The Project Gutenberg eBook of Fuxloh; oder, Die Taten und Anschläge des Kasper Dullhäubel: Ein Schelmenroman This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Fuxloh; oder, Die Taten und Anschläge des Kasper Dullhäubel: Ein Schelmenroman Author: Hans Watzlik Release date: May 19, 2020 [eBook #62178] Language: German Credits: Produced by The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK FUXLOH; ODER, DIE TATEN UND ANSCHLÄGE DES KASPER DULLHÄUBEL: EIN SCHELMENROMAN *** Produced by The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net Anmerkungen zur Transkription Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text ist _so ausgezeichnet_. Im Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so markiert~. Im Original fetter Text ist =so dargestellt=. Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des Buches. HANS WATZLIK Fuxloh oder Die Taten und Anschläge des Kasper Dullhäubel * Ein Schelmenroman [Illustration] L. STAACKMANN VERLAG / LEIPZIG 1922 Alle Rechte, besonders das der Übersetzung, vorbehalten. Für Amerika: ~Copyright 1922 by L. Staackmann Verlag, Leipzig~. Gedruckt bei Dr. Kurt Säuberlich in Leipzig Das grüne Holz. Fuxloh lag ganz hinten in der Welt zwischen den Örtern Blaustauden und Grillenöd, abseits von den breiten Straßen duckte es sich verloren in den Wäldern, ein gar rauhes Dorf voller Tannen. Obst trug dort nur ein einziger Mostbirnbaum, der über hundert Jahre alt war, doch waren seine Birnen so grausam herb, daß man schreien mußte, wenn man hineinbiß. Sonst gediehen nur noch ein paar Vogelbeerbäume und Elexstauden droben an den felsigen Wegen. Aber in ihrem Schatten blühte die weltentlegenste Einfalt in tausend Blumen aus. Heute findet man das Dorf nimmer, die Wälder sind darüber gewachsen. Der Fuxloher Wind blies scharf und brannte den Bauern den Schlund aus. Drum war in dem Ort der Durst daheim. Besonders vorzeiten blieben die Männer oft wochenlang auf der Wirtsbank, sie knöpften sich den Latz vom Hosenboden ab und saßen auf dem rohen Fleisch, um das Hirschleder zu schonen. Am Samstag brachten ihnen die Weiber frische Hemden ins Wirtshaus. Und hie und da banden sich die Säufer mit Stierketten aneinander, daß keiner sich heimlich von der nassen Mette wegschleiche und sie alle gemeinsam in des Rausches Elend fuhren. Dazumal waren die Fuxloher als grobe Schelme, Wilderer und Raufer verrufen, im Lauf der Zeiten aber verloren sie allmählich den übeln Leumund. Es geschah kaum mehr, daß einer den Grenzstein in des Nachbarn Acker rückte, Rösser wurden überhaupt nimmer gestohlen, und selten nur weckte einen nachts das alte Raubschützenblut aus der Rast, daß er aufsprang und an der bayrischen Grenze irgendwo auf einer Waldschneise einen Bock niederknallte. Nur im Dullhäubelhof hatte sich die alte Art der Fuxloher treulich erhalten. In einer Schlucht am Wolfsbach, wohin die Bauern vom Dorf herab immer die Gänse trieben, daß sie schwimmen lernten, lag das Gehöft mit dem moosgrünen Schopfdach, darunter an die Mauer ein verschmitztes Gesicht gemalt war mit dem Spruch: Gott, gib jedem Lumpenhund zehnmal mehr, als er mir gunnt! Vor langer Zeit, als die ungarische Königin Resel mit dem Preußen Krieg führte, hauste der Pankraz Dullhäubel auf dem Hof. Bei dem kehrte der Reichtum ein. Den Kopf deckte er sich allweil mit einem dreieckigen Hut, an seinem Rock glänzten mehr Knöpfe, als Tage im Jahr waren. Er ließ das Geld springen und hatte die nötige Münze dazu, denn er war ein Werber, und damals, wo Soldaten gegen Preuß und Türk sein mußten, da lohnte sich sein falsches Gewerb. Manch armen Schlucker fing er, der sich über die Grenze herüber verirrt hatte, und der wurde ohne Erbarmen ins Regiment gestoßen, und viele hatte der Pankraz am Gewissen, die im Krieg auf der blutigen Fleischbank verdarben. Dazumal kam auch ein Erdspiegel ins Haus, der Pankraz handelte ihn einem wallischen Juden ab, und die Fuxloher fürchteten jetzt den Bauer, der das zauberische Gerät verborgen hielt und dadurch Macht gewann über alle andern. Aber einmal fing er mit seinen Helfershelfern einen Handwerksburschen und kettete ihm die Hände, und als er ihn gen Hirschenbrunn führte, um ihn dort zu stellen, mußte er sich unterwegs bücken, die Schuhschnalle zu schließen, die ihm aufgesprungen war. Den Augenblick nutzte der Gefangene aus, er schlug dem Werber die Fesseln auf den Schädel, daß er hin war. Ein arger Vogel legt ein arges Ei. Der Nachkömmling des Pankraz war der Servaz Dullhäubel. Der trieb sich in grünen Jahren in den Wäldern des Lusens umher und schoß die stolzen Hirsche und die starken Bären. Das Wildern fiel ihm leicht, da er sich dazu himmlische Hilfe zu sichern wußte: er schaffte oft des Nachts ein Wildbret in die Blaustaudner Pfarrküche, und dafür schloß der damalige Geistliche ihn und seine Wege täglich ins Meßgebet ein. Als dem Servaz einmal von einem Jäger der Fuß krumm geschossen wurde, mußte er das freie Wildschützleben lassen, aber sein zorniges Blut gab ihm keine Ruhe, und er wurde der wildeste Raufer waldauf und waldab. Wenn er zum Kirchweihtanz ging, gab ihm die Bäurin immer sein Totenhemd mit. Die Haut war ihm von Messern zerstochen, der Schädel zerschrammt von splitternden Krügen, das eine Ohr abgebissen, die Zähne eingeschlagen. Mit heraushängenden Därmen schleppte er sich einst von Fuxloh nach Blaustauden zum Balbierer, dort schob er fein lind das Gedärm zurück in seine alte Stätte, steckte Speck in das Loch und nähte es sich selber mit des Balbierers Nadel zu. Die Naht hielt hernach noch dreißig Jahre. Er rühmte sich oft, der Richter solle ihm in seinem Buch ein Gesetzlein vorweisen, danach er noch nicht abgestraft wäre. Kurz vor seinem Absterben noch erschlug er auf der Kegelbahn den Waldheger von Daxloh mit einem Kegel. Der Apfel rollt nicht weit vom Baum. Der Nachkömmling des Servaz war der Bonifaz Dullhäubel. Der hatte es wiederum auf das Bier und den groben Bauernwein abgesehen und soff und schlampampte, daß es ihm schier zu den Ohren herausrann. Fuhr er mit dem Rössel in die Stadt, so schob er dort Kegel auf volle Flaschen und streute das Geld den Kellnerinnen hin. Bei jedem Krug, der ihm vorgesetzt wurde, tat er einen von den fünfundzwanzig Gupfknöpfen an seinem Brustfleck auf; war die Weste ganz offen, so zahlte er seine Schuld, knöpfelte wieder zu und hub von frischem an. So wurde er auch in der größten Zeche nicht irr. Wenn er keinen Trunk mehr bewältigen konnte, so bahrten Wirt und Hausknecht ihn auf seinem Wagen auf, das Rössel zog an und trabte mit dem Schlafenden durch Wald und Sternschein heim. Doch hielt es vor jedem Wirtshaus an, beim grünen Kuckuck, beim Posthorn, bei der Siebenkittelwirtin, bei der Mausfalle, beim blauen Mondschein, und wie die Einkehrstätten alle hießen, und der Trunkene reckte sich aus dem Schlaf und gröhlte: »He, Wirt, füll nach!« Ein anderes Anwesen wäre unter den Hammer gekommen, der Dullhäubelhof aber hielt den Säufer aus. Viel Grund und Boden und Holz und Vieh gehörten dazu, und die Bauern hätten noch viel reicher sein können, wenn es sie darnach gelüstet hätte. Denn der Pankraz, der Guckähnel, hatte einen schönen Schimmel im Stall stehen, und der Waldfürst hätte das schneeblührieselweiße Roß gar gern geritten und dafür den ganzen weitmächtigen Wald bis zum Lusen hingegeben. Der Pankraz aber hätte nimmer getauscht, und wenn der Fürst vor ihm auf den Knieen gerutscht wäre. Wie gelebt, so gestorben. Vor lauter Gesundheittrinken kam der Bonifaz Dullhäubel um die Gesundheit. Die Fuxloher mähten gerade die Wiesen, da kroch der Bonifaz in der Scheuer des Wirtes »zum pfalzenden Hahn« ins Heu, seinen schweren Rausch zu verschlafen, und die Mäher verschütteten ihn aus Übermut unter dem Heu. Sie vergaßen ihn aber hernach in ihrer heißen Arbeit und erinnerten sich erst, als die Bäurin ins Dorf kam und nach dem Bonifaz fragte. Schnell räumten sie das Heu weg; da lag der Vergrabene mit lustigem Gesicht, aber erstickt. Weil die Burschen den Weg zum Gericht scheuten, so halfen sie sich, wie sie es verstanden: sie schlugen einen Haken in die Scheuer, wo sie am finstersten war, hängten den Toten dran und drückten ihm seinen breiten filzenen Scheibenhut in die Stirn. Dann schrieen sie das Unglück im Dorf aus: »Leut, Leut, der Bonifaz hat sich aufgehängt!« Und weil eben ein Sturm anfing, glaubten die Fuxloher ihnen gern und sahen mit Grausen, wie der Strick sich dem Bonifaz um Hals und Bart schnürte, und der Totengräber in Blaustauden drunten grub das Grab um drei Schuh tiefer als sonst, daß der Bonifaz nimmer heraus und umgehen könne. Die Bäurin gab ihm den Scheibenhut mit in die Truhe. Sie meinte, in der Ewigkeit sei es hübsch lüftig, und der Selige sei allweil heikel gewesen auf den Zugwind. Auch steckte sie ihm die Pfeife ins Maul, er möge sich jenseits etwas vorqualmen, daß ihm Zeit und Ewigkeit besser vergingen. Sie war ein fürsorgliches Weib, die Sodonia. Wie die alten Vögel pfeifen, so stümpern die jungen. Der Nachkömmling des Bonifaz war der Isidor Dullhäubel. Der schlug sich, als er zur Mannheit kam, mit einem Stein die vordersten Zähne aus, womit die Soldaten das Papier von den Patronen reißen, daß das Pulver ins Gewehr rinne. So blieb der Isidor vor dem Krieg verschont. Der neue Bauer meinte, ein richtiger Mann müsse neun Kinder zeugen, und da mußte nicht bloß seine Bäurin daran glauben, sondern auch alle Mägde, die auf dem Hofe dienten. Die Kinder außerhalb der Ehe wuchsen frisch und fröhlich heran, die eheleiblichen aber wurden nicht alt. Sein Weib, die Sanna, sorgte sich nicht um die Brut, sie schlief gern und schlief allweil ein, wenn sie säugte, und der Säugling fiel ihr dabei oft aus dem Schoß. So blieben ihr, ein einziges ausgenommen, keine Kinder, trotzdem daß sie sehr fruchtbar war und nur Zwillinge und Drillinge gebären konnte. Sie grämte sich nicht um die Liebschaften des Bauers. Doch die Sodonia, die Altbäurin, war ob der heidnischen Vielweiberei ihres Sohnes schwer bekümmert. Aber wenn ihm wieder einmal ein Staudenkind auf die Welt kam und die Sodonia ihm es als Sünde heftig verwies, lachte er nur: »Fürs Lebendigmachen ist noch keiner gestraft worden.« Der Isidor Dullhäubel führte allzeit sein Tabakglas mit, und weit und breit tat es ihm keiner gleich im Schnupfen. Nicht einmal der Blaustaudner Schulmeister, der, selbst wenn er die Orgel zum Hochamt schlug, den Tabak nicht völlig entbehren konnte und darum auch beim Spiel allweil ein braunes Häuflein auf dem Handrücken trug und die Nase oft und oft inbrünstig dazu niederstoßen ließ und mitten in Gottes Lobpreisung andächtig hineinschnupfte. Als der Isidor noch frommer war, schnupfte er in den Fasten nicht, so sehr es ihn auch lüstete; er tat sich einen Abbruch, um Gott wohl zu gefallen. Erst am letzten Kartag, wenn der Pfarrer sang: »Christ ist erstanden!«, da nahm er sich wieder das erste Schnüpflein. Als aber am Auferstehungstag einmal der Geistliche kein Ende fand und Gebet an Gebet, Litanei an Litanei knüpfte und nimmer in den Erlösungsruf ausbrach, schlug sich der Isidor ungestüm den Tabak auf die Hand: »Ob der Herrgott auferstanden ist oder nit, -- ich schnupf!« Seither fastete seine Nase nimmer, und wenn ihm einer dies als Laster vorrückte, wehrte er sich: »Das Schnupfen ist keine Sünd. Der Pfarrer Eusebius hat seine Tabakdose sogar auf dem heiligen Kelch zum Altar getragen. Freilich hat der mit seiner geistlichen Nase nur Spaniol mögen, und ich schnupf brasilianischen Tabak. Aber unser Herrgott kennt keinen Unterschied.« Dazumal, als sie den alten Bonifaz vom Nagel herunternahmen, lümmelte der Isidor mit seinem Nachbar, dem Mußmüller, im »pfalzenden Hahn«, ließ sich von ihm über den Tod seines Vaters trösten und lüpfte eifrig den Krug. »Sei froh, daß er hin ist,« redete der Müller. »Es ist dein Glück, daß er im Ausgeding gesessen ist, er hätt dir sonst den ganzen Hof versoffen.« Der Isidor schaute finster. »Soviel kann keiner versaufen, als ich hab. Und vergönn es ihm, neid es ihm nit in die Grube nach!« »Dullhäubel,« der Müller hob beschwörend die Stimme, »Dullhäubel, ich weiß es: der Durst schluckt den Bach samt der Mühl.« »Deinen Bach freilich, Gori, der hat kein Wasser,« grinste der Bauer. »In aller Früh gehst du aus, schlagst mit der Stange den Tau von den Erlen, daß du Wasser aufs Rad kriegst.« In des Mußmüllers Stirn schnitten sich zwei scharfe senkrechte Falten, er packte das Stutzenglas und hieb es dem Isidor auf den Schädel, daß die Scherben flogen. Jetzt hob auch der Bauer sein Glas und trümmerte es dem Müller auf das Hirn. Das alles geschah ohne sonderlichen Lärm. Derweil der Wirt neue Gläser holte, saßen sie blutig und lachten. »Nix für ungut, Müllner.« »Tu her ein Schnöpflein, Isidor, daß wir einen andern Sinn kriegen!« Der Bauer zog von dem blauen, geschliffenen Tabakglas den Stöpsel weg, den er aus Weiberhaaren geflochten hatte, und die zwei kräftigten sich an dem scharfen Brasil. Der Wirt stolperte in die Stube. »Dullhäubel, dein Weib hat sich ein ungeschicktes Wochenbett ausgesucht. Gerad vor der Kapelle hat die Wehstund sie angepackt.« Der Bauer pfiff halblaut vor sich hin; die Hand, die sich mit einem Schnöpflein heben wollte, sank ihm. »Sie ist über den Erhängten zu stark erschrocken,« redete die Wirtin zum Fenster herein. Der Müller riet: »Nachbar, drück die Knie zusamm, daß sie leichter niederkommt!« »Bei der Kapelle?« besann sich der Bauer. »Das ist kein ungeschickter Ort, Wirt. Da springt der heilige Blaumantel heraus und steht ihr bei.« »Wir Weiber helfen uns schon selber,« schwätzte die Wirtin. »Ich für mein Teil komm um einen weißen Laib Brot nieder, ich geh dreimal in der Stube hin und her und beutel das Kind ab.« Der Isidor blähte sich auf. »Studieren muß er, der Bub. Ein hoher Herr soll er werden; Steuern soll er einmal ausschreiben, den Müllnern und den Wirtsleuten!« lächelte er mit pfiffigem Querblick. »Was? Mir neue Steuern?« brauste der Gori. »Jetzt, wo wir Müllner so schwer geschädigt sind von den neuen Zeiten? Alle Gerechtigkeit haben sie uns genommen. Früher haben wir im Bach fischen dürfen, so weit unsereiner den Hammer hat werfen können. Heut nimmer. Früher ist meine Mühl eine Zwangmühl gewesen; heut schafft ein jeder sein Korn nach Trippstrill und Schlampampen.« »Dullhäubel, drei Buben!« rief die Wirtin in die Stube. »Sakerment, wie viel?« Der Bauer hielt wie schwerhörig die Hand ans Ohr. »Drei Buben. Bis jetzt.« Der Dullhäubel faltete die Hände. »O Herr, halt ein mit deinem Segen!« Die Tür knarrte, und auf der Schwelle stand die Hebamme mit einem mächtigen Wickelpolster, drin zwei Büblein kläglich winselten. Eine Magd trug das dritte Kind. »Drei Buben, Bauer!« meldete die Hebamme. »Eine harte Geburt! Gerad vor der Kapelle.« Der Isidor Dullhäubel ergrimmte. »Hat er ihr also nit geholfen, der Blaumantel? Da steht er schon so lang auf meinem Grund, und jetzt, wo meine Buben anrücken, jetzt rührt und ruckt er sich nit. Jetzt reicht er keine Hand.« »Er ist halt ein Heiliger und keine Hebmutter,« beschwichtigte ihn der Müller. Aber der Bauer eiferte: »Ist doch schon die Muttergottes selber aus ihrem silbernen Gewölk gestiegen und den Weibern beigesprungen in ihrer Stund! Hätt nit der Tropf auch aus seiner Kapelle treten können?!« »Wischt euch das Blut ab, Männer,« sagte die Hebamme, »und geht gleich mit zur Taufe, daß die Würmer nit als Heiden absterben. Daß sie ins Engelreich kommen und drüben einen Namen tragen. Der ist traurig dran, der keinen Namen führt. Und die Drillinge werden nit lang leben, es sind Siebenmonatkinder.« Die zwei Männer standen auf und wankten mürrisch den Weibern nach ins Pfarrdorf Blaustauden hinunter. Dort in der Kirche legte die Hebfrau ihr Paar dem Müller in die Arme, derweil der Bauer den einschichtigen Sprößling hielt. So traten sie zu dem Taufstein. Der Pfarrer ließ nicht lange warten. »Hollah, drei auf einem Schub!« lachte er. »Die drei Eismänner haben schon auf deinem Hof gehaust, sind wunderliche Heilige gewesen, Dullhäubel. Taufen wir die da nach den drei Königen!« Und er taufte sie Kasper, Melcher und Balthauser. Die Büblein hielten sich mäuselstill, und erst, als bei der Taufe des Kasper, den der Bauer selber hielt, der geistliche Herr fragte: »Widersagst du dem Teufel?« da schrie der Bub gar mörderlich auf, als sei er von dem besessen, dem er absagen sollte, und sei mit der Taufe gar nicht einverstanden. »Halt das Maul, Kerl, oder ich schlag dir die Zähne ein!« drohte der Pfarrer. »Segnet ihn mir gut ein, Hochwürden, den Kasper!« bat der Bauer. »Spart kein Wasser nit!« Als die Männer den Weibern wieder die Täuflinge überließen, merkten sie, daß der Melcher und der Balthauser kein Schnäuferlein mehr taten. Der Müller mochte sie wohl ein wenig zu fest an sich gedrückt haben, und es war ungewiß, ob sie getauft oder heidnisch ins Jenseits eingefahren waren. Der Bauer aber freute sich an dem Kasper. Der hielt die lebendigen Augen offen und sah scharf darein. »Der hat gescheite Augen,« frohlockte der Alte, »das ist ein Kreuzköpfel.« »Er ist zu früh auf die Welt gekommen, der Spitzbub,« sagte die Hebamme. »Ich will ihn auf der Schaufel dreimal in den Backofen schieben, dann geratet er. Und gespieben hat er auch schon. Speibendes Kind, bleibendes Kind!« Der Isidor ließ im Wirtshaus noch einen gezuckerten Wein auftragen, wie ihn die Weiber gern mögen, hernach schickte er die zwei mit dem Lebendigen und den Toten heim. Er selber trollte erst spät seinem Hof zu. Vor der Kapelle rastete er. Der Mond lugte glashell hinein. »Blaumantel, ob du schon schlafst?« Der hölzerne Heilige drin redete nicht und deutete nicht. »Geh, reck die Nase her und schnupf, heiliger Blaumantel!« spottete Isidor. Er tappte sich zu dem Heiligen hin und schüttete ihm das Tabakglas in den Bart. Da nieste es auf einmal so schrecklich auf, daß die Kapelle zitterte. Mit schlotternden Knieen floh der Bauer. Und eine grobe Stimme schrie hinter ihm her: »Du wirst deine Schnutel, deine Schnufel nimmer lang tragen!« Was der beleidigte Heilige geweissagt hatte, das geschah. In ein paar Jahren starb dem Isidor Dullhäubel die Nase am lebendigen Leib ab, wie eine Blume an der grünen Staude verwelkt, und weil er hörte, daß die alten Ritter, wenn ihnen die Hand abgehauen worden war, sich für die fleischene eine eiserne an den Arm hatten schnallen lassen, so suchte er einen Kupferschmied heim, und der setzte ihm eine kupferne Nase zwischen die Augen. Doch das Leben freute ihn nimmer, seit er nimmer schnupfen konnte, und er vergaß es dem Blaumantel nicht, daß er ihn um das eindringlichste Ergötzen seines Lebens betrogen hatte; schimpfend stampfte er an ihm vorbei und rückte den Hut nimmer. Als der Kasper so hoch wie der Stubentisch war, und sich schon selber die Tür auftun konnte und ganz listig schon aus den engen Augen herauslugte, da stellte der Bauer ihn vor die Kapelle und schalt unflätig hinein. So keimte in dem kleinen Kasper ein Widerwille auf, und der wuchs, als die Altbäurin Sodonia dem Buben, wenn er etwas Schlechtes getan, mit dem Zorn des Heiligen drohte und diesen als Vorbild eines wohlgefälligen Wandels hinstellte. Die Alte rüstete den Heiligen mit der Pracht der wunderlichsten Wunder aus und dichtete ihm alle Gewalt über Himmel, Hölle und Welt zu, so daß der Herrgott, an ihm gemessen, nur ein ohnmächtiger Schatten schien. Vor seinem Zauber wurde der Gichtbruch tanzend und wanderte der Lahme, versiegte alles Gebrest; Stumme lobsangen ihn, Blinde wurden geheilt an dem Schimmer seines blauen Mantels. Der Kasper lehnte oft vor der Kapelle und staunte voll Angst und Trutz hinein. Am Bach, in dem gemauerten Häuslein, hinter der Gittertür geborgen vor Regen und Schnee, hatte der Heilige seinen Unterschlupf. Mit krausem, rotem Schädel, mit strengen, quellenden Augen und langer Nase stand er drin, das Haupt geneigt unter der Last des Heiligenscheines, am Kinn angeleimt einen fuchsfarbenen Bart aus Menschenhaar, den Mund weit offen und die Arme abwehrend von sich gestreckt, als seufze er: »Gott, hüt mich frommen Bruder vor dieser Welt!« »Dein Guckähnel hat ihm einmal frevelmütig den Bart gestutzt, aber gleich ist er ihm wieder nachgewachsen, dem Heiligen,« erzählte die Sodonia dem Buben. »Warum ist er denn heilig?« »Weil er in einem Felsenloch gehaust hat sein Lebtag.« »Da ist der Fuchs auch ein heiliger Mann, der schlaft auch in einem Steinriegel hinter der Mühl.« »Ein Vieh ist nit heilig,« sagte die Altbäurin verdrossen. Der Kasper faltete die Stirn. »Woher ist der Blaumantel gekommen? Hat er sich die Kapelle selber gebaut?« Sie zog den Buben auf den Schoß und erzählte: »Gar überlang ist es schon her, da haben die Hirten den hölzernen Heiligen in einem hohlen Baum gefunden, da auf der Stelle, wo er jetzt steht. Sie haben ihn nach Blaustauden geschafft und dort auf den Altar gestellt, aber er ist davon und wieder zurück in seinen Baum. Jetzt haben sie ihn in die Stadt gebracht, daß er nit in einen so langweiligen Einöd trauern müßt, sondern ein paar ansehnliche Heilige um sich hätt, und daß er sich dran gewöhnt, haben sie ihn in der ersten Nacht in eine Truhe unter Schloß und Eisenband gelegt, und der Pfarrer und der Meßner haben sich darauf gesetzt, daß der Vogel nit ausfliegt. Aber der Blaumantel hat die Truhe gesprengt, Pfarrer und Meßner über den Haufen geworfen, und ist wieder zurück in die Heimat. Er hat wollen in der Wildnis geehrt werden, wo er gebetet und gebüßt hat. Da hat man über ihn die Kapelle gebaut.« Der Kasper schielte mit den verzwinkerten Äuglein hinauf. »Mir hat aber der Vater gesagt, die Fuxloher hätten den sakrischen Blaumantel auf der Wallfahrt gestohlen, daß sie einen wohlfeilen Heiligen hätten. In einem Sack hätten sie ihn daher gebracht.« »Sei still, Bub,« warnte die Altbäurin, »sonst straft er dich auch. Denk an dem Bauer seine Nase!« »Meiner Nase darf er nix tun,« trotzte der Kasper. »Still, still! Sonst kommt gar der Gankerl, steckt dich in den rußigen Kessel, bratet dich, frißt dich.« Es war, als würde dem Buben die kecke Rede vergolten, denn nach ein paar Tagen wuchs ihm auf der Nasenspitze eine Warze, die ihm gar nicht gut zu Gesicht stand. Das wurmte die Altbäurin, der an des Kasper Sauberkeit gelegen war, aber das Hörnlein blieb, wie oft es auch mit Wolfsmilch und mit Warzenkraut betupft, mit Fensterschweiß gewaschen und mit Roßhaar gedrosselt wurde. Es frommte nicht heißes Schusterpech, und als die Sodonia den Mißwuchs gar mit Zunder wegbrennen wollte, brüllte der Bub entsetzlich und ließ keinen mehr an sich heran. Da kam die Ulla daher, ein buckliges Bettelweiblein mit einem kleinwinzigen Kopf, drin ein Hirn kaum Platz zu haben schien. Ihr spitzes, haariges Kinn schlotterte, geschäftig drehte sie sich in der Stube hin und her und knüpfte mit einem Faden fünf Knoten über der Warze des Kasper, der sich wie verhext unter dem sonderbaren Tun des Weibleins duckte. Nachher betete sie fünf Vaterunser und murmelte noch ein Heimliches in sich hinein, daß den Buben ein Grausen anflog. Schließlich humpelte sie hinters Haus, und wo die Tropfen vom Dach in die Erde schlugen und eine Rinne gegraben hatten, dort verscharrte sie den Faden. Als der Mond neu wurde, war die Warze verschwunden, und der Kasper war ein sauberer Bub mit blühroten Wangen, großem, kugelrundem Kopf und flinken Füßen. Die Ulla aber fürchtete er noch mehr als den Erdspiegel, der im Keller unzugänglich verschlossen lag. Oft stahl er sich zu der verfallenen Hütte der Alten und belauschte sie, wie sie zwischen den Felsen wilde Kräuter brockte und eintrug, wie sie mit den Raben redete und den Schlangen oder einer Staude etwas sagte oder gar einem Stein. Sonst war er ein Waghals. Er ritt auf den Ochsen und Rössern, kletterte auf die Tannen hinauf bis zur höchsten Spitze, rannte über den Dachfirst, wo der Hauslauch grünte, und niemals stieß ihm ein Unglück zu. Nur einmal blieb ihm eine Bohne in der Nase stecken, sie wollte nicht heraus und keimte schon. »Sie wachst dir ins Hirn, Kasper,« jammerte die Altbäurin. »Der Blaumantel wird dich ganz gewiß an der Nase verderben lassen. Ich seh dich schon verkupfert.« Der Bauer aber klemmte den Kasper zwischen die Kniee und drückte ihm das Gesicht in eine Hand voll Tabak hinein. Da riß es dem Buben den Kopf in die Höhe, er nieste sprühend, und die Bohne flog aus der Nase an die Wand. Jetzt haßte der Kasper den Blaumantel. Den heilsamen Tabak aber begehrte er, und bald wußte er sich aus des Vaters ungenütztem Vorrat den bräunlichen Staub zu verschaffen, der das Hirn so lieblich kitzelt und erfrischt und das ganze Blut riegelt, wenn der Niesreiz von inwendig her an die Nase herankriecht und schallend zerstäubt. Weil der Kasper gar so waghalsig und ungebärdig aufwuchs und von den Wipfeln schier nimmer herunter zu kriegen war, wo er die Krähennester ausraubte, sorgte sich die Sodonia um des Enkels leibliches Wohl und Seelenheil und fürchtete, er schlage allzusehr in die Art der Vorfahrer am Dullhäubelhof. Drum meinte sie zur Bäurin: »Du, Sanna, wir müssen den Daumen mehr auf den Buben halten, daß er nit ausartet. Er hat nit Rast, nit Ruh, wie aus Schlangenschwänzen ist er zusammgesetzt. Er zerreißt zu viel Hosen.« Die Bäurin gähnte: »Das tut nix. Der Schneider bittet auch ums tägliche Brot.« Die Alte ließ nicht nach. »Der Kasper hat ein gutes Gemerk, wir sollten ihm einen Schulmeister halten. Der Brunnkressenhannes wär ein gelehrter Mann.« -- Da fand sich der Brunnkressenhannes im Hof ein. Er war ein magerer, krummhälsiger Gesell, der den Bauern gegen einen Jahrlohn das Vieh hütete. Auch bekam er alljährlich von der Gemeinde ein neues Kuhhorn, und er prahlte oft, zu seinem Begräbnis brauche er keine Musikanten, da würden alle Hirten aus dem Gebirg kommen und auf den Hörnern, die in seiner Kammer hingen, ihm zu Grabe blasen. Jetzt aber fragte ihn der Isidor Dullhäubel: »Hannes, kannst du schreiben und lesen und rechnen?« »Und singen auch,« nickte der Hannes stolz. »Du sollst das alles unserm Kasper in den Kopf bringen. Triffst du das?« Der Hirt bäumte sich auf. »Das vermag ich wohl. Ich hätt schier selber in der Stadt die Schulmeisterprüfung hingelegt.« »Warum hast du es nit getan?« »Ei, da haben mich die Herren von der Schulmeisterschul gefragt, was ich vom Specht wüßt. Ich hab langmächtig hin und her gedacht, und zuletzt hab ich zugeben müssen, daß mir derselbige Specht ganz unbekannt ist und daß ich ihnen überhaupt nix davon erzählen kann, und wenn sie mich erschlagen. Da hat mich einer erschrecklich scharf durch die Augengläser angeschaut und hat auf die Tür gedeutet. ›Behüt Gott! Ich geh gern,‹ sag ich. Und wie ich glücklich draußen bin, steht einer dort, der ist aus der Blaustaudner Pfarrei gewesen. ›Du,‹ sag ich, ›hörst, jetzt gesteh mir auf dem Fleck, was ist denn das -- ein Specht?‹ ›O du lieber Landsmann,‹ schreit der, ›du wirst doch schon einmal einen Baumhackel gesehen haben?!‹ Nein, Dullhäubel, wenn ich gewußt hätt, daß der Baumhackel in der Stadt sich Specht schreiben laßt, den ganzen Tag hätt ich den studierten Herren davon erzählen können.« Der Dullhäubel holte den Hirschenbrunner Volkskalender vom Fensterbrett, schlug ihn vorn auf und hielt ihn dem Hirten hin. »Jetzt will ich mich überzeugen, ob du gut lesen kannst.« Der Brunnkressenhannes holte aus der Brusttasche eine Brille herfür, rüstete sich damit und setzte ein gelehrtes Gesicht auf. »Mit Brillen lesen, ist keine Kunst,« rief der Bauer. »Das trifft ein jeder.« Der Hannes kehrte sich nicht dran und las langsam und gewichtig: »Sankt Kilian stellt die Mäher an. Wann Maria im Regen übers Gebirg geht, dann geht sie im Regen wieder zurück.« Schnell deutete der Dullhäubel auf eine Eintragung, die auf der andern Seite stand. »Ob du die Schrift auch verstehst?« Der Brunnkreßner wischte mit dem Ärmel über die Nase und las: »Am Montag nach Mariä Himmelfahrt ist der Kasper auf die Welt kommen. Den Tag hernach ist unsere gelbfleckete Kuh, die Docke, beim Stier gewesen.« »Selbes ist wahr,« freute sich der Bauer, »meine Mutter hat das geschrieben. Die Zeit stimmt.« Nun schlug er den Kalender hinten auf und hielt ihn lauernd dem Hirten hin. Der las: »Viehmärkte in Hirschenbrunn sind zu Georgi, am Tag vor Peter und Pauli, zu Ägidi und zu Martini.« Der Isidor wunderte sich über die Maßen. »Sakerment, wahr ist es, vorn und hinten kann er lesen. Aber, Hannes, ich muß dich noch mehr versuchen.« Er rannte davon und kam nach einer hübschen Weile mit einem andern Kalender zurück. »Den hat mir der Mußmüllner geliehen, es ist ein Linzer Stadtkalender. Ob du den auch verstehst?« »Das wär nit schlecht.« Der Hannes las, worauf des Dullhäubel derber Finger zeigte: »Ein Bauer begehrte einen Viehpaß. Der Schreiber fragte: ›Auf wieviel Ochsen?‹ -- ›Auf Zwei‹. -- ›Und der dritte treibt sie‹, lachte der Schreiber. -- ›Und der vierte schreibt sie‹, lachte der Bauer.« »Sakerment, ist das eine schöne, kurze Geschichte. Und ist sie auch wahr? Und steht das wirklich so drin?« staunte der Dullhäubel. »Ganz genau, ich beschwör dir es. Tausend Schwüre leg ich darauf ab in einer Viertelstund!« »So kannst du also einen jeden Kalender lesen vorn und hinten?« »Oben und unten, geschrieben und gedruckt,« sagte der Hirt. »Sakerment, wenn du jetzt noch die Gitarr zupfen könntest, du könntest um die größte Schul einreichen,« meinte der Bauer. Damit war der Brunnkressenhannes als Schulmeister aufgenommen. -- Am andern Tag hütete der Hannes auf der Weide vor dem Vogeltänd das Vieh. Das Kuhhorn im Gürtel, saß er auf einem Stein, und vor seinen Zehen brannten die feurigen Nägelblumen. Rings graste das Vieh, ein rotblümetes Stierlein scherzte, ein Heuschreck hüpfte aus dem Gras auf. Am Himmel glänzte eine linde Wolke. Da brachte der Isidor Dullhäubel seinen Schüler daher. »Er wird bei mir Zucht lernen,« rief der Brunnkressenhannes. »Gute Zucht tragt gute Frucht. Da setz dich her zu meinen Füßen, Kasper!« Er räusperte sich und fing an: »Zuerst müssen wir von der Welt lernen. Drum merk auf, und sag es mir dreimal nach: Die Welt ist eine Kugel.« »Oha!« schrie der Bauer, der zuhörte. »Weitaus gefehlt! Die Welt ist ein Teller.« Der Hannes bog den krummen Hals und sah den Dullhäubel scheel an. Nachher begann er wieder: »Du kannst es mir glauben, Kasper! Die Welt ist so rund wie dein Schädel.« Betroffen tastete der Bub seinen Kopf ab, als wolle er den rechten Begriff von der Gestalt der Erde gewinnen. Derweil widerstritt der Bauer: »Alles ist gerad und eben. Wo sieht man es denn, daß die Welt kugelrund ist? Wenn es so wär, müßt man ja auf der Seite hinunterfallen. Bucklet ist die Welt, aber rund nit.« »Die Welt ist rund wie eine Kegelkugel und dreht sich,« sagte der Brunnkressenhannes scharf und unwillig. »Schwätz mir nix drein, Bauer!« Der Isidor erwiderte: »Wenn die Welt sich dreht, müßt einmal das Wasser aus dem Brunn fallen, du Aff du! Und mit dem Kopf nach unten müßt man zeitweilig gehen, du Aff du! Stell dich einmal auf die Stubendecke hinauf, du Aff du, und fall nit herunter!« Der Hirt ward hitzig. »Und dennoch dreht sich die Erde um die Sonne!« Da holte der Bauer weit aus und reichte dem Hannes einen schallenden Hieb. »Ich vertrag viel, aber so arg laß ich mich nit narren, du falscher Lügenteufel. Hab ich es doch erst heut wieder gesehen, wie die Sonn aus der Erd heraus gerodelt ist! Und die Sonn steht nit, sie geht; doppelt so geschwind geht sie wie ein Mensch.« Der Hannes rieb sich die Wange. »Du bist ein grobes Wetter, Bauer. Aber es hilft dir nix. Und die Gelehrten wissen allerhand, was dir seltsam ist, und sie haben recht. Wie könnten sie sonst die Stund genau ansagen, wo sich der Mondschein verfinstert?« »Das nehmen sie ja aus dem Hirschenbrunner Kalender, du Narr!« »Und wer macht denn den Kalender, he?« »Den Kalender hat es allweil gegeben, du Narr. Hör mir auf mit deinen neugescheiten Gelehrten! Die wissen am End gar, wann Gott die Welt erschaffen hat.« »Jawohl, Bauer, am dreizehnten März.« Da schlug der Isidor Dullhäubel ein Kreuz, daß er sich dabei schier die kupferne Nase aus dem Gesicht gerissen hätte, und ging und überließ den Kasper seinem Schulmeister. Der hob den Finger. »Jetzt, Bub, mußt du einen Spruch lernen. Sag mir ihn nach! Kind, horch, was dein Gewissen spricht und handle so, dann fehlst du nicht! Die innre Stimme ruft uns zu: Böses meide! Gutes tu!« Zeile um Zeile drillte er dem Schüler ein, und der konnte es bald auswendig. »So, jetzt lernen wir Lieder singen!« Der Hannes zog das Maul schief, sah ins Gras und begann mit meckernden, hohen Lauten: »Morgens, wenn die Sonn aufgeht und der Tau im Gras da steht, treib ich mit verliebtem Schall meine Viehlein aus dem Stall auf die grüne Hutweid hin, ob ich gleich ein Hirt nur bin.« »Nun, Kasper, wie gefallt dir das Lied? Es hat eine recht sittsame Weis.« »Gar nit gefallt es mir,« rief das Bauernbüblein. »Du Lump, du fauler, du geringschätziger!« tadelte gekränkt der Hannes. »Du wirst auch einmal so ein Bauer werden, der alle Tag Sonntag und alle Sonntag Kirchweih hat und nix tut, als an den Zäunen lehnen. Weißt du vielleicht ein schöneres Lied?« Der Bub ließ es sich nicht schaffen und gellte aus höchstem Hals: »Ich schrei hü, ich schrei ho, ich schrei allweil hüstaho!« »Da loset dem jungen Dullhäubel zu, der braucht keinen Schulmeister nimmer,« sagte der Hirt bissig. Er kramte einen messingenen Ring heraus, das war seine Sonnenuhr, stellte sie gegen das Licht und sah nach der Stunde. »Bub,« meinte er, »meine Zeit ist da, mich schläfert. Nimm derweil das Vieh in acht!« Er unterwies den Kasper noch, wie er sich als Hirt zu halten habe, verblümelte dabei seine Rede mit vielerlei nutzbaren Sprüchen, sank dann auf einmal steif und mit gläsernen Augen ins Gras zurück und schlief. Der Kasper kümmerte sich nicht um das Vieh, sondern kitzelte die Grillen aus ihren Nestern, und hernach fing er ein paar Bienen, sperrte sie in ein Schachtel, und die war der Stall, dort sollten sie Honig melken. Dann grub er ein tiefes Hummelnest aus. Eine Hummel entkam ihm und irrte herum wie ein fliegendes Baßgeiglein, eine andere aber ertappte er und steckte sie zu den Bienen, denen sollte sie der Weisel sein. Auch die Hummelzellen gab er ihnen in den Stall, sie sollten sich ihrer als Schüsseln und Bratscherben bedienen. Bald war sein unruhiger Sinn des stillen Spieles überdrüssig, und er schlich sich zu zwei weidenden Kühen hin und knüpfte ihnen die Schwänze zusammen, und als er hernach böse zu summen anhob wie eine Blutfliege, wurden die zwei Tiere vor Angst irr, sie wollten fliehen und konnten nicht, sie versuchten sich zu scheiden, und es gelang nicht, das eine zerrte hin, das andere zog her, sie sprangen immer närrischer. Der Kasper ergötzte sich daran, und daß seine Lust noch höher steige, stahl er dem Hirten das Horn und stieß mit aller Wut seines Atems darein. Der Brunnkressenhannes taumelte auf. Er sah, wie die Kühe mit verknüpften Schwänzen, die eine rechts, die andere links, einen jungen Ahorn schier umrissen. Verzweifelt griff er sich ins Haar, das so karg stand wie der armen Leute Hafer. »Herrgott von Blaustauden, laß nur die Schwänze nit reißen!« Mit diesem und noch manch anderem Stoßgebet rannte er den Kühen zu Hilfe. Da tauchte der Meßner Grazian aus einer Staude, ein spitzköpfiger, einseitiger Mann; die eine Achsel stand ihm höher als die andere. Er deutete mit krummem Finger auf den Kasper. »Das ist ein liederlicher Bursche. Der wird es zu nix bringen.« Der Bub blies mißtönig auf dem Stengel einer Ringelblume und schaute, kalt bis ins mittelste Herz, zu, wie der Hannes die ungeduldigen Kühe auseinander tat. »Dem liederlichen Burschen wird es einmal schlecht gehen,« weissagte der Meßner Grazian, »der wird noch einmal Mäus und Grillen fressen.« Indes hatte der Hirt sein umständliches Amt vollbracht und fiel nun mit einem heimtückischen Sprung über den Kasper her, lieh sich dessen Ohrwäschlein aus, tappte ihm nach dem Schopf und riß ihm eine dicken Schübel Haare aus. Dabei keuchte er: »Dank hab die Rut, sie macht das Knäblein gut!« und der Kasper sollte den Spruch wiederholen. Der aber stampfte und strodelte unter den Krallen seines Meisters und krähte wie ein junger Rabe, der aus dem Nest gefallen ist. Der Grazian hingegen predigte aus der Staude heraus: »Der liederliche Bursche rennt dem Galgen zu, er kann ihn nimmer erwarten. Hau zu, Hannes! Hau so viel Ruten an ihm ab, als auf einem Joch wachsen!« -- Damals endete das kurze Schulmeistertum des Brunnkreßners. Der Isidor Dullhäubel nahm seinen Buben her. »Kasper, du wirst ein großer Bauer wie ich. Du wirst einmal Vieh und Felder und Holz haben. Holz macht die Erde stolz, und du kannst einmal stolz den Kopf heben, und die andern Fuxloher Bauern werden nur Notleider gegen dich sein. Lernen sollst du nit viel, es ist nit gesund. Wer viel weiß, wird nit feist.« »Zum Hannes geh ich nimmer,« trotzte der Bub. »Du brauchst auch nit, Bub. Die richtige Meinung über die Welt bring ich dir bei, und lesen und schreiben lernst du von der Altbäurin.« Es war die lustigste Lehrzeit, die der Kasper bei seinem Vater verlebte. Weil der Bauer glaubte, das Gedächtnis sei die wichtigste Arbeit des Gehirns, so mußte der Bub die scheckigsten Lügenmärlein auswendig lernen, davon die Geschichte vom brennenden Wasser, das mit Feuer gelöscht worden ist, und von der papierenen Kapelle, drin der hölzerne Pfarrer eine haselne Messe liest, noch am glaubwürdigsten war. Hernach brachte der Dullhäubel seinem Schüler, der lebhaft wie ein Hirschlein darein sah, manchen Spottreim und manchen spitzigen Stichelschwank bei und erzählte ihm die Streiche, derer die Dörfer diesseits und jenseits des Gebirges bezichtigt wurden, und bald wußte der Kasper jedem Ort ein Narrenglöckel anzuhängen, und er spottete über die Bärnloher, denen einmal ein Ochs auf den Kirchturm hinaufgestiegen war, und über die Daxloher, wo die Kühe so bitterlich hungern, daß eine der andern den Schwanz abfrißt. Quackten im Mai die Frösche, so lachte der Kasper: »Die Grillnöder singen!« Und wenn die Blaustaudner Glocken über den Wald herauf klangen, sang er: »Die Blaustaudner läuten, sie läuten vor Not, sie fangen den Bettelmann und nehmen ihm's Brot.« Der Bub konnte auch bald so kunstvoll mit der Peitsche schnalzen wie ein alter Fuhrknecht. Er schob die Finger ins Maul und pfiff schrill, daß es den ganzen Wald Vogeltänd durchdrang und die Krähen in den Nestern sich duckten. Weil er den Großen und den Kleinen seine Sprüche und Stichelnamen anhängte, traute sich schier niemand am Dullhäubelhof vorüber, und der Kasper war von allen gefürchtet wie ein bissiger Enterich. Drum fand er auch zu seinen Spielen keinen Gesellen. Nur des Mußmüllers Gid, ein stämmiger, vertrotzter Bub, vertrug sich mit ihm, und die zwei bauten Wasserräder in den Wolfsbach, durchstöberten die Felder nach gesprenkelten Rebhuhneiern und die Wipfel nach Nestern, fingen Schnerrer und Kranwitvögel, brieten und fraßen sie, fischten und krebsten, schopften und prügelten sich weidlich und söhnten sich wieder aus. Die Nachbarsbuben waren bald nimmer zu trennen. Und kam einmal der Gid nicht früh genug aus dem Haus, so stellte sich der Kasper vor des Müllers Tür und lockte mit seiner feinsten Kehle durchs Schlüsselloch hinein: »Müllnerin, wenn du den alten Mostbirnbaum magst, mein Vater laßt dir ihn ausgraben. Ist der Gid nit daheim?« Er tat so fein und so schmeichelnd, weil die Mühle der einzige Ort auf der Welt war, der ihm unheimlich schien. Denn der Müller Gori drohte oft den unbändigen Buben: »Ich laß den Wassermann los, er liegt in der Kuchel im Ofenloch an der Kette.« Und sprang gar der schwarze Hund Zikan, den einmal böhmische Komödianten zurückgelassen hatten, hinter dem Ofen hervor und fletschte den Kasper an, da verzog er sich schnell und blieb eine kleine Weile artig. Aber das Blut der Buben verlangte allmählich nach verwegeneren Dingen, und die vererbte Rauflust regte sich. So zogen sie oft an die Gemarkung des Dorfes und forderten schreiend die Widersacher heraus. »Salz in der Butten, Mehl in der Gruben, die Grillnöder sind Hagbutzelbuben.« Die Grillnöder Buben litten den Schimpf nicht, und sie trauten sich über die Schmäher, und so kam es zu zerkratzten Gesichtern, verbeulten Schädeln und blutigen Häuten, wobei aber der Kasper meist gesund davonging, denn er hielt sich zur rechten Zeit zurück und überließ den Hauptanteil an dem Streit dem Gid. Der Müllerbub war auch weitaus stärker als Kasper. Nur im Gedächtnis fehlte es ihm. Einmal schickte der Mußmüller seinen Gid zum Schuster, und dort richtete der Bub den Auftrag ganz verkehrt aus. »Gelobt sei Jesus Christus, Schuster,« sagte er, »da schickt dir der Schuh ein paar Müllner, er laßt dich gar schön doppeln, daß du ihn bitten tätst, und daß du ihm morgen die Schuh machst, er will sie heut noch anlegen.« Als der Kasper das erfuhr, kannte er die verdrehte Rede gleich auswendig, und er schonte den eigenen Freund nicht und sagte sie ihm allweil wieder ins Gesicht, so daß oft bitterer Unfriede wurde zwischen den Buben und zwischen den Vätern, denn keiner, der Dullhäubel nicht und der Mußmüller nicht, ließ etwas über seinen Sprößling kommen. Bald traute sich der Kasper mit seinen Schwänken an die großen Leute. So saß einmal der Schmied mit seinem Gesellen beim Mittag, die Suppe rauchte, und das Weib schnittelte Brot in den Topf. Da sprang der Kasper in die Stube und schrie: »Schmied, helft, helft, euer Brunn brennt!« Hurtig rannten Meister und Meisterin und Gesell hinaus zum Brunnen, und als die Genarrten zurück kamen und alle Sakermenter schalten, stand ein Ochs in der Stube, der hatte die Suppe ausgesoffen und leckte sich noch die Nasenlöcher. »Den Hammer her!« brüllte der Schmied. Er hätte das Bürschlein mit den Ohren vor seine Werkstatt genagelt, wenn es nicht gar so entsetzlich um Erbarmen gebettelt hätte. Der Kasper lernte dazumal, daß die Leute alles und auch das Unglaublichste glauben, man braucht es ihnen nur zu sagen. Derlei Unfug trieb er noch viel. Der Bauer litt es und nahm lachend den Missetäter in Schutz. Ein einziges Mal nur vergriff er sich an ihm. Die Grillnöder Buben brachten dem Kasper einen seltsamen Schimpf auf. »Erdspiegelbub! Erdspiegelbub!« kreischten sie und zeigten auf ihn. Er konnte sich nicht wehren, weil er nicht wußte, was das Wort bedeutete. Der Brunnkressenhannes sagte ihm hernach, daß im Dullhäubelhof in einem schauerlichen Loch neben dem Krautkeller der Spiegel aufbewahrt sei, drin alles offenbar werde, und in dessen Glas jeder Dieb und Räubersknecht sich zeigen müsse, wenn es der Bauer verlange. Er erzählte: »Vor alter Zeit ist mein Ähnel einmal durchs Gehölz gefahren. Plötzlich geht der Wagen nimmer vom Fleck. Die Ochsen legen sich ins Joch, daß sie züngeln und der Schweiß ihnen rinnt wie ein Bach, der Ähnel haut mit dem Geißelstecken auf das arme Vieh los, umsonst, der Wagen steht wie angefroren. Da nimmt er vor lauter Zorn die Axt und haut sie ins Hinterrad. Gleich rollt der Wagen wieder fort, als ob nix gewesen wär. Wie der Ähnel hernach zum Dullhäubelhof kommt, hört er es drin ächzen. Er schaut nach. Da liegt der Servaz Dullhäubel blutig im Keller bei dem Erdspiegel und sein Fuß abgehackt neben ihm. Der Servaz hat in dem Glas meinen Ähnel fahren sehen, hat ihm einen Possen tun wollen und den Fuß aufs hintere Rad in den Spiegel gestellt. Und wie mein Vorfahr dreingehaut hat, hat er dem Servaz den Fuß abgehackt. Er soll hernach krumm gegangen sein, der Servaz.« Der Kasper schlich sich am selben Tag noch in den Keller. Aber die Tür zum Erdspiegel war vernagelt, und als er sie aufsprengen wollte, ertappte der Bauer den neugierigen Buben und legte ihn übers Knie. Das war das erste und letzte Mal, daß der Kasper des Vaters Faust spürte. Als die Sodonia den Enkel in solchen Ränken und Schwänken aufwachsen sah, kränkte sie sich arg. Sie machte sich wunderliche Gedanken über ihn und fürchtete sogar eine Zeitlang, der Kasper sei ein Wechselbalg und in der Wiege vertauscht worden, und darum habe er auch einen gar so großen Kopf und ein so boshaftes Gemüt, und sie bereute, daß sie ihm nicht gleich nach der Geburt Märzhasenaugen um den Hals gehängt hatte, den höllischen Tausch zu hindern. Nun wollte sie seinem Übermut stauen, indem sie ihm die ewigen Leiden vorhielt. Sie blätterte mit ihm durch des Kapuziners Cochem »Goldenen Himmelsschlüssel« und wies ihm drin die Bilder, wie die Sünder am Bratspieß des Teufels gespickt wurden und ihnen der Leibhafte mit feuriger Axt das Fleisch vom Bein metzgerte und das Glied aus dem Gelenk riß, wie Nattern mit giftigen Zungen die Verdammten mitten ins Herz stachen und schleimige Kröten ihnen ins Maul krochen, und wie ein derart gepeinigter Mensch sich nicht helfen und nicht wehren konnte, zumal da er durch den Bauch an den Erdboden genagelt war. In des Vaters Cochem Höllenspiegel gilbten dürre, duftende Nußblätter. Die Sodonia ließ den Buben oft daran riechen und sagte dazu traurig: »Die Blätter wachsen nit in Fuxloh, sie wachsen in einem Land, wo die Leut milder sind.« Die Alte hatte aus einem fernen Dorf aus dem Vorland des Gebirges herauf geheiratet. Obschon der Kasper sich in der Nacht abergläubisch fürchtete, am lichten Tag schreckte ihn der Ahnin Warnung nicht, daß auch er einmal in den Höllenkessel hinabquirlen und drunten brennen und braten müsse. Er wurde im Gegenteil immer begieriger, die marterlichsten und verwickeltsten Peinen des Satans kennen zu lernen, als wolle er diesem einstmals als gelernter Gesell behilflich sein. Das merkte die Sodonia mit blutendem Herzen, und sie hakte bald den Höllenspiegel zu und malte den Teufel nimmer an die Mauer. Der Kasper schlief in ihrer Kammer, und wenn er nachts aufkam, sagte sie mit ihm das Einmaleins auf, um ihn von bösen Gedanken abzuhalten, und lehrte ihn kopfrechnen. Auch die Schrift brachte sie ihm bei, und beim Lesen zeigte er sich recht anstellig, dabei aber geschah der große Fehler, daß das abgegriffene Buch, darin er lesen lernte, »Die lustigen Streiche des Till Eulenspiegel« hieß. Die einzige Hoffnung der Sodonia war, daß der mißratene Mensch sich schon geraderecken werde, wenn er einmal die Lehren des Glaubens aus berufenem Mund hören werde. Und es kam die Zeit, da versammelte der Pfarrer Sebastian Knaupler die Fuxloher Kinder vor der Kapelle des Blaumantels, um sie für die erste Beicht würdig vorzubereiten. Er lehrte sie die himmelschreienden und die lässigen Sünden hersagen, erzählte ihnen die biblischen Geschichten und münzte, was er da an geistlichen Dingen vorbrachte, in fröhlichen und handgreiflichen Augenschein um. Also hob er, als er von der Sündflut erzählte, die Kutte immer höher und höher, damit das steigende Wasser recht anschaulich den Kindern ans Herz schwölle, kletterte schließlich, von den Buben gehoben, auf die Kapelle, das wachsende Meer zu verdeutschen, und rang droben die Hände. Dem Häuflein drunten ward angst, mit weiten Augen schauten sie zu dem geistlichen Herrn auf und in ihren Hirnen dämmerte der Umfang des Strafgerichtes. Da riß ein Lärm die kleine Gemeinde aus den Schauernder Sündflut in das alltägliche Fuxloh zurück. Der Brunnkressenhannes, der dem Pfarrer Sebastian Knaupler das schulmeisterliche Amt neidete, sah von der Viehweide nieder, tutete und näselte: »Auf der Wies und auch am Klee ich so lange umher geh, bis sich laßt ein Brünnlein finden, daß mein Vieh daraus kann trinken, allda setz ich mich in Ruh, nehm die Schwegel, pfeif dazu.« Wie neugierige Gänse reckten die Kinder die Hälse und lauschten dem Störer. Der Pfarrer drohte: »Da alter Grillenkitzler, jetzt halt schon einmal das Maul!« Um die Sinne der Kinder wieder an sich zu reißen und die bergüberschwellende Flut in einem verwogenen Bild auszulegen, packte er den Ast über sich und schwang sich in die Föhre. Er glitt aber dabei aus und stürzte. Zum Glück verhängte er sich mit den Füßen in eine Astgabel, die Kutte sank ihm über den Kopf verhüllend nieder und entblößte zwei dünne, borstige Beine, die von einem kurzen Lederhöslein nur spärlich bedeckt waren. Aus der Kutte heraus flehte er gedämpft um Hilfe. Die Kinder meinten, das gehöre alles zu der biblischen Geschichte, drum rührten sie sich nicht, warteten und staunten. Schließlich kam der Hannes mit einer Leiter gelaufen und erlöste den Herrn Sebastian Knaupler aus seinem absalomischen Zustand. Der Pfarrer wischte sich den Schweiß. »Kinder, für heut ist es genug. Habt ihr alles begriffen?« Der Kasper hob die Finger in die Höhe. »Ich begreif nit alles.« »So mußt du mich fragen, kleine Seele!« Hellauf rief der Bub: »Was für eine Himmelssünd ist das, die Unkeuschheit?« »Die Unkeuschheit,« brummte der Geistliche, »das ist, wenn einer die Hosen verkehrt anzieht. Und frag nit zuviel, Bengel, und bet zu deinem Schutzengel, er soll dich nit verlassen!« »An den Schutzengel glaub ich nit,« sagte der Kasper keck. »Warum nit?« »Wenn ich einen Schutzengel hätt, so hätt er mir helfen raufen, wie mich der Schmied in der Beiz gehabt hat.« Da fiel der Pfarrer über den Buben her und rüttelte ihn beim Kragen. »Du frevelhafter Teufel, wirst du gleich an deinen Schutzengel glauben!« -- In der Woche vor dem Freudensonntag beichtete der Kasper zum erstenmal. Der Pfarrer spitzte seine Ohren scharf, und der Sünderling wispelte hurtig hinein: »Bei der Mußmühl weiß ich ein Nest, sind fünf Eierlein drin, fliegt allweil eine Bachstelze hin. Dir sag ich es. Daß du es aber niemanden sagst, Pfarrer!« Der Herr Sebastian Knaupler zog das Schneuztuch heraus und schneuzte sich lange. Dann schlug er ein ellenlanges Kreuz in die Luft und segnete. »Geh hin, o Mensch, deine Sünden sind dir vergeben!« * * * * * Der Kasper ging hin und wuchs sich gemächlich zu einem stämmigen Burschen aus, stark und gelenkig. Sein Kopf war noch größer geworden, nur die Augen blieben winzig und die Stimme hoch und dünn und kichernd, wie er sie als Kind gehabt hatte. Er plagte sich nicht, mit seiner Arbeit hätte er sich kaum das tägliche Brot verdient. Viel lieber schlüffelte er im Dorf umher und lauschte überall hin mit offenem Maul und verschlagenem, flinkem Blick. Hemdärmlig stand er auf der Kegelstatt und wog und warf die Scheibkugel, daß es donnerte. Die Sodonia verwarnte ihn oft und rieb ihm vor, wie Müßiggang bösen Ausgang nehme, besonders bei einer Bauernwirtschaft, er aber pfiff sich ein Lied lustiger als das andere, rückte sich den Hut schief und sang: »Und ein bissel bin ich bucklet, und ein bissel bin ich krump, und ein bissel bin ich tilltapp, und ein bissel bin ich Lump.« Weil er in der Rede gut beschlagen war und keinem die rechte Antwort schuldig blieb, und weil er schier aus lauter schönen Spitzbübereien zusammengesetzt war, wählten ihn die Burschen, die im Fasching vermummt durch die Dörfer reisten, zu ihrem Hanswurst, und in diesem Amt trug er einen strohenen Dreschflegel, einen Spitzhut und ein Kleid, aus hundert bunten Flecken närrisch zusammengewürfelt wie seine Seele. Der Müllergid ging als der Hauptmann voran, ein gefranstes Handtuch als Schärpe vor der Brust, auf der Achsel einen Spieß, der sich unter dem Speck bog, den sein tolles Gesindel aus den Rauchfängen der lachenden Bauern heimste. Und der Kasper stürzte jäh ins Knie, hob die Hände auf und schrie kläglich: »Ihr lieben Daxloher, ich bitt euch um Gottes willen, gebt her ein Pfund Teufelsspeck! Leugnet es nit, vor Dreikönig habt ihr den Teufel abgestochen und in den Rauch gehängt. Und ich bitt euch gar schön um eine kuhwarme Blutwurst, so lang muß sie sein, daß sie sich neunmal um den Blaustaudner Turm wickeln laßt und dreimal um eure Bürgermeisterin.« Dann sprang er wie ein Heuschreck auf und schlug sich mit dem Strohflegel eine Gasse durch die Gaffer, und während seine Gesellen am Dorfanger tanzten und der Pritschenmeister einen der Zuschauer auf die Bank legen ließ und ihm fünfundzwanzig auf die Hinterlandschaft maß, durchstöberte der Kasper die Speckkammern und Ofenröhren der unbewachten Gehöfte, und kam dann üppig beladen zurück zu seiner Bande und jauchzte: »Die ganze Welt ist ein Fasching, juchu!« In Blaustauden trieb der Kasper einen verreckten Geißbock auf. Sein Gesindel grub hinterm Dorf ein Loch und senkte den Bock hinunter. Der Kasper hielt die Grabrede: »Unser lieber, guter Herr Burgermeister ist tot.« Und einer kniete neben ihm, als Wittib verkleidet und jammerte, daß es einem das Herz zerspaltete und den Weibern rings das Wasser aus den Augen sprang. »Ein guter Hausvater ist dahin,« hub der Kasper wieder an, »ein braver Ehemann. Ihr Jungfern von Blaustauden, ich wünsch euch allen einen so eifrigen Mann.« Der Meßner Grazian aber, der unter den Leuten stand, begehrte auf. »Ich laß den Blaustaudner Jungfern ihre Ehre nit angreifen,« schrie er und drängte sich scharf zu dem Redner hin. Gleich wurden die Köpfe rot, ein Knäuel ballte sich zusammen, Fäuste reckten sich, und der Meßner lag auf einmal in der Grube auf dem Geißbock. Es wäre zu blutigen Schlägen gekommen, wenn nicht der neue Pfarrer Nonatus Hurneyßl eingegriffen hätte, ein aufrichtiger und entschlossener Mann. Mit dem Regenschirm jagte er die Leute auseinander, verfolgte damit den Kasper, der sich mit dem Strohflegel nur schwach wehren konnte, zum Ort hinaus und half schließlich mit dem nämlichen Schirm seinem Meßner aus der Grube. In der Nacht vor dem Fastensonntag trommelte es dem Grazian ans Fenster. Der Grazian, in der Meinung, es gelte, einen Kranken zu versehen, tat den Laden auf, und blitzschnell wurde etwas Gehörntes, Fürchterliches, an eine Stange Gebundenes in die Stube gestoßen, und das roch abscheulich. »Der Teufel ist es, er stinkt nach Schwefel!« schrie die Meßnerin und fiel aus einer Schwäche in die andere. Der Grazian dachte gleich an seine Höllenfahrt und kroch plärrend unters Bett. Als die aufgeschreckten Nachbarn in die Stube leuchteten, fanden sie einen halbverwesten Geißbock. Der Grazian wollte sich den Fastenbraten und den daran hängenden Spott nicht gefallen lassen und übergab die Sache dem Gericht. Der Täter aber kam nicht auf, trotzdem daß alles mit den Fingern auf ihn hätte weisen können. Damals geigte die Sodonia dem Kasper tüchtig die Wahrheit, und es schien, als ginge der Bursch in sich und verabscheue seinen Wandel, der die Leute ärgerte. Er stellte sich Tauben ein, züchtete sie und handelte damit und redete von nichts mehr als von Schopf- und Kropf- und Trommeltauben, von rotgesudelten und schwarzgesudelten, spiegelnden und rauhfüßeten Tauben und pfiff den Vögeln den ganzen Tag und lockte sie, die über den First des väterlichen Hauses trippelten. Und in der Zeit dieser zärtlichen, weichen, sehnsüchtigen Pfiffe, und während er die Spiele und Scherze der Vögel betrachtete, wie der Tauber sein Weiblein umtanzte und girrend scharwenzelte und sie am Schnabel zog, und wie die beiden beleidigt und dann wieder schön mit einander taten, da wurde das Blut des Kasper ganz wunderlich, und er konnte sich selber nicht begreifen. Und einmal, der Mond blinkte in die Stube, wo Bauer und Bäurin in dem breiten Himmelbett schliefen, da tappte sich der Kasper zur Tür. Aber er stieß an einen Stuhl, und der Bauer fuhr auf und sah den Burschen schleichen. »Wohin denn, Bub?« »Vater, heiraten möcht ich,« lallte der Kasper halb im Schlaf. »Du hast recht. Heut noch nit, aber morgen, Bub. Und jetzt leg dich nur wieder!« Folgsam kehrte der Kasper um und schlief weiter. -- Seit jener Mondscheinnacht lachte der junge Dullhäubel den Dirnen in die Augen. Und um sich vor ihnen ein Ansehen zu geben, handelte er sich vom Krämer eine Tabakspfeife mit buntem Kopf ein, die steckte er in die einwendige Brusttasche, daß das Mundstück herausguckte. Auch putzte er sich mit einem blauen Hut, grasgrünen Hosenträgern und einer breiten Uhrkette auf und ließ sich unter der Nase einen fuchsfeuerroten Schnurz wachsen. Und seine Schultern wurden breiter, seine Hände fester und griffiger. Nur die Stimme blieb ihm hoch und kindisch schrill. Einmal saß die Sodonia nachts im Bett auf, weil sie sich den Schlaf nicht erzwingen konnte. Da hörte sie es wie mit Diebestritten das Haus umspüren und bald hernach den Kasper draußen halblaut singen: »Dirndel, tu auf und laß mich zu dir, bin ein armer Kaplan, sollst beten mit mir!« Die Alte witterte neuen Unfug, und sie wollte die Hand über des Burschen Unschuld halten. Denn seine Mutter, die Sanna, kümmerte sich nicht um ihn, sie lag den halben Tag hinter der Scheuer unter der Hollerstaude, und die Stalldirn fing ihr die Läuse. Die Sodonia wurde wachsam, und bald darnach merkte sie, wie sich der Kasper nach dem Essen davon zog und auch die Geißdirn verschwunden war. Schleunig suchte sie Dachboden, Stall und Stadel durch, bis sie schließlich zu einem alten, von Brombeergebüsch verwucherten Backofen kam, dort sah sie vier Füße heraus stehen. Sie packte das eine Paar kräftig an und zog den Kasper heraus. Scheltend führte sie ihn zum Bauer. Aber der lachte unbändig und freute sich über den Ort, wo die Verliebten ihre Zuflucht gefunden hatten. Es war zum letztenmal, daß der Isidor Dullhäubel sich freute. Er verfiel auf einmal, sein Gesicht wurde käsweiß, die kupferne Nase überzog sich mit Grünspan, und er behauptete, sie täte ihm weh. Die Kraft ging ihm aus. Zu Mariä Geburt rief er den Kasper zu sich in die Stube. Er zog sich die hirschlederne Hose aus, die von den Vorfahrern überkommen war, warf sie dem Burschen hin und murrte: »Da!« Auf dem Tisch schillerten sieben Tabakgläser, darin die Namen der Wochentage geschliffen waren, und das Sonntagsglas glühte rot wie ein brennendes Herz. Der Bauer deutete darauf und ächzte: »Da!« Hernach ließ er sich matt ins Himmelbett fallen und starrte zu dem Spiegel hinauf, der darüber als Decke hing, und sah droben das kalkige Gesicht und die grüne Nase und seufzte. So wich der alte Bauer dem jungen. -- Am Kirchweihsonntag schleppte sich der Isidor Dullhäubel zum letztenmal in den »pfalzenden Hahn«. Und als er mitternachts toll und voll heimkehrte, weckte er seine Bäurin und sagte fröhlich: »Heut hab ich die Krankheit versoffen.« Der Kasper schwenkte noch am grauen Morgen die Dirnen im Tanz, als sein Knecht ganz außer Atem daher kam. »Kasper, heimgehen sollst du. Der Bauer ist gestorben.« »Hast du mich erschreckt!« antwortete der Kasper. »Ich hab schon gemeint, der rotblassete Tauber wär hin.« * * * * * Der neue Bauer schaffte dem Toten ein schönes Begräbnis an. Die kupferne Nase nahm er ihm, als er in der Truhe lag, weg, sie konnte dem Isidor beim Jüngsten Gericht mehr schaden als nützen. Der Kasper band sie an den Senkel der Stubenuhr, die schon längst ein stärkeres Gewicht gebraucht hatte. So hing ihm allzeit ein Andenken an den Verewigten vor Augen. Die Musikanten bliesen, der Pfarrer spritzte den Weihbrunn über die Truhe und betete um das immerwährende Licht und um die ewige Rast, und der Kasper heulte am Grab des Isidor Dullhäubel und begehrte, man solle ihn gleich mit dem Alten einscharren. Hernach ließ er sich nach ewigem Dorfbrauch ins Wirtshaus spielen, und dort ging es feucht und lustig her, daß der junge Dullhäubel beim Abschied schluchzend zu den Musikanten sagte: »Mein Vater hat jetzt eine schöne Leich gehabt. Wenn wir leben und gesund sind, müßt ihr mir bei meinem Begräbnis auch so schön aufspielen.« -- Der Mond war schon schlohweiß unterwegs, als sich der Trunkene heimtrollte. In der Blaumantelkapelle war es hellicht. Der Kasper Dullhäubel stierte hinein. Ihm schien es, der Heilige beutle unwillig den Kopf und hebe die Handteller gegen ihn, als greine er: »Fahr ab, du Sündenlümmel!« »Du bist ein Lümmel, nit ich!« antwortete der Bauer. »Und meine Nase nimmst du mir nit, die ist kerngesund. Schau nit so scheinheilig drein! Wer weiß, wer du gewesen bist bei Lebzeiten.« Der Heilige glotzte mit offenem Mund, der Mond verlieh ihm Leben. »Dir verdank ich meinen roten Bart,« knurrte der Dullhäubel. »In dich hat sich meine Mutter verschaut, wie sie mich getragen hat. Wir zwei rechnen noch einmal ab miteinander. Und red nit so grob mit mir! Jetzt bin ich der Dullhäubel.« -- Tags darauf bat er die Altbäurin, sie möge ihm ein altes Heiligenbuch leihen, das er einmal in ihrer Truhe gesehen hatte. Die Sodonia freute sich. »Das Buch schenk ich dir, Bauer. Das ist recht, daß du jetzt einkehrst bei dir und das Leben der Heiligen lesen willst, daß du ein Beispiel vor dir hast. Und so wachst in deiner Frömmigkeit ein gutes Blümel aus deinem Vater seinem Grab.« »Sind alle Heiligen drin?« fragte er kurz. »Alle! Alle!« Sie nickte feierlich. Eine Woche lang buchstabierte er sich durch das andächtige Buch, daß er das Leben des Blaumantels kennen lerne. Er hoffte, in der Erdenwallfahrt des heiligen Nachbarn einen schwarzen Fleck zu finden, wie ja die stolzesten Heiligen oft die größten Sünder gewesen sind. Vielleicht hat der Blaumantel einen Bauer im Roßhandel betrogen oder es mit einem leichtfertigen Weibsbild gehalten oder gar irgendwo auf der Straße einen Wegfahrer abgegurgelt. Es gibt gar wunderliche Brüder unter den Heiligen. Und wenn der Dullhäubel den Fleck des hochfährtigen Heiligen aufgedeckt hat, wird er ihm ein paar schöne Strahlen aus dem Heiligenschein zupfen und ihm gehörig heimgeigen, wenn der Blaumantel ihm noch einmal ins Gewissen reden sollte. Doch wie scharf der Bauer auch die Buchstaben ins Auge nahm und wie mißtrauisch sein Finger über die Zeilen tappte, daß ihm nichts entwische, er fand in dem Buch nicht einmal den Namen des Heiligen. »O du Duckmauser, wer weiß, was für einer du bist?« grinste der Kasper Dullhäubel. »Jetzt will ich dir erst recht nachspüren.« Er suchte den hochwürdigen Herrn Nonatus Hurneyßl heim. Der Pfarrer lehnte gerad im Predigtstuhl, der ein großes, nach oben offenes Schneckenhaus war, und erzählte die Marter des heiligen Sebastian. »Was gilt es, du kriegst den Pfeil in die Gurgel!« rief er. »Was gilt es, du kriegst den Schuß in den Nabel! Bums, sitzt dir der Pfeil im Schienbein! Ja, meine lieben Seelen, da sperrt ihr euer Maul auf und loset. He, du alte Zipfelhaube im dritten Stuhl am Eck, schlaf nit! Greift dich denn die Marter gar nit an? He, du Bürgermeister von Grillenöd, räusper dich nit so laut! He, Mausfallenwirt, lach nit so mit den Stockzähnen! Versuch es, laß du dir einmal von einem gottschändlichen Buben mit der Schindelbüchse einen Nagel in den geschwollenen Magen schießen!« Da knarrte das Kirchtor, der Kasper Dullhäubel stand da und tappte demütig in den Weihbrunnkessel. »Gehorsamster Diener, Dullhäubel!« grüßte der Herr Nonatus Hurneyßl grimmig. »Hast du den Weg verfehlt? Oder regnet es draußen, weil du da herein kommst? Kannst du nit zur Zeit da sein? Mußt du mich in den schönsten Martergeschichten stören? Hast du vielleicht einem Geißbock die letzte Ölung geben müssen? Das möcht ich wissen, was du heut von unserm Herrgott verlangst. Herrgott im Altar, trau dem Dullhäubel nit! Ja ja, schnupf nur, und tröst deine Nase! Der Teufel wartet auf dich, er bekränzt schon die große Bratröhre, wo er dich dünsten wird. Amen.« Die Gemeinde murmelte: »Vergelts Gott!« und der Pfarrer stieg schwerfällig von der Schneckenkanzel herab. Nach der Messe schob sich der Dullhäubel in die Kanzlei des geistlichen Herrn. Der rief leutselig: »Ei, was für ein Wind tragt den Dullhäubel daher? Willst du gar schon heiraten? Das wär ratsam. Deine Wirtschaft braucht ein Weib.« »Mich druckt ein besonderes Anliegen,« entgegnete der Bauer. »Sag mir, Hochwürden, woher stammt denn unser guter Schutzheiliger, der Blaumantel? Und was für Martern hat er erlitten, eh die Fuxloher ihn in die Kapelle gesperrt haben?« »Meine liebe Seele, ich kann dir darüber nit viel Auskunft geben. Euer Heiliger schreibt sich eigentlich Sankt Aurazian, so steht es in unserm Kirchenbuch zu lesen. Sonst ist über ihn nirgends ein Wort zu lesen, so viel ich auch die Heiligengeschichte nachgeblättert hab. Mein Vorgänger, der Pfarrer Sebastian Knaupler, hat in selbiger Sache einen Brief an die päpstliche Kanzlei in Rom geschrieben, aber auch die haben nix gewußt vom heiligen Aurazian. Er muß ein gar bescheidener Mann gewesen sein, weil er nix von sich hinterlassen hat als seinen Namen.« Der Dullhäubel dankte und ging. Bei der Siebenkittelwirtin kehrte er ein und trank, bis er strotzte, und erst, als er keinen Trunk mehr vermochte, besann er sich auf den Heimweg. Die Nacht war schwarz, kalter Regen schlug durch den Wald. Der Steig war voll Gerill und Geröll und voll lauernder, tückischer, schlüpfriger Wurzeln, so daß der Bauer oft hinstürzte. Vor der Kapelle zündete er sich die Pfeife an und beleuchtete den Heiligen. Der wehrte mit den Armen ab, als wolle er keinen Teil haben an dem Dullhäubel und als grause ihm vor dessen trunkenen Wandel. »Herr Auraz Blaumantel, jetzt red du selber, wer du bist,« gröhlte der Bauer. »Gelt, du staunst, daß ich deinen Taufnamen weiß? Ich komm dir schon hinter die Schliche. Red, wer du bist! Du hast das Maul allweil offen und kannst nit giges und nit goges sagen.« Schärfer schlug der Regen nieder, der Wind bog die Bäume, der Wolfsbach sauste. »Von dir weiß nit einmal der Papst in Rom, woher du bist, du zugereister Heiliger. Aber ich bin der Dullhäubel aus Fuxloh!« Und er kroch in die Kapelle, rollte den Blaumantel in den Regen hinaus, legte sich an seine Statt und schlief ein. -- In aller Frühe stapfte der Holzhacker Longinus Spucht mit seinem Weib daher, zwei Leute, eines kleiner als das andre. Sie wollten weit in den Lusenwald hinein, Bäume schneiden, und hörten es jetzt in der Kapelle drin schnaufen und rasseln und gurgeln. »Um teufelswillen, Weib, der Blaumantel schlaft hart,« wisperte der Spucht. »O du Batzenlippel,« spottete sie, »wie kann denn ein Hölzerner so schnaufen?!« »Also ist es ein Bär,« stammelte er. »Schau hin, ob niemand in der Kapelle liegt!« befahl sie. Er tat ein paar verzagte Schritte und rief: »Ist niemand in der Kapelle?« Da kreischte drin eine greuliche Stimme: »Was, bin ich jetzt auf einmal der Niemand? Ein großer Herr bin ich, auf der Welt gibt es keinen größern. Ich bin der -- --« Weiter hörten die zwei nichts, sie rannten in einem Saus dem Wald zu. -- Die alte Ulla hob hernach den obdachlosen Heiligen wieder in seine alte Heimstatt und wusch ihm den blauen Mantel, der arg beschmutzt war. Im Gau des Lusens ging bald das Gerücht um, der Heilige habe mit zwei armen Holzhackern ein frommes Gespräch geführt. Der Dullhäubel aber prahlte sich, er habe die ganze Nacht mit dem Blaumantel im »pfalzenden Hahn« gesoffen und Karten gespielt und habe schließlich den trunkenen Heiligen heimschaffen müssen. * * * * * Das Frühjahr kam, die Tage nahmen auf. Da tändelten die Vögel, der Birkhahn krudelte, der Kiebitz tanzte um seine Frau, der Fuchs lief der Füchsin nach und der Has der Häsin. Und wie die Sterne so zierlich leuchteten und der breite Bauernmond über den Fuxloher Heustadeln hing, stieg der Dullhäubel auf halsbrecherischen Waldsteigen übers Gebirg hinüber ins Bayernland der Einöd Kaltenherberg zu. Der Lugausbauer dort hatte eine mächtige Tochter. Das Gehöft lag schon finster. Der Dullhäubel klopfte an. Drin meldete sich der alte Lugaus. Er trat ans Fenster und spähte in die weiße Nacht heraus. »Bist du der Bauer?« fragte der Dullhäubel. »Der bin ich.« »Tu auf! Heiraten möcht ich. Deine Tochter möcht ich.« »Hoho, wer bist denn du? Der Lugaus gibt sein Mensch nit dem ersten besten, der in der Nacht daher reitet. Wir Bauern auf der Einöd sind dumm, aber zum Narren haltet uns keiner.« »Dem Mußmüllner aus Fuxloh sein Bub bin ich. Hast du noch nie nix gehört von der Mußmühl?« »Ei freilich! Komm nur herein! Bist herzlich gern gesehen.« Der Alte riegelte die Tür auf, dann stieg er im Vorhaus die Stiege ein paar Staffeln hinauf und rief in die Bodenluke hinein: »Ogath, heb dich! Heb dich schleunig! Der Mußmüllnerbub ist da. Schlupf in den Kittel! Leg an dein seidenes Gewand!« Der Dullhäubel setzte sich auf eine mit Rosenstöcken reichlich bemalte Truhe und ließ die Füße baumeln. Die alte Bäurin gab ihm die Hand und kicherte und nickte unablässig. Der Lugaus brannte einen Span an und steckte ihn in den Leuchter am Ofen, hernach ließ er sich am Tisch nieder und schmunzelte übers ganze stoppelige, faltige Gesicht. »Gesehen hab ich dich noch nit, Müllnerbub,« sagte er. »Ich bin nur ein einziges Mal drüben gewesen in Fuxloh. Der Weg her ist gar wild, voller Steinfelsen und Gewurz. Dazumal bin ich mit dem Leiterwagen herübergefahren von Fuxloh. Den Weg hab ich dersider verschworen und verredet. Wie ich die Ochsen so antreib, verlier ich zuerst die Leitern, hernach das linke Hinterrad, hernach das rechte, hernach das linke Vorderrad, hernach das rechte, schließlich den Hinterwagen, und wie ich daheim war, waren nur mehr die Ochsen da mit der Deichsel.« Die Ogath trat herein, eine starke, große Dirne. Über Achsel und Brust hing ihr ein haselbrauner Zopf; ein ganz kleines, feines Bärtlein wuchs ihr über der Lippe, es stand ihr gar nicht schlecht. »Da setz dich zu ihm hin,« sagte der Lugaus. »Heiraten sollst du!« Halb schläfrig, halb verschämt ließ sie sich auf die Truhe nieder und schmiegte sich an den Dullhäubel. Die alte Schwieger nickte und kicherte. »Die Ogath ist für dich, Müllnerbub, die kriegst du,« fing der Lugaus wieder an. »Schau sie nur an, wie sie gestellt ist! Wie hochbrüstig sie ist! Ja, meine Menscher haben Schmalz. Drei hab ich schon ausgeheiratet, leicht hab ich sie angebracht. Die Ogath ist jetzt die letzte.« »Schön ist sie wie ein Nägleinstock,« kicherte die Lugausin. Der Bursch tat den Arm um das volle, noch von Bett und Schlaf warme Weib, und sie schielte heimlich zu ihm hinüber. »So red ihm doch schön zu, Ogath!« drängte die Alte. »Bist denn du eine Stummin?« »Nach Fuxloh geb ich das Mensch gern, Fuxloh ist ein schönes Ort,« sagte der Lugaus. Die Junge erwiderte mit tiefer, lachender Stimme: »Herzlich gern geh ich fort aus der Einöd.« Der Dullhäubel gab ihr recht. »Eure Einöd gilt bei uns nit viel. Der Isidor Dullhäubel, Gott schenk ihm das ewige Licht, hat gespottet, bei euch täten sie den Mittag mit dem Kleiensack ausläuten.« »Der Dullhäubel hätt über seinen kupfernen Kumpf spotten sollen!« fuhr der Alte auf. »Wie man hört, hat den Hof jetzt wieder genau so ein Spitzbub wie alle seine Vorfahrer.« »Ich bin aber der Mußmüllnerbub,« redete der Dullhäubel flugs darein. »Ein Müllner ist mir recht. Den nimmst du, Ogath! In einer Mühl staubt es das ganze Jahr ein kleines Geld und ein großes auch. Freilich« -- dabei kniff der Lugaus listig ein Auge zu -- »Diebe sind die Müllner alle.« Die Schwieger rieb sich die hageren Hände, sie huschte emsig hin und her, zupfte an der Ogath ihren Kittel, brachte dann einen Laib Brot und nötigte den Hochzeitswerber zum Tisch. »Du kommst in eine gute Freundschaft, Müllner,« sprach der Einöder. »Mein Bub ist auch recht, der ist ein Herrgottelschnitzer in Straubing. Den Kopf hat er von mir, die Füße sind wie Stangen, und einen Hund hat er auch.« »Sei nit so verstockt, Ogath! Red mit ihm!« riet die Alte. Und die Dirne sprach: »Rot solltest du nit sein, Müllner! Ein roter Bart steht selten auf einem guten Ort. Aber für sein Auswendiges kann der Mensch nix. Sonst gefallst du mir.« Der Lugaus und die Lugausin zischelten eifrig aufeinander ein und winkten und lächelten sich zu. Die zwei Leute glichen sich sehr, die breiten, runzlichen Stirnen, die kleinen, wackelnden Kinne, die langen Nasen, dünnen Lippen und gutmütigen Augen ähnelten einander derart, daß man nicht gewußt hätte, wer der Bauer und wer die Bäurin sei, wenn er nicht die Hosen und sie nicht den Kittel angehabt hätte. »Lugaus, wie hast du denn dein Weib kennen gelernt?« fragte der Dullhäubel lustig. »Ich bin zum Häusel hinein, und sie zum Häusel heraus, da haben wir uns begegnet,« lachte der Alte. »Und zwischen Sommer und Winter ist es gewesen: wie ich zu ihr gangen bin, ist die Welt grün gewesen, und wie ich von ihr heim bin, hat es geschneit, alles in einer Nacht.« »Und was ist es mit dem Heiratsgut, Bauer?« »Ich laß mich nit lumpen. Einen Strumpf voller Silber kriegt meine Tochter mit, zwei Küh und eine funkelneue Bettstatt. Und ein schönes Spinnrad laß ich ihr drechseln.« »Sie taugt überall hin, die Ogath,« eiferte die Alte, »in jeder Kuchel kann sie stehen. Sie kann zwei Brühen kochen, eine süß, die andre sauer. Und gerichtet ist sie auch gut, sie hat zwei Schürzen, eine schwarztibetene und eine rottibene.« »Bauer, Bäurin, das alles müßt ihr mir verschreiben,« begehrte der Dullhäubel. »Du sollst es schriftlich haben. Gleich setzen wir miteinander den Heiratsbrief auf. Bäurin, bring Tinte, Feder und Papier, daß wir die Sach in Gang und Schwang bringen.« Die Alte stellte ein Fläschlein rußiges Wasser hin. Aber weil sie die Gänse im Stall nicht aufstören wollte, gebrach es an einer Feder, und Papier fand sie nicht vor. Da wandte der Lugaus die Tischplatte um. »Das ist jetzt das Papier.« Er reichte dem Dullhäubel einem Halm Kümmelstroh. »Da tauch ein, Müllner, in die Tinte und schreib! Ich und mein Weib sind keine Schriftgelehrten, zu unserer Zeit ist weit und breit keine Schul gewesen.« Der Alte schaffte jetzt an, und der Dullhäubel kratzte emsig mit dem Stroh seine hagebuchenen Buchstaben auf den Tisch. »Schreib hin, Müllner! ›Und die Ogath kriegt tausend Taler mit und einen Kammerwagen voll Zeug und unsere Küh Köpfel und Prinzel. Der Name des Herrn sein gelobt!‹« Hernach setzte der Lugaus drei Kreuze unter den Heiratsbrief und drehte die Tischplatte wieder auf die alte Seite, daß die Schrift nicht verwischt werde. »Jetzt knie dich nieder, Ogath, daß ich dir den väterlichen Segen geb!« Sie zierte sich ein wenig, dann fiel sie polternd auf ihre starken Kniescheiben hin, die Bäurin schneuzte sich in den Unterkittel, der Lugaus breitete wie ein Pfarrer über sie die Hände aus und sagte: »Sei froh, Ogath, daß du keine alte Jungfer wirst, du brauchst nach dem Tod nit im Moos die Kiebitze hüten!« »Hör zu, Schwäher! Die zwei Küh tät ich mir gern anschauen,« bat der Dullhäubel. Der Lugaus leuchtete mit dem Span in den Stall, wo das Vieh lag und atmete. Mit gekrümmtem Fuß trieb er die verbrieften Kühe auf. Sie schauten sich mürrisch um und zogen das Maul scheel. »He, Köpfel, auf, du mußt nach Fuxloh! Prinzel, du auch. Fuxloh ist ein schönes Ort. Du kannst sie dir gleich mitnehmen, Müllner, die Küh.« »Heut ist der Weg zu finster, Schwäher. Aber wann soll uns der Pfarrer zusamm binden?« »Meinetwegen heut noch,« kicherte der Lugaus. »Schwäher, ich hätt der Ogath noch was heimlich zu sagen.« Der Alte blinzelte schelmisch: »Geh nur zu mit ihr, Müllner, und sag ihr es deutlich!« Da ging der Dullhäubel mit der Ogath aus dem Gehöft in den Wald hinein. Ein mondsüchtiges Füchslein gellte, lau strich die Luft durch die Stämme, und Nacht und Himmel waren spiegelheiter. Mit seinen läppischen Händen tappte er nach ihr. »Laß mich aus!« schalt sie und entrang sich ihm. Als er sie dennoch mit zangenden Fingern packte, kerbte sie ihm die Nägel ins Gesicht. Er ließ murrend ab. »Stutzig und trutzig bist du wie eine Kranwitstaude!« »Du kannst mich einmal genug anrühren,« tröstete sie, »heut wär es noch zu früh. Aber jetzt geh ich mit dir, ich will die Mühl rauschen hören, wo ich einmal die Müllnerin bin.« Dem Dullhäubel schoß das Blut bis zum Schopf hinauf. Da hatte er sich eine saubere Suppe eingebrockt! Wie die Dirne so ruhig und fest wie ein Felsen vor ihm stand! Die gibt nimmer nach. »Ich kann dich nit mitnehmen,« stotterte er. »Es paßt sich nit. Was täten die Leut dazu sagen?« »Die Leut sollen reden! In drei Wochen sind wir Mann und Weib.« Sie faßte mit festem Griff seine Hand und schlug mit ihm den Weg über die Grenze ein. Es war still worden, der Fuchs klagte nimmer. Der Mond stand im Vollschein. »Bist du allweil so einsilbig?« fragte sie. »Ich red oft ein ganzes Jahr nit,« stieß er heraus. Er stolperte unwirsch dahin und dachte, wie er sie vertreiben und die Gefahr abwenden könnte, die gäh wie ein Waldgewitter über ihn aufdrohte. Im dicksten Tann blieb er plötzlich stehen und schaute sich ratlos um. »Jetzt haben wir uns vergangen. Ich weiß keinen Weg.« Sie lachte. »Wir steigen ins Tal. Drunten in den Schluchten hebt der Bach an, der leitet uns gewiß zu deiner Mühl.« Sie zog ihn den Waldsteig hinab; es war, sie rieche den rechten Weg. Dem Dullhäubel ward unheimlich. Wenn der Gid den Streich erfährt, dann weh! Der Kasper Dullhäubel nahm sich vor, sich närrisch zu stellen, daß er die felsenfeste Braut verscheuche. Droben am Ast schrie ein Schuhu. Der Bursch hielt an und zischte hastig: »Horch, wie schön der Vigelvogel pfeift!« »Du spassiger Bub du!« sagte sie ruhig. Er langte nach einem Ast und wollte sich daran hinauf schwingen. Sie hielt ihn zurück. »Willst du hinauf, deinem Vigelvogel singen helfen?« »Ich bin gefährlich«, knurrte er. »Der Mond zieht mich alle Nacht in die Höh. Gestern bin ich aufgewacht, wie der Mond schwarz worden ist, da bin ich in Blaustauden auf dem Turmknopf gesessen.« »Der Mond nimmt mir dich nit, mein Müllner. Zieht er dich an, so häng ich mich dran. Und ich bin gewichtig.« »Ich bin gefährlich,« murmelte er. »Ich hab schon mehr als einen umgebracht.« »Das glaub ich nit,« sprach sie. Er stierte sie finster an, lange, lange, bis ihr schauerlich zu Mut wurde. Er fing auf einmal ohne Ursache grausig zu lachen an und sang unverständliches Zeug: »Schön knieweit, schön dachslet, unten lauter Leut, oben wie eine Tirolerin!« »Müllnersbub, ist dir das Rädel laufend worden?« rief die Ogath erschrocken. »Weh, weh, weh! Das Mühlrad dreht sich mir im Kopf!« flüsterte er, duckte sich und schlug einen Purzelbaum. »Du hast ein Fieber, Bub.« »Die Liebe zerwirrt mich, Dirn.« Er jauchzte hellauf, kniete dann vor eine Rotkröpfelstaude hin und betete ein Vaterunser. Sie riß ihn stark in die Höhe. »Entweder bist du unrichtig im Hirn, oder feindet dich der höllische Geist an,« sagte sie. »Jetzt darf ich dich nit verlassen, ich muß dich in die Mühl bringen und deinen Leuten übergeben.« Der Dullhäubel verzweifelte an seinem Glück, dumm und stumm ließ er sich führen, und sie redete ihm tröstlich zu und betete still vor sich hin, Gott möge seinen Verstand wieder hell werden lassen. Je näher sie Fuxloh kamen, desto glühender ward dem Schelm der Weg unter den Fersen. Er mußte die Ogath verscheuchen, sonst fiel ein Berg von Unheil und Spott über ihn. Er schluchzte auf einmal kläglich auf. »Ogath, ich verdien dich gar nit. Kehr um, kehr um beizeiten! Ich könnt dein Unglück sein.« »Ja warum denn?« »O die Leut reden schlecht von mir! Aber es ist alles, alles nit wahr. Die Ehr schneiden sie mir ab ellenlang. O die Welt ist grundverdorben!« »Gar so schlimm werden sie dir doch nit nachreden, Bub. Und ein wenig verzeih ich dir schon.« »Ich schäm mich soviel,« plärrte er, und die Tränen rollten ihm übers Gesicht. »Die Leut sagen, daß ich -- daß ich -- schwanger bin.« Er riß blitzschnell das Messer heraus, stieß es in eine Fichte, hängte den Hut daran und sprang in hohen Sätzen davon. Ihr war um das schöne blaue Hütlein und um das blanke Messer leid, sie raffte die Sachen an sich und rannte ihm nach, und weil sie gar flink auf ihren rüstigen Beinen war, holte sie ihn ein, als er keuchend bei der Blaumantelkapelle rastete und bei dem Heiligen Hilfe zu suchen schien wie ein gehetzter Hirsch beim Einsiedel. »Bub, Bub,« beschwor sie ihn, »wenn du so arg heuchelst, soll dich der Herrgott strafen. Schwör mir bei dem Heiligen da, daß du mich nit narrst. Der Heilige hat das Maul offen, steck die Hand hinein. Wenn du falsch schwörst, beißt er sie dir ab.« Aber der Dullhäubel entriß ihr das Messer und fuchtelte damit irrsinnig im Wind herum. Taub gegen ihren Jammer, kniete er am Weg hin zu einem dürren Kuhfladen, zerschnitt ihn und reichte ihr schluchzend die Hälfte. »Ogath, nimm es an und trag es um den Hals zum Andenken!« »Mein Herr und mein Gott!« rief sie aus und kehrte traurig um. Denn da war nimmer zu helfen. -- Daheim drehte sie die Tischplatte um, zu sehen, was der Bräutigam geschrieben hatte. Anstatt des Heiratsbriefes las sie einen Reim. Drunt im wilden Moos liegt ein totes Roß, vorn und hint offen, ist der Schwäher draus gschloffen. Die Ogath rieb den Schandspruch mit einer Bürste ab. In ihrem Hirn blieb er brennen. Sie schluckte den Zorn hinunter und schwieg Vater und Mutter gegenüber. Doch den falschen Buben wollte sie heimsuchen und ihm ein schweres Donnerwetter anheben. * * * * * Am Aller-Wetter-Herrentag ging die Ogath übers Gebirg nach Fuxloh, wo sie sich den Weg zur Mußmühle weisen ließ. Dort vor der Tür auf einem eingegrabenen Mühlstein stand der Gid und zündete sich die Pfeife an. Zuerst rieb er das blauköpfige Zündholz hinten am Sitzfleck, hernach am Knie und an der Schuhsohle, schließlich spreizte er die Beine, bückte sich zu dem Mühlsteinpflaster und streifte daran, und als auch das kein Feuer gab, schleuderte er fluchend das Hölzlein weg. Da stand die Ogath vor ihm. »Das Glöckel läutet, Mühlbursch. Schütt Korn zu, statt daß du da so langweilig spielst.« Der Gid staunte die starke fremde Dirne an, dann meinte er spöttisch: »Hoho, da kommt eine daher gelaufen und will mir was schaffen.« Sie antwortete stolz: »Ich reit nit auf der Geiß daher. Ich weiß, wer ich bin und was ich hab, und ich weiß, wem ich angehör.« Der junge Müller lachte. »Du kannst die Kaiserin selber sein, mir hast du nix zu sagen. In der Mußmühl bin allweil ich der Herr.« Da fühlte die Ogath einen brennenden Stich im Herzen und merkte, daß sie von dem bösen Nachtbuben zwiefach betrogen worden war. Aber sie ließ die Zähren, die ihr die Augen schwimmen machten, nicht übers Ufer treten, und weil sie sich einmal die Mühle in den Kopf gesetzt hatte und ihr der staubige, finsteräugige Bursch auf dem Mühlstein besser gefiel als der fuchsbärtige Freier, und weil sie es daheim in der Einöd nimmer freute, so wollte sie versuchen, ob sie da in dem brausenden Haus ihr Bleiben könnte haben. Und das Blut schlug ihr auf einmal so hart in der Ader, als sie sagte: »Wenn du der Müllner bist, so frag ich dich, ob dein Weib keine Dirn braucht?« »Ich bin ledig,« antwortete er, »aber die Mutter hätt eine Hilf not, sie ist nit gesund.« Sie trat näher. »So ding mich auf. Stark bin ich. Da greif mir den Arm an. Deine Mehlsäck heb ich leicht.« Und jäh umschlang sie den jungen Müller bei den Knieen, und ehe er sich ihrer erwehren konnte, hob sie ihn in die Höhe. Als er verwirrt und schier taumelnd wieder Boden faßte, stammelte er: »Du hebst einen Mühlstein. Du hast Kraft wie ein stürzendes Wasser. Du bist zu brauchen.« Er dingte sie auf, und sie half ihm in der Mühle, rannte die bestäubten Stiegen auf und ab, goß das Korn in den Trichter und warf sich spielend die Mehlsäcke über die Schulter, als wären sie mit Federn gefüllt. Sie lernte die Schleusen öffnen und die Mühlsteine schärfen mit dem Kieshammer und die Pfannen der Räder schmieren und besorgte das Vieh im Stall und den Mittag am Tisch und die gichtische Müllerin im Bett. So gewann sie bald das Herz der Alten, und die schwarzen Augen des Gid flogen ihren schnellen und kräftigen Bewegungen allzeit nach. Einmal abends saßen sie beisammen. Der Alte hatte die Stirn gerunzelt, er starrte in die Milchsuppe wie in einen Spiegel und vergaß zu essen. »Die Suppe kühlt dir aus,« mahnte die Müllerin. »Ärger dich nit über das, was nit zu ändern ist!« Der Alte drehte die trübe Stirn der Ogath zu. »Ja, Ogath, vormals hat es eine schöne Gerechtigkeit für uns gegeben: meine Vorfahrer haben von jedem Sack Getreid einen Zins einheben dürfen, und wenn ihn auch die Fuxloher in der Kuckucksmühl, in der Grillenmühl oder in der Samstagmühl haben mahlen lassen.« »Heut sind die guten Gesetze abgeschafft,« tadelte der Gid. »Alle Ordnung ist zerfallen. Das wurmt mich.« Die Ogath redete wie ein tröstlicher Geist. »Männer, den Stein, den man nit heben kann, laßt man liegen. Die Mußmühl wirft genug Geld ab und hat genug zu mahlen; sie könnt sich noch einmal so geschwind drehen, die Arbeit tät nit abreißen.« »Es ist nit das allein, was mich betrübt,« raunte der Alte. »Aber jetzt rührt sich der Mühlteufel wieder. Bei jeder vierten Brut meldet er sich. Zuletzt ist er bei meinem Ähnel gewesen, -- jetzt kommt er zu dir, Gid.« Die Gichtische erhob sich ängstlich im Bett. »Hast du ihn gehört?« »Jeden Samstag hör ich ihn, Weib, da plätschert er im Wasser unterm Mühlrad.« »Du irrst dich, Vater,« sprach der Gid. »Es rauscht und saust nur der Bach so seltsam.« »Ich hör ihn schon seit drei Samstagen,« beharrte der Alte. Die Angst schüttelte die Bettlägrige wie ein Frost. »Hast du ihm am letzten Nikolaitag was zu essen in die Radstube hinunter geschüttet?« »Das hab ich besorgt, Weib. Und einen Filzhut hab ich ihm auch hinunter geworfen, daß er sich ihn auf das grüne Haar setzt und uns den Frieden laßt fürs ganze Jahr. Und jetzt ist er trotzdem da.« »Wie schaut er denn aus?« lächelte die Ogath. »Zwischen den Fingern hat er Häute wie ein Fischotter, und im Wasser wird er nit naß. Im Wasser ist er stark wie neun Rösser, man kann ihn nit überwinden; am Land ist er nit kräftiger als neun Fliegen. Wie der Ähnel noch auf der Mühl gewesen ist, hat der Wassermann häufig in der Nacht geklagt wie eine Seel, die die Seligkeit nit findet.« »Ich leid ihn nit im Haus,« grollte der Gid, »ich richt ihm die Otterfalle auf.« -- Von jetzt an blieb es in den Samstagnächten immer still unter dem Mühlrad, wie atemlos auch die zwei Müller hinunterlosten. Doch einmal, als der Gid den Vater aus dem Haus und die Ogath bei der siechen Mutter wußte, da hörte er es durch das Brausen des Mühlrades seltsam planschen und rauschen. Der junge Mensch lauschte fieberisch. Badet wirklich einer drunten mit schilfgrünem Schopf und spitzem Gebiß und langen Krallen? Zählt er die Seelen der Ertrunkenen, die er unter gläsernen Töpfen drunten gefangen hält? Den Gid übermannte es, mit dem Unhold, der ihm die Werkstatt unheimlich machte, auf Leben und Sterben zu raufen. Wild riß er die Tür zur Radstube auf. In der schäumenden Traufe des Mühlrades, in wirbelnden, stoßenden Wassern, im Dämmer sah er es schneeweiß leuchten, er hörte einen weichen, entsetzten Schrei und stürzte sich hinab ins Wasser und hielt den wunderkühlen, starken Leib seiner Magd Ogath in den Armen. * * * * * Ehe der Mond sich wieder füllte, hielten die zwei Hochzeit. Die ganze Freundschaft von Fuxloh und Grillenöd und jenhalb des Gebirges rückte an, die Männer mit Myrtensträußen in den schwarzen Röcklein, die Bäurinnen schwarzseiden vom Kopftuch bis zum Kittel, die Jungfern schillernd in braunen und rötlichen Kleidern. Der Hochzeitslader jauchzte und wünschte dem Bräutigam einen Stall voller Ochsen und viel Körner im Kasten und einen Beutel voller Geld, der schickt sich in die Welt. Der Braut herentgegen wünschte er den Stall voller Kühe, davon eine mehr Milch gibt als dem Nachbarn seine neun Stiere, und wünschte ihr in sechs Jahren sieben Kinder und zuletzt einen rotschädligen Buben. Da wies der Gid in die Weite: »Dort kommt endlich der Brautführer daher, und der ist mein bester Freund, der Kasper Dullhäubel.« Die Ogath war nicht wenig verdutzt, als sie den falschen Burschen daher schlendern sah, der in der Nacht um sie gefreit. Er hatte sich zwar den roten Schnurrbart weggeschabt, doch sie erkannte ihn an dem großen, runden Kopf und den winzigen Zwinkeraugen gleich wieder. Sie tat aber, als wäre er ihr fremd. Der Dullhäubel hatte sich mit Maschen und Sträußlein fein herausgeputzt, sein Brustfleck war mit doppelt aufgereihten Silberzwanzigern verknöpfelt, und an der geschmiedeten Silberkette klingelte ein silbernes Rössel und ein halbes Dutzend Frauentaler. Und als die Brautschar gen Blaustauden ging und die Bauern jauchzend die runden Hütlein schwangen, da warf der Dullhäubel seinen Hut am höchsten und er schnackelte mit den Fingern und schnalzte mit der Zunge, und keiner tat es ihm gleich. Über den Wald herauf winkte der Turm mit dem Schindeldach, der Wildtauber ruchzte im Tann, gelbe Schnäbel schwätzten, das Laub spielte, Blumen liebäugelten auf der Wiese. In ihren knisternden Schuhen trat die Braut stolz daher, ihr lichtgrauer Seidenrock hatte tausend Falten und stand über die vielen Unterkittel also breit gesträubt, daß sie kaum zur Kirchtür hinein konnte. Im Haar saß ihr ein künstlicher Myrtenkranz, der vorn über der stattlichen, ernsten Stirn wie eine Krone geflochten war und, sich über dem Scheitel teilend, weit über den Nacken herabhing. Mitten durch die in langhalsiger Neugier erstarrten Blaustaudner führte der Dullhäubel die Braut zum Altar, und er konnte es sich nicht versagen und wisperte ihr zu: »He, tragst du den Kranz mit Recht?« Sie sah ihm groß in die fuchsschiefen Augen und antwortete: »O du hundsschlechter Kerl!« »Du hast mich also nit vergessen, Ogath. Schau, das freut mich.« »Verschwunden bist du wie der Teufel, wenn man ihn mit Weihwasser abspritzt,« murmelte sie zornig und kehrte sich ab. Er zog sein Rubinglas aus dem Sack und tröstete sich mit brasilianischem Tabak. »Pfui Teufel,« sagte sie laut, »jetzt hab ich einen schnupfenden Brautführer!« Er schaute scheinheilig zur Orgel hinauf. »Ich freue mich schon auf die schöne Musik,« flüsterte er. »Du wirst schauen, Ogath, wie zärtlich unser Schulmeister orgelt. Das Wasser wird dir in die Augen schießen.« Der Pfarrer Nonatus Hurneyßl schritt zum Altar und gab die Brautleute zusammen. Es war ein Paar, wie es die Blaustaudner Kirche noch nie überwölbt hatte, der starke, finsterschauende Mann Gid und die große, schöne und stille Ogath. Doch als der Orgler das Brautamt begann, hub ein derart wüster Mißklang an, daß die Leute erschraken, der Schulmeister mußte einhalten, er sprang wie besessen von der Orgelbank und fluchte, der Balgentreter horchte in die Windkammer hinein, ob nicht der Leibhafte drin knotze, und endlich kamen die Musikanten dahinter, daß ein verwogener Schelm in der Nacht vorher die Orgelpfeifen unter einander vertauscht hatte. * * * * * Das Hochzeitsmahl war im »pfalzenden Hahn« gerüstet. Die Ogath saß schweigsam und blaß zwischen dem Gid und der Igelbäurin, die als erfahrene Brautmutter sorgte, daß die alten Bräuche geübt wurden. Auf den Tellern dampfte Rindssuppe und Kuttelfleck und Bäuschel; mit Zuckersachen besteckter Reis ward aufgetragen und Kaffee in ansehnlichen, bunten Töpfen und dazu Gugelhupf und leckerer Kuchen. Die Gäste packten sich Schweinsbraten und fette Würste in Bündel zum Heimtragen ein. Als die Ehstandsbrühe, drinnen Rindfleisch schwamm, auf den langen Tisch gesetzt wurde, sagte die Brautmutter mit bedächtiger Würde zu den Brautleuten: »Nit süß und nit sauer, gerade recht, so wie der Ehstand ist.« Der Dullhäubel spießte einen Knödel auf, biß hinein und sprach kauend über den Tisch hinüber zur Ogath: »Ob du schon weißt, warum bei eurer Mühl keine Scheuer ist?« Sie merkte, wie sich ihres Mannes Stirn verfinsterte, und wich der Frage aus: »Ich weiß nix und will nix wissen.« Der Dullhäubel aber kröpfte den Knödel hinunter und erzählte: »Da ist in der Mühl einmal der Korbflicker auf der Stör, und die Müllnerin stellt ihm eine Eierbrüh hin mit Knödeln. Der Mann will mit dem Löffel einen Knödel auseinander zwingen, aber es geht nit. Jetzt setzt er gewaltig an. Der Knödel weicht ab, haut das Fenster durch, doppelt durch, springt draußen an einen Stein, daß das Licht davon fliegt, schlagt an die Scheuer, die Scheuer fallt um. Da hat der Korbflicker drein geschaut!« Der Gid reckte sich und zückte die Gabel. »Kasper, du willst mich heut an meinem Ehrentag spotten?!« Die Ogath zog ihn auf die Bank zurück. »Du sollst doch einen Spaß verstehen, Gid!« Der junge Müller stocherte wütend ins Kraut hinein. Der Dullhäubel grinste. »Selbigesmal, wie die Müllnerin, die die steinernen Knödel hat kochen können, geheiratet hat, da ist es weit gemütlicher gewesen als heut. Damals haben sie so kräftig getanzt, daß der Fußboden durchgebrochen ist, und allsamt sind sie in den Stall hinuntergepurzelt. Die Braut ist zwiespältig auf den Stier zu sitzen kommen.« Der Gid schlug auf den Tisch, daß die Ehstandsbrühe aushüpfte. »Du lügst mehr, als ein roter Hund rennen kann, Kasper.« Der alte Müller beugte sich zum Dullhäubel hin. »Du plauderst allerhand Dummes über unsere Mühl, du Springinges mit deinem gelben Schnabel, und ist doch die Mußmühl weitaus die fürnehmste Mühl gewesen. Die Fuxloher Bauern haben bei uns mahlen müssen. Das Recht hab ich noch schriftlich daheim, du kannst es lesen. Die alten Fürsten haben ihren Namen drunter gesetzt. Heut haltet sich keiner mehr darnach, es ist eine untreue Zeit. Jeder fahrt mit seinem Malter, wohin er will. Der Mühlzwang hätt nit abgeschafft werden sollen. Das ist nit recht.« Der Gid ward rot wie ein Feuer. »Die alte Pflicht muß wieder aufkommen,« sagte er heiser. »Ich leid es nit anders. Allsamt wie ihr da sitzt, Fuxloher, müßt ihr das Korn bei mir aufschütten. Ich setz es durch.« »Meinem Vater haben sie das Recht abgezwungen,« rief der Alte, »ins fürstliche Schloß haben sie ihn geladen und haben ihn dort so lange gehaut, bis er zu allem Ja und Amen gesagt hat. Jetzt gehen viele Gaukelmühlen an unserem Bach, hat aber kein Müller ein rechtes Geschäft und keiner recht zu fressen.« »Das riegelt mir die Galle,« schrie der Gid. »Am Papier haben wir es schwarz auf weiß, der Fürst hat es bestätigt. Und was geschrieben ist, bleibt geschrieben. Ganz Fuxloh muß in die Mußmühl!« »Ich nit,« trotzte der Dullhäubel. Mit einem Blick wie ein Stichmesser tappte der Gid über den Tisch, und der alte Müller hielt den Dullhäubel schon an der Gurgel. Im rechten Augenblick noch fuhr der Meßner Grazian darein, die schneidende Stimme erhob er: »Lasset uns ein andächtiges Vaterunser beten für die verstorbene Freundschaft des Bräutigams und der Braut!« Da verstummte die Zwietracht, und alle Stimmen vermischten sich in einem eintönigen Gebet für die verschollenen Seelen der Vorfahren. Hernach spielten die Musikanten hellauf, daß in allen das Waldblut zu zucken und zu springen anhub, und der Hochzeitslader schrie: »Das Brautpaar soll vivat leben!« Der Dullhäubel trat vor die Igelbäurin hin und begehrte als Brautführer von ihr als sein Recht den ersten Tanz mit der Braut. Die Brautmutter richtete sich hoch auf. »Erst bring mir eine Kerze, die Tag und Nacht brennt!« Jauchzend schwang sich der Dullhäubel zum Fenster in den Garten hinaus, rannte um den Zaun herum und kam mit einer Brennessel wieder, und die steckte er der Iglin in das Bierglas. »Brenn dich nit an der Kerze, Brautmutter. Und jetzt laß mich mit ihr landlerisch tanzen!« »Brautweiser, erst bring mir sechs Lichter, ein jedes muß anders brennen.« Der Dullhäubel verschwand in der Kuchel und trug nach kurzer Weile ein Brett daher, darauf glühten sechs kleine Stengelgläser mit Kirschgeist und Kümmel und anderen roten, gelben und lichten Schnäpsen. »Kostet den goldnen, Brautmutter!« lockte er und bot ihr ein Stämplein dar, »das ist ein süßer Trunk, wie ihn die Weiber gern mögen. Du bist ja genäschig wie eine Geiß.« Die Iglin zierte sich ein wenig, griff dann schämig nach dem gelben Schnaps, spitzte den Mund und kostete lächelnd. Im Hui ward ihr Gesicht sauer, und es schüttelte sie am ganzen Leib. »Der Spitzbub hat mir einen Essig gegeben,« schalt sie. Hernach begehrte sie: »Eh ich dich tanzen laß mit der Jungfer Braut, zeig mir ein Bett, drin neun Jungfern schlafen, keine in der Mitte, keine am End!« Der Dullhäubel kratzte sich hinterm Ohr und meinte, das errate der Kuckuck. Aber er stieg auf den Dachboden und brachte ein Spinnrad daher und drehte es, daß die neun Speichen lustig wirbelten. »Du kannst gut raten,« lobte die Iglin. »Jetzt trag mir noch einen lebendigen Braten auf!« Während der Dullhäubel den Braten holte, kroch der Lukas Schellnober, der bei der Musik den Baß blies und als der stärkste Mann in der Gegend galt, unbemerkt unter den Tisch und packte die Ogath beim Fuß. Sie kreischte und strampelte, und die Brautmutter half ihr und raufte den Mann unbarmherzig bei den Haaren, und schließlich gab ihm die Braut selber einen Schlag auf die Wange, daß es wie ein Schuß knallte. Doch der Riese zog ihr, unbekümmert um alles, was da über ihn niederging, den Schuh aus, kroch schnaufend unter dem Tisch herfür und trottete zur Tür hinaus. Als er wiederkam, stellte er den Schuh mit Nelken und Rosen und Stiefmütterlein gefüllt vor die Braut hin. »Wirt, gib dem Grobian einen Krug Wein!« befahl die Iglin. »Den Fuß hätt er ihr schier ausgerissen.« Der Schuhräuber setzte sich auf ein Faß. »Die Ogath hat Kraft,« staunte er, »die hat mir einen feinen Hieb gegeben. Einen Hieb, den Gemeindestier schlaget er nieder. Einen Hieb, als wenn das Wetter einschlaget.« Vor lauter Freude an dieser Kraft vergaß er den Schmerz, der ihm im Schädel summte. Der Dullhäubel stellte derweil eine verdeckte Schüssel auf den Tisch. »So, da wär der lebendige Braten.« Er hob den Deckel, und eine Maus schlüpfte heraus, die hatte eine blaue Masche um den Hals. Die Weiber kreischten, rafften die Kittel zusammen und stiegen auf die Stühle und Bänke. Verwirrt jagte das Tierlein auf dem Tisch hin und her, warf die Stengelgläser um, daß es ein feines Geklingel gab, und wagte endlich den Sprung auf den Fußboden. Die Iglin wurde jetzt feierlich. »Brautweiser, jetzt bau der Braut eine silberne Brücke und nimm sie zum Tanz!« Der Dullhäubel holte einen Geldstrumpf und legte zwei Reihen Silbergulden von einem Tischeck zum andern, und die Ogath trat zaghaft darauf und schwankte den silbernen Steig dahin und sank hinab in die Arme des Dullhäubel, die Spielleute setzten an, und die zwei tanzten so wild, daß der lange lose Myrtenkranz vom Haar der Braut weithin wehte. Draußen vorm Wirtshaus saß die alte Ulla auf einem Stein. »Sie werden doch drin nit auf mich vergessen,« raunte sie. Eine Hand schob sich zur Tür heraus und warf ihr einen Kuchen in den Schoß. Sie lächelte. »Mir ist es ganz ein Ding, ob ich ein schwarzes Brot krieg oder ein weißes. Das weiße eß ich lieber, nur wegen der Farbe.« Drin am Tisch saß die Braut, der Ernst ihrer Stirn verging nicht, und kein Lächeln erhellte ihr Gesicht, wie arge Späße auch der Dullhäubel trieb. Am meisten zielte sein Übermut nach dem Bräutigam. »Zeig her, Gid, den Arm,« rief er, »ob dir das Haar dran bergan wachst!« »Warum bergan?« fragte der Gid mißtrauisch. »Weil ihr Müllner den andern Leuten in den Mehlsack greift.« »Du heißt mich also ins Gesicht einen Dieb?« brauste der junge Müller. Die Ogath beschwichtigte ihn. »Scher dich nit um solche Reden! Du brauchst viel Mehl, wenn du alle bösen Mäuler verkleiben wolltest.« »Ein jeder Sack raucht, wenn man drauf schlagt,« schrie der Gid. »Soll ich allein mir alles gefallen lassen?« Die Gäste murrten, daß der Dullhäubel Unfried stifte, und als dieser merkte, daß sich der Groll wie ein dumpfes Gewölk um ihn zusammen zog, da lenkte er ein und fing an, lustige Lügen zu erzählen über Leute, die nicht da waren, und unterhaltliche Lieder zu singen, darin er sich selbst ein Klämpflein anhängte, oder er streute sich Tabak auf die linke und die rechte Achsel, drehte den Kopf wie ein Wendehals darnach und schnupfte ihn mit der ausgiebigen Nase links und rechts weg. Ob solcher Schnacken söhnten sich die Gäste wieder mit ihm aus. »Man kann ihm nit feind sein, dem Faxenmacher,« lachten sie. Als der Gid und die Ogath hernach zum erstenmal in der Brautkammer lagen und die Mühle rastete, hörten die zwei die halbe Nacht draußen im Garten die Pumpe ächzen. Der Dullhäubel pumpte vor lauter Eifersucht den Brunnen aus. * * * * * Die Jahre verwichen. Der Dullhäubel wirtschaftete mit der Altbäurin und mit Knecht und Magd auf seinem Hof. Die Mutter zählte nicht mit, die schlief stehend und gehend ein. Er selber mühte sich auch nicht sonderlich, es behagte ihm viel mehr, den Fuxlohern allerhand Possen zu spielen, Land und Leute gen einander zu hetzen, auf den Wirtstisch fest aufzutrumpfen und ein Leben zu führen wie seine Vorfahrer. Immer mehr wandte sich der Blaumantel hinter seinem Gitter von der Welt ab, immer saurer sah er darein, wenn der Dullhäubel vorübertrollte, und schließlich bildete sich der Bauer ein, der Heilige wisse um all seine Schwänke und verrate sie vor Gottes Stuhl im Himmel. Drum besann er sich viel, wie er den unliebsamen Widersacher wegschaffen könnte. Einmal, am Simonjudastag, als das Kraut gehobelt und im Faß eingetreten war, schleppte er den Heiligen heimlich in den Keller, und stellte ihn statt eines Steines auf das Krautfaß, um es zu beschweren. »Jetzt bist du beschäftigt, du Müßiggänger,« spottete er. Doch seit der Hölzerne unterirdisch als Krautheiliger waltete, plagten den Dullhäubel bergschwere Träume und vergällten ihm den Schlaf. Ihm träumte, dem Blaumantel wüchsen Haar und Bart, und er, der Bauer, müsse ihn scheren und stutzen. Zunächst setzte er ihm einen Topf auf den Schädel, und was darunter an Haar hervorkringelte, schnitt er ab. Es war aber steif wie Eisendraht und kaum zu bewältigen. Hernach striegelte er ihn mit einem Igel, ein Kamm hätte den abscheulich verfilzten Schopf nicht durchrütten können. Er schnitt ihm den Bart vom Kinn und aus den Wangengruben und Nasenlöchern, schob ihm einen Löffel in das Maul, daß sich die Haut daran straffe, seifte und schäumte ihn ein und balbierte die Stoppeln mit einer Dachschindel. Der Bart aber wuchs augenblicklich wieder nach, und so wurde das Balbieren zu einer schrecklichen Mühe ohne Ende. Dabei glotzte der Blaumantel seinen Schaber höllisch an, und der Löffelstiel stand ihm gräßlich aus den grellroten Lefzen. Hundsmüd und zerknirscht fuhr der Dullhäubel aus dem Schlaf, an seinem Hemd war kein trockener Faden. Noch mehr quälte ein anderer Traum, der allnächtlich wiederkehrte. Der Heilige im Krautkeller wuchs, wuchs durchs Gewölb in die Schlafkammer des entsetzten Dullhäubel, wuchs durch den Boden zum Dach hinaus, daß die Balken sich bogen und die Schindeln flogen und das Haus wankte und schier stürzte. Nur die Kutte wuchs ihm nicht, und der Dullhäubel mußte ihm hinten und vorn Schürzen und Leintücher vorhängen von wegen der Schamhaftigkeit. Droben überm Dach zuckte und flammte der Heiligenschein und drohte, Wald und Korn zu zünden. Da preßte der Bauer einen Schrei aus der Brust, er schrie den Fuxlohern um Hilfe, aber alle Fuxloher Männer vermochten den verwilderten Blaumantel nicht zu überwinden, den sonst zwei zarte Jungfern stundenweit getragen auf der Wallfahrt nach Maria Dorn. Der Dullhäubel hörte aus diesen Träumen sein zerrissenes Gewissen schreien, und als ihn der Blaumantel einmal wieder wie eine Trud drückte, keuchte er aus dem Bett in den Keller hinab, stürzte den Quälgeist kopfüber in einen Buckelkorb und schleppte ihn zur Kapelle. Der Mond ging eben ab. Etwas Gespenstisches meckerte im finstern Moor. Ein Hund schrie Mord über ein blaues Irrlicht. Ein griesgrämiger Rabe hüstelte im Schlaf. Der im Buckelkorb schien sich zu rühren und ward immer schwerer und schwerer; der Dullhäubel meinte, Himmel und Erde müsse er tragen. Vielleicht war das Schnitzbild überhaupt kein Heiliger, vielleicht funkelte es hinter seinem Genick im Korb und war ein Bild des Gottseibeiuns selber, das sich ein Zauberer und Götzenknecht geschnitzt hatte in böser Absicht, und vielleicht springt der heidnische Kerl gar aus dem Korb und schleudert den Bauer selber hinein und schleppt ihn -- Gott verhüt es! -- zum höllischen Backofen. Dem Dullhäubel schnürte sich die Gurgel zu, sein Atem klemmte sich. Vor Angst betete er laut und untertänig, und er stellte seinen blauen Feind unter Bittreimen und Stoßseufzern wieder in die Nische. Nach diesem Nachtgang lebte er gottesfürchtig und eingezogen, und das um so lieber, als ihm die Fuxloher auflauerten, deren Heiligen er mißbraucht hatte. Auch nahm er sich fest vor, jeden Gottestag die Predigt zu hören und seinen Groschen zu opfern zur Ehre der Kirche und zum eigenen irdischen und himmlischen Vorteil. Doch der Teufel wacht und zieht dem bußfertigen Sünder gern eine Sperrkette über den Weg. Also geschah es auch dem Dullhäubel, als er sich wieder einmal dem Herrgott von Blaustauden zeigen und in aller Bescheidenheit ganz hinten am Kirchtor hatte lehnen wollen. Er stieg in die hirschledernen Hosen hinein, legte den Sonntagsrock an und steckte das rubinene Glas zu sich. Im Hof trat er noch einmal zum Saustall, den er sich ganz klein hatte zimmern lassen und redete durch das Futtertürlein dem Vieh gütlich zu: »Friß nur, Sau, daß du einen Leib aufnimmst! Oder hast du keine Ehr in dir?« Wie er jetzt so treuherzig und in der besten Absicht bergab trabte und der Wind über die Zäune strich und die Wiesen rauchten, sprang ihm ein hitziger Mensch in den Weg, packte wie ein Straßenräuber ihn beim Brustfleck und schrie: »Gerad will ich dich heimsuchen. Ich hab gehört, du verkaufst eine Sau.« »Meine Sau ist speckfeist. Ob ich sie dir geb, ist nit gewiß.« Und der Dullhäubel vergaß schnöd des Herrgotts und kehrte mit dem Fleischhacker schnurstracks um. Die Sau wog gering. Weil sie aber kläglich in den winzigen Stall gestellt war, so füllte sie ihn aus und erschien gar mächtig. »Um wieviel ist sie dir feil, Bauer?« »Um dreißig Gulden, Fleischhacker.« Der Sauhändler prallte erschrocken zurück, machte Augen wie Pflugräder und drohte, ins Knie zu fallen. »Dreißig Gulden?! Du bist närrisch worden, Kasper.« »Dreißig Gulden,« sagte der Bauer eintönig. »Was wiegt die Sau?« »Schätz sie ab, Luitel!« »Dreißig Pfund wiegt sie. Kein Lot mehr.« »Dreißig Pfund?! O du Raubersbub! Jetzt willst du mich betrügen, wo ich dir so weit entgegen kommen bin mit dem Preis? Dreißig Pfund wiegt eine ausgezogene Katz. Schau sie genau an, die Sau, sie geht schier nit in den Stall hinein. Dreimal so viel wiegt sie zum mindesten!« »Daß ich nit lach, Kasper! Neunzig Pfund hat sie nit einmal samt dem Saustall.« »Luitel, greif meine Ehr nit an!« drohte der Dullhäubel. Der Händler sparte nicht mit seiner Verachtung. »He, das soll eine Sau sein?« rief er empört. »Gib sie her um zwanzig Gulden!« »Dreißig kostet sie. Das ist schandenwohlfeil.« »Was tust du mir an?« stöhnte der Luitel. »So manches Jahr sind wir treue Freunde gewesen. Und jetzt willst du mir das Blut aussaugen? Dullhäubel, laß nach! Dullhäubel!! Dullhäubel!!!« »Dreißig Gulden.« »Hinwerden soll ich in fünf Minuten, wenn du von mir einen Kreuzer mehr kriegst als zwanzig Gulden,« schwor der Fleischhacker. Der Dullhäubel zog die Sackuhr. »In fünf Minuten? O Freund, da mußt du dich hübsch fleißen!« »Du spottest noch? Kasper, denk an deine letzte Stund! So ein elendes Krepierlein! Die Knochen stehen ihm hinten und vorn heraus. Dem Schinder hast du die Sau gestohlen. Gib sie her um fünfundzwanzig Gulden!« »Dreißig.« »Lauter rothaarige Menscher soll dein Weib einmal kriegen!« fluchte der Luitel. »Die Sau soll dir die Nase abfressen, daß du nimmer schnupfen kannst!« Der Dullhäubel ward blaß, tastete nach der Nase und trat einen Schritt zurück. Die Verwünschung griff ihn an, und schier hätte er nachlassen. Aber er erfing sich wieder und sagte sanft: »Dreißig Gulden.« Der Luitel heulte auf. »Er treibt mich in die Verzweiflung Hast du ein Herz im Leib, Kasper? Bist du ein Christ? Gib her die Sau um achtundzwanzig Gulden! Reck her die Hand! Schlag ein!« Er versuchte immer wieder in die Hand des Bauern einzuschlagen, die wie tot hing. Er winselte, beschwor, fluchte, verwünschte. Der Dullhäubel blieb kalt. »Geh heim, Fleischhacker! Du bist ja nit verheiratet mit meiner Sau.« »Tu sie her um achtundzwanzig Gulden fünfzig Kreuzer,« schluchzte der Luitel, »und nimm dir die Sünd mit in die Ewigkeit!« Jetzt seufzte der Dullhäubel wehmütig auf: »Ich will dich nit unglücklich machen, und weil du mein Freund bist seit jeher, so gehört dir die Sau um den Preis, den du jetzt selber geboten hast. Aber nit gern laß ich dir sie. Sie ist meine einzige Freud gewesen; ich hab sie aufgefüttert und wachsen sehen und zunehmen --.« Er wischte sich über die Augen, seine Stimme erstickte. Da schlugen die zwei ein. Der Handel war geschlossen. Der Luitel blätterte die schmierige Brieftasche auf und zahlte. Bedächtig zählte der Bauer das Geld nach, und als er es verwahrt hatte, half er dem Händler das widerspenstige Tier bei den Ohren aus dem Stall ziehen. »O verflucht, ist die Sau gering!« stammelte der Luitel, als er sie im hellen Taglicht sah. Und als er sie gar durch das große Hoftor zerrte, wurde es ihm durch den Vergleich recht augenscheinlich, wie winzig die Sau war. Vor Wut ächzte er auf und drohte mit der Faust zurück. Der Dullhäubel aber schüttelte das Geld und frohlockte laut: »Den hab ich angeschmiert, daß ihm die Augen tropfen.« -- So übervorteilte er jeden, der sich mit ihm im Handel messen wollte. Trieb er eine Kuh auf den Markt, so rührte er ihr im letzten Wirtshaus, wo er einkehrte, eine kräftig gesalzene Mehlsuppe an, darauf durstete das Vieh gar sehr und es soff wie ein dürrer Rasen Wasser in sich, bis es die Wampe voll hatte. Dann stand es stattlich da und freute sich eines guten Gewichtes, und der Dullhäubel schlug sie mit erklecklichem Gewinn los. Derlei Kniffe und Pfiffe hatte er einen ganzen Heuwagen voll. Ein ganz besonderer Segen lag auf seinem Hof, trotzdem daß er seine Hände schonte und die schönste Zeit beim Bier verlümmelte. Mit glänzenden Fellen stand ihm das Vieh im Stall, seine Kühe kälberten eifrig, seine Geißen kitzten dreifach und vierfach, seine Hennen legten Eier mit zwei Dottern. Kein Reif sengte ihm die Erdäpfelblühe, kein Schauer knickte sein Korn, sein Heu kam räuspendürr unters Dach. Und mancher Fuxloher ward deswegen in dem gerechten Herrgott irr. * * * * * Dem jungen Mußmüller wich der Dullhäubel aus, er scheute ihn. Der Gid wurde immer hitziger und rauflustiger und stritt mit allen Leuten, weil er das altverbriefte Recht wieder durchsetzen wollte. Auch sonst störte ihm mancherlei das Glück, besonders aber, daß in der Mühle die Wiege leer blieb. Einmal stach den Dullhäubel der Kitzel, und er schlich sich den Bach entlang, den mürrischen Nachbar ein wenig aus dem Häuslein zu bringen. Die Vögel wuschen sich, am Zaun blühten die Hollerstauden. Die Mühle rumpelte verschlafen, und das Rad knarrte verdrießlich: »Soll -- ich -- denn -- noch einmal -- umgehn?« Mit unwirscher Stirn lehnte der Gid am Türstock. Es hatte schon lange nicht geregnet, und wenig Wasser fiel aufs Rad. Die Ogath saß auf der Sonnenbank und flickte. Da rief der Dullhäubel hinter einer Erlenstaude: »Wie die sieben dürren Jahr schaust du drein, Gid. Geht dir die staubige Mühl zu langsam?« Die Eheleute schraken auf wie Hennen, wenn der Fuchs durch den Zaun blinzt. Der Nachbar setzte sich gemächlich auf einen Grenzstein jenseits des Baches und fragte: »Strickst du den Geiferlatz für den neuen Müllnerbuben, Ogath? Wann wirft der Krähvogel ihn euch in den Rauchfang? Er laßt sich Zeit.« »Du Daunderlaun, wir sind ohne Kinder auch lustig,« speiste sie ihn ab. Er höhnte weiter: »Wer ist denn schuld daran, du oder der Mann? Müllner, du mußt sie über neun Zäune tragen und schreien, die Nachbarn sollen dir helfen.« Er achtete nicht des Mühlrades, das bedächtig und schier drohend brummte: »Juckt -- dich -- der -- Buckel? Juckt -- dich -- der -- Buckel?« »Ich helf mir selbst,« grollte der Gid, »und dich brauch ich am wenigsten. Du bist derselbe Lump wie deine Ähnel.« »Der Apfel fallt nit weit vom Birnbaum,« entgegnete der Dullhäubel. »Wenn ich ihr nur meine Pudelhaube hinwerfet, gleich krieget sie einen Buben, die Ogath.« »Ja, weil du der rotbartet Kasper bist,« knirschte der Gid. »Das muß ich mir ins Gesicht sagen lassen, Ogath. Dran bist du schuld.« »Ich geh wallfahrten gen Maria-Dorn,« seufzte sie bang. »Vielleicht nutzt es.« »Geh hin, wohin du willst! Ein Bub muß her.« »Geh nacket in die Kindelkapelle, Ogath!« kicherte der Dullhäubel. Der Müller wurde schneeweiß und packte einen Hammer, der auf der Türschwelle lag. »Ich erschlag dich, ich bin Gott einen Toten schuldig,« zischte er und sprang über den Bach. Er war flinker als der Nachbar, und als er ihn gestellt hatte, schlug er mit dem Hammer blind auf ihn los und traf ihn auf die Achsel, daß er hin in die Binsen fiel. Das Mühlrad ging auf einmal viel lustiger und spottete: »Hat dich der Buckel gejuckt? Hat dich der Buckel gejuckt?« Beruhigten Blutes kehrte der Gid zu seinem Weib zurück. »Den Grenzstein will ich heut noch mit Kalk frisch überweißen, weil ein schlechter Kerl drauf gesessen ist. Und ein Bub muß her, und wenn wir zwei solange drum wallfahren müssen, daß uns bei jedem Schritt ein Blutstropfen von der Ferse fällt!« Indes raffte sich der Dullhäubel mit allerhand Gedanken an Schergen, Gericht und Zuchthaus aus der Wiese auf, tappte nach der wehen Achsel und schielte bös zur Mühle hinüber. »Blut ich, so klag ich; blut ich nit, so klag ich nit.« * * * * * Im Volk ging die Rede, daß einst von Gesetz wegen in der Mußmühle kein Weib habe hausen dürfen. In Wahrheit verhielt es sich so, daß unter jenem Dach nur wenig Kinder geboren wurden. Während es in den Bauernstuben wimmelte, zogen die jeweiligen Müllersleute immer nur einen einschichtigen, vertrotzten Buben als Samenstengel auf. Der Ogath lag es wie ein Mühlstein am Herzen, daß sie Jahr für Jahr galt ging. Sie hätte alles drum gegeben, und nicht nur ihres verfinsterten Mannes wegen, wenn sie ein Kind gehabt hätte, und weil alles Gebet, alle Sehnsucht und Traurigkeit fruchtlos blieb, so dachte sie immer heißer an Wunderkräfte, die ihr den Segen aufschlössen. Was ihr der Dullhäubel in seiner Verruchtheit geraten, ging ihr nimmer aus dem Sinn. Weit drin in der Wildnis des Lusens ist die Kindelkapelle. Dort hat schon manches Mutterverlangen sich hingekehrt und ist erhört worden. Doch die große Gnade kann nur durch ein großes Opfer herbei gelenkt werden: nackt muß das Weib wallfahren zu jenem Gnadenursprung, in letzter Blöße muß sie schreiten durch die Wälder, ehe ihr das Wunder zuteil wird. Von Woche zu Woche nahm sich die Ogath die seltsame Wallfahrt vor, doch immer wieder schrak sie in Scham davor zurück, bis ihr Wunsch endlich so gewaltig aufbrannte und alles andere davor verglomm. Zu Mariä Heimsuchung fuhr der Müller in die Stadt ins Schloß, dort wollte er noch einmal wegen des abgeschafften Mühlrechtes verhandeln. Da schlich die Ogath barfuß in das Vogeltänd, das war der Wald, der hinter der Mühle aufstieg und den Steig beschattete, der zur Kindelkapelle führte. Vor einer Steinhöhle hielt sie an. Ihre Brust ging hoch, angstvoll flog ihr Blick durch die Bäume, sie trat aus dem Sonnenlicht in den tieferen Schatten einer niedergreifenden Tanne. Zitternd band sie sich die blaue Schürze los und legte sie in den Steinriß, sie tat die Joppe ab und den Rock und die drei barchentenen Unterkittel und verbarg sie. Jetzt stand sie im Hemd und lauschte todängstlich hinein in das Vogeltänd. Nichts regte sich. Nur eine Drossel pfiff. Sie wartete, bis der Vogel sich versungen hatte. Dann warf sie das Hemd ab und war nackt. Ihr schauderte. Mit gefalteten Händen, mit fallenden Zähren begann sie die leidvolle Wallfahrt. Anfangs schien es ihr öfters, es halle der dumpfe Tritt eines Wandrers ihr entgegen, und sie floh mit verhaltenem Atem hinter eine Staude und lauschte lange und traurig. Das Blut brannte ihr in den Wangen den weiten Weg. Sie schämte sich vor den lustigen, spiegelnden Quellwassern, die sie überschreiten mußte, sie schämte sich vor dem flüsternden Laub, das sie zu beschwätzen schien, und vor den rauhen Felsen sogar, denn alles hatte heute Gesicht und Augen. Jeder Stein am Steig, jede Wurzel am Hang, alles, alles kehrte sich ihrer sündigen Nacktheit zu. Der grüne Baumhackel lachte schrill, der Krummschnabel glotzte vom Ast, spöttisch knickste das Rotschwänzel. Das Hirngrillein, der Guckauf, der Nußhackel, die Spottvögel alle, die Schlangen am Weg, der verzagte Has, der Hirsch, der unter der Berghollerstaude rastete und hinauf fraß, sie alle schauten sie an, die da gläubig in ihrer schmerzlichen Keuschheit dahin wallte. »Vögel, berget die Äuglein im Gefieder!« bat sie. »Wend ab die Augen, Wendehals! Ihr Blumen, verschließt euch und schaut mich nit so an! Zeig mir mein Bild nit, du stiller Bach!« Immer älter und verworrener wurde der Wald, schreckhaft verbogene Bäume schickten die Wurzeln wie Nattern und Tatzelwürmer aus, Felsen trugen tiefes, feuchtes Moos und trieften, Geier jagten schreiend über den finster geschlossenen Wipfeln. Mitten in diesen Schrecknissen ragte das Wunderkirchlein auf. Es lag so mutterseligallein, so verhuscht und verborgen vor aller Welt, so recht geeignet, daß ein armes Mutterherz oder eine betrübte Magd oder ein reuiger Sünder oder, wer immer den Herzwurm hat, sich in aller Geheime ausweinen konnte. Die Ogath trat in das wetterverschlissene Bethäuslein. Das Herz ward ihr sonnenlicht, als sie den Altar sah. Da saß die Maria, die heilige Kindelbetterin, weiß wie ein Lilienblatt, schlicht und einfältig, und neben ihr beugte sich der Zimmermann mit dem eisgrauen Bart, ein uralter Tattel, über die Krippe, darin ganz nackt und bloß das Himmelskind schlief, und zwei Eheleute schauten furchtsam drein, denn die Könige waren gekommen, den Heiland im kalten Stroh zu grüßen, der Kasper, schwarz wie ein Kohlenbrenner, der Melcher, der Weihrauchkönig, reitend auf dem Kameltier, und der Balthauser, der mit dem silbernen Stern tanzte. Ganz hinten, durch zierliche Heiligenscheine aus ihrer Demut erhöht, knieten das Öchsel und der ägyptische Esel. Vor dem Altar stand eine große, leere Wiege. Die Ogath aber redete mit der hohen Gnadenfrau: »Die Mußmüllnerin bin ich, und es ist eine Sünd und eine Schand, wie ich da vor dir steh. Aber deine Augen sind so still, und du schaust mir ins Herz bis auf den Grund. Du siehst nix Schlechtes drin. Und ich bitt dich, trag meinen Wunsch hin, wo man ihn hört. Mit gesegnetem Leib möcht ich gehen wie die anderen Weiber, und so bitter gern tät ich am Anger vor der Mühl Windeln bleichen, tät Hosen flicken für ein schlimmes Büblein, oder wenn es ein Dirnlein sein sollt, wollt ich es gern zöpfeln und es hegen und pflegen, und alles Herzleid tät ich willig tragen, was so ein Kind bringt.« Weiter fand sie keine Worte. Sie kniete zur Wiege hin, legte ihren schmerzlichen Wunsch hinein und wiegte still und versunken in den Anblick der heiligen Leute und gläubig, daß das Wunder geschehe an der Frau, die es wagt, nackt zu wallfahren. Sie wiegte, bis die Sonne tief im Bergwald versunken war und die Kapelle sich mit grauen Schatten füllte. Im Dämmer ging sie heim, erbangend, wenn das Gras zischte oder der Wind flüsterte, verzagend vor jedem Gebüsch. Denn selten gibt es eine Staude, drin nicht ein Auge ist. Die Raben kehrten in den Fichten ein zur nächtlichen Rast. Wie stockende Geister leuchteten die weißen Grenzsteine. Droben tat sich der Sternhimmel auf und funkelte durch die Wipfel nieder und silberte Zweig und Laub. Lichter aber schimmerte der Leib der Wallfahrerin, und die Blendnis ihres Fleisches lockte und schrie durch die Nacht. »Ich bin wie eine Latern,« klagte sie. Der Wald ward sanfter, gangbarer der Weg. Durch die Stille hörte sie schon die Mühle. Fern über den Bäumen sah sie hin und wieder das Gebirg in schwarzen Klumpen dunkeln. Sie wanderte und wanderte im Glanz ihres Leibes hin. Als sie den Steinriß erreichte, wo sie das Gewand versteckt hatte, huschte ein Mann aus den Felsen herfür und griff nach ihr. Sie schloß die Augen und ließ willenlos alles geschehen. Es mußte so sein. * * * * * Als der Gid erfuhr, wie die Ogath wallfahren gegangen war, prügelte er sie unbarmherzig, daß sie blau und blutig wurde, und das starke, stolze Weib ließ sich schlagen und wehrte sich nicht. Tags darauf kam der Zusch, ein närrischer Mann, zum Müller und lallte: »Der Dullhäubel schickt mich. Du sollst ihm Haut und Haar von deinem Weib schicken. Du hast gestern geschlagen.« Der Gid jagte ihn davon. -- Im Frühjahr gebar die Ogath ein Dirnlein mit dickem, rotem Haar. Der Müller zerbiß sich die Lippen, er hatte einen Buben begehrt. »Woher hat sie das rote Haar?« murrte er. Er versperrte sich immer mehr in sich selbst. Seine Augen flogen scheu, die kargen Worte, die er redete, zauderten undeutlich an seinen Lippen. Oft brütete er stundenlang über dem Brief, der den Vorfahren Zins und Kundschaft verbürgt hatte, und sann auf Wege und Schliche und Gewaltsamkeiten, sich wieder ins alte Recht zu setzen. Einmal saß er am Fenster und quälte sich, eine Bittschrift an den Kaiser aufzusetzen. Denn im fürstlichen Schloß hatte man ihm gesagt, der Kaiser selber habe die Zwangmühlen abgeschafft. Er wollte mit der Schrift nach Wien reisen und dort, wenn es nicht anders ginge, einen Fußfall tun. Da holperte draußen auf der Straße ein Wagen daher, der Fuhrmann pfiff gell und knallte ohne Aufhör mit der Geißel. Der Gid riß das Fenster auf und schaute hinaus. Es war der Dullhäubel. Seine Ochsen wollten den mit Kornsäcken beladenen Wagen vorüberziehen. Aufsprang der Gid, packte die Urkunde und rannte hinaus. Er trat dem Fuhrwerk in den Weg und hielt die Ochsen an, die Augen flirrten ihm. »Kasper, wohin?« »In die Mußmühl nit, in die Grillenmühl,« sagte der keck. »Das ist gegen das Gesetz,« lechzte der Gid. »Da siehst du die Schrift. Schwarz auf weiß steht drin, daß du bei mir mahlen mußt. Dein Hof steht drin aufgeschrieben mit Tinte und Feder. Mir ist es nit ums Mahlgeld, mir ist es ums Recht.« »Ich mahl bei dem groben Müllner nit, der mit dem Hammer die Leut erschlagt.« »Gelt, Kasper, du fahrst an meiner Mühl vorbei, weil du weißt, was mir ein Spieß ins Aug ist! Heut laß ich dich nit vorüber. Recht muß Recht bleiben. Übers Recht gibt es keinen Weg.« »Speib Gift, speib Gall!« sagte der Dullhäubel kalt. »Deine Red hat keinen Kopf und keinen Fuß. Steck ein den Wisch Papier und fuchtel nit so vor den Ochsen herum! Du zerrüttest sie mir.« »O du grundschlechter Kasper, genau so wie deine Vorfahrer peinigst du die Leut. Mit Bluthunden haben sie den jungen Burschen nachgespürt, das lebendige Menschenblut haben sie um einen Judaslohn verraten!« spritzte der Gid dem Dullhäubel ins Gesicht. Der antwortete gelassen: »Du steigst mir auf den Buckel! Und es bleibt dabei, der Grillenmüllner und kein andrer schrotet mir das Korn.« Blutrot sprang der Müller den Bauer an. Diesmal aber war der Dullhäubel gerüstet. Er riß eine Ochsensenne aus dem Wagen und schlug schrecklich auf den Feind los. Der Gid keuchte in sein Haus. Im Flur stand der alte Müller. Der Gid faßte eine Hacke. »Reichlich hat er mich gehaut,« schnaubte er. »Vater, du stellst dich hinter die Tür. Du packst ihn von hinten. Gleich ist er da. Droben am Steinbühel graben wir ihn ein.« Atemlos warteten die zwei. Der Dullhäubel aber führte sein Korn schon weit und sang sein Leiblied. »Ich schrei hü, ich schrei ho, ich schrei allweil hüstaho.« * * * * * Als dem Müller die Blutrünste und blauen Flecken vergangen waren, steckte ihm der Bote einen Brief zu, und damit wurde er vors Gericht beschieden. Der Dullhäubel hatte geklagt, der Gid habe ihn auf hellichter Straße überfallen, ihn und seine Vorfahrer geschmäht und verschändet und ihn schließlich mit einer Ochsensenne halb erschlagen. »O der falsche Fuchs!« schrie der Gid. »Erst haut er mich grün und gelb, hernach zieht er mich vors Gericht. Auf der Stell klag ich ihn auch.« -- Der Dullhäubel rüstete sich indes emsig für den Gerichtstag. Er wollte den lieben Mußmüller so weit bringen, daß er kniefällig um Verzeihung heulte. In der Scheuer übte er seine Rede ein. Vorerst neigte er sich nach allen Seiten, denn er dachte sich den Gerichtshof rund wie einen Kreis und rings lauter Richter und Schergen und sich selber in der Mitte. »Gnädigster, allerstrengster Herr Gerichtshof!« hub er an. »Indem daß der Herr Ägid Wilfinger, Müllnermeister in Fuxloh, mich, den Herrn Kasper Dullhäubel, ehrengeachteten Bauern daselbst und eheleiblichen Sohn und Nachfolger des Herrn Isidor Dullhäubel, indem daß derselbe denselben und seine Ochsen auf freier Straße angepackt hat und mich hat zwingen wollen, daß ich in seiner Mühl mahl, wo doch schon der Herr Kaiser Josef im Jahr achtundvierzig alle Zwangmühlen verboten hat, und weil ich selbem Müllner nit zu Willen war, hat er mich und meine gottseligen Vorfahrer mit boshaften Wörtern verunehrt und hat insbesonders mir -- mit Verlaub zu sagen -- geschafft, ich soll ihm auf den Buckel steigen. Nachdem dies geschehen war, hat er mich mit einer Ochsensenne so kläglich genotnötigt, daß ich vierzehn Tag meine Arbeit hab versäumen müssen und Hand und Fuß nit rühren können. So, jetzt hat der Widersacher das Wort.« Damit ging der Dullhäubel in die Ecke der Scheuer, wo spinnverwebt die Putzmühle stand, und drehte sie fünf Vaterunser lang, daß sie rumpelte und fauchte, und deutete also die Rede an, womit der Gid sich verteidigte. Als der Bauer an der Putzmühle in einen gelinden, warmen Schweiß geraten war, setzte er ab und sprach wiederum in der eigenen Sache. »Allerhöchster und ehrbarer Herr Gerichtshof! Indem daß der Ägid Wilfinger sich gar so lügenhaft verteidigt und mit seinen Spitzfünden der Wahrheit unverschämt ins Gesicht schlagt und behauptet, es hätte sich alles umgekehrt zugetragen und ich hätte ihm mit einer Ochsensenne leibgefährlich und schandbar zugesetzt, daß er schleunig in der Mühl habe seine Zuflucht holen müssen: so verschwör ich mich mit dem härtesten Schwur, daß der Müllner jetzt abscheulich gelogen und getrogen hat. Gott soll mich strafen, wie ich da steh, wenn nur ein einziges Wort nit wahr ist!« Jetzt ließ er wieder die Putzmühle lärmen, und dies bedeutete wieder die Antwort des Gid. Hernach schloß er die Verhandlung und sagte: »Indem daß der Müllner von seinem halssteifen Leugnen nit ablaßt und in ohrenblaserischer Weis mich, seinen Nachbarn und vormals treuen Freund ins Zuchthaus bringen will, so trag ich alleruntertänigst seine gerechte Bestrafung an. Ich bitt euch, sperrt den Herrn Ägid Wilfinger drei oder vier Jahr bei Wasser und Brot ein, daß mir mein Recht geschieht und er hernach als ein verbesserter Müllner wieder auf die Welt kommt.« Er verneigte sich nach allen Winden und ging aus der Scheuer, seiner Sache sicher. -- Am Gerichtstag putzte sich der Dullhäubel wie ein Pfingstelreiter heraus: er schirrte sich in die grasgrünen Hosenhalfter und steckte einen Häherspiegel in den blauen Hut, die Silberknöpfe glänzten am Brustfleck, und so trat er getrost aus dem Haus. Als die Sodonia über ihn ein Kreuz schlug, sagte er: »Heut wird es ein Rausch, ob ich gewinn oder verlier.« Vor seinem Hof aber hockte die Ulla, sie ließ ihr zahnlücketes Lächeln spielen und grüßte: »Guten Morgen in aller Fruh, Bauer!« Das alte Weib deutete er als übles Vorzeichen. Fluchend rannte er in die Stube zurück, tauchte alle fünf Finger in den Weihbrunn und besprengte sich kräftig, daß alles Gelüst des Teufel zu schanden werde. Dann schlich er zur Hintertür davon und ging in einem weiten Ring um das Bettelweib. -- Der Gerichtshof schaute ganz anders aus, als wie der Dullhäubel geträumt hatte. Es war eine sonnige Stube, drin auf grünem Tisch zwischen zwei Kerzen das Kreuz mit dem angenagelten Herrgott stand. Der Richter hatte einen breiten Goldbart, eine rötliche Nase und graue, scharfe Augen, die einen durch Mark und Bein schauten. Der Schreiber, dem zwischen den Augenbrauen eine mächtige Warze saß, zog eben den Pfropf aus einem Tintenfläschlein. Neben ihm glänzte eine schneeweiße Gansfeder. Als der Dullhäubel in die Stube trat, war der Müller schon drin. »Holla, gefehlt ist es,« dachte der Bauer, »jetzt ist mir der Kerl zuvor kommen!« Doch hoffte er die Scharte auszuwetzen, und er grüßte artig: »Gelobt sei Jesus Christus, Herr Gerichtshof und Herr Schreiber!« Er wollte auch den Mann neben der schneeweißen Gansfeder ehren, denn wie leicht konnte der ein Wörtlein in seine Schrift rinnen lassen, das einem das Genick brach. Der Goldbart murrte etwas und deutete ungeduldig auf einen Sessel. Doch der Dullhäubel hielt es an der Zeit, seinen Trumpf auszuspielen, er holte das Tabakglas herfür und bot es mit zwinkerndem Blick auf die rötliche Nase dem Richter hin. »Was unterstehen Sie sich?« brüllte dieser. Der Dullhäubel legte die Hand demütig aufs Herz. »Herr Gerichtshof, ich bin halt ein dummer Bauer.« Er knickte auf den Sessel nieder, der blaue Hut fiel ihm auf den Fußboden. »Holla,« dachte er, »jetzt hab ich mich verrechnet. Aber meine Red muß mich herausreißen.« Die Stimme des strengen Mannes kam auf einmal ganz unglaublich mild und zart aus dem Goldbart heraus, die starken Augen wurden ihm feucht, er zupfte an seiner Nase. »Leutlein, euch hat der Herrgott nachbarlich hingesetzt in das schöne, friedliche Tal am Wolfsbach, und ihr steht jetzt in dieser Stube euch gegenüber wie zwei Waldratten, die sonst nichts mehr zu fressen haben als eins das andere. Was verklagt ihr euch wegen ein paar überflüssiger Hiebe und ein paar lustiger Wörter? Besinnt euch, ihr strittigen Männer! Es kann kein gut tun, wenn einer von euch wegen des andern abgestraft wird. Es wächst Haß daraus, und der Haß glost weiter in Kind und Kindeskind und schlägt allweil wieder giftig aus der Asche. Denkt an den Frieden eurer Enkel! Söhnt euch aus! Gebt euch die Hände!« »Ich will mein Recht,« trotzte der Müller. »Ich auch,« rief der Dullhäubel. Das graue Auge des Richters verfinsterte sich, mit langen Schritten ging er von Wand zu Wand. »Es ist gut,« sagte er. »Und jetzt erzählen Sie mir den Vorfall, Wilfinger!« Der Gid stellte sich kerzengerad hin wie ein Soldat und begann rauh: »Ich komm aus der Mühl. Der Kasper steht auf der Straße. Ich zeig ihm unsern Freibrief. Wir reden nit lang, da reißt er die Ochsensenne aus dem Wagen. Wenn ich nit renn, erschlagt er mich.« »Umgekehrt ist es gewesen!« kreischte der Dullhäubel. »Ruhig!« knurrte der Richter. »Ägid Wilfinger, beschwören Sie Ihre Aussage!« Die Kerzen flackerten unheimlich, und der Gid reckte den Arm steif auf bis schier zur Decke und stammelte nach, was der Richter vorsprach. »Falsch hat er geschworen, der staubige Teufel!« schalt der Dullhäubel. »Dir wasch ich noch einmal die Kutteln.« »Du elendiger Bauerntrumpf!« grollte der Gid. »Erwisch ich dich noch einmal, ich hämmer dich hin, daß du nimmer aufstehst!« Der Richter rieb sich die Fäuste. »Das ist ein spitzer Handel, Männer,« reizte er die zwei. »Redet euch nur die Leber frei!« Der Bart zitterte ihm unter dem lachenden Mund. Lachend riß er das Fenster auf. Das Geschrei der zwei Fuxloher versammelte drunten am Markt die Stadtleute. Sie horchten und lachten. Der Dullhäubel war rot wie ein Truthahn. »Müllnerdieb, Müllnerdieb!« zeterte er. Ihm fiel nichts anderes ein. Der Gid hatte keine Farbe im Gesicht. »Du abgefeimter Fuchs,« sprühte er, »du drehst dem Teufel einen Knopf in den Schweif.« Sie wüteten gen einander wie zwei leer laufende Mühlsteine, mit bösen Reden stachen sie auf sich ein, vergangene Zeiten öffneten sie und rissen die verweste Schande der Voreltern heraus. »Du Lump!« brauste der Gid. »Und allsamt seid ihr Lumpen gewesen auf euerm Hof. Der Vater sauft sich zu Tod, der Ähnel sucht die letzte Rast am Strick, dem Guckähnel wird der Hirnschädel eingehaut, und wer weiß, wie viel von deiner Brut am Galgen gezappelt haben!« Der Dullhäubel blieb nichts schuldig. »Du ehrlicher Müllner, dein Vater ein ehrlicher Mann, dein Ähnel, dein Urähnel, dein Guckähnel, lauter redliche Müllner! Kein Körnlein ist euch stecken blieben im Fingernagel, kein Stäublein Mehl ist haften blieben an euern Schürzen, keinen Sand habt ihr gemischt --.« »Was? Du willst an meinem ehrlichen Gewerb schnipfeln?« Der Gid langte hinüber, wie der Bär nach Reiner dem Fuchs greift. Schnell barg der Schreiber das Tintenfaß und sah sich nach der Tür um. Dem Richter schien es genug. Er brüllte, daß die Scheiben klirrten: »Ruhe! Sonst laß ich euch dingfest machen und ins Zuchthaus schmeißen!« Der Dullhäubel aber bäumte sich auf: »Hat der Gid geschworen, muß man mich auch schwören lassen!« Er schwang die rechte Hand in die Höhe und spreizte die Finger, die linke ließ er mit zur Erde gereckten Schwurfingern hängen; er glaubte, so müsse der Schwur ohne Schaden durch den Leib gehen, auch wenn er nicht ganz echt sei. Der Goldbärtige schaute ihn mit einem Blick an, der ihm den Arm lähmte, und sagte halblaut: »Ihr zwei versteckten Lümmeln, augenblicklich versöhnt ihr euch, sonst laß ich euch krumm schließen, daß euch die Knochen brechen! Glaubt ihr, ich hab die Zeit gestohlen, daß ich mit einem groben Müller und einem spitzfindigen Schelm, der da kalt schwören will, herumschlage? Im Hui vergleicht euch! Und dann hinaus mit euch!« Die Widersacher schauten verdutzt drein, der Richter aber winkte entschlossen hinab auf den Marktplatz, dort stand ein riesiger Mann mit einem Säbel. Den zweien wurde ängstig. Der Säbel klapperte draußen die Stiege herauf. Der Dullhäubel langte sich nach dem Hals, als würge ihn etwas. Dem Müller war, eine Sense fahre ihm durch die Kniee. »Gid, verzeih!« ächzte der eine. »Kasper, vergiß!« murmelte der andere. Der Mann mit dem Säbel trat herein. Sein Gesicht war ernst, als müsse er in die Feldschlacht gehen. Er wischte sich links und rechts über den Schnurrbart. Der Richter sprach zu ihm: »Sie, Herr Notnagel, rennen Sie gleich zum Postmeister hinüber! Er soll nicht aufs Kegelscheiben vergessen. Im Wirtshaus zum Blumenstöckel.« -- Die zwei Fuxloher atmeten auf, als sie draußen auf dem Gang standen. Der Gang war weitläufig und finster, und drum verirrten sie sich und gerieten an eine eisenbeschlagene Tür, die halboffen stand. Der Dullhäubel spähte hinein. In der Kammer drin war nichts zu sehen als ein vergittertes Fenster und eine hölzerne Liegerstatt. An die Wände hatten die Leute, die hier einschichtig über den Lauf der Welt nachgedacht hatten, allerlei Ergötzliches gezeichnet. Neben dem Bild eines mit Raben und baumelnden Schuften wohlversehenen Galgens waren Gesicht und Brüste eines üppigen Zigeunerkindes zu schauen, Schergen mit Säbeln und Hahnenbüschen auf dem Hut starrten von der Mauer nieder, unbekümmerte Sprüche luden zur Besinnung ein; auch mancher Reim war verzeichnet, der ein artiges Gemüt verletzt hätte, und mit blauem Stift stand steif und groß hingemalt: »Ade, du trauter Ort! Ich bin da gesessen ein paar schöne Wochen.« Dem Dullhäubel wurde ganz heimlich in der Kammer. Die Sonne zeichnete das Gitter gar lustig auf die Liegerstatt hin und zierte die Spinnweben im Winkel mit regenbogenen Farben. Eine Maus kroch aus ihrem Loch und stellte ein Männlein. Ungern verließ der Dullhäubel die Stätte. Er deutete mit dem Daumen zurück und sagte zu dem Müller: »Wenn mir das alte Bettelweib nit begegnet wär, du säßest jetzt da drin. Schad drum!« * * * * * Die Ulla wohnte am Vogeltänd neben einem Felsen. Ihre zerrissene Hütte war mit Stangen und Stecken kläglich gestützt, Türsäulen und Fensterstöcke waren morsch, die Scheiben zerbrochen und mit Papier verklebt. Die Schindeln faulten am Dach und waren zum Teil durch Baumrinden ersetzt. Doch darauf glänzten Steine mit schönen glasigen Gebilden, so daß es auf all der Armseligkeit wunderlich blitzte. Im Fenster wuchs in einer Scherbe kümmerlich die Blume Zagelhintaus. Ein Kienbaum verschattete die Hütte, ihm wucherte im Gezweig ein Hexenbesen, kraus verwachsen wie das Nest eines verrufenen Vogels. Es war morgens. Der Guckauf lockte hell. Die Waldkräutlerin brockte vor ihrer Tür einen struppigen Schlafapfel aus dem Dorn, sie wollte ihn abends ins Bett legen, weil sie nimmer gut schlief. Zu dem winzigen Fenster meckerte die Geiß heraus. Die Ulla humpelte hin und spaßte: »Gib mir ein Bussel, Geiß!« Als wär er aus dem Felsen gesprungen, stand der Dullhäubel da. »Du hast die Geiß gern, Ulla. Du brauchst sie wohl Zum Reiten? Reitest du auf den Lusen tanzen? Das ist ein hoher Berg.« Die Alte nickte gutmütig mit dem kleinen Vogelkopf. »Du bist heut gut aufgelegt, Bauer. Dir hab ich einmal eine Warze besprochen. Weißt du es noch? Jetzt bist du ein schöner Mann worden. Geh, schenk mir was! Schau, wie armselig meine Heimat dasteht!« Sie deutete auf die Tür, die müd in den Angeln hing. »Die Tür ist schlecht,« sagte der Bauer, »aber du brauchst sie nit besser, du reitest ja zum Rauchfang ein und aus.« Die Geiß stand jetzt in der Tür, die Vorderbeine gespreizt, und horchte neugierig zu. »O mein liebes Vieh, der Bauer macht uns zwei schlecht. Du bist ein Schwänkmacher, Dullhäubel. Freilich geht es mir schlecht. Wenn nur genug Brot wär, drei Zähne hab ich schon noch,« kicherte sie kläglich. »Ach ja, die Not ist mein Kuchelmensch und Schmalhans der Meister.« »Aber Milch hast du genug?« fragte der Bauer scharf. »Nit viel, gar nit viel. Was halt die Geiß hergibt.« »Alte, du weißt, daß in meinem Hof der Erdspiegel ist. Drin seh ich alles auf der Welt. Wie ich gestern abends hinein schau, seh ich dich den Wegzeiger gegen Grillenöd melken. Zur gleichen Zeit hebt meine beste Kuh, die schwarzrückete Stallmeisterin, gottskläglich an zu plärren. Ich schau nach, da steht sie im Stall, zittert am ganzen Leib und schwitzt, als wenn sie einer geritten hätt. Ich hab sie gleich melken wollen, da hat sie nit ein bißlein Milch gegeben, nur ein Tropfen Blut ist ihr aus dem Euter geronnen. He, was hast du meine Kuh verzaubert, Hex?« rannte er. Sie rang die dürren Hände. »Das ist nit wahr, der Erdspiegel lügt. Ich bin ein frommes Weib und keine Schlangenköchin.« Er fuhr fort: »Im ersten Zorn bin ich in das Vogeltänd gelaufen, hab dir die Milch vom Ofen wegreißen wollen. Da seh ich durch die Luft einen Strohwisch schießen, in deinen Rauchfang schießt er hinein, er sprüht vor lauter Feuer. Ist das nit dein Liebhaber gewesen, Hex?« Sie starrte ihn mit den blöden Augen an. »Du irrst dich, Dullhäubel, du irrst dich dreimal. Es wird nur ein Sternlein in den Rauchfang gefallen sein. O weh, wie redest du so schrecklich von mir armem Weib! Ich tu ja niemand nix, ich tu nur beten, allweil hab ich die Nase im Betbuch, wenn ich auch nit lesen kann.« »Jetzt weiß ich, Ulla, wer mir im Stadel die Mäus wachsen laßt und im Haus das Unziefer. Jetzt weiß ich, wer den Nebel her winkt und das schwarze Wetter. Du bist es, Hex!« »Ich hab ja gar keine Kraft,« jammerte sie, »wie könnt ich das tun? Es ist ja alles nit wahr, nit wahr.« Unbarmherzig redete er: »Aus deiner Geiß springt die Milch wie der Brunnen aus der Erd, die Milch rinnt dir ums Haus nach, Ulla. Zum Lusen bist du auf einem Besen geflogen, der hinter dir gebrannt hat. Du zauberst und zinzelst und zanzelst und machst Weiber und Küh galt.« »O du Unfang, du bodenloser, was bringst du mich in Kummer? Deine üble Nachred wird mir schaden, niemand wird mir eine Gabe schenken wollen. Aber jetzt geh ich hin und laß dich am Gericht verklagen.« »Der Richter ist mein bester Freund, der tut mir nix,« lachte der Schelm. »Und wenn die armen Leut klagen, so gilt es nit. Und wer steht gegen mich auf? Ich bin der Dullhäubel aus Fuxloh!« »Das ist eine bitterliche Wahrheit,« lispelte sie, »an der Armut wischt ein jeder seinen Schuh. Aber, lieber Kasper, ich bin keine Hex.« »Du bist es. Dein ganzer Leib legt Zeugenschaft dafür ab: deine Finger sind wie Krallen, dein Kinnbein ist dürr und krumm, dein Gesicht ist runzlig, als ob die Hennen drin gekratzt hätten. Die Augen rinnen dir aus.« »Ich bin ja alt! Alt bin ich!« wimmerte sie. »Blut könnt ich weinen. Du wirst mich verschreien in ganz Fuxloh.« »Wenn du ein gerades Weib wärst, die Augen frisch, die Wangen weiß und rot und glatt,« der Dullhäubel schnalzte, »und wenn du sonst am Leib schön fest und dick wärst, da könnt der Erdspiegel zehnmal sagen, daß du hexest. Niemand tät ihm glauben.« »Das laßt sich nimmer ändern,« sprach sie traurig. »Und wenn ich noch so gut essen könnt, mein Leib ist alt und laßt sich nimmer frisch aufbauen.« Da flüsterte er: »Und doch weiß ich einen Rat. Geh in die Altweibermühl!« Wie Abendsonnenlicht glitt es über die enge Stirn der Ulla. »Ja, die Altweibermühl! Ich hab schon davon reden hören. Aber sie ist weit, meine Füß ergehen den Weg nimmer.« »Geh in die Mußmühl! Der Gid mahlt dich blitzsauber und blutjung. Zweifelst du? Ich lüg dich nit an. Du könntest mich sonst mit einem Buschen Haberstroh erschießen in der Thomasnacht.« Lachend trollte er sich. Die Alte stand wie verzaubert. Noch einmal jung werden, Kraft haben in Händen und Füßen, klar und stark sein im Hirn, von den Leuten geehrt werden, tanzen und springen können, und es noch einmal und besser und schlauer versuchen mit dem Leben! Sie ging im Ring um diesen lichten Wunsch, sie bestaunte ihn von allen Seiten und lugte scheu hin, wie ein Bettelkind durch die Zaunstecken in einen fremden, feinen Garten lugt voll edler Lilien und lieber Rosenstauden und Bäume mit gelbem Obst. Sie glaubte es gern, daß es ein Mühlrad gebe, das die Alten wieder jung mahle. Wie hätten denn sonst die Leute davon reden können! Sie packte vor Freude die Geiß bei den Füßen, hob sie auf und schwenkte und schleifte mit dem glotzenden Tier einen gelinden Tanz. -- Als sie am dritten Tag das Herz nimmer bezwang, nahm sie ihren Stecken und ging in die Mußmühle. Den Weg hin pflasterte sie mit vielen Träumen, die holder glitzerten als der Tau an den Gräsern. Und die Vögel pfiffen die kreuz und die quer, der Baumhackel jauchzte wie ein Hochzeiter, der Himmel droben war glasblau, und die Erde war zart und freundlich wie ein Kränzelgarten. Die Ulla wanderte die Erlen und Weiden entlang bis zum grünen Weiher, darein der Bach sich sammelnd und verrastend mündete. Der Gid schleppte eben dem Glöckelbauer die Säcke in die Mühle. »Bin ich da recht in der Altweibermühl?« fragte sie, und das Herz schlug ihr hellauf. Der Gid ließ den Sack von der Achsel gleiten und schaute sie wild an. »Die bringt der Mußmühl einen neuen Namen auf,« lachte der Glöckelbauer. »Jung sollst du mich mahlen,« redete sie ein wenig scheuer. »Der Dullhäubel schickt mich her.« »Zu Trutz und Neid tut er mir alles!« rief der Gid in weinerlicher Wut. Und er rollte sie an: »Komm mit!« Sie beschwichtigte ihn. »Sei nit bös! Ich bin halt ein armes Fürwitzel.« »Zum Altweibermahlen täten die Fuxloher freilich meine Mühl kennen, da fahret keiner vorbei.« Er stapfte grimmig voraus. Im Vorderhaus standen einige Holzschuhe. Da schmeichelte die Ulla, den Zornigen zu begüten: »Ihr habt aber viel Holzschuh, da kommen gewiß auf jeden zwei.« Er führte sie durch das zitternde Haus, und auf einmal weilte sie verwirrt an einem Ort voll staubiger Stiegen und Leitern, der Wellbaum drehte sich, die Gänge klapperten, volle Säcke lehnten aneinander, weiße Mehlhaufen waren aufgeschüttet. Unheimlich rührte sich das Haus, belebt vom stürzenden Wasser, das das Wesen eines Geistes hatte. Unsichtbar irgendwo schwang sich das Mühlrad, vom Geschäufel zischte und fiel es. Die Aufschüttkasten schüttelten und rüttelten sich ruhelos, gespenstisch regte sich das Beutelwerk. Immer tosender schlapperte und klapperte alles, und der Ulla Herz schlotterte immer banger. Eine Mehltruhe stand halb offen, und das Weiblein fürchtete, ein grauer Kobold könne herauskriechen und ihr ein Leides tun. Und auf einmal schoß ihr eine gewaltige Angst vor dem Jungwerden ins Knie. Soll sie die bittere Welt noch einmal durchreisen, jetzt, wo sie der Ewigkeit und ihrem Frieden schon so nahe ist? Sie sollte sich doch ihr Alter nicht so hart bekümmern lassen! Und die Geiß daheim, die wird die Ulla nimmer erkennen, wenn sie jung und fremd dahertanzt. Die gute Geiß wird den Bart traurig hangen lassen. Sie schrak auf. In dem Gebraus hatte sie den Müller vergessen. Der packte sie grob und schwang sie über den Mühltrichter. »Soll ich dich fallen lassen?« Sie schrie auf. Sie fühlte sich verschlungen, zermalmt unter den harten Steinen. Wild krampfte sie sich in des Müllers Rock. »Heilige Muttergottes, hilf! Breit deinen Reifrock aus! Ich will nimmer jung werden.« Die Sinne vergingen ihr. -- Als sie wieder zu sich kam, lag sie am Weiher. Die Mühle brauste gedämpft, Mücken schwirrten. Sie besann sich lange. Hernach wisperte sie: »Gott, wie geht es zu in deiner Welt!« Voller Angst und Neugier kroch sie zum Teich hin, schlupfte durch die Felberstauden und schaute in den stillen, grünen Spiegel: da nickte ein altes, verschrumpftes Schwesterlein herauf. Die Ulla hüpfte vor Freuden auf und bat die im Wasser um Verzeihung, daß sie sie schier um ihre grauen Haare und vertrauten Runzeln und ehrwürdigen Hände gebracht hätte. Ein Muttergotteswunder, so glaubte sie, habe den Frevel verhütet. Als sie heim ging, lag der Dullhäubel vor seinem Hof am Wasen und reckte die Arme faul von sich. »Der Müllner hat grob gemahlen,« spottete er. »Jetzt mußt du halt Wolkenschieben gehen auf den Hötschenberg in Tirol.« * * * * * Im »pfalzenden Hahn« ging es hoch und hell her. Der Kirchweihtanz dauerte schon die zweite Nacht. Enganeinander hockten die Musikanten auf ihrer Bühne. Der starke Lukas Schellnober blies den Baß, der Aumichel griff die Klarinette, der Spielmannfranz und seine Buben geigten. Und wenn die Musikanten rasteten, zirpte der Kanari, der aus dem Vogelhaus dem Treiben zuschaute. Die Bauernsohlen stampften die altbairischen Tänze. Der Glöckelbauer schwang die Iglin, der Igelbauer die Glöckelbäurin; der Holzhacker Longinus Spucht drehte wie besessen des Meßners Weib, derweil der Grazian gottergeben und mit niedergeschlagenen Augen die Spuchtin weit von sich hielt. Der Burgermeister tanzte mit der Burgermeisterin, der Müller mit der Müllerin. Der Dorfnarr sprang in Holzschuhen durch die Stube; zuweilen schlug er eine Blechstürze schallend an die Wand und schrie: »Ich bin ein Steirer!« Der Dullhäubel drängte eine junge Dirne in die Ecke. »Deine Zähne glanzen, Stasel,« schmeichelte er. »Mit Zinnkraut hab ich sie geputzt, Kasper.« »Du bist süß wie ein Zuckerstock, Stasel. Komm mit mir vors Haus und laß mich schlecken!« »Nein, nein, Bauer, draußen ist es mir zu finster, ich könnt mich wo anstoßen. Und du bist mir zu wenig treu.« »Ich hab ein kugelrundes Herz, es rollt von einer zur andern, Stasel. Heut zu dir.« »Ich dank schön,« sagte sie schnippisch, »ich bin kein Apfelbaum an der Straße, wo ein jeder Bub hinaufsteigt.« Die Fuxloher hatten ihre Bäurinnen ausgeführt, und auch aus Blaustauden und Grillenöd waren Gäste da, und sie sprangen und trampelten, schleiften und jauchzten und sangen grell durcheinander. »Musikanten, spielt die ›Sommerblume‹!« schaffte der Müller an. »Nein, das ›Wintergrün‹ will ich tanzen,« begehrte der Dullhäubel. Die Ausgedingler mischten in der Kuchel die Karten und spielten ein Spiel, das kroch so faul und endlos um den Tisch, daß die Sage recht haben mochte, einmal seien dabei vier Männer erfroren. Neben der Bodenstiege im Vorhaus schenkte der Wirt aus, vor ihm auf einem langen Tisch standen die Krüge der Tänzer. Alles drehte sich eben, niemand war im Vorhaus. Mit eiligen Augen nahm der Wirt den Vorteil wahr: er packte einen Maßkrug nach dem andern und goß das Bier durch den Trichter ins Faß zurück. Hernach lehnte er sich träumerisch mit überschlagenen Beinen und verschränkten Armen an die Stiege und wartete. Die Tänzer kamen mit den erhitzten Tänzerinnen und wollten trinken. Der Müller schrie:» Verflucht, da hat mir schon wieder einer das Bier ausgesoffen!« Der Lippenlix aus Blaustauden murrte bös: »Gerad ist mein Krug voll gewesen, und jetzt ist er leer. Wirt, das geht nit mit rechten Dingen zu.« Der Dullhäubel ließ sich frisch einschenken. Er kostete und spie aus: »Wirt, dein Bier ist abscheulich warm. Pfui Teufel!« »Geduldet euch,« tröstete der Wirt, »gleich wird frisch angezapft. Jetzt kommt das Faß, wo die schwarze Katz drauf sitzt.« Der Longinus Spucht stimmte das Rinaldinilied an. Er hatte einen rauhen, grimmigen Hals. Sein stockfinsterer Bart deckte die Brust weit hinunter, so daß er keinen Brustfleck brauchte. Wegen des finsteren Bartes war schon mancher Wandersmann umgekehrt, der den Spucht von weitem im Wald sah. Der Brunnkressenhannes setzte sich zum Dullhäubel hin. »Mein lieber Freund,« sagte er, »in der guten alten Zeit ist es anders gewesen. Ich wünsch mir nix mehr, als daß wieder ein so kräftiges Bier gebraut wird wie vormals. Wenn man das Glas ausgetrunken hat, ist der Boden noch schneeweiß gewesen vor lauter Faum. So kräftig ist es gewesen. Heut bringt kein Bräuer mehr einen rechten Faum zusammen.« Der Dullhäubel tat, als höre er nicht und kehrte sich ab. Da stupfte ihn der Hannes mit dem Ellbogen an. »Bauer, tu her ein Schnüpflein. Der Tabak ist ein magnetisches Pulver, das zieht die Nase an.« »Setz dich nit an meinen Tisch,« antwortete der Bauer grob. »Du bist nur ein Häuselmann mit einer Kuh.« »Lausig bin ich nit, daß du wegruckst von mir.« Der Hannes stand auf und trug beleidigt seinen Krug davon. »Freilich muß einer stolz sein, wenn er einen so großen Hof hat wie der Dullhäubel. Der Ofen allein ist dort so groß, daß der Bauer drei Paar Ochsen einspannen muß, wenn er die Bratschüssel aus der Röhre ziehen will.« »Ihr werdet wieder solang wörteln, bis ihr rauft,« mahnte der Wirt scharf. Der Longinus Spucht hub ein anderes Räuberlied an. »'s gibt kein schönres Leben auf Erden in der weit und breiten Welt, als ein Straßenrauber werden, morden um das liebe Geld.« Die Musikanten setzten an, und Jauchzen und Gepolter verdeckten seine grobe Stimme. Alles drängte zum Tanz. Als sich der Wirt wieder allein spürte, hob er gemächlich den Holzschlägel, womit er sonst die Piepe in die Fässer trieb, und schlug ihn dreimal dröhnend an die Bodenstiege. Dann gellte er in die Stube: »Leut, frisch angezapft hab ich!« und schenkte wieder aus dem alten Faß. Der Grazian huschte heran und trank. »Jetzt ist das Bier viel besser.« Der Spucht wischte sich erquickt den feuchten Bart. »Das Bier hat Kraft,« lobte er, »es raucht einem zur Nase heraus.« »Wirt, bring eine Zange her!« begehrte der Igelbauer. »Am Türstock steht ein Nagel heraus, die Burgermeisterin hat sich dran den Kittel zerrissen.« Doch der Lukas Schellnober hüpfte von seinem hohen Sitz herab und riß den Nagel mit den blanken Zähnen so gründlich heraus, daß schier der Türstock mitging. Alle staunten über die Gewalt, und der Lukas Schellnober stand da, stark wie ein Hebebaum. Nur der Dullhäubel winkte geringschätzig. »Mein Ähnel hat eine Pflugschar auseinander gebrochen und einen eisernen Haken mit dem kleinen Finger in die Mauer getrieben.« Da packte der starke Bläser den Prahler samt seinem Stuhl und hob ihn auf den Tisch, daß er zappelnd droben saß, und alle lachten und gönnten es ihm. Wütend kroch er herunter. Doch wußte er sich gleich wieder ein Ansehen zu schaffen, er zündete sich die Pfeife mit einem Guldenzettel an, schob sich den Hut ins Genick und schloß hochmütig die Augen. »Soll mir das einer nachtun in Fuxloh!« Die Leute hatten nicht lange Zeit, über den verbrannten Gulden zu staunen, denn der Spucht und der Grazian waren wegen ihrer Weiber in Streit geraten, und alles scharte sich um die zwei. Der Spucht war eifersüchtig worden und behauptete, der Meßner stoße beim Tanz häufig mit dem Knie an das Knie der Spuchtin. »Ich hau dich, Grazian, daß dir das Maul auf die Seite hängt,« drohte er und spickte die Drohung mit seinen finsteren Blicken. »Hau her!« trotzte der Grazian. »Hau erst du her!« begehrte der Spucht und wich einen Schritt zurück. Sein Bart sträubte sich. Dem Meßner schwoll das Herz. »Hast du eine Schneid, so wag dich an mich!« Er hob einen Stuhl auf und brüllte. Der Spucht duckte sich. Vom Faß her rief der Wirt: »Grazian, wenn du raufen willst, räum ich dich hinaus.« Der Narr tanzte täppisch zwischen die Streiter und sang die Worte: »Hofacker, Krautacker!« Ein anderes Lied konnte er nicht. »Recht hast du, Zusch, stift Frieden!« lobte ihn der Burgermeister. »Komm her, Narr, trink!« Der Dullhäubel hob das abgestandene Traufbier unter dem Faß weg und schwenkte es. Der Zusch trank mit stieren Augen. Dann spreizte der Dullhäubel die Beine auseinander. »Jetzt bedank dich, Narr, und schlief durch.« Da ließ sich der Zusch auf alle vier nieder und kroch durch. Seine Mutter kam in die Stube. »Wo mag denn mein armer Narr sein?« fragte sie betrübt. »Ich such ihn schon die halbe Nacht.« Als sie ihn dem Bauer durch die Beine kriechen sah, weinte sie in die Schürze und zog den Narren mit sich fort. »Den Kasper soll man hauen, bis er nach Feuer stinkt,« schalt der Müller. Der Dullhäubel aber mischte sich keck in den Tanz. Dabei sprang er wie ein Heuschreck, schaffte sich unbekümmert Platz und stieß die andern aus dem Weg. Den Lippenlix aus Blaustauden faßte er beim Knopf. »Du Schönbart bist mir auf die Zehen getreten, das Weh schießt mir bis zum Ellbogen herauf.« Mit einem Schlag stand eine Rotte Blaustaudner Burschen hinter dem Lippenlix bereit. Der zwirbelte sich den langmächtigen Schnurrbart und lauerte, er war ein stößiger Mensch, mit dem keiner gern anband. Der Dullhäubel schmeckte die Gefahr. »Nix für ungut!« schmeichelte er. »Was stellt ihr euch gegen mich? Reibt euch an dem Müllner! Der sagt allweil, in Blaustauden sind lauter rotaugige Menscher.« »Traut dem Kasper nit, er hat zwei Zungen in der Gosche,« warnte der Öchseltreiber Mathes aus Grillenöd. »Die Grillnöder rühren sich,« spottete der Dullhäubel. »Ist das wahr, Mathes, daß bei euch alle stehlen, nur der heilige Sebastian in der Kapelle nit? Der ist angebunden.« Der Bauer hatte die Lacher auf seiner Seite. Und der Lippenlix zwirbelte den schönen Bart und bekräftigte: »Die Grillnöder sind bekannt. Wenn sie Kirchweih haben, müssen sie in den andern Dörfern den Stall zusperren.« »Der Kasper setzt den Hut auf, wie der Wind hergeht, einmal so, einmal anders,« greinte der Öchseltreiber, fand aber kein Gehör. »Sing uns das Fuxloher Lied, Kasper!« verlangten die aus Blaustauden. Da krähte der Dullhäubel den Spott über sein Dorf. »Von hint bin ich fürher, vom schwarzen Laib Brot, kein weißes Brot eß ich nit, da brennt mich der Sod.« Dem Burgermeister schlug die Röte in den Kopf. »Du bist wie der Wiedehopf, Kasper, der beschmeißt auch das eigene Nest.« »Dreiunddreißig Menscher hab ich,« rief der Dullhäubel, »alle Jungfern von Fuxloh gehören mir, und alle Weiber sind mein gewesen.« »Jetzt haltst du das Maul!« schnarchte ihn der Igelbauer an. »Du willst mir was schaffen?« höhnte der Dullhäubel. »Wer bist du, und wer bin ich? Du treibst dreizehn Mäus auf den Markt. Einen Fleck Grund hast du, nit größer als ein Hosentürlein, und schon laßt du dich einen Bauer heißen.« Die Musikanten fingen schnell einen Ländler an und überlärmten die Schandrede des Dullhäubel. Den Ländler hatte der Müller bestellt und bezahlt, und er und die Ogath tanzten ihn allein, derweil die andern im Ring herum standen und zuschauten. »Der Gid reckt sich auf über uns alle,« stichelte der Dullhäubel. »Das ist keine Kunst, er hat das Geld, er stiehlt uns alle ab, uns Bauern.« »Dein Tanz hat keinen Schmiß, Müllner,« nörgelte der Lippenlix. »Er kann leicht das Geld ausstreuen,« spottete der Dullhäubel. »Seine Vorfahrer sind klug gewesen, sie haben ihren Kühen den vordern Leib abgehackt, der nur gefressen hat; den hintern Teil haben sie weiter leben lassen. Wegen der Milch und dem Dung.« »Hör nit auf seine Lügen und sein Plauderwerk, Gid!« bat die Ogath. »Und gehen wir heim!« Er schnitt ein Gesicht wie ein Gewitter und schwieg. Der Spucht saß im Flur beim Wirt, sein Deckelglas hinter dem dicken Bart versteckt, daß es die Spuchtin nicht merke. »Jetzt wird es erst schön,« freute er sich, »jetzt streiten sie gewiß.« Die kohlfinsteren Augen glühten ihm. »O die Jähköpfe!« klagte der Wirt. »Heut setzt es ein Unglück.« Drin in der Stube fing der Lippenlix an, dem Müller in den Weg zu tanzen, er taumelte plump vor ihm her, der Messergriff stand ihm zum Sack hinaus. Der Gid stellte ihn. »Begehrst du was?« »Von dir am letzten!« Da rief der Müller laut: »Wirt, die Halbe Bier sollt einen Zwanziger kosten, daß nit ein jeder Lauser sich eins kaufen kann, der es nit vertragt.« »Ich stürz dich um, Gid,« krächzte der Lippenlix. Der Wirt sprang zwischen die Männer. »Du Blaustaudner Schurimuri, braus nit so daher. Rauf dich daheim aus, wenn dich die Kraft juckt! Du unbändiger Stier du!« Der Lippenlix schob sich mürrisch zur Tür hinaus. Seine Spießgesellen rückten an einem Tisch zusammen und brüllten grobe, rauflustige Lieder. »Jetzt gehst du heim!« herrschte der Müller sein Weib an. »Du gehst mit, Gid!« Er zog die schweren Brauen zusammen. Da ging sie allein. -- Draußen vorm Wirtshaus zischelte einer auf den Lippenlix ein. »Da steigt er drin auf und ab wie der Hahn in den Gerstenhalmen, der Gid. Und uns laßt er nix gelten. Nur nix gefallen lassen, nur nit langmütig sein, Lix! Der Langmut zieht den Übermut ins Haus.« »Die Gall gießt sich mir aus,« stöhnte der andere. »Sei nit verzagt, Lix, und geh den stolzen Müllner an! Steif dich nur auf mich! Ich verlaß dich nit. Da schnupf einmal! Das ist ein Tabak aus den heißen Ländern, der hitzt und kräftigt. He, Bruder, wie heißt der Spruch? Erst schnupfen, dann hupfen, erst saufen, dann raufen.« Der Brunnkressenhannes wankte aus dem Haus und besang sich mit hoher Hirtenstimme schwermütig den Heimweg. »Wird mir dann die Zeit zu lang, sing ich einen Waldgesang, und verkriech mich in den Hecken, lehn mich an den Hirtenstecken und ergreif die Feldschalmei, dieses macht mich sorgenfrei.« -- Drin in der Stube rief der Dullhäubel: »Spielt auf, Spielleut, daß es schnalzt! Ihr dürft euch dafür den höchsten Baum in meinem Wald umschneiden. Aber der Herr Ägid Wilfinger darf nimmer mittun, der hat schon genug allein getanzt. Andre Leut sind auch noch da.« Da stoben die Weiber türaus, der Wirbel ordnete sich, und augenblicklich standen sich die Männer mit feurigen Augen und fertiger Faust in zwei Haufen gegenüber. Um den Dullhäubel sammelten sich die Blaustaudner und ein paar Fuxloher, die der Gid wegen des Mühlzwanges beleidigt hatte. Alles lauerte. Alles erwartete den ersten Wetterschlag. Nur die Musikanten blieben gleichgültig. Die Geiger tranken und schmierten den Fiedelbogen, der Klarinetter dudelte tiefsinnig für sich hin, und der starke Lukas Schellnober war schnarchend auf seinen Stuhl zurückgesunken. Der Lippenlix hub an. »Müllner, du bist rauschig, du kannst die Zung nimmer heben. Geh heim, leg dich nieder zu deinem Weib!« Und fauchend stieß er sein Messer durch den Tisch. »Müllner, du bist der Gescheitere, ich bitt dich, gib nach!« bettelte der Wirt. Der Gid vergilbte, als hätte er die Gallensucht. »Das ist noch nie geschehen, seit die Welt steht, daß sich hätt ein Mußmüllner heimschicken lassen wie ein Hütbub. Da grab ich mich eher lebendig ein.« »Er schneidet ein Gesicht wie neun Pfund Teufel,« hetzte der Dullhäubel. »Lix, laß ihm den Darm heraus!« Da klingelte es. Ein Stein flog aus der Nacht splitternd zum Fenster herein, er traf die Klarinette, und sie fuhr dem Aumichel in das Maul und stieß ihm einen Zahn aus. Das war das Zeichen. Jäh hoben sich die Fäuste. Der Burgermeister stürzte sich keifend zwischen die Raufer. Das Vogelhaus fiel von der Wand und zerbrach. Eilig tappte der Wirt nach dem Kanari und verwahrte ihn in der Bratröhre des Ofens. Über ihn schlug es wie ein wildes Wasser zusammen. Die Wirtin stieg auf einen Tisch und sprengte jammernd Weihwasser über den Kampf; aber die Tropfen halfen nichts, es hätte einer Feuerspritze bedurft. Alles packte zu. Worte flogen hin und zurück, spitz und scharf, wie wenn Stahl in den Stein beißt. Die Kartenspieler hatten ihre Trümpfe weggeworfen und tauchten in dem Wirbel unter. Der Dullhäubel trank indes im Vorhaus ruhig seinen Krug aus, wischte sich den Schnauzbart und ging, ohne zu zahlen, heim. Der Müller faßte den Lippenlix und drückte ihn ins Knie. »Ich schwing dich, ich lupf dich!« keuchte er. »Blut mußt du rotzen!« trotzte der Lix. Ein Stuhl krachte auf einen Schädel. Krüge wurden geschwungen, flogen, trafen, splitterten. Aus den Knäueln, die sich auf der Erde wälzten, tauchten Beine auf und strampelten. Einer schrie immer wieder: »Das ist heut eine Hetz! Das ist eine Hetz!« »Alle miteinander jag ich euch auf den Baum hinauf!« drohte der Spucht und floh zum Haus hinaus. »Ich hol den Schergen,« weinte, kreischte, brüllte, winselte der Wirt. Seine heiseren Schreie gingen unter. Die Spielleute sprangen von der Bühne in die Schlacht hinab und taten mit. Nur der riesige Baßbläser schlief seelenruhig und entrückt auf seiner Höhe. Das Getümmel wälzte sich hin und her, die Streiter redeten nimmer. Auf einmal wuchs der Lippenlix aus dem Wirrwarr heraus, mit dem Bierschlägel schlug er die Lampe von der Decke. Da war es stockhimmelfinster. Der Streit ging in der Finsternis weiter. Niemand suchte mehr einen Feind, jeder nahm den, der ihm in den Griff kam. Alles tobte. Keiner feierte. Der Longinus Spucht schrie zu dem zerbrochenen Fenster herein: »Himmelsakerment, wenn ihr nit bald aufhört, rauf ich auch noch mit! Das müßt mit schlechten Dingen zugehen, wenn ich nit ein paar umbrächt!« In höchster Not tappte sich der Wirt an der Bühne hinauf, er rüttelte den schlafenden Bläser. »Lukas! Still die Leut ab! Stift Frieden! Hau zu!« Der Lukas Schellnober fuhr schwerschlachtig auf, trunken vom Schlaf. »Wohin soll ich denn hauen?« »Hau gradaus! Hau, wohin du willst! Du triffst keinen Unrechten.« Der Riese riß das Mundstück von seinem Baßhorn und ließ sich in die tümmelnde Finsternis hinab. Er teilte mit dem Mundstück Hiebe nach links und rechts aus und schrie: »Hui aus! Hui aus!« Es war als käme eine Mauer daher. Heulend meldete sich, wen der Lukas mit seiner greulichen Kraft traf. Täumlig und toll suchten sie die Tür, fluchend, wimmernd quetschten sie sich hinaus. Bald war der untümliche Mann allein in der Stube. Der Wirt kam und leuchtete mit einer Kerze die Verwüstung an. Scherben und Blutlachen spiegelten, Bänke und Stühle lagen zertrümmert oder mit ausgerissenen Füßen, Öl stank. Durch die zerschlagenen Fenster stieß der Nachtwind herein. Die Musikanten fanden sich wieder ein. Der Lukas Schellnober saß ruhig droben auf der Bühne und putzte mit einem Holz das Blut und die Haare aus dem Mundstück. Dann schraubte er es wieder an den Baß, führte es zu den Lippen, und seine Gesellen stimmten ein und machten wieder zum Tanz lüstern. Zerschrammt und blutrünstig, struppig und zerfetzt, doch auch abgekühlt von der Nachtluft, befreit und friedsam kamen die Raufer wieder, die Weiber und die Dirnen blieben nicht aus, die Wirtin fegte die Stube rein, und bald drehten sich wieder alle in schönster Eintracht. -- Draußen kroch der Müller auf Händen und Füßen heim, mit zornzerrissenen Lippen, qualvoll, ohne Laut. Er hörte fern die Geigen und die Klarinette summen und den Baß stoßweise murren. Der Mond verschien, der Wald ward grau. Das Wichtel rief, der Totenvogel. Drei fürchterliche Stunden kroch er. Frühgeläut erklang. Die Sonne ging auf, sie schwamm wie ein gräßlicher Blutfleck im Dunst. Die Ogath kam aus der Mühle. Die Zunge ward ihr steif vor Schreck, als sie den Mann vor sich liegen sah, das Gesicht verfallen, die Stirn aschfahl, blutig. »Den Fuß hat mir einer mit dem Bierschlägel abgeschlagen,« raunte er. »Wer?« »Ich verrat ihn nit.« »O wärst du heimgangen mit mir, Gid! Reut dich denn deine Gesundheit nit?« schluchzte sie. »Ich reu mich um nix.« »O das ist ein Wehtag! O mein lieber Müllner, was haben sie mit dir angefangen?!« »Das tut nix,« sagte er gleichmütig. »Hätt ich den Bierschlägel gehabt, ich hätt ihm dasselbe getan.« * * * * * Nach langem Krankenlager ward der Gid vom Wundarzt wieder hergestellt. Aber er ging krumm. Auch sein Herz war verdüstert. Immer eigenköpfiger, immer wunderlicher wurde er, mürrisch hinkte er durch die Mühle. Dem rothaarigen Dirnlein, das um ihn aufwuchs, sah er mit argen Augen nach. Sein Weib redete er kaum mehr an. Es war schwer, mit ihm zu hausen. Den Gerechtigkeitsbrief hatte er sich ans Tor genagelt: alle Welt sollte sehen, daß er in seinem Recht gekränkt wurde. Aber die Welt kehrte sich nicht daran und schaffte ihr Malter zum Grillenmüller, der war ein lachender Mann. Im Wirtshaus kam es zu einem wilden Streit zwischen den Müllern. Der Grill schrie: »Fahrt ihm die alten Weiber hin, dem Gid! Das soll erzwungen werden, eine solche Zwangmühl brauchen wir.« »Dein Weib mahl ich zuerst, die hat es am nötigsten,« antwortete der Gid. »Die Ulla hat deine Mühl verhext, Gid,« spottete der Teufelmüller, »es fallt lauter Ratzendreck aus den Steinen heraus.«, Der Mußmüller grollte: »Red nur du nix von Zauberei! Deine Mühl hat der Teufel am Buckel daher gebracht. Kein guter Christ soll drin mahlen lassen. Und eure Mühlen sind nur Gaukelmühlen gegen die meine, mit einer Hand halt ich sie auf. Mit einer Hand, alle zwei auf einmal!« »Versuch es!« schrien die andern. -- In jener Nacht blieb die Grillenmühle stehen. Unterm Mühlrad lag der Gid mit zermalmtem Arm und zerdrückter Brust. Er hatte sein Wort gehalten. Sie legten den Leichnam auf eine Stubentür und trugen ihn heim zu seinem Weib. * * * * * Die Altbäurin Sodonia konnte nimmer. Man mußte sie speisen wie ein kleines Kind. Das Fleisch ward ihr offen vor lauter Liegen. Und weil sie nimmer schaffen und nimmer den Dienstboten nachgehen konnte, so wartete sie ungeduldig auf die Erlösung. Als ihre Stunde kam, stand der Dullhäubel demütig an dem Bettfuß. »Kasper, ich sterb,« seufzte sie. »Was wird aus dem Hof, wenn ich nimmer bin? Ich hab gespart. Wenn der Geier mir eine Henne erstoßen hat, bin ich ihm bis in den Wald nach. Ich bin geizig gewesen, keine Nuß hat man mir von unsern Haselstauden brechen dürfen. Ich bin ein Weib gewesen wie ein Sporn. Den Hof hab ich gehalten.« »Das weiß ich, Altbäurin,« wisperte er, »und ich dank dir dafür.« »Aber deine Mutter taugt nix,« tadelte die Alte. »Sie kann nur so weit zählen und rechnen, als ihr die Finger zu Hilf kommen. Am liebsten schlaft sie. Ordnung kennt sie nit. Mein Gott, wo soll sie denn die Ordnung gelernt haben?! Sie stammt aus einem Haus her, das ist mit Kuhfladen gedeckt. Ich bin allweil gegen die Heirat gewesen, aber der Isidor hat mir nit gefolgt. In der Seligkeit drüben werf ich ihm es noch vor, wenn ich ihn dort find. O es ist mir leid um den schönen Hof!« »Ich werd mich schon kümmern,« schluchzte er, »ich versprech es dir.« »Ach du!« winkte sie verächtlich. »Du hast die Faulheit von deiner Mutter geerbt. Allweil lehnst du in der Sonn umher und tust keinen Handstreich. Die Gurgel taufen und die Leut narren, das triffst du. Dein Leben stößt dich in Schulden. Schämst du dich nit vor den Leuten?« »Mich gehen die Leut nix an,« trotzte er. »So fürcht unsern Herrgott!« »Nach Fuxloh sieht er nit. Fuxloh liegt hinter dem Herrgott seinem Buckel.« »Du irrst dich, Kasper. Der Teufel äugt wie ein Stoßvogel. Hüt dich! Und tracht, daß du einmal am Himmelstisch essen darfst und trinken und des höllischen Feindes spottest. Ich will dich droben in der Seligkeit erwarten, und du mußt mir Rechenschaft legen über den Hof. Aber was nutzt meine Red? Du beutelst dich ab wie ein nasser Hund.« »Ich will mich verbessern,« sprach er zerknirscht. »Und noch eins, Kasper. Du bist jetzt ein gestandener Mann. Ein Weib tut dir not. Mit Schmerzen hab ich dir im Sommer zugeschaut, wie du den Graserinnen keine Ruh gegeben hast. Leugn es nit! Ich rat dir, nimm dir ein gutes Weib, die hausen kann! Wähl nit zu lang! Wer gar zu lang unter den Schaffen umgreift, erwischt zuletzt das Dreckschaff. Heirat nit so eine Flankin, die sich aufputzt und aufstutzt und sich am Werktag Löcklein und Schnecklein dreht! Nimm dir eine wie dem Mußmüller seine Wittib! Versprich mir es um des Hofes willen!« Er reichte ihr die Hand, und dicke Zähren rollten nieder auf seine hirschledernen Hosen. »Ich versprech es dir. Alles Gute versprech ich dir.« »Was heunst du denn?« beschwichtigte sie ihn. »Ich hab mir mit drei Dullhäubeln genug ausgestanden. Vergönn es mir, daß ich abgestandenes Weib aus Zeit und Leid in die ewige Freud hinfahr!« An einem glasheitern Herbsttag, die elftausend Jungfern spannen im Himmel die Altsommerseide, und gelbes Laub mengte sich in das müde Grün, da legte man die Altbäurin ins Grab. * * * * * Jetzt ging es auf dem Hof nimmer schön zu. Der Dullhäubel sorgte sich um nichts und führte seinen schlechten Wandel weiter. Knechte und Dirnen wurden säumig, da sie die Augen der Altbäurin unterm Rasen wußten. Das Vieh röhrte vergeblich um Futter, der Stall wurde nicht ausgemistet, das Korn nicht gedroschen, das Haus war voll Schmutz. Die Sanna, die Mutter des Bauern, wärmte sich den Rücken an dem grünen Kachelofen, schlief und aß und schlief wieder ein. Das Schicksal des Hofes rührte nicht an ihre schläfrige Seele. An einem Wintertag sagte sie zum Dullhäubel: »Bub, jetzt bin ich vierzig Jahr in der Fremd, jetzt verlang ich wieder heim zu meinen Leuten.« »Warum, Mutter? Es fehlt dir ja nix bei mir.« »Ich hab mich in euer Leben da nie recht eingewöhnt. Und ich will mich von der Fremd ausrasten. Am Sonntag führst du mich heim.« Sie ließ sich nicht halten, und er hielt sie nicht. -- Am Tag Pauli Bekehrung zog sich der Dullhäubel die Pelzhaube über die Ohren und schirrte das Roß vor den Schlitten. Darauf packte er Gewand und Federbett der Mutter und setzte sie warm darein. Nun fuhren sie bergan. Hoch noch über dem hochgelegenen Grillenöd mitten in Geröllhalden und struppigen Wäldern war die Heimat der Sanna, das Siebenschläferhaus geheißen, die einsamste Einschicht im Gebirg. Der Dullhäubel deutete mit der Peitsche hinauf. »Wird es dir nit zu rauh droben sein, Mutter? Droben ist es so kalt, daß sie am Tag vor der Sonnwend zum letztenmal und am Tag nach der Sonnwend zum erstenmal heizen.« Der Hagbutzdorn brannte im blanken Schnee, schlohweißer Nebel wob in den Tälern drunten. In den Ebereschen schnabulierten bunte Pestvögel, und Elstern schätterten durch die gläserne Stille. An einem Bildstock war zu lesen, daß an selber Stelle im Hochsommer ein Kohlenbrenner erfroren war. -- Der Siebenschläferhof war schwer verschneit. Keine Menschenspur führte hin, nur hie und da eine Hasenfährte oder ein Fuchsentritt. Die Fenster waren unter den angeflogenen Flocken erblindet. »Der Hof ist ausgestorben,« murmelte der Dullhäubel. »Kehren wir um!« Doch die Sanna deutete auf den Rauchfang. Ein ganz dünner, schier luftblauer Rauch stieg gleich schüchternem Atem auf und meldete Leben. Der Bauer klopfte an die Tür, an die Fenster. »Auf, der Dullhäubel ist da!« Es rührte sich nichts. Schließlich trommelte er mit einem Prügel an die Tür, daß der Wald rings hallte. Endlich schlurfte es drinnen im Flur. Die Tür wurde aufgeriegelt. Ein zottiger, graubärtiger Mann, die Augen voll Schlaf, trat auf die Schwelle und fragte: »Was -- was kommst du daher in dem stumpfen Wetter? Was -- was willst du mitten im Winter?« »Darf man dich nur im Sommer heimsuchen, Vetter?« Der Alte gähnte: »Schlaft der Igel, -- schlaft der Bär, - schlaft der Ratz. Die rechten Leut -- schlafen -- im Winter.« Drin in der Stube schliefen sie im Bett, auf dem Ofen, auf Bank und Truhe, die Bäurin und die Kinder. »Grüß dich Gott, Bruder!« sagte die Sanna. »Dich -- dich auch!« antwortete er und legte sich auf die Ofenbank. Die Erinnerung arbeitete schwerfällig in seinem Hirn. »Vierzig Jahr haben wir uns nimmer gesehen,« meinte sie, »das ist lang.« »Das -- das ist lang,« wiederholte er träumerisch. »Mein Bauer ist gestorben. Der da ist mein Bub, der Kasper.« »Der -- der Kasper,« kam der Widerhall. »Jetzt frag ich, ob ihr mich daheim laßt bei euch,« sagte die Sanna. Der Alte wies auf eine leere Truhe. »Leg -- leg dich nur nieder!« Der Dullhäubel wurde ungeduldig und schrie: »Ihr habt einen seltsamen Hausbrauch. Steht auf, Freundschaft! Kocht auf! Uns hungert. Und schlafen wollen wir nit.« Da regten sich die Schläfer, sie hoben die wirrhaarigen Köpfe und sperrten tölpisch den Mund auf. »Ist -- ist der Sommer da, weil -- weil der Star so hell pfigerzt?« lallte einer der Buben. Die Muhme kroch aus dem Bett und schob einige Knorren ins Feuer, da wachte auch der Ofen auf und murmelte in sich hinein. »Schlafen sie denn den ganzen Winter, Mutter?« staunte der Dullhäubel. »Was sollen sie Schöneres tun, wenn das Dreschen vorbei ist und sie die andere Arbeit vollbracht haben?« antwortete die Sanna. Die Muhme schob einen Topf auf die Platte und nickte. »Jetzt -- jetzt ist die ruhsame Zeit.« Die aufgeschossenen Burschen und die stämmigen Dirnen fletschten lachend die Zähne, stießen sich an und deuteten mit den Fingern auf den Dullhäubel. Er fragte die zwei Jungfern nach den Namen. »Bi -- bi -- bibiana,« stammelte die eine. »Ju -- ju -- juliana,« die andere. »Und wie schreibt ihr euch, Buben?« »Zy -- zy -- Zyprian.« »Bartholo -- mä -- mä.« »Ihr -- ihr -- habt eure schönen Namen noch nit gut eingelernt,« spottete der Vetter aus Fuxloh. Die Muhme entschuldigte ihre Brut. »Es -- es handelt sich alleweil nur ums erste Wörtel, um -- um den Anlauf. Magst -- magst du keine heiraten, Kasper, von -- von meinen Menschern?« Das Gewölk der heißen Suppe flatterte über den Tisch, daran die Siebenschläferleute mit breiten Ellbogen lümmelten. Sie holten die Blechlöffel hervor, die unter der Tischplatte an Riemen hingen, und dann lallte die ganze stotternde Sippe den Engelgruß. Die Alte fuhr mit einer zweizinkigen Gabel in die Schüssel und rührte um, während die andern die Suppe so ungestüm kalt bliesen, daß sie über den Rand wallte. Dem Dullhäubel kam ein zorniges Grausen an, er stand vom Tisch auf und ging zu seinem Schimmel hinaus und schaute ihm zu, wie artig er sein Heu fraß. Erst als er meinte, daß drinnen die Mahlzeit verschlungen sei, traute er sich wieder hinein. Die Siebenschläferleute leckten eben die Löffel ab, trockneten sie am Ärmel und hängten sie wieder unter den Tisch. »Jetzt -- jetzt schlafen wir weiter,« murmelte der Vetter. »Mutter, bleibst du wirklich da?« fragte der Dullhäubel. Sie nickte gähnend. Er griff nach der Tür. »Also gute Nacht, Freundschaft! Schlaft euch gut aus! In vierzig Jahren such ich euch wieder heim.« Und er sprang in den Schlitten und schnalzte mit der Geißel. »Renn, Schimmel, renn zu!« * * * * * Es war Feierabend. Der Schmied Sulpiz Schlagendrauf hämmerte noch dreimal auf den leeren Amboß, hernach räumte er sein Werkzeug auf, blies die Laterne aus, die von der gewölbten Decke hing, und reckte wohlig die langen, ausgearbeiteten Arme. Da stand der Dullhäubel im Mondschein an der Tür. Der Schmied mochte ihn nicht leiden. Als er einmal mit seinem Weib gestritten hatte, war der Dullhäubel wetterläuten gerannt. »Du könntest auch bei Taglicht kommen,« greinte der Sulpiz, »Soll ich dir den Schimmel beschlagen? Oder das Hirn?« »Plaudern möcht ich mit dir.« Der Bauer redete süß wie eine Flöte. »Nur plaudern. Die Zeit wird mir zu lang in der Finsterweil. Und von dir lernt man was. Du bist ein gewitzigter Mann, hast schon drei Weiber begraben.« »An die Wand hab ich sie gemalt, die Gespenster, zum ewigen Andenken,« lachte der Schmied und trat den Blasbalg. In der Esse loderte es auf und erhellte das Gewölb. Drei greuliche Weiber waren mit Ruß an die Mauer gezeichnet: sie hatten Krallen an den Fingern und Fangzähne im Maul, glotzende, schlimme Augen und zerstrüpptes Haar. Es war ein übler Anblick. »Mit welcher von den dreien hast du es am schönsten gehabt?« fragte der Dullhäubel. Der Sulpiz Schlagendrauf griff auf ein Mäuerlein und brachte drei Holzäpfel. »Beiß in den hinein!« Der Bauer kostete. »Pfui Teufel, ist der sauer! Den Atem nimmt es mir.« Der Schmied hielt den zweiten Apfel hin. »Versuch den!« »Das Maul reißt es mir auseinander, den Schlund zerschneidet es mir!« fluchte der Dullhäubel. »Friß den dritten!« »Gelts Gott tausendmal, Sulpiz! Ich kann nimmer. Ich mag mich nit vergiften.« »Verstehst du jetzt, Junggesell, wie es mir notgedrungenem Ehemann dreimal ergangen ist? Die erste ist lang und hager gewesen, die zweite kurz und dick, die dritte nit klein, nit groß, nit dick, nit dünn. Es ist aber ein Teufel wie der andere gewesen. Das bravste Weib heißt Luder, den andern ihre Namen darf ich nit verraten, sonst zerreißen sie mich.« Ein altes Männlein schlüpfte in die Werkstatt herein. »Grüß Gott, Hammer und Amboß! Ich hab gerad jetzt dein Feuer aufleuchten sehen. Eine Bitt hab ich.« Er knöpfte den Brustfleck auf und zog einen Ziegel herfür. »Wärme mir ihn, Schmied! Ich trag allweil den lauwarmen Ziegel am Bauch, das tut mir so gut für mein inwendiges Leiden.« Der Sulpiz Schlagendrauf legte den Ziegel an die Glut. Und wieder in die alten Zeiten versunken, brummte er: »Das größte Leiden ist ein Weib. Es ist ein Höllhaken, es zischt wie das Fegfeuer.« Das Männlein luchste hin. »Willst du wieder heiraten, Meister Ruß? Oder du, Dullhäubel?« »Ich nit,« ächzte der Schmied. »Ich schon gar nit, Didelmann!« rief der Dullhäubel. »Kasper, dich juckt es,« redete der Sulpiz. »Aber hör auf mich! Es gibt keinen Mann, der das Heiraten nit tausendmal bereut. Der Pfarrer Hurneyßl selber hat gepredigt, daß so mancher bei seiner Hochzeit glaubt, er greift nach der Zuckerbüchse, aber derweil erwischt er die Pfefferbüchse.« »Der Pfarrer hat leicht schelten,« antwortete der Dullhäubel, »der hat eine steinrabenalte Köchin bei sich.« »Kasper, du bist ein lediger Bursch, du kennst die Weiberleut nit. Die kennst du erst, wenn du mit ihnen verheiratet bist. Vor der Hochzeit ist eine jede wie eine zugedeckte Schüssel.« Der Didelmann nahm den Ziegel vom Feuer, schob ihn wieder unter den Brustfleck und erzählte dabei: »Anno eins, wie der große Wind gegangen ist, haben wir einen Bären gefangen. Der hat uns viel Schaden getan, drum haben wir uns beraten, was die grausamste Straf für das Vieh wär. Da ist ein uralter Mann aufgestanden, Irg Kolroß hat er sich geheißen, und der hat gesagt: ›Laßt den Bären heiraten!‹ Der Alte ist nit der Dümmere gewesen.« Kichernd schlüpfte der Didelmann aus dem Gewölb. »Der eine redet hü, der andere hott,« seufzte der Dullhäubel, »ich kenn mich nit aus mit dem Heiraten.« -- Das Frühjahr kam, die Bauern legten die Fäustlinge ab und schnitten das Moos von den Bäumen. Das Gras nahm zu. Da rannen die Maibrünnlein, der Hahn balzte und krugelte, der Wendehals rief schmachtend »woid, woid« und verrenkte sich vor Verliebtheit schier den Kragen. Der Guckauf raufte und hochzeitete. Lau wurden die Nächte, und der Mond schaute scheinheilig drein. Wenn der Dullhäubel nachts auf den Schemel stieg, das hochgerüstete Bett zu erklettern, seufzte er: »Das Himmelbett ist mir viel zu breit.« Er wälzte sich ohne Schlaf, und das Blut zuckte ihm. -- Einmal ging die Spuchtin an seinem Hof vorbei, sie schleppte einen Korb Klaubholz aus dem Vogeltänd. Der Dullhäubel stürzte ihr nach, den Atem verschlug es ihm schier. »Holzhackerin, komm heut noch einmal in den Wald, ich schenk dir einen dürren Baum. Komm aber allein! Ich helf dir ihn abschneiden.« Sie sah ihn mitleidig an. »Bauer, ich dank schön für den Baum. Ich hol ihn morgen mit meinem Mann. Aber du, Bauer, brauchst eine, die dir das Bett schön macht und emsig und zutätig deine Wirtschaft zusammen haltet. Heirat bald! Dann wachst dir ein nagelneues Herz.« »Ich weiß mir keine,« sprach er betrübt. »Nimm die Ogath!« -- Der Dullhäubel träumte wieder schwer. Ein sagenhafter Urvater erschien ihm, auf dem Kopf eine kleine rote Haube mit einer baumelnden Dulle daran, und der gebot ihm, das Geschlecht der Dullhäubel schleunig fortzupflanzen. Und wenn der Bauer nächtens heimkam und der Mond im Vollschein stand, da war ihm, es stünden auf dem Lichtboden des Gehöftes die verstorbenen Vorfahrer Pankraz, Servaz und Bonifaz, die Bärte bereift wie die Eismänner, und der Isidor mit der kupfernen Nase, und sie drohten herab auf den unfruchtbaren Nachkömmling. * * * * * Die Ogath verlebte trübe Zeiten. Der alte Müller war jetzt Herr im Haus. Mit kalten Augen, mürrischem Maul schlich er durch die Mühle und raunzte den lieben Tag über Wind und Wetter, es mochte heiter sein oder trüb. Und immer härter geizte er, sie und ihr Kind sollten nur Erdäpfel essen und sauere Milch, und wenn sie im Winter die eisige Stube heizen wollte, riß er ihr das Scheitlein Brennholz aus der Hand. Die Mühle ging immer öder und grämlicher, ewig gleich hob sich das Geschäufel aus der Tiefe, mühselig, in schwerfälliger Gewalt, grünlich triefend, und versank wieder. Immer öder kamen und sanken der Ogath die Tage. Sie wurde des Lebens verdrossen. Als sie dem Alten einmal vorwarf, er lasse sie und das Kind hungern, lachte er hämisch. »Seltsam, seltsam, wie malefizblond dein Dirnlein ist! Schier wie dem Dullhäubel sein Bart.« Da ward sie still und schaute das Kind lange in Gedanken an. Am selben Tag noch machte sie sich gegen Kaltenherberg auf, sie wollte sich mit den Eltern beraten. In der Mühle hielt sie es nimmer aus. Am Weg begegnete ihr der Narr. Eine bunte Schürze, die er um den Hals gebunden hatte, hing ihm am Rücken nieder. Er breitete die Arme aus wie der Pfarrer am Altar und sang lateinisch. Die Ogath duckte sich hinter einer Kranwitstaude. Sie wußte, daß er kürzlich seine Mutter gezwungen hatte, in den Kleiderkasten zu steigen, den Kasten hatte er dann umgeworfen und die Frau drin besungen wie eine Leiche im Sarg. Doch seine gefährlichen Augen hatten die Ogath schon erspäht. Mit ein paar lächerlichwilden Sprüngen stand er vor ihr und krächzte: »Knie dich hinein in den Dorn, Maria!« Zitternd folgte sie ihm. Sie fürchtete die flackernde Unruhe in seinem Blick. Und als sie mitten im stechenden Busch kniete, raunte er: »Jetzt bin ich der Erzengel. Ich will dich segnen unter den Weibern. Aber zuerst schneid ich dir das sündhafte Haar ab.« Er wetzte sein Messer am Knie. Furchtbar schrie sie auf vor Angst. Was mochte der irre Mensch vorhaben? Da kam der Dullhäubel den Hang vom Vogeltänd herunter gelaufen. Von weitem schrie er: »Stocknarr, ich erschlag dich!« Der Zusch warf sich ihm zu Füßen und winselte, er möge ihn leben lassen. Totenblaß kroch das Weib aus dem Strauch. »Händ und Knie sind mir wund, der Kittel ist zerrissen,« weinte sie. »Alle Bitternis muß man sich gefallen lassen, wenn man keinen Mann mehr hat. Fallt ein Stein vom Himmel, so fallt er auf eine Wittibin.« Der Dullhäubel senkte die Augen. »Wie geht es dir, Ogath? Ich hab dich schon lang nimmer gesehen.« »Es ist redlich drei Jahr her, daß ich im Wittibstuhl sitz,« erzählte sie. »Dem Alten muß ich den Mühlknecht machen, und in der Nacht kann ich nit schlafen, so arg treiben es die Ratzen. Ich will davon, mit Zähren feucht ich meinen Weg. Zu meinem Bruder will ich, will das Herrgottelschnitzen lernen.« Verlegen striegelte sich der Bauer durchs Haar, er schrumpfte fast zusammen vor dem großen, ernsten Weib. Er stammelte: »Heut wär mir schier die Scheuer abgebrannt, die Dirn hat die glühende Asche hinausgeworfen. Ogath, mein Hof braucht eine Bäurin.« »Willst du wieder einen Heiratsbrief schreiben?« antwortete sie herb. Sie kehrte zur Mühle zurück, in zerrissenem Gewand wollte sie nicht vor die Ihren treten. Der Bauer schlich neben ihr her und redete nichts. Über den Steg kam ihr das Dirnlein entgegen. Die Ogath atmete schwer auf, als sie den roten Zopf ihres Kindes glänzen sah. »Dullhäubel,« sagte sie, »nur einmal in deinem Leben red die Wahrheit! Ist das dein Kind?« »Ja!« wisperte er zerknirscht. »Die Schand muß zugedeckt werden,« sprach sie. »In drei Wochen heiraten wir.« [Illustration] Der graue Sünder. Der Dullhäubel hatte die Ogath heimgeführt. Sie war fleißig und ernst, hielt den Hof fest in der Hand und gebar ihm zu dem ersten Dirnlein noch elf andere, allesamt rothaarig. Er war ein Mann in den besten Jahren worden. Das Haar hing ihm tief in die pfiffig gerunzelte Stirn, über den kleinen Augen hafteten die Brauen wie rote, borstige Raupen, der Fuchsbart deckte ihm Kinn und Lippen. Die Nase war ein wenig schief gebogen. Denn er schnupfte weit eifriger als früher, und der Tabak, wie er ihn vormals genossen, schmeckte ihm nimmer, er war ihm zu mild. Drum mischte er ihn jetzt nicht nur mit Schmalz, daß er sich binde und nicht so leicht zerstäube, sondern er rieb auch Glasscherben drein, daß er die Nase schärfer angreife und das Hirn aufrüttle. Der also verstärkte Schmalzler scheuchte ihm die Sorgen, die ihm seine Schelmenstücke eintrugen, und tröstete ihn, wenn ihm die Bäurin das Gewissen riegelte, oder wenn ihn der Blaumantel mit seinem höllischen Blick durchbohrte. Denn trotz seiner Jahre kam der Dullhäubel nicht aus der Bubenhaut heraus, sein Kopf wimmelte voll schabernackischer Pläne, und die Lust, dem lieben Nächsten ein Schwänklein und Schwänzlein anzubinden, verringerte sich ihm nicht. * * * * * Einmal schlachteten sie im Dullhäubelhof eine Sau. Da wollte sich der Bauer von der Arbeit wegschrauben und meinte, er habe in der Stadt zu tun, er müsse dort in die Steuerstube schauen und dem Marktpreis nachfragen, und am Heimweg wolle er das Kalb mitbringen, das die Bäurin in Blaustauden gekauft hatte. In Hirschenbrunn kehrte er in jedem Haus ein, wo der Herrgott den Arm herausstreckte, horchte scheinheilig den Reden der Stadtleute zu und ließ sich erzählen, was in den Zeitungen gedruckt war. Eine hübsche Weile stand er vor einem Arzneiladen und überlegte. Hernach trat er ein, den Schmalzler auf dem Handrücken, schaute sich lange um, starrte einfältig das Krokodil an, das, an die Decke gekettet, scheußlich nach ihm herabfletschte, schnupfte ausgiebig, schaute sich wieder um und wackelte tölpisch mit dem Kopf. Geschäftig fragte der Apotheker: »Was begehrt Ihr? Dachsschmalz? Regenwurmöl? Mausohrsaft? Pfefferminz?« »Du hast es wohl nit, Wurzelkrämer,« sagte der Bauer schüchtern und drehte den Hut in der Hand. »Wollt Ihr Schwefel? Kupferwasser? Ein Quintel Weinsteinöl? Salniter? Salarmoniak? Eine Wagenschmiere? Eine Handsalbe?« Der Dullhäubel sah den Apotheker tiefsinnig an. »Ich krieg es wohl nit da herin,« murmelte er. »Besinnt Euch, Vetter! Hat Euch der Doktor einen Giftzettel geschrieben? Braucht Ihr eine Kropfschmiere? Eine Laussalbe? Ein Windsäftlein fürs Kind?« sprudelte der Mann hinterm Ladentisch. Der Dullhäubel horchte ihm ehrfürchtig zu, und als dem Apotheker der Atem ausging, faßte er die Klinke, schnitt ein Koboldsgesicht und sagte: »Also behüt dich Gott, Wurzler! Einen Peitschenstecken hätt ich gebraucht.« -- Gemächlich ging er heim. In Blaustauden suchte er den Burgermeister auf, von dem hatte die Ogath ein Kalb, dessen braunscheckiges Fell ihr wohl gefiel, zur Aufzucht erstanden. Als der Mittag ausgeläutet ward, zog der Dullhäubel, den Burgermeister am Arm und das Kalb leitend, durchs Dorf. Auf der Brücke hielt er an und begann grell zu singen: »Die Blaustaudner läuten, sie läuten vor Not, sie fangen den Bettelmann und nehmen ihm 's Brot.« Der Burgermeister vermahnte ihn: »Sing das nit, Freund! Sing ein anderes! Und überleg dir, mit wem du gehst! Ist dir nix heilig?« Dem Dullhäubel war nichts heilig. Er packte das Kalb am Ohr und redete ihm hinein: »Merk auf, Burgermeisterlein! Wie der Teufel den Heiland versucht hat, hat er ihn auf den Lusen geführt, und von dem Berg aus hat er ihm die ganze Welt gezeigt. Aber Blaustauden ist ihm zu rußig gewesen, das hat er verstecken wollen und hat geschwind seinen Schweif darauf gelegt.« Da schellte der Burgermeister dem Spottvogel eins hinter die Ohren, daß dem der Hut in den Bach flog, und lief schleunig davon. Der Dullhäubel stand da, das Kalb am Strick, und mußte den Widersacher rennen und den Hut schwimmen lassen. Als er am Freithof vorüber trieb, stieg gerade der Totengräber aus einem Grab. Der versuchte, einen breitkrempigen Filzhut auf den Kopf zu setzen, aber der Hut war ihm zu weit und sank ihm bis zum Maul herunter. »Staches, zu dem Hut mußt du dir einen größern Schädel anschaffen!« riet der Dullhäubel. »Ich hab den Filz jetzt gefunden,« sagte der Staches, »in deinem Ähnel seiner Grube ist er gelegen. Ja, der Bonifaz muß heraus, er hat lang genug gerastet. Unserm Rauchfangkehrer muß er Platz machen.« Der Bauer band das Kalb an einen Stein, darein das Bild einer Pfarrersköchin gemeißelt war, den Kochlöffel in der Hand. Aus dem geöffneten Grab grinste der Schädel des Bonifaz herauf, die Pfeife war ihm noch unverwest ins falsche Gebiß geklemmt, das der Ähnel selber sich aus einem Rindsknochen geschnitzt hatte. Der Dullhäubel setzte den Hut auf, der der Verwesung so tapfer widerstanden, und er paßte ihm wie angemessen. »Der Alte braucht ihn nimmer,« sagte er, »ich nehm ihn mit. Die Pfeife drunten aber kannst du dir nehmen, Staches.« Dem Totengräber grauste. »Vergelts Gott, ich trag kein Verlangen darnach.« Der Bauer zerrte das Kalb weiter, und oft tappte er nach dem Hut, den ihm der Ähnel zur gelegenen Zeit aus der Ewigkeit geschickt hatte. Ein Haus sperrte ihm den Weg, das trug den einladenden Spruch überm Tor: Das ist das Wirtshaus an der Straßen; wer einen Durst hat, kann hier einen lassen. Und weil der Dullhäubel himmelblau gelaunt war, zog er das Kalb mit sich in die Stube und band es an den Tischfuß. Die Wirtin saß gerade beim Nähzeug und riß die Augen auf ob der seltsamen Gäste. »Siebenkittelwirtin, schenk ein! Dem Zöpfel da,« der Bauer deutete auf das Kalb, »gibst du einen Kirschgeist!« Auf der Bank unter dem schräg vorhängenden Spiegel lungerte der Lippenlix und strich sich den stolzen Schnurrbart. »Sitz her, Kasper!« sagte er. »Geld hab ich wie ein Sautreiber. Spiel mir es ab!« »Ich mag nit, Schönbart.« »Wirtin, schaff Karten her!« begehrte der Lix. »Spielen wir Grünoberfangen um drei Zündhölzer! Oder willst du färbeln? Oder lampeln?« Er fuhr ganz wild über die Karten her, mischte sie, ließ abheben und gab aus. Sie trumpften auf den Tisch. »Und da hast du eine Eichel!« »Und da friß den König!« »Und heraus mit der Schellensau!« So flog es hin und zurück. Die Karten aber, die der Lix wie einen Fächer in der Hand faltete, malten sich in dem Spiegel ab, der über ihm sanft geneigt hing, und der Dullhäubel luchste heimlich empor und sah droben alle Trümpfe, die der andere in der Hand hielt, und gewann darum Spiel auf Spiel. »Wie geht das heut zu?« staunte der Lix. »Aber ich hör nit auf, und wenn ich meine hundshäutenen Hosen ausziehen und nacket heimrennen muß.« Es wurde finster. Die Wirtin zündete die Kerze an. Das Kalb wurde unruhig und blökte. Der Lix setzte das letzte Sechserlein dran und verlor. Er schalt Gott und alle Heiligen. »Du Raubersknecht, keinen zerbrochenen Groschen hast du mir lassen, das ganze Geld schatzt du mir ab. Der Teufel soll dich vom Abtritt wegholen! Es ist Zauberei dahinter. Gib das Kalb weg, oder ich erstech es!« »Dem Zöpfel tust du nix, Schönbart,« sagte der Dullhäubel und strich den Gewinst ein. »Ich bin satt. Ich geh heim.« »Oho, weil ich jetzt gewinnen könnt, gehst du davon, du Fuchs aus Fuxloh? Noch einmal spiel mit mir! Die Haut zieh mir auch noch ab! Wirtin, streck Geld für!« »Dir nit,« schnippte sie. Er setzte seine Uhr ein samt der Kette. Unwillig tickte sie am Tisch. Das Kalb plärrte, der Dullhäubel gewann. Der Lix ließ das Maul hangen. Auf einmal starrte er wild unter den Tisch. »Hast du nit einen Roßfuß? Du gewinnst ja wie der Teufel selberst. Und noch einmal spielen wir. Meinen Bart setz ich ein, es ist niemanden in der Pfarre ein schönerer gewachsen.« Mit zitternden Fingern mischte er. Herz war Trumpf. Der Dullhäubel hielt alle Trümpfe in den Händen und warf sie kichernd auf den Tisch. Dann griff er in das Nähzeug der Wirtin um die Schere. Der Lix riß die Augen auf wie eine gestochene Geiß. »He, willst du meinen Leib schänden, jetzt, wo du mich ausgeraubt hast?« Der Dullhäubel ergriff den schönen Schnurrbart. »Halt dich, Lix! Zahl deine Schuld! Zahlen bringt Frieden.« Und ehe sich der Lix aus seiner Versteinerung erholte, hatte er ihm den Bart links und rechts weggeschnitten und ins Kerzenlicht gehalten, wo das Haar mit übelm Geruch verbrannte. Jetzt heulte der Verstümmelte auf und ward inne, was er verloren hatte. Der Dullhäubel war mit dem Kalb schon an der Luft, und weil er ein wenig schwankte, riß er einen Stecken aus dem Zaun und stützte sich darauf. Hoher Sommer war es. Der Hundsstern ging auf, verschlafen schaute der Mond in die Welt. Im Wald drin rastete der Bauer, er stieß den Stecken in den Grund und band das Zöpfel dran. Dann warf er sich neben dem Weg ins Moos. Er mochte wohl ein wenig eingenickt sein, als er aufschrak. Eine Dirne kam daher, jung und flink wie ein Wiesenwasser. »Wohin denn in aller Nacht, du Allerschönste?« fragte er. »Zum Bader um einen Blutegel,« erwiderte sie. »Ist das der richtige Weg?« »Schleun dich nit so! Wer ist denn krank?« »Dem Vater schwärt der Zahn. Du wirst ihn ja kennen, den Lukas. Ein Musikant ist er. Er haltet es nimmer aus vor Weh.« »Der Lukas soll zum Fuxloher Schmied gehen, der reißt ihm zwei Zähne mit einem Griff,« riet der Bauer. »Mein Vater hat schon alles versucht. Mit einem glühenden Nagel hat er sich den Zahn ausgebrannt. Es hat nit genutzt. Den Bart hat er sich wachsen lassen gegen das Weh. Mit einem Strick hat er den Zahn dem Stier an den Schweif gebunden; der Zahn hat sich nicht geruckt, eher wär dem Vieh der Schweif abgerissen.« »Setz dich her, Dirn!« lud er sie ein. »Wie heißt du denn?« Sie ließ sich zu ihm ins Moos hin, sittsam deckte sie die Füße mit dem Kittel zu. Der Mond lugte ihr in das derbe, frische Gesicht. »Müd bin ich,« sagte sie, »übers Gebirg hab ich müssen. Mechel heißen sie mich daheim, der Schulmeister hat mich Mathilde Schellnober geschrieben. Und wer bist denn du?« Er dachte ein wenig nach. Dann sagte er unschuldig: »Aus Blaustauden bin ich. Ein Tischlergesell. Franz bin ich getauft. Nach dem heiligen Franziskus.« Er tastete nach ihrer Hand, sie zuckte nicht zurück. »Bist du brav, Tischler?« fragte sie. »Freilich. Bei Tag und Nacht bin ich brav. Nur mit den Weibern bin ich ungeschickt. Ich kann nit lügen, drum mag mich keine.« So redete er sanft und traurig. »Das ist kein Fehler,« tröstete sie. »Mein Geschäft braucht ein Weib, ich möcht mich selbständig machen. Weißt du mir keine, Mechel?« »Ich wüßt genug, aber ich sag dir sie nit.« »Warum denn nit, Mechel?« Er drehte den Kopf wie ein girrender Tauber und schmeichelte: »Du bist so sauber, dein Bild will ich auf alle Truhen malen.« »Es sind schon noch schönere Dirnen im Wald,« antwortete sie kurz. Unruhig rückte sie hin und her. Schnell legte er ihr den Arm um die Hüfte. Sie stieß ihn von sich. »Ich muß zum Bader. Sonst verzieht sich der Weg hoch in die Nacht. Und das hab ich von der Mutter sagen hören, daß die Mannsleut alle falsch sind. Du drehst dich um und liebst eine andere.« Er legte die Hand auf den Brustfleck. »O, du kennst mich nit. Ich bin treu wie der Tauber der Tauberin.« Sie musterte ihn scharf. »Ganz jung bist du nimmer,« sprach sie. »Im besten Saft steh ich, Mechel. Schön bin ich nit, aber heikel.« »Mein Heiratsgut ist gering, Tischler,« meinte sie zaghaft. »Der Vater ist ein Musikant; was er verdient, vertut er.« »Wenn du nur eine buchsbaumene Bettstatt mitbringst!« spaßte er. Das Kopftuch zog er ihr herab und krauelte ihr lind das krause Haar. »Meine Zöpfe sind gelb,« lächelte sie, »ich wasch sie jedes Frühjahr mit Märzenschnee.« Er packte das baumfrische Kind fester. »Mechel, spreiz dich nit!« bettelte er. »Du bist aber hitzig, Franz,« lispelte sie verschämt. Schneidiger griff er nach ihr. Da blitzte das Mondlicht an seinem Finger. Sie schnellte schreiend auf. »Tischler du tragst einen Ehring!« Er wurde demütig, seine Stirne krauste sich. »Im Witstand bin ich, Mechel, im Witstand. Der Herrgott hat sie mir hingenommen. Niemand kocht mir, niemand macht mir das Bett.« Die Stimme knickte ihm. Sie wurde neugierig. »Woran ist sie gestorben?« »Ich hab gehört, am Rotlauf.« »Hast du gut mit ihr gelebt?« »Ich hab nit bei ihr liegen wollen, sie hat kalte Füße gehabt. Ja, ein Wittiber bin ich, und das ist mein einziger Tadel.« Die lieben, dummbraunen Augen der Mechel glänzten voll Mitleid. Und er merkte es und riß sie zu sich hin und herzte und halste sie, bis sie ganz wirr bat: »Tischler, hör auf! Du bringst mich in die Lieb, und ich bin noch zu jung dazu.« Droben schoß ein Stern über den Himmel, Johanniskühlein flogen glimmend. »Laß ab, Tischler! Die Buben werden mir einen ströhernen Mann aufs Dach setzen. Die Schand begehr ich nit. -- Und wenn einer daherkommt!« »Wer wird denn gerad jetzt unterwegs sein!« tröstete er. »Es rührt und reibt sich nix.« Sie rang mit versagender Kraft gegen ihn. »Ich heirat dich ja. Und wenn du mich gern hast, der Himmel fallt nit ein,« zischte er. Da stapfte es den mondverdämmerten Weg daher, Steine rollten, ein Stecken klang an einen Fels. Die Mechel sprang auf und rauschte wie eine gehetzte Hirschkuh ins Gebüsch. Die alte Ulla humpelte mit der Geiß daher. »Verdammte Nachthex!« brauste der Dullhäubel sie an. »Verspätet hab ich mich. Die Geiß hab ich zum Bock geführt,« sagte sie bang. »Geh geschwind heim, dein Kater will gemolken sein. Er gibt dir täglich zwölf Seidel Milch, dir Nachthex.« »Bauer, du machst mich schwarz,« flehte sie. »Die Kinder spotten mir schon nach ›Hex! Hex!‹ Die Leut speuzen aus vor mir und verriegeln die Tür, wenn ich betteln komm. Und ich bin doch nur ein überständiges Weib und kann nimmer essen, nimmer schlafen.« »Aber hexen kannst du,« rief er unbarmherzig. »O du gar schlimmer Mann, was feindest du mich an? Unschuldig bin ich, der Blaumantel kann es mir bezeugen. O die Welt ist voller Angst und Nöten! Und man kann sich kaum aufrecken bei der teuern Zeit, kaum schnaufen kann man.« Ein toller Schwank war dem Dullhäubel durch den Kopf geschossen. »Hexen kannst du,« bestand er. »Du verzauberst den heiligen Blaumantel selber. Ruf ihn um die Mitternacht. Dann stürzt er dir ins Haus. Versuch es!« Er rannte in das mondscheinige Gebüsch der Mechel nach. Sie war nimmer zu finden. -- Als er zur Kapelle kam, räusperte es sich droben im Föhrenbaum. Zwei dürre Beine schlotterten vom Ast. Der Dullhäubel schlug ein Kreuz. »Wer sitzt da droben?« »Ein Schlaghäusel richt ich auf für den Mondschein,« erwiderte es. Es war der Narr. Der Bauer atmete auf. »Gehustet hast du wie ein krowatischer Schuster, Zusch.« »Ich bin Rudolf von Habsburg, der Sohn Josefs des Zweiten,« sagte der Narr feierlich. »Steig herunter, Zusch, du erschlagst dich!« »Ich sterb nit. Ich werd hundertfünfundzwanzig Jahr alt und fahr dann gleich ins Himmelreich, weil ich eine reine Jungfrau blieben bin.« »Die Nacht ist nit warm,« hub der Dullhäubel listig an, »sogar dem Blaumantel scheppern die Zähne vor Kälte.« Der Narr fuhr wie ein Eichkater von der Föhre herab. »Ich zünd ihm die Kapelle an, dem Heiligen, daß er sich die Händ wärmt,« murmelte er. Stumpf lagerte der Blödsinn auf seiner Stirn, doch seine Augen zündelten. »Große Hitz tut dem Blaumantel nit gut,« lenkte der Schelm ein. »Trag ihn lieber, wenn der Nachtwächter zwölf schreit, der Ulla in die Hütte und leg ihn zu ihr ins Bett, dort erwärmt er sich gewiß.« Der Besessene nickte und kletterte in die Kapelle. Da lachte sich der Bauer in die Faust und ging ins Dorf hinauf und klopfte den Wirt wach. Der tat ihm mürrisch auf, stellte ihm einen gesalzenen Fisch und ein paar Flaschen Bier hin und legte sich wieder ins Stroh. Der Dullhäubel trank allein im Mondschein. -- Indessen hatte die Ulla ihr armseliges Bett bereitet. Sie lag ohne Ruhe, die Reden des Bauern hatten ihr das kleine Hirn ganz gar und verwirrt. War sie vielleicht doch, ohne es zu wissen, eine Gabelreiterin? Sie dachte mühselig nach, ob ihr nie etwas zugestoßen, was nicht geheuer gewesen. Aber ihr enges Leben lag schlicht und ohne Rätsel vor ihr. Lang quälte sie sich ab und flüchtete schließlich vor sich selber in den Schlaf. Da träumt ihr, sie flöge über das Land hin. Tief unten lagen Kirchturm und Freithof, Häuser und grasendes Vieh. Über den Wald flog sie und hob die Knie hoch, daß sie sich nicht an den Tannenspitzen stoße. An den Nestern streifte sie vorbei, drin die Rabenhennen gluckten, einem hohen Berg zu, und der trug ein Feuer. Mitten im Wald drunten stand ein zerbrochenes Häusel, aus seinem Rauchfang ritt ein rußiges Weib auf einem Schürhaken heraus und ritt neben ihr her, und als die Ulla die andere scharf anschaute, so war sie es selber. Schaudernd schlug sie ein Kreuz. Da stürzte sie strahlenschnell in die Tiefe, schlug auf und erwachte. Sie besann sich des Traumes. Es war doch lustig gewesen, so ohne Beschwernis zu fliegen und so weit in die Welt hinein zu schauen. Könnte man nur ganz kleinwunderwenig die Hexenkunst treiben, wie viel leichter würde doch das bittere Leben! Ach, sie wollte ja nur der Geiß eine Raufe voll Futter hexen und ein paar Scheiter Holz in den Ofen, wenn der harte Winter draußen stürmt und die Hohlwege zudeckt! Ein fernes Wachthorn blies vom Dorf her Mitternacht. Da lüstete es die Ulla, jetzt schnell einmal, nur einmal die Kunst und die Kraft zu versuchen, die ihr der Dullhäubel andichtete, und weil ihr in der Eile nichts anderes einfiel, rief sie einen Spruch, den sie vorzeiten vergeblich gebetet: »Heiliger Antoni, schick mir den Bräutigam in die Kammer!« Und schon trampelte es draußen. Und ob sie es auch entsetzt mit den Händen abwehrte und den freveln Spruch widerrief, die Tür ward aufgestoßen, ein schwarzer Kerl sprang herein, wälzte ihr etwas Schweres ins Bett und verschwand. Der Ulla setzte der Herzschlag aus. Der Teufel hatte sie beschenkt. Also war sie doch eine Hexe. So viele Jahre hatte sie fromm gelebt, und jetzt verfiel sie der Hölle. O was hatte sie getan?! Ein Schuhu höhnte draußen, der Wind murmelte unheimlich ums Haus. In ihr schrie es um Hilfe. Ihre Seele hatte ein dünnes, verzagtes, windverwehtes Stimmlein und führte eine unbeholfene Rede. Alter Leute Seele ist so matt wie ihre Hände. Und das Gebet der Ulla hatte gebrochene Flügel. Ihr war, es dringe nicht zu Gott, es steige nicht über die Tannen hinaus, es falle wie ein Stein schwer und schmerzhaft zurück in ihr Herz. Neben ihr lag das Sündige, Schreckhafte, Unbekannte, der Zeuge ihres Hexentums. Das Fieber glühte in ihren Fingern, doch sie wagte nicht hinzugreifen. Der Mond rückte und spiegelte in dem weißen Haar der Greisin. Auf einmal leuchtete er voll über das Bett. Der heilige Blaumantel lag mit wachen, weit offenen Augen neben ihr. »O weh, der Dullhäubel hat nit gelogen,« seufzte sie, »Ich bin eine Hex!« Schwerfällig tickte die Uhr, und da ihr Zeiger immer wieder zurücksank, wußte das Weib nicht, ob der Morgen schon nahe sei. Furchtsam schaute sie den an, der ihr Bett teilte. Als es graute, spannte sie die Geiß vor ein Wägelein, lud den Heiligen auf und schaffte ihn zurück in die Kapelle. -- -- -- Der Mond grinste. Um den Dullhäubel drehte sich die Welt wie ein Rad. Er lehnte sich an einen Baum und horchte. Irgendwo quackten die Frösche. »Ihr Grillnöder, was singt ihr?« schrie er. »Ihr könnt es ja nit.« Er fing an zu quacken, die Frösche ein Besseres zu lehren. Doch sie ließen sich nicht schulmeistern. Dann heulte er auf wie ein Mondscheinhund und weckte alle Kläffer und Köter rings in den Einschichten, daß sie zornig bellten oder in gezogenem Geheul klagten und die Leute in den Betten ängstigten. Die Kapelle war leer. Da johlte der Trunkene: »Herrgott, schau herunter! Dein Heiliger schlaft bei einem alten Weib.« Der Wendehals auf der Fähre drehte den Kopf nach dem kreisenden Himmel. Ein Schuhu kreischte. Ohne Rast gurgelte der Wolfsbach. Wie der Dullhäubel neben dem Wasser dahintaumelte, rutschte er aus und plumpste hinein. Die kühle Flut wusch ihm den Kopf und ernüchterte ihn. Er blies, ächzte und schnaubte und kroch ans Ufer, den Blaumantel verwünschend, dem er das Unglück zuschrieb. Als er sich wieder auf den Füßen fühlte, war sein erster Gedanke: »Heut hau ich einmal mein Weib!« Er kam heim und tappte durch den Hof ins Vorhaus. Die Stubentür aber war versperrt; ein Strohsack lag davor, der schien für ihn bereitet. Der Dullhäubel rüttelte. »Ogath, ich sag dir es im guten, tu auf!« Drin rührte sich nichts. »Bäurin, tu auf! Tu auf, Bäurin! Ich bin es. Der Dullhäubel ist es. Dein Kasper,« schmeichelte er. »Weib, laß dir sagen, riegel auf!« Er drängte das Ohr ans Schlüsselloch. Kein Hauch war zu hören. Da kam ihm die Hitze. »Tu auf, Weib, sonst hol ich die Hacke und spreng die Tür auf!« Drin meldete es sich ruhig: »Wag es! Den Kittel schlag ich dir um den Schädel, solang ein Fetzen dran ist. Draußen hast du den Strohsack.« »Laß mich doch nit zugrund gehen!« schluchzte er. »In den Bach bin ich gefallen, waschelnaß bin ich.« »Warum bist du nit ersoffen?« sagte sie aufgebracht. »O mein gottseliger Mann, der Gid, ist tausendmal besser gewesen als du! Das ganze Geld versäst du im Saufhaus.« »Herr, erbarm dich meiner!« murmelte er wie bei einer Litanei. »Den Hof versaufst du, deine Kinder werden einmal nacket gehen!« »Herr, erbarm dich meiner!« antwortete er dumpf. »Die Kellnerinnen reißt und rumpfst du herum.« »Herr, erbarm dich meiner!« »Nacht für Nacht reitest du die Zung in die Schwemm,« eiferte sie. »Vertu nit alles, daß du einmal ein anständiges Begräbnis kriegst!« »Begraben muß ich werden. Das hab ich noch nie gehört, daß einer eingeackert worden ist.« »Schäm dich! Der Dunst und Dampf redet aus deinem Hirn.« »Ich schäm mich in den Kniebug hinein, da sieht es niemand.« »Hast du das Kalb in den Stall eingestellt? Hast du es nit verjuxt?« »Jesmaria, das Kalb hab ich im Wald vergessen!« rief er erschrocken. »An den Zaunstecken steht es gebunden.« »Himmlischer Vater, da haben wir wieder den Schaden! O wenn das mein Gottseliger erlebt hätt!« Die häufige Mahnung an den Gottseligen verdroß ihn. Er wollte überhaupt für heute die Zwiesprache enden. Drum sagte er: »Weib, ich bet jetzt. Stör mich nit! Du begehst eine Todsünd.« »Du und beten?!« spottete sie. »Ja sausen und brausen laßt du es, dein Gut verstreust du. Und ich muß mich mit den zwölf Menschern durchfretten.« Er richtete sich auf. »Weib, reiz mich nit! Wenn ich wild bin, ist der Zorn auch gleich da. Wer macht uns arm? Du mit deiner Fruchtbarkeit. Was du treibst, ist zuviel. Und nit einen einzigen Buben, lauter Menscher! Die kannst du dir nit genug kriegen, zu Dreikönig eins, zu Allerheiligen wieder eins.« »Du Schandvogel!« schalt und schelmte sie. »Du Rabenseel!« Er blieb nichts schuldig. »Du Truchtel, sei still!« Ein Schimpf rankte sich in den andern. »Du Flank du, du Schlank du!« »Du Runzel, du Schlunzel!« »Du Sauftümpel, du Galgenbraten!« »Du Zahnraffel, du Schürhaken!« »Du Abfaum, du alter Schepperer!« »Du Schebrelle, du Rabatsche!« »Du lasterhaftes Bockfell!« Er gab nach. »Weib, wie einen Pudelhund beutelt es mich vor Kälte. Erbarm ich dir nit? O an dir erleb ich keine Freud, jeden Schluck in die Gurgel zählst du mir!« Murrend warf er sich auf den Strohsack. Der reichliche Trunk wirkte, und der Dullhäubel schlief ein. Kaum hatte er die Augen zu, so beugte sich der Blaumantel über sein Bett, daß ihm der hölzerne Leib krachte. »Dullhäubel,« wispelte er, »ich bleib nimmer in der Einöd. Es sind mir zu viel Narren und Diebe da.« »Ich trag dich nach Blaustauden,« stöhnte dienstwillig der Träumer. »Zu den hochnasigen Heiligen in die Kirche will ich nit,« erwiderte der Blaumantel, »die Goldenen und Silbernen verachten meine hölzerne Kutte. Schieb mich ins Dorf! Neben dem ›pfalzenden Hahn‹ will ich sein.« Gleich stand der Dullhäubel hinter der Kapelle und schob an und stemmte sich daran, es war eine schwere Plage, aber die Kapelle rückte nicht vom Ort, und der Bauer schnaufte und ein scharfer Durst peinigte ihm Zunge und Gaumen und brannte ihm tief in den Schlund hinab, und sogar Magen und Gedärme dürsteten ihm und lechzten nach einem Trunk. Und wieder warf sich der Dullhäubel gegen die Mauer, drängte und schob. Den Schweiß, der ihm von den Brauen tropfte, fing er mit dem Maul auf, um sich zu erquicken. Doch die Kapelle saß wie ein Fels in der Erde. Da bleckte der Blaumantel wild lachend die Zähne, schwang sich aufs Dach und ritt droben wie ein Reiter auf dem Roß und schrie: »Wieh!« Jetzt rührte sich die Kapelle und fuhr wie ein schneller Wagen bergan. Der Dullhäubel erwachte, staunend und blöd hockte er auf dem Strohsack. Den peinigenden Durst zu löschen, richtete er sich auf und tappte in den Keller, wo auf einer Bank die Milchtöpfe standen, ergriff einen davon und soff. Er mußte saufen, süß oder sauer, Kuhmilch oder Geißmilch, es galt ihm gleich. Er soff wie ein glühender Stein. In endlosem Zug schlampte er den Ton bis auf das Neiglein aus, wischte sich schnaufend den Bart und taumelte satt hin aufs Stroh. -- Der Hahn krähte, der Tag graute an. Schon rumorte die Bäurin in der Stube. Mit einem schrecklichen Druck im Magen erwachte der Dullhäubel. Er stützte sich ächzend, riß das Maul auf, und ein wilder Blutguß schoß auf das Pflaster des Vorhauses. »Bäurin! Bäurin!« winselte er. »Zu Hilf, schnell! Aus ist es! Dahin geht es!« Als sie aus der Stube kam, brach ihm wieder das Blut in dickem Strahl aus dem Hals. Sein Auge stierte, Bart und Brust und Hände, Strohsack und Estrich, alles war rot besudelt. Die Ogath rang die Hände über dem Kopf. »Himmlischer Vater, er hat den Blutsturz!« »Rühr dich!« stöhnte er. »Den Pfarrer hol, den Bader! O mir ist hundselend! Den Pfarrer schickt mir, ich bin ein großer Sünder. O, daß ich gar so viel Blut hab!« »Den Bauch reib ich dir mit Kampferöl,« rief sie. »Ich koch dir ein Helfkräutel, einen Tausendguldenkrauttee, der hilft.« »Nix hilft,« schrie er ungeduldig, »den Geistlichen hol!« Sie rannte die Bodenstiege hinauf und weckte die Kinder. »Wabel, Reigel, Rosel, Portiunkel, Stasel, Kathel, Liesel, Urschel, Mariandel, Kundel, Luzel, Stanzel! Geschwind, der Bauer geht ein!« Die zwei ältesten Töchter liefen nach Blaustauden. Die Wabel klopfte das Pfarrhaus wach. »Hochwürden, der Vater hat Blut lassen. Die Mutter laßt bitten, Ihr sollt ihm die Seel aussegnen. Den Flederwisch nehmt auch gleich mit, daß Ihr den Bauer besprengt!« »Wenn es den letzten Schnapper giebt, kommen sie daher,« zürnte der Geistliche. »Sonst sieht man manchen nit in der Kirche. Es stehen in der Meß oft mehr Heilige als Leut umeinander.« »Rennt, Pfarrer! Das Blut schießt ihm heraus wie gestern der abgestochenen Sau.« Der Herr Nonatus war ein seeleneifriger Mann. Er sagte: »Ich geh gleich mit. Der größte Sünder ist mir am allerliebsten, und der Dullhäubel zahlt sich aus. Meßner, läut das Speisglöckel!« Die Reigel weckte den Bader. Der bärbeißige Wundarzt Gottfried Mehlstäubl nahm gleich eine Flasche Blutegel mit. »Was ist denn los mit dem Dullhäubel?« fragte er. »Hat er wieder einen Kapuzinerrausch heimgebracht? Hat er sich die Wampe überfressen? Ist ihm der Darm auseinander gesprungen?« »Blutkrank ist er,« weinte die Reigel. »Einen ganzen Zuber voll Blut hat er gespieben. Jetzt lechzt er.« »Heul nit, Dirndel, ich helf ihm. Ich hab schon andern Leuten geholfen. Unserm Burgermeister hab ich den Bandwurm abgetrieben, fünfzig Ellen lang.« -- Derweilen lag der Dullhäubel blutig im Stroh. Er hörte in der Ferne das Glöckel, dessen Geläut den Weg des Pfarrers begleitete. Er betete: »Heiliger Blaumantel, liebreicher Fürbitter im Himmel, steh zu mir! Wenn ich wieder gesund bin, stift ich dir eine Kerze, so lang wie eine Deichsel, vor deiner Kapelle soll sie brennen Sommer und Winter, Tag und Nacht.« Der Grazian, der wegen seines Alters als Meßner abgedankt worden war, fand sich ein, und nicht ungern sah er die letzte Stunde des Schelmen nahe. Denn die verweste Geiß stank ihm noch immer aus dem Magen, und er hatte den Streich nie verwinden können. »Schau, schau, Dullhäubel,« sagte er, »gestern hast du noch heimgejodelt von der Siebenkittelwirtin, und heut gehst du auf dem letzten Gras. ›Gestern im Trab, heut ins Grab‹, heißt es. Du schaust aus wie der linke Schächer.« Der Bauer griff an die Brust, die Zunge schlotterte ihm. »Mir wird ganz herzschlächtig.« »Zieh die Strumpf und die Schuh aus, Dullhäubel, und renn der Höll zu! Wart nit auf die heilige Wegzehrung, sie hilft dir nimmer. Ja, den Tod betrügst du nit, du Sündenbock, du Leutfopper, du Bauchbruder, du Trost dem Teufel! Dahin mußt du mit deinen Rieben und Ränken. Ich seh dich schon schneeweiß in der Truhe.« »Ich sterb nit,« kreischte der Dullhäubel auf. »Rümpf dich und wind dich, du kommst ihm nit aus, dem Sensenwetzer. Im Sündenstank fahrst du hin.« »Jedes Haar wirft seinen Schatten,« wehrte sich der Bauer. »Warum soll denn gerad ich keinen Fehler haben?!« Unbarmherzig predigte der Meßner: »Jetzt liegst du auf der Streu, jetzt schießt das Blut heraus, das wilde Dullhäubelblut, das kein gut getan hat sein Lebtag. In einer kurzen Weil tümmelt der Teufel vor der Tür und zerrt dich davon bei den Füßen. In die Höll strudelst du hinab.« »Laß mich aus, Grazian, verschon meine Sterbensnot!« »Ja, mein lieber Freund, jedem wird gelohnt nach seinen Werken. Wenn der Teufel herwürgt mit offenem Schlund und hernach deine Seel zwischen den Zähnen hintragt, ich trau mir es gar nit zu sagen, wohin! Ja, mein lieber Freund, wenn der ganze Himmel papieren wär, und auf jedem Stern säß ein Schreibersknecht, sie könnten allsamt gar nit beschreiben, was eine Seel leidet im ewigen Pech.« »Meßner, das weiß ich. Ich dank dir.« Der Schweiß brach dem Bauer aus. Die Ogath trat aus der Stalltür. »Der Didelmann hat uns das Kalb daher gebracht, gottlob,« sagte sie, »es ist ganz wild.« Wieder hub der Grazian an: »Es ist schad, Dullhäubel, daß Gott dich mit so einem guten, wirtschaftlichen Weib versorgt hat!« »Bäurin, ich will gut tun, wenn ich wieder aufkomm,« gelobte der Dullhäubel. »Ja, wenn die Zaunstecken blühen,« sprach sie unwirsch. »Du tätst es wieder treiben wie ehmals, die Händ schonen, die Weiber verfolgen, Vieh und Leut foppen. Ausgestanden hab ich genug mit dir. Ein Selbstler bist du gewesen, hast an Weib und Kind nit gedacht und an die Gemeinde nit, nur an dich und allweil nur an dich. Und eine lederne Röhre hast du im Hals, die brennt und muß feucht gehalten werden. So, jetzt hab ich dir es gesagt.« »Gelts Gott, Bäurin, gelts Gott! Du hast die Wahrheit geredet,« wispelte er. Die Augen fielen ihm zu. »Heilige Mutter Anna,« schrie der Grazian, »er wird schon blau! Der Teufel schreit juchhe.« Er stieß ein Gebet aus. »Lasset uns beten zu den heiligen drei Königen, sie sollen ihm den Weg weisen, er muß in die Ewigkeit wandern.« Jetzt kam der Pfarrer mit dem Bader daher, und die Dirnlein drängten nach, neugierig und furchtsam. Der Bauer tat die glasigen Augen auf und röchelte: »Pfarrer, Bader, der Tod geht mir zu.« Der Wundarzt Gottfried Mehlstäubl staunte: »Sakerlot, du hast unglaublich viel Blut gekotzt! Mensch, mußt du vollblütig sein! Wo fehlt es denn? Hast du ein kaltes Fieber oder ein glosendes? Schüttelt es dich? Reißt es dich? Kratzt dich der Hals? Ist dir das Zäpflein gefallen?« Der Kranke deutete auf den Magen. »Da in der Herzgrube tut es weh.« »Hast du den Stuhl offen?« forschte der Arzt. »Hast du dich nit überfressen, Schlauch? Ja, der Fraß wühlt sich mit dem eigenen Rüssel das Grab auf. Die Runstadern sind dir geschwollen. Tu das Maul auf und zeig her deinen Schlung!« »Im Bauch rumpelt es mir,« flüsterte der Bauer. Der Bader entschied: »Du hast es auf der Leber. Eine jede Krankheit rührt von der Leber her. Du hast wohl einen kalten Trunk getan, he?« »Bader, gib mir was ein, ein Pulver, einen Saft, daß ich am Leben bleib!« klagte der Dullhäubel. »Halt das Maul, Wehdarm! Ich muß auch einmal sterben,« antwortete der Gottfried Mehlstäubl. »Da schau meine unversorgten Kinder an und hilf!« Der Bauer deutete mit Kinn und Bart auf die zwölf Dirnlein. »Kinder hast du in allen Größen wie eine Bodenstiege. Aber was nutzt das alles, wenn sich eine giftige Sucht einschleicht. Ich schätz, du überlebst die Stund nimmer.« »Herr Pfarrer,« lallte der Dullhäubel, »richt mich her -- für die Ewigkeit!« Da drückte ihm der Grazian einen geweihten Rosenkranz in die Hand, die Ogath wischte mit dem Fürtuch über die Augen, die Kinder weinten. »Gottlob, daß du dich nit in Halsstörrigkeit verhärtest, Dullhäubel,« begann der Pfarrer. »So tu Reu und Leid, mein lieber Christ!« Des Baders Neugier war noch nicht gestillt. »Und wo fehlt es denn sonst noch, Bauer? Plagen dich die Würmer? Bläht dich der Wind?« Doch der Dullhäubel räusperte und rächste sich, fuhr jäh auf, gurgelte, und wieder schoß das Blut heraus. Alle wichen zurück, die Bäurin scheuchte die Kinder hinaus. Blaß und matt sank der Bauer zurück. Der Gottfried Mehlstäubl krauste die Stirn. »Seltsam! Seltsam! Vetter, die Reih ist an dir. Hättest du mir alle Jahr deinen Brunn schauen lassen, wie der Grazian da, tät ich mich in deinem Leib besser auskennen.« »Der Tod zeichnet ihn,« sagte der Pfarrer. »Laßt uns allein, daß ich ihn geschwind noch auströste!« Da gingen alle hinaus. »Öl mich ein, Hochwürden, öl mich! Richt mich zusamm -- fein sauber -- für den Weg!« drängte der Bauer. »Jetzt, Dullhäubel, häut dich!« begann der Herr Nonatus Hurneyßl. »Tu ab das Gewand deiner Sünden! Wann und wo bist du das letztemal beichten gewesen? Bei mir nit.« »Den zweiten Sonntag nach Ostern -- hab ich gebeichtigt -- in Bärnloh.« »So, so, in einer fremden Pfarre, bei dem schwerhörigen Pater, und an dem Tag, wo die Roßdieb beichten gehen? Eine saubere Seel! Aber jetzt her mit deinen Sünden!« Der Dullhäubel bekannte: »Öfter hab ich mich versündigt als Steine im Bach sind und Bäume im Wald.« »Sieben Straßen laufen zur Höll, das sind die Todsünden. Hast du eine begangen?« forschte der Pfarrer. Der Sünder sprudelte: »Gefressen hab ich, gesoffen, gerauft, gescholten, geschworen, gelogen und betrogen, die Weiber nit in ihren Ehren lassen, mit den Jungfern gescherzt, am Freitag bin ich fensterln gangen, den Leumund hab ich den Leuten genommen, verfrevelt hab ich mich gegen den heiligen Blaumantel. Jetzt weiß ich nix mehr.« Dem Pfarrer wirbelte das Hirn. »Ein Gewissen magst du haben wie ein Scheuertor,« staunte er. »Der Teufel hat mich im Schlund, reiß mich heraus, Hochwürden!« zeterte der Dullhäubel. »Bind mich los, bind mir die Sünden ab und öl mich!« »Nur langsam, Dullhäubel, und hübsch eins nach dem andern. Hast du nit gejuchzt und gejodelt und gegalmt zur Unzeit und unzüchtige Rockenlieder gesungen?« »Das hab ich alles getan, Pfarrer. Bind mich los!« »Ich will dich nit dem Teufel zuteil werden lassen. Aber sag mir, hast du ein einzigesmal im Leben ein gutes Werk verrichtet?« »Freilich, Pfarrer. Die Feiertage hab ich emsig gehalten, die abgeschafften auch. Und zwölf Christen hab ich in die Welt gesetzt.« Der rüstige Beichtvater sah ihn verdutzt an. »Ah, so bist du gesotten? Du willst unsern Gott und unsern Teufel überlisten?« Und er holte aus und reichte dem Sünder eins auf den Schädel. »Dafür erlaß ich dir die Bußgebete, du alter Spaßvogel.« »Das ist mir lieb,« sagte der Dullhäubel erleichtert. »Jetzt geratest du halt ins Fegfeuer, Bauer, und das ist eine scharfe Lauge. Wasch dich drin, reib dir die Seel unverdrossen ab! Und fahrst du hernach in den Himmel, so führ dich gut auf, daß du meinem Pfarrsprengel keine Schand antust.« »Ich werd mich doch nit zu dem höllischen Bären verirren?« verzagte der Kranke. »Ist es drunten wirklich so heiß?« Der Pfarrer schaute den Dullhäubel ernsthaft an. »In der Höll ist es so heiß, daß die gepeinigte Seel, die den Kniffen und Kunstgriffen des Satans erlegen ist, gar kläglich herausschreit: ›Gebt mir ein Schmiedfeuer, daß ich mich dran kühl!‹ So kalt ist das irdische Feuer dagegen.« »Ich riech schon lauter Brand,« wimmerte der Bauer. »O wär ich gesund, ich wollt anders leben! Einen Sack tät ich anziehen und wallfahren gen Maria-Dorn. Sterb ich aber,« seine Stimme versiegte schier, »so stift ich eine ewige Meß meiner Seel zum Trost, und dem Blaumantel, meinem Fürbitter, soll ein Wachsstock brennen hundert Jahr. O weh, wie schlecht wird mir jetzt!« »Was ist, Dullhäubel, was ist?« »Der Schleim steigt mir im Hals, ich erstick, ich krieg den Schleimschlag! O weh, von der Welt scheid ich, in die Höll spring ich.« Er rülpste, und das Blut sprudelte ihm wieder gräßlich aus dem Hals. »Leut, er stirbt!« schrie der Pfarrer. Der Bader, der Grazian, der Knecht und die Kinder liefen herein. Schrecklich schaute der Bauer aus, weiß wie Kalk lag er dort, die Lippen voller Blut. Die Ogath trug die brennende Sterbekerze daher und drückte sie ihm in die Hand. Er aber verdrehte die Augen grausam und fluchte: »Sakerment, bin ich noch nit hin?!« Er röchelte. »Bäurin,« meinte er auf einmal, »es ist wunderlich, jetzt mitten im Sterben lüstet mich nach einem Schnupftabak. Geh, tu mir die Lieb an! Es ist das Letzte, was ich von dir begehr.« »Jetzt ist ausgeschnupft,« sagte sie kurz. »Jetzt halt die Herren nit auf und schau zu, daß du einmal stirbst!« »Ich sterb, und keines tut einen Schrei,« sprach er wehmütig, »keins weint einen Tropfen, keinen Seufziger druckt es euch aus.« Der Kopf sank ihm auf die Seite, das Kinn hing ihm. »Jetzt erklenkt ihn der Satan,« rief der Grazian. »Macht Tür und Fenster auf, sonst reißt seine Seel ein Loch durchs Dach!« »Ihm stehen schon die Augen,« nickte der Bader. »Er ist am Weg,« flüsterte der Pfarrer. Der Sterbende hauchte noch einmal: »Mein letzter Wille! Meine Töchter -- dürfen nur auf einen Hof -- hinheiraten, wo ein Glöckelturm drauf ist. Ich bin ein großer Bauer -- gewesen.« Jetzt lag er blaß und still. Die kleinen Dirnlein klammerten sich weinend an den Kittel der Mutter, und sie zog tief Atem: »Jetzt bin ich wieder eine Wittfrau.« Plötzlich erhob sich im Keller ein großes Geschrei. Die Wabel, die älteste Tochter, kam die Staffeln herauf, einen leeren Topf in der Hand. »Mutter, ich weiß, was dem Bauer fehlt!« Sie lachte, daß ihr die Zähren rannen, sie lachte, daß sie den Atem verlor und schier in einem Husten erstickte. Der Gottfried Mehlstäubl nickte. »Sie ist närrisch worden.« »Was lachst du jetzt, wo dein Vater vor das ewige Gericht hintritt?« verwies sie der Pfarrer streng. Die Wabel schwenkte den Topf. »Blut hat er gespieben,« brüllte sie vor Lachen, »Blut, aber nit sein eigenes. Gestern haben wir eine Sau getötet, das Blut haben wir ihr abgelassen, in den Keller haben wir es gestellt. Der Vater hat in seinem Rausch -- das ganze Saublut ausgesoffen.« »Herrgott von Blaustauden,« schrie die Bäurin, »das ganze Saublut? Heut hab ich es backen wollen.« Leben und Röte kehrten in die Wangen des Dullhäubel zurück, er tat die Augen ganz schmal auf und lallte: »Liebe Freunde, es ist nit unmöglich.« Des Pfarrers Hals verfiel in einen Krampf. Der Bader hielt sich den Bauch. »Gespieben hast du wie ein Hochzeitshund, Dullhäubel. Du könntest die Wissenschaft irr führen! Du hast aber auch einen sauberen Hinfahrtsfraß genossen. Gelt, die Suppe ist dir zu feist gewesen? Jetzt steh auf, nimm dein Bett und geh!« Der Herr Nonatus Hurneyßl hatte sich wieder beruhigt. »Bauer,« sagte er, »der Herrgott hat dir heut einen Spiegel vorgehalten. Fang ein neues Leben an!« Der Dullhäubel drückte pfiffig ein Auge zu. »Bader, ich bin allweil schnell gesund worden. Einmal hab ich mir beim Holzhacken eine Hand wurzweg abgehaut. In vierzehn Tagen ist sie mir wieder sauber nachgewachsen. Heut weiß ich nimmer, ist es die linke gewesen oder die rechte. Und jetzt, Ogath, gib den Tabak her! Das ist die beste Arznei.« Er schnupfte, legte sich dann zurück, schnarchte wie eine Brettmühle und überließ die um sein Sterbebett Versammelten ihren Betrachtungen. * * * * * Blitzblau lugten die Schlehstauden drein, und die letzte Bauernrose brannte im Gärtlein. Die Luft hing voll zarter Fäden, die alten Weiber hatten ihren Sommertag. Im Stadel drosch die Ogath mit ihren ältesten Töchtern das Rüttstroh, sie wollte damit die Betten frisch füllen. Fröhlich klangen die drei prallenden Flegel, und der Dullhäubel legte dem Dreischlag die Worte unter: »Schind die Katz!« und schlich sich hinter den Stauden davon, um der Tenne auszuweichen. Die Kapelle umging er in einem Bogen: des Blaumantels Blick vertrug er nimmer, weil er ihm die Kerze nicht opferte, die er ihm in der Sterbensangst gelobt hatte. Vom Dorf klingelte der Schmiedhammer. Beim Sulpiz gab es immer Gesellschaft, Köhler brachten die hölzerne Kohle, Fuhrleute ließen die Rösser beschlagen, die Bauern ließen sich die Axt schärfen, Kundschaft kam mit zerbrochenem Eisengerät, und manchen trieb andere Not hin. Heute suchte der Lukas Schellnober in dem rußigen Gewölbe Hilfe. »Schmied,« redete er, »du bist die letzte Zuflucht. Der Zahn tut mir arg weh, ich könnt mir das Kinnbein vom Schädel reißen.« »Sieh ihm den Zahn, Sulpiz!« meinte der Dullhäubel. »Speib in die Händ, der riesige Mann hat Zähne wie eine Wildsau.« Der Sulpiz Schlagendrauf beeilte sich nicht. Er trug eine glühende Stange zum Amboß. Bevor er drauf schlug, reckte er sie jeden von seinen drei Weibern hin, die er an die Wand gerußt hatte, und gröhlte: »Leck! Leck! Leck!« und dann fuhr er jäh und heimtückisch damit dem Dullhäubel unter die Nase: »Schmeck! Schmeck!« Der Bauer fuhr zurück bis zur Tür. Zornig hämmerte der Meister auf das Eisen los. Es war nicht zu verwundern, daß die Kinder von Fuxloh den wilden Mann mit dem verworrenen Rußbart für den Teufel hielten. »Hau zu, Schwarzer,« neckte der Dullhäubel aus wohlabgemessener Ferne, »hau zu und denk, du hast dein viertes Weib unter dir!« Der Sulpiz schüttelte den Hammer. »Halt das Maul oder ich zerschmied dich! Was stehst du da wie eine Martersäul? Hast du daheim keine Arbeit? Was begehrst du?« »Die Feuerzang sollst du mir leihen, daß ich meine Bäurin wieder einmal angreifen kann.« Das gefiel dem Schmied. Er tauchte die Stange ins Wasser, daß sie zischte, und deutete auf eines von den Rußbildern. »Die erste dort, die Luzel ist es. Einmal fahrt sie zur Kirchweih nach Bärnloh, ich bin allein im Haus. Um Mitternacht klopft es an die Tür, steht ein Kohlschwarzer draußen, die Augen glosen ihm. Ich soll ihm den Rappen beschlagen. Ich schau das Roß an. Es hat zwei schwarze Zöpf geflochten wie die Luzel. Die zwei wilden Augen schauen mich an wie die Luzel, wann sie mit mir gerauft hat. Ich beschlag das Roß auf allen vier Hufen. Der Kerl springt drauf, sagt kein Geltsgott, und reitet dahin. In der Früh liegt mein Weib neben mir im Bett mit Hufeisen an Händen und Füßen.« Der Sulpiz lachte, daß das Eisen in der Werkstatt klirrte. »Du kannst leicht lachen, Schmied, dich martert nix,« sagte der Zahnwehmann und hielt sich den verbundenen Kopf. »Schäm dich, Musikant,« tadelte der Rußige. »Du bist so stark wie ein Felsenbaum und dabei so ungesund.« »Wer ist heutigentags gesund?« greinte der Lukas. »Ja, vormals haben die Leut mehr ausgehalten. Mein Vater zum Beispiel hat Glas gefressen, das Blut ist ihm aus dem Maul geronnen, er hat Bier darüber gegossen, und gut ist es gewesen. Bis er einmal so ein neuartiges Lampenglas gegessen hat, da ist er magenkrank worden. Das neumodische Teufelswerk ist nix nutz, das altwäldlerische Glas ist viel milder gewesen.« Und er wimmerte auf: »Weh und weh, mein Zahn!« Der Schmied ließ sich auf den Amboß hin: »Duck dich her, Lukas!« Da kauerte der Musikant auf die Erde, der Sulpiz klemmte den verbundenen Kopf zwischen seine Kniee und zog einen Schlüssel aus der Tasche. »Tu das Maul auf! Welcher Zahn ist es?« Ächzend deutete der Leidensmann in sich hinein. Der Schmied griff zu und drehte, daß ihm die Adern am Arm schwollen, indes der Geklemmte die vierzehn Nothelfer anschrie. »Der Stockzahn rührt sich nit, der Teufel!« schalt der Sulpiz. Er fuhr dem Gepeinigten noch einmal ins Gebiß, und mit einem Ruck, daß schier der Amboß wankte, riß er einen mächtigen Zahn heraus. »Du hast den falschen erwischt,« rief der Lukas, »das gilt nit!« »Die Hauptsach ist, daß das böse Blut abgeht,« tröstete der Zahnbrecher. »Jetzt geh zum Misthaufen und speib das Blut aus!« Der Musikant legte ein Sechserlein auf den Amboß. »Wenn es besser wird, trag ich den Zahn nach Maria-Dorn und häng ihn der Muttergottes mit einem seidenen Band um den Hals,« gelobte er. »Und du lümmelst noch allweil da?« schnauzte der Schmied den Dullhäubel an. »Ich verdien Geld, und du versäumst dein Geschäft.« »Ich kann nix versäumen, Meister.« »Eine junge Dirn ist da gewesen und hat nach deinem Hof gefragt. Sie will in den Erdspiegel schauen.« Hastig nahm der Dullhäubel den Weg unter die Füße. Es war zum erstenmal, daß ihn jemand um den Erdspiegel anging. Die Leute waren schon zu klug. Zu des Ähnels Zeiten trug der Spiegel viel mehr ein als der Opferstock in der Kirche, die Bittsteller kamen aus aller Weite; wer ihnen das Roß gestohlen oder den Stall verhext, wollten sie wissen und wollten allerhand Heimliches ausfindig machen. Das war vorbei. Der Bauer sann nach, wie er den Erdspiegel wieder in Schwang und Ruf bringen könne. Heute schien sich eine gute Gelegenheit zu bieten. Er nahm sich vor, die Dirne erst um ihr Anliegen zu fragen, dann wollte er sich in den Keller sperren, als ob er Hokuspokus triebe, und dort würde ihm schon die rechte Antwort einfallen. In seinem Hof droschen die drei immer noch, und die kleinen Dirnlein spielten vor der Scheuer, eines kitzelte die andern auf die nackten Sohlen und rief: »Wer schmunzt, wer lacht, wer die Zähn für reckt, der gibt ein Pfand.« Als der Dullhäubel die Stube leer fand, schwante ihm Schlimmes, und er lief in den Keller. Die Tür zum Erdspiegel war aufgerissen. Ins Halbdämmer des Raumes brach durch ein Guckloch ein Strahl und traf den runden Spiegel, der auf einem Felsblock lag. Eine junge Dirne beugte sich drüber und rätselte an den Zeichen, die auf das Wunderglas gemalt waren: eines glich der Ziffer vier, ein anderes führte drei Zinken wie eine Mistgabel, das dritte trug einen Ring mit zwei Hörnlein. Der Bauer erkannte im Halblicht die Fremde nicht. »Was sprengst du mir die Tür?« schalt er. »Bist du eine Räuberin?« »In meiner Verzagtheit hab ich es getan,« antwortete sie. »Verzeih mir, Spiegelmann!« Er schob sie weg und schaute lange und ernst hinein in das Glas. Dann sagte er geheimnisvoll: »Ich seh es, du kommst wegen einer Liebschaft.« »Siehst du meinen Schatz auch?« rief sie heftig. »Er ist mir verloren gegangen. Wo find ich ihn?« Er starrte in den Spiegel und sann auf eine hübsche Lüge. »Merkst du was?« fragte sie voll Neugier. »Ich hab nur den Dreizahn gesehen und den Hörnerbock und den Vierer.« »Das sind die Zeichen der drei Heidengötter,« flüsterte er. »Weiberleut sehen nur das im Erdspiegel. Und dann, bist du noch eine Jungfer, he? Bist du nit schon einmal über das sechste Gebot gestolpert?« »Aber hingefallen bin ich noch nit.« Sie kehrte sich verschämt ab. »Es ist, als ob heut der Spiegel rauchig wär,« redete der Dullhäubel in das Glas hinein. »Hätt ich nur das Zauberbuch nit verlegt, ich könnt dir gleich verraten, wo sich dein Liebhaber herumtreibt.« Da versuchte auch sie hineinzuspähen, und da sich ihr junger Leib dabei derb an den Bauer schmiegte, ließ er sie gewähren. Plötzlich schrie sie hell auf: »Da schaut er heraus, der Tischler Franz, der mit mir hat Adam und Eva spielen wollen!« Und jäh sich besinnend, starrte sie den Dullhäubel neben sich an und packte ihn beim Bart. »Du bist es gewesen, Erdspiegler, der mir die Heirat versprochen hat!« Es war die Mechel Schellnober. Er begehrte auf. »So kommst du mir? Mir, dem Dullhäubel? Ich kenn dich nit. Ich bin ein verheirateter Mann. Willst du Unfried stiften in meinem Haus? Gleich fahr ab, du Lügenwachtel, sonst schrei ich um den Schergen!« »Lügst du aber keck!« staunte sie. »Und du bist es gewesen, und wenn du auch leugnest wie ein Spitzbub. Ich kenn dich an dem kugelrunden Schädel, an dem roten Bart, an dem kurzen Hals. Denselben Filzhut mit derselben Schnalle hast du aufgehabt. Komm einmal ans Licht hinauf! Du willst dich weiß brennen, willst tun, als ob du die nackete Unschuld selber wärst.« »Das bin ich auch. Und den Hut hab ich mir erst gestern gekauft, du zottige Gretel. Beweisen kann mir keiner nix. Und ans Licht geh ich just nit, mir ist warm, und im Keller ist es schön kühl.« »So steig ich allein hinauf, Erdspiegler, und klag es deinem Weib.« Da stieß er sie zurück und sprang ihr voran die Stiege hinauf, lief vors Haus und schrie: »Bäurin! Wabel, Reigel, Rosel! Kinder, kommt schnell! Stasel, Kathel, Liesel! Sakerment, mir fallen die Namen nit ein!« Die Mechel erschrak, als sie auf einmal mitten in einem Ring von Jungfern und Dirnlein stand. Mit dem Finger deutete der Dullhäubel auf sie. »Weib, Kinder, die mannsleutnärrische Schnudel da ist mir in den Keller nach, ganz putipharisch hat sie nach meiner Unschuld begehrt. Aber ich bin ihr nit ins Eisen gegangen.« »Gibt es denn keine Wahrheit mehr auf der Welt? Hat der Schauer alle guten Leut erschlagen?« weinte die Mechel. »Erdspiegler, du stellst mich her, daß kein Hund mehr ein Bröckel Brot von mir frißt. Und du hast mir versprochen --.« Er ließ sie nicht ausreden. »Sie hat die Bubensucht; sie lügt, ich hätt ihr die Heirat versprochen. Kinder, den Vater will sie euch nehmen, und dir, liebes Weib, den Ehmann!« »Sie soll dich nur mitnehmen,« sagte die Ogath. »Was? Das wollt ihr euch gefallen lassen?« Seine Stimme verstieg sich. »Und ihr jagt sie nit aus dem Hof?« »Ich zeig dir schon, was es heißt, einen neuen Trieb kriegen,« lachte die Bäurin wunderlich. Und sie fiel mit den Töchtern über den Dullhäubel her wie Hündinnen über einen Bären, im Hui wälzte er sich, die Hiebe fielen wie ein Schlossenschauer über ihn, er konnte sich ihrer nicht erwehren. »Blaumantel, hilf! Die Mannsleut müssen zusamm halten,« rief er. »So, jetzt nimm dir ihn mit,« sagte die Bäurin zur Mechel, »wir schenken dir ihn herzlich gern.« »Ich mag ihn nit,« antwortete die Fremde. »Und zu wegen seiner wird aus mir keine Klosterfrau. Die Welt ist kein Krautgarten, mein Glück wachst überall.« Mit trotzigen Schritten ging sie davon. -- Der Dullhäubel wurde durch die Schläge nicht gebessert. Am selben Abend noch tat er dem Grazian Schande und Spott an. Er spielte mit einem fremden Sautreiber im Wirtshaus bis spät in die Nacht Karten. Der Meßner trank ihnen eifrig zu, denn der Sautreiber zahlte ihm die Zeche, aber auf einmal lag er mit der Stirn auf dem Tisch und schlief. Da löschte der Dullhäubel die Lampe, versperrte die Fensterladen und tat mit seinem Spießgesellen in der stichdunkeln Stube, als spielten sie weiter. Als die zwei immer wilder schrieen und immer fester mit der Faust in den Tisch schlugen, erwachte der Grazian. Er hörte sie die Trümpfe ausschreien und Farbe bekennen, und als er nichts sah, stammelte er mit zitternder Stimme: »Leut, ich bin blind. Ich hab mich blind gesoffen.« Der Dullhäubel ließ ihn eine ganze Stunde in der entsetzlichen Meinung, und am nächsten Tag lachte ganz Fuxloh über den blinden Grazian. * * * * * Der Mai blühte aus. Die Fuxloher hielten am Pfingstmontag abends vor der Kapelle eine Andacht. Der abgedankte Meßner Grazian hatte den Weibern ein neues Lied beigebracht, und sie sangen es, und der Bach sauste darein, der geschwollen war, weil ein Wetter niedergegangen übers Gebirg. »Der Tag ist vergangen, der Abend ist hier, gute Nacht, o Maria, bleib ewig bei mir!« Wie das Lied so herzerheblich hinüberflog über die Wiesen zum Wald, daß alle, die da sangen, ihre Freude hatten, watete der Dullhäubel durchs Gras daher, brachte einen Schemel mit und setzte sich abseits den andern darauf. Und als die frommen Stimmen der Weiber sich in die höchsten Höhen erflogen, stimmte er überlaut sein eigenes Lied an. »Wer will mit mir wallfahrten gehn, muß tragen ein Paar Schuh, muß Käs und Brot mitnehmen, muß aufstehn in der Fruh.« Da wurden die andern in ihrem Lied langsam irr, eine Stimme nach der andern verzagte und hörte auf, bis zuletzt nur des Dullhäubel traurig gezogene Weise sich behauptete. »Was irrst du uns?« schalt der Grazian betrübt. Die Weiber redeten erbost auf den Störenfried ein. Der aber sagte: »Ich sitz auf meiner Wies, und auf meinem Grund sing ich, was mir gefallt. Ihr habt wie die Nattern gesungen. Was braucht ihr das neumodische Schnaderhüpfel? Mein Lied ist allweil gesungen worden, seit die Kapelle steht, und bleiben soll es, wie es bräuchlich gewesen ist.« Da konnten die Fuxloher nichts dawider reden, sie verzichteten auf den neuen Gesang, und der Grazian hub eine Litanei an. Doch auch sie stockte bald, und besonders die Weiber wurden verwirrt und des Betens überdrüssig, weil der Dullhäubel mit starrem Blick sie anschaute, als wolle er sie verzaubern. Es wurde ihnen angst. Schließlich begehrte der Grazian auf, dem die ganze Andacht verdorben war: »Was schaust du so unsinnig her?« »Mein Schemel ist aus neunerlei Holz,« sagte der Schelm. »Ist das eine Antwort auf meine Frag? Wie steht es mit deinem Hirn?« »Wer auf einem Schemel aus neunerlei Holz sitzt, sieht alle Hexen.« Die Weiber fuhren auf wie gestörte Wespen. »Er beleidigt uns alle!« schrie die Burgermeisterin. »Du sei still,« warnte der Dullhäubel, »ich schau auf deinem Kopf ein Krähennest.« »Dem Kaiser soll man schreiben, daß er den Böswicht abschafft,« sagte die Iglin. »An deiner Nase hängt eine Fledermaus, Iglin. Grins nur her und zahn mich an! Ich fürcht mich nit.« Jetzt wagte keine mehr zu schimpfen, um des Dullhäubel Bosheit nicht auf sich zu ziehen. Nur die Spuchtin rief: »Ist denn keiner unter euch Mannsleuten, der sich unser annimmt und ihm den Herrn zeigt?« Der Longinus Spucht duckte sich hinter dem breiten Schmied, und der Schmied seufzte schwermütig: »Ach ja, alte Weiber gibt es genug auf der Welt!« Der Dullhäubel frohlockte: »Mein Guckähnel hat sieben Weiber gehabt, und alle sieben hat er erschlagen. Zuletzt haben ihn tausend Engel in den Himmel gehoben.« Die Weiber standen auf und gingen, die Männer verliefen sich, und den Grazian hörte man noch fern im Wald schimpfen. Jetzt war der Dullhäubel mit dem Heiligen allein. Dem hatten sie den welken Kranz aus Hagebutten, Silberdisteln und Heide mit frischen Maiblumen ersetzt. Der Wald nachtete ein, Mondlicht flunkerte in den Stauden, in der Wiese knarrte der Wachtelkönig. Der Dullhäubel riß den Heiligen aus der Kapelle. »Eine Kerze hab ich dir versprochen, so lang wie eine Deichsel. Der Wachszieher aber bietet solche nit feil, und so kann ich mein Wort nit lösen. Und du verdienst es auch nit, Blaumantel. Wie oft ich dich anruf, du hilfst mir nit. Da rinn den alten Weibern nach!« Er warf ihn in den Wolfsbach. Da war ihm, der Blaumantel werde in dem angeschwollenen Bach lebendig und drehe teuflisch den Kopf nach ihm zurück, rühre die Arme und schlage Räder im Wasser. * * * * * Am andern Abend, der Mond hing dürr und krumm und armselig überm Vogeltänd, da kam die Wabel aus dem Dorf herunter gelechzt: »Bauer, ein ganzer Schober Leut rennt daher, den Blaumantel begehren sie von dir, Gabeln und Drischeln tragen sie und wollen dich erschlagen.« »Du hast in ein Wespennest gestriegelt, Bauer,« sagte die Ogath. Dem Dullhäubel rann es kalt über die Haut. »Verrammelt das Tor!« rief er. Seine Leute schleppten Eggen und Pflüge herbei und sperrten das Tor mit Ketten, Wagen und Wiesbäumen. Die Fenster waren durch eiserne Gitter gesichert. Der Bauer selber stand am Dachboden und hielt zum Guckloch den Schießprügel hinaus, womit die Erzväter gewildert hatten. Sein Weib betete drunten, betete um einen glücklichen Ausgang, die Kinder knieten totenblaß um sie. Schon trampelten die Feinde den Waldweg daher, wie die Wölfe im Winter kamen sie. Sie läuteten mit Kuhglocken, bliesen und lärmten. Dreschflegel ragten über sie hinaus, Sensen, Hellebarden und abgedankte Spieße. Die Gesichter waren berußt oder mit Moosbärten verhüllt, ein tückischer Mummenschanz. Immer stärker wurde ihr Geschrei: »Hin muß er werden! Haar und Kopf muß er lassen, der Schelmenbub!« Jetzt stauten sie sich vor dem Gehöft, und der Dullhäubel sah sie genauer. Es wimmelte und wibelte drunten. Die Hüte hatten sie mit Reisig besteckt, die Röcke verkehrt, Männer hatten Weiberkittel an. Einer hatte ein Hirschgeweih vor die Stirn gebunden, andere deckten sich hinter hölzernen Larven oder trugen alte Kriegshelme oder stülpten sich Körbe über den Kopf. Einer trug sogar einen Schnabel, die eiserne Unzier, wie sie böse Weiber vorzeiten hatten tragen müssen am Pranger. Der Dullhäubel meldete sich, ehe sie ihm das Haus stürmten. Vom Guckloch rief er hinab: »Guten Abend miteinander!« Da hoben sich die verlarvten Gesichter, uralte Faustbüchsen zielten herauf, sie schrieen, pfiffen, läuteten mit eisernen Töpfen, und einer blies wahnwitzig in ein Kuhhorn. Auf einmal war es still. Ein kurzer Mann trat vor, Maul und Kinn gedeckt mit einem wüsten Baumbart, und forderte aus verstelltem Hals: »Gib uns den Blaumantel zurück, du hast ihn im Moos versenkt!« »Meiner Seel, ich hab ihn nit!« »Wo ist er dann? Du weißt es.« »Der Blaumantel? Der schalanzt wo im Land herum. Traut ihm nit, Fuxloher! Er kann sich nit ausweisen, nit einmal in der römischen Kanzlei kennen sie ihn.« »Wo der Heilige ist?« klang es wilder. »Er ist zum Himmel aufgeflogen. Oder hat er sich eine bessere Kapelle ausgesucht. Was weiß ich? Laßt mich in Ruh!« Stimmen gellten: »Er spottet noch, der Schlechtling! Bis ins Schienbein hinein ist er verwahrlost! Stecht ihm eine Lucke! Erstechen soll man ihn! Erstechen!« Ein Spieß erhob sich steif aus dem Haufen. »Wollt ihr mich auch verkrüppeln wie meinen liebsten Freund, Gott hab ihn selig, den Müllner?« klagte der Dullhäubel. »Oder wollt ihr mich umbringen? Leut, vergeßt euch nit! Geht hin, woher ihr gekommen seid! Eure Weiber haben euch aufgehetzt.« »Röhr nit, Fuchs! Uns kriegst du nimmer dran. Heut rechnen wir ab,« stieg es aus der Tiefe. »Was kommt ihr mit den Waffen daher? Ich bin ein friedlicher Mann.« »Einen Igel fangt man mit eisernen Handschuhen,« antwortete es. »Hütet euch!« beschwor er sie. »Ich hab den Erdspiegel, der ist im Zeichen des Skorpions gegossen worden.« »Den Spiegel zerschlagen wir dir. Abrechnen müssen wir!« scholl es wirr durcheinander. »Wem von uns hast du noch nix angetan, du Schnittlauch auf allen Suppen?« »Liebe Landsleut, hört mir zu! Habt ihr schon einen Galgen gesehen? In der Kriminalstube ist einer aufgemalt, zwanzig Schuh hoch, eine Leiter dran, ganz blutig. Liebe Landsleut, habt ihr schon einen nacketen Sabel gesehen? Der Scherg hat einen umgebunden, der Herr Anton Zinkinker, ihr kennt ihn alle. Wie wird euch ums Herz sein, wenn er euch ins Haus kommt mit dem Spieß am Gewehr, mit dem Federbusch am Hut, wenn er euch die Hand auflegt und schreit« -- der Dullhäubel brüllte -- »wenn er schreit: Im Namen des Gesetzes!!?« »Wir fürchten uns nit. Es weiß keiner, wer wir sind,« scholl es. »Du tanzt uns nimmer lang am Buckel. Wir legen dich kalt.« Einer schrie: »Teufel, halt den Sack auf, diesmal ist der Kasper zeitig.« »Du bist der abgedankte Meßner.« Der Dullhäubel deutete hinab. »Deine Stimme kenn ich. Und deine schelchen Achseln.« »Du irrst dich,« antwortete der drunten, »ich bin heut gar nit da.« Drunten wurden sie still, sie reckten die Köpfe zusammen und hielten Rat. Es war die unheimliche Ruhe vor dem Donnerschlag. Dem Dullhäubel rann der kalte Schweiß. Er wußte, jetzt müsse er den Fuxlohern anders kommen, ehe es zu spät war. »Der Kalender ist mir gebrochen,« kicherte er hinunter. »Ich weiß nit, ist heut aller Narren Kirchfahrt oder der blinde Irtag. Geht heim und legt euch ein ehrliches Gewand an, ihr verzweifelten Buben!« Da rüttelten sie schon am Tor, daß das Haus bebte. Der Dullhäubel reckte eine brennende Kerze zum Guckloch hinaus. Verdutzt hielten die drunten ein. »Sippschaft,« schrie er mit seiner grellen Stimme, »das ist eine Kaiserkerze!« »Blas sie aus! Sie geht uns nix an,« erwiderte ein Männlein, das die Nase in einem Wetzsteinkumpf stecken hatte, so daß sie gespenstisch lang erschien. »Mein Ähnel hat sie am Schlachtfeld gekriegt, die Kerze,« sagte der Bauer, »der Kaiser selber hat sie geweiht.« Der Mann mit dem Kumpf aber rief hitzig: »Der Kaiser soll uns -- -- --!« Kurzum, er tat, mit Ehren zu melden, eine landläufige Rede, die sonst gar niemanden Wunder genommen hätte und die ihm auch von keinem verübelt worden wäre. Aber der Dullhäubel fischte sie auf. »Leut,« schrie er, »jetzt hat einer von euch den Kaiser beleidigt. Drauf steht die härteste Straf, der Tod durch Pulver und Blei. Der mit dem langen Schnabel dort und mit dem dicken Bart, der Longinus Spucht ist es gewesen, der dem Kaiser die Arbeit geschafft hat. Und du, Glöckelbauer, Burgermeister von Fuxloh, hast dazu mit dem Kopf beifällig genickt, hast ihm Recht gegeben. Wenn der Kaiser das erfahrt?! Und ihr andern, ihr steht da und habt es gehört und schlagt den nit gleich auf dem Fleck nieder, der das kaiserliche Erzhaus derartig beleidigt?« Die Fuxloher wichen vor dem Spucht zurück wie vor einem Gezeichneten. Ihnen hingen zerknirscht die Köpfe, die wilden Vorsätze waren aus dem Geleis gesprungen. Ratlos schielten sie nach dem Burgermeister. Der Schelm droben schmiedete sein Eisen. »Spucht, du weißt, was dir bevorsteht: Pulver und Blei! Du tust mir leid.« »Du wirst doch den Spucht nit dem Schergen angeben?!« sagte der Glöckelbauer kleinlaut. »Das Angeben ist eine Schand, der Angeber steht gleich hinter dem Totschläger.« Eine kleine Gestalt mit langer Nase löste sich von dem Schwarm und rannte in den Wald hinein. Der Burgermeister meinte, er habe mit der Sache nichts mehr zu schaffen, und verschwand. Einer nach dem andern verzog sich, und bald war der Anger vor dem Hof leer, und die Dullhäubelleute räumten die Verschanzung weg. »Die Bockmelker, die Nebelschieber, die Heiligenfresser! Mit der Feuerspritze gehen sie gegen den Mond los,« lachte der Schelm aus dem Guckloch. »Meiner Seel, wenn ein Narr vom Himmel fallt, soll er auf Fuxloh fallen, bei uns findet er die richtige Gemeinde.« * * * * * Der Longinus Spucht rannte so scharf und rastlos durch den Vogeltänd, daß ihm das Herz unbändig schlug und er fürchtete, es springe ihm aus dem Maul heraus. Seither wurde er nimmer gesehen. Sein Weib suchte ihn eine Woche lang umsonst. In wenigen Tagen umspannen wilde Gerüchte den verschwundenen Mann. Sein schwarzer, zottiger Bart, die unruhigen, stechenden Augen und besonders die verwegenen Räuberlieder, die er immer gesungen, verschafften ihm, der ansonst ein wohlberüchtigter Mann gewesen, bald den Ruf eines Weglauerers und Räuberhauptmanns. Uralte Waldgeschichten vom Räuber Schierling tauchten wieder auf, der den Leuten den Geldbeutel abgeschreckt und sie auf die Bäume hinaufgejagt und schließlich heruntergeschossen hatte wie Kranwitvögel, und vom bayrischen Hiesel, der von den Wanderern die Zunge als Maut genommen und hernach sich das Messer gestrichen hatte an den Hosen. Gar bald war auch der Spucht der Mittelkern solch gefährlicher Sagen, die von einigen zufälligen Geschehnissen genährt wurden. So gingen einmal die Dirnlein des Dullhäubel um Beeren und kamen weit in die Wälder hinein. Da ward der kleinen Luzel bang vor der lautlosen Öde, sie weinte, und um sie zu stillen, erzählte ihr die Stasel ein Märlein. Ach, es fiel ihr gerade ein gar schauriges ein, daß ihr selbst davor angst wurde! Sie erzählte: »Und die zwei Kinder sind in einen Wald kommen, und allweil tiefer und tiefer sind sie hinein, und der Wald ist stockfinster worden vor lauter wildem Laub und krummen Ästen, und noch immer hat der Wald kein End genommen. Auf einmal steht vor ihnen -- -- -- das Räuberhaus.« Sie flüsterte dieses Wort, ins Herz davor erschaudernd. Im gleichen Augenblick standen die Kinder vor einer verwurzelten Höhle, drin schlief der Spucht, eine Pistole in der Hand. Die Kleinen rannten über Rain und Stein davon und sprengten hernach schreckliche Geschichten im Dorf aus. Bald darauf fand der Burgermeister, als er in aller Frühe vors Haus trat, einen Zettel auf dem Zaun stecken. Es war ein Brandbrief. Am Dorfanger berieten sich die Fuxloher. Sie sahen sich schon als Abbrändler mit einem Bittgesuch von Haus zu Haus gehen. Der Brunnkressenhannes, der am schönsten lesen konnte, las den in bauchiger, derber Schrift geschriebenen Brief mit schauriger Stimme vor. »Ihr Fuxloher Haderlumpen, Am Tag Medardi Brennt Dem Igelbauer Sein Stadel. Wer Löschen Hilft, Dem Zünd Ich Auch Unter. Willst Du Wissen, Wer Ich Bin? Schmecks.« »Den Brief hinterlegen wir beim Gericht,« entschied der Burgermeister. »Was hilft mir das?« klagte der Igel. »Wenn es lichterloh aus dem Dach schlagt, was nutzt das Gericht? Der Nachtwächter muß die ganze Nacht um meine Scheuer herum gehen.« »Da müssen ein paar tapfere Leut bei mir sein,« wehrte sich der Nachtwächter, »ich setz das Leben nit allein aufs Spiel.« Der Grazian rief auf einmal: »Der Teufel schickt seinen Vorreiter daher, der weiß euch Rat.« Schon von fern winkte der Dullhäubel. »Leut, brennen wird es! Unsere rote Henne hat gekräht.« »Da habt ihr es,« greinte der Igel. Der Dullhäubel zog die Nase hoch. »Brändelt es nit schon?« Alle Augen richteten sich gen den Berghang, wo des Igelbauers Wirtschaft war. Aber sie lagerte friedlich, und nur ein linder Qualm hing über dem Rauchfang. »Dullhäubel, spaß nit!« mahnte der Glöckelbauer. »Der Schrecken ist mir ins Knie gefahren.« Der Brunnkreßner legte den Brandbrief zusammen. »Der Schreiber ist in keine gute Schul gangen,« sagte er mißbilligend, »jedes Wort hat er mit einem großen Buchstaben angefangen. Das ist falsch.« »Ganz recht ist es,« stritt der Dullhäubel. »In einem Brief schreibt man alles groß, daß keine Beleidigung geschieht.« -- Die Fuxloher forschten nicht nach, wer den Zettel geschrieben. Aber die Brandwächter, die nachts um des Igels Scheuer lungerten, hielten die Schießprügel fest und warteten, und der Nachtwächter sagte halblaut: »Der Spucht, der rennt einem ohne weiters das Messer hinein. Er hat ein kaltes Herz.« -- Der verrufene Mann irrte indes auf Diebssteigen in den Wäldern des Lusens, fraß Krauselbeeren und hauste in einem umwurzelten, umknorrten Loch, eine Eiche hatte dort die Fänge eingeschlagen. Er spürte hinter jeder Staude Schergen und kaiserliche Reiter und sah den Himmel voller Galgen. Nur wenn ihn der Hunger gar zu hart peinigte, traute er sich an eine Einschicht heran und half den Leuten, die den Mann mit dem wilden Bart nicht kannten, das Gras mähen und verlangte dafür Suppe und Brot. »O weh,« seufzte er oft, »wenn die einöden Leut hören, daß ich den Kaiser geschändet hab, sie werden mir nix mehr geben, und ich kann Holzobst fressen wie die wilden Säu!« Er führte eine ungeladene, zerbrochene Pistole bei sich und wäre arg verlegen gewesen, wenn er damit ein wildes Tier hätte abwehren müssen. Er ward schwermütig. Er dachte, jetzt käme er nimmer heim zu seinem Weib und nach Fuxloh. Und Eisen und Zuchthaus warteten auf ihn. Pulver und Blei! Am schlimmsten war ihm in der Nacht, wenn die Eulen wimmerten, finstere Bäche unheimlich für sich hin redeten, schwarze Bügel flogen und Gespenster schwärmten. Da nahm der Spucht oft vor der eigenen Angst Reißaus und geriet in fremde, abseitige Schluchten und fremdes Gestrüpp und Gesträuß und fand lange nicht zurück in die bekannte Gegend. Einmal ging er nachts auf einem fremden Holzsteig, der war so unheimlich, als ob der Teufel dort herumstinke. Der feurige Mond leuchtete, hinter finstern Stauden brummte ein Hirsch, verzagte Wacholderstöcke standen karg und schaudernd im Wind. Und wie der Spucht so einschichtig durch die Wildnis strich, sah er auf einmal am Weg einen Mann, der schien zu lauern. »Halt, Longinus, das gilt dir!« dachte der Spucht. Die Ohren sausten ihm. Der Mond verkappte sich hinter einer dicken Wolke. Die Moosgeiß rief gespenstisch wie eine verirrte Kuh, und entsetzt rannte ein Bach aus dem finstern Wald. Fern leuchtete eine Einschicht auf. Der Spucht nahm sein Herz in die Hand, ging auf den scheulichen Kerl los, nahm den Hut ab und sagte gar erbärmlich: »Ich bitt um Verzeihung, Herr, ich hab mich verirrt. Wie heißt denn der Wald da?« »Totenkopf.« »Und der Bach da?« »Mörderbach.« Nach der Einschicht fragte er nimmer, denn der Bösewicht hätte gewiß geschrieen, sie heiße »Stichzu!« und wäre mit einem langen Messer hergesprungen. Der Spucht kehrte sich um und stotterte ein Schutzgebet: »Gott, steure mich ins Himmelreich!« Die Zähne schepperten ihm, er meinte, jetzt pfeife ihm eine Kugel in den Rücken. Er rannte, bis er mit dem Bart in einer Dornstaude hängen blieb. Die Einöd ist des Menschen Feind. In der Einöd ist alles zu fürchten. Dort steht ein Wald, brandig und dürr bis in den letzten Wipfel hinauf, geisterhaft rieseln die roten Nadeln nieder. Das Gespenst eines Holzknechtes, den ein stürzender Baum erschlagen, erwürgt diesen Wald. Dort ist ein Gehölz, und geht man nächtens dort, da fragt vom Wipfel ein Unbekannter herunter: »Wohin?« Dort in der Schlucht ist ein Jäger für immer verschollen. Oft schreit sein Geist drin auf. Der Spucht starb jede Nacht vor Furcht. Und mancher Baum reckte ihm die festen Äste hin und knarrte: »Häng dich auf, Spucht!« Von Heimweh getrieben, schlotterte er schließlich gen Fuxloh. Die Bäume verdüsterten sich schon, als er durch den Vogeltänd huschte. Es wurde wieder unheimlich. Eine Unke läutete im Moor, sie rief wie eine verlassene Wittib. Ein Dämmervogel strich. »Es ist eine Schneiderseel,« flüsterte der Spucht und bekreuzte sich. Mitten im zerfahrenen Hohlweg lauerte ein Mann genau so wie der im Totenkopfwald am Mörderbach bei der Einschicht Stichzu. Oder war es gar ein Spießwächter? Wird er nicht jetzt wie ein brennender Löwe herspringen, den Scheuchhund neben sich? Alles war karthäuserisch still. Der Wind rührte nur einen einzigen Ast, und der knarrte. Ein Klagweiblein schwang sich in die Luft, flatterte und schrie. Der Spucht faßte Mut und schrie: »Ich schieß dich nieder, Hund, daß du meckerst! Ich laß dir das Messer hinein, daß es dir hinten wieder hinaus steht!« Der im Hohlweg aber lachte grausig. Da schrie der Spucht: »Bist du geheuer oder nit?« Der Dullhäubel stand wie der Teufel da. »Wo nebelst du herum, Longinus? Zieht dich das Gewissen her?« »Bauer, Gnad und Erbarmen! Verrat mich nit!« flehte der Spucht. »Die Soldaten suchen dich, Longinus, zwölfhundert Mann mit einer Kanon, der Feldmarschall Laudon führt sie an. Der Kaiser darf sich den Schimpf nit gefallen lassen.« »Ich renn über die bayrische Grenz,« stöhnte der Spucht. »Dann wird ein Kriegsfall draus; der Laudon verlangt, daß du ausgeliefert wirst.« »Mein Gott, soll unschuldiges Blut auch noch rinnen! Und ich hab es ja nit bös gemeint. Was soll ich tun? Bauer, sag mir einen Ausweg!« »Stell dich reumütig dem Richter!« Und der Dullhäubel stolperte davon und jodelte: »Ich bin mit dem Kaiser von Östreich in Stritt, der Scherg will mich fangen, er hat mich noch nit.« -- * * * * * Frühtags stand der Spucht wie ein Schlottergeist in der Amtsstube des Landschergen Anton Zinkinker in Blaustauden. Der Scherge legte sich gerade in der Kammer daneben das kaiserlich-königliche Gewand an. Inzwischen schaute sich der Spucht in der Stube um. Verweisend blickte das Bild des Kaisers von der Mauer herab, und darunter drohten ein Schleppsäbel und eine Doppelflinte. Über dem Schreibtisch in geschnitztem Rahmen hing ein Schriftstück, darauf waren Gewehre und Säbel, gekreuzte Pistolen und kriegerisch gefiederte Hüte aufgemalt, und es flog den Spucht geradezu ein Frost an, als er die blutgierigen Dinge so hart bei einander sah. Und über all dem wilden Werkzeug stand geschrieben: Belobungszeugniß Uiber Antrag der k. k. Bezirkshauptmannschaft Hirschenbrunn wird dem Landschergen Anton Zinkinker für die mit unermüdlichem Eifer und besonderer Ausdauer bewirkte Zustandebringung des flüchtigen Dieben Franz Netachlo hiermit die belobende Anerkennung ausgesprochen. Die Unterschrift war nicht zu lesen, aber so dick und so groß durfte sich gewiß nur der Kaiser unterschreiben. Der Spucht knickte zusammen, und seine Schuld erschien ihm bodenlos. Der Landscherge trat herein. Er hatte denselben Bart wie der Kaiser am Bild. Den Säbel riß er von der Wand, gürtete ihn um und fuhr den Spucht grob und kurz an: »Was wollen Sie?« »Die Waffen liefer ich aus,« stotterte der und legte seine Pistole auf den Tisch. »Und ich bitt, führen Sie mich vors Kriegsgericht. Sonst erdruckt mich das Gewissen.« Der Anton Zinkinker rollte ihn an: »Was haben Sie verbrochen?« »Ich bin der Longinus Spucht aus Fuxloh. Ist denn in der Zeitung nix von mir gestanden? Wegen der kaiserlichen Beleidigung?« »Ich weiß nix«, brummte der Scherge. »Wenn Sie aber durchaus im Zuchthaus Spinnen und Fliegen fangen wollen, so kommen Sie mit. Ich hab sowieso in der Stadt zu tun. Reden Sie dort mit dem Richter!« Er schulterte das Gewehr, auf seinem Hut nickte der kriegerische Hahnenschwanz, und er ging stolz und steif, die Brust heraus, und schaute nicht rechts und nicht links. Neben ihm trippelte der Armesünder mit geknickten Knieen, als führe sein Weg schnurstracks zum Galgen. Die Leute, die ihnen begegneten, freuten sich. Sie sagten: »Es ist gut, daß sie den Raubmörder einführen. An dem Bart sieht man es ihm an, was er Blutiges imstand ist.« Oder: »Dem Spucht hab ich es oft gesagt, daß wir uns im Zuchthaus sehen werden. Ein verwogener Raufer ist er gewesen, überall dabei.« Er nahm alles zerknirscht hin. In Hirschenbrunn rannten ihm die Kinder nach und deuteten auf seinen wildmächtigen Bart. Als er ins Gerichtshaus trat, war ihm, er müsse tot umfallen. Er sah sich noch einmal um und wisperte: »Blaue Luft und grünes Gras, behüt euch Gott! Berg und Wald und Hirsch und Reh und Weib und Kind, ich seh euch nimmer. Mein Lohn ist Pulver und Blei.« In einer Kanzlei empfing ihn ein alter Herr, sein Bart war weiß wie Rauhfrost, doch die Augen funkelten ihm scharf und jung. Er ließ ihn hart an: »Sie sind also der berüchtigte Räuberhauptmann Spucht?« »Taglöhner und Holzhacker bin ich, sonst nix, Euer Gnaden,« stammelte der Spucht. »Wieviel Menschen haben Sie ermordet?« »Keinen, um Gotteschristi willen, keinen!« schwur er entsetzt. »Warum haben Sie den türkischen Kaiser beleidigt, Sie Grobian? Hat er Ihnen etwas getan?« »Ei, gibt es einen zweiten Kaiser auch noch?« Der Spucht ließ das Maul offen vor Verwunderung. »Weh Ihnen, wenn ich noch einmal etwas Ähnliches von Ihnen erfahre! Dann kenn ich keine Gnade mehr,« drohte der Richter. »Und nun kehren Sie in den Schoß der Gemeinde Fuxloh zurück! Vorerst aber lassen Sie sich vom Balbierer nebenan auf meine Kosten den Bart stutzen. Verstanden? Hinaus!!« * * * * * Die Fuxloher wollten wallfahrten gehen. Sühnen wollten sie, daß einer von ihnen sich an dem Heiligen vergriffen; sie wollten verhindern, daß ob dieses Frevels der Himmel mit schwarzen Wettern auf Saat und Frucht niederschlage, die der verschollene Blaumantel nimmer schützte. Und weil die Not kein Gesetz kennt, wollten sie an überheiligem Ort bitten, daß der Erzschelm Kasper Dullhäubel bald von der Erde weggeräumt und der Hölle überliefert werde, die er sich reichlich verdient hatte. Der Meßner Grazian wurde frühzeitlich von dem Uhrgewicht geweckt, das von der Höhe herab mählich auf seine Stirn gesunken war. Er lugte zum Fenster hinaus, wie der Wind gehe und ob kein gefährliches Gewölk hänge zwischen den Bergen Rachel und Lusen. Doch stand der Himmel hell gespannt über dem Land, und das Wetterglas stieg. Da stiefelte er sich festlich, knüpfte sich ein rotes Halstuch unter dem Adamsapfel, band grobes Geld ins Schneuztuch und weckte den Brunnkressenhannes. Der Hannes blies gewaltig ins Kuhhorn, und droben im Dachreiter des Glöckelbauern rührte sich das Geläut. Jedes Gehöft sandte seine Leute zur Wallfahrt aus; Alte und Kinder, die ansehnlichsten und die mindesten Fuxloher kamen daher, denn es gab schier keinen im Ort, dem der Dullhäubel nicht einmal eine Schalkheit angetan hätte. Bald waren sie wegfertig. Vier schwangere Bäurinnen holten aus der Kammer des Grazian eine geschnitzte heilige Walburga. Der Igelbauer trug auf einer Stange den heiligen Kölbel, der die Wallfahrer schützt auf ihrer staubigen Reise; der Brunnkressenhannes schwenkte die Männerfahne, der Spucht lenkte die Weiberfahne, und der Hahnenwirt ging mit dem gekreuzigten Herrgott. Die Dirnen hatten die Zöpfe mit Myrten und holden Zaunblumen geziert, und auch die uralte Ulla ging mit, das silberne Haar hatte sie gelöst und sie durfte es so tragen, weil sie eine Jungfrau war. Sie trugen Zehrung in Zwilchsäcken mit und in Bündeln, mancher hatte sich weislich mit einem Regenschirm versehen. Als die Kreuzschar singend auszog, lag der Dullhäubel auf einem Bühel. »Ich kann nit mitgehen,« schrie er ihnen nach, »auf der Ferse wachst mir ein Hühneraug, so groß wie eine wallische Nuß.« Der Grazian schüttelte den Schirm. »Spott zu! Du hast bald ausgespottet!« »Wie meinst du das, du Vaterunsermühl? Willst du vielleicht gar bitten, daß ich bald hin werd, du Weihbrunnkrug? Haltest du unsern Herrgott für einen Schuft, der sich kaufen laßt, du augendreherischer Meßner? Geh zu und verricht dein kniebeuglerisches Geschäft!« »Rennen wir, sonst wirft er uns ein paar unschöne Wörter nach!« drängte der Hannes. Der Schelm am Bühel näselte, den Grazian nachahmend, der eilenden Kreuzschar seinen Spott nach. »Die schönste Zeit ist eingetroffen, die Einkehrhäuser stehen offen, singt, Wallfahrer, sauft nur zu, schnürt euch die Schuh mit dem Strohhalm zu!« Der Schmied Sulpiz Schlagendrauf wollte gegen den Sänger losgehen, doch der Grazian hielt ihn beim Rock. »Herr, vergib ihm!« seufzte er mit dem Blick nach oben. Der Dullhäubel lachte und schalt: »Ihr Nothälse, ihr habt alle nix, müßt euch die Schuh mit Rotz schmieren! Ihr Zipfelhaubenbauern, ihr Waldesel, stehlt euch nur wieder einen buchsbaumenen Heiligen!« Knirschend zog die Kreuzschar davon. -- Der schwänkische Mann schlenderte vergnügt heim, weil er den Wallfahrern den rechten Segen mit auf den Weg gegeben hatte. Aber als er zur Kapelle kam, war ihm, der helle Donnerstrahl schlage vor ihm nieder: der Blaumantel stand wieder drin, mit hellen Farben neu bemalt, den Kinnbart reichlich vermehrt und verlängert, den Blick weit greller und stechender als früher. »Der Teufel blendet mich!« krächzte der Dullhäubel. Doch der Teufel äffte ihn nicht, sondern munkelte ihm ins Ohr. Da schaute der Schelm sich pfiffig um, und als er nichts Lebendiges merkte als einen Vogel, der auf einem Tannenspitz rastete, und nichts hörte, als ein paar Dompfaffen und Teufelsmeßner im Wald, nahm er den Heiligen beim Genick und schleifte ihn auf heimlichem Steig zu dem alten Backofen, dort schob er ihn hinein und zündete ihm höllisch unter, und der Blaumantel fing an zu prasseln und zu knallen und sang wie die drei Jünglinge im Feuerofen. Mit leichtem Gewissen ging der Dullhäubel zum »pfalzenden Hahn«. Wirt und Wirtin waren auf der Wallfahrt. Das Dorf war wie ausgestorben, nur das Vieh hörte man glöckeln auf den Hutweiden. Da stieg der Dullhäubel durchs Fenster in die Stube, legte ein paar Guldenzettel auf den Tisch und stach sich ein Faß an. »Jetzt, Seel, spring aufs Geripp, sonst ersaufst du!« lachte er und zechte gewaltig und ebenbürtig den Vorfahrern, die im Jahr nur zwölfmal aus dem Wirtshaus heimgekommen waren. Erst als das Abendglöckel läutete und der Fuchs im Steinriegel den Hühnersegen betete, taumelte er heim vom Leichentrunk des Blaumantels und stieg, der Ogath nicht in die Hände zu fallen, ganz sacht auf den Heuboden und wühlte sich dort ein. -- Der Spucht schwenkte die schleißige Fahne, darauf die Notburg gemalt war, wie sie die Sichel an den Lichtstrahl hängte. »Ewig leid ist mir um den Blaumantel,« seufzte der Grazian, »der ist auch ein starker Himmelsfreund gewesen, hat einen Nagel in den Nebel geschlagen und die Stiefel dran gehängt.« Er lugte durch die messingenen Brillen, die er aufgesetzt hatte, die Wallfahrt zu verschönern, ins Gebetbuch; die Wangen glühten ihm, weil er sich heute wichtiger wußte als die andern Fuxloher, den Burgermeister mit einbegriffen, eine Litanei nach der andern näselte er der Kreuzschar vor und hörte nimmer auf. Er hatte sich gelobt, den Dullhäubel tot zu wallfahren. Bergan ging es, alle stapften stumm, der Berg nahm ihnen den Atem. Nur als sie zu einem hochgelegenen, wenig ergiebigen Acker kamen, der zum »pfalzenden Hahn« gehörte, da hielt der Wirt das Kreuz, das er trug, darüber, schüttelte es zornig und schrie: »Da schau dir ihn an, Herrgott! Ist das ein Hafer?« Oben auf der Schneide, wo man den letzten Blick über Fuxloh genießt, ehe es hinter Berg und Baum versinkt, da kehrten die vier Weiber mit der Walburga um, und der Grazian rief seiner Schar zu: »Da schaut hin, da seht ihr noch einmal euer liebes Vaterland!« Sie wallfahrteten von Staude zu Staude, talnieder und bergauf durch den blauen Sommer, wateten durch die seichten, felsklaren Bäche, die krumm und weitläufig daher rannen, schritten über wackelnde Stege und feste Brücken; übermütig flatterten die Fahnen. Helle und dumpfe, reine und krähende Stimmen sangen dem Vorsänger die Weise nach und beteten aus morschen Büchern, daß die Wälder erschollen, die Scheuern widerhallten und die Dörfer, die sie durchwallten. Die Ulla, die ihr Lebtag noch nicht viel weiter als über die Dachtropfen ihrer Hütte hinausgekommen war, wunderte sich ein über das andere Mal: »Leut und Kinder, ist die Welt aber groß! Jetzt steht dort droben auch noch ein Haus!« Barfuß ging sie dahin, die Schuhe am Stecken über die Achsel gehängt. Und der alte Didelmann hüpfte hin und wieder behend in eine Einschicht, um sich den Ziegel wärmen zu lassen, den er am Bauch trug. Wie an einem weißen Band waren die Dörfer an der Straße aufgereiht, und wo die Kreuzschar zog, schwangen sich die Glocken in den kropfigen Türmen und schlanken Dachreitern, lenkten und schwenkten und senkten der Brunnkreßner und der Spucht die Fahnen, trug der Hahnenwirt den Herrgott und der Igel seinen Stangenkölbel um die Kirchen und traten singend hinein, dem heiligen Wolfgangi und dem Isidori und dem Prokopi einen kurzen Gruß zu bieten, und hernach wanderten sie den Weg weiter, der hübsch krumm talein, talaus sich schlängelte gen Maria-Dorn. Stauden grünten am Steig, es hingen rote Blumen drin, der Tau flocht Rosenkränze, ein zarter Wind rührte scheu an Korn und Wald, Vögel schwätzten und wirbelten, der Specht, der Holzknecht, hackte lustig den Tann an, und über dem allen gewölbt hing der muttergottesblaue Himmel. Bäche schossen daher aus Klüften und Gründen, verborgene Mühlen murmelten in den Schluchten, und vom Turm des heiligen Bartholomä, der das dreieckige Fenster hatte, das die Kinder das Auge Gottes hießen, von dem Turm rief neckisch die Glocke immer wieder: »Klingeleisen, Bügeleisen!« An einer zerfallenen Burg wallten sie vorbei, drin nach der Sage ein verwunschener Schnapphahn geisterte. Die Buben riefen in den Keller hinein: »Zinnspanner, komm heraus!« und huschten wie gescheuchte Hirschlein davon. Mit leisem Schauder schritt die Schar an dem Pesthügel vorbei. Und manch sonderbarer Heiliger wartete am Weg und wollte lobsungen sein und ein blaues oder buntes Kränzel empfangen. Die Muttergottesfahrer kannten meist den Namen und die Geschichte dieser Heiligen nicht, sie deuteten und benannten sie aus ihrer Einfallt heraus, wie sie es verstanden oder einmal hatten erzählen hören. Im Schatten seiner rostigen Strahlenscheibe stand auf einem Bein ein solch namenloser Himmelsmann; das andere Bein, das er an sich gezogen hielt, mochte ihn schon schmerzen. Doch schnitt er trotz seiner Marter ein vergnügliches Gesicht. Dreißig Jahre soll er nicht gesessen noch gelegen sein und habe mit dieser Peinigung das Himmelreich an sich gerissen. »Nehmt euch ein Beispiel an ihm, Fuxloher!« sagte der Grazian und versuchte ein wenig auf einem seiner spandünnen Beine zu stehen. Und alle drängten zu dem steinernen Weihbrunn hin und besprengten sich eifrig. Vor dem Wermutdörflein -- so hießen sie den Ort, weil im Wiesental rings soviel Wermut blühte -- vor dem Dörflein stand das Hasenmarterl. Darauf freuten sich die Kinder schon den ganzen Weg, und die Mütter trösteten die müden Kleinen damit. Der Grazian erzählte, ein Bauer habe einmal Sonntags so hitzig einen Hasen gejagt, daß er die Messe versäumte, und drum habe er zur Sühne die winzige Kapelle gestiftet. Drin saß nun das heilige Kind mitten unter tanzenden Hasen, und die Kreuzschar lachte hinein und ergötzte sich an dem drolligen Tanz, und die Kinder wollten schier nimmer weiter und wollten immer wieder die Hasen sehen. Doch der Meßner drängte, und sie folgten ihm. Er betete ein Gebet nach dem andern und rief immer aus, wem es gelte. »Wollen wir ein Vaterunser beten für unsere schwertragenden Weiber!« forderte er, und sie beteten mit klaren und hohlen Stimmen. Und weiter rief er: »Ein Vaterunser für solche, die auf hohen Wassern fahren! Und noch eins, daß Kraut und Hafer gedeihen in der Gemeinde Fuxloh!« Hernach zog er einen pfiffigen Mund und sprach: »Jetzt wollen wir ein Vaterunser aufopfern für alle, die gern mitgegangen wären! -- Und eins für die, die nit haben mitgehen können! -- Und eins für die, die nit haben mitgehen wollen!« Er goß einen Schluck kornenen Branntwein in sich, und da eben ein urwinziges, weißes Wölklein aufstieg, rief er: »Jetzt wollen wir beten, daß wir in einem trockenen Regen gehen!« Doch oft hob er stark und geheimnisvoll die Stimme: »Aber jetzt beten wir recht inbrünstig und herzhaft für den guten Ausgang einer gewissen Sache!« Da sah er schon vor dem gesammelten Stoß der Gebete den verruchten Dullhäubel hintaumeln auf den Totenschragen und überliefert den gespreizten Krallen der Hölle. Da setzte die Gemeinde gewaltig ein, und es klang wie eine sonderbar wirre Orgel. Doch galt alle Inbrunst dieses namenlosen Gebetes nicht dem Tod des Schelmen, sondern jeglichem glühte ein anderes Anliegen im Herzen. Der Brunnkressenhannes wünschte sich den Wurm weg, der ihm im Finger tobte; der Didelmann wollte sein inneres Leiden erleichtern, und die Glöckelbäurin wollte ihren Zopf aufhängen am Arm der Muttergottes, die Haare waren ihr ausgefallen in schwerer Krankheit; der Lukas Schellnober trug seinen Stockzahn gen Maria-Dorn, und die Mechel wollte dort um einen Mann bitten, nur um keinen rotköpfigen. Der eine wallfahrtete wegen des Mausfraßes, der andere seinem kranken Roß, der dritte seiner trächtigen Kuh zulieb. Die Ulla schleppte ihr schweres Herz mit, das sie in verfluchtem Hexentum verloren wähnte. Der Lippenlix ging auch mit, weil ihm der Dullhäubel den Bart geschändet hatte. Er war ein solcher Spielteufel, daß er selbst im Gehen mit seinesgleichen Karten spielte, und nicht eher ließ er davon ab, bis ihm der Lukas Schellnober die Eichelsau aus der Hand schlug. Weiter ging es. Sankt Peter, der Wettermacher, grüßte aus seinem blauesten Fenster. Auf den Blockhalden glühten schlanke Weidenröslein, Stauden einsiedelten auf traulicher Heide, die Wiesen lagen rot und weiß und gelb gesprenkelt, und ihre tausend Tauäuglein glühten. Lerchenträchtig war der Himmel. Hasen reckten die Löffel aus Klee und Ginster, Spechte spähten, die Eichkatze staunte aus dem föhrenen Wald, der Grill lauschte im Gras auf, wenn die Bittfahrer vorübersangen. Bienen und schöne goldige Fliegen sumsten heimlich die Marienweisen mit. Gar als der Kuckuck vom Berg jauchzte, da rief die Ulla, der sich die Welt auf einmal gar so unheimlich weit auftat, freudvoll aus: »Der Fuxloher Guckauf ist mit auf der Wallfahrt, ich kenn ihn am Schrei!« An einem Hang voll gelber Rainblumen hoch oben auf einer Säule stand ein Steinmann, mit den Füßen mitten drin in einem Strahlenkranz. Ihn hießen sie den heiligen Grobian, weil er der Straße und ihren Wandersleuten den Rücken kehrte. »Das ist eine Wundersäule,« sagte der Grazian, »sie dreht sich langsam.« Der Didelmann, der der älteste Mann von Fuxloh war, erzählte: »Vor fünfzig Jahren, ich denk es noch, hat der heilige Grobian mit dem Gesicht noch auf die Straße geschaut. Ganz langsam dreht er sich, alle Jahr gibt es ihm einen geringen Ruck. Merkt auf, Kinder, wenn ihr in fünfzig Jahren wieder da vorüber geht!« Die Ulla aber redete: »Ihr sollt ihn nit den Grobian schelten! Wer weiß, ob derselbige nit durch sein Blut hat ins Himmelreich schwimmen müssen? Wer weiß, ob die schlimmen Heiden ihn nit mit Blei, Öl und Pech begossen haben?« Da graute allen, und sie knieten reuig vor dem gescholtenen Heiligen hin. Nur der Brunnkressenhannes nicht, denn seine Filzhosen waren so dick, daß er drin die Kniee nicht biegen konnte. Der Spucht schneuzte sich gerührt in den Hut. Durch Drosselwälder und über Kuckucksberge wallend, stießen sie auf eine abgebrannte Florianikapelle; sie war nimmer aufgebaut worden, weil man den heiligen Feuerherrn nicht mehr traute, der das eigene Haus nicht beschützt hatte. Vor mancher Bildsäule warf sich die Kreuzschar in die Kniee. Da war der selige Simandel. Der hieß so, weil er gar erbärmlich geduckt stand, als fürchte er eines scharfen Weibes Angriff. Vielleicht hatte er in einem demütigen Ehestand die Marterpalme errungen. Einmal führte der Grazian seine Herde zu einem Felsen und zeigte ihnen darauf ein Loch, das hatte der Bischof Wolfgang auf der Reise mit seinen Füßen hinein getreten. Er wies ihnen einen hohlen Stein, der war der Sessel der glorreichen Frau gewesen auf der Flucht, bis sie ein Geißhirt davon vertrieb mit rauhem Schelten und Geißelknall. Er führte sie zu einem wunderbar riechenden Dornbusch. Dort hatte einst ein Bittfahrer ein geweihtes Gottesbrot erbrochen, und an selbem Fleck war hernach die Staude gewachsen. Jetzt steckten die Fuxloher andächtig schnüffelnd die Nasen darein, stumpfe und spitze, weiße, rote und blaue. Einen Heiligen trafen sie, der rastete mit durchbohrtem Leib mitten in hohen Disteln drin, verzückt in sein Leid. Ein Stieglitz wiegte sich auf einem der vielen Distelköpfe und letzte sich dran. Die Kinder wollten wissen, warum der Marterer den Spieß im Bauch habe; niemand konnte es ihnen deuten. Ein Hirt lagerte unter einem nahen Haselnußbaum, der rief: »Der Herrgott hat unserm Heiligen zwei Zungen gegeben, daß er ihn besser loben kann.« Den Grazian verdroß die Prahlerei arg, und er knurrte: »Unser Blaumantel hat drei Zungen gehabt. Ich bin ein steifgläubiger Mann, aber gegen unsern Heiligen gilt euer Distelbub einen Pfifferling.« Der Hirt raffte sich neugierig auf. »So seid ihr die Fuxloher, die die Heiligen stehlen? Bei euch sollen ja mehr Spitzbuben als gestutzte Hund sein.« Das ergrimmte den Hahnenwirt, und er schlug mit dem gekreuzigten Herrgott auf den Spötter los, der aber wehrte sich verbissen mit seinem krummen Stecken. Der Lukas Schellnober tat schließlich die zwei auseinander. »Dazuland sind die Hirten grob, das ist wahr,« schimpfte der Grazian, als sie schon weit von dem Distelgarten waren. »Kein Wunder, wenn die Muttergottes davon rennt! Setzt dem Teufel eine Säul her!« Mit hellen Augen sah die Ulla all die fremden Kapellen und Bilder der Heiligen, die auch nach dem Tod nicht ermüdeten, Wunder zu wirken, und sie konnte sich vor lauter Ehrfurcht nicht genug tun, und als vor einem jähen Straßenabsturz eine Säule stand, die Fuhrleute zu erinnern, daß sie hier den eisernen Schuh unter das Rad zwängen sollten, da ließ sich das Weiblein es nicht nehmen, sie kniete hin und betete gläubig hinauf zur Gibachtsäule. »Heiliger Radschuh, das sollt der Dullhäubel sehen!« lachte der rauhe Schmied. Unter einer breiten Linde, in deren Laub es sommerlich summte, rastete die Schar. Der Longinus Spucht lehnte das Notburgisfähnlein an den Baum und setzte sich auf eine Wurzel. Er hatte himmelblaue Hosen an und rote Strümpfe, er starrte auf die brennenden Waden und dachte zurück an die wilden Nächte am Lusen, während sein Weib am nahen Feld viereckigen Klee suchte, daß sie Glück habe. Die Kirchfahrer holten ihr Brot hervor, schmierten Schmalz darauf oder häuteten eine Wurst. Die Mütter zöpften die Dirnlein, die sich das Haar an den Stauden zerrauft hatten. Die Ulla fand ein paar Silberdisteln, sie schnitt den fleischigen Boden davon ab und aß ihn. »Das ist kein schlechtes Obst,« dachte sie. Sie strich wunderlich erregt in der Nähe der Raststatt herum. Sie fing einen bunten Weinfalter, der gar nicht scheu war und der Menschen Arglist nicht ahnte, und tat ihn in ein Schächtlein; sie zupfte Dornblumen ab und zierte sich den verrunzelten Kopf. Und als sie eine dichte Staude auseinander bog, erschrak sie bis ins innerste Herz: da lag verborgen der Marterheiland, kraftlos niedergesunken an der Geißelsäule, ein grauer Stein. Und halblaut sang die Uralte: »Unser Herrgott liegt im Moos gepeinigt und zerschunden, zählt die fünf bittern Wunden, und sein Schmerz ist groß. Kann nit sitzen, kann nit stehn, kann nit auf und weiter gehn, liegt in Dorn und Schleh, die fünf Wunden tun ihm weh.« Hernach ließ sie die Staude wieder sanft zusammenschlagen und schlich weg. Sie verriet keinem den heimlichen Herrgott. »Lüpft euch auf!« rief der Grazian. »Wir müssen weiter.« Verschollene, bemooste Gebete klangen wieder, oft ein Gemisch von Frömmigkeit und Unsinn, in alten halbvergessenen Formeln, den Betern selber unverständlich. Doch sie zerbrachen sich darüber das Hirn nicht und glaubten, Gott werde es sich schon auszudeutschen wissen. Wenn die Wellen der Gebete gar zu hoch schwollen, da reckte der Grazian den Finger auf: »Gebt nit alle Kraft her! Spart sie der Maria auf im Dorn!« Sie traten aus dem Gebirg heraus in ein freundliches Liebfrauenland voll sanfter Hügel, deren einige grüne Wälderhauben aufhatten; gelbe Felder wogten, Wiesenhalden lachten. Sie wanderten bald auf breiten, ebenen Straßen, bald gingen sie eines hinter dem andern einen dünnen Steig durch hohes Korn, sie verschwanden drin, und nur die Fahnen ragten drüber hinaus und kündeten von ihrer Wanderung. Ob des endlosen Getreides verzagten die Kinder, sie fürchteten, das Kornweib greife aus den Halmen und verschleppe sie in die knisternde Wildnis. Der Mittag flirrte über dem Land, immer glüher ward die Sonne, immer müder die Kreuzschar. Sie spannten die roten und grünen Schirme wider das ungestüme Licht. Staub stieg. Die Kinder trippelten an den Händen der Mütter, greinten und weinten oder begehrten ungeduldig heim. Viele ließen sich tragen. Der Didelmann seufzte: »Der Ziegel ist noch hübsch warm, aber die Nägel hab ich mir von den Zehen gerannt.« »Steinmüd bin ich,« klagte der Igel. »Der Sommer haut heuer über die Schnur. Für den Kornschnitt ist es recht.« »Der Weg wird sauer,« flüsterte der Grazian, »aber nachlassen dürfen wir nit.« Der Burgermeister lugte auf die Sackuhr und sagte: »Der Weg zieht sich, wir haben noch eine harte Stund vor uns.« »Hör auf mit deiner Uhr,« neckte ihn der Sulpiz, »sie geht nach dem Fuxloher Mondschein.« Und der Brunnkressenhannes seufzte: »Wenn nur der afrikanische Wind nit wehen tät!« Glänzte irgendwo ein Wiesenbrunn auf, so stürzten sie darüber her und tranken. An den Bächen wuschen sie sich die staubigen Stirnen. Erlöst atmeten sie, wenn ein Hain seine Kühle über die Straße warf. Einmal bildete sich der Grazian ein, er habe sich die Füße ausgekegelt. Er legte sich ins Gras, streckte die dünnen Beine in die Höhe und flehte: »Spucht, zieh an, aus Leibeskräften zieh an!« Der Spucht ließ sich nicht bitten und rüttelte ihm die Gliedmaßen. »Weh, du reißt mir den Fuß aus!« jammerte der Meßner. Er sprang auf und hinkte weiter. Die Ulla aber hatte ihre Traurigkeit vergessen. Sie hub ein helles Lied an, das sonst niemand kannte, und drum blieb ihre spinnwebfeine Stimme einsam. Vor den halbgeschlossenen Augen schaute sie die heilige Frau, der ihr Kittel war aus Sonnenschein, und gegürtet war sie mit dem Regenbogen. Und die Ulla fügte lustige Triller und jähe Jodler in ihre Weise, sie konnte nicht anders als fröhlich singen, verstummt war die Qual des Gewissens, und das Herz schlug ihr hellauf vor glücklicher Erwartung. »Wer hat denn nur das Lied erdacht? Droben aus der Höh es habens drei Engel vom Himmel gebracht. Mariafrau, juchhe!« »Hört der Ulla zu!« brummte der Schmied. »Ja, wenn die alten Weiber tanzen, hernach fliegt der Staub hoch.« Sie trabten eine kühle Waldstraße hin. Örterweise warteten Kapellen, drin des gebundenen Heilands Leidensrast und Weg zur Schädelstätte gar wild und lebendig abgebildet war. Die Sonne ermüdete und senkte sich aus der Höhe. »Leut, verzagt nit!« feuerte der Grazian seine Schar an. »Wir haben nimmer weit zum goldenen Haus.« Er fing eine Litanei an und betete sie genau mit derselben singenden und nachhallenden Stimme wie sein verstorbener Pfarrer Sebastian Knaupler, so daß mancher erschrocken auffuhr und meinte, den Verewigten selber zu hören. Der Meßner betete vor: »Von der heimlichen Nachstellung des bösen Feindes --.« Die Kreuzschar fiel ein: »Erlöse uns, o Herr!« »Von Pestilenz und Krankheit --.« »Erlöse uns, o Herr!« »Von Blitz und Ungewitter --.« »Erlöse uns, o Herr!« »Von den bösen Werken und Anschlägen des Kasper Dullhäubel --.« Da jauchzte die Ulla auf und deutete. Über den Wald stiegen die Turmspitzen der Muttergottes, die in den Dornstauden gefunden worden war, und funkelten mit blanken Knöpfen, und die Bittfahrer jubelten, und der Meßner schwenkte den Gupfhut. »Die Turmknöpf sind großmächtig,« sagte der Hahnenwirt, »ein jeder faßt einen ganzen Eimer Wein. Und das Uhrgewicht im Turm ist ein versteinerter Laib Brot.« Aus hohem Kreisfenster lugten die Glöcknerbuben, und schon läutete eine Glocke voll und schwer und himmlisch aus dem Getürm, es war ein Klang, als grüße die Herrgottin selber mit goldener Troststimme das Häuflein, das mit irdisch kläglichem Anliegen zu ihr kam, zur Muttergottes, die alle Gebresten wandelt in eitel Gesundheit, alle Schwäche verkehrt in blanke Kraft, alle Verzagtheit und Angst stillt, zur gewaltigen Frau, aus deren Schoß das Heil in die Welt gedrungen. Andere Glocken gesellten sich der goldenen Hochfrauenstimme, und ein Glöckel war darunter aus lauterem Silber, vor vielen Jahren hatten es die Fuxloher gestiftet, aus den silbernen Knöpfen der Bauern war es gegossen, und die Burgermeisterin selber hatte eine Schürze voll Laubtaler in die kochende Glockenspeise geschüttet. Nun klang das Glöckel lieb und herzlich, als sänge eine junge Bauerndirne, und als wüßte es, wer jetzt zu Besuch käme. »Die Fuxloherin läutet,« freuten sich alle, das Wasser zitterte ihnen in den Augen ob der Heimatstimme, die rosenkranzumstrickten Hände hoben sich. Der Wald tat sich auf: da lag die Gnadenstätte vor ihnen, hoch und mächtig. Ein Rausch ergriff die Kreuzschar, die Fahnen bauschten sich, die Quasten baumelten. Der Ulla war, jetzt müßten die Heiligen in der Kirche von den Simsen springen und ihnen entgegengehen, und sie selber trat einher gleich einer Hochzeiterin, das aufgelöste, bekränzte Haar wehte ihr wie ein silberner Schleier, ihre Augen waren heiß und selig aufgetan. Da schauten alle Wallfahrer die Ulla an und wurden von dunkler Ehrfurcht bewegt. Dann wurden die Fahnen geschwenkt und geneigt, Gesang stieg aus dem Wegstaub, die zarten und die groben Stimmen griffen ineinander. »Über Berg und über Tal und mit freudenreichem Schall, über Wald und grüne Au reisen wir zur Lieben Frau.« Immer brünstiger, gläubiger, wilder sangen sie, vergessen war der müde Leib, die Herzen schlugen, die Stirnen brannten, die Kinder taten die Augen wundergroß auf. Funkelnd trat der Pfarrherr aus dem Tor, die Sonne gleißte in der erhobenen Monstranz. Die Altarbuben schwangen die Schellen. Alles warf sich vor der Blendnis nieder, schüttete sich hin vor dem Segen, der sie grüßte, jeder schlug an die Brust und wagte vor Unwürdigkeit nicht, seinen Gott zu schauen, der aus der Monstranz glühte. Die Kirche empfing sie mit feierlicher Kühle. Die Orgel donnerte. Weiße Säulen, wie Schlangen gewunden, trugen den Hochaltar, und dort, umflattert von blauem Weihrauch, umkränzt mit schimmernden Heiligen, herrschte Maria, die Fürbitterin, die erste Frau im Himmel und auf Erden. Perlenstarrend, in gelben Locken, mit goldnen Ketten behangen, im Arm das Krönleinkind, erwartete sie die Menschen. Ihres blauen Sternenkleides Falten flossen hin wie ein geackertes Feld. Engel hielten eine Krone über sie. Große, gewundene Wachskerzen flackerten, und hoch droben glitzerte das gestirnte Gewölb tausendmal schöner als der Himmel der Nacht. Gestalten in verzückten Gebärden leuchteten an der Wand, ganze Kitten himmlischen Geflügels gaukelten wie Falter im Himmelsgarten. Kanzel, Altar, Rahmen, Leuchter, Lampen, alles funkelte, wie es sich für das Schloß der Königin ziemt, die die höllische Schlange überwunden und unter ihre Ferse gebracht hat. Rings lehnten Krücken und Stecken, die die Geheilten abgelegt hatten, die vormals so erbärmlich lahm gewesen, daß sie hatten weder kriechen noch gehen können. Eine wächserne Zunge hing dort, von einer Frau gestiftet, der die Zunge ans Zahnfleisch gewachsen war und sich hernach gelöst hatte. Auf Tafeln und Widmungen war geschrieben und gemalt, wie die göttliche Dornstaudnerin den Stummen die Rede geschenkt und den Rasenden die Vernunft, wie dem Blinden der Schein, dem Tauben das Ohr offen wurde, wie Geschwulst und Rotlauf vergingen, Wunden sich schlossen, Menschen wunderbar errettet wurden aus wilder Gefahr. Die Fuxloher bestaunten alles, nickten der Göttlichen zu und warfen ihr kupfernes Geld in den Opferstock. Die Kerzen knisterten am Altar, die Ulla starrte darein und staunte: »Reiche Welt!« Sie sah die Perlen glühen an der Gnadenfrau, Perlen größer als die Haselnüsse am Vogeltänd, hellblaue, pechschwarze, veilchenfarbne Perlen. Alles gloste von Gold und Silber und wunderschönem Glas. Doch der flimmernde Muttergottestand ängstigte die Alte, sie wagte kaum den hochlobpreislichen Namen zu wispeln, und hätte doch gar zu gern ihren weißen Kopf gelegt in Marias Schoß. Die droben am Altar war ihr zu stolz und zu reich. »Sie wird die armen Leut nit kennen wollen,« seufzte die Ulla. Jetzt reckte der Grazian den Hals und flüsterte eindringlich: »Leut, es ist an der Zeit, vergeßt nit, warum wir den weiten Weg gangen sind! Sagt es fein der Dornstaudnerin, warum wir heut ihren Freund, den Blaumantel, nit mittragen!« Da murrte die Schar ein dumpfes, hartes Gebet wider den Erzschelmen und Landschaden Kasper Dullhäubel. Die Ulla aber stahl sich mit bekümmertem Blick hinaus aus dem Glanz und irrte traurig und verlassen um die Kirche. Da fand sie eine Kapelle, drin raunte und sprudelte es traulich, und über dem rinnenden Brunnen war die Gottesmutter auf ein Brett gemalt, die lächelte lieb und grüßte mit den schlichten Augen das Weib; auf dem Schoß zappelte ihr das Kind, es tappte gerad nach einem Gimpel, und der Vogel drehte den Kopf und biß den Buben in den Finger. »Ei, da ist fröhlich hausen,« dachte die Ulla und kniete mit müden Knieen auf die Betstaffel hin vor das Bild und schaute sehnlich empor. Sie, die heimatlos war wie ein Fläumlein in den Lüften, das nicht fallen kann und nimmer steigen, hier fühlte sie sich daheim. Sie ließ den bunten Weinfalter frei, den sie gefangen hatte. »Marienkind,« schmeichelte sie scheu zu dem jungen Herrgott hinauf, »dir bring ich ein schönes, ein wunderschönes Sommervöglein.« Auf einmal dachte sie an ihr Herz, das sie voll Sünden wähnte, und sie betete still: »Maria, lichter als die Lilien hinterm Zaun, roter als die Nelken am Rain, ich grüß dich soviel tausendmal, als Sandkörner liegen auf den Straßen, als Laub wachst am Wald, als Sterne scheinen vom Himmelreich. Geweint hab ich viel, eine Zähre hat die andere gefeuchtet. Zu dir komm ich, dir vertrau ich, Maria. Durch deinen keuschen Namen bitt ich dich, du sollst mir sagen, ob ich eine Hex bin.« Der Heiligen froher Blick fiel auf den alten Heilbrunn. Da beugte sich die Ulla drüber und schaute ins Wasser, bis sie die eigenen Augen drin sah, und diese schauten so fromm und gut heraus, daß ihr wunderfriedsam unter dem gespiegelten Blick wurde, und sie wußte, daß es keine Hexenaugen waren. Hernach trank sie von dem fallenden Wasser. Der Marienbrunn sang vertraut, und draußen im Laub meldete sich ein Rotkröpfel. Hier war gut sein. Weit weg von der Welt kniete die Ulla und betete herzlich für Tote und Lebende, für alle, die sie kannte und die ihr Gutes getan oder Übles. * * * * * Am andern Tag gingen die Fuxloher heim. Sie wünschten sich herzlich wieder in die kleine Heimat zurück aus der Welt, die sie sich so weit und so breit gar nicht gedacht hatten. Wieder kürzten sie sich den Weg mit Lied und Litanei und ergötzten sich an den geweihten Andenken, die sie mit trugen, meist Bildern des Gnadenortes, mit gereimten Sprüchen bedruckt. Den Kindern hatte man auf dem Schleckmarkt etwas Gezuckertes gekauft, der Spucht hatte eine wächserne Nepomukszunge erstanden, der Grazian gar einen gläsernen heiligen Geist, und er trug die Taube in der spiegelnden Kugel zaghaft an einem Schnürlein, wich vorsichtig jedem Stein am Weg aus, und niemand durfte ihm in die Nähe. Wenn sie rasteten, hängte er sein gläsernes Glück an eine Staude und ließ es an einem Schnürlein schaukeln und im Licht glitzern. Allen, die da aus dem hochgoldenen Haus der Herrgottin heimkehrten in das dürftige Dorf, allen war, sie hätten als Gottes Gäste ein himmlisches Märlein erlebt, und jeder glaubte, daß jetzt die hohe Dornenstaudnerin seinen Wunsch auf einem wundergläsernen Teller in den himmlischen Saal tragen werde. Die alte Ulla trabte frisch dahin, sie fühlte sich leicht und über Erde und Leben erhoben wie die weißen Wolken droben. Der Schmied rief ihr zu: »Heut lachst du daher, Ulla, als ob du statt von der Muttergottes vom Altweibermüllner kämst.« »Einmal werd ich wieder jung,« antwortete sie. »Im Himmel sind wir alle gleich alt, dreiunddreißig Jahr, wie der Herrgott beim Sterben.« »Wer hat dir das erzählt?« zweifelte der Schmied. »Ist einer von Jenseits die Leiter wieder herab gestiegen?« Sie schüttelte ernst den Kopf. »Es darf keiner zurück, daß nix ausgeredet wird von oben. Es muß geheim bleiben.« Der Grazian seufzte: »Es muß ein harter Weg sein -- dorthin.« Je näher sie gen Fuxloh kamen, desto eifriger betete der Meßner. Allweil wieder rief er aus: »Gott, schenk uns einen feuchten, warmen Regen über Schlösselwald, Hundshaberstift und Leimgrub!« In diesen Orten hatte er seine Töchter verheiratet. Als die Kreuzschar auf der Bergschneide hielt, von wo der Blick wieder auf Fuxloh fiel, rief der Grazian: »Leut, kniet euch nieder, da seht ihr euer Vaterland wieder!« Der Fleischhacker Luitel rannte ihnen entgegen. »Männer, schwingt den Hut in die Höh,« keuchte er, »der Dullhäubel ist gestorben.« Da fuhr es den Kirchfahrern kalt durchs Hirn und eisig durch den ganzen Leib, und das Gewissen bäumte sich ihnen auf, weil ihre Bittfahrt so jähe Frucht gezeitigt hatte. Aber sie faßten sich bald wieder. »Der Herrgott hat diesmal leicht begriffen,« lachte der Wirt, »wir haben ihm es auch deutlich genug gesagt. Gelobt seist du, Maria!« »Er hat es verrichtet, der Dullhäubel,« seufzte die Iglin. »Hoffentlich ist er christlich entschlafen.« Dem Meßner Grazian erschlaffte im ersten Freudenschreck die Hand, das gläserne Gut entfiel ihm und zersplitterte. Da rief er kläglich: »Jetzt hab ich den heiligen Geist den weiten Weg hergetragen wie ein krankes Kind, und jetzt ist er beim Teufel!« Das Dorfglöckel läutete der Schar entgegen. Kinder kamen und erzählten von dem Leichnam des Dullhäubel. »Ganz schwarz ist er im Gesicht,« sagten sie. Der Grazian runzelte nachdenklich das Hirn. »O weh, das ist ein übles Vorzeichen! Ohne Weih und Segen, ohne Pfarrer und Meßner werden wir ihn begraben müssen. Lasset uns beten für die arme Seel!« * * * * * Die Ogath hatte den halben Tag über ihren Bauer gesucht und nirgends gefunden, schließlich stieg sie in schwerer Ahnung auf den Heuboden hinauf, dort griff sie blindlings ins Heu und spürte ein eiskaltes Knie. Mit einem einzigen Sprung war sie wieder drunten auf der Tenne. Sie schrie den Kindern: »Am Heuboden liegt er. Der Schlag hat ihn getroffen, er ist ein vollblütiger Mann gewesen. Die Leich ist schon kalt.« »Jesmaria,« plärrte die Wabel, »jetzt ist er gestorben und hat heut noch das Gesott[1] nit geschnitten!« [1] Häcksel. Die Töchter flogen zu den Nachbarn und Befreundeten in die Dörfer und zum Pfarrer, die Leiche anzusagen. Die Bäurin selber fuhr mit dem Schubkarren zum Tischler, der Totentruhen vorrätig hatte. Sie begegnete den Wallfahrern. »Der Bauer hat verlebt,« meldete sie, »übermorgen ist das Begräbnis.« Als sie abends mit der Truhe heimkam, saß der Dullhäubel vorm Haus, kerngesund, die Wangen blührot, und schnupfte. »Um Gottes willen, du lebst schon wieder?« stammelte sie. »Ich bin kreuzwohlauf,« grinste er. »Du hast dich gefleißt mit der Truhe. Hast du auch um den Pfarrer geschickt, daß er mir lateinisch und schlapperteinisch redet und seine Blimblamblorium macht?« »Aber du bist ja schon kalt gewesen, wie ich dich beim Knie erwischt hab?!« Er nickte tiefsinnig. »Eine hirschlederne Hose greift sich halt allweil kalt an,« sagte er. * * * * * Weil der Dullhäubel den Seinen verboten hatte, die Leiche abzusagen, so wußten nur wenige, daß er noch lebte. Die Leute, die nun zu des Bauers Begräbnis angewandert kamen, lächelten säuerlich, als er selber sie treuherzig begrüßte und ihnen ein Schnüpflein antrug. »Die Bosheit wuchert weiter, und die Gerechtigkeit ist übers Meer gefahren,« verzweifelte der Grazian. Hernach saßen alle im »pfalzenden Hahn,« und weil sich dort gerade auch drei böhmische, drei österreichische und drei bayrische Musikanten zusammen fanden, ging es bald hoch her, und man söhnte sich leichter mit dem verhinderten Begräbnis aus. Lange betrachtete der Dullhäubel seine Totentruhe. »Zweispännig wär sie mir lieber,« meinte er, »daß eine saubere Dirn mit mir drin übernachten könnt.« Er nutzte die Truhe ans, indem er Schloß und Band dran nageln ließ und sich drin Selchfleisch und manchen Leckerbissen versperrte, den er vor seiner genäschigen Sippe nicht sicher wußte. * * * * * Der Dullhäubel kam zu Glück und hohen Jahren. Seine Töchter misteten den Stall, schnitten das Gesott, rechelten die Streu, striegelten die Ochsen, ackerten, säten, ernteten, droschen. Er tat nichts. Die Wabel, die Reigel, die Rosel, die Portiunkel, die Stasel, die Kathel und die Liesel verheiratete er Bauern, die Glöckelstühle auf dem Dach hatten. Er ließ sich sein schelmisches Wesen nicht verkümmern, auch dann nicht, als er der Burgermeister von Fuxloh wurde, und die Leute starben nicht aus, die ihm den Galgen auf den Hals wünschten. Einmal nach der Kirchweih, als er sich weidlich angegessen hatte, setzte er sich vors Haus, nahm das Rubinglas und schlug sich eine erkleckliche Menge Tabak auf die Hand. Zuerst füllte er sich in behaglicher Andacht das rechte Nasenloch, und als er das andere befriedigen wollte und dabei schon das linke Auge wollüstig zudrückte, fiel ihm der Tod sanft in den Arm. Die Hand sank still, ungenützt flatterte das braune Häuflein herab auf die hirschledernen Hosen. Der Kasper Dullhäubel war nimmer. »Jetzt hat er den schönsten Tod auch noch, der Lump, der das Eingraben nit wert ist!« schalt der Meßner. »Ja ja, so geht einer nach dem andern dahin,« sagte der Schmied und ließ einen groben Wind streichen. Nur wenige gingen mit bedächtigem Bauernschritt hinter dem Sarg her; viele waren daheim geblieben, sie meinten, der Schelm sei unsterblich und könne nicht begraben werden. Der Filzhut des Ähnels und das Rubinglas wurden ihm mitgegeben, das hatte er sich ausbedungen. Als die Leiche in die Grube gelassen wurde, riß der Strick, die Truhe polterte hinunter und brach auf, und der Dullhäubel schaute noch einmal fröhlich die heulende Schar der Hinterlassenen an. »Schaufelt zu, schaufelt zu!« schrie der Grazian. Und alle, wie sie ums Grab standen, warfen schnell mit Händen und Füßen Erde hinab, daß der Erzschelm nicht noch einmal an den Tag käme. -- Als der Grazian an dem nämlichen Abend am Dullhäubelhof vorüber ging, tat er einen harten Schrei. Er behauptete, der Verstorbene habe aus dem Dachfenster die Zunge auf ihn gereckt. Da zündete die Ogath eine Laterne an und durchsuchte alle Winkel des Bodens. »Dem schwänkischen Mann trau ich alles zu,« meinte sie. * * * * * Der Dullhäubel fuhr schnurgerade zum Himmelstor auf. Der heilige Peter stand davor, am Gürtel die beinernen Schlüssel, und schrieb mit einer hohen Pfaufeder in einem Buch. Als er den Schelm mit dem breiten Filzhut durchs Gewölk daher waten sah, hakte er das silberne Schloß des Buches zu und fragte: »Wer bist du? Gib Auskunft!« »Der Dullhäubel bin ich, Bauer aus Fuxloh«, antwortete der Himmelfahrer. »Gelobt sei Jesus Christus!« »Dein Nam ist mir verdächtig. Reck her deine Seel!« »Da wird halt der Blaumantel seine Sach fürgebracht haben. Es ist ihm aber nit alles zu glauben, dem Bruder, dem scheinheiligen.« »Schilt nit!« brummte der Peter. »Und einen Blaumantel gibt es bei uns nit.« »Es muß einer da sein,« bestand der Dullhäubel. »Schau nur gleich nach in dem dicken Buch!« Der Torwärtel raunzte: »Es ist ja möglich, daß früher einmal einer da heroben gewesen ist, der sich so geschrieben hat. Vielleicht ist er hinuntergefallen. Ich müßt den Herrgott fragen, der hat ein scharfes Gedächtnis.« Jetzt zog der Dullhäubel aus der hinteren Schößeltasche seine Seele heraus, blies ein Stäublein Tabak davon weg und zeigte sie ängstlich vor. Der Heilige rückte die Brille, schnüffelte an der Seele und krauste die Stirn. »Mein Lieber, du hast dich ganz und gar verirrt. Du gehörst wo anders hin. Schab deinen Weg!« Dem Dullhäubel stand der Schopf geberg. An des Kapuziners Cochem abscheuliches Bilderbuch erinnerte er sich, an den höllischen Ofen, wo die Zerknirschten heulten und Pech spieen und ihnen der siedende Geifer aus den Lefzen spritzte. Der himmlische Torwärtel tat eine Falltür auf, da ging der Höllensteig hinunter hundert Klafter tief, und des Dullhäubels Vorväter saßen ohne Ausnahme tief drunten auf einer glühenden Bank, den Hosenlatz hinten abgeknöpft, mit nacktem Sitz nach altem Erdenbrauch, und der Schwefel, den sie saufen mußten, rauchte ihnen greulich wieder aus der Nase heraus. Der Teufel kletterte eine brennende Leiter herauf und bellte: »Wau, wau!« »Mach die schwarze Tür zu, Peter!« hüstelte der Dullhäubel, der höllische Schwefel kitzelte ihn in der Nase. Doch der heilige Mann antwortete: »Bind dir die Seel fest ins Schneuztuch und steig hinunter! Sie warten schon.« Dem armen Schelm ward blau und grün vor den Augen. Aber er gab das Spiel nicht verloren. Das Rubinglas nahm er herfür. »Da schnupf, Peter, daß du einen andern Sinn kriegst!« Der Torwärtel liebäugelte mit dem Glas. »Der Tabak tät mir wohl. Da heroben wird keiner verschleißt, und wenn nix zu schnupfen ist, so ist das eine kleine Krankheit.« »Du solltest mich doch in den Himmel lassen, nur ein Vaterunser lang,« begehrte der Dullhäubel. »Vor dem Blaumantel will ich einen Fußfall tun.« Der heilige Peter nahm sich seine mannbare Nase voll. »Wundersam schmeckt der Tabak, der fehlt mir noch zur Seligkeit. Ich hab ihn mein Lebtag gern gehabt. Hau mir noch einen her auf die Hand! Anlehnen muß man sich schier, wenn man den da schnupft, sonst reißt er einen um.« Er blinzelte schalkhaft. »Was für ein Tabak ist es denn? Ein königlich bayrischer? Ein gepaschter, he?« »Nur hineinschauen laß mich ins Paradeis, Schlüsselmann!« bettelte der Dullhäubel. Den Heiligen hatte der brasilische Tabak ganz verwirrt, die Augen glosten ihm, und er tat das Tor auf. Jetzt stand der Dullhäubel im himmlischen Glanz. Da saßen alle die heiligen Bauernfreunde beisammen, der Wendel, der Liendel, der Isidor und der Steffel, und dengelten silberne Sensen, daß es wie ein vierfaches Glöckelspiel lieblich anzuhören war, und die Magd Notburga jätete in einem Krautgärtlein. Der Märtel und der Jörg ritten auf Milchschimmeln, die fraßen an dem fetten Wasen, der auf den Wolken wuchs. Andere Heilige stolzierten in seidenen Meßgewändern mit hohen Krummstäben auf der Sternstraße auf und ab, ein nackter Martersmann, dem silberne Pfeile in Stirn und Brust und Knie staken, lustwandelte lachend unter ihnen. Alle waren bloßköpfig, nur der heilige Rochus und der Dullhäubel nicht, die hatten den Hut auf. Engel rauschten mit schneeweißen Flügeln. Die himmlische Regenbogenfrau schaffte am Spinnrad, einen goldgrünen Käfer im Gefältel ihres Kittels, und daneben spielte das Herrgottsbüblein Ball mit dem Weltapfel. Der Himmelsgarten war umzäunt, auf jedem Zaunstecken saß und sang ein bunter Vogel, und das waren lauter selige Seelen. In der Mitte aber in wunderbarem, hohem Betstuhl saß Gottvater selber, in seinem Mantel war mit Perlen und Kleinoden der ganze Sternhimmel gestickt, auf seiner Brust zückte die Sonne ihre Strahlen. Der Dullhäubel senkte die Augen, daß er nicht erblinde, und schaute sich auf den Fuß. Über dem Herrgott war ein goldener Taubenkobel, der heilige Geist umflog ihn und gurrte wild herab. »Ei tausend,« staunte der Herrgott, »da kommt ja der Dullhäubel daher aus meinem guten Dorf Fuxloh! Was begehrst denn du da heroben?« Jetzt nahm der Schelm den Hut ab und stammelte: »Den Herrn Blaumantel such ich. Er soll sich auch Aurazian schreiben. Ich will ihn abbitten -- zu wegen meiner Schlechtigkeit.« Der Herrgott sann nach. »Ich weiß alles. Aber einen Aurazian Blaumantel kenn ich im Himmel nit. Das ist ein Irrtum.« »Alsdann, Eure Heiligkeit -- --.« Der Dullhäubel stockte, er wußte nicht, wie er den Herrn hätte richtig anreden sollen. »Nenn mich nur Herr Gott!« meinte der Himmelvater. »Du bist dein Lebtag mit mir auf du und du gewesen (wenn du auch recht sparsam mit mir geplaudert hast), drum sag mir jetzt auch du!« »Alsdann, wenn es keinen Blaumantel da heroben nit gibt, dann ist meine Schuld weitaus geringer,« seufzte der Dullhäubel auf. »Und was begehrst du noch? Und was schaust du allweil auf deinen Fuß?« »Er möcht halt auch selig werden,« sagte halblaut der heilige Peter. Der Herrgott fuhr aus dem Betstuhl auf. »Was?! Der Spitzbub?!« Doch das himmlische Fräulein am Spinnrocken faltete die Hände. »Geh, lieber Gott, verstoß ihn nit! Laß ihn abwiegen!« Da schmunzelte der Gottvater, daß ihm der breite Bart auseinander ging, und winkte mit der Hand. Den Kometen wie eine Straußfeder am Hut, sprang der Riese Michel zur Tür herein, er trug eine großmächtige Wage. Den Bauer lüpfte er beim Kragen und setzte ihn in die eine Wagschale, in die andere legte er große Steine und Gewichte, das waren die Sünden und Schalksstreiche des Dullhäubel, und darunter war auch der Mühlstein vor der Mußmühle. Jetzt hob der Engel Michel die Wage. Die Schale mit dem Sünder schnellte hoch empor, und der Dullhäubel verzweifelte an seiner Seligkeit, zumal da sich an die andere Schale noch der Teufel mit kohlrackerschwarzen Rabenflügeln und einem langen, rauhen Schwanz gekrallt hielt. »O weh, o weh,« winselte der Sünder, »jetzt muß ich in der Höll knirschen auf ewig.« Aber auf einmal senkte sich die Schale, drin er hockte, langsam und stetig. »Schau hinunter auf die Welt, Dullhäubel, wer dir hilft!« sagte die Jungfrau Maria. Da sah er tief, tief drunten im grünen Fuxloh vor der Kapelle ein uraltes Weiblein hocken, das betete mit seinem Hagebuttenrosenkranz für die arme Seele des Dullhäubel. Es war die Ulla. Nun stand die Wage auf gleich. »Ich darf nit zu leicht befunden werden,« ächzte der Dullhäubel, der helle Schweiß rann ihm von der Stirn. In seiner Not langte er hinüber nach des Teufels Schwanz, und ob der Satan ihn auch mit der gespaltenen Zunge anlechzte und die rotfeurigen Augen abscheulich glühen ließ, der Dullhäubel packte des höllischen Widersachers Schwanzquaste und legte sie in die eigene Schale, und sie senkte sich um eines Härleins Breite tiefer als die andere. Da fing unser lieber Herrgott an, sich langsam den Bart zu streichen und auf einmal lachte er dröhnend auf, und der heilige Peter fiel wie besessen lachend auf die Pauke hin, worauf man sonst Gewitter und Donnerschlag wirbelt, und die Muttergottes und alle heiligen Leute konnten sich nicht helfen vor lauter Lachen, und nur der Teufel rupfte sich den rußigen Schopf, spie und ließ die Schale los und sprang in die Hölle. Vor dem breiten Herrgottsgelächter aber sank die Schale des Schelmes völlig herab, und er stieg aus und war gerettet. Doch der heilige Peter besann sich und murrte: »In der Welt drunten gibt es einen Spruch, und der ist wahr. Je ärger der Schalk, je besser sein Glück, je größer der Dieb, je kleiner der Strick. Herrgott, paßt denn der Bauerntrumpf da, der nixnutzige, der Tod und Teufel zum Narren gehalten hat, in deine lautere Seligkeit herein?« Der Herrgott warnte mit dem Finger. »Peter, Peter, geh mit unserm Dullhäubel nit zu streng ins Gericht! Es müssen auch andere Leut um mich sein, nit nur lauter Heilige. Die Heiligen sind mir oft ein wenig peinlich gewesen.« Und während der Herr mit seinem Knecht also sprach, trat einer auf den Dullhäubel zu und gab ihm derb die Hand. Der fremde Gesell trug einen altertümlich groben Bauernrock und Bundschuhe, und ein Spiegel hing ihm im Gurt; seine lichtblauen Augen funkelten mutwillig, sein Haar war gelb wie Stroh und darauf saß ihm statt des Hutes ein ruppiger, glotzender, krummschnabliger Ohrenvogel. »Ich sollt dich kennen,« sagte der Dullhäubel und dachte nach. »Du kennst mich,« kicherte der andere, »ich bin ja dein Bruder, der heilige Eulenspiegel.« Er hielt dem Dullhäubel den blanken Spiegel vor. Der lugte hinein und sah sich drin rosig leuchten, und über seinem Scheitel hing ein runder, lustiger Heiligenschein. Der Herrgott richtete jetzt die grauen, frohen Augen auf ihn. »Dullhäubel, was willst du im Himmel anfangen?« Der schalkhafte Mann leckte sich die Lippen und hob den listigen Bauernblick. »O Herr, wenn ich es wünschen darf, will ich im Sommer Schnee schaufeln und im Winter das Vieh hüten.« »Zu meiner Rechten darfst du nit sitzen,« lachte der Herrgott, »du bist heut noch nit viel wert. Jetzt führ dich gut auf und laß dir einen milden, süßen Most einschenken.« Das war dem Dullhäubel recht. Und er sagte zu der Himmelsfrau: »Liebe Fürbitterin, du schnupfst nit? Für deine wehleidige Jungfernnase ist meine Mischung zu scharf. Aber uns schmeckt es, gelt, Gottvater!« Er schüttelte das rubinene Glas und ließ den Tabak rieseln auf des Herrgotts strahlende Hand. * * * * * Also hat unser Herrgott an einem gelungenen Schelm mehr Freude als an neunundneunzig Gerechten. Und so findet die Geschichte vom Kasper Dullhäubel jetzt ihr _Ende_. Von demselben Verfasser erschienen vorher im gleichen Verlag: Aus wilder Wurzel Ein Roman Einbandzeichnung von Oswald Weise. 10. Tausend _Münchner Allgemeine Zeitung_: »Das vorliegende Buch ist des Dichters beste und reichste Schöpfung und läßt noch ausgereiftere, kostbarere Früchte erwarten. Hart, eisern, von knirschendem Willen durchzuckt ist dieser Bericht, der von den mutig-zagen Bauern zu erzählen weiß, die es auf sich genommen, die furchtbare Baumwildnis der Eisensteiner Berge im endlosen Böhmerwalde der Scholle dienstbar zu machen. Watzliks Buch wird zu den bleibenden unseres Literaturschatzes gehören.« Der Alp Ein Roman Einbandzeichnung von Richard Birnstengel. 6. Tausend _Paul Grabein_ im Düsseld. Generalanz.: »... Der Wert des Buches besteht in der ganz prachtvollen, realistischen und doch wieder poetisch überhauchten Schilderung der Natur und Menschen des Böhmerwaldes. Eine Fülle von Gestalten zieht an uns vorüber, jede scharf umrissen in ihrer Erscheinung. Die künstlerische Wirkung Watzliks wird noch gehoben durch die eigenartige Schönheit und Bildkraft seiner Sprache ...« Im Ring des Ossers Erzählungen aus der Vergangenheit des Böhmerwaldes 10. Tausend _Die Wage_, Wien: »... In wohlgepflegter Sprache, die stellenweis wie wundervoll gestimmte Glocken klingt, läßt er des Urwalds Schimmer und geheimnisvoll durchbrauste, zauberische Wildnis farbengolden vor uns erstehn. In einigen Skizzen arbeitet er mit allen Kunststücken, Schönheiten und Klängen des Wortes, daß die Seele erschauert, beglückt und berauscht von der übertönenden und überstürzenden Kraft poesievoller Schilderung ...« O Böhmen! Roman. Einbandzeichnung von G. Gelbke. 11. Tausend _Deutschnationales Jahrbuch 1919_: »Ein Heimatroman, der den Kampf der Deutschen Böhmens um ihre Heimatscholle, deutsches und slawisches Leben mit solcher Farbenpracht und so glutvoller Innigkeit schildert, wie kein zweites Buch. Jeder Satz darin ist Poesie, und wir dürfen den Dichter mit immer größerem Recht zu den ersten Deutschösterreichs zählen.« Phönix Ein Roman aus der Wiedergeburtszeit Böhmens 6. Tausend _Kölnische Zeitung_: »Wildromantische Ereignisse werden mit großer Farbenpracht durchgeführt, daneben aber macht sich die zartere Romantik eines innigen Naturgefühles liebenswürdig geltend. Ein spannend erzählter, an starken Wirkungen reicher Roman, der auch große poetische Werte besitzt. Man hat es in dem Buch mit dem Erzeugnis einer hohen dichterischen Begabung zu tun.« Ferner erschien im Verlag Gebr. Stiepel in Reichenberg: Wermuter Eine Novelle. Mit Bildern von Artur Ressel. 4. Tausend =Schloß Weltfern.= Ein Roman. 5. Tausend Der flammende Garten Gedichte. Mit Bildern von Viktor Eichler. 2. Tausend =Firleifanz.= Ein Bilderbuch =Einöder.= Ein Novellenbuch Die Abenteuer des Florian Regenbogner Liebhaberausgabe mit Bildern von Ferdinand Staeger 2. Tausend Weitere Anmerkungen zur Transkription Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Der Schmutztitel wurde entfernt. Korrekturen: S. 295 lustwandete → lustwandelte {lustwandelte} lachend unter ihnen *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK FUXLOH; ODER, DIE TATEN UND ANSCHLÄGE DES KASPER DULLHÄUBEL: EIN SCHELMENROMAN *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the trademark license is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. Project Gutenberg eBooks may be modified and printed and given away—you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. START: FULL LICENSE THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase “Project Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg™ License available with this file or online at www.gutenberg.org/license. Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™ electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. 1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. It may only be used on or associated in any way with an electronic work by people who agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few things that you can do with most Project Gutenberg™ electronic works even without complying with the full terms of this agreement. See paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project Gutenberg™ electronic works if you follow the terms of this agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg™ electronic works. See paragraph 1.E below. 1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation (“the Foundation” or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project Gutenberg™ electronic works. Nearly all the individual works in the collection are in the public domain in the United States. If an individual work is unprotected by copyright law in the United States and you are located in the United States, we do not claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, displaying or creating derivative works based on the work as long as all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope that you will support the Project Gutenberg™ mission of promoting free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg™ works in compliance with the terms of this agreement for keeping the Project Gutenberg™ name associated with the work. You can easily comply with the terms of this agreement by keeping this work in the same format with its attached full Project Gutenberg™ License when you share it without charge with others. 1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in a constant state of change. If you are outside the United States, check the laws of your country in addition to the terms of this agreement before downloading, copying, displaying, performing, distributing or creating derivative works based on this work or any other Project Gutenberg™ work. The Foundation makes no representations concerning the copyright status of any work in any country other than the United States. 1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: 1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate access to, the full Project Gutenberg™ License must appear prominently whenever any copy of a Project Gutenberg™ work (any work on which the phrase “Project Gutenberg” appears, or with which the phrase “Project Gutenberg” is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, copied or distributed: This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. 1.E.2. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not contain a notice indicating that it is posted with permission of the copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in the United States without paying any fees or charges. If you are redistributing or providing access to a work with the phrase “Project Gutenberg” associated with or appearing on the work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg™ trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.3. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is posted with the permission of the copyright holder, your use and distribution must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked to the Project Gutenberg™ License for all works posted with the permission of the copyright holder found at the beginning of this work. 1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg™ License terms from this work, or any files containing a part of this work or any other work associated with Project Gutenberg™. 1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this electronic work, or any part of this electronic work, without prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with active links or immediate access to the full terms of the Project Gutenberg™ License. 1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any word processing or hypertext form. However, if you provide access to or distribute copies of a Project Gutenberg™ work in a format other than “Plain Vanilla ASCII” or other format used in the official version posted on the official Project Gutenberg™ website (www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon request, of the work in its original “Plain Vanilla ASCII” or other form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg™ License as specified in paragraph 1.E.1. 1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, performing, copying or distributing any Project Gutenberg™ works unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing access to or distributing Project Gutenberg™ electronic works provided that: • You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from the use of Project Gutenberg™ works calculated using the method you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed to the owner of the Project Gutenberg™ trademark, but he has agreed to donate royalties under this paragraph to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid within 60 days following each date on which you prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty payments should be clearly marked as such and sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in Section 4, “Information about donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation.” • You provide a full refund of any money paid by a user who notifies you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he does not agree to the terms of the full Project Gutenberg™ License. You must require such a user to return or destroy all copies of the works possessed in a physical medium and discontinue all use of and all access to other copies of Project Gutenberg™ works. • You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the electronic work is discovered and reported to you within 90 days of receipt of the work. • You comply with all other terms of this agreement for free distribution of Project Gutenberg™ works. 1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg™ electronic work or group of works on different terms than are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of the Project Gutenberg™ trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. 1.F. 1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread works not protected by U.S. copyright law in creating the Project Gutenberg™ collection. Despite these efforts, Project Gutenberg™ electronic works, and the medium on which they may be stored, may contain “Defects,” such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by your equipment. 1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the “Right of Replacement or Refund” described in paragraph 1.F.3, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project Gutenberg™ trademark, and any other party distributing a Project Gutenberg™ electronic work under this agreement, disclaim all liability to you for damages, costs and expenses, including legal fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH DAMAGE. 1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a written explanation to the person you received the work from. If you received the work on a physical medium, you must return the medium with your written explanation. The person or entity that provided you with the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a refund. If you received the work electronically, the person or entity providing it to you may choose to give you a second opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy is also defective, you may demand a refund in writing without further opportunities to fix the problem. 1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth in paragraph 1.F.3, this work is provided to you ‘AS-IS’, WITH NO OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. 1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any provision of this agreement shall not void the remaining provisions. 1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone providing copies of Project Gutenberg™ electronic works in accordance with this agreement, and any volunteers associated with the production, promotion and distribution of Project Gutenberg™ electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, that arise directly or indirectly from any of the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any Defect you cause. Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™ Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of electronic works in formats readable by the widest variety of computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state’s laws. The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation’s website and official page at www.gutenberg.org/contact Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate. While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate. Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our website which has the main PG search facility: www.gutenberg.org. This website includes information about Project Gutenberg™, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.