephyr, deiner Lüfte | 93 | |
Kommt die große Flut mit einem Mal? | 95 | |
VIII. | Letzte Tage: | |
In Aegypten | 98 | |
Hat die Zeit das Kleid des Leides | 98 | |
Wollt ihr Liebes mir vergelten | 99 | |
Dein Wunder geht durch alle Zeit | 100 | |
Jehuda Halevi, seine Zeit, sein Leben und sein Schaffen | 101 | |
Quellennachweis | 139 |
Du Quell des wahren Lebens,
Wie lauf’ ich nicht nach dir?
Hab’ alles aufgegeben;
Das irre, wirre Leben,
Was ist es mir?
Nur dich, nur dich zu schauen,
Sehnt meine Seele sich:
Vor dir nur will ich beben,
Kenn’ keine Kraft im Leben
Als deine, Herr, als dich.
Könnt’ ich im Traum dich finden,
Wie gerne schlief ich ein:
Wollt nimmer auferstehen,
Nein, schlafen, träumen, sehen –
Und stille sein.
Könnt’ dich im Herzen schauen
Dein armes Erdenkind: –
Hätt’ ich dich nur da drinnen,
So jauchzte all mein Sinnen
Und gerne wär’ ich blind!
Wenn die Sterne sich entzünden,
Spür’ ich wieder Sommertage:
Gartenpracht in Waldesgründen,
Paukenschlag und Flötenklage.
Wieder kehrt zum Arm die Spange,
Goldener Ring, er kehrt zum Ohre,
Gottes Haus, daß es empfange,
Oeffnet meinem Haus die Tore.
Alle meine Pforten münden
Wieder ein in seine Pforte,
Und aus tiefsten Herzensgründen
Kehr’ ich heim zu meinem Horte.
Ach, da läßt denn meine Seele
Jubelnd seinen Namen klingen: –
Und sein Ruhm in meiner Kehle,
Und mein Mund beginnt zu singen!
Du, Seele, willst ins Vaterhaus,
Im Traume schwingst du dich zur Höhe:
Kein Traum nimmt dir dein tiefes Wehe,
Dein Heimweh aus der Brust heraus.
Der Traum vergeht, dir bleibt die Qual,
Die Liebesqual, ihn zu erflehen
Und dennoch fern ihm zu vergehen,
Weil sich verhüllt sein heller Strahl.
Und doch vergehst du nicht zum Tod,
Allein zum freudigen Erheben,
Denn nicht zum eitlen Wahn, – zum Streben
Sandt’ in die Welt dich sein Gebot.
Du gingst und brachst im Lebensgang
Der Weisheit Siegel auf und Quellen,
Und tief hinab in ihre Wellen
Dein durstig heißes Auge sank.
Und sank hinab und sog sich ein
Die Weisheit, die du dir erkoren,
Und der du hundertmal geschworen:
– „Ich laß dich nicht! Ich bleibe dein!“
All meine Gebeine sprechen:
Herr, wer ist wie du?
Mein Leib und Leben
Das stammt von dir,
Durch dich sich regen
Die Glieder mir;
Mit Herzensgaben,
Mit Lied und Sang
Sie zu dir dringen
Und opfernd bringen
Sie meinen Dank.
Es kam die Seele
Aus deiner Hand,
Der Wimper Leuchten
Aus deinem Land;
Aus deinem Rätsel
Mein Sinnen quoll,
Vor mir als Zeichen
Stehst ohne Gleichen
Du wundervoll.
Wenn meine Liebe
Dich ruft im Schmerz,
Dich findet sicher
Mein tiefstes Herz.
Doch jedes Sinnen
An dir sich bricht:
Der Brust Gedanken,
Der Träume Schwanken
Ermißt dich nicht.
Für uns bereitet
Ein Banner steht,
Dem, der dich sucht
Ein Wimpel weht.
Du bist den Treuen
Nimmer versteckt,
Nur, ach, die Sünde
Mit dunkler Binde
Das Auge deckt.
Um sein Antlitz alle Frommen flehen,
Alle wollen seine Gnade sehen,
Seiner Liebe jungen Regenguß;
Ist er selbst auch in den fernsten Weiten,
Steht uns seine Liebe doch zur Seiten,
Seiner großen Werke Ueberfluß.
All sein Licht zu sehn, sind alle trunken;
Aber finden sie den kleinsten Funken,
Zittert schon ihr armes Herze ganz.
Müssen seinem Reiche sich ergeben,
Seinen Namen müssen sie erheben,
Und in diesem Namen selig leben, –
Selig preisen seinen Glanz.
Gottes Hand wird dich beschatten,
Wird dir Decke sein und Hülle,
Wenn in Redlichkeit und Stille
Du dich birgst in seinem Schatten.
Nimmer wird dein Fuß ermatten,
Deine Hand bleibt stark hinieden:
Suche, Seele, nur den Frieden,
Frieden wird er dir erstatten.
Zu dir steht all mein Sehnen,
Wenn auch die Lippe schweigt:
Nur einmal möcht’ ich werben
Um deine Gunst und sterben,
Wenn sie sich mir geneigt.
Nimm meinen Geist zu Händen:
Ich schliefe fröhlich ein!
Ach, ohne dich mein Leben
Ist Tod, doch du kannst geben:
Mein Tod wird Leben sein!
Nur weiß ich nicht zu beten,
Wie ich wohl beten soll:
Lehr’ mich, wie man dich findet!
Wenn mich die Torheit bindet,
Erlös’ mich gnadenvoll!
Lehr’ mich, das Haupt zu beugen,
Solang mein Herz es faßt:
Verwirf mich nicht auf Erden,
Damit ich nicht muß werden
Mir selber eine Last!
Damit der Tag nicht komme,
Wo alles auf mich drückt,
Und gegen alles Trutzen
Mein Herz sich ohne Nutzen
Nun bücken muß und bückt!
Daß mein Gebein dann welkte
Und trüg’ mich nimmer fort,
Und ich dann wandern müßte
Zu einer andern Küste,
Zu meiner Väter Ort. –
Ein armer Wandrer wall’ ich
Hin übers Erdenrund.
Bin fremd auf allen Steigen,
Mein ganzes Erb’ und Eigen
Liegt drunten in dem Grund.
Bis jetzt sorgt meine Jugend
Noch für ihr Erdenteil:
Wann endlich kommt der Morgen,
Da meine Seele sorgen
Wird für ihr Seelenheil?
Die irdische Beschwerde,
Die Gott ins Herz mir gab,
Mich so in Ketten brachte,
Daß nie ans Ende dachte
Mein Herz und übers Grab.
Wie kann sein Knecht ich heißen,
Ich, aller Lüste Knecht?
Wie kann ich höher streben?
Schon morgen muß ich leben
Mit Bruder Wurms Geschlecht.
Kann ich denn Festtags lachen?
Weiß ich, was morgen ist?
Der Tag, die Nacht, die Stunde
Verfolgen mich wie Hunde
Und fällen mich mit List.
Mein Geist verweht im Winde,
Mein Leib fällt in den Sand:
Ich muß es schweigend tragen,
Die Triebe selber jagen
Mich ja ins Totenland! –
Was bleibt mir noch im Leben
Als deine Gunst allein?
Willst du mein Teil nicht bleiben,
Was soll ich hier noch treiben?
Wo wird mein Teil dann sein?
Ich hab’ nicht gute Werke,
Ganz nackt und bloß ich bin:
Nur dein gerechter Willen
Kann wie ein Mantel hüllen
Den makelvollen Sinn.
Was soll ich noch erbitten
Von dir, mein einz’ger Hort? –
Was soll ich noch erwähnen?
Zu dir steht all mein Sehnen:
Das ist mein letztes Wort.
Hin nach meines Lebens Quelle
Immer mich mein Sehnen trage,
Bis mich an des Grabes Schwelle
Niederlegen meine Tage.
Möcht’ die Seele weise werden!
Heut noch hascht sie nach dem Winde:
Und ist doch mein All auf Erden,
Priesterteil und Angebinde.
Möcht’ mein Herz sich wach erweisen,
Fröhlich auf das Ende sehen:
Jener Tag mag Schlummer heißen,
Doch er ist ein Auferstehen;
Wenn du allein des Herren harrst,
Was ängsten dich die Zeiten?
Lebt er in deiner heißen Brust,
All irdisch Leid, all irdisch Lust,
Was kann es dir bedeuten? ...
Doch nein, du liegst im dunklen Grab
Und willst es nicht erkennen,
Du liegst in deiner Sinne Nacht
Und kannst – kein Licht im finstern Schacht –
Nicht Gut und Böse trennen.
Es kommt der Tod: So wähle doch
Des wahren Weges Breite!
Ach, Seele, geh doch geradezu,
Was irrst und läufst und taumelst du
Zur recht’ und linken Seite?
Die Wahrheit wähle! Tu es, tu’s!
Denk, wie die Zeiten lügen!
Laß dich nicht irren dort und hie,
Betrüge sie, betrüge sie,
Bevor sie dich betrügen.
Halt, o Herz! Wer darf sich wagen
In des Herzenwägers Haus?
Hüte dich, den Blick zu tragen
In sein dunkles Reich hinaus.
Wagtest du das frevle Abenteuer,
Griffe dich ein flammenwildes Feuer.
Lasse ab, dir zu erzwingen
Seiner Rätsel dunkle Welt,
Denn du hast kein Recht, zu dringen
In die Tiefe, die ihn hält:
Fort mit dir aus seinen ew’gen Hallen,
Denn du darfst nicht unter Engeln wallen!
Ihm befiehl du deine Wege,
Daß er dir zur Seite bleibt,
Ihm vertraue deine Stege,
Wenn es dich ins Irre treibt!
Mag dich Lust betören, Leid berühren:
Er wird dich im rechten Gleise führen.
Walle nicht die ird’schen Ziele,
Gottes Zielen walle zu!
Fürsten sind auf Erden viele,
Doch nur einem diene du!
Alle andern sind nur Knechtesknechte,
Ihre Launen bleiben ihre Mächte.
Einer nur, ein Ruhmesreicher,
Nimmt dich an die ew’ge Brust,
Trägt dich, ach, in wunderweicher
Vaterhand zur höchsten Lust:
Lerne eitlem Freundesrat entsagen,
Lasse dich in seinem Lichte tragen!
Er sei: deiner ersten Ernte
Erste Frucht, dein höchstes Fest!
Wenn die letzte sich entfernte,
Dann sei er der letzte Rest:
Deine Reue werde zum Altare,
Werde deiner Sinne Flammenbahre!
Jedem ist er ein Berater,
Der in seiner Nähe wacht,
Aber dem auch bleibt er Vater,
Der die letzte Reise macht.
Frage nicht und lass dich nicht verführen,
Lausche still an seinen letzten Türen!
Knechte der Zeit: – Knechte der Knechte!
Aber der Freie, der einzig rechte,
– Auch ein Knecht – dienet dem Herrn.
Wähle sich jeder sein Teil!
Mein Teil aber und Heil
– Spricht mein Herz – bleibet der Herr.
Tag und Nacht will ich den Herren loben!
Seiner Gnade Antlitz ließ er leuchten,
Fenster brach er aus an Himmelswänden,
Sonnen gab er, die uns Strahlen spenden,
Strahlen, die die Finsternisse scheuchten.
Doch er gab mir mehr: Von seinem Glanze
Gab er mir, ich hab es froh genommen;
Durfte seines Geistes Regen spüren,
Ließ mich gern auf lichten Wegen führen,
Wegen, die vom Sinaï gekommen.
Jugend ist wie leichte Flocken,
Bald verweht vom ersten Wind;
Sieh auf deine schwarzen Locken!
Hast du es noch nicht vernommen?
Weiße Boten angekommen:
Und du schläfst, mein Weltenkind?
Vöglein schüttelt sich am Morgen
Von dem nächt’gen Silbertau;
Also schüttle ird’sche Sorgen,
Liebe Seele, dir vom Flügel,
Steige über Strom und Hügel
Lerchengleich ins Himmelblau.
Freiheit wirst du droben finden
Von dem Brausestrom der Tage:
Liebe Seele, darum jage
Hinter Gottes Spuren dicht,
Und im stillen Kreis von allen
Seelen, die zum Herren wallen,
Walle hin zum ew’gen Licht.
Mein Gott, ich will dich ehren
Und dein gerechtes Tun:
Nur einmal braucht’ ich hören
Und glaube alles nun.
Nicht fragen und erproben
Will dich dein Erdensohn:
Du großer Bildner droben,
Darf meistern dich der Ton?
Ich hab’ dich manche Stunden
Gesucht an manchem Ort,
Ich habe dich gefunden
Als Burg und Felsenhort.
Du, der in klarem Feuer
Dies Erdentum erhellt
Und unverhüllt vom Schleier
Durchstrahlt die schöne Welt.
Sieh, alle Himmel preisen
Dein Licht und deine Pracht,
Da sie in ihren Kreisen
Sich beugen deiner Macht;
Die Engel, die da schweben
Durch Feuer und durch Flut,
Sie jauchzen und erheben
Zu dir die heil’ge Glut.
Zu dir, der alles führet,
All diese Welten trägt,
Und keinen Arm doch rühret
Und keine Hand bewegt!
Du, dessen Wunderwalten
Die Höh’ und Tiefe hält
Und heiliger Gestalten
Geheimnisvolle Welt.
Wer kündet uns das Weben,
Das alle Wolken treibt?
Das tiefverhüllte Leben,
Das ewig droben bleibt?
Und doch will er sich neigen
Dem Kinde dieser Welt
Und läßt sein Leuchten steigen
Hinab aufs Erdenzelt.
Und läßt vor Seheraugen
Sein ganzes Bild erstehn;
Sonst mochte nie ihm taugen,
Daß Menschen ihn ersehn.
Was nie sich wollt’ gestalten,
Sein Bildnis oder Maß, –
In königlichem Walten
Prophetenauge sah’s.
Die ungezählten Werke,
Wer zählt sie alle vor?
Heil dem, der seine Stärke
Zu gründen sich erkor!
Heil dem, der all sein Hoffen
Auf ihn allein gelegt,
Ihn, der die Welt so offen
In seinen Armen trägt!
Heil, wer mit heil’gem Bangen
Ihn fürchtet und bekennt
Und dankbar im Empfangen
Sein Recht auch Recht benennt!
Wirkt er für seines Knechtes
Glück und Gedeihen doch:
Es kommt ein Tag des Rechtes
Dem großen Gotte noch!
O zittre du und denke
Und lerne wachsam sein:
In dein Geheimnis senke
Dein ganzes Sinnen ein!
Woher bist du gekommen?
Wo ist dein Grund gelegt!
Wer hat dich einst genommen?
Wer hegt dich und bewegt? –
Bevor du mich geschaffen,
Hast du mich schon gekannt,
Ich weiß, du wirst mich halten,
Solang dein Geist wird walten
In meiner Seele Land.
Kann gehn ich, wenn dein Winken
Mich an die Stelle zwängt?
Kann ich denn bleiben stille,
Wenn mich dein heil’ger Wille
Mit Mächten vorwärts drängt?
Was kann ich denn noch sagen?
Mein Denken ist bei dir:
Was ist denn all mein Wandeln,
Was ist mein Tun und Handeln,
Bist du nicht über mir?
Ich kann dich ja nur suchen;
Und du: – Zur Gnadenzeit
Erhöre mich in Milde,
Und mach zu einem Schilde
Mir deine Huld bereit!
Ruhig, ruhig, liebe Seele!
Wende dich zu Gottes Throne:
Ird’sche Throne lasse liegen;
Bist du erst emporgestiegen,
Stiegest du zu ew’gem Lohne.
Seele, gib dem Herrn die Ehre,
Beuge dich ihm froh und gern:
Droben unter Göttersöhnen
Singe mit in Jubeltönen
Deinem hochgelobten Herrn!
Wahrheit, ich liebe dich aus ganzer Kraft
Und tief aus meines Herzens Leidenschaft.
Dich liebt mein jubelnd aufgetaner Mund,
Dich meiner Brust geheimnisvollster Grund.
Du bist mit mir, wie kann ich einsam sein?
Du leitest mich, wie wandle ich allein?
Du bist mein Licht, wie könnte ich verblinken?
Und du mein Stab, wie könnt’ ich niedersinken?
Sie haben mich geschmäht, doch keiner wußte,
Daß Schmach um dich mir Ehre werden mußte.
Quell meines Lebens du, mein Leben lang
Gilt dir mein Preis, mein Lied, mein Sang!
Sonn’ und Mond im Wechsel der Geschlechter,
Tag und Nacht als ewge Wächter,
So steht ewig Jakobs Same;
Gottes Linke mag sie lassen,
Gottes Rechte wird sie fassen:
Ewges Volk, das ist und bleibt ihr Name.
Sei stark und harre deiner Zeit!
Was drängst du so, noch ist sie weit,
Was soll das wilde Bangen?
O bebe nicht und sei ein Held!
Und singe, siehst du doch mein Zelt
Bei deinen Zelten prangen!
Und wenn sie spotten, du sei still!
Und wenn du hörest ihr Gebrüll,
Laß es dich nicht bewegen:
Führ’ deine Herde sanft dahin,
Ich bin dein Gott, es ist mein Sinn,
Das Joch dir aufzulegen.
Ich bin es auch, der dich erhört,
Und der den Balsam dir beschert,
Da deine Wunden brennen.
Auch dank ich dir, wie du mich liebst,
Daß du mir all dein Sehnen gibst,
Erlöser mich zu nennen.
Seit du das Heim der Liebe bist,
Kehrt meine Liebe bei dir ein,
Und meiner Feinde Drang und List
Soll deinetwegen süß mir sein:
Sie mögen mich nur schrecken!
Sie lernten deinen Grimm von dir,
Sie jagten den, den du verjagt: –
Soll ich sie hassen denn dafür,
Der selbst sich nicht zu lieben wagt,
Da du ihn nicht mehr liebest?
Bis einst verwunden alle Qual,
Vorüber aller Stürme Macht,
Und du dem Volke deiner Wahl,
Das du erlöst aus mancher Nacht,
Erlösung wieder sendest.
Entfessle deine rechte Hand
Und sende sie hinab ins Land,
Daß sie dein Volk erfasse!
Ist sie zu kurz? Beherrscht denn dich
Das Schicksal ebenso wie mich
Und alle auf der Gasse?
Die Sonne braust in ew’gem Kreis,
Es steht der Mond auf dein Geheiß.
Dein Wort ist ihre Klammer.
Dein Wort nur ihre Ketten bricht,
Und all ihr Gold- und Silberlicht
Es ruht in deiner Kammer.
Da stehen sie in deinem Schein,
Die Sterne all, und harren dein,
Das sie dein Wille richte!
Und fühlen tief und fühlen ganz:
Von deinem Glanze ist ihr Glanz,
Ihr Licht von deinem Lichte.
In deinem Lichte schläft aller Glanz:
Dein Volk auf finstern Wegen reist,
Und ihrem Sehnen, lang gehegt,
Der Frevel in die Ferse beißt.
Doch still: Darüber leuchtet rein
Wie Sonnenglanz im Morgenschein
Das schönste Licht.
O Vater, um ihr wildes Haupt
Schling’ einen Schleier silberklar,
Und statt des armen Bettelkleids
Reich ihnen einen Purpur dar.
Gieß aus dein Licht zum zweitenmal
Wie einst am ersten Tag den Strahl:
Es werde Licht!
Hoch dein Panier den Wankenden!
Dein Engel schreite nun voran
Und lege den Erlösten bloß
Zum Siegeszug die freie Bahn!
O segne sie der Gnaden voll,
Doch in Verdammnis sinken soll
Des Lichtes Feind!
So wie ein Knecht nach Schatten lechzt,
Lechzt Israel: Erlös’ es nun!
Und ruf’ ihm zu: Wie lange noch
Willst du im düstern Hause ruhn?
Sag’ an, wie lang? Sag’ an, wie weit?
Auf, leuchte! Denn es kommt die Zeit:
Dein Leuchten kommt!
In deinem Haus zu ruhen,
Gibt es wohl süßre Rast
Dem Volk, in dessen Reihen
Du deine Ruhe hast?
Dich faßt nicht Himmelshöhe,
Die dich zu fassen wähnt,
Und wenn sie bis zum Horeb
Die ewgen Kreise dehnt.
Dein Weg, der ist so nahe
Und doch so fernehin:
Und alles, was du bildest,
Hat seinen Zweck und Sinn.
Selbst meiner Seele Trachten,
Das sendet mir mein Hort,
Und wenn die Lippe redet,
So ist’s ein Gotteswort.
Fauler, wirst du nicht erröten?
Schläfst bis in den Tag hinein?
Hörst du nicht aus tiefsten Nöten
Fremde Völker zu ihm schrein?
Schon mit ganzem Herzen dienen
Ihm, die nie ihn noch gekannt:
Und die ihm die Liebsten schienen,
Die verstecken sich im Land?
Auf, schon tagt es fern im Osten,
Auf, du Schläfer, aus der Ruh!
Fremde stehen auf dem Posten,
Und da träumest du? –
Es blieben die Wunder, die herrlichen, fort,
Gott Elijahus, wo ist dein Ort?
Wir hörten dein Wort, wir schrieen empor,
Schon tausend Jahre ist taub dein Ohr: –
Gott Elijahus, wo bist du?
Schloß Elijahu des Himmels Trauf’,
Riß Elijahu den Himmel auf:
Wasser und Feuer fiel von den Höh’n,
Karmel und Kison haben’s gesehn:
Gott Elijahus, wo bist du?
Sprach Elijahu zum Krügelein,
Setzte er quellenden Segen darein;
Ließ er den Toten vom Bette stehn:
Wer hat es gehört? Wer hat es gesehn? –
Gott Elijahus, wo bist du?
Spritzt’ Elijahu in feindliche Reih’n
Flammendes Feuer und Funken hinein,
Sechs Wochen fastet’ er Tag und Nacht, –
Dann haben die Raben ihm Brot gebracht: –
Gott Elijahus, wo bist du?
Fuhr Elijahu im Sturme auf,
Feurig raste der Räder Lauf:
„Vater, Vater!“ Elisa schrie,
Elijahu war fort, man sah ihn nie: –
Gott Elijahus, wo bist du?
Elisa blieb und ging fürbaß,
Er ging durch den Jordan und wurde nicht naß.
Die Männer sahen’s und staunten da:
Elisa wie Elijahu geschah. –
Gott Elijahus, wo bist du?
Elijahu ist fort, doch – – wir sind da,
Dulden und leiden ferne und nah;
Versprochene Zeichen neben uns stehn: –
Wann werden wir deine Wunder sehn?
Gott Elijahus, wo bist du?
Ofra wäscht ihre Kleider
In meiner Tränen Flut,
Ofra trocknet die Kleider
An ihres Auges Glut.
Ofra braucht keine Bronnen
Bei meines Auges Quell,
Ofra braucht keine Sonnen,
Denn ihr Auge ist hell.
Ich wiegt’ auf dem Schoße
Den Liebsten so schön,
Da sah er sein Bildchen
Im Auge mir stehn.
Der Schelm! Sieh, da küßt’ er
Mein Auge so wild:
Mein Auge nicht küßt’ er,
Er küßte sein Bild.
Das Mädchen spricht:
Was drängt ihr mich also,
Ihr Frager, ihr flinken,
Im Meere der Liebe
Da sollt’ ich versinken.
Der Knabe spricht:
Im Garten der Schönheit
Erwarbst du ein Land,
Das grenzenlos reicht
Bis zum ewigen Strand.
Und wolltest die Sterne
Zum Schmucke du han,
Sie sprängen dir gerne
Von himmlischer Bahn.
Gedenke der Tage liebender Lust,
Und ich will denken der Nächte:
Wie du mir ziehst durch die träumende Brust,
Auch ich, auch ich
Durch deine Träume möchte.
Ein Meer von Tränen zwischen uns rollt,
Ich kann nicht hinübereilen;
Doch wenn deine Liebe herüber wollt’,
– Die Wogen würden sich teilen.
Ach, daß ich einst in dunklen Grabesräumen
Den Ton des Glöckleins über mir erlauschte,
Das leise klingt an deinen Kleidersäumen!
Ach, daß ich noch im Tode mich berauschte,
Wenn du mich grüßt und fragst in meinen Träumen,
Und ich dann Gruß und Frage mit dir tauschte!
Willst du wirklich meinen Tod?
Ach, ich bete nur um Leben,
Um es jung und frisch und rot
Deinen Jahren zuzugeben.
Ach, du raubtest mir die Ruh’
Meiner Nächte, süße Fraue!
Leg’ sie dir auf deine Braue:
Schlummre, schlummre du!
All’ meine Tränen blieben
Im Feuer deiner Lust,
All’ deine Tränen zerrieben
Die Steine in meiner Brust.
Durch Feuer und Wasser zusammen
Schritt mein zitterndes Herz:
Das waren deine Flammen,
Das war mein weinender Schmerz.
Zwischen Bittre, zwischen Süße
Muß mein Herz sich jetzt bequemen:
Honig sind mir deine Küsse,
Bitter ist das Abschiednehmen!
Aller Reichtum dieser Welt
Ist mir eitel Trug,
Deiner Lippen rote Schnur,
Deiner Lenden Gürtel nur
Wäre mir genug.
All mein süßer Honig fließt
Dort, wo ich dich küßte,
Meiner Narde sich ergießt,
Alle meine Myrrhe sprießt
Rund um deine Brüste.
Der Frauen Ehre ist ihr edles Tun,
Doch alles Tun veredelt sich durch dich.
Viel tausend Garben stehen
Wohl in der Liebe Tal:
Vor deiner Garbe beugen,
Vor deiner Garbe neigen
Sich alle allzumal.
Unter deinen leichten Füßen
Heimlich süße Keime sprießen,
Balsamknospe, Myrrhenblüt’:
Möchte doch mein Leben glücken
Nur so lange, bis ich pflücken,
Sehen kann, wie alles blüht.
Deine Stimme hör’ ich nimmer,
Aber leise hör’ ich immer
Klingen wie ein fernes Grüßen
In den Tiefen meiner Seele
Deine Kettchen an den Füßen.
Mein Herz wird bitter,
Da es gedenkt: –
Noch hängt ja, hängt
An den Lippen die Süße,
Noch fühl’ ich die Küsse,
Die du mir geschenkt. –
Wach doch auf aus deiner Ruh;
Daß ich mich an deinem Bilde labe!
Träumest du von Küssen, süßer Knabe? –
Ich kann Träume deuten, du!
Wie die Sonne über Sphären schreitet,
Herrschst du in der Welt mit Kraft und Mut:
Deine Augen wilde Pfeile schießen,
Männerherzen Ströme Blutes fließen:
Mädchen, deine Pfeile treffen gut.
Wilde Blumen stehn in deinem Garten,
Rote Blumen, die das Pflücken wert:
Doch du stelltest zu des Gartens Schutze,
An die Pforte stelltest du zum Trutze
Hin das zuckende, das Flammenschwert.
Das Silber läßt sich gründen
Im Schachte des Gesteins,
Wer aber wollte finden
Ein Liebchen so wie meins?
Wie Städte fest verbündet
Mit Mauern und Gestämm:
Wie Tirza hochgegründet
Und wie Jerusalem!
Dein Gesicht voll Rosen eine Küste:
Meine Augen knicken sie;
Aepfel der Granate deine Brüste:
Meine Hände pflücken sie.
Hoch auf deinem Lippenpaare
Lodern wilde Feuerschlangen:
Meiner Küsse Feuerzangen
Reißen sie mir vom Altare.
Wie zwei Abendwölfe fahren
Aus des Waldes dunklen Nächten,
Also steigen aus den Haaren
Dir zwei rabenschwarze Flechten.
Doch da ist ein Licht, ein schnelles,
Von der Wange eingedrungen,
Und dein Antlitz steht wie helles
Morgenlicht in Dämmerungen.
Keine Nacht besteht vor ihrem Lichte,
Und ihr Licht erlöscht in keinem Dunkeln:
Leuchtet es im Tagesangesichte,
Wächst es an zu siebenfachem Funkeln.
Zeigte Liebchen mir die Wangen,
– Mitternächt’ge Stunde war’s –:
Um die zarten Schläfen hangen
Tief die Schleier ihres Haars.
Von Rubinen hell umgossen
Ihre frohe Wange war,
Und vom klarsten Licht umflossen
Schien die dunkle Locke gar.
Wie die Sonne, wenn im holden
Morgenstrahl die Flamme loht: –
Dunkle Wolken werden golden,
Dunkle Wolken werden rot.
Liebe Sänger, singt den Trauten
Holde Lieder zu den Lauten
In dem schönsten Wechselsang!
Singet den verhüllten Blicken,
Die verstohlen schaun und nicken
Durch des Fensters Seidenhang.
Sie, die Keuschen hinter Gittern,
Die da lernten von den Müttern
Rein zu halten Herz und Leib;
Und die doch mit Pfeilen spielen,
Kindlich mit dem Bogen zielen
Ahnungslosen Zeitvertreib.
Weh, geschossen und getroffen!
Klaffend steht die Wunde offen:
Ach, sie ahnten keinen Harm;
Sie, die nie an Schwerter rührten
Und als einz’ge Waffe führten
Ihren Alabasterarm.
Sie, die Schwachen, Müden, Süßen,
Die das Kettlein an den Füßen,
Allzu schwer das Ringlein drückt;
Deren Auge bei den Lasten
Ihrer seidnen Wimperquasten
Kaum ein stiller Aufschlag glückt.
Aber wenn es einmal blicken
Und empor zur Sonne schicken
Seine heißen Flammen wollt’,
Schwarz verbrennen in der Ferne
Würd’ an diesem Feuersterne
All der Sonne rotes Gold.
„Werde Licht!“ so spricht die Wange,
„Werde Nacht!“ die Lockenschlange
Dieser holdgeliebten Schar.
Ihre weißen Kleider hüllet
Licht der Liebe, Nacht erfüllet,
Leidesnacht ihr dunkles Haar.
O ihr Leuchten meines Lebens,
Ist mein Herz nicht eures Schwebens
Firmamentisch Himmelszelt?
Rollt ihr nicht in ew’gen Gleisen
Und in immer neuen Kreisen
Durch dies Herze, diese Welt?
Ach, ihr zarten, freudereichen,
Traubenschwerem Weine gleichen,
Wie er Zweig und Wurzel trägt!
Ach, ihr Lippen, Schönheitsboten,
Wie ihr eure doppelt roten
Polster um die Perlen legt!
Zürne, Herze, nicht den Kecken,
Wenn gar ihres Auges Necken
Falsch aus falschem Fenster schaut:
Diese Aepfel, wie sie hangen,
Diese Lilien auf den Wangen
Sind ein süßes Heilekraut.
Sieh den Wuchs gleich einer Palme,
Der gleich windbewegtem Halme
Lieblich seine Hüften wiegt!
Jedes Herze, mußt du wissen,
Kaum gefangen, schon zerrissen
Blutend ihr zu Füßen liegt.
Soll man sie nun schuldig sprechen,
Da sie nur, um sich zu rächen,
Gegen unsre Herzen gehn?
Für die Blumen, die wir Frechen
Täglich von den Beeten brechen,
Die in Wangenblüte stehn?
Auf, zum Richter will ich schreiten:
Seine Schwingen, seine weiten,
Sind der Weisheit Schutz und Hort.
Er, der über Tod und Leben
Richtet, soll die Antwort geben:
Still, er kündet Gottes Wort! – –
– – – –
Was geht noch auf die Sonne,
Was leuchtet sie uns noch?
Der Mädchen Allerschönste
Verdunkelte sie doch.
Magst, Sonne, du erröten
Vor ihrem holden Glanz,
Mag aus den Bahnen treten
Der Sterne lichter Kranz!
Was braucht die süße Taube
Noch eure hohe Welt? –
Sie macht die Myrtenlaube
Sich selbst zum Himmelszelt.
Mög’ des Paares holder Bund
Israel zum Segen frommen!
Tu’ das nächste Jahr uns kund,
Daß ein neuer Stern entglommen.
Daß in ihren Tagen dann
Froh man meinem Volke kündet: –
Des Erlösers Leuchte hat
Gott dir angezündet.
Fein sänftlich, Freund, bin nicht von Erz;
Zürnst du noch lang, so bricht mein Herz.
Bist du nicht Arzt? Was willst du noch?
Unheilbar Weh, du heilst es doch!
Trink Milch und Wein von meinem Mund,
Um Wein und Milch mach’ mich gesund.
Mein ganzes Herz ist dir bestimmt:
Greif zu, eh es ein andrer nimmt!
„Sehnt sich deine Seele noch
Nach der Jugend Borden,
Da die dunkle Locke doch
Lang schon weiß geworden?
Soll das Leben für den Rest
Dich noch lachen lehren,
Da es reichlich dir entpreßt
Bitterste der Zähren?
Täglich gibst den Scheidebrief
Du der Welt im Schmerze,
Aber täglich widerrief
Ihn dein schwaches Herze.
Ob sie dir ins Antlitz spie
Und verwarf dein Minnen,
Stets durch neue Gaben sie
Willst du dir gewinnen.
Schon die weiße Taube küßt
Dir den müden Scheitel;
Fort der Rabe, und noch ist
Jugend dir nicht eitel?
Sag’, wer soll die arme Brust
Wieder dir verjüngen,
Wird die lang verwehte Lust
Noch einmal gelingen?
Wer soll wieder deinem Fuß
Güldne Kettlein geben,
Deine Hand zum Freudengruß
Auf die Zimbel heben?“ – –
– So fragt mancher, aber bloß,
Wer das Aug’ nie kannte,
Das vom Westen, sonnengroß,
Mir sein Leuchten sandte.
Diese Sonne wird mich nicht,
Nimmermehr versengen,
Wird als Schmuck ihr Strahlenlicht
Um den Hals mir hängen,
Auge, auch dem Vollmond nicht
Gleichst du, fühlt der Dichter:
Der verliert sein mattes Licht,
Du wirst immer lichter.
Viele schon in meinem Herzen schufen
Sich ein Heim: – Du sollst der Beste sein;
Wird mein Herz dereinst die Freunde rufen,
Sein Berufener bist du allein.
Wenn ich über aller Sterne Schimmer
Dann das Herz erhebe zu dem Firn,
Find’ ich überm hohen Himmel immer
Höher noch und stolzer deine Stirn.
Dehnend dann, um deine Kraft zu fassen,
Dieses Herze weit und weiter dringt,
Bis es grenzenlos dahingelassen
Rauschend aus der Erdensphäre springt.
Staune nicht, ob meines Herzens Schoße,
Daß du ihn so tief, so groß empfandst:
Mich laß staunen, daß du dieses große,
Dieses Herze so erfüllen kannst.
Wir kennen Abschied, dich von alten Tagen:
Kein Strom so alt als wie der Strom der Tränen,
Und Unrecht ist’s, die Zeiten anzuklagen: –
Weh denen, die sie schlimm und schuldig wähnen!
Kein Falsch ist droben bei dem höchsten Wesen,
Die Sphären laufen nach gerechten Plänen.
Auch ist schon alles einmal dagewesen,
Die Hand des Herrn hat einmal nur geschrieben,
Und neues ist hienieden nicht zu lesen;
Wo seines Siegelringes Spur geblieben,
Da blieb es, wie es war, und alles Neue
Ist alt aus alter Zeit heraufgetrieben;
Man küßt sich nur, daß man sich wieder scheue;
Daß Völker sich aus einem Volk gebären,
Brach man in alten Zeiten sich die Treue;
Und wenn nicht jene alten Zeiten wären,
Da sich die Menschen trennten ohne Reue,
Die Welt wär’ menschenleer und öd’ geblieben.
Und andre Dinge gibt’s in diesem Leben,
Der eine nennt sie gut, der andre schlecht,
Fülle ist hier, doch Dürre liegt daneben;
Der eine hat dem Leben abgeschworen
Und wird zum Fluche gleich die Arme heben,
Dem Tage fluchen, der ihn einst geboren.
Demselben Tag, den andre wieder preisen,
Und dessen Stunden ewig unverloren
Hinrinnen ihm in lieblich frohen Gleisen.
Den jungen Lippen und den lebensroten,
Zu Honig werden ihnen alle Speisen,
Den Kranken wird im Honig Gift geboten;
Dem Kummervollen leuchten keine Sonnen,
Sein Aug’ schaut nie des Lichtes Wunderboten,
Und alle Helligkeit ist ihm verronnen; –
Mein Auge auch versank in dunklen Nächten,
Aus seinem Grunde brachen heiße Bronnen,
Als heute schied der Freund von meiner Rechten.
Ihm rann der Weisheit Quell vom roten Munde,
Es ruhte Gold in seiner Seele Schächten
Und Edelstein im allertiefsten Grunde.
Als ungezäumt noch seine Rosse standen,
Saßen wir Herz an Herz im trauten Bunde
Und froh in friedevollen Menschenlanden.
Zwei Mütter haben uns dem Licht gegeben,
Und doch wie Brüder uns die Menschen fanden,
Denn Liebe einte uns zum Zwillingsleben.
Auf grünem Hügel hat sie uns geboren,
Wir lagen an den Brüsten süßer Reben,
Als Wiege ward uns holder Duft erkoren. –
Nun denk’ ich dein auf ödem Hügelland,
Das gestern, da es dich noch nicht verloren,
In Blumenbeeten und in Düften stand;
Nun hängen heiße Tränentropfen nieder
Von meiner Wimper schwer benetztem Rand,
Und jede Träne hängt im Blute wieder:
Du bist dahin! – Nun stehn auf deinen Wegen
Wohl andre, singen auch wohl Friedenslieder,
Doch weiß ich, wie sie Krieg im Herzen hegen.
O fort mit ihnen! Ihre Zähne nagen
An ekler Speise, während Mannaregen
Und Süße einst auf deinen Lippen lagen.
Grimm und Glut den übermüt’gen Narren,
Die sich selbst für zehnmal weise halten
All in ihres Geistes dürren Sparren;
Ihre Götzen sind in ihren Hirnen
Reinster Glaube, doch als Zauber galten
Immer meines Glaubens klare Stirnen.
Wie sie sä’n und ernten ihre Gaben!
Wie sie jauchzen zu des Himmels Firnen,
Wenn sie leeres Stroh gedroschen haben!
Hört mich, Freunde, Neues will ich künden:
Meine Perlen will ich tief vergraben,
Lichter hab ich, die sie wiederfinden.
Aber wenn die Narren zu mir kommen:
„Zeig’uns doch den Schatz in deinen Gründen!“ –
Eine Antwort soll allein mir frommen: –
Vor die Säue nimmer kommt mein Gold,
In die Wüste – habt ihr wohl vernommen? –
Niemals meiner Wolke Regen rollt!
Fort mit euch! Ich brauche nicht die Zeiten!
Ach, als wenn die Seele brauchen sollt’
Ihres Leibes eitle Nichtigkeiten!
Ihr braucht mich, der Leib die Seele immer:
Halte er sie fest! Zum Sternenschimmer
Wird sie sonst, er selbst zur Tiefe gleiten!
Ist’s der Myrrhe zartes Düften?
Oder Duft vom süßen Moste?
Oder ist es in den Lüften
Myrtenduft auf leisem Oste?
Sind es Tränen, die ich schaue,
Tränen auf verliebten Wangen?
Oder ist’s im Morgentaue
Rosenkelches Silberprangen?
Ist’s die Laute im Verstecke,
Die ich leise spielen höre?
Oder hinter jener Hecke
Sind’s die Nachtigallenchöre? –
Oder ist das alles nur,
All die Töne, all die Lichter,
Des Erinnerns süße Spur
An den weitberühmten Dichter? – –
– – – – – – –
Dieser Schlummer möge währen,
Diese Träume mögen glücken:
Zu dem Fürsten will ich wallen,
Dem sich meine Garben bücken.
Dessen Gaben hochzupreisen,
Mund und Herz und Seele singen,
Und aus dessen Liederquellen
Meine eignen Lieder springen.
Denn von seinen Lieblichkeiten
Sind die meinen nur entwendet:
Zürn’ er nicht, daß all mein Sinnen
Sich in ihm erschöpft und endet.
Trank die Erde wie ein Kindlein
Gestern noch an Wolkenbrüsten
Winternaß auf allen Hügeln;
Eingeschlossen manches Stündlein
Träumte sie von Liebeslüsten
Wie ein Bräutchen hinter Riegeln.
*
Kühle Riegel keuschen Eises;
Doch die Träume alle flogen
Zu dem nächtlich süßen Spiele;
Aber als mit eins ein leises
Frühlingswehen kam gezogen,
War ihr Träumen schon am Ziele.
*
Wie ein hübsches Frauenzimmer
Täglich unter Scherz und Necken
Neu sich kleidet und bebändert.
*
Täglich andre Farben, Blüten:
Wie ein Mädchen, ein geküßtes,
Blaß und rot im Liebeswallen.
Farben, wie sie niemals glühten:
Wie gestohlner Schimmer ist es
Aus den ew’gen Sternenhallen.
*
Kommt zum Garten mit dem Weine,
Laßt uns seine Gluten nippen,
Die entflammt am Liebesglühen:
Schneekühl in des Kelches Scheine
Läßt er hinter roten Lippen
Erst die große Flamme sprühen.
*
Her die blitzenden Kristalle!
Schenkt ihn ein, den Saft der Wonne!
Trinken wir in vollen Zügen! –
*
Wandelnd nun im kühlen Schatten
Sehen wir im Sommerregen
Tränen auf der Erde Wangen;
Doch es freuen sich die Matten
Dieser Perlen allerwegen,
Die vom goldnen Halsband sprangen;
*
Freuen sich am Duft des Weines,
An der Schwalbe, an der Taube,
Die im Busche gurrt und flattert,
Wie ein Mägdelein, ein feines,
Hinterm Vorhang in der Laube
Heimlich kichert, leise schnattert.
*
Und im Wind die Myrte zittert,
Gibt dem Wind ihr zartes Düften,
Daß dem Freund er’s weitergebe.
*
Und die Vögel singen tausend
Lieder, und die Palmen mächtig
Rauschend ihre Zweige schwingen:
Hört mein Trauter, wie das brausend
Anhebt, und sich alles prächtig
Müht, ihm meinen Gruß zu bringen? – –
– – – – – – –
Eine Taube schluchzt vom Zweige: –
Wird mir bitter weh zumute,
Denn ich finde ihre Schmerzen
In mir selber, und mein Schicksal
Ist dem ihren zu vergleichen.
Weint sie übers Heimatnestlein,
Wein’ ich meines armen Volkes;
Weint sie über Scheiden, Meiden,
Meiner Brüder in der Ferne
Muß ich stöhnen; aber wenn sie
Schluchzt um ihre jungen Tage,
Heb’ ich selber an die Klage
Ueber aller Welt Vergehen.
Abgehaun sind meine Zweige,
Meine Wurzeln ausgerissen,
Wie man ihr die Flügel stutzte;
Allenthalben böse Fallen
Drohen meines Schrittes Eile
Wie die Sprenkel ihren Füßen;
Und den Jäger muß ich fürchten,
Wie sie selbst die flinken Pfeile.
Wahrlich, Pfeile schnellt das Leben:
Scheibe ward ich ihren Schützen,
Und sie treffen in mein Blut
Und vergießen meine Galle,
Und in meine Wunden alle
Werfen sie mir Gift und Glut.
Stützte mich der Adel nicht
Meiner unerschrocknen Seele,
Wär’ ich tot in dieser Fremde,
Diesem Lande, dessen Tage
Nächte sind und Todesschatten.
Aber sie, die edle Seele,
Steigt mir wie das helle Funkeln
Einer Sonne, die nicht wendet,
Nie sich neigt zum Abenddunkeln.
Soll ich mich vor Menschen fürchten,
Da in mir das stärkste Leben
Solcher Seele ist, vor deren
Mächten alle Mächte beben?
Soll ich vor der Sorge zagen,
Da ich aus der Weisheit Schächten
Kann mir Diamanten schlagen?
Hungre ich, sie reicht mir Früchte,
Quellen meinem Durste springen;
Einsam kann ich nimmer heißen,
Da mir ihre Harfen klingen:
Und mit Freunden Rede tauschen
Brauch’ ich nicht, kann ich nur lauschen
Ihrer Worte weisem Singen.
Sieh, in meines Griffel Schreiben
Lebt mir Lautenspiel und Harfe,
Und der Weisheit Schriften bleiben
Gärtlein mir und Paradies.
Redet nur zur Welt, zur schlimmen:
Mag sie tun, was ihr gefällt;
Härter doch als ihre Dornen,
Stärker ist mein starkes Herz.
Darf ich ihre Weine kosten,
Will ich auch die Hefen nippen,
Besseres verlang ich nicht.
Denn erprobt ist meine Seele:
Alle gift’gen Bitternisse
Werden Honig meinen Lippen.
Mag die Welt in harte Ketten
Zehnmal alle Seelen zwingen,
Zehnmal meine Seele retten
Will ich aus den Eisenringen;
Auf zu einem neuen Leben
Will ich aus der Knechtschaft dringen,
Will mich rein und frei entheben
Ihrem trümmerreichen Sturz.
Ihre Schönheit lockt mich nicht:
Mag sie ihre Lichter stellen
Flammend vor mein Angesicht,
Ihre Säle, ihre hellen,
Mögen andere berücken,
Mir sind’s Gräber, die ersticken;
Ihren Reichtum, ihren Schimmer
Laß ich gerne, so wie immer
Gern die Seele läßt den Leib.
Hat sie sich nicht selbst geschändet,
Und ich sollte sie erheben?
Da im Kote sie geendet,
Zögre ich, sie hinzugeben?
Schlecht geschlungen ist die Krone,
Die aus ihrer Hand entlehnte,
Und erröten unterm Hohne
Müssen alle, die sie krönte.
Doch es lebt in mir ein Glaube,
Den ich nimmer lassen werde,
Und ein Bund, den nimmer brechen
Meine starke Seele wird.
Auf ein Leuchten will ich blicken,
Aus der Hand voll Glanz und Schimmer:
O wer weiß, sie kann noch immer
Ihre Morgenröte schicken!
Tragen will ich, alles tragen,
Meinen Kummer unterjochen;
Denn ein einzig starkes Nu:
Und die Kette ist gebrochen!
Wecken wird mich meine Stunde,
Meines Jammers jüngstes Tagen:
Und so harre ich der Kunde,
Gönne meinen Wimpern nimmer,
Daß sich ihnen Schlummer böte,
Immer an der Morgenröte
Wimpern lasse ich sie hängen:
Seelen, die sich selbst erheben,
Seelen, die in Hoffnung leben,
Gott wird ihre Tore sprengen!
Sie besuchten mich im Traume,
Wollten trösten, wollten laben;
Doch versiegelt und vergraben
Blieb ihr Trost im dunklen Raume.
Und von allen ihren Lehren
Hatt’ ich nichts als Herzensdarben,
Sah bei ihnen volle Garben
Und bei mir die dürren Aehren.
Ich von allen meinen Lieben
Bin allein in meiner Kammer
Heimgesucht von allem Jammer
Aller Nöte Kind geblieben. – –
Was noch kann die Zeit mir geben?
Such’ ich, was ich nie erworben? –
Ach, ich bin schon längst gestorben,
Und ich hab’ kein Recht zu leben!
Und als nun alle war mein Gold,
Hat sich der Freund davongetrollt.
Ich lief ihm nach: O hab’ Geduld!
Was zürnst du mir?
Was schuld ich dir?
Da rief er lachend: Deine Schuld
Ist klar:
Bist du nicht arm? –
Siehe, Menschensohn, siehe:
Alles ist Tand!
Ziehe aus, ja, ziehe
Die bunten Kleider der Freude,
Schlag um die Schultern das Trauergewand!
Das wird zerfallen,
Und wie’s zerfällt,
So du:
Das ist von allen
Den Mühn der Welt
Dein letzter Teil –
Die Ruh’!
Kann dich Reichtum locken, Herz?
Jagst du nach dem Glücke?
Kennst du nicht der Zeiten Trug,
All die falsche Tücke?
Wer sich lange Schleppen macht,
Kürzt sich seine Schritte,
Strauchelt bei der schönsten Pracht
Auf des Weges Mitte.
Liegt denn nicht die schlimme Zeit
Deinem Auge offen?
Und du hoffst? – O folge mir:
Höre auf zu hoffen!
Freue dich vor deinem Nächsten,
Ueble Laune lasse schwinden,
Und du wirst das Herz der Weisen
Und den Rat der Klugen finden!
Sei nicht schlecht und sei nicht dumm,
Auch nicht allzusehr gerecht,
Und erreichen wirst du alles,
Was dein Herz sich wünschen möcht.
Weh der Kunde, die im Ohre gellt: –
Keine Wahrheit gibt’s in dieser Welt,
Dieser schlimmen Welt der falschen Wagen:
Wenn ein Mann schon mit ihr leben will,
Sie zur Gattin sich erheben will,
Muß er sich mit einer Dirne plagen!
Du meinst, das Dichten sei mir ein Beruf? –
Lebendig faßt dein gutes Wort mich an;
Doch sag’ ich: Nein! Was je mir Freude schuf,
War nur der Tropfen, der vom Eimer rann.
Das Naschwerk nur, das ich am Herde fand,
Das liebte ich, das hab’ ich mir erwählt,
Doch zu des Geistes Kränzen, die ich wand,
Hab’ ich mein leichtes Dichten nie gezählt.
Und ist die Weisheit wie ein Meer so weit,
Mein Lied ist nur der Schaum, der drüber weht:
Nicht Mauern will ich türmen als Poet,
Mein leichtes Ziel ist: Liebenswürdigkeit.
Nimm dieses Lied aus deines Freundes Hand! –
Zur letzten Reihe stellte ihn das Leben;
Und als es endlich seine Reihe fand,
War alles Glück der Welt schon längst vergeben.
Auch er gehört zu der Berufenen Schar,
Hat niemand seinen Namen auch geschrieben:
Und wenn er selbst der Edelste nicht war,
Er ist im Kreis der Edlen doch geblieben.
Seh’ ich, wie Narren
Sich glücklich preisen,
Seh’ ich die Weisen
Hungern und harren: –
Schnell möcht’ ich laufen,
Den Verstand versaufen!
Augen auf, mein Liebster traut,
Was im Kelche blinkt:
Schaue, eh’ der Nachbar schaut!
Trinke, eh’ er trinkt!
Die Stirne von Eisen,
Daß Brüder sich schieden;
Die Zunge zu preisen:
Sie macht wieder Frieden.
(Die Wage.)
’s ist ein Gefäß von ungemeßnen Tiefen,
Doch faßt die kleinste Hand es gut;
Und dennoch kann die Hand nicht prüfen,
So nah sie kommt, was in ihm ruht.
(Der Handspiegel.)
Zion, willst du nimmer wieder
Die verbannten Kinder grüßen,
Sie, die letzten deiner Herde,
Die dich immer wieder grüßen?
Osten, Westen, Süden, Norden,
Alle Nähen, alle Weiten –
Horch, von allen fernsten Borden
Grüßt es dich:
Höre sie, Zion!
Höre auch mich!
Armer Gefangener ich,
Ich mit meinem Sehnen,
Hermonstau meine Tränen!
Hermonstau? – O wären sie’s nur,
Daß ihrer Tropfen Spur
Deine ewigen Höhen benetze!
Ich aber, ein Tier der Wüste,
Kann nur heulen ob deinem Falle;
Nur, wenn im Traume die Zukunft mich grüßte:
Heimwallende Scharen – zum Liedeshalle
Meine Schmerzen alle,
Zur jubelnden Harfe waren.
Um Bethel stöhnt mein Herz,
Um Peniël muß ich weinen,
Um Machanaïm und die reinen
Stätten alter Gottesschau!
Dort ließ der Herr sich finden
Und wohnte im lichten Flor,
Dort ließ dein Schöpfer münden
Deine Tore ins schimmernde Wolkentor
Hoch oben in ewiger Ferne:
Und war deine Fackel und Leuchte und Licht,
Und Sonne und Mond, sie leuchteten nicht,
Und ach, wie bleichten die Sterne!
Sein ewiger Geist ergoß sich dort
Auf herrliche Kinder der Wahl:
O könnte an jenem heiligen Ort
Auch meine Seele immerfort
Ergießen ihre Qual!
O Königshaus! O Gottesthron!
Wie darf ein Knecht und Knechtessohn
Auf Heldenthronen prahlen?
Könnte ich wandern über die Stellen,
Wo der Herr sich so herrlich gezeigt,
Wo er in Flammen sich, strahlenden, hellen,
Deinen Priestern und Sehern geneigt!
Flügel, wer gibt mir mächtige Flügel,
Daß ich mich schwänge zum Lande der Lust,
In eure Risse, ihr zackigen Hügel,
Trüge die Risse der leidenden Brust.
Oh, dann stürzte ich jubelnd nieder,
Meine Arme griffen das Land,
Streicheln würd’ ich die Steine, die kalten,
Schmeichelnd würd’ ich dich fassen und halten –
Du, der Heimat glühender Sand!
Wie erst, stünd’ ich dort an den Grüften,
Die mir künden der Väter Gruß,
Könnte durchwandern in Hebrons Lüften
Stolzeste Gräber mein zagender Fuß!
Oh, dann schritt’ ich durch deinen Garten,
Ginge waldüber nach Gilead,
An deinen Bergen und Felsenwarten
Staunt’ ich die durstige Seele mir satt.
Hor, Abarim, o ewige Wonnen!
Mose und Aaron, begrabene Sonnen,
Leuchten und Lehrer, wo finde ich euch?
Seelenlabe sind deine Lüfte,
O du hochgesegnetes Land,
Deine Ströme sind Honigdüfte,
Myrrhe spendet dein wirbelnder Sand.
Doch das süßeste Sehnen für immer
Bleibt bei deinen Hallen stehn,
Zion, über deine Trümmer
Möchte ich nackt und barfuß gehn:
Sehen, wo die heilige Lade
Am geheimsten Orte stand,
Wo im stolzesten Flügelrade
Man die goldenen Engel fand!
Herunter das Haar vom lockigen Haupt,
Herunter dir von der Stirne geraubt
Des Reifes goldene Bande!
Fluch dem Geschicke, Fluch der Zeit,
Die heilige Häupter so schmählich entweiht
In schmacherfülltem Lande!
Essen und Trinken, wie kann es mir munden?
Deine Löwen seh’ ich zerbissen von Hunden,
Deine Aare zerrissen von gierigen Raben –
Licht des Tages, wie kannst du mich laben?
Ha, du Becher des Grams,
Fort mit dir, lasse mich los!
Angefüllt ist meines Leibes Schoß
Schon längst mit bitteren Gallen!
Um Israel hob ich den Kelch zum Mund,
Um Juda leert’ ich ihn bis zum Grund,
Kein Tropfen der Hefe gefallen!
Zion, Zion, du Krone der Zeit,
Schönheit und Liebe sind dein Kleid,
So hältst du die Kinder gefangen;
Sie lachen mit dir zur Lachenszeit,
Sie stöhnen um dein bitteres Leid,
Um dein Ende tropfen die Wangen.
Sie schmachten aus Kerkersnöten empor,
Sie neigen sich deinem ewigen Tor,
Wenn ihre Gebete trauern.
Deine irrenden Herden allzumal,
Verjagt vom Berg ins dunkle Tal,
Ach, sehn nur deine Mauern!
Sie klammern sich fest an deinen Saum,
Und hoch in den schwankenden Wipfelraum
Deiner Palmen greifen die Hände: –
O Sehnsucht sonder Ende!
Wohlan, wer will sich messen?
Ha, Patros, Schinear,
Wagt ihr’s?
Habt ihr vergessen,
Vergessen ganz und gar
Das heilige Zionpriesterkleid?
O über eure Nichtigkeit,
Und eure morsche Größe!
Nein, neben dich kann niemand treten,
Kein König kommt den deinen gleich:
Was sind die Allerweltspropheten
Vor deinem heil’gen Priesterreich?
Ach, alles stürzt von seinen Thronen,
Es sinkt der falschen Götter Recht,
Doch ewig bleiben deine Kronen,
Dein Schatz ins tausendste Geschlecht!
Du Gottessehnsucht, Menschensehnen! –
Wem deine Mauer wieder Heimat bot,
Heil ihm, und wer durch Sehnsuchtstränen
Erblickt dein ew’ges Morgenrot!
Dein Morgenrot, da alle Wolken fallen,
Und hundertfacher Glanz vom Himmel bricht,
Da deine Kinder jauchzend heimwärts wallen,
Und in des Jauchzens Heil und Widerhallen
Aufstrahlt dein altes königliches Licht! –
Im Orient ist mein Herz, im Okzident,
Am letzten Saum, verträume ich die Stunden.
Kann Trank und Speise, noch so süß, mir munden?
Kann ich Gelübde, kann ich Schwüre halten,
Solange Zion liegt in Roms Gewalten?
Läßt mich Arabien nicht im Kerker kümmern?
Und was ist Spaniens reichste Flur,
Was ist sie vor dem Staube nur
Auf Zions, – Zions Trümmern? –
Komm mit mir gen Zoan,
Zum Schilfmeer und Horeb;
Wandeln will ich nach Silo,
Zu gesunkenen Tempels Trümmern.
Wo die Lade einst zog,
Da will ich ziehen,
Wo sie begraben ist,
Da will ich knien;
Küssen den Staub
Süßer als Seim,
Schauen die Auen,
Die schönen, daheim,
Schauen das öde,
Vergessene Nest; –
Oh, wenn ihr wüßtet:
Die Täublein zerstoben,
Rabenbrut nistet
Dort oben.
Es war ein Tag so sehnsuchtsvoll,
Und kam mich doch ein Zittern an:
Nach Zion mir die Sehnsucht schwoll,
Da gabest du mir liebevoll
Ermutigung, Berater!
Und gabst mir deinen Namen her,
Als Stab daran zu wallen;
Nun schreit’ ich hin, doch ist es mir,
Als müßt’ ich Schritt um Schritt vor dir
In meine Kniee fallen.
In Wolkenräumen
Dort richtet er,
Der Gnaden Säume
Wallen aufs Meer.
Der Mensch alleine,
Wenn Gott ihm fehlt,
Dient er dem Scheine
Vom Trug beseelt.
Aus Alltagsgrüften
Steht froh er auf,
Eilt übers Meer
Den Heldenlauf.
Doch ach, in Banden
Der Schuld gefällt,
Muß östlich landen,
Wer westlich hält.
Und er gesteht:
Nicht seine Kraft
Weist ihm den Weg
Der Wanderschaft.
Vor dir, dem Einen,
Wo soll ich ziehn?
Wohin vor deinem
Geiste fliehn?
Wie donnernde Räder rasen die Wogen
In mächtigem Sturz übers brausende Meer,
Es finstert der Himmel, von Wolken umzogen,
Es schäumen die Fluten dahin und daher.
Da hebt sich der Abgrund und steigt in die Lüfte,
Sein Brüllen bis hoch an die Wolken hallt,
Es kochen die Tiefen, es schreien die Grüfte,
Und keiner bändigt die tolle Gewalt.
Es sinken die Helden! die Stürme zerjagen
Zu Bergen und Tälern den donnernden Schlund:
Turmhoch das Schiff in die Lüfte getragen
Saust es hinab in den gähnenden Grund.
Da suchen die Augen nach Schiffern und Knechten: –
O schweige mir, Herz, und hoffe auf ihn,
Der einst uns an Moses gewaltiger Rechten
Durch Schlünde des Meeres ließ ruhevoll ziehn.
Ha, das Meer! Wie rast es wieder!
Ha, der Ost! Wie schmettert er nieder
Mächtig den stolzen zedernen Mast!
Schüttet herab den Sturm seiner Grimme,
Daß sich der Nacken der Stolzen krümme,
Und der Schiffsherr zitternd erblaßt.
Kraftlos hängen dem Maste die Schwingen,
Kann sie nicht heben, weiter zu dringen,
Feuerlos siedet die Flut im Föhn.
O wie verzweifeln die Herzen und stöhnen,
Da sie die Ruderer hilflos frönen
Und die Ruder sinken sehn.
Armer Schiffsherr, Steuermann schlechter,
Dumme Ruderer, blinde Wächter,
Wo, wo ist nun euer Mut?
Trunken tanzt das Schiff im Winde
Und verschleudert an die Gründe
Alle euch als feiles Gut.
Nun schmachtet nach den Höhen
Zu dir mein Augenpaar
Und bringet dir mein Flehen
Als ernste Gabe dar.
Nun zittr’ ich meiner Zeiten
Und bebe, wo ich bin,
Wie Jona muß ich breiten
Die Arme nach dir hin.
Laß mich ans Schilfmeer denken
Und träumen immerzu,
Laß mich die Sehnsucht senken
Im Liede nun zur Ruh!
Der Jordanwunderzeiten
Erfreu’ sich meine Brust,
Das Herze mag sich weiten
Als wie von Edens Lust;
Ja, meine Augen hellen
Zu ihm sich himmelan:
Er legt durch Meer und Wellen
Uns eine sichre Bahn.
Und endlich auch sein Toben
Uns Menschenkindern frommt,
Da Winter uns und Sommer
Aus seinem Odem kommt.
So hat er seinen Zorn gewandt
Vom niedern Sohne seiner Magd,
Befreite aus dem Totenland
Die arme Seele, die verzagt.
Nun eilen schon die goldnen Höhn
Hernieder auf den wilden Grund
Und bringen den erregten Seen
Hinab den schönsten Friedensbund.
Da schweigt denn ganz der Schreckenslaut,
Es ruht wie Oel das wilde Meer,
Und keiner bebt und keinem graut,
Und Freudenstimme rings umher.
An die verzagten Herzen dringt
Der Liebe Engelstimme schon,
Ihr Schreiten aus den Höhen klingt,
Ein tief geheimnisvoller Ton.
So wird die Botschaft ausgesandt
Dem Volk, das lang im Joche rang,
Und das so hart des Drängers Hand,
Des Leides Faust in Ketten zwang.
Du wildbewegtes Volk der Wahl,
Du gleichst dem Schiff in Sturmesnot,
Doch naht gewiß auch dir einmal
Das liederweckende Gebot:
Heraus, heraus aus finstrer Nacht,
O liebes Kind, zum Sonnenfirn,
Sieh, Gottes himmelhohe Pracht
Strahlt herrlich über deiner Stirn.
Holder Zephyr, deiner Lüfte
Schwingen tragen Nardendüfte,
Duft vom Apfelblütenstrauß!
Wo des Krämers Würzen liegen,
Dort begann dein frisches Fliegen,
Nimmer in des Sturmes Haus.
Schwalbenflügel schwingst du leise,
Freiheit lautet deine Weise,
Myrrhen streust du hin und her.
Ach, wie freuen sich die Scharen,
Die auf lockrer Planke fahren
Mit dir übers weite Meer.
Laß das Schiff nicht aus der Rechten,
Nicht am Tage, nicht in Nächten,
Brich durchs Meer ihm seine Bahn!
Banne fest die tiefen Gründe,
Bis, die Ruhstatt deiner Winde,
Gottes heil’ge Berge nahn!
Schilt den Ost, den Meeresstürmer,
Flutenkocher, Wogentürmer:
Hab’ ich denn noch freie Bahn?
Ich Gefangner von Gewalten,
Die noch jetzt im Zaum gehalten,
Losgerissen schon mir nahn?
Kommt die große Flut mit einem Mal?
Läßt kein Land sich schauen in der Runde?
Mensch und Tier und Vogel flohn die Stunde:
Ist’s das Ende? Kommt die Todesqual?
Säh’ ich einen Berg, ein Tal allein,
Würde meine Seele ruhig werden,
Und ein wüstes Fleckchen dieser Erden,
Würde jetzt mir süße Labe sein.
Ach, die Augen gehen um im Kreise:
Nichts als Himmel, Flut, des Schiffes Knochen,
Der Leviathan macht die Tiefe kochen,
Und die Wellen schaun wie wilde Greise.
Und das Meer verbirgt uns in den Wogen
Wie der Räuber sein gestohlenes Gut: – – –
Mag es rasen! Fröhlich ist mein Mut:
Näher kommt die Heimat schon gezogen!
Die Städte sieh und sieh den Strand,
Wo einst ihr heimisch wart:
So ehre auch das fremde Land
Und tritt es nicht zu hart.
Mach deine Sohle sanft und weich,
Die durch die Straßen geht,
Denn einst durch dieser Straßen Reich
Schritt Gottes Majestät.
Er neigte sich an Tür und Tor
Nach deinem Bundesblut,
Und jeder sah’s: Er schritt euch vor
In Wolke und in Glut.
Aus dieses Landes Felsen kam
Dein Bundeshort heraus,
Und deine Quadern, alter Stamm,
Die waren hier zu Haus!
Hat die Zeit das Kleid des Leides
Ausgezogen und das Kleid des
Lachens endlich angelegt?
Sieh die Welt im Byssuskleide
Hingelehnt in Gold und Seide,
Wie sie ihre Glieder regt!
Sieh am Strome das Gefilde,
Das mit Gozens schönem Schilde
Seine bunten Ufer hüllt;
Und der Steppe Blumenbeete
Und die alten Trümmerstädte,
Die ein goldnes Leuchten füllt;
Und am Strand die süßen Frauen,
Gleich Gazellen anzuschauen,
Nur nicht so geschwind zu Fuß:
Denn an ihren Armen hängen
Spangen, und den Schritt beengen
Güldner Ketten Klingegruß.
Ach, schon ist das Herz gefangen,
Und des Alters bleiche Wangen
Sind vergessen auf der Flur:
In Aegyptens Paradiese,
An dem Strome, auf der Wiese,
Denk ich meiner Jugend nur!
Dein Wunder geht durch alle Zeit
Und kündet uns, was Väter sahn:
Des Stromes Wasser wurde Blut,
Da war kein Spruch, kein Zauber gut,
Dein Name hat’s getan!
Dein Name und der Wunderstab,
Den legtest du in Moses Hand:
O führ’ auch meinen frommen Mut,
– Das geht so schnell, das geht so gut –
In deiner Wunder Land.
von
Emil Bernhard
Das Land Spanien breitet nach Süden seine Arme aus. Durch die Geradlinigkeit des Pyrenäenrückens von Europa getrennt, vermag es keinen regeren Verkehr mit den Völkern nördlich des Gebirges zu erzeugen, zumal die Stämme, welche am Fuße der bergigen Mauer wohnen, jenseits und diesseits einander zu ähnlich sind, um durch gegenseitige Bekanntschaft angeregt und bereichert zu werden. Darum wendet Spanien dem übrigen Europa den Rücken zu. Wie es aber im Norden verriegelt ist, so hält es im Süden die Tore offen. Während bis zum Guadalquivir hinab sich jenes weite zusammenhängende Hochland der iberischen Meseta erstreckt, das ein echt kontinentales Klima extremer Sommer- und Wintertemperaturen aufweist, beginnt nach Osten, Süden und Südwesten hin ein ganz anderes und wundervolles Bild. Ein Armausbreiten in der Tat: Als wenn das ganze Land in Liebe sich ergösse, treibt es die volle Herrlichkeit des Südens hervor. Es ist die Sonne der Mittelmeerländer, die hier scheint, ihre Blume ist es, die hier blüht, ihr Regen, der hier rauscht. Hier haben wir die wilden Gewitter, die im Nu kommen, und im Nu vergehen, den feinen Sonnenregen zurücklassend über der perlenbesäten Flur. Hier wandeln wir durch die lichten Wälder, die Maquidickichte, die Huertas und Vegas, jene herrlichen Gartenoasen, von Bächen durchrauscht hierhin und dorthin, wo die Granate flammt, und der Apfelbaum schimmert in der lichten Pracht seiner Blüten. Hier rauschen die Morgen- und Abendwinde über taubedeckte Täler und künden die Nacht an, die nirgends emporsteigt wie hier, so träumerisch erhaben, so schlummernd wach, so einsam und so beredt. Das ist das Land Andalusien, von dem der alte arabische Dichter einst sang: „Da es emportauchte aus des Meeres Flut, ward es wie eine Perle aus der Muschel gehoben. Da erbebten die Wogen vor Entzücken, als sie sich legten wie eine Kette um seinen Hals. Darum lächeln noch immer in ihm wonneerbebende Blüten, darum schmettern in ihm die Nachtigallen auf lauschenden Zweigen. Hier ist die Heimat meiner Lust. Weh mir, wenn ich je sie verlassen müßte! Hier nur ist ein Garten, die ganze Welt eine Wüste.“ Und als der unglückliche Emir von Sevilla, Al Motamid, im fernen Marokko eingekerkert saß und seine wundervollen Elegien sang, da bebte die Schönheit Andalusiens durch sein Lied: „O wie gerne möchte ich wissen, ob ich meinen Garten und meinen See wiedersehen werde in jenem stolzen Lande, wo die Oliven grünen, wo die Tauben girren, wo die Vögel ihr liebliches Gezwitscher ertönen lassen.“
Das Land Spanien breitet seine Arme nach Süden aus. Und der Süden stürzte in seine Arme. Nachdem die Halbinsel manche ethnische Revolution erlebt hatte, nachdem Kelten, Karthager, Phönizier, Römer, Vandalen schwere Erschütterungen über sie gebracht hatten, erhob sich im Anfang des achten Jahrhunderts die ganze, junge, unberührte Gewalt der Atlasländer und ergoß den heißen Strom ihrer Stämme übers Meer in die herrlich blühenden Fluren Andalusiens und weiter bis in den Norden hinein. Der Orient vermählte sich dem Okzident und brachte ihm als Morgengabe eine neue, kaum hundertjährige Kultur mit, die, eingepflanzt in die bunten Gärten Südspaniens, eine herrliche Blütezeit erlebte.
Nach der machtvollen Regierung der Ommajaden, vor allem der fünfzigjährigen des glänzenden Abderrahmân III. (912-961), der in der Millionenstadt Cordova, ein zweiter Salomo, alle Pracht und Bildung der Welt um sich sammelte, ward die arabische Herrschaft zwar bald durch lange Bürgerkriege in viele kleine Staaten zerschlagen, die Kultur aber erhielt sich in ihrer vollen, zauberhaften Schönheit. Im Gegenteil: Die Kleinstaaterei diente noch ihrer Förderung. All die Emire von Sevilla, Cordova, Granada, Malaga, Murcia waren zu schwach, als daß sie ihren Ehrgeiz in großen kriegerischen Unternehmungen befriedigen konnten. So suchten sie sich den Ruhm ihrer Vorgänger als Förderer und Pfleger der Künste und Wissenschaften zu erhalten und zu mehren. Und nie hat in einem Lande die Dichtkunst so geblüht wie in Andalusien.
Es war, als hätte diese gesegnete Erde nur darauf gewartet, von den Sohlen der freien, sangesfrohen Wüstensöhne, den Hütern der lauteren Sprache, den Schatzmeistern des reinen Arabisch berührt zu werden, um zu ewigen Jubeltönen zu erwachen. Da begann die Laute zu klingen vor den Balkonen in der Nacht zu feinen arabischen Sequidillas zum Lobe der Schönen: – „Zum Monde blickte ich, o Geliebte, und seinen Strahlen. Da nahm er einen Schleier und verhüllte sich: Er schämte sich, o Geliebte, als er dein holdes Antlitz sah. Deine Schönheit überwand ihn, er mußte sich verbergen.“ – Da tanzte und sang das Volk auf der Silberwiese von Sevilla, am grünen Ufer des Guadalquivir; sie warfen sich freundliche Worte in gereimter Rede zu, und hin und wider scholl das Lachen; und verkleidet unter ihnen wandelten die Fürsten und Prinzen und verlustierten sich im süßen Nichtstun. In der wundervollen Landschaft Silves hatte jeder Bauer das Talent, zu improvisieren. Wie sollte er auch nicht: Silves war die Perle in der silbernen Muschel Andalusiens. Als der genannte Al Motamid seinen Freund Ibn Ammâr als Statthalter nach Silves sandte, da brach er in Erinnerung an seine dort verlebten Jugendtage aus dem Stegreif in die Verse aus: – „Ach, wie oft haben dort die jungen, weißen und braunen Mädchen mir das Herz mit ihren süßen Blicken durchbohrt, als ob ihre Augen Dolche wären oder Lanzen! Und welche Nächte habe ich in jenem Tale am Ufer des Flusses mit der schönen Sängerin zugebracht, deren Armband dem zunehmenden Monde glich! Sie machte mich trunken durch Blicke, trunken durch Wein, trunken durch ihre Küsse!“
Wer singen und dichten konnte, war im schönen Andalusien nimmer verloren. Der Verbrecher, der zum Tode geführt wurde, konnte sich noch am Fuße seines Galgens befreien, wenn er einige anmutige Schmeichelworte in gereimter Rede zu sprechen vermochte. Der Bettler, der heute am Straßenrande lag, konnte morgen Wesir sein, wenn er, vom Emir in Versen angesprochen, in Versen antworten konnte. So wurde Ibn Ammâr von Al Motamid aus dem Staube erhoben, so hat derselbe Fürst auf der Gasse von Sevilla seine süße I’timâd, die Sklavin Romaikija, gefunden, das reizende Spielzeug seines Lebens bis zum Tage, da er nach Agmât wandern mußte in den Kerker seines Feindes.
Hand in Hand mit dieser tiefen Liebe zur Dichtung, dem höchsten Stolz des feingesitteten Andalusiers, ging die Pflege der Wissenschaften. Ueberall im Lande, in Cordova, Sevilla, Toledo, Valenzia, Almeriga, Malaga, Jaen, wuchsen islamische Akademien empor, denen umfangreiche Bibliotheken angegliedert waren, aufgesucht von den lernbegierigen Jünglingen der ganzen arabischen Welt. Hier wurde Philosophie, Grammatik, Lexikographie, Medizin gelehrt, und wie die andalusischen Jünglinge hinauszogen bis nach Bagdad, um die großen Lehrer des Islams zu hören, so kamen sie auch aus Syrien und dem Irak nach Cordova, um Schüler berühmter Meister genannt zu werden.
Dieses heiße Streben nach Bildung und Gesittung erhielt aber seinen höchsten Glanz durch die unerhörte Pracht, den maßlosen Reichtum, der sich in Städten wie Cordova, Sevilla, Toledo entfaltete. Bis in die dunkle Klause sächsischer Klöster drang die Kunde von diesem Reichtum: – „O Cordova, die helle Zierde der Welt, die junge, herrliche Stadt, stolz auf ihre Wehrkraft, berühmt durch ihre Wonnen, strahlend im Vollbesitz aller Dinge!“ sang die Nonne Hroswitha von Gondersheim. In der Tat, man kann sich heute kaum eine Vorstellung von dem Zauber machen, der damals diese Stadt erfüllte. Wer sie besuchte, mußte erst einen dichten Kranz marmorner Sommerpaläste durchwandern, die aus dem von Tausenden von Olivenbäumen bekränzten Ufer des in goldgrünen Wellen hinströmenden Guadalquivir emporragten und schon um das Jahr 950 achtundzwanzig Vorstädte bildeten. Kam er dann in die Stadt selbst mit ihren 113000 Häusern, 300 Bädern und 3000 Moscheen und betrat gar die große Moschee mit ihren „1300 Riesensäulen unter der gewaltigen Kuppel“, so mochte er sich schon dem Eindruck dieser stolzen Größe beugen, wenn ihm nicht schon vorher die Herrlichkeit dieser Welt überkommen war, da er die berühmte Brücke Abderrahmâns über den Guadalquivir, das Werk seines Lebens, zagend überschritten hatte. Aehnlich wirkte das lachende Sevilla mit seinen belebten Gassen inmitten der fruchtbaren Ebene, in der es lag, ähnlich das nördliche Toledo, das auf der natürlichen Feste eines hochragenden Felsens am Ufer des gelben Tajo gegründet war, Toledo, in dem Orient und Okzident am frühesten in innige Verbindung traten. Hier strömte das bildungsfähige Abendland zusammen, um in die Geheimnisse arabischer Weisheit einzudringen, hier bildeten sich schon im zwölften Jahrhundert förmliche Uebersetzungsschulen, welche die aristotelische Philosophie im arabischen Gewande der lernbegierigen Christenheit vermittelten.
Der Orient war es, der hier den blühenden Baum in den Garten des Okzidents gepflanzt hat. Er hat die Schönheit Andalusiens erst geschaffen. Die Schönheit der natürlichen ebenso wie der geistigen Kultur. Die Hände der Wüstensöhne hatten das ganze Land mit Kanälen und Wasserwerken durchzogen und dem Boden seine Fruchtbarkeit abgerungen, ihr Lied und Sang, ihr Denken und Forschen war es, was auch die Menschen des Landes eroberte. Es war eine starke Besitzergreifung. So stark, daß durch die Vermählung von Land und Menschen bald ein neues Volk geboren war, eine jungfräuliche Nation mit neuem, bald im ganzen Orient berühmtem Namen: – El Andalus.
An der Wende dieses glücklichen und reichen Zeitalters, in den letzten Strahlen seiner untergehenden Sonne, wurde zu Toledo um das Jahr 1083 Jehuda ben Samuel ben Samuel Halevi, oder, wie er arabisch hieß, Abul Hasan Allâwi, geboren. Die Familie, der er entstammte, war unbekannt, aber nicht arm. Wenn er auch im zartesten Alter die Belagerung Toledos (1085) und die Judenverfolgung in derselben Stadt (1090) erlebt hat, scheint doch seine Jugend glücklich gewesen zu sein, um so glücklicher, als er aller Wahrscheinlichkeit nach das einzige Kind seiner Eltern war. Bald aber entwöhnte ihn das rauhe Schicksal dieser „Milch der Jugendtage“. Der Vater muß frühzeitig gestorben sein. Er ließ den Knaben mit der Mutter zurück, welche seine ersten bitteren Enttäuschungen noch miterleben mußte.
Nach der Sitte der Zeit wurde der Knabe mit den schwarzen Locken und den dunklen feurigen Augen, die über braunen, gesunden Wangen leuchteten, früh in die Sprache und Lehre seiner Väter eingeweiht. Mit dreizehn Jahren sprach und schrieb er ein vollendetes Hebräisch und war gleichzeitig tief in die Kenntnis der arabischen Literatur wie der ganzen Zeitkultur eingedrungen. Er hat also seine erste Jugend, obgleich im christlichen Spanien, doch an der Grenze der mohammedanischen Kultur zugebracht. Dort hat er die arabische Kasside singen gelernt, das Preisgedicht, die poetische Epistel, sowie die kunstvollen Gürtel- und Kettenlieder, die damals in Spanien aufkamen.
Um jene Zeit erfüllte der Name Abû Harûn Mose ibn Esras, des religiösen Dichters, die jüdische Welt Spaniens. Dieser kaum mehr als fünfundzwanzig Jahre alte Dichter lebte wie die meisten Ibn Esras in Granada, jener Stadt im Süden Spaniens, die damals so viel Juden hatte, daß man sie schlechthin die „Stadt der Juden“ nannte. Da erhielt er eines Tages aus dem fernen Norden eine poetische Epistel. Von der Hand eines Kindes. Und las. Und war erschüttert. Dann setzte er sich nieder und schrieb die Antwort:
Ein Kind noch jung, ein Knabe zart,
Will Geistesfelsen rücken?
Stößt Helden in den Staub hinab
Und läßt als rot und weißer Knab’
Schon volle Blüten blicken?
So ist’s: Vom Norden strahlt er auf
Und füllt mit Licht die Auen.
Die ganze Weite ist erhellt,
Noch höher als das Sternenzelt
Könnt seine Hand ihr schauen.
Mose ibn Esra hat das Verdienst, Jehuda Halevi „entdeckt“ zu haben. Er tat es im guten Sinne des Wortes. Er gewann eine vollständige Herrschaft über den jungen Dichter, der sich ihm mit ganzer überschwenglicher Seele hingab. Der junge Jehuda war eine zarte, deutlich feminine Natur. Bei einem ausgesprochen genialen Selbstbewußtsein war er die Demut selbst vor seinen Freunden, die er fast immer überschätzte. Er vergötterte sie. Er dichtete ihnen die Eigenschaften an, die ihm selber fehlten. Oft erzürnte er sich mit ihnen, immer aber war er derjenige, der um Verzeihung bat. Es ist rührend zu sehen, wie häufig er in seinen Episteln an die erzürnten Freunde nach einer Schuld sucht, die nicht vorhanden ist. Von keinem aber ließ er sich so beherrschen, wie von Mose ibn Esra. Als er sich schon dem Gipfel seines Ruhmes nähert, fühlt er sich noch als sein Jünger. Wenn er dem Meister seine Verse schickt, ist es ihm, als schickte er Boten an den Gesalbten Gottes, den König. Und er läßt sie zum Könige sprechen:
Herr, o trage unsre Last,
Laß uns selbst nicht Sünde tragen,
Wenn in unbeholfner Hast
Wir dein Lob zu singen wagen.
Was wir bringen, ist ja noch
Keine Blüte, Knospe eben,
Aber einstmals soll es doch
Hier auch Frucht und Blüte geben.
Mose ibn Esra war ihm der, welcher berufen war, ihn zu läutern, „das Gold zu scheiden von seiner Schlacke“. Er war ihm dichterisches und menschliches Ideal, das Urbild der Demut und Selbstbeherrschung. Welch trauriger Irrtum: Mose ibn Esra führte ein wilderes, zerfahreneres Leben als Jehuda Halevi, dem aller Jammer, dessen sein Leben voll war, von einem herrlichen Frohgemüt übersonnt war, während der andere an seinen eigenen Launen zerschellte.
Am Ende des Lebens entfremdeten sich die Freunde, wofür die Schuld wohl eher in Mose ibn Esra zu suchen sein wird, den der strahlende Ruhm des Jüngeren seinem Charakter nach kränken mußte. Als er 1138 starb, sang ihm Halevi dennoch das Grablied: – „Mose, Mose, mein Bruder, Licht meines Mondes, meine Sonne, meine Leuchte, meines Glanzes Quell von alten Tagen her!“ –
Vom Norden her sandte Jehuda Halevi seine ersten Verse nach dem schönen Granada. Dann aber kam er selbst nach dem Süden. Warum? – Wir wissen es nicht. So klar uns der Lebens- und Stimmungsgehalt der nun folgenden Epoche ist, so dunkel und tatsachenarm ist sie. Um 1100, also mit ungefähr siebzehn Jahren, befand sich der Dichter schon im Süden Spaniens, und zwar zunächst im Südwesten. Die allgemein verbreitete Annahme, daß er die Hochschule des berühmtesten jüdischen Gesetzlehrers jener Zeit, Isak Alfasi, in Lucena besucht habe, ist nichts als eine leere Vermutung, die sich auf die Tatsache stützt, daß er beim Tode Alfasis (1103) sechs Zeilen schrieb und die Einsetzung des jungen, ihm befreundeten Josef ibn Migasch in den erledigten Lehrstuhl dieses Meisters in einem Hymnus feierte. Jehuda Halevi zeigt in allen seinen Werken keineswegs mehr, eher weniger als die talmudische Durchschnittsbildung seiner Zeit. Vielmehr ist anzunehmen, daß dem herangewachsenen Jüngling die einfache materielle Sorge nach dem an Existenzmöglichkeiten reicheren Süden trieb. Mit seiner Ankunft in Andalusien beginnt eine Zeit der Kämpfe und Irrfahrten für ihn. Von Stadt zu Stadt wanderte er, ohne einen festen Halt zu gewinnen. Der Kampf um den Bissen Brot jagte ihn durchs Land. Sevilla, Granada, Guadix, Malaga, Lucena waren die Städte, in denen er sich aufhielt, doch immer nur kurze Zeit. Den Arztberuf, dem er später oblag, scheint er hier noch nicht ausgeübt zu haben. Vielmehr lebte er allem Anschein nach von seiner Feder. Er dichtete Hochzeitslieder und erhielt Honorare dafür. Er besang die Koryphäen seiner Zeit, die ihm ihrerseits Ehrensolde übersandten, oder ihn, wie es Sitte war, in ihrem Hause wohnen, an ihrem Tische essen ließen. Zeitweise ging es ihm so erbärmlich, daß er an reiche Leute Bettelgedichte richten mußte, um sein Leben zu fristen. Es war nur zu verständlich, daß sich in dieser Zeit seiner im tiefsten Grunde heiteren und lebensfrohen Seele recht oft die verzweifeltsten Stimmungen bemächtigten. Er fühlte sich von allen verlassen und es war ihm, als hätte sich die ganze Welt gegen ihn verschworen. Einsam und verwaist nannte er sich. Dabei wuchs natürlich sein Bedürfnis nach Freundschaft, noch mehr aber seine Empfindlichkeit. So geriet er immer tiefer in eine Stimmung hinein, welche der Kulturstimmung jener Zeit ähnlich war: Weltschmerz und Lebensverachtung.
Auf die Epoche des Glanzes war in Andalusien eine Epoche der tiefsten Erniedrigung gefolgt. Der Stern des Islam war im Verblassen. Vom Norden her bohrte das Königreich Kastilien seinen Stachel den Mauren immer tiefer ins Fleisch. Nachdem Ferdinand (1037-1067) gestorben war, bestieg sein Sohn Alfons VI. den Thron von Kastilien. Dieser übernahm den Kampf gegen den Islam als heiliges Vermächtnis von seinem Vater, und es gelang ihm infolge der Zersplitterung des mohammedanischen Spaniens, die kleinen Territorialfürsten Andalusiens zum Tribut zu zwingen. 1085 wagte er den ersten großen Vorstoß, dem der wichtigste Verteidigungspunkt der Mauren, der Turm am Tore Andalusiens, Toledo, zum Opfer fiel. Ganz Südspanien erbebte unter diesem Schlage. Die Verwirrung und Angst wuchs von Tag zu Tag. Da tat der Emir von Sevilla, der schon mehrfach genannte Al Motamid, den verhängnisvollsten Schritt, den er überhaupt tun konnte. Er rief den in Nordafrika regierenden Almoraviden Jussuf ibn Taschfîn mit seinen Berberscharen zu Hilfe. Dieser kam und erfocht gegen die Christen in der furchtbaren Schlacht von Sallaka (1086) einen vollen Sieg. Der Süden schien gerettet. Nach der Schlacht ließ Jussuf aus den gefallenen Christenleibern einen Riesenturm aufschichten, von dessen Spitze der Muezzin nach allen vier Winden ausrufen mußte, daß es keinen Gott gebe außer Allah: lâ allâh ill’ allâh. Trotzdem blieb der Sieg unausgenutzt, und als Jussuf nach Nordafrika zurückgekehrt war, stand alles wie vorher. Wieder stieg die Not aufs Höchste. Da erschien Motamid selbst in Nordafrika, um Jussuf persönlich zu veranlassen, noch einmal der Retter zu sein. Jussuf kam. Aber er ging nicht wieder, ohne sich seinen Lohn genommen zu haben. Er machte dem Zaunkönigtum in Andalusien mit einem Schlage ein Ende, Granada und Malaga fielen, dann Cordova und Carmona. Al Motamid mit seinen Söhnen wehrte sich tapfer. Aber es half ihm nichts. Er mußte den schrecklichen Tod seiner Söhne erleben, um schließlich in den Kerker zu Adschmât zu wandern, wo er nach vier Jahren schwerer innerer Leiden, gebrochen an Leib und Herzen, seine königliche Dichterseele aushauchte. Das war im Jahre 1095.
Jussuf ibn Taschfîn hatte Andalusien unterworfen. Geholfen aber hatten ihm dabei nicht nur seine wilden Berbern, sondern auch als unversöhnlichste Truppe die orthodoxen Gelehrten des Islam, die Fakîhs. Sie begannen jetzt das Regiment zu führen. An Stelle der früheren Schönheit und Leichtigkeit des Lebens machte sich der bigotte Geist dieser orthodoxen Emporkömmlinge breit. Frömmelei und Beterei vernichteten alle Blüten der früheren Freiheit. Die graziöse Geste der Lebensfreude wurde erstickt in dem Buchstabenknäuel des koranischen Gesetzes. Ketzerriecherei und Angebertum schlossen den fröhlich leichtsinnigen Mund des gebildeten Volkes. Als gar Jussuf das Zeitliche gesegnet hatte (1106), und sein bigotter, unbedeutender Sohn Alî an seine Stelle trat, stieg die innere Not Andalusiens auf den Gipfel. Niemand fühlte sich im Lande wohl außer den Fakîhs und dem Pöbel. Die Philosophen schwiegen, denn Philosophie war verpönt. Die Freigeisterei wurde verfolgt. In den Städten spielten die brutalen, unsauberen Berbern die Hauptrolle. Die Dichter, noch vor zwanzig Jahren die Lieblinge des Volkes, gerieten in tiefste Armut. Sie hatten keine Beschützer mehr. Wer von ihnen nichts auf sich hielt, lief den Fakîhs nach und sang ihr Lob, um von ihnen Geld zu erhalten. Die Spekulation auf die Eitelkeit dieser frommen Leute war auch richtig, aber sie bezahlten schlecht, und wer seine Kunst in Ehren hielt, mochte sie nicht besingen. Ibn Bakî, einer der begabtesten Dichter, welche Andalusien überhaupt hatte, irrte wie ein Landstreicher von Stadt zu Stadt.
Es ist kein Wunder, daß unter diesen Umständen der bessere Teil der andalusischen Bevölkerung in dumpfe Verzweiflung geriet. Die meisten von ihnen hatten die schönen Tage der Freiheit noch gesehen. Um so tiefer deuchte ihnen jetzt ihr Fall. Es war alles so schnell gekommen. Was früher unten war, war jetzt oben, die Verachtetsten waren die Mächtigsten geworden. So wurde dem Volke damals mehr denn je das Wechselspiel des Lebens klar. Und da der Druck immer unleidlicher wurde, so kam es, daß im Lande die alten Lebenswerte entwertet wurden, und die Sehnsucht nach etwas Neuem, Höherem erwachte.
So war in Andalusien der Boden beackert für die Saat eines neuen Wissens, das gerade damals in Spanien seinen Einzug hielt. Es war die Inbrunst des Persers Al Gazzâlî, welche den Samen auswarf. Dieser wundersame Mann, der im Jahre 1059 in dem kleinen zu Tus gehörigen Städtchen Gazzâlah geboren ward, war nach mannigfachem Suchen und Forschen an allem irre geworden, was seine Zeit ihm bot. Die islamische Theologie, die an der Schale haftend ihre ganze Kraft an kalten Rechtsfragen halb und ganz ritueller Natur vergeudete, ekelte ihn an. Die Philosophie, die im Geiste die vollkommenste Macht gefunden zu haben glaubte, befriedigte ihn nicht, sondern brachte ihn nach langem Studium zu verzweifelter Skepsis. Hier wie dort erfror ihm die Seele. Die Spekulation war ebenso kalt wie die Dogmatik. Dies wird ihm zum schwersten Kampfe seines Lebens. Tiefe religiöse Erschütterungen machen ihn an Leib und Seele siech. So erfolgt im Jahre 1095 sein aufsehenerregender Abgang von der Bagdader Akademie, an der er ein bedeutendes Lehramt innehatte. Er ging, um sich ganz dem beschaulich einsamen Leben eines Sûfî[1] hinzugeben. Aus dieser Einsamkeit heraus, die im Jahre 1111 mit seinem Tode endete, predigte er der Welt seine neue Lehre.
Es ist eine tiefe, inbrünstige und leidenschaftliche Religion, die er vom Menschen verlangt. Eine Religion, in deren Mittelpunkt die Seele steht. Sie ist die Macht aller Mächte. Aber diese Macht ist gebunden, gebunden in des Leibes irdischer Leidenschaft. Zwei Welten gibt es, el mulk und el malkût, die Welt des Sichtbaren und des Unsichtbaren. Zwei Tore hat die Seele den Welten entsprechend: Das Tor nach außen und das Tor nach innen. Glaube aber nicht, daß du das Tor nach innen wirst öffnen können, wenn du den Riegel des Leibes nicht zu sprengen vermagst. Befreie dich vom Leibe, vom irdischen Hang, so wird dein inneres Auge schauen, was nie dein äußeres sah. So wird der Aufstieg nach el malkût gelingen, und Auge in Auge wirst du schauen den Herrn. Ewig aber wird er dir verborgen sein, wenn du nicht zur Reue dringen kannst, wenn dein Herz des Irdischen sich nicht zu entschlagen vermag. Ein Kelch ist dein Herz: Solange der noch voll Wasser ist, hat er für den Wein keinen Platz. Laß das Wasser auslaufen, o Herz! Die Liebe wird es vollbringen, deine Liebe zu Gott. Die Welt ist ein Kerker, der dich hindert, den ewig Geliebten zu schaun. In der Stunde des Todes springt der Kerker auf, die Fesseln fallen, du bist bei deinem Geliebten. Und vorher nicht? Erst der Tod ist das Erwachen? Ruhig, Seele! Du kannst das Erwachen vorwegnehmen. Läutere dich durch die gute Tat. Sie ist die Brücke, die hinüberführt zu el malkût. Reue und Zerknirschung, Andacht und Inbrunst, Versenkung und Kasteiung tragen dich zu ihm, dem Einzigen, den du suchst. Mit Schleiern bedeckt ist heute deine Seele, so du aber Gott deine Inbrunst gibst, so wird er einen Schleier nach dem anderen von dir nehmen, bis du ihm nahe bist, ihn im klarsten Lichte zu schaun wie einst die Propheten. Dann hast du den Frieden. –
Es war die Religion seines Lebens, die Gazzâlî lehrte. Es war nur natürlich, daß sie wirkte wie das Leben. Als das berühmte Buch des Philosophen über „die Belebung der Religionswissenschaften“ nach Andalusien kam, rief es eine ungeheure Aufregung hervor. Während die ernsteren Geister, die unter dem Drucke der almoravidischen Fakîhs seelisch zugrunde gingen, das Erlösende der Lehre nur zu tief verspürt haben mögen, entfesselte sie bei den Theologen helle Wut. Obwohl das Buch keineswegs heterodox war, fühlten diese doch, daß der Geist ihnen im innersten fremd war. So verketzerten sie das Buch und setzten durch, daß es nicht bloß in Cordova und allen anderen Städten des Reiches verbrannt, sondern sogar der Besitz eines Exemplars bei Todesstrafe verboten wurde.
Damals lernte auch Jehuda Halevi die Schriften Gazzâlîs kennen. Das wurde ihm Ereignis. Was alle damals bewegte, mußte auch ihn bewegen. Ja, mußte ihn tiefer bewegen als alle, weil er Jude war und doppeltes Leid trug. Mit dem Eindringen der Almoraviden in Spanien hatte für die Juden eine schlimme Zeit begonnen. Während ihre Edlen früher an den heiteren Höfen von Malaga, Sevilla und Cordova hohe Stellungen einnahmen, und das Volk unter ihrem Schutze ein freies Leben führen durfte, so daß auch in seiner Mitte Kunst und Wissenschaft blühten, lösten jetzt Verfolgungen, Erpressungen und fanatische Bekehrungsversuche einander ab. Jehuda Halevi litt entsetzlich. Der von König Jussuf an den Juden Lucenas geübte Gewaltstreich (1107), der vielfache Frauenraub berberischer Horden, die Ermordung seines Freundes Salomo ibn Farusal (1108), warfen dunkle Schatten in sein Gemüt. Dazu kam sein damals auf den Gipfel gestiegenes persönliches Elend: Hunger, vielfach erfahrener Undank, das Bewußtsein, andere minder Befähigte erfolgreich, sich selbst aber immer „in des Lebens letzter Reihe“ zu sehen, all das wirkte zusammen, seine Lebensanschauung bestimmend zu gestalten. Was war ihm das Leben? – Ewige Versagung. Was war ihm die Welt? – Eitel Schaum.
So kam er zu Stunden tiefster Verzweiflung, die ihn an sein Leben mit der letzten Frage herantreten ließen. Ein ergreifendes Zeugnis solcher Stunden blieb uns in jenem herrlichen Gedicht aufbewahrt, in dem er im Traume die tröstenden Freunde zu sich kommen sieht. Was soll ihm ihr Trost? Muß er nicht bei ihnen volle Garben und bei sich die ewig dürren Halme sehen?
Ich von allen meinen Lieben
Bin allein in meiner Kammer
Heimgesucht von allem Jammer,
Aller Nöte Kind geblieben.
Was noch kann die Zeit mir geben?
Such’ ich, was ich nie erworben? –
Ach, ich bin schon längst gestorben,
Und ich hab’ kein Recht zu leben!
Daß der junge Dichter solchen Stimmungen anheimfallen konnte, zeugt von der tiefen seelischen Not, die ihn oftmals gedrückt haben muß. Diese Not muß um so tiefer vorgestellt werden, als er von Natur eine glückhelle Seele war. Der geringste Sonnenstrahl, der in sein Elend fiel, half ihm über ewige Nächte hinweg. Wie leicht wäre er zufrieden gewesen! Er war kein Weltfeind, und nichts war ihm fremder als Menschenmäkelei. Gern hätte er mit der Welt in Frieden gelebt. Aber immer wieder mußte er ihr Dirnentum erkennen:
So kam er schließlich dahin, daß er sich vollständig zu verlieren drohte und an das Glück nicht einmal zu glauben vermochte, wenn es an seinem Halse lag. Es kamen frohe Stunden, Stunden der Liebe, der Freundschaft, der Anerkennung, der materiellen Sicherheit. Da wußte er sie nicht zu genießen: „Nur wenn es mir schlecht geht, bin ich stark,“ so klagt er, „und zittere, wenn mir das Glück lächelt; denn morgen wird es nicht mehr sein.“ Oft war er nahe daran, seinen Jammer zu vergessen und sich des Heute zu freuen, das so schön war und so voll Trostes, da traf es ihn plötzlich wie ein Stich in die Brust: Alles Lüge, alles Lüge! „Die Welt will mich einlullen, ihr Elend zu vergessen. Fast gelingt es ihr. Aber ich kenne ihr schlimmes Tun, ich kenne es.“ Sein ursprünglich heiteres Gemüt war verdunkelt. Seine Seele war müde geworden.
Und doch sollte die Verzweiflung ihn nicht haben. In seiner schlimmsten Zeit scheint es gewesen zu sein, als ihm die Persönlichkeit Gazzâlîs entgegentrat und ihm den Rückweg zu sich selber zeigte. Hier war einer, der all das für verachtenswert erklärte, was ihm selbst, Jehuda Halevi, versagt war, all das für ewigen Reichtum, was er bei sich trug. Einer, der die Eitelkeit alles Irdischen, die Hohlheit des Lebens, die Nichtigkeit des Denkens an sich selber erlebt hatte. Und dem aus dem Chaos der Triebe, Wünsche, Sehnsuchten, aus den Trümmern, die er, selbst geschlagen, nur ein einziges Wertvolles sich gesondert hatte, ein Diamant unter den Scherben seines Lebens: Die Seele. Die Seele, die aus Gott kam, zu Gott will, in Gott ist. Jehuda Halevi fand sich in Gazzâlî wieder. Der brachte ihm den Sieg über sich selbst, die Begründung seiner Religion fürs ganze Leben. Der Einfluß ist unverkennbar. Jene geheimnisvollen Lieder Jehuda Halevis an die Seele sind ein tiefgehender Beweis. Es ist dieselbe vibrierende Stimme, die aus ihnen und dem religiösen Bekenntnis des arabischen Meisters spricht. Das Leben ein Traum, ein Erwachen der Tod, aber die hingegebene Seele findet den Weg zu ihm schon vor dem Tode, vermag sich selbst die Pforten aufzubrechen, den Kelch sich zu füllen aus dem Brunnen der Ewigkeiten. O Seele, du liegst im Sarge deiner Sinne, du moderst bei Lebzeiten, wenn du die Welt nicht zu verachten vermagst. Wirf hin, was du hast, so hast du ewigen Reichtum. Laß hinter dir die Erde, steig empor zu ihm, zu seinem Throne, siehe, er kommt dir entgegen, sein Geheimstes vermagst du zu schauen:
Wer kündet uns das Weben,
Das alle Wolken treibt,
Das tief verhüllte Leben,
Das ewig droben bleibt?
Und doch will er sich neigen
Dem Kinde dieser Welt
Und läßt sein Leuchten steigen
Hinab aufs Erdenzelt.
Und läßt vor Seheraugen
Sein ganzes Bild erstehn;
Sonst mochte nie ihm taugen
Daß Menschen ihn ersehn.
Was nie sich wollt’ gestalten,
Sein Bildnis oder Maß, –
In königlichem Walten
Prophetenauge sah’s.
Das ist echt Gazzâlîsche Inbrunst. Es verkennen, hieße blind sein. Daraus folgt aber gleichzeitig, daß all diese zahlreichen Lieder aus der Zeit nach 1108 stammen, in welchem Jahre ungefähr die Werke Gazzâlîs in Spanien bekannt wurden. Wahrscheinlich sogar wurden sie erst nach 1120 gedichtet. Die religiöse Reife, die aus ihnen spricht, beweist, daß unser Dichter die Jahre seines Irrens hinter sich hat, daß er mit sich selbst im Reinen ist, daß er weiß, wo die Wurzeln seiner Kraft liegen. Gazzâlî war Jehuda Halevis Wegführer geworden und blieb es bis an sein Lebensende. Al Chazârî, das philosophische Werk Halevis, mit dem er sein Leben beschloß, zeigt denselben Haß gegen die Spekulation, dieselbe Verachtung plappernder Gottesverehrung, denselben Glauben an die prophetische Schau des „inneren Auges“, wie Gazzâlî ihn gelehrt hatte. –
Aber noch eines war es, was Jehuda Halevi über Wasser hielt: Das war das naive Selbstbewußtsein, die köstliche Gabe des Genies. Er fühlte sich als „Siegelring seiner Zeit“ berufen, ihr den Stempel aufzudrücken. Zwar hatte sie ihn fortgeworfen, aber er blieb doch das Siegel. Er war „der Riese, der sich unter Zwerge beugen muß“, aber doch Riese blieb. Er war „der Löwe unter den Dichtern“, den es ekelt zu dichten, weil im Weinberg der Poesie „sich die Füchse breit machen“.
Und was war ihm sein Dichten? Nicht ein Beruf, aber eine Berufung. Er dichtete nicht, wie der Schuster schustert. Er glaubte an die Intuition alles dichterischen Schaffens. Ihm war das Höchste „der Tropfen, der vom Eimer rann“. Der Schaum über dem Meere. Das Meer der Weisheit krönt sich mit dem Schaum der Poesie. Es spricht durch den Schaum, und ihm war es prophetische Sprache. Oft klagt er, „daß er keine Vision erfassen könne“, ein anderes Mal überwältigen ihn die Verse, „ohne daß der Gedanke sie rief“. Dann wieder redet er sie an: „Wie seid ihr müde, ihr Verse, ihr meiner Gedanken Flügel wie so lahm? Zur falschen Stunde seid ihr immer gekommen, jetzt zur rechten schweiget ihr.“ Als er einst mit den Freunden beim Gastmahle saß, forderten sie ihn auf, zu improvisieren. Er aber weigerte sich. Da wurden die Freunde immer fröhlicher, tranken und jauchzten ihm zu, bis er, vom Weine bezwungen, begeistert aufsprang und zu deklamieren begann: – ein echt orientalisches Bild: Hafis in der Schenke. Jehuda Halevi dichtete, wenn er nicht anders konnte. Die Verse waren ihm unbändige Füllen, die sich oft „in seinen Zaum nicht schicken wollten“, manchmal aber plötzlich in seinem Zügel waren und den Taumelnden mit sich rissen. Er war ein echter Prophet der Dichterwelt. Und als Prophet fühlte er sich. In seinem Werke Al Chazârî spottet er derer, welche der Dialektik bedürfen, um ins Innere der Natur zu dringen. Sie sind ihm wie Dichter, die Silben zählen. „Der Schwachkopf braucht Dialektik, dem von der Natur zur Gottesschau Begnadeten fällt eines frommen Wortes Funken ins Herz, und schon steht seine Seele im Licht.“
Wenn Jehuda Halevi so sprach, sprach er von sich selbst. Dieses Selbstbewußtsein aber lehrte ihn schätzen, was er hatte, und verachten, was ihm versagt war. Sein war der bessere Teil: –
Und sie fragen: Kannst du leben
Ohne Bruder freudevoll? –
Ja, ich kann’s: aus eigner Seele
Stets mir meine Freude quoll!
Und ebenso lernte er den Pöbel hassen, den gebildeten Pöbel vor allem, lernte es, „seine Perlen zu vergraben“, zu sorgen, daß „seines Goldes kein Ring in den Rüssel eines Schweines komme“. Dieser Haß gegen die Welt blieb ihm bis an sein Lebensende. Er hat seiner Zeit nie ganz vergeben können, was sie an ihm gesündigt hat. Noch in seinen letzten Tagen klagte er über die Menschen, die gerade die Besten immer leiden lassen, über die Fürsten, die mit ihrem Golde sein Gottesgnadentum anzutasten wagten.
Trotzdem entwand er sich von Jahr zu Jahr mehr der Verbitterung, die seine jungen Tage vergällt hatte. Seine frohe Religiosität blieb Siegerin. Er hörte auf, zu hoffen auf das, was die Menschen Glück nannten, und nichts blieb als der triumphierende Stolz des Dichters auf sein gnadenreiches Leben. Was waren alle Schätze der Erde neben seinem Reichtum, alle Pfeile des Neides und Hasses gegenüber seiner göttlich gefeiten Brust:
Sprechet nur zur Welt, zur schlimmen:
Mag sie tun, was ihr gefällt,
Härter doch als ihre Dornen,
Stärker ist mein starkes Herz.
Darf ich ihre Weine kosten,
Will ich auch die Hefen nippen,
Besseres verlang’ ich nicht;
Denn erprobt ist meine Seele:
Alle gift’gen Bitternisse
Werden. Honig meinen Lippen.
Das ist der ganze Jehuda Halevi. Was konnten Hunger, Verkennung, Neid, Haß, Erniedrigung ihm anhaben?
So endete sein Selbstbewußtsein dennoch wieder dort, wo seine Demut endete: – In Gott.
Jehuda Halevi war zum Manne gereift. Die Zeit der Irrfahrten war vorüber. Die Kämpfe freilich noch nicht. Noch manchen Sturm mußte seine Seele ertragen. Um das Jahr 1120 finden wir ihn in Sevilla wieder, wo er zum erstenmal eine Art Heimat gefunden zu haben scheint. Hier wird es wohl auch gewesen sein, daß er jene Frau heiratete, von der wir nichts wissen, als daß sie ihm eine einzige Tochter schenkte und daß sie vor ihm starb. Selbst ihr Name ist uns unbekannt. Hier schloß er auch die Freundschaft mit dem erheblich jüngeren Abul Hasan Meîr ibn Kammiâl, der – wahrscheinlich 1121 – an den Hof des Almoraviden Alî als Leibarzt berufen wurde. Er scheint Jehuda Halevi materiell unterstützt zu haben. Die Freundschaft zu ihm aber hat dem Dichter auch einen inneren Halt gewährt. Er fühlte sich nämlich in Sevilla durchaus nicht wohl. Er scheint damals aus sich herausgegangen zu sein, um für seine religiöse Ueberzeugung, die ja dem Judentum seiner Zeit ebenso fremd war wie Gazzâlîs Lehre der islamischen Theologie, Anhänger zu gewinnen. Es gelang ihm nicht, seine Stammesgenossen zu der Tiefe und Innigkeit seines Glaubens zu bekehren. Sie plapperten weiter ihre Gebete an der Wand stehend „wie die Ochsen an der Krippe“. Man nahm ihm sogar übel, daß er ein anderes Judentum wollte als die anderen, und sprach ihm die Berechtigung ab, mitzureden, indem man ihn auf seine materielle Notlage hinwies. Was unterstand der arme Teufel sich, die reichen Juden aus den Palästen Sevillas zu meistern? – So entlud sich sein ganzer Zorn über das dickfellige Protzentum dieser Menschen, die nur „den Baum mit den Aepfeln aus Gold als Baum der Erkenntnis anerkennen wollten“. Damals gewährte ihm der Umgang mit dem jungen, hochbegabten Kamniâl eine große Beruhigung. Es war eine innige Freundschaft, welche die beiden verband, in der allerdings Jehuda Halevi, obgleich erheblich älter als Ibn Kamniâl, wie immer der beherrschte Teil war.
Viel mehr können wir aus den Tagen von Sevilla freilich nicht erzählen. Auch dauerten sie nicht allzulange. Wir schätzen die Zeit seines dortigen Aufenthalts auf ungefähr fünf Jahre. Danach weist uns eine verwischte Spur auf ein kurzes Verweilen in Cordova hin, wo er den Tod des Rabbi Baruch ben Isak Albalia (st. 1125) erlebt zu haben scheint. Dann finden wir den bereits grau werdenden Dichter in Granada. Aber auch dort hielt er es nicht aus, sondern verließ schließlich Andalusien ganz und zog nach dem Norden in die Heimat zurück, von der er ausgezogen: Toledo.
Was ihn zu diesem Schritte veranlaßte, ist zweifelhaft. Möglich, daß ihn der 1126 erfolgte Regierungsantritt des Königs Alfonso VII. Raimundez von Kastilien dazu bewog. Dieser war den Juden freundlich gesonnen. Seitdem er gar den edlen Jehuda Hanassi ibn Esra mit einem hohen Staatsamte betraut hatte (1129), wurde Kastilien für die Juden geradezu ein Asyl. Die Zeit, in der Jehuda Halevi nach Toledo kam, würde nach dieser Auffassung um 1130 anzusetzen sein, was mit seinen übrigen Lebensverhältnissen in Einklang stehen würde. Jehuda Halevi ließ sich in Toledo als Arzt nieder und entfaltete bald eine große Tätigkeit. Zu groß für ihn. Er fühlte sich nach kurzer Zeit als ein Knecht seines Berufes. Zudem empfand er die Nichtigkeit seines Wissens und Könnens, klagte über die Wertlosigkeit seiner Kunst und über die Dummheit der Leute, die zu jeder möglichen und unmöglichen Stunde zu ihm gelaufen kamen, um Heilung zu verlangen, und brutal wurden, wenn er nicht heilen konnte. Trotzdem war er ein besserer Arzt, als er selber glaubte. Die natürliche Behandlung, die er anwandte, indem er das Hauptgewicht auf die Hygiene, auf Luft und Licht, Essen und Trinken, Bewegung und Ruhe, Schlafen und Wachen legte, verschaffte ihm viel Vertrauen. Und wenn ihm die angestrengte Tätigkeit auch lästig war, so hat sie ihm doch aller Wahrscheinlichkeit nach das gebracht, was ihm immer gefehlt hatte, die materielle Sorglosigkeit. Als er einige Jahre später nach dem Süden zurückkehrt, ist er ein unabhängiger Mann.
Um 1135 wird es gewesen sein, daß Jehuda Halevi über die Brücke von Cordova schritt, um nie wieder diese Stadt zu verlassen bis zu dem Augenblicke, wo er seine Wallfahrt nach Palästina antrat.
Cordova! Dieser Name bedeutet die letzte und reichste Epoche im Leben Jehuda Halevis. Eine glückliche Epoche. Wohl war er äußerlich ein alternder Mann geworden, als er seinen Einzug in die herrliche Stadt Andalusiens hielt. Aber er selber wollte es nicht wahr haben. Denn er fühlte sich jung wie am ersten Tag. Die schwarze Locke war ergraut, aber darunter blühten frische, jugendliche Züge, und es war seine Eitelkeit, auf den anmutigen Gegensatz zwischen dem weißen Haar und den braunen vom Barte umrahmten Wangen hinzuweisen. Die Unstetheit seines Lebens hatte ihn nicht beugen können. Spät war die Ruhe gekommen, aber nun war sie da und trug herrliche Blüten und Früchte.
Cordova! Hier lernte er kennen, was Ruhm heißt. „Ganz Israel bekennt sich zu dir,“ rief ein Freund ihm zu. Und selbst konnte er von sich sprechen: „Jehuda Sohn Samuels! Enkel Samuels! Sein Zelt ist bekannt von den Enden Edoms bis zum Flachlande, von Kastilien bis Andalusien.“ Man hörte auf ihn. Es sammelten sich Schüler um ihn, die er „als seines Gartens Blumen“ liebte und pflegte, und die mit Andacht am Munde des Meisters hingen, der ihnen seine Religion predigte und den Glauben seines Lebens.
Von vielen umworben, gewährte er doch nur wenigen das Glück seiner Freundschaft. 1138 wurde Joseph ibn Zadîk Dajan[2] von Cordova. Er war es, der unserem Dichter am nächsten stand, in seinem Hause weilte er am liebsten, ihm Ehrenlieder weihend, die auf den Gastereien Ibn Zadîks vorgetragen wurden. Aber auch ein spätes Familienglück erblühte ihm noch. Er konnte seine Tochter verheiraten und wiegte noch ein Enkelsöhnlein auf den Knien, das denselben Namen trug wie er.
Im Scheine dieses abendlichen Glückes setzte sich Jehuda Halevi noch einmal nieder, um in einem umfangreichen Werke die letzten Schlüsse seines Lebens zu ziehen. Das ist die philosophische Schrift Al Chazârî, „das Buch des Argumentes und Beweises zur Verteidigung des verachteten Glaubens“. Als er im Jahre 1140 dieses Werk begann, da sollte es eine Streitschrift werden, eine Streitschrift gegen die Feinde von außen und die Feinde von innen. Seine weithin hallende Stimme sollte vom Ruhme Israels zeugen. Als er es beschloß, war es viel mehr geworden: Das persönlichste Bekenntnis seines Lebens. Und schreibend war er selbst ein anderer geworden.
Al Chazârî ist ein philosophisches Werk, geschrieben von einem Verächter der Philosophie, das sagt alles. Ein Werk des Verstandes, in Leidenschaft begonnen und vollendet, ein Werk des Beweises, dessen Argumente allein in seinem Pathos liegen. Dem kritischen Geiste hält es nicht stand, aber dennoch ist es stärker als er; um so viel stärker, wie Jeremia stärker ist als Aristoteles. Al Chazârî ist das Werk eines Dichters. Schon die Form ist eine dichterische: Der Dialog. Der König der Chazaren ringt um die Wahrheit. Eine Stimme war im Traume über ihn gekommen: „Dein Wille gefällt mir, doch nicht die Tat!“ Da geht er, die Tat zu suchen. Aber er findet sie nicht. Der Philosoph, der Christ, der Muslim lassen ihn im Dunkel. Schließlich kommt er zum Juden, den er verachtet. Der lehrt ihn die Tat. Lehrt ihn die realste aller Religionen, das unmittelbarste Wissen von Gott: Offenbarung. Offenbarung ist das A und das O dieses Werkes. Und seine verschwiegene Predigt ist, daß Offenbarung gesucht und erkämpft werden muß und – kann. Wohl hat die arme Zeit nichts als Ueberlieferung, die Tradition von Mund zu Mund, die ihr die Wahrheit aller göttlichen Offenbarungen verbürgt. Aber diese Ueberlieferung ist selbst Offenbarung, weil es die Ueberlieferung der Adelsmenschen dieser Welt ist, die Ueberlieferung derer, die am Fuß der Himmelsleiter stehen. Es ist das Kleinod Gottes, Israel, das die Gottesschau der Sechsmalhunderttausend kündet. Wer redet da? Wer wagt es zu zweifeln? Weh dem, der die Kette zerreißt, die uns mit den Jahrtausenden rückwärts verknüpft! –
Werden wir noch einmal Gott schauen? Ist es möglich, zu ihm zu dringen? Wer trägt uns zu seinem Throne? – Der denkende Geist? Nimmermehr. Tausendmal heiler als das Auge der Spekulation ist das Auge der Prophetie. Wer beweisen will, geht in die Irre. – Die Selbstkasteiung? Allein wird sie uns niemals Gott näher bringen. Eines muß hinzukommen: Die gute Tat. Sie ist die Kraft, die uns helfen wird. Nur durch Gottes Wort kommt man zu Gott. Sein Gebot ist die Brücke, die zu ihm führt. – –
Das Werk Jehuda Halevis näherte sich seinem Ende. Der Dichter fühlte, daß er seine Seele ausgeblutet hatte in dieses Werk. Es war die Predigt seines Lebens, die er der Mitwelt bot. Der Adelsmantel, den er Israel umhängt, trägt das Wappen seines eigenen Adels, des eigenen Wertes Bewußtsein ließ ihn das Kleinodentum Jakobs künden. Und das Gefühl des eigenen Prophetentums war es, was ihn als höchste Stufe die Stufe der Prophetie predigen ließ. Er wußte, was Offenbarung war. So konnte er von Offenbarung sprechen und sprach vom eigenen Leben. Und doch, obgleich er sich so für einen von Gott mit der tiefsten Schau Begnadigten hielt, doch wuchs sein Werk über ihn hinaus. Er hatte seinem Geschlecht den Weg zu Gott zeigen wollen. Am Ende fühlte er, wie fern er selbst noch von ihm war, wie unvollkommen sein Tun. Ein kleines Geschlecht war es, dem seine Rede gegolten hatte, aber er selbst war dieses Geschlechtes Knecht gewesen ein Leben lang. Um ihre Gnade hatte er geworben, ihr Lob war ihm Lebensbedürfnis gewesen, wie süß war der sauer erkämpfte Ruhm. So erwuchs ihm die erschütternde Gewißheit, daß seine Lehre mit seinem Leben nicht stimmte. Und die Unruhe, die sein ganzes Leben erfüllt hatte, kam wieder über ihn. Ein Suchen entzündete sich in seiner Seele. Eine Zeit schwerer Kämpfe folgte, aus denen heraus sich ein Entschluß läuterte, der alle seine Freunde in Schrecken setzte und sie fast an seinem Verstande zweifeln ließ: Jehuda Halevi wollte Spanien für immer verlassen und nach Palästina wandern. Er wollte sterben für seine Welt, sterben für seine Familie, sterben für seine Freunde, um das wahre Leben zu gewinnen. Der Gedanke, daß nur die vollkommene Tat zu Gott führe, brannte ihm die Seele. Er mußte dorthin, wo allein die Taten vollkommen werden konnten, ins heilige Land der Väter. Dort allein war die letzte Erfüllung des göttlichen Wortes möglich. Dort war das Tor, „das von der Erde in den Himmel führt“, dort die Jakobsleiter zur höchsten Schar. Dort würde er Gott schauen Auge in Auge, dessen war er sicher.
Vergebens waren die Warnungen der Freunde, die eine schwere Enttäuschung für den Dichter voraussahen. Oft gelang es ihnen fast, ihn wankend zu machen. Es kamen Augenblicke der Angst und des Zweifels für ihn. Immer aber gewann der eine süße Gedanke in ihm die Uebermacht: „Zion, Zion, du Krone der Zeit!“ Lächelnd sah er das Ziel vor Augen. Es war ihm unentrinnbare Selbstverständlichkeit geworden.
Der Entschluß war gefaßt. Der Tag der Abreise kam. Da sammelten sich die wenigen Freunde in Cordova zum letzten Male. Es bildete sich eine kleine Gefolgschaft um ihn, die bereit war, mit ihm zu ziehen. Josef ibn Zadîk sandte ihm eine reiche Abschiedsgabe, die er mit folgenden, die Größe und den Charakter Jehuda Halevis tief kennzeichnenden Worten begleitete:
Armut schließt uns unsre Rechte;
Darum, was die Seele möchte,
Reicht sie leider dir nicht dar:
Wie belohnen wir dein Künden,
Juda, der uns armen Blinden
Ein so großer Künder war?
Liedesvater, sag’ mir, zeugte
Dich der Dichterkönig? Säugte
Selig einst Deborah dich?
Seelen jagst du, nicht mit Schlingen,
Nein, in deiner Liebe fingen
All die frohen Herzen sich.
Deine Lippen sind so süße,
Deine Reden Heldengrüße,
Klar dein Wort und mannazart;
Löwe und Gazelle scheinen
Herrlich sich in dir zu einen:
Kraft und Schwäche hold gepaart.
Dankerfüllt sang Jehuda Halevi noch einmal den Ruhm des Freundes. Dann umarmte er zum letzten Male die geliebten Schüler, die Tochter, den kleinen Jehuda, um sich plötzlich loszureißen und die Tore Cordovas durchschreitend dem Süden zuzueilen, wo das Schiff ihn erwartete, das ihn zu den Bergen der Heimat tragen sollte. Schon zu lange hatte er gezaudert. Deshalb konnte es ihm jetzt nicht schnell genug gehen. Wohl wußte er, daß in Granada ihn Freunde erwarteten, die ihn das letzte Mal sehen wollten. Aber die Angst, aufgehalten zu werden, veranlaßte ihn, die schöne Granatenstadt gar nicht zu berühren.
Es steht der Libanon vor mir,
Da darf ich nicht „Granaten“ pflücken:
So will es meiner Sünden Zahl,
Die Frevel so, die allzumal
Auf meine Seele drücken.
So kam er zum Meere, das ihm nicht unbekannt war. Oft hatte er an seinem Strande gesessen und mit den Kieseln gespielt oder den Wellen gelauscht, die kamen und gingen wie ein unterwürfiges Heer, die Hand des Königs zu küssen. Jetzt sollte er sich diesem Heere anvertrauen. Zagend betrat er die Planke des Schiffes und sah sich bald von brutalem Schiffsvolk umgeben, das prahlend die Klugen verachtet und nur den Schwimmer schätzt.
Die Reise war zunächst von günstigen Winden begleitet. Dann aber kamen stürmische Tage, an denen der Dichter unter der Seekrankheit litt. Gleichzeitig verfolgte ihn die Angst vor Piraten, und auch die Schiffsleute flößten ihm Mißtrauen ein. Trotz alledem aber brachten ihm die Tage auf dem Meere Augenblicke der höchsten dichterischen Offenbarungen. Ob der Sturm ihn umbrauste oder der Sternenhimmel der Mitternacht in die spiegelnden Fluten sank, seine Augen waren weit geöffnet, aus dem Brunnen der ewigen Erhabenheiten zu trinken. Er hat die Natur des Weltmeeres ausgeschöpft, wie sie sich nur ausschöpfen läßt. Die Woge sprach zu ihm, aber was sie sprach, war wieder nur und konnte nur eines sein: – Gott.
Das Schiff war seinem Ziele nahe. Da brach – es war im September des Jahres 1141 – eines Tages ein stürmischer Ostwind los, der das Schiff nicht vorwärts ließ, vielmehr es zwang, rückwärts segelnd im Hafen Alexandrias vor Anker zu gehen. Bitterer Unmut erfaßte Jehuda Halevi. Aber es half ihm nichts, er mußte an Land. Doch nahm er sich vor, sobald als die Stürme nachließen, wieder in See zu gehen.
Kaum jedoch hatte sich unter den Juden Alexandrias die Kunde verbreitet, daß der gefeierte Dichter des Abendlandes in der Stadt sei, als sie herbeiströmten, ihn zu sehen und mit den ausgesuchtesten Ehren zu überhäufen. Der reichste Jude der Stadt, der Arzt und Rabbi Aaron ben Zion ibn Alamânî, zog ihn in seinen Palast. Dieser Palast allein schon wirkte auf den überraschten Dichter überwältigend. Da ging man über goldbedeckte Quadern, stieg in die Gärten hinab und wandelte zwischen blühenden Narden und Cyprusblumen an duftenden Springbrunnen vorüber zu den Myrtenlauben, in deren Zweigen die Nachtigallen sangen, während gurrende Tauben die Wege bedeckten. Alamânî veranstaltete für den Dichter rauschende Festlichkeiten, auf denen ihm die Edelsten Alexandrias in ausgelassenem Jubel huldigten, trinkend und singend und ihm selbst zum Singen begeisternd. Jehuda Halevi war bezwungen. So viel Liebe hatte er sich nicht träumen lassen. Er konnte nicht anders: er mußte diese Stunde genießen und blieb. So hatte ihn das Erdentum wieder umfangen, da er sich ihm längst enthoben wähnte. Ein später Liebesfrühling wird dem fast Sechzigjährigen beschert. Mit anakreontischer Freude singt er von reizenden Abenteuern unter den Fenstern der Schönen.
Dann aber kommt wieder die Wirrnis über ihn, und die Sehnsucht nach Zion erwacht von neuem. Die Sabbathe verhüllen ihm ihre Weihe, er kann nicht wahrhaft froh werden, er fühlt, daß er sich selber untreu geworden ist. So sehnt er sich, aus Alexandria fortzukommen. Eines Tages trifft aus Damiette ein Bote des Abû Sa’îd Chalfon Halevi ein, der ihm einen Brief von dem Fürsten der ägyptischen Juden, dem Nagid Abû Mansûr Samuel ibn Chananjah, überbringt. Jehuda Halevi wird eingeladen, nach Kairo zu kommen, um sich im Palaste des Fürsten seiner Gastfreundschaft zu erfreuen. Sofort sagt er zu und meldet gleichzeitig seinen Besuch in Damiette für später an. Er hofft, der Fürst wird ihm helfen, bald zum Ziele seiner Sehnsucht zu gelangen. Nachdem er in Alexandria noch einige Einkäufe erledigt hat, fährt er nach Kairo. Der Eindruck, den der glänzende Hofstaat des Nagid auf ihn macht, ist noch größer als der, den er in Alexandria gehabt hat, und übertrifft alle seine Erwartungen. Wenn er den Fürsten in seiner Staatskarosse unter den Klängen rauschender Musik und von Soldaten begleitet ausfahren sieht, muß er an Josef in Aegypten denken. Solche Macht eines Juden hatte er in Spanien nie gesehen. Samuel spielte in der Tat am Hofe des fatimidischen Sultans Al Hafis eine bedeutsame Rolle und konnte dadurch seinen jüdischen Brüdern eine starke Stütze sein.
Er empfängt unseren Dichter mit den höchsten Ehren, und als Jehuda seinen Palast betritt, fühlt er, daß er in ein Haus der Liebe und Freude getreten ist. Hier wird das ruhebedürftige Herz zur Ruhe kommen. Ein Fest folgt nun wieder dem anderen. Es ist, als wenn Aegypten ihn entschädigen will für die vielen Jahre der Entbehrung und Verkennung. Aber wieder kommen die Gedanken an das letzte Ziel und trüben die Freude. Wieder ergreift ihn die Unrast und treibt ihn weiter. Wenige Tage vor dem Chanukafest verläßt er plötzlich Kairo, um nach der Hafenstadt Damiette zu fahren, von wo aus er mit Hilfe des bereits genannten Abû Sa’îd Chalfon Halevi endlich ans Ziel zu gelangen hofft. In Damiette verweilt er genau vierzehn Tage bis zum elften des Monats Tebet. Hier wird er tief von der paradiesischen Natur Aegyptens ergriffen, die dem Dichter ihre ganze Blütenpracht enthüllt. Noch einmal tritt die Jugend vor seine Augen, alte Träume steigen empor, Träume der Liebe und Freundschaft. Abû Sa’îd versucht ihn zurückzuhalten, wie es jeder in Aegypten versucht hat. Man hatte ihn durch rauschende Feste von dem Ziele seiner Sehnsucht ablenken wollen, das so schön war und doch mit Enttäuschung enden mußte. Schließlich aber muß der Freund doch nachgeben, und am Tage nach dem Fasten des Tebet besteigt Abul Hasan Jehuda Halevi die Barke auf dem Nil, um weiter zu fahren: stromaufwärts oder stromabwärts? Wir wissen es nicht. Mit diesem Tage schließt für uns das Leben Jehuda Halevis. Schließt mit einer Frage: Hat er das Ziel seiner Sehnsucht erreicht? Ist er, wie die Sage erzählt, im Tore Jerusalems von dem Rosse eines daherjagenden Sarazenen zerstampft worden? Oder hat man ihn irgendwo im ägyptischen Sande verscharrt? –
Wir wissen nichts von seinem Ende. Wissen nur, daß er mitten im Jubel der ägyptischen Tage vom Tode redete, vom Grabe, das vor ihm liege, und vom Greisentum, das nun nicht mehr zu verheimlichen sei. Und wenn es wahr ist, daß Todesahnen des Sterbens Anfang ist, so trug er den Keim des Todes schon damals in sich, da er mit zitternder Hand dem Fürsten Samuel die flehenden, von geheimer Angst erfüllten Worte schrieb, mit denen wir sein Leben beschließen wollen:
Wollt ihr Liebes mir vergelten,
Sendet meinem Herrn mich zu:
Eh’ ich unter seinem Zelte
Glücklich nicht das meine stellte,
Find’ ich keine Ruh’.
Haltet mich nicht auf zu eilen,
Da mich schon die Angst erfaßt:
Unter seinem Flügel weilen
Und der Väter Ruhe teilen
Bleibt doch meine einz’ge Rast.
Es bleibt noch übrig, ein kurzes Wort über die Dichtungen Jehuda Halevis zu sagen. Wer sie genießen will, muß es lernen, sich auf die kurze Zeit seines Genießens aller abendländischen Traditionen zu entschlagen. Dieser Dichter ist ein Orientale. Der Orientale dichtet nicht wie der Abendländer. Er weiß nicht, was das heißt: Kunstwerk. Er fängt an zu singen, sorglos, wie er enden wird. Die orientalische Dichtung hat etwas Sprudelndes, geheimnisvoll Bewegliches. Hier fehlt alle Konzeption und Komposition. Nirgends spürt man die bauende Hand, nirgends die Energie zügelhaltenden Künstlertums. Das singt und musiziert wie die Vögel im Walde, endlos jubilierend. Daher die erstaunliche Fruchtbarkeit dieser Poeten aus dem Lande der Morgensonne. Ihre Lieder zählen immer nach Tausenden.
Es ist der tiefe Unterschied zwischen Morgen- und Abendland, der sich hier kundtut. Der Abendländer ist induktiver, der Morgenländer intuitiver veranlagt. Dieser schaut, jener sinnt. Hier Prophet, dort Denker. Der Orientale hängt am Einzelnen, springt über zum Anderen, flüchtet zum Dritten, eines aber bleibt ihm ewig verhüllt: Das Ganze. Die Dinge sind beieinander, nicht ineinander. Das ist kein Vorteil, aber auch nicht immer ein Nachteil. Wo es so liegt, wird die Historie zwar leicht anekdotisch, die Dichtung geistreich. Aber es bleibt dafür alles ursprünglich, nichts erstarrt in der Form, nichts erfriert in der Methode.
Man kann den orientalischen Geist am besten an der Sprache studieren. Im Semitischen wird koordiniert, nicht subordiniert. Es gibt kaum eine Syntax. Die feinen Nüancen unserer Rede sind unmöglich, oder besser gesagt: sie sind teils verborgener, teils umständlicher als bei uns. Woraus die unendliche Schwierigkeit für den Uebersetzer entspringt. Der Uebersetzer muß in den Geist der semitischen Sprachen soweit eingedrungen sein, daß er die verborgenen Nüancen des Beieinander zu spüren vermag. Denn seine Aufgabe ist es, das Koordinierte zu subordinieren, ohne die zartesten Töne zu verwischen. Ist dies gelungen, so wird der Okzidentale den Orientalen begreifen. –
Jehuda Halevi ist ein Kind zweier Kulturen, der arabisch-andalusischen und der jüdischen. Obgleich all seine Dichtungen in klassischem Hebräisch geschrieben sind, ist er doch in seinen profanen Gesängen der echte arabische Rhapsode. So sehr, daß er als Repräsentant der arabischen Dichtung gelten kann: Dieselbe Glut der Farben, derselbe Strom wechselnder Bilder, dieselbe Ungebundenheit der Sprache, dieselbe Gewagtheit sinnlichen Schauens und dieselbe Grazie hinfließender, ewig wandelbarer Stimmungen. Man spürt das Pathos und die Deklamation. Die Lieder der Liebe und die Episteln der Freundschaft sind es vor allem, die Form und Inhalt nach bei Jehuda Halevi echt arabisch sind. Das Kommen und Gehen im Traume, das geheime Wandeln der Seele auf den Pfaden der Liebe, das Suchen nach den verwehten Spuren auf der Freundschaft Trümmern, die Klage um Scheiden und Meiden, die in tausend Tränen zerrinnt, der Ueberschwang der Sehnsucht, die Uebertreibung des Lobes, alles so leicht, so bunt, so redselig ausfließend bis auf den letzten Tropfen, so echt – arabisch.
Am größten aber ist Jehuda Halevi zweifellos in seiner religiösen Dichtung. Dort treffen sich die beiden Welten in ihm. Die Ungebundenheit des Arabers findet hier einen Zügel: Den jüdischen Geist. Dieser Geist, obgleich ebenfalls orientalisch, hat es doch zu einer Aesthetik gebracht. Palästina war der einzige Punkt im Morgenlande, wo echtes Künstlertum wuchs: ein Künstlertum des Lebens. Die Harmonie des Einheitsgedankens im All, die Akkorde der Völker in der Weltgeschichte, die Zentralität Israels, des Kleinods, das waren mächtig ordnende und bauende Gedanken. Und vor allem: Für Jehuda Halevi war es lebendiges Leben. Darum offenbart sich nirgends so wie in seiner religiösen Poesie sein Künstlertum. Hier ist er auch der Moderne am verwandtesten: Ueberall geschlossene Reihen, abgetönte Stimmungen, harmonische Steigerungen und Lösungen. Die Poesie der Andeutung, die ohne höchste Einheit des künstlerischen Bewußtseins nicht zu erreichen ist, finden wir hier in wunderbar zarter Vollendung. Die geheimsten Wirkungen moderner Stimmungen werden hier ausgelöst. Bedenken wir, daß der Dichter dem Zeitalter der deutschen Minnesänger angehört, so müssen wir geradezu erstaunen über die Differenziertheit seiner Empfindungen. Sie wird verständlich, wenn wir erwägen, daß er in seinem Lande das Kind einer blühenden Hochkultur gewesen ist.
So bewundern und verehren wir in ihm zweierlei zu gleicher Zeit: Die ursprünglichste Natur einer verschwendenden Dichterseele und die höchste Geisteszucht eines zwei Kulturen in sich vereinenden Genies. Damit hat die Dichtergröße Jehuda Halevis ihren Namen erhalten.
Nun aber möge er selbst zu euch sprechen, in all seiner Schwere und all seiner Grazie. Vielleicht daß er Seelen findet, die mit seiner Seele klingen. Dem, der ihn übersetzt hat, ist er Offenbarung geworden. Wer ihn aber immer lesen mag, er stehe still vor ihm. Hier ist heiliger Boden: Ecce poeta.
[1] Eine Art von Derwischen, die ein Leben in Kontemplation führen.
[2] Dajan ist der jüdische Gemeinderichter.
Nach zwölfjähriger, immer wieder neu aufgenommener Arbeit läßt der Uebersetzer diesen Diwan erscheinen. Die hier gebotenen Uebertragungen sind ursprünglich mehr oder weniger freie Nachdichtungen gewesen. Erst allmählich erwachte in dem Uebersetzer aus dem Interesse, sich von dem mittelalterlichen Sänger Anregungen zu seinem eigenen Schaffen geben zu lassen, das Interesse, diesem Sänger selbst zum Rechte zu verhelfen. Dieses Interesse stieg mit der wachsenden Erkenntnis, daß alles bisher an Uebersetzungen Gebotene ohne Ausnahme ungenügend war. Von den Schwierigkeiten, die freilich solcher Uebersetzung von Versen aus einer semitischen in eine indogermanische Sprache entgegenstehen, war bereits am Ende der biographischen Darstellung die Rede. Es bleibt der Oeffentlichkeit überlassen zu beurteilen, wieweit diesmal das Erforderliche geleistet worden ist.
Neben der Uebersetzung hat der Uebersetzer sich vor allem die sorgfältige Auswahl der Gedichte angelegen sein lassen. Sein Bestreben war, den Dichter in seinem ganzen Können zu zeigen, aber alle Wiederholung des nach der Sitte orientalischer Barden sich nur zu oft Wiederholenden möglichst zu vermeiden. Die Auswahl, die wir bieten, zeigt in Wirklichkeit den ganzen Dichter.
Das Nachwort macht zum ersten Male den Versuch, das uns fast gänzlich unbekannte Leben Jehuda Halevis aus seinen Gedichten neu zu konstruieren. Die Art der Veröffentlichung verbot dabei, den ganzen wissenschaftlichen Apparat mit erscheinen zu lassen. Hier am Schluss nur soll der Quellennachweis folgen: Die hauptsächlich von uns benutzte Ausgabe ist die von Dr. H. Brody, Divân des Abû-l-Hasan Jehuda ha-Levi, Berlin 1894, 1896-97, 1903 in zwei Bänden mit Anmerkungen und Kommentar. Leider ist diese klassische Ausgabe noch immer nicht vollständig erschienen. Wir mußten deshalb ergänzend noch folgende ältere Ausgaben heranziehen: 1. Diwân des Rabbi Jehuda ha-Levi, herausgegeben von S. D. Luzatto, Lyck 1864, eine ausgezeichnete, aber nur 86 Stücke lediglich religiösen Inhalts umfassende Ausgabe. 2. Rabbi Jehuda ha-Levi von Abraham Elia Harkavy, Warschau 1893, eine ganz unselbständige und textlich unzureichende Arbeit.
Wir zitieren nach den Herausgebern.
1. Gott: Du Quell des wahren Lebens ... liqrath m.qor chajê emeth arûçâ: Brody II, S. 296, Nr. 75 (in die 2. pers. sing. übertragen).
Wenn die Sterne sich entzünden ... j’îrûn kokhbhê nishpi: Luzatto Nr. 37, S. 15 a.
Du Seele willst ins Vaterhaus ... nêfesh l.bêth âw thikhs.fâ gam kâl.thâ: Brody II, S. 306, Nr. 89 (in die 2. pers. sing. übertragen).
Mein Leib und Leben ... jiçrî wîçûrâj: Luzatto Nr. 71, S. 29 a.
Um sein Antlitz alle Frommen flehen ... jchallu pnê êl chaj chasîdâw w.jishalu: Luzatto Nr. 24, S. 11 a.
Gottes Hand wird dich beschatten ... çêl j.dê êl j.hî lokh machase: Luzatto Nr. 35, S. 14 b.
Zu dir steht all mein Sehnen ... ’adonaj negd.kha kol ta’awâthi: Luzatto Nr. 52, S. 18 b.
Hin nach meines Lebens Quelle ... ligrath m.qôr chajaj ’etên m.ghamâthî: Luzatto Nr. 56, S. 21 a.
Wenn du allein des Herren harrst ... ’im l’elohâjikh l.bhad tochîlî: Brody II, S. 248, Nr. 27.
Halt, o Herz! Wer darf sich wagen ... libî ‘amôd kî mî b.sôd: Brody II, S. 218, Nr. 8.
Knechte der Zeit: – Knechte der Knechte ... ‘abhdê z.mân ‘abhdê ‘abhâdim hêm: Brody II, S. 300, Nr. 83.
Tag und Nacht will ich den Herren loben ... jômâm wâlailâ hallêl la’adônay: Luzatto Nr. 34, S. 14 b.
Jugend ist wie leichte Flocken ... j.shênâth b.chêq jaldûth l.mâtay tishkh.bhî: Luzatto Nr. 42, S. 16 a.
Mein Gott, ich will dich ehren ... joh shimkhâ: Luzatto Nr. 65, S. 24 a.
Bevor du mich geschaffen ... j.dâ‘tânî b.terem tiçrênî: Luzatto Nr. 30, S. 13 a.
Ruhig, ruhig, liebe Seele ... shûbhî j.chîdâ el m.nûchêkh: Brody II, S. 217, Nr. 5.
2. Israel: Wahrheit, ich liebe dich aus ganzer Kraft ... b.khol m.ôdî: Brody II, S. 221, Nr. 10.
Sonn’ und Mond im Wechsel der Geschlechter ... shemesh w.jarêach l’olâm shêr.thû: Brody II, S. 307, Nr. 90.
Sei stark und harre deiner Zeit ... je’emaç l.bhabhêkh umô‘adekh jachali: Luzatto Nr. 27, S. 12 a.
Seit du das Heim der Liebe bist ... mê’âz m’ôn ha’âhabha hajîtha: Luzatto Nr. 58, S. 21 b.
Entfessle deine rechte Hand ... j.mîn ’uzzkhâ êl w.jad ezrêkhâ: Luzatto Nr. 17, S. 7 b.
In deinem Licht schläft aller Glanz ... jachad b.’orkhâ êl nâ’ôr nir’ê ’ôr: Luzatto Nr. 700, S. 28 b (mit Auslassung der letzten Strophe).
In deinem Haus zu ruhen ... jâfê w.tobh le’chôz b.bhêthâkh machanê: Luzatto Nr. 31, S. 13 a.
Fauler, wirst du nicht erröten ... ’âçêl halô thebhôsh w.thikâlêm: Brody II, S. 272, Nr. 50.
Es blieben die Wunder, die herrlichen, fort ... ’ôthôthênû hithmahmâhû: Luzatto Nr. 80, S. 36 b.
3. Liebe: Ofra wäscht ihre Kleider ... Ofra th.khabês ’et b.gâdêhâ: Brody II, S. 12, Nr. 7.
Ich wiegt auf dem Schoße ... jôm shishatihû ‘alê bhirkhâj: Brody II, S. 16, Nr. 13.
Was drängt ihr mich also ... shô’alîm biglâlî mâ tish’alû: Brody II, S. 24, Nr. 22, Vers 11-18.
Abschiedsverse: mâ lokh çbhija timn.î çirâjikh: Brody II, S. 7 ff.
V. 5-8, 10-11, 13-16, 17-20, 21-24, 25-28, 29-32, 33-34, 49-52, 61-62, 63-64, 67-68 und 57-58.
Wach doch auf aus deiner Ruh’ ... ûrâ j.dîdî mitnûmâthêkha: Brody II, S. 20, Nr. 19.
Wie die Sonne über Sphären schreitet ... hinnê kashemesh galgal dôrêkheth: Brody II, S. 45, Nr. 45 (in die 2. pers. sing. übertragen).
Zum Ruhme der Braut: Jônâ âl ’afîqê mâjim: Brody II, S. 53, Nr. 53.
V. 3-6, 7-10, 23-26, 27-30, 35-38.
Zeigte Liebchen mir die Wangen ... lêl gill.thâ êlâj çbhijâ na’arâ: Brody II, S. 20, Nr. 18.
Liebe Sänger, singt den Trauten ... j.fê qôl qadd.mû khinnôr l. jâfôth: Brody I, S. 99, Nr. 70, Vers 1-38: Einleitung zu einer poetischen Epistel an R. Aaaron ben Zion Al-amâni (ca. 1141).
Was geht noch auf die Sonne ... mâ ta‘alê shemesh umâ tofî’a: Brody II, S. 19, Nr. 16.
Mög’ des Paares holder Bund ... ubâm jisraêl jithbârakh: Brody II, S. 44, Nr. 43, Vers 17-19.
4. Freundschaft: Fein sänftlich, Freund, bin nicht von Erz ... l’at lî: Brody I, S. 11, Nr. 9.
Sehnt sich deine Seele noch ... ha ‘ôd l. jaldûth: Brody I, S. 129, Nr. 89. Einleitung der Epistel an Abul Hasan b. Moril.
Viele schon in meinem Herzen schufen ... b. libbî sôd: Brody I, S. 3, Nr. 3.
Abschied: j.dâ‘nûkhâ n.dôd: Brody I, S. 154, Nr. 101.
Ist’s der Myrrhe zartes Düften ... ha rê’ach môr: Brody I, S. 58, Nr. 43, Vers 1-8. Einleitung einer Epistel an Mose b. Esra.
Dieser Schlummer möge währen ... ’ashraj: Brody I, S. 157, Nr. 117.
Trank die Erde wie ein Kindlein ... ’ereç k. jaldâ: Brody I, S. 82, Nr. 60, Vers 1-38. Einleitung eines Preisgedichtes auf R. Isak Hajathôm.
5. Leben, Leiden, Dichten: Eine Taube schluchzt vom Zweige ... jônâ th.kannên: Brody I, S. 164, Nr. 110.
Sie besuchten mich im Traume ... j.‘îdunî b.nê jâmîm chalômôth: Brody II, S. 318, Nr. 110, Vers 1-8, 17-18.
Und als nun alle war mein Gold ... jôm nâd z.hâbhî: Harkavy II, S. 74, Nr. 5.
Siehe Menschensohn, siehe ... r’ê shôkhên thêwêl r.’ê: Harkavy II, S. 74, Nr. 4.
Kann dich Reichtum locken, Herz? ... l.bhâbhî mâ th.raddêf: Brody II, S. 289, Nr. 61.
Freue dich vor deinem Nächsten ... s.mach bifnê chabhêrêkhâ: Brody II, S. 311, Nr. 95.
Weh der Kunde, die im Ohre gellt ... hoh ‘al sh.mû’â çâlalâ loh ôzen: Brody II, S. 291, Nr. 66.
Du meinst, das Dichten sei mir ein Beruf ... shâlôm l. bath: Brody I, S. 18, Nr. 14, Vers 45-56.
Nimm dieses Lied aus deines Freundes Hand ... hê lâkh prî shîr: Brody I, S. 140, Nr. 94, Vers 73-78.
Seh’ ich, wie Narren ... bir’ôth libbî likhsîl jifrôç: Brody II, S. 297, Nr. 76.
Becherspruch ... j.fê mar’ê p.qach ‘ajin: Brody II, S. 312, Nr. 98.
Zwei Rätsel ... 1. k.lî mêkhil ... (Der Spiegel): Brody II, S. 195, Nr. 5.
2. b.lijâ’al w.jârî.ach m.dânîm (Die Wage): Brody II, S. 199, Nr. 15.
6. Zion: Zion, willst du immer wieder ... çijôn halô thish’alî: Brody II, S. 155, Nr. 2 (Die berühmte Zionide des Dichters).
Im Orient ist mein Herz ... libbî b. mizrâch w. ’anôkhi b.sôf ma’arâbh: Brody II, S. 155, Nr. 1.
Komm’ mit mir gen Zoan ... n.tê bî ’elê ço‘an: Brody II, S. 183, Nr. 21.
Es war ein Tag so sehnsuchtsvoll ... jôm nikhsfâ nafshî l. bhêth hawâ‘ad: Brody II, S. 167, Nr. 7.
7. Das Meer: Der Sturm ... jô‘êç umêqîm: Brody II, S. 176, Nr. 17.
Holder Zephyr, deiner Lüfte ... zê rûchakhâ çad ma‘arâbh râqûach: Brody II, S. 171, Nr. 12.
Kommt die große Flut mit einem Mal? ... habâ mabbul w. sâm têbhêl charâbhâ: Brody II, S. 169, Nr. 10.
8. Letzte Tage (1141): In Aegypten ... b. miçrâjim: Brody II, S. 180, Nr. 18.
Hat die Zeit das Kleid des Lebens ... hafâshat hazz.mân: Brody I, S. 112, Nr. 78, Vers 1-16 (Einleitung einer Epistel aus Damiette).
Wollt ihr Liebes mir vergelten ... im r.çôn nafsh.khem l.mal’ôth r.çônî: Brody I, S. 211.
Dein Wunder geht durch alle Zeit ... ’elôhaj pil’akhâ dôr dôr j.ruchash: Luzatto Nr. 47, S. 17 b.
Druck von Mänicke und Jahn in Rudolstadt
Anmerkungen zur Transkription
Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigert. Weitere Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher):