Title: Durch Massailand zur Nilquelle
Author: Oskar Baumann
Release date: May 12, 2022 [eBook #68057]
Language: German
Original publication: Germany: Dietrich Reimer
Credits: Peter Becker, Franz L Kuhlmann and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net
Anmerkungen zur Transkription
Das Deckblatt ist vom Einband des Originals übernommen.
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Dr. Oscar Baumann.
Durch Massailand
zur Nilquelle.
TAFEL I
Meisenbach, Riffarth & Co. Berlin heliogr.
MASSAI-WEIB
Reisen und Forschungen der Massai-Expedition
des deutschen Antisklaverei-Komite
in den Jahren 1891-1893.
Von
Dr. Oscar Baumann.
386 Seiten Text
mit 27 Vollbildern und 140 Text-Illustrationen in Heliogravüre, Lichtdruck und Autotypie nach Photographien und Skizzen des Verfassers von Rud. Bacher und Ludwig Hans Fischer in Wien und einer Originalkarte in 1:1,500,000 reducirt von Dr. Bruno Hassenstein.
BERLIN 1894.
Geographische Verlagshandlung DIETRICH REIMER
Inh.: HOEFER & VOHSEN.
Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen und der
Vervielfältigung vorbehalten.
Dem Andenken
AN
John Hanning Speke
gewidmet
vom
Verfasser.
Die Expedition, deren Ergebnisse nachfolgend veröffentlicht werden, wurde vom Deutschen Antisklaverei-Komite ausgerüstet, unter namhafter Betheiligung der Eisenbahn-Gesellschaft für Deutsch-Ostafrika und der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, welch' letztere die Anregung zu dem Unternehmen gab.
Meine Aufgabe lag in der geographischen und wirthschaftlichen Erforschung der weiten, unbekannten Striche, die sich noch im Norden der deutschen Interessensphäre ausdehnten. Unter Vermeidung aller Karawanenstrassen wandte ich mich daher vorzugsweise Gebieten zu, die vorher noch kein Europäer betreten. Der Schwerpunkt meiner Arbeiten lag auch diesmal in der kartographischen Aufnahme der durchreisten Länder. Deren Ergebnisse bleiben einer besonderen Publikation in grösserem Maassstabe vorbehalten, erscheinen jedoch in der dem Buche beigegebenen Uebersichtskarte bereits in den Hauptzügen erkennbar. Als einziger Europäer hatte ich auch die ganze Last des Expeditionsdienstes zu tragen. Dieser Umstand, sowie die Raschheit mit der meine Reise ausgeführt wurde, möge als Entschuldigung dienen, wenn der wissenschaftliche Theil dieses Buches nicht jene Gründlichkeit besitzt, die ich selbst am meisten gewünscht hätte. Besonders in ethnologischen Fragen war ich meist auf Erkundigungen bei Eingeborenen angewiesen, die ich durch Befragen mehrerer Personen zu berichtigen suchte. Immerhin mögen dabei Irrthümer unterlaufen sein, deren Aufklärung ich meinen Nachfolgern überlasse. Wenn ich es trotz des fragmentarischen Charakters meines Materials versucht habe im II. Theil dieser Veröffentlichung ein allgemeines Bild der durchreisten Länder zu entwerfen, so geschah dies keineswegs in der Absicht, eine Monographie dieser weiten Gebiete zu schreiben. Dazu fehlt noch so gut wie Alles. Diese Anordnung des Stoffes schien mir nur wünschenswerth, da sie allein dem Fachmann eine leichte Uebersicht in der täglich anwachsenden Literatur gestattet.
Es erübrigt mir noch Jenen meinen Dank auszusprechen, die meinem Unternehmen ihre Förderung angedeihen liessen. Es sind dies die Körperschaften, welchen ich die Mittel zu demselben verdanke, vor Allem das Deutsche Antisklaverei-Komite, unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Fürsten Wilhelm zu Wied, das mir nicht nur während meiner Thätigkeit in Afrika volles Entgegenkommen bewies, sondern auch in liberaler Weise die Mittel zur Herausgabe dieses Reisewerkes bewilligte. Dadurch wurde es der Verlagsanstalt Dietrich Reimer, unter der bewährten Leitung meines verehrten Freundes Consul Vohsen, möglich, der Publikation die Ausstattung zu geben, in welcher sie heute an die Oeffentlichkeit gelangt. An dieser Stelle dürfen die Herren Maler Rudolf Bacher und Ludwig Hans Fischer in Wien nicht unerwähnt bleiben, die nach meinen Photographien und Zeichnungen naturwahre und dabei künstlerisch schöne Illustrationen entwarfen.
Mit herzlichen Grüssen gedenke ich auch der Freunde in Ostafrika, aller jener zahlreichen Europäer, seien es Deutsche, Engländer oder Franzosen, seien es Gouvernementsbeamte, Kaufleute oder Missionare, die meiner Expedition liebenswürdige Gastlichkeit und kräftige Unterstützung zu Theil werden liessen. Möge ihnen ein frohes Wirken im sonnigen Tropenlande beschieden sein!
Bei wissenschaftlichen Fachleuten fand ich freundliches Entgegenkommen, vor Allem bei jenen ausgezeichneten Gelehrten, deren Arbeiten im Anhang zur Veröffentlichung kommen, sowie bei Dr. Bruno Hassenstein, der die Herstellung der Uebersichtskarte leitete.
Zuletzt sei es mir gestattet, jene zu erwähnen, die durch Wochen und Monate meine einzigen Gefährten waren: die schwarzen Soldaten und Träger der Massai-Expedition. Diese pflegen an ähnlicher Stelle meist mit vornehmem Stillschweigen übergangen zu werden. Jedoch mit Unrecht. Denn der Forschungsdrang und wie alle die Triebe heissen mögen, welche den Europäer in schweren Stunden aufrecht erhalten, sie fehlen seinen farbigen Begleitern. Und doch ist es ihre Treue, ihr Gehorsam, ihr Heldenmuth vor dem Feinde und ihre unvergleichliche Zähigkeit im Ertragen aller Mühsale allein, die es ihm möglich machen, in Afrika Erfolge zu erringen.
Wien, am Weihnachtsabend 1893.
Seite | ||
I. | Kapitel. Von Tanga nach Aruscha. | |
Die Massai-Expedition. Reisevorbereitungen. Anwerbung der Mannschaft. Die Spitzen der Karawane. Aufbruch von Tanga. Ein Tag aus dem Karawanenleben. Unruhen im Wadigo-Land. Durch die Umba Nyika. Kisuani. Aruscha. | 1-17 | |
II. | Kapitel. Durch Massai-Land zum Victoria-Nyansa. | |
Die östliche Massai-Steppe. Umbugwe. Der Manyara-See. Das Mutyek-Plateau. Ngorongoro. Der Eyassi-See. Serengeti. Ikoma. Katoto. | 18-41 | |
III. | Kapitel. Im östlichen Nyansa-Gebiet. | |
Katoto und Mwansa. Ukerewe. Ukara. Der Baumann-Golf. Gefechte in Mugango. Die Schaschi-Länder. Ngoroïne. Ikoma. Kämpfe in Ututwa. Ntussu. Meatu. Munyi Hemedis Niederlassung. Zur Nynrasa-Steppe. Der Salzfluss Simbiti. Die Elephantenjäger. Die Weiber der Karawane. Usmau und Usukuma. Mwansa. | 42-67 | |
IV. | Kapitel. Vom Victoria-See zum Tanganyika. | |
Durch Usinja. Ussui. Kassussura's Residenz. Uyogoma. An der Nil-Fähre. Urundi. Freudenfeste der Warundi. Der Akanyaru. Ruanda. Raserei der Warundi. Gefecht mit Watussi. An der Nilquelle. Uebersteigung der Missosi ya Mwesi (Mondberge). Am Tanganyika. | 68-92 | |
V. | Kapitel. Vom Tanganyika nach Irangi. | |
Das Lager der Sklavenhändler. Kämpfe mit Watussi. Die südlichsten Nilzuflüsse. Baumdörfer am Mlagarassi. Im Waldland Uha. Kirambo. Die Mission Urambo. Tabora. Erstürmung von Tambarale. Sunguisi. Die Wembere-Steppe und Usure. Turu. Ussandaui. Irangi. | 93-113 | |
VI. | Kapitel. Von Irangi nach Pangani. | |
Aufenthalt in Irangi. Uassi. Ufiomi und die Wafiomi. Wieder in Umbugwe. Iraku und die Höhlenbewohner. Meri. Mangati und der Gurui-Berg. Die Massai-Steppe. Unguu. Ankunft an der Küste. | 114-129 |
Seite | ||
VII. | Kapitel. Zur physischen Erdkunde der erforschten Gebiete. | |
Allgemeine Uebersicht. Das abflusslose Gebiet. Der Kilimanjaro-Graben. Der grosse ostafrikanische Graben. Der Wembere-Graben. Das Granitplateau von Unyamwesi. Der Victoria-Nyansa. Die Quelle des Nil und das Mondgebirge. Das centralafrikanische Schiefergebirge und der centrale Graben. | 133-155 | |
VIII. | Kapitel. Die Völker des abflusslosen Gebietes. | |
Die Massai. Die Wandorobo. Die Wataturu. Die Wafiomi. Die Wambugwe. Die Wanyaturu. Die Wassandaui. Wanderungen der Stämme. | 156-195 | |
IX. | Kapitel. Die Völker der Nilquell-Gebiete. | |
Die Waschaschi. Die Watussi. Die Wasinja. Die Warundi. Die Wanyamwesi. | 196-239 | |
X. | Kapitel. Der wirthschaftliche Werth des Landes. | |
Der Karawanen-Handel. Die Massai-Karawanen. Der Tabora-Handel. Die Manyema-Araber. Rohprodukte des Landes. Anbaufähigkeit des Gebietes. Bevölkerungsdichtigkeit. Kulturpflanzen. Viehzucht. Import. Eingeborene und fremde Einwanderung. Ostafrikanische Eisenbahnen. | 240-261 |
Seite | |||
I. | Ueber Gesteine aus Deutsch-Ostafrika von Dr. Hans Lenk (Leipzig) | 263-294 | |
II. | Kulturpflanzen, gesammelt von Dr. O. Baumann. Von Dr. F. Körnicke (Bonn) | 295-296 | |
III. | Ueber die Molluskenfauna Centralafrikas von Dr. Rudolf Sturany (Wien) | 297-298 | |
I. | Formen aus dem Tanganyika-See | 298-303 | |
II. | Zur Fauna des Nilquellgebietes und hauptsächlich des Victoria-Sees | 303-309 | |
III. | Ueber die Fauna des Manyara-Sees | 309-311 | |
IV. | Landschnecken | 311-314 | |
Uebersicht der von Dr. Baumann gesammelten Mollusken | 314-315 | ||
Verzeichniss der benutzten einschlägigen Literatur | 315-322 | ||
Figuren-Erklärung zu Taf. XXIV und XXV | 322 | ||
IV. | Ueber Insekten aus Deutsch-Ostafrika. | ||
Lepidopteren von H. Rebel und A. Rogenhofer (Wien) | 323-341 | ||
Coleoptera von Custos Gangelbauer (Wien) | 341-348 | ||
Orthoptera von Hofrath Brunner von Wattenwyl (Wien) | 348-349 | ||
Hymenoptera von Franz Kohl | 350 | ||
Rhynchota von Anton Handlirsch | 350 | ||
Diptera von Professor Friedrich Brauer | 350 | ||
V. | Das Watussi-Rind von Dr. Leopold Adametz (Krakau) | 351-359 | |
VI. | Untersuchung von acht Schädeln von Prof. Dr. Zuckerkandl (Wien) | 360-362 | |
VII. | Sprachproben von Dr. O. Baumann | 363-369 | |
VIII. | Mannschaft der Massai-Expedition | 370-377 | |
Index | 378-385 |
Seite | |
Die Spitze der Karawane. Gez. von R. Bacher | 1 |
Dr. Oscar Baumann. Photogr. von Dr. Reinhardt in Sansibar | 6 |
Lagerscene. Photogr. des Verf. | 17 |
Temben in Umbugwe. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 18 |
Junger Mann aus Umbugwe. Photogr. des Verf. | 22 |
Der Manyara-See vom Mutyek-Plateau. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 29 |
Massai-Kraal. Nach Photogr. des Verf. gez. von L. H. Fischer | 32 |
Zusammentreffen mit Waschaschi. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher | 37 |
Waschaschi-Dorf in Usenye. Nach Skizze des Verf. gez. von R. Bacher | 39 |
Angel für Welse der Waschaschi | 40 |
Kanu am Victoria-Nyansa. Photogr. von Graf von Schweinitz | 41 |
Lager in Katoto. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 42 |
Ruderblatt, Ukerewe | 44 |
Ukara. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 48 |
Hütten und Futterschober der Wakara. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 49 |
Irera-Insel und Baumann-Golf. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 51 |
Dorf der Waschaschi. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 55 |
Saiteninstrument der Wangoroïne | 57 |
Krieger aus Usukuma. Nach Photogr. der Verf. gez. von R. Bacher | 60 |
Munyi Hemedi's Niederlassung in Meatu. Nach Skizze des Verf. gez. L. H. Fischer | 62 |
Feldbeil, Usukuma | 66 |
Weiber der Karawane. Photogr. des Verf. | 67 |
Gruss der Nyansa-Völker. Nach Photogr. von Graf von Schweinitz gez. von R. Bacher | 68 |
Dorf der Wasinja. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 71 |
Hackenklinge, Usinja | 72 |
Wassui. Photogr. des Verf. | 74 |
Armring der Warundi | 77 |
Warundi-Weiber. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher | 80 |
Landschaft in Nord-Urundi. Nach Skizze des Verf. gez. L. H. Fischer | 82 |
Watussi-Rind. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher | 85 |
Wuruhukiro und der Ganso Kulu. Nach Skizze des Verf. von L. H. Fischer | 89 |
Warundi vom Tanganyika. Photogr. des Verf. | 92 |
Ussure. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 93 |
Mhogo hadim Kivunja. Photogr. von Dr. Szekely | 95 |
Kiyonzo. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 98 |
Waha. Photogr. des Verf. | 100 |
Mission Kilimani-Urambo. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 103 |
Itandulu. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 109 |
Mann aus Turu. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher | 110 |
Mann aus Ussandaui. Photogr. des Verf. | 112 |
Mtoro's Dorf. Ussandaui. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 113 |
Wataturu Sagiro's. Photogr. des Verf. | 114 |
Ufiomi. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 116 |
Weib aus Ufiomi. Photogr. des Verf. | 117 |
Landschaft in Iraku. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 116 |
Iraku-Leute. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher | 120 |
Pangani | 129 |
Felsterassen des Plateaus von Nyakahama in Ost-Ussui. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 133 |
Granitfelsen in Usukuma. Photogr. von Kapt. Spring | 155 |
Massai-Knabe. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher | 156 |
Pfeil zum Aderlassen der Rinder, Massai | 161 |
Bogen der Wandorobo | 167 |
Wataturu-Mann aus Mangati. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher | 170 |
Alte Speerformen der Wataturu | 172 |
Schematischer Durchschnitt der Wafiomi-Erdhöhlen | 176 |
Topf der Wafiomi | 178 |
Milchgefäss der Wafiomi | 178 |
Klapper, Wafiomi | 178 |
Wambugwe-Häuptling Mbi. Photogr. des Verf. | 181 |
Tembe der Warangi. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 184 |
Hacke der Wambugwe | 185 |
Kalebassen-Ornamente der Wambugwe | 185 |
Speer der Warangi | 186 |
Steinschleuder der Wambugwe | 186 |
Wanyaturu-Ehepaar. Photogr. des Verf. | 186 |
Pfeilspitze, Wanyaturu | 190 |
Hacke mit Holzklinge der Wanyaturu | 190 |
Saiteninstrument der Wanyaturu | 190 |
Bogen, Speer und Pfeilspitze der Wassandaui | 192 |
Iraku-Leute. Photogr. des Verf. | 195 |
Mann aus Ussui. Photogr. des Verf. | 196 |
Rückenkratzer und Fingerring der Waschaschi | 198 |
Fingerring der Waschaschi | 198 |
Tabakspfeife der Wangoroïne | 199 |
Grundriss eines Weilers der Waschaschi | 199 |
Schnupftabaksdose der Wangoroïne | 199 |
Flusspferdharpune der Waschaschi | 199 |
Dorfamulett, Waschaschi | 201 |
Stockschild, Waschaschi | 201 |
Lederkratzer, Waschaschi | 201 |
Hacke mit Holzklinge, Wakara | 201 |
Hacke, Ngoroïne | 201 |
Kopfpolster, Waschaschi | 201 |
Schlagschild, Ngoroïne | 201 |
Trommel der Wakara | 202 |
Saiten-Instrument, Waschaschi | 202 |
Speer der Wangoroïne | 203 |
Milchgefäss aus Holz, Watussi | 207 |
Geräth zum Aushöhlen der Milchgefässe, Watussi | 207 |
Krieger aus Ukerewe. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher | 208 |
Gefäss mit Sand zum Zahnreinigen der Wakerewe | 210 |
Pfeilspitzen, Usinja | 212 |
Sichel, Ukerewe | 212 |
Sichel der Wasinja | 212 |
Trinkkalebasse der Wakerewe | 212 |
Korbflasche der Wakerewe | 212 |
Speere der Wassui | 213 |
Topf der Watwa (Urundi) | 213 |
Holzfigur des verstorbenen Häuptlings, Ukerewe | 213 |
Paradebeil der Wasinja | 213 |
Schild aus Ambatschholz, Ukerewe | 213 |
Köcher der Wassui | 213 |
Watwa-Dorf, Urundi | 214 |
Haartrachten der Warundi | 216 |
Zeug-Ornamente der Warundi | 217 |
Halsschmuck der Warundi | 218 |
Grundriss einer Hütte der Warundi | 218 |
Sichel, Urundi | 219 |
Hackenklinge, Urundi | 219 |
Topf, Ruanda | 219 |
Speerspitze der Warundi | 220 |
Pfeilspitze, Warundi | 220 |
Hammer zum Fertigen von Rindenzeug, Urundi | 220 |
Schild, Ruanda | 220 |
Schwert, Ruanda | 220 |
Schwert der Warundi vom Tanganyika | 220 |
Pfeilbehälter der Warundi | 220 |
Topf der Warundi | 221 |
Klapper der Zauberdoktoren der Warundi | 222 |
Zaubergeräth, Warundi | 222 |
Wohnhütte mit Umgebung der Waha. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 225 |
Puppe der Waha | 226 |
Speer der Waha | 226 |
Trommel der Waha | 226 |
Rindenzeughammer, Uha | 226 |
Wohnhütte mit Umgebung der Wanyamwesi in Urambo. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 229 |
Feldbeil der Wanyamwesi | 231 |
Köcher aus Urambo | 233 |
Elephantenjagdspeer, Wasukuma | 233 |
Korbnadel, Wasukuma | 233 |
Speer, Usukuma | 233 |
Speerform der Wanyamwesi | 233 |
Puppe aus Lehm, Wasukuma | 235 |
Amulettfigur der Wasukuma | 236 |
Hüttenamulett der Wasukuma | 236 |
Schädel des Watussi-Rindes | 239 |
Tabora. Nach Skizze des Verf. gez. von L. H. Fischer | 240 |
Schluss-Vignette (Eisenbahn) | 260 |
Schädel des Watussi-Rindes, Seitenansicht | 354 |
Schädel des Watussi-Rindes, Vorderansicht | 355 |
Tafel | Seite | |
I. | Massaiweib. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher. Heliogravüre | Titelbild |
II. | Lager am Sogonoi-Berg. Nach Skizze des Verf. gez. von Ludw. Hans Fischer | 8 |
III. | Manyara-See und Simangori-Berg. Nach Skizze des Verf. gez. von Ludw. Hans Fischer | 16 |
IV. | Wambugwe-Krieger. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher. Heliogravüre | 24 |
V. | Hungernder Massai. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher. Heliogravüre | 32 |
VI. | Station Mwansa am Victoria-See. Nach Skizze des Verf. gez. von Ludw. Hans Fischer | 40 |
VII. | Felsdorf in Uaschi. Nach Skizze des Verf. gez. von Ludw. Hans Fischer | 56 |
VIII. | Wasukuma-Weib. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher | 64 |
IX. | Uebergang über den Kagera. Nach Skizze des Verf. gez. von Ludw. Hans Fischer | 80 |
X. | Missosi ya Mwesi und die Nilquelle. Nach Skizze des Verf. gez. von Ludw. Hans Fischer | 88 |
XI. | Tanganyika von Usige. Nach Skizze des Verf. gez. von Ludw. Hans Fischer | 96 |
XII. | Pfahldorf am Mlagarassi. Nach Skizze des Verf. gez. von Ludw. Hans Fischer | 104 |
XIII. | Wanyaturu-Stockkämpfer. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher. Heliogravüre | 112 |
XIV. | Wataturu aus Mangati. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher. Heliogravüre | 120 |
XV. | Massai-Krieger aus Mutyek. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher. Heliogravüre | Titelbild zum II. Theil |
XVI. | Ausblick von Meri gegen Nord. Nach Skizze des Verf. gez. von Ludw. Hans Fischer | 136 |
XVII. | Mangati und der Gurui-Berg. Nach Skizze des Verf. gez. von Ludw. Hans Fischer | 144 |
XVIII. | »Iraku-Leute« und »Wafiomi«, Heliogravüre nach Photogr. des Verf. | 168 |
XIX. | Unterirdische Wohnstätten, Iraku. Nach Skizze des Verf. gez. von Ludw. Hans Fischer | 176 |
XX. | Hirt aus Ufiomi. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher. Heliogravüre | 184 |
XXI. | Leute aus Iraku. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher. Heliogravüre | 192 |
XXII. | Ornamente auf Körben der Wakerewe | 208 |
XXIV. | Watussi. Nach Photogr. des Verf. gez. von R. Bacher | 224 |
XXIV. | Mollusken, Lichtdruck | 305 |
XXV. | " " | 320 |
XXVI. | Schädel, " | 360 |
XXVII. | " " | 360 |
Karte des Forschungsgebietes der Massai-Expedition des Deutschen Antisklaverei-Komite. Nach den Original-Aufnahmen von Dr. Oscar Baumann, reducirt von Dr. Bruno Hassenstein 1:1,500,000.
Kartons:
Geologische Uebersichtskarte 1:4,000,000.
Ethnologische Uebersichtskarte 1:5,000,000.
Schematisches Profil der Victoria-See-Bahn, 1:400,000, fünffach überhöht Seite 256.
Die Massai-Expedition. — Reisevorbereitungen. — Anwerbung der Mannschaft. — Die Spitzen der Karawane. — Aufbruch von Tanga. — Ein Tag aus dem Karawanenleben. — Unruhen im Wadigo-Land. — Durch die Umba Nyika. — Kisuani. — Aruscha.
[1] Am 16. November 1891 langte ich mit dem deutschen Postdampfer in Tanga, Deutsch-Ostafrika, an. Vor meinen Blicken erhob sich die üppige Tanga-Insel aus der tiefblauen Fluth, dahinter lugten auf hoher Uferrampe die braunen Hütten des Städtchens zwischen schlanken Kokospalmen hervor und tauchte der breite Bau des Forts auf, wie ein weisser Klecks in der Landschaft erscheinend. Im Hintergrunde ragten die bläulichen Berge Usambára's; alte liebe Bekannte. Betrat ich doch nicht als Fremdling den Boden Afrikas, war es doch das vierte Mal, dass ich mein Glück im dunklen Welttheil versuchte.
Einmal hatte ich Westafrika befahren und den Riesenstrom des Kongo bis in's Herz des Kontinents, bis Stanley-Falls, verfolgt, zwei Mal hatte ich in Ost-Afrika der Erforschung Usambára's und der Länder bis zum Kilimanjaro mich gewidmet. [2] Diesmal freilich stand eine grössere Aufgabe vor mir, galt es doch die weiten gänzlich unerforschten Massai-Gebiete zwischen Kilimanjaro und Victoria-Nyansa zu durchziehen, welche nach den spärlichen Berichten als wasserarme, von feindlichen Stämmen durchstreifte Wüsten dargestellt wurden. Da mir jedoch die Haupterfordernisse des Reisenden: Kenntniss der Sprache und Kenntniss des Landes zu Gebote standen, so blickte ich mit Vertrauen in die Zukunft. Die Weltsprache Ostafrikas, das Kiswahíli, spreche ich völlig fliessend und afrikanische Erfahrung besass ich zur Genüge; so fehlten nur sorgfältige Ausrüstung und tüchtige Mannschaft, um das Gelingen des Unternehmens — die Gunst des Schicksals vorausgesetzt — wahrscheinlich zu machen.
Was die Ausrüstung anbelangt, so kann ich mich nicht zur Ansicht Jener bekennen, welche behaupten, in Ostafrika bekomme man »Alles«. Allerdings man bekommt mehr oder weniger Alles, aber schlecht und theuer, so dass ein Reisender, der sich in Europa ausrüstet, selbst wenn er das Vorzüglichste wählt, immer noch billiger wegkommt. Ein Zelt wie das von Benjamin Edgington in London, welches mir während zwei Reisen Obdach gewährte, ein Feldbett, Feldtisch, Feldstuhl und Blechkoffer wie die von Silver in London, gehören nicht zu dem »Alles«, welches man in Ostafrika erhält.
Selbst die Provisionen, die man noch am ehesten an Ort und Stelle beziehen kann, zog ich vor, aus Europa mitzunehmen, da eine sorgfältige, gegen alle Fälle gesicherte Verpackung draussen kaum durchführbar ist. Die Firma Wilhelm Richers in Hamburg lieferte sie mir in durchwegs vorzüglicher Qualität und zu sehr mässigen Preisen. Dieselben wurden genau nach meiner Angabe in längliche Holzkisten verpackt, deren jede ungefähr dasselbe enthielt, so dass der Verlust einer Kiste keinen unersetzlichen Schaden verursacht hätte. Alle hatten einen verlötheten Blecheinsatz, der erst geöffnet wurde, wenn die Kiste in Verwendung kam und den wohlverstauten Inhalt vor Verderben schützte.
So wurden denn alle die Kisten und Ballen der Expedition in Tanga ausgeladen, daneben auch drei Kameele, die ich für etwaige Wüstenwanderungen aus Aden mitgenommen und welche ihre Treiber, braune untersetzte Araber aus Yemen, mit grosser Sorgfalt unterbrachten. Auch 15 kohlschwarze Sudanesensoldaten, die ich in Massaua angeworben, fanden ein vorübergehendes Heim in einer Negerhütte, während mir selbst in den wohlbekannten Räumen des Usagarahauses gastliche Aufnahme geboten wurde.
Noch am Abend meiner Ankunft stellten sich schwarze Freunde, meist Getreue von meinen früheren Reisen ein, darunter auch der brave Kihara wadi Mwamba, der 1888 die schweren Stunden der Gefangenschaft bei Buschiri mit Dr. Meyer und mir durchgemacht. Alle erfuhren von meinen neuen Plänen und erklärten sich unbedenklich bereit, bei der Massai-Expedition wieder einzutreten. Auch meine treue Reisegefährtin von der Usambára-Fahrt, die Halbaraberin Ranïe binti Abedi, meist »Kibibi« genannt, liess nicht lange auf sich warten.
[3] Nachdem ich mich noch einige Tage in Tanga aufgehalten und dem späteren Engagement der Mannschaften vorgearbeitet, begab ich mich nach Sansibar, um ein wichtiges Geschäft, den Ankauf der Tauschwaaren zu besorgen. Während mehrerer Tage durchschlenderte ich mit Sapojee, dem gewandten Parsi der Ostafrikanischen Gesellschaft, die Bazars, um »Merikani« und »Kaniki«, »Mishanga kuta« und »Mutinarok«, alle die verschiedenen Baumwollstoffe, Glasperlen und sonstigen Artikel anzukaufen, welche im Innern Afrika's das Geld ersetzen. In Sansibar traf ich auch einen Landsmann aus Transleithanien, den ungarischen Sportsman Herrn von Inkey, der eben auf einer Jagdexkursion begriffen war und mich bat, die Expedition bis zum Kilimanjaro begleiten zu dürfen, was ich ihm gerne zugestand.
Bald jedoch kehrte ich wieder nach Tanga zurück, harrte doch meiner eine wichtige Aufgabe, ja die wichtigste, welche meiner Ansicht nach ein Expeditionsführer in Afrika zu lösen hat: die Anwerbung der Mannschaft. Es ist allerdings in Ostafrika die Möglichkeit geboten sich die Sache bequem zu machen: man braucht nur mit einem indischen Agenten einen Trägervertrag zu schliessen, in welchem sich derselbe verpflichtet, die Mannschaften bis zu einem gewissen Tage zu stellen. Dann kann man die Zwischenzeit bequem im Lehnstuhl verträumen, in der Ueberzeugung, am bestimmten Tage seine Leute bereit zu finden. Dieser Vorgang scheint ungemein einfach und wurde auch thatsächlich bis in die neueste Zeit von Gouvernements-Expeditionen sowie von Privaten eingeschlagen. Dabei war es fast ausschliesslich der indische Kaufmann Sewah Haji, der mit den Aufträgen der Europäer beehrt wurde. Dieser ist nicht etwa ein indischer Grosshändler im Stile Sir Taria Topan's, dessen Handelsbeziehungen bis ins Herz des Kontinents reichen und der die bedeutendsten Araber wie Tippo-Tip als seine Agenten bezeichnen kann, sondern er hat eigentliche kaufmännische Geschäfte fast ganz aufgegeben. Seine Firma ist jetzt ein Dienstvermittelungs-Bureau in grossem Stile, er ist Träger- und Arbeiter-Agent, d. i. ein Mann, der durch die Unerfahrenheit und Bequemlichkeit der Europäer und den Unverstand der Afrikaner Reichthümer sammelt. Diese gestatten es ihm, zeitweise Reisen nach Europa zu unternehmen, wo er von Jenen, die ihm ihr Geld in den Rachen geworfen, zum Frühstück eingeladen wird.
Für Alle, für Deutsche, Engländer, Franzosen und für den Kongostaat wirbt Sewah Haji Träger an. Aber er lässt sich auch dafür bezahlen. Während er selbst dem Küstenmann höchstens 10 Rps. pro Monat, dem Mnyamwesi und Msángo gar nur einige Ellen Baumwollstoff giebt, muss der Europäer 15-20 Rps. monatlich bezahlen! Durch kleine Beträge, die Sewah den Schwarzen in ihrer arbeitsfreien Zeit vorschiesst und dann wucherisch verzinst, weiss er sich stets Leute an der Hand zu halten. Durch hohe Bezahlungen gewinnt er einflussreiche Karawanenführer, dafür werden die Anderen in ihren hart verdienten Löhnungen um so mehr verkürzt. Ausser den Vorschüssen, die mit Zins und Zinseszins bis ins Unendliche anwachsen, werden ihnen noch allerlei »Gebühren« abgezogen, [4] besonders wenn es sich um naivere Inlandleute handelt. Schliesslich ist der arme Afrikaner froh, wenn er nur einige Rupies oder etwas weissen Baumwollstoff bekommt, ja er freut sich noch, wenn man ihm eine rothe Mütze oder sonst einen Plunder als »Bakschisch« schenkt. Er führt ja keine Bücher, während der Inder alles schwarz auf weiss hat und Unzufriedene auffordert, nur immerhin auf die Station zu gehen und sich über ihn zu beschweren. Der Begriff »Station« ist jedoch in Ostafrika noch so innig mit dem Begriffe »Prügel« verbunden, dass Jedermann es sich dreimal überlegt dahin klagen zu gehen, wenn er seiner Sache nicht ganz sicher ist.
Es ist jedoch begreiflich, dass die Mannschaften unter solchen Umständen dem Unternehmen wenig Lust und Liebe entgegenbringen und besonders wenn der europäische Gebieter, den sie am Abmarschtage zum ersten Mal sehen, ihnen nicht zusagt, einfach davonlaufen. Geschieht dies in der Nähe der Küste, so muss Sewah Haji selbst, sonst seine Agenten in Tabora und Mwansa freilich Nachschub leisten und der Karren wird mit Mühe und Noth im Gange erhalten, doch mit unendlichem Aerger und Verzögerungen muss der Reisende die Mussestunden an der Küste büssen.
Da ich während der Dr. Meyer'schen Expedition 1888 das Sewah Haji'sche Trägerelend gründlich ausgekostet, so beschloss ich mich nie mehr mit diesem oder einem andern Agenten einzulassen, sondern meine Leute selbst zu engagiren. Schon 1890, während der Usambára-Expedition, war mir dies trefflich gelungen, und obwohl »Kenner« mir diesmal versicherten, dass bei der herrschenden »Trägertheuerung« und dem »Trägermangel« Sewah Haji absolut nicht zu umgehen sei, wollte ich dies dennoch versuchen.
Von einschneidender Wirkung für das Gelingen einer Expedition ist die Wahl guter Karawanenführer. Für mich war dies um so mehr der Fall, als ich beschlossen hatte, keinen europäischen Begleiter mitzunehmen, sondern allein zu reisen. Vor Allem brachte mich zu diesem Entschluss der Umstand, dass ich, wie ich offen gestehe, mich in Afrika unter Schwarzen am wohlsten fühle. Doch würde dieses, mehr persönliche Moment, mich selbstverständlich nicht abgehalten haben einen Europäer mitzunehmen, falls ich dies im Interesse der Expedition für nothwendig gehalten hätte. Ich bin jedoch zu der Ansicht gelangt, dass man Europäer in Afrika nur da verwenden soll, wo Schwarze absolut nicht zu brauchen sind. Dies ist bei einer Expedition nur bezüglich der Oberleitung und der wissenschaftlichen Forschung der Fall, denn alles Andere, von der Marschdisziplin angefangen, bis zu den kleinsten Details des Karawanenlebens, verstehen ja die Schwarzen unendlich besser als wir. Es ist ja begreiflich, dass ein Mann, dessen Väter schon vor Livingstone und Krapf nach dem Innern Afrika's zogen, der in den Verhältnissen geboren und darin aufgewachsen ist, unter kräftiger Leitung und bei entsprechender Befähigung ganz anderes leisten muss als ein europäischer Neuling. Ob durch Mitnahme des Vertreters eines anderen Faches wissenschaftlich mehr ausgerichtet worden wäre, ist noch fraglich. [5] Denn bekanntlich können verschiedene Fachleute sehr schwer zusammen arbeiten und es ist ferner sicher, dass man allein, schon durch Langeweile getrieben, weit mehr Studien macht als etwa in angenehmer Gesellschaft.
Einer jener Leute, welche mir mehr werth sind als ein und selbst mehrere Weisse, stellte sich mir nach meiner Rückkehr in Tanga vor. Es war Mzimba bin Omari, ein Swahíli aus Bweni bei Pangani, der s. Zt. bei der Usambára-Expedition als Träger eintrat, durch seine Tüchtigkeit es rasch zum Askari (Soldaten) brachte und während einer Krankheit des damaligen ersten Mnyapara (Anführers) dessen Stelle vertrat. Diesmal hatte ich ihn selbst trotz seiner Jugend — er ist kaum 25 Jahr alt — zu diesem wichtigsten Posten bestimmt. Der Mnyapara spielt eine ähnliche Rolle in der Expedition, wie der Feldwebel in der Kompagnie, nur dass die Expedition eben vollständig selbstständig ist und alle Zwischenglieder zwischen Hauptmann und Feldwebel fehlen. Mehr als einmal hat Mzimba während meiner Abwesenheit und Erkrankung meine Stelle vertreten und ich hatte dann stets das Gefühl dass es eben so gut, ja besser ging, denn Mzimba hatte den Ehrgeiz, mir zu beweisen, dass er auch ohne mich fertig werden könne. Ueberhaupt hatte er eine bei Schwarzen seltene Selbstständigkeit und hat mehr als einmal allein Gefechte mit Besonnenheit und Muth auf das Schneidigste geleitet. Der Mannschaft gegenüber besass er grosse Autorität, die er hauptsächlich dadurch aufrecht erhielt, dass er nur mit einigen jüngeren Verwandten unter den Trägern, sonst aber mit den Leuten garnicht verkehrte. Obwohl musterhaft gehorsam, zögerte Mzimba doch nie, eine ganz bestimmte Meinung abzugeben, wenn ich ihn um seinen Rath befragte. Freilich hatte er sich derart in mein Reisesystem und in meine Denkweise eingelebt, dass er meist nur das äusserte, was mir selbst als das richtigste erschien.
Während Mzimba ein untersetzter, lichtbrauner Bursche mit klugen Augen und von nicht übermässiger Schönheit ist, war Mkamba, der zweite Anführer der Kirongozi, ein hochgewachsener, schwarzer junger Hüne, ein ernster, auffallend hübscher Bursche. Er war im Gegensatz zu Mzimba Sklave, doch schienen ihn seine Fesseln gerade nicht zu drücken, denn ungehemmt durchstreifte er jahraus jahrein das Massailand. Er bildet den Typus eines »Msafíri« (Karawanenmannes) aus Pangani. Heute kehrt er vom Rudolfsee zurück um einige Tage darauf wieder nach Kavirondo aufzubrechen, bei einer Karawane zahlt man ihm seinen spärlichen Lohn und bei der andern nimmt er schon Vorschuss für die nächste Reise.
Eine weitere, sehr wichtige Persönlichkeit für eine Massaireise ist der Leigwenan, der Dolmetscher. Diesen fand ich in der Person des Bakari bin Mfawme aus Mtangata, der meist mit seinem Massainamen »Kiburdangóp« genannt wurde. Er war ein im Massailand ergrauter Mann, der die Sprache der gefürchteten Viehräuber fliessend handhabte und eine erstaunliche Landeskenntniss besass, ein gutmüthiger, etwas ängstlicher Swahíli.
[6] Nachdem ich diese drei Stützen der Expedition gesichert, ging ich daran mit ihrer Hilfe die Askari und Träger anzuwerben. Vor Allem die Askari, die Soldaten. Denn es ist selbstverständlich, dass der Reisende in unerforschten Theilen Afrika's auch heute, wo die rothen und blauen Grenzlinien der Kolonien, Schutzgebiete und Interessensphären Kreuz und Quer durch die Karte des Kontinents gezogen sind, doch noch einzig und allein auf seine eigene Kraft angewiesen ist. Die Stationen, die hunderte von Meilen weit entfernt an den grossen Heerstrassen liegen, können ihm auch nicht den Schatten von Schutz gewähren. Ebensowenig kann er erwarten von der kaiserlichen Schutztruppe, die ohnehin nur das Nothwendigste an Mannschaft besitzt, eine Bedeckung zu bekommen. Der letztere Nachtheil ist übrigens nicht so gross als man annehmen sollte, da es ja dem Reisenden freisteht zu thun, was bei der Schutztruppe [7] geschieht, nämlich Neger anzuwerben, dieselben zu uniformiren und militärisch abzurichten. Da das Menschenmaterial genau dasselbe ist, so ist solche eigene »Schutztruppe« jener des Gouvernements völlig ebenbürtig, ja ich habe diesmal mit meinen selbst angeworbenen Leuten weit bessere Erfahrungen gemacht als auf der Usambárareise mit den 7 Askari des Reichskommissariats, von welchen drei ausrissen und überhaupt nur einer als Soldat verwendet werden konnte.
Fünfzehn Sudanesen hatte ich mir, wie erwähnt, schon mitgebracht. Die übrigen Askari wurden zusammen mit den Trägern angeworben und nur gutempfohlene und anscheinend intelligente Leute zu diesem Dienst berufen. Viele darunter hatten während des Aufstandes in der Schutztruppe gedient und sich dabei die deutschen Kommandos und Griffe angeeignet. Ihre Ombascha's (Gefreiten) waren der Sudanese Bahid Mohammed, ein tiefschwarzer, langer Dinkaneger und der Swahíli Hailala wadi Baruti, ein hübscher, kluger Yao. Freilich wurde mancher, der als Askari angeworben war, im Laufe der Zeit zum Träger gemacht und dafür Träger, die besondere Eigenschaften zeigten, zu Askari befördert.
Zur Anwerbung der Träger begab ich mich von Tanga nach Mtangata, Pangani und Bagamoyo und sandte Leute nach Bondei und Muoa aus. Ich verfolgte dabei stets den Grundsatz im Allgemeinen nur Leute zu nehmen, die durch einen an der Küste ansässigen und bekannten Gewährsmann empfohlen wurden. Bei Sklaven waren dies meist ihre Herren. Mit diesem Gewährsmann wurde ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen, wonach er sich verpflichtete den Vorschuss des Trägers zurück zu zahlen, falls dieser zu irgend einer Zeit davonliefe. Es mag ja freilich langweilig sein an 200 solcher Verträge aufzusetzen, doch sind diese das einzige Mittel welches gegen Desertionen schützt. Irgend welche Schwierigkeit, die Leute zu bekommen, fand ich trotz des angeblichen »Trägermangels« keineswegs. Im Gegentheil, die Massai-Expedition war populär geworden, aus allen Dörfern kamen junge Burschen, und Kontraktarbeiter lösten ihre Verträge um als Träger einzutreten. Leute die 12 und 15 Rps. monatlich hatten, traten bei mir für 10 ein; ich hätte, falls ich damals gewollt hätte, 1000 und mehr Leute anwerben können.
Die 200 Mann, die ich angeworben, hatten sich Anfangs Januar 1892 in Tanga vereinigt und ich beschleunigte das Packen der Lasten, um rasch fortzukommen. Denn dass zweihundert junge Burschen, die einer unsicheren Zukunft entgegengehen, die Vorschuss erhalten haben und täglich Zehrgeld bekommen, zu allerlei Unfug geneigt und ganz danach angethan sind, ein Nest wie Tanga auf den Kopf zu stellen, scheint begreiflich. Ich selbst stand diesem Treiben völlig machtlos gegenüber, da ich die Leute, die in der Stadt zerstreut lebten, nicht in der Hand hatte und es mir auch im Interesse der Sache garnicht einfiel, jetzt schon die Zügel straff anzuziehen — dazu war im Massailand Zeit. Ich wäre denn wohl in häufigen Konflikt mit den Behörden gerathen, wenn die löbliche Polizei in [8] den ostafrikanischen Küstenstädten nicht zum Glück aus Egyptern und Sudanesen bestände und wann hätte ein Egypter oder Sudanese dem Zauberworte »Bakschisch« jemals widerstanden? So drückten denn die biederen Stadtsoldaten nicht nur ein sondern beide Augen zu und mir sowohl wie dem Bezirkshauptmann blieb viel Aerger erspart. Mehrmals am Tage erschienen Weiber welche »verführt« oder Greise, Kinder und andere Leute die durchgeprügelt worden waren: sie alle wurden durch einen Bakschisch zufriedengestellt. Selbst den Vali von Tanga, den würdigen, arabischen Bürgermeister gelang es mir zu beruhigen, als er eines Abends wuthentbrannt mit äusserst schiefgewickeltem Turban bei mir ankam und klagte, dass einige meiner Manyema-Träger ihn aus seiner eigenen Veranda hinausgeworfen hätten, um dort dem verpönten Kartenspiel zu fröhnen. Ich lud ihn ein auf den Schreck einen Cognac zu nehmen, ein Getränk, welches, nebenbei gesagt, ihm die Freuden des islamitischen Paradieses ersetzen muss, das er sich durch dessen Genuss, sowie durch andere, minder salonfähige Neigungen vulgo Laster schon längst verscherzt hat. Nachdem er etwa die halbe Flasche »in Gedanken« ausgetrunken, ging auch er befriedigt ab.
Solange meine Kerls sich begnügten die Weiber zu »verführen« und die Männer durchzuprügeln ging, wie gesagt, alles ganz gut. Einer aber wollte die Sache umkehren und begann damit, Weiber durchzuprügeln. Das bekam ihm jedoch schlecht; einige schwarze Megären fielen über ihn her, warfen ihn zu Boden und traten ihn buchstäblich todt. Seine Gefährten fanden den armen Baraka Manyema als Leiche und das Bezirksamt leitete eine gründliche Untersuchung ein, deren Ende ich nicht abwartete. Denn der Boden brannte mir in Tanga begreiflicherweise unter den Füssen und Mzimba mit seinen Getreuen packten vom Morgen bis in die Nacht, um uns rasch flott zu bekommen.
Am 14. Januar schickte ich die 40 bepackten Massai-Esel, die gewissermaassen den Train der Expedition bildeten unter Mkambas Befehl voraus nach Amboni. Am Morgen des 15. liess ich meine »Bande« antreten, jeder bekam sein Gewehr und Pulverhorn, die Askari ihren Hinterlader, und die Lasten wurden vertheilt. Dann liess der Tambour seine mächtige Negertrommel ertönen, der wohlbekannte Wanyamwesimarsch, der Mganda ya Safari wurde mit Jubelgeschrei begrüsst, Kopwe, ein halbverrückter, zwerghafter Mschambaa entlockte einem Antilopenhorn die furchtbarsten Töne und, die deutsche Flagge voran, setzte sich die Karawane in Bewegung. Im Vorbeimarschiren drückte ich den deutschen Landsleuten die Hand und erhielt manches — oft recht ironisches — Abschiedswort. Denn selbst alte Afrikaner glaubten, dass sich auch bei mir die übliche Komödie wiederholen und gleich am ersten Tage drei Viertel der Leute ausreissen würden. Der Reisende, der heute Abschied genommen, taucht dann morgen mit langem Gesicht wieder an der Küste auf, zur Erheiterung der schadenfrohen Landsleute. Diesmal sollten sich diese aber geirrt haben. Keinerlei Desertionen traten ein, die mich nöthigten wieder an die Küste zu kommen, sondern im Gegentheil, ihre eigenen Bootleute und [9] Lohnarbeiter liefen rudelweise davon, um sich der Massai-Expedition anzuschliessen, sodass sie schleunigst Boten absenden mussten um sie wieder einzufangen.
TAFEL II
Am ersten Tage lagerten wir unter den schattigen Mangos des Dorfes Amboni am Sigifluss, am nächsten Morgen marschirten wir schon bei Tagesanbruch an der Tabaksfarm vorbei und in's grasige, palmenreiche Digoland.
Bevor ich den Reisebericht weiter verfolge, sei es mir gestattet ein kurzes Bild unserer Märsche und unseres Lebens im Lager zu geben, wie es sich täglich abspielte.
Schon lange vor Tagesanbruch kam in die schlummernde Karawane Leben. Es waren die Eseljungen, die vom diensthabenden Unteroffizier geweckt wurden, um das mühsame und langwierige Geschäft der Bepackung der widerhaarigen Thiere zu besorgen. Unter dem wahnsinnigen Geschrei ihres Aufsehers, Mabruki Wadudu, eines alten Bekannten von der Meyer'schen Expedition, fingen sie die Thiere ein, legten ihnen die mit Bananenlaub gefüllten Polster und die nach Massaiart genähten ledernen Tragsättel mit den Lasten auf. Sobald ein zartrother Streif sich am östlichen Himmel zeigte, schlug der Trommler die Tagwache und Mzimba begann die Lasten zu vertheilen. Während ich eine Tasse Cacao und einen kleinen Imbiss zu mir nahm, wurde mein Zelt abgebrochen, dann gab ich durch einen schrillen Pfiff das Zeichen zum Abmarsch.
Den Vortrab bildete Mkamba mit 12 Askari, stets denselben Leuten. Bei ihm befand sich der eingeborene Wegweiser, der manchmal freiwillig, öfter gezwungen und nicht selten an der Kette marschirte. Denn ich konnte, besonders in weglosen, wasserarmen Gegenden, das Wohl und Wehe meiner Karawane nicht von den Launen eines Wilden abhängig machen der, wenn er schliesslich nach einigen Tagen beschenkt wurde, vergnügt nach Hause zurückkehrte. Mkamba wurde stets von mir über die einzuschlagende Richtung aufgeklärt, die Details des Weges überliess ich seinem Ermessen. Er hatte ferner auf etwaige Feindseligkeiten der Eingeborenen scharf zu achten und war für Beseitigung von Marschhindernissen, wie Dorngestrüpp u. s. w., verantwortlich. Seine Leute waren mit Beilen und Waldmessern ausgerüstet.
Etwa 100 Schritt hinter dem Vortrab folgte die Karawane, deren Spitze der Fahnenträger Askari Kipishi bildete, ein vielgereister Mann aus Mtangata, der sein keineswegs leichtes Amt mit besonderem Geschick versah. Von ihm hing es nämlich ab, ob die Karawane geschlossen oder lose marschirte; lief er zu sehr, so kamen die Leute hinten nicht nach, ging er zu langsam, so trat ein schleppendes Tempo ein, welches für Träger sehr ermüdend ist. Diese folgten, so ziemlich stets in derselben Reihenfolge in langer Linie dem Fahnenträger, zwischen ihnen einzelne Askari, welche für die Marschdisziplin sorgten. Ich hielt nämlich strenge darauf, dass die Karawane immer geschlossen marschirte; Niemand durfte in der Eintheilung stehen bleiben oder sich gar zur Rast niederlassen, dazu waren zwei Ruhepausen da, die während jedes Marsches gehalten wurden. Der Marschdisziplin [10] war alles, Männlein und Weiblein, deren es, wie wir sehen werden, meist gar nicht wenige in der Karawane gab, unterworfen und Zuwiderhandelnde erhielten unfehlbar Hiebe.
Am Ende der Karawane folgte ich mit meinem »Stabe«, d. i. den Leuten, welche die wissenschaftlichen Instrumente trugen, den Boys, Köchen und dem Eseljungen des Reitesels, den ich stellenweise benutzte. Selbstverständlich war ich ununterbrochen mit topographischen Aufnahmen beschäftigt, die ich nach langjähriger Uebung halb unbewusst ausführte. Hinter mir schwankte das eine Kameel das mir noch geblieben — zwei waren in Tanga gestorben — und tönte das wilde Geschrei der Eseltreiber und das noch tollere Wiehern der Grauthiere. Den Schluss bildete Mzimba mit 15 Askari, ebenfalls stets denselben Leuten. Er war verantwortlich, dass Niemand, der zur Karawane gehörte, zurückblieb. Auch er musste die Augen tüchtig offen halten, denn vielfach und besonders später als wir Rindvieh mittrieben, waren die Angriffe der Eingeborenen gegen das Ende der Karawane gerichtet. Das war auch mit ein Grund, warum ich selbst mich näher an demselben aufhielt.
Sobald die Sonne nahe am Zenith war, begann Mkamba sich nach einem Lagerplatz umzusehen. In Steppen und unbewohnten Gegenden handelt es sich vor Allem um genügendes Wasser und Brennholz, waren diese gefunden, so konnte ein Platz leicht bestimmt werden. In bewohnten Ländern lagerten wir meist in Dörfern.
Der Fahnenträger stiess seine Flagge an der Stelle in die Erde, wo das Lagerzelt errichtet werden sollte. Trommler und Hornist liessen ihre Klänge ertönen und alles athmete erleichtert auf: für heute war's wieder überstanden. Ein Theil der Askari schlug rasch mein Zelt auf oder erbaute, falls keine Negerhütte Schatten bot, in aller Eile eine »Kibanda«, eine Zweighütte mit Grasdach, die einen weit angenehmeren Aufenthalt während des Tages bot als das Zelt. Die übrigen Askari schichteten die Lasten, Munitionskisten, Blechbüchsen mit Pulver, Tauschwaaren und Provisionskisten sorgfältig auf und schlugen das Lastenzelt.
Die Jungen hatten inzwischen das Zelt in Ordnung gebracht und in der Kibanda den Tisch gedeckt, der Koch den Mittagsimbiss fertig gestellt. Bei dieser, wie bei allen Mahlzeiten hielt ich darauf, dass die Hilfsquellen, welche das Land bot, möglichst vollständig ausgenutzt, und auch möglichst gut gekocht wurde, da ich der Ansicht huldige, dass eine gute Mahlzeit sicherer vor Fieber schützt als eine Dosis Chinin oder Arsenik. Dafür, dass Reinlichkeit und Ordnung in der Küche herrschte, sorgte die brave Kibibi, die dortselbst als Alleinherrscherin regierte.
Die Träger hatten sich inzwischen ebenfalls Laubhütten gebaut und begannen ihre Lebensmittel abzukochen. Dies geschah nach Lagergenossenschaften, Kambi's, deren jede einen Aeltesten, den Mkubwa ya Kambi, hatte. Die verschiedenen Landsleute, die Manyema, Wadigo, Wabondei, Wasegua, Wassegeju, Wasaramo und Wanyamwesi, [11] die Leute von Tanga, Mtangata, Pangani, Bweni und Bagamoyo, die Sansibariten und Sudanesen sondern sich da von einander ab, und bilden kleine geschlossene Kreise.
Während ich Nachmittags damit beschäftigt war, meine Aufnahmen zu ordnen und zu ergänzen, sowie ethnographische, linguistische und andere Studien zu machen, waren die Askari darauf bedacht, das Lager gegen einen nächtlichen Angriff zu befestigen.
In einem Dorf war das verhältnissmässig einfach, da mittelafrikanische Siedelungen sehr häufig ohnehin mit Dornverhauen oder anderen Schutzwehren umgeben sind. Im Busch musste jedoch stets die »Boma«, der Stachelzaun, errichtet werden. Alle Mann hackten dann Zweige von den dornigen Akazien und thürmten dieselben im Kreise um das Lager so hoch auf, dass ein Darüberspringen unmöglich war. Solche Maassregeln mögen übertrieben und unnütz erscheinen, aber Sorglosigkeit hat in Deutsch-Ostafrika, wie ich glaube, gerade genug schwere Niederlagen bereitet, sodass ein wenig zuviel Vorsicht nichts schaden kann.
Gegen 5 Uhr Nachmittags versammeln sich die Kambi-Aeltesten bei Mzimba und erhalten »Poscho«, Proviant. Die mitgebrachten oder von den Eingeborenen erworbenen Nahrungsmittel hat dieser vor sich aufgehäuft und giesst jedem Aeltesten mit der Kibaba, einer Holzschüssel, soviel Portionen, als er Leute vertritt, in ein ausgebreitetes Tuch. Dieses sogenannte »Kibabasystem« wird von Arabern und Swahíli stets ausgeübt und war auch bei älteren Reisenden üblich, während jetzt Europäer fast stets das »Mikonosystem« verfolgen, d. h. den Leuten so und so viel Armlängen (Mikono) Baumwollenzeug geben, mit welchen sie eine bestimmte Anzahl Tage ausreichen müssen.
Schon auf der Usambára-Expedition habe ich mit Erfolg das Kibabasystem benutzt, welches ungleich billiger und praktischer ist. Bei der Massai-Reise, wo ich oft auf Monate Proviant für die Mannschaften mitnehmen musste, wäre das Mikonosystem geradezu ein Unding gewesen. Dasselbe verdankt seinen Ursprung hauptsächlich der Abneigung vieler Europäer, für die Verpflegung ihrer Leute zu sorgen. Sie geben denselben ihre Mikono und überlassen es ihnen, sich Nahrung einzukaufen. Auf grossen Karawanenstrassen mag dies ja ganz bequem sein, bei Forschungs-Expeditionen hat es jedoch seine sehr grossen Nachtheile. Vor Allem haben viele Leute garnicht genug Einsicht, um mit ihren Tauschwaaren sparsam umzugehen. Sie verprassen die erhaltenen Mikono gleich nach Empfang und müssen dann bis zum nächsten Poscho-Tage hungern oder bei den Eingeborenen mausen. Dabei kann der Reisende seinen Leuten nicht verbieten, das Lager zu verlassen und unter dem Vorwand Nahrung einzukaufen, weit abseits umherzuschweifen, was auf die Disziplin schädlich einwirkt und in feindlichen Gegenden geradezu verhängnissvoll werden kann. Ferner ist das Mikonosystem eine Quelle fortwährender Unzufriedenheit. Denn weiter im Innern ist das Baumwollzeug mehr werth, und der Reisende sieht sich veranlasst, die Zahl der Mikono herabzusetzen, was stets [12] Stürme der Entrüstung und nicht selten Desertionen veranlasst. Der Mann dagegen, der vom ersten bis zum letzten Reisetag seine Kibaba, Lebensmittel, erhält, an welchen er sich sattessen kann, ist stets zufrieden und kümmert sich wenig darum, ob der Expeditionsleiter, der für ihn eine Art Vorsehung ist, sie billig oder theuer erworben hat. Jagd- und Kriegsbeute, sowie die reichen Geschenke der Inlandhäuptlinge, kommen direkt der Expedition zu Gute, während sie beim Mikonosystem oft geradezu schädlich wirken. Denn wenn der Mann auch im Ueberfluss schwelgt, so wird er doch seine gewohnten Mikono verlangen und diese auf zwecklose Weise durchbringen, was zu vielfachem Unfug Veranlassung giebt.
Zur Poschozeit werden auch die Kranken von dem dazu bestimmten Askari vorgeführt und so gut als möglich von mir behandelt. Vor Sonnenuntergang, kurz bevor ich mein Nachtmahl einnehme, treten die Askari an und machen etwa eine halbe Stunde Gewehrgriffe. Dann wird die Wache für die Nacht abgetheilt. Während der ganzen Reise stellte ich allnächtlich vier Wachtposten auf, die unter kriegerischen Verhältnissen auf sechs und acht verstärkt wurden. Ununterbrochen riefen dieselben mit lauter Stimme die arabischen Zahlen, das beste Mittel, um sich wach zu erhalten. Wenn das Wasser entfernt liegt, so ziehen schon während der Wachabtheilung kleine Trupps von Leuten mit Gefässen aus, um für die Nacht und den nächsten Morgen Wasser zu schöpfen. Denn sowie es dunkel geworden, schlägt der Trommler den Zapfenstreich und ruft die Befehle für den nächsten Tag, vor Allem ob marschirt wird oder nicht, aus. Dann darf Niemand mehr hinaus und das Lager verstummt allmählich.
Eine Weile noch flüstern einzelne Gruppen bei den glühenden Lagerfeuern, doch bald sinkt alles in tiefen Schlaf. Eintönig erschallen die Rufe der Wachtposten um das Lager, draussen jedoch werden die Stimmen der Wildniss laut. Die Hyänen heulen und lachen in widerlicher Weise, manchmal ertönt ein mächtiger Ruf: das Gebrüll des Löwen. Doch trotz allem Lärm schläft man schliesslich ein, bis das Rasseln der Trommel am nächsten Morgen zu neuer Thätigkeit ruft.
Man darf allerdings nicht glauben, dass solch regelmässiger Dienstgang gleich von Anfang an durchführbar ist. Erst herrscht unglaubliche Unordnung, die ungeübten Leute marschiren schlecht und sind nicht vom Fleck zu bringen, im Lager entwickelt sich ein unendlicher Wirrwar. Die beiden Hauptmittel des Expeditions-Chefs: Geduld und Kurbatsch bringen täglich mehr Ordnung in das Chaos, doch braucht es immerhin fast einen Monat bis Alles im Gange ist und Jeder seine Thätigkeit genau kennt. Der eigentliche Lohn für die Mühen der ersten Zeit tritt aber nach mehreren Monaten ein: dann geht alles wie geölt, so dass die Leute selbst ihre Freude daran haben und der Kurbatsch, welcher anfangs täglich viel zu thun hatte, verlässt nur selten mehr seinen Ehrenplatz im Gürtel Mzimba's.
[13] Freilich, wer die zügellose wüste Schaar gesehen hätte, die am Morgen des 16. Januar mit mir Amboni verliess, der hätte wohl kaum geahnt wie wohlerzogen und tüchtig diese Leute noch werden sollten. Mit Horn und Trommel voran gings unter stetem Jubelgeschrei durch's Digoland, so dass die erschreckten Wadigo mit Weib und Kind ihre Dörfer verliessen und spornstreichs in den Busch entsprangen.
Der Augenblick, das Digoland zu besuchen, war gerade kein günstiger. Wenige Wochen vorher hatten die Wadigo wieder einmal zuviel Palmwein getrunken. Sie, die immer ganz gute Unterthanen waren, rissen auf einmal die deutsche Flagge herab und erklärten sich für unabhängig. Einen deutschen Offizier, der mit wenigen Soldaten und sehr wenig Munition hinkam, um sie zur Vernunft zu bringen, empfingen sie mit heftigem Feuer. Unter den obengenannten Umständen musste er sich nach kurzer Gegenwehr zurückziehen, wobei ihn die Wadigo bis Amboni verfolgten und die Scheunen der Pflanzer-Gesellschaft niederbrannten. Nun wurde Ernst gemacht. Dampferweise kamen Soldaten aus Dar-es-Salaam und Freiherr von Bülow wurde beauftragt, die Wadigo zu pacificiren. Es gelang ihm dies sehr leicht; nach den ersten Schüssen liefen die Wadigo davon und das übliche Strafverfahren mit Dorfbrennen und Viehforttreiben konnte eingeleitet werden.
Drei Tage nachdem Freiherr von Bülow das Land verlassen, langte ich mit meiner Expedition darin an. Begreiflicherweise mussten die Wadigo in dem Erscheinen von 200 Bewaffneten, die mit Lärm und Trommelschall einzogen, einen neuen Rachezug sehen. Sie suchten das Weite, und als wir unter einem prachtvollen Baum vor dem Dorfe Gombelo lagerten, sahen wir keine Seele. Einige Träger, die sich von der Karawane entfernt hatten, wurden abseits mit Pfeilen beschossen.
So stand ich denn vor der Nothwendigkeit, entweder meine Leute gleich in den ersten Tagen hungern zu lassen oder schon hier, so nahe an der Küste, mit dem leidigen Fouragiren zu beginnen. Das erstere hätte zweifellos viele Desertionen, möglicherweise den Ruin der Expedition veranlasst, ich zögerte also nicht, den Leuten zu erlauben, den zur Nahrung nöthigen Maniok aus den Feldern zu ziehen. Dass diese es dabei nicht bewenden liessen und wohl auch manchmal ein Hühnchen mitgehen liessen, ist bei der begreiflicherweise noch mangelhaften Disziplin in einer drei Tage alten Expedition nicht verwunderlich.
Bemüht, möglichst rasch aus diesen unangenehmen Gegenden zu kommen, zogen wir durch die damals völlig menschenleeren Distrikte von Mgandi, Kaerua und Buiti. Erst in Daluni, das zwischen prachtvollen Kokospalmen am Fusse des Usambára-Gebirges liegt, liefen die Leute nicht davon und wir konnten Lebensmittel einkaufen, womit ich die leidige Wadigo-Affaire für erledigt hielt. Dieselbe hatte aber noch ein Nachspiel. Als nämlich die Wadigo erfuhren, dass sie diesmal nicht »amtlich« geplündert worden waren, führten sie beim Bezirksamt Klage. Dieses leitete die Klage weiter, nach Dar-es-Salaam, nach Berlin, nach Coblenz, wo das Antisklaverei-Komite [14] veranlasst wurde, eine Schadenersatz-Summe zu zahlen. So löste sich denn alles in Wohlgefallen auf: die Wadigo bekamen ihr Geld, welches ihre Verluste an Maniok und Hühnern mindestens zehnfach deckte, das Bezirksamt hatte sein »amtliches« Recht durchgesetzt, das Komite hatte gezahlt und konnte zahlen, da es wusste, dass mein Vorgehen im Interesse der Expedition dringend geboten war — und ich zog inzwischen, von allen diesen »amtlichen« Vorgängen nichts ahnend, landeinwärts, der unamtlichen afrikanischen Freiheit zu!
Ein kurzer Aufenthalt in Daluni diente dazu, die wenigen Nachzügler bei der Karawane zu versammeln, und am 22. Januar traten wir den Marsch längs der steil ansteigenden felsigen Mschihui-Berge durch die Umba-Nyika an. In Folge des ungewöhnlich frühzeitigen und reichlichen Regens hatte die Steppe gewissermaassen ihr Frühlingskleid angelegt. An Stelle der gelben harten Gräser sprossen zarte junge Halme hervor, die Baobabs, die sonst ihre mächtigen Aeste blattlos in die Lüfte recken, zeigten reiches Laub, und selbst die Akazien und Dornbüsche verhüllten ihre stachlige Aussenseite mit dichtem Grün. Von Wassermangel war keine Rede; die Bäche, die sonst als trockene Gräben nur Marschhindernisse bilden, führten das erfrischende Nass in Mengen und Niemand beachtete die Wasserbaobabs, jene natürlichen Baumcisternen, die oft in der trockenen Zeit aus den unversiegbaren Wasservorräthen ihrer Innenhöhlung dem Wanderer Labsal bieten.
Die fruchtbare Oase von Kitivo, welche die Stelle bezeichnet wo der Umba aus den Usambárabergen tritt, bot uns und unsern noch wenig geübten Leuten Gelegenheit zur Ruhe und Erholung. Inkey und ich benutzten den Ruhetag zu einem Ausflug in das prächtige Hochthal von Mlalo, das Dr. Meyer und ich 1888 entdeckt, und wo die Mitglieder der deutschen Mission uns begrüssten, die auf mein Anrathen sich dort niedergelassen hatten.
Um die Nordspitze Usambáras herum zogen wir nach Mnasi, wo mein alter Bekannter, der Häuptling von Mbaramu, mir Wegweiser durch die Steppe verschaffte. Da die Wasserverhältnisse günstige waren, beschlossen wir, den Umweg über Gonja zu vermeiden und direkt auf Kisuani loszugehen. Mehr aus alter Gewohnheit als weil es wirklich nöthig war, machten wir beim letzten Wasserplatz von Mnasi »Telekesa«, d. h. wir kochten gegen Mittag ab, alle Gefässe wurden gefüllt, das Kameel bekam eine Last voller Schläuche und, gegen die Eventualitäten einer wasserlosen Nacht gerüstet, brachen wir um 1 Uhr Nachmittags auf. Durch lichte, mit spärlichem Stachelgestrüpp bedeckte Steppen, aus der einzelne Felskuppen sich erhoben, führte die ziegelrothe Linie unseres Pfades. Die mächtigen Abfälle Usambáras entfernten sich immer mehr; im Westen tauchte die dunkle Mauer des Pare-Gebirges in der Abenddämmerung mit solcher Klarheit auf, dass man die weissen Rauchsäulen der Schmieden erkennen konnte. Gerade als die Sonne sich anschickte, hinter den Pare-Bergen zu verschwinden, entdeckte Mkamba einen kleinen Wassertümpel und wir lagerten, [15] erfreut, umsonst Telekesa gemacht zu haben. Durch ähnliches Land zogen wir am nächsten Tage zum Kambaga-Fluss, der, in der Trockenzeit völlig wasserlos, nun reichlich fliessendes Wasser in seinem tief eingerissenen Bett führte. Vom Lager aus hatte man einen schönen Blick auf die unbewohnte Tusso-Kette mit ihren grünen Hängen und der steilen, felsigen Krone. Am 31. Januar erreichten wir nach einem starken Marsch um den Nordostvorsprung Süd-Pare's, Kisuani, jene fruchtbare, an Sorghum, Mais, Zuckerrohr und Hülsenfrüchten reiche Niederlassung. Dort hatte sich seit meinem letzten Besuch manches verändert, ein kleiner Militärposten war entstanden, dessen Besatzung, ein Swahíli-Gefreiter und vier Mann, uns unter der deutschen Flagge empfing.
Ich beschloss, in Kisuani einige Tage zu verweilen, um die Verproviantirung der Karawane für die Massai-Reise zu beginnen, denn dass im Massai-Land gegenwärtig absolut nichts zu bekommen ist, war mir zu Genüge bekannt und ich hatte keine Lust, meine Expedition den Fährnissen einer Hungerperiode auszusetzen. Die Kunst des Afrikareisens besteht ja zum sehr grossen Theil in der Lösung der Verpflegungsfrage, und die Geschichte der Forschung lehrt uns, dass die grössten Schwierigkeiten immer aus dieser entstanden. Ein voller Magen ist für den Afrikaner — und vielfach auch für den Europäer — gleichbedeutend mit Ausdauer, Muth und Unternehmungslust; ein leerer ist feige und gänzlich unbrauchbar. Von diesem Grundsatze ausgehend, sandte ich denn täglich Abtheilungen in's Gebirge, die reich beladen mit Mais wieder herabkamen. Eine Anzahl Ziegen, die wir aus dem Küstengebiet mitgebracht und die nicht mehr vom Fleck kamen, liess ich schlachten und das Fleisch zum Dörren aufhängen. Dies lockte zahlreiche Hyänen an, welche Nachts das Lager umheulten, einmal sogar eindrangen und einen Träger in die Ferse bissen. Dieser erholte sich erst nach Wochen von der Wunde und behielt von nun an den Namen »Komboa fissi« (der von der Hyäne Befreite).
Mein liebenswürdiger Reisegefährte Herr von Inkey, der bisher das Klima sehr gut vertragen und auch schon mit Erfolg gejagt hatte, wurde in Kisuani von starken Fiebern ergriffen und beschloss, in Eilmärschen nach dem Kilimanjaro aufzubrechen, von dessen Höhen-Klima er rasche Erholung hoffte. Vor seiner Abreise hatte er die Güte, mir seinen photographischen Kodak-Apparat zur Verfügung zu stellen der mir fernerhin gute Dienste erwies. Er brach am 5. Februar auf und ich blieb von nun an als einziger Europäer bei der Expedition. An demselben Tage begrüsste ich Herrn Dr. Peters, der auf der Reise nach der Küste in Kisuani durchkam. In seiner Begleitung befand sich ein Swahíli Mwalim, der von Kibongoto aus nach dem Manyara-See geschickt worden war. Er behauptete auch denselben erreicht zu haben und brachte allerlei Nachrichten über den See, die mir sehr unwahrscheinlich klangen und sich auch später als Lügen erwiesen. Der Mann hat den See zweifellos niemals erreicht und die von ihm mitgebrachten Salzproben irgendwo bei Ober-Aruscha, wo sich Salzefflorescenzen genug finden, aufgelesen.
[16] Kisuani verlassend zogen wir zwischen den beiden Komplexen Mittel-Pares hindurch, auf welchen jetzt weit mehr Felder und Siedelungen wahrnehmbar sind, als zur Zeit meines früheren Besuches (1890), ein Umstand, der jedenfalls der Verminderung der Massai-Gefahr zu danken ist. Den niedrigen Sattel zwischen Mittel- und Nordpare überschreitend gelangten wir nach dem Westfuss dieses Gebirges, wo wir uns im Lagerplatz Pare ya Baussi mehrere Tage aufhielten. Derselbe liegt schön unter einigen schattigen Bäumen und gewährt einen prächtigen Ausblick auf den Kilimanjaro mit der schimmernden Schneespitze, deren Dom sich scharf vom tiefblauen Tropenhimmel abhebt. Der Zweck unseres Aufenthaltes war theils Beschaffung neuen Proviantes aus dem fruchtbaren Usangi-Gebirge, theils Auffindung eines Wegweisers für die Massai-Steppe. Der Proviant war leicht beschafft, bestand jedoch leider hauptsächlich aus Erbsen, die für solche Zwecke nicht sehr geeignet sind, da sie schon bei geringer Feuchtigkeit zu keimen anfangen, während Mais- und Sorghum-Vorräthe sich besser halten. Weniger leicht ging es mit dem Führer. Denn als solcher war nur ein erwachsener Massai, ein Elmóruo, denkbar. Da die in Folge der Viehseuche sehr ausgehungerten Massai zu jener Zeit vielfach an den Fuss von Nordpare kamen um gegen Esel Nahrungsmittel einzutauschen, so erschien uns der gewählte Platz als günstig.
Es dauerte denn auch gar nicht lange so brachten meine Askari einen Massai, einen hochgewachsenen, ernsten Mann von ca. 40 Jahren, der sich Elmóruo Ndaikai nannte. Ich fragte ihn, ob er den Weg zum Manyara kenne, was er bejahte, worauf ich ihm vorstellte, dass es unbedingt nothwendig sei, dass er uns dahin führe. Ndaikai war zwar über die Aussicht, einen solchen Spaziergang von 14 Tagen zu machen, nicht angenehm überrascht, die Zwangslage jedoch, in der er sich befand, sowie die Aussicht täglich reichlich zu essen zu bekommen, versöhnten ihn rasch mit seinem Schicksal. Ndaikai war für uns eine so kostbare und theure Person geworden, dass wir nicht umhin konnten ihn mit den stärksten Banden an uns zu fesseln. Diese bestanden aus einer Eisenkette, die wir dem Trefflichen um den Hals legten um ihn an einem Fluchtversuch zu hindern, welcher uns in der pfadlosen Steppe dem Verderben preisgeben konnte. Auch das nahm Ndaikai in Erkennung der Sachlage keineswegs übel und lachte nach genossener Mahlzeit behaglich den Askari an, der ihm mit scharf geladenem Gewehr Gesellschaft zu leisten pflegte. Ich will gleich vorausschicken, dass Ndaikai solche Sympathie für die Expedition fasste, dass er, als seine Ketten schon längst gelöst waren, als Hirt bei uns blieb, die ganze Reise mitmachte und schliesslich beim Scheiden buchstäblich Thränen vergoss.
Quer durch die ziemlich dürre, fast graslose Nyika zogen wir auf breitem Massaipfad am Baumannhügel vorbei zu der Ruvu-Furth, wo der Fluss durch eine Insel in zwei Arme getheilt und leicht durchwatbar ist und erreichten am 16. Februar die fruchtbare, bananenreiche Oase Aruscha. An diesem wichtigen Karawanenplatz befindet sich eine deutsche Station, die seit Jahren das Schicksal hat, [17] abwechselnd errichtet und aufgelassen, dann wieder errichtet und wieder aufgelassen zu werden. Gegenwärtig war gerade das letztere der Fall und ich bezog das einsame Stationsgebäude, in dem 1890, bei meinem letzten Besuch, reges Leben herrschte. Bald kam der Häuptling Shengele mit einem Geschenk an Ziegen, wofür ich ihm ausser dem üblichen Baumwollzeug noch einige Citronenkerne gab mit der Weisung diesen nützlichen Baum in Aruscha anzupflanzen.
TAFEL III
Ausser meiner Karawane lagerte noch die des Swahíli Munyi Hatibu aus Tanga in Aruscha, die ebenfalls dem Massailande zustrebte und mit deren erfahrenen Leitern ich die Aussichten unserer Unternehmungen besprach. Stand doch die Expedition in Aruscha an einem Wendepunkt. Die Gegend zwischen der Küste und dem Kilimanjaro war mir von früher her genau bekannt und ist schon zum beliebten Tummelplatz für Sportsmen und Globetrotter geworden. Von nun an sollte die eigentliche Forschungsarbeit beginnen. Denn das Litemagebirge, das ich 1890 erstiegen, und das sich westlich von Aruscha erhebt, bezeichnete so ziemlich die Grenze unserer Kenntniss. Was dahinter lag war auf hunderte von Meilen unbekannt, unerforscht — ein weisser Fleck auf der Karte.
Die östliche Massai-Steppe. — Umbugwe. — Der Manyara-See. — Das Mutyek-Plateau. — Ngorongoro. — Der Eyassi-See. — Serengeti. — Ikoma. — Katoto.
[18] Die Erkundigungen, welche ich bei vielgereisten Karawanenführern eingezogen, hatten mir die Ueberzeugung verschafft, dass ich, in Luftlinie von Aruscha zum Victoria-Nyansa haltend, mindestens 40 Tagereisen ohne Nahrung zurückzulegen habe. Dieser Umstand erschien mir stets als die grösste Schwierigkeit meiner Aufgabe. Während von anderer Seite die Massai-Gefahr als nahezu unüberwindliches Hinderniss für diese Route angesehen wurde, hielt ich diese für vollkommen unerheblich. Denn Swahíli-Karawanen und in neuerer Zeit auch Europäer durchziehen besonders in der englischen Interessen-Sphäre Jahr aus Jahr ein das Massai-Land, ohne dass die Massai — die eben nur Viehräuber sind — ihnen irgend welche ernste Schwierigkeiten bereiten. Dass sie selbst im schlimmsten Fall nichts weniger als unüberwindliche Gegner sind, ist auch schon oft bewiesen, und gerade jetzt, wo die Viehseuche sie dem Hungertode nahe brachte, erschienen mir alle Befürchtungen als einfach lächerlich. Die Karawane für 40 Tage zu verproviantiren, war jedoch nahezu unmöglich, und ich beschloss, einen Umweg nicht zu scheuen, um unterwegs einen bewohnten und Proviant liefernden Platz anzulaufen. Deren gab es nur zwei, im Norden Ober-Aruscha, im Süden Umbugwe. Ober-Aruscha war und ist Europäern stets feindlich gesinnt, ich konnte fast sicher darauf rechnen, dort angegriffen zu werden, wobei noch die Möglichkeit der Proviantbeschaffung zweifelhaft wurde. Von Umbugwe war nur bekannt, dass dort eine Swahíli-Karawane einmal niedergemacht worden und das Land seither sorgfältig gemieden wird. Auf beiden Routen sah ich mich [19] also der Wahrscheinlichkeit eines Kampfes gegenüber, ich zögerte nicht, jene zu wählen, welche geographisch interessanter war: die über Umbugwe.
Nachdem ich derart über den einzuschlagenden Weg mir klar geworden, setzte ich am 17. Februar über den Ronga und brach am nächsten Tage in südwestlicher Richtung auf. Durch leicht ansteigendes Land mit Baobabs und hohen Schirmakazien zogen wir, zahlreiche tief einschneidende Wasserrisse überschreitend, längs der Ausläufer der Litemaberge nach Njoronyór (Sickerwasser), einer dem Berghang entströmenden Quelle, an welcher hohe Tamarinden und Baumeuphorbien gedeihen. Früher war dies eine beliebte Viehtränke der Massai, jetzt war kein Mensch zu sehen, nur ein abgemagertes, halb blödsinniges Massai-Weib wankte mit stierem Blick durch das Lager, die Ueberreste der Trägermahlzeiten sammelnd. Es war dies die erste jener schrecklichen Hungergestalten, die wir nun täglich im Massailande sehen sollten, und die, vom Honig der Waldbienen und von wilden Früchten lebend, einem sichern Tode entgegen gehen.
Am Morgen des 19. Februar erstiegen wir leicht die Höhe der Litema-Ausläufer, die sich jenseits sanft zur weiten Massai-Steppe abdachten. Ein offenes Grasland mit spärlichen Stachelbüschen öffnete sich unsern Blicken, aus dem in der Ferne, gleich Inseln, die felsigen Kuppen einzelner Berge auftauchten. Jede Spur eines Weges endete, und durch die charakteristischen Hügel als Landmarken geleitet, verfolgte unser kundiger Wegweiser Ndaikai durch dick und dünn seinen Pfad. Doch gab es wenig Hindernisse, nur ein kleines Kriechgewächs (Mbigiri) verursachte durch seine scharfen Kapselfrüchte den Leuten Schwierigkeit. Wir begegneten einem wandernden Trupp Massai, Krieger, Elmóruo und Weiber, alle ausgehungert und elend, mit Eseln, auf welchen Töpfe und allerlei Hauskram aufgethürmt war, mit einigen Ziegen und Schafen.
Abends erreichten wir nach mühsamem Marsche den Benne-Berg, dessen felsigen Klüften ein Rinnsal entströmt, in dem die Massai Tränketümpel abgedämmt haben. Dort fanden wir zwei Massaikinder, die, von ihrem Stamm verlassen, dem Hungertode nahe waren. Das eine von ihnen, ein Knabe, hatte merkwürdigerweise blaue Augen und blondes Haar, was sich zu seinem braunen Gesicht ganz sonderbar ausnahm. Gelabt schlossen sich beide der Karawane an und blieben von da ab unsere Kostgänger.
Zwischen Benne-Berg und Sogonoi dehnt sich eine fruchtbarere Mulde mit saftigerem Gras und reichem Baumwuchs aus, nach deren Durchschreitung wir wieder in die Steppe gelangten. Schon Vormittags trafen wir auf den Felsblock El Muti, in welchem sich ständige Wassertümpel finden, und lagerten unter einem hohen Baobab mit prächtigem Blick auf die felsigen Hänge des Sogonoi-Berges. Der 21. Februar brachte uns durch dornige, fast graslose Nyika zum Donyo-Lukutu, einem felsigen Bergkegel, an dessen Fuss ein kleines Gewässer klare, ständige Tümpel bildet. Wir fanden bei diesen einige Massai-Krieger mit ihren Nditos (junge Mädchen), welche sich Laubhütten erbaut und Ziegen geschlachtet hatten. Sie kamen von einem [20] benachbarten Kraal und sahen ziemlich wohlgenährt aus. Einer der jungen Leute erklärte, sich uns anschliessen zu wollen, da er kein Massai, sondern ein geraubter Mnyamwesi sei, und keine Lust mehr habe, den Massai zu spielen. Da er auch im Typus von seinen Gefährten abwich, und diese die Richtigkeit seiner Angaben anerkannten, wurde er wirklich in die Karawane aufgenommen. Die Träger rasirten seine Frisur ab, wuschen ihn und gaben ihm einen Lendenschurz. Obwohl er fast gar kein Kinyamwesi mehr, sondern nur Massai sprach, lernte er doch unglaublich rasch Kiswahíli und wurde uns als »Mabruki Massai« noch recht nützlich.
Abends erstieg ich eine Felskuppe unweit des Berges, von der man einen weiten Ausblick auf die Steppe genoss, mit ihrem unendlichen Gefolge von dunklen Schirmakazien und lichten Grasflecken mit den scharfen Profilen der Kuppen, die daraus hervorragen, mit dem schneegekrönten Kilimanjaro und der dunklen Pyramide des Meruberges als grossartigen Hintergrund.
Bei der bisherigen Wanderung durch die Steppe war mir besonders der fast völlige Mangel an Wild aufgefallen. Im Jahre 1890 sah ich am Pangani und in der Umgebung von Aruscha ungeheure Heerden, allerdings in der trockenen Zeit, wo die Thiere sich in der Nähe der Wasserläufe aufhalten. Trotzdem zeigt die starke Abnahme hier die furchtbare Wirkung der Viehseuche, welche nicht nur Rinder, sondern auch Büffel, Gnus und Antilopen befiel und von allen Thieren nur Nashorn und Elephanten verschonte. Westwärts von Donyo Lukutu sah ich zum ersten Mal grössere Wildmengen, Antilopen und Zebras, auch eine Heerde Giraffen tauchte auf. Dort gab es noch Vertreter des Jägervolkes der Wandorobo, die sich meist scheu verbergen und nur selten mit Bogen und vergifteten Pfeilen aus dem Busch treten.
Das Land ist hier leicht gewellt, zwischen den grösseren Schwellungen liegen Mulden, die in der herrschenden Regenzeit Lachen oder dicken schwarzen Koth enthielten der besonders den Eseln das Durchkommen erschwerte. Täglich fielen von Mittag ab schwere Regengüsse herab, auch merkte man, dass wir unmerklich höhere Plateautheile erstiegen, denn es wurde oft empfindlich kalt. Vor uns tauchte die breite Bergmasse des Donyo Kissale auf; je mehr wir uns demselben näherten, desto welliger wurde das Land, das zahlreiche tiefe Wasserrisse durchzogen. Die Vegetation wurde reicher, an den Kuppen sah man saftigeres Gras und einzelne Laubbäume.
Am 26. Februar lagerten wir bei einem Bach am Donyo Kissale. Auch dort befanden sich ehemals zahlreiche Massai-Kraale, deren Spuren noch sichtbar waren. Wir sahen anfangs keinen Menschen, und erst Nachmittags fanden die herumstreifenden Träger einen sterbenden Elmoran, der verzweifelt mit den Händen nach Waldhonig wühlte. Er wurde gelabt und konnte erzählen, dass er sich auf einem — Raubzug befand, doch seien seine Gefährten schon sämmtlich verhungert. Natürlich blieb auch dieser Massai Gast der Karawane und hat die ganze Reise mitgemacht.
[21] Westlich vom Donyo Kissale dehnt sich eine gänzlich pfadlose, durch Dorngestrüpp und sumpfige Wiesen schwer passirbare Wildniss aus. Wild gab es hier massenhaft und nicht selten hörte man beim Vortrab Schüsse: ein Nashorn hatte sich in blinder Wuth auf die Karawane gestürzt. Eine dieser Bestien konnte ich durch einen Blattschuss aus dem österreichischen Repetir-Karabiner erlegen.
Der Wassermangel, den wir gefürchtet, trat allerdings nirgends ein, im Gegentheil, wir wateten fast fortwährend im Sumpf, doch hatten wir nur schlechtes, fauliges Wasser zum Trinken, so dass die Fälle von Ruhr sich mehrten und ein Mann derselben erlag. Der erste Todesfall in der Karawane macht stets tiefen Eindruck, der ganze Ernst des Unternehmens tritt den Leuten klar vor die Augen, wenn mitten in der Wildniss der erste Todte in sein einsames Grab gesenkt wird.
Ich selbst, der ich es anfangs unterlassen hatte mein Trinkwasser abzukochen, hatte einen Ruhranfall, der sofort nachliess, als ich gekochtes Wasser trank. Ich führte es von da ab strenge durch, mir stets Trinkwasser für mehrere Tage im Voraus abkochen zu lassen und in einem filzumzogenen Fass mitzuführen.
Am 1. März lichtete sich der Busch, die Sümpfe endeten und wir betraten ein offenes Parkland. Spärlich begraste Wiesen bedeckten einen sandigen Boden: an den trockenen Wasserrinnen standen ungeheure Baobabs, umgeben von Akazien. Stellenweise erhob sich eine schlanke Borassus-Palme; im Westen tauchte ein dunkler Bergwall auf, in dem ich den Abfall der zweiten Plateaustufe, den Westrand des ostafrikanischen Grabens vermuthete.
Als wir in einem schönen Hain gelagert waren, machte uns Ndaikai die Mittheilung, dass wir morgen »Ol Mangati Ltoroto«, das Kriegsland Umbugwe, erreichen würden. Mzimba hielt eine Rede an die Träger, in der er sie zu Vorsicht und friedlicher Haltung ermahnte, vertheilte dann Munition und am nächsten Morgen zogen wir dem »Kriegslande« zu. Ndaikai hatte richtig wahrgesagt, nach wenigen Stunden erreichten wir einen Fusspfad — den ersten seit Aruscha — und begegneten bald darauf einem Weibe, das entsetzt ein Bündel Feuerholz wegwarf und spornstreichs in den Busch lief. Wir durchzogen hierauf einen Gürtel von Sorghum-Feldern und betraten bald darauf das Dorfgebiet von Umbugwe.
Vor unseren Blicken dehnte sich eine weite tischflache Ebene aus, auf welcher die viereckigen, kaum meterhohen Lehmbauten (Tembe, siehe Kopfleiste des Kapitels) der Eingeborenen, gleich Schachteln, verstreut waren. Dazwischen weideten grosse Heerden von Rindern, Eseln und Kleinvieh und den Hintergrund bildete der Steilabfall des Plateaus. Die Nachricht vom Anlangen einer Karawane hatte sich schon im Lande verbreitet; schlanke, wohlgebaute Krieger, mit Schild und zwei Wurfspeeren, kamen von allen Seiten an, und bald waren wir von einer dichten Menschenmenge begleitet. Kurz vor Betreten des Tembe-Gebietes wurden wir aufgehalten, da die Krieger, wie es hiess, erst den Geistern opfern wollten. Dazu brauchten sie vor allem [22] Glasperlen, die wir ihnen des lieben Friedens halber gaben, dann schlachteten sie ein Schaf und bespritzten uns mit dem Mageninhalt, damit das Erscheinen des ersten Weissen dem Lande Glück bringe. Obwohl sie noch nie einen Europäer gesehen, schenkten sie mir doch keine besondere Aufmerksamkeit, hauptsächlich deshalb, weil mir ein allzugrosser Konkurrent für ihre Schaulust zur Seite stand: das Kameel, das unter Mohammeds Führung gravitätisch hinter der Karawane einherschritt.
Wir schlugen unser Lager beim Tembe des Häuptlings Mtakayko auf. Da wir in der völlig offenen Gegend natürlich keinen Dornzaun errichten konnten, so waren wir fortwährend von zahlreichen Kriegern umdrängt, die immer lauter ihren Wunsch nach »Mahongo« (Wegzoll) kundgaben. Ich liess ihnen mittheilen, dass ich ihnen Lebensmittel gern abkaufen wolle, versprach ihnen auch ein Geschenk, erklärte jedoch, dass ich dem Zwang eines Wegzolles (Mahongo) nicht Folge leisten würde. Sie schienen damit auch zufrieden, es kam sogar der Häuptling Mtakayko in schwer betrunkenem Zustande und erhielt ein kleines Geschenk, worauf die Weiber massenhaft Mehl und andere Nahrungsmittel brachten und zu sehr billigen Preisen verkauften. Schon hoffte ich, meine Absicht, mich in Umbugwe zu verproviantiren, in Frieden durchführen zu können.
Die Eingeborenen drängten sich inzwischen an meine Leute heran, brachten ihnen Pombe (Bier) und luden sie ein, mit ihnen in ihre Temben zu kommen. Obwohl ich streng verboten hatte das Lager zu verlassen, liessen sich doch einige Leute verleiten, mit den Wambugwe zu gehen und sogar die Nacht bei ihnen zu verbringen. Ich liess dieselben am nächsten Morgen aufs Empfindlichste züchtigen und hoffte dadurch dem Herumstreifen der Träger ein Ziel gesetzt zu haben.
Am Morgen des 3. März kamen zahlreiche Weiber mit Proviant und es entspann sich ein lebhafter Handel. Einige Pangani-Leute, welche der seiner Zeit in Umbugwe zersprengten Karawane angehört hatten und fast gänzlich zu Wambugwe geworden waren, erschienen ebenfalls im Lager. So verlogen sie auch der lange Umgang mit den Eingeborenen gemacht hatte, so merkte man doch aus ihren Reden, dass nicht alles richtig [23] sei. Thatsächlich wurde das Benehmen der Krieger immer erregter, die Askari konnten sie kaum vom Eindringen in unser Lager abhalten und mehrfache Prügeleien zwischen diesen und jungen Kriegern fanden statt.
Ich selbst litt an jenem Tage am Fieber und sass im Schatten des Tembe, als mir gegen 3 Uhr Nachmittags gemeldet wurde, dass sämmtliche Weiber plötzlich das Lager verlassen hätten und die Krieger sich um dasselbe schaarten. Einem der verwilderten Pangani-Leute, der eben spornstreichs davon lief, rief ich noch die Frage nach: was es gebe? Er antwortete: »die Wambugwe wollen Krieg!« und enteilte schleunigst.
Ich liess meine Mannschaft das beherrschende flache Dach des Tembe besetzen und blickte auf die zahlreichen braunen Gestalten, die wie in einem Ameisenhaufen, etwa hundert Schritte vom Tembe, durcheinanderliefen, wild schrieen, mit den Waffen drohten, und von Anführern offenbar zu einem Angriff geordnet wurden. Ich hielt es für unbedingt nothwendig, diesem zuvor zu kommen, liess daher meine Leute an den vier Seiten des Tembe antreten und hatte eben zum Laden befehligt, als einige Lagerälteste mit dem Ausdruck des Entsetzens auf mich zustürzten und mich beschworen, nicht zu schiessen, da einige ihrer Lagergenossen trotz des strengen Verbots zu Wambugwe-»Freunden« gegangen seien. In solchen Lagen ist rascher Entschluss nothwendig. Ich erwog daher, dass die verblendeten Leute unter den gegenwärtigen Verhältnissen vielleicht gar nicht mehr am Leben seien und dass ein energischer Angriff der Wambugwe das Schicksal der Expedition möglicherweise gefährden, ein Zuwarten den Abwesenden aber doch nichts mehr helfen könnte. Ich befahl daher den Leuten, in die Eintheilung zu gehen und liess nach allen Seiten Salven auf die Kriegerschaar abgeben. Dieselben gingen zwar bei der noch geringen Uebung meiner Leute etwas zu hoch, doch fielen immerhin einige Gegner und die Wirkung war eine vollständige. Mit Windeseile liefen die eben noch so stolzen Krieger radienförmig nach allen Weltgegenden davon. Einige standhaftere Abtheilungen liess ich durch Schützen verjagen und begann dann sofort das Dorfgebiet nach den abwesenden Trägern zu durchsuchen. Eine Anzahl derselben fanden wir noch durch ein Wunder unverletzt; einer wurde mit schwerer Stichwunde im Unterleib aufgefunden und hauchte bald seinen Geist aus, acht Mann waren »vermisst«, d. h. in diesem Falle todt. Eine grosse Rinderheerde, die in der Nähe des Tembe weidete und eine andere, die sich im Tembe befand, wurden erbeutet, dazu noch zahlloses Kleinvieh und Esel.
Am Abend liess ich die Posten auf acht verstärken und auf das Tembedach aufstellen. Den Dienst hatte der Swahíli-Gefreite Hailala, doch ging auch der Sudanese Bahid mit ihm, die Posten zu visitiren und kam mir zu melden, dass sie richtig aufgestellt seien. Ich sehe den langen kohlschwarzen Dinka-Neger heute noch vor mir, wie er im Scheine des Lagerfeuers in strammer Haltung die Meldung machte. Konnte ich doch damals nicht ahnen, dass ich ihn zum letzten Mal [24] lebend gesehen! In der Nacht kam er nämlich auf den unsinnigen Gedanken, sich mit vier anderen dienstfreien Sudanesen aus dem Lager zu schleichen, offenbar um in den Temben der Wambugwe nach Pombe (Bier) zu suchen. Ein nächtlich in der Ferne abgegebener Schuss wurde von den Posten im Lager vernommen, die Abwesenheit der 5 Soldaten wurde konstatirt, eine Magnesiumfackel als Zeichen angezündet, Raketen stiegen auf, Trommel und Horn mussten ohne Unterlass ertönen. Aber Niemand kam.
Ich konnte nicht daran denken, vor Tagesanbruch Patrouillen zu entsenden, so bald jedoch die erste Dämmerung sich wahrnehmbar machte, übergab ich den Befehl über das Lager an Mzimba und zog bei feinem Regen durch die Ebene. Wir durchsuchten die zerstreuten Temben, was keine ganz ungefährliche Aufgabe war, da in dem stockfinsteren, von Verschlägen und Vorrathskörben erfüllten Innern leicht ein Gegner verborgen sein konnte. Es war begreiflich, dass die Askari unter diesen Umständen bei dem leisesten Geräusch Feuer gaben, wobei leider ein armes Weib erschossen wurde. Um Aehnliches zu verhüten, schlugen wir dann Löcher in das flache Dach der Temben, durch welche Licht eindrang, die Gefahr des Durchsuchens gemindert wurde, und wir einige Männer und Weiber antrafen und zu Gefangenen machten. In einem Tembe fanden wir ein Seitengewehr und einen blutigen, einem Sudanesen gehörigen Rock, in einem anderen einen mit frischem Blut gefüllten Topf. Diese Funde machten fast jede Hoffnung schwinden, dass die vermissten Sudanesen noch am Leben seien. Von ihren Leichen fanden wir jedoch keine Spur und begannen schon anzunehmen, dass die Wambugwe sie — wie ihre eigenen Todten vom vorigen Tage — fortgeräumt hatten, als wir auf Gruppen von Aasgeiern und Marabus aufmerksam wurden, welche mehrere von einander entfernte Punkte in der Ebene umkreisten. An diesen fanden wir die nackten, von Speerstichen zerfleischten, von den Geiern zerrissenen Leichen der fünf Soldaten. Alle waren im Rausch und offenbar ohne Gegenwehr erstochen worden; nur ein einziger, Mohammed Adam, ein herkulischer Bornu-Neger, hatte sein Leben theuer verkauft. Einen Gegner schoss er nieder — sein Schuss hatte uns bei Nacht alarmirt — einen zweiten erschlug er durch einen Kolbenhieb, bevor ihn der tödtliche Speer erreichte. Neben ihm lag, ebenfalls von Speeren durchbohrt, sein Hund, Pesa, ein räudiger afrikanischer Köter, für welchen der Mann eine kindische und oft bespöttelte Zärtlichkeit hatte — er war seinem Herrn in den Tod gefolgt.
Rasch senkten wir die Gefallenen in eine Grube und wandten unsere Schritte in trüben Gedanken dem Lager zu. Wohl hatten wir einen leichten Sieg über einen Volksstamm erkämpft, der bisher der Schrecken aller Gegner — die Massai nicht ausgenommen — gewesen war. Aber 14 unserer Leute waren erlegen, nicht sowohl den Speeren der Gegner als ihrer eigenen, wahnsinnigen Verblendung. So sehr dieser Verlust mir damals nahe ging, so ist es doch unbestreitbar, [25] dass derselbe auf den Fortgang der Expedition von gutem Einfluss war. Denn nichts vermochte den Geist der Disziplin, die Ueberzeugung nur im blinden Gehorsam ihr Heil zu suchen, bei der Mannschaft so zu stärken, als die blutige Katastrophe in Umbugwe.
TAFEL IV
Mzimba hatte die kleinen Temben in der Umgebung des Lagers zerstören lassen, um freies Schussfeld zu bekommen, und die zahlreichen grossen und kleinen Zelte auf dem flachen Dach, mit den Gruppen bewaffneter Leute und der mächtigen Rinderheerde im Vordergrunde, boten einen abenteuerlichen Anblick. Eine Schaar Wambugwe-Krieger, die sich mit Kriegsgeschrei näherten, hatte Mzimba durch langsames, aber wohlgezieltes Feuer verjagt, selbst eine grosse Zahl älterer Leute, die vom Dach eines Tembe etwa 1000 Schritte Entfernung — also nach ihrer Ansicht ausser Schussbereich — das Lager betrachteten, wurden durch eine Kugel auseinander gesprengt.
Plötzlich zeigte sich am Rande der Ebene ein weiss gekleideter Mensch der ein Tuch schwang. Mzimba vermuthete sofort einen Swahíli, winkte auch seinerseits mit einem Tuch und der Mann kam ins Lager. Er entpuppte sich als der Elephantenjäger Mbaruk aus Pangani — meist Magati genannt — der südlich von Umbugwe gejagt hatte und auf den Lärm des Gefechts herbeikam. Die Wambugwe baten ihn dringend zu uns zu gehen um den Frieden zu vermitteln. Als Mbaruk zu ihnen kam, wollten die Wambugwe den Kampf erst fortsetzen, doch übte die in die Reihen ihrer Aeltesten auf so grosse Entfernung einschlagende Kugel, die einen angesehenen Mann traf, entscheidende Wirkung. Ich theilte Mbaruk, den ich im Lager fand, mit, dass ich gerne mit den Wambugwe Frieden schliessen wolle, falls die Gewehre der gefallenen Leute ausgeliefert und keinerlei Feindseligkeiten ihrerseits mehr unternommen, vor Allem kein Versuch gemacht würde uns die erbeutete Rinderheerde abzujagen. Mbaruk kehrte zu den Wambugwe zurück, die eine grosse Volksversammlung abhielten, während meine Leute an den ungeheuren Vorräthen sich gütlich thaten. Durch die 250 erbeuteten Rinder, waren wir jeder Sorge um den Proviant enthoben und war die Erreichung des Victoria-Nyansa für mich nicht mehr zweifelhaft.
Am Morgen des 5. März kam Mbaruk mit einigen anderen Makua (Elephantenjägern) und zwei zitternden Greisen als Abgesandten der Wambugwe. Dieselben brachten mir Grasbüschel als Friedenszeichen, stellten 10 der Gewehre zurück und behaupteten die anderen nicht mehr finden zu können. Ich erklärte mich damit zufrieden und übergab ihnen die Gefangenen bis auf zwei Männer, die ich als Wegweiser benöthigte. Die Makua waren hocherfreut über die Niederlage der Wambugwe, die sie stets durch Erpressungen und Räubereien gequält hatten, was jetzt ihrer Ueberzeugung nach, ein Ende hatte.
Am 6. März erschienen nochmals Wambugwe mit Friedensversicherungen, die ich beschenkte, ihnen auftrug, fernerhin Karawanen nicht mehr zu belästigen und ihnen versprach, das Land in Jahresfrist wieder zu [26] besuchen. Dann brachen wir gegen Mittag mit grösster Vorsicht auf, da es mir doch undenkbar schien, dass die Wambugwe keinen Versuch machen würden uns die Heerde abzujagen. Wir nahmen den Tross, die Rinder und Packesel diesmal in die Mitte, zu beiden Seiten der Marschkolonne liess ich als Flankendeckung kleine Askari-Abtheilungen marschiren, welche die Temben nach etwa versteckten Gegnern absuchten. Ebenso wurde dem Vortrab die grösste Vorsicht eingeschärft. Doch es ereignete sich nichts, nur in der Ferne sahen wir die dunklen Gestalten der Eingeborenen umherlaufen. Unbehindert überschritten wir den Moburu-Bach und erreichten das Ufer des Kwou.
Dieser Fluss war so angeschwollen, dass die den Elephantenjägern bekannte Furth nicht passirbar war, der gefangene Mbugwe gab jedoch an, eine andere zu kennen. Am Morgen des 7. März führte er uns auch an eine buschbedeckte Uferstelle, welche ich erst durchsuchen liess bevor wir an den Fluss vorrückten. Ich liess sofort das jenseitige Ufer von Askari besetzen und der Übergang begann, bei dem das Wasser den Leuten bis an die Brust ging. Erst gegen Mittag war die ganze Karawane mit Esel und Rinder drüben und wir bezogen einige hundert Schritte weiter in dichtem, von Moskitos wimmelndem Gestrüpp, das Lager. Wie nothwendig die Vorsichtsmaassregeln gewesen waren, zeigte der Umstand, dass, sobald wir das Ufer verlassen, am jenseitigen grosse Mengen bewaffneter Wambugwe-Krieger auftauchten, die sich anschickten den Fluss zu überschreiten. Einige Wachtposten jedoch, die ich im Uferschilf verborgen zurückgelassen hatte, verjagten sie leicht, durch mehrere Schüsse.
Durch die Ereignisse in Umbugwe hatte die Expedition den Zuwachs einer Rinderheerde bekommen, die nun, fast während des ganzen weiteren Verlaufs der Reise, einen Bestandtheil derselben bildete. Unsere Massai, von Ndaikai bis zum kleinen blondköpfigen Lalagiréh waren darüber ganz glücklich, lagen stundenlang an den Eutern und sogen die lange entbehrte Milch. Beim Marsch pflegte Ndaikai, dessen Führerpflichten jetzt erledigt waren, mit einer Kalebasse vorauszugehen und durch Klopfen auf dieser, sowie durch scharfes Pfeifen die Leitrinder zu locken. Die Heerde selbst wurde von den übrigen Massai, deren Zahl sich später vermehrte, sowie durch Askari getrieben, lief vortrefflich und machte uns weit weniger Mühe als die Esel. Abends bekamen Rinder und Esel einen abgegrenzten Raum in der Einzäunung. Ihr Schnauben und Stampfen war Nachts zwar manchmal störend, doch reichlich entschädigte mich dafür der Genuss von frischem Rindfleisch, von Milch und Butter, die jetzt in der Karawane niemals ausgingen. Für die Bedürfnisse der Mannschaften wurden täglich vier Rinder geschlachtet.
Durch hochbegrastes, pfadloses Land ging es am 8. März nordwärts zwischen dem versumpften, von Borassuspalmen gesäumten Kwou und dem Abfall des Gebirges, dessen Saum lichter Wald bedeckte. Nach wenigen Stunden erreichten wir das Südende des Manyara-Sees, den wir von Umbugwe aus undeutlich wahrgenommen und der nun als [27] weite, glänzende Fläche vor uns lag. Der See ist ein Salzsee, weisse Krusten bedecken die lehmigen Ufer, doch zeigen Schneckenschalen und ungeheure Schwärme von Flamingos und Silberreiher an, dass er reiches thierisches Leben enthält. Längs des Westufers, dem wir entlang wanderten, zieht sich ein flacher sandiger Wiesenstreifen, worauf dichte Wald- und Unterholz-Vegetation bis zum nahen Fuss des Abfalls reicht, der theils bewaldet, theils hoch begrast ist. Mehrere klare Bäche entströmen den Bergen und münden in den See. Am 10. März kamen wir an einer heissen, stark nach Schwefel riechenden Quelle vorbei, die zwischen Schilf entspringt und sich in den See ergiesst. Das jenseitige Ufer des Manyara ist flach und wüstenhaft, im Nordosten ragt der langgestreckte Simangor-Berg auf, im Norden sieht man den abgestutzten Kegel des Geleï und in der Ferne den Dongo-Ngai.
Am 11. März erreichten wir das Nordende des Manyara, dessen Strand mit Treibholz, Vogelknochen, Schneckenschalen, sowie von einer dichten schlammigen grau-weissen Salzablagerung bedeckt ist. Der See selbst erscheint stellenweise wie gefroren durch die glänzenden Salzschichten die auf den Sandbänken aufliegen. Wir lagerten unter schönen Akazien am Fusse des hier kaum 100 m hohen Abfalles in anscheinend völlig menschenleerer Wildniss.
Am 12. März hatten wir eben unser Lager verlassen und waren in die offene Steppe gezogen, als plötzlich aus dem Walde hinter uns einige hundert Krieger mit blitzenden Speeren hervorbrachen, die mit wildem Geschrei auf uns zurannten. Wir hielten sie zuerst für Wambugwe die gekommen waren, uns einen Abschiedsbesuch abzustatten und feuerten auf sie, anscheinend ohne Jemand zu treffen, worauf sie schleunigst kehrt machten und eiligst gegen Süden davonliefen. Erst dann erkannten wir aus dem Kriegsschmuck, dass es gar keine Wambugwe, sondern Massai waren, die es offenbar auf unsere Rinderheerde abgesehen hatten, jedoch auf so warmen Empfang nicht gefasst waren. Es ist ja sicher, dass der Anblick so vieler Rinder auf die ausgehungerten Massai so wirken musste wie auf einen Verschmachtenden der einer dampfenden Schüssel, und wir konnten daher darauf rechnen, den Besitz unserer Heerde nicht ruhig geniessen zu können. Nach landläufigen Swahíli-Begriffen galt es überhaupt als unerhörtes Wagniss, mit einer Rinderheerde das Massailand zu passieren, da diese die Begierde der Viehräuber aufs Höchste anreizen musste.
Wir überschritten zwei ansehnliche, dem Manyara zufliessende Bäche, und zogen in der Senkung zwischen dem Plateauabfall und Simangor-Berg durch staubige, fast vegetationslose Nyika nordwärts. Zahlreiches Wild, Strausse, Antilopen und besonders viele Nashorne tummelten sich in der Ebene, letztere waren durch Schwärme kleiner weisser Vögel erkennbar, die über ihrem breiten Rücken flatterten. Der Plateauabfall wird hier sehr steil und sein Obertheil ist von schroffen Felswänden gebildet, in welche die Wasserrisse einschneiden. Bei der Ausmündung eines derselben liegt an klarem Bache unter schönen Bäumen der Marago (Lagerplatz) Leïlelei, der von Massai und Karawanen benutzt wird. Hier trafen wir mit der [28] Route zusammen, die von Ober-Aruscha kommend nach Elmarau führt und früher ziemlich oft von Karawanen begangen worden ist. In neuerer Zeit geschah dies seltener, da die Massai von Mutyek und Serengeti als besonders bösartig galten. Dennoch hatte wenige Wochen vor uns ein Swahíli (Munyijumah Kitubui) aus Tanga den Weg von Elmarau über Leïlelei—Ober-Aruscha nach der Küste mit nur 50 Mann zurückgelegt, was gewiss beweist, dass die Gefahr der Massai-Route keine nennenswerthe ist. Ein bedenklicher Umstand waren freilich unsere Rinder, und der Dolmetsch Kiburdangop, der den Weg aus Erfahrung kannte, schien in Hinblick auf diese keineswegs siegesgewiss.
Der 13. März war dem mühsamen Anstieg auf das Plateau gewidmet. Ueber den mit mächtigen Basalt-Klötzen bestreuten Hang führt ein schmaler Viehpfad der Massai, auf dem die Leute ganz gut, sehr schwer aber die Esel und das Rindvieh fortkamen, sodass wir nach langen Mühen erst gegen Abend die prächtige Plateauhöhe erreichten. Dort entschädigte uns ein herrlicher Blick auf den glänzenden Manyara-See, der hier in seiner ganzen Ausdehnung mit dem steilen Westufer und dem fernen Ufiomi-Berge im Süden sichtbar ist, und mit dessen Entdeckung eine der Aufgaben der Massai-Expedition gelöst war.
Eine prächtige, kühle Luft erfrischte uns auf der Höhe, klare Bäche rauschten zwischen den zart begrasten Hängen: im Norden tauchten dunkle, waldbedeckte Höhen auf. Am nächsten Morgen machten wir nur einen kurzen Marsch und lagerten am Lmorro-Bach, wo wir uns einen Tag aufhielten um die Lasten theilweise umzupacken. Der Verlust an Mannschaft in Umbugwe machte sich fühlbar, auch hatten unsere Packesel durch den Stich der Ndorobo-Fliege gelitten. Dieses Insekt hält sich an Wasserläufen auf und wird Eseln dadurch gefährlich, dass es dieselben in den After sticht, was Schwellungen und den Tod herbeiführt. Unsere Rinderheerde erforderte dringend neue Kräfte als Treiber und unsere Lasten hatten nicht wesentlich abgenommen.
Um sie zu verringern wurden die Zeuglasten etwas schwerer gemacht und einzelnes Zeug als Vorschuss an die Leute abgegeben. Dennoch war noch zuviel da und ich kam zu dem Beschluss, Lasten fortzuwerfen, da sonst die Reise verzögert und der Erfolg in Frage gestellt worden wäre. Wir machten also eine Grube und versenkten darin Glasperlen, Messingdraht, allerlei Spieldosen und anderen Flitterkram, von dem es gut ist wenn man ihn in Afrika hat, und eben so gut, wenn man ihn nicht hat. Dann schütteten wir die Grube zu und zündeten nach dem Rezept Kiburdangops ein Feuer darauf an, dessen Asche den Platz selbst nach Jahren noch erkenntlich macht.
Nun hatten wir unsere gewohnte Beweglichkeit wieder und es blieb übrig die gefallenen 5 Askari aus den Reihen der Träger zu ergänzen. Schon längst hatte ich für solchen Fall Leute angemerkt, die mir durch besondere Tüchtigkeit aufgefallen waren, darunter einen Namens Bakari Juku, der besonderer Erwähnung verdient. Er war ein echter Digo, der nur mangelhaft Swahíli sprach, ein untersetzter Bursche [29] von ungewöhnlicher Körperkraft. Zwischen seinen breiten Schultern sass, fast ohne Hals, ein dicker kohlschwarzer Kopf, dessen Gesicht bedenkliche Aehnlichkeit mit einer Flusspferd-Physiognomie besass. Aus diesem Antlitz, das durch zahllose Pockennarben keineswegs verschönt wurde, blickten ein paar so kühn unternehmende Augen, dass sie unwillkürlich für den Burschen einnahmen. Er hat sich denn auch als Askari glänzend bewährt: wo es einen Sturm oder sonst ein tolles Unternehmen gab, war Juku immer Allen voran. Dabei war er von unermüdlicher Arbeitskraft, hat er doch einmal, als Noth an Mann war, zwei Lasten auf dem Kopf und einen kranken Kameraden auf dem Rücken, stundenweit getragen!
Die neuen Askari wurden also eingekleidet und am 16. März der Marsch über das Plateau fortgesetzt. Sehr unangenehm war für uns der Mangel eines Wegweisers, da Ndaikai hier völlig fremd war und auch Kiburdangop sich an die Details der Route nicht mehr erinnerte. Solange es über offene grasige Kuppen ging, war die Aufgabe verhältnissmässig einfach, doch es sollte ein Wald vor uns zu passiren sein und dazu bedurften wir unbedingt eines Führers. Wie gerufen kamen uns daher zwei Elmoran, die am Murerá-Bach plötzlich auftauchten und wie sie sagten, durch den Geruch unserer Rinder angelockt worden waren. Dass wir so liebe Gäste nicht mehr losliessen, bedarf kaum der Erwähnung. Einer der beiden Krieger war der Leigwenan (Anführer) der jungen Leute von Mutyek, ein auffallend hübscher Bursche mit feinen, anziehenden Gesichtszügen und schlankem, tadellosem Körperbau. Er erzählte uns, dass seine Leute gerade [30] auf einem Kriegszuge gegen Umbugwe begriffen seien und fragte uns, ob wir denselben nicht begegnet seien. Wir dachten sofort an den Zwischenfall am Manyara-See und meinten, dass wir allerdings die »flüchtige« Bekanntschaft dieser Herren gemacht hätten. Gewaltig imponirte dem Leigwenan, dass wir die Wambugwe, mit welchen die Massai nie fertig werden konnten, besiegt und ihnen so viel Vieh abgenommen hatten. Er wurde hierauf unser begeisterter Freund und trug uns sogar an, mit ihm ein Kompagniegeschäft im Viehrauben zu gründen. Natürlich hatte er noch niemals einen Weissen gesehen. Er hatte keine Ahnung, dass ich der Vertreter einer anderen Rasse sei, sondern hielt mich, wie dies auch Dr. Fischer geschah, für eine Abart der Küstenneger. (Laschomba neïbor = weisse Küstenneger).
Am Morgen des 17. hatten die rüstig voranschreitenden Krieger bald einen rothen Viehpfad gefunden, der durch prächtige Grashalden bergan ging und uns in dichten tropischen Hochwald führte. Verfilzte Krautvegetation und zahlreiche Nesselpflanzen bedeckten den Boden; die einzelstehenden dicken, aber nicht sehr hohen Bäume waren an der Windseite mit Moosen und Flechten bedeckt und umrankt von zahllosen Schlingern. Wir bezogen mitten im Walde am murmelnden Bach, den prachtvolle Schmetterlinge umgaukelten, ein Lager. Gegen Abend fielen dichte Nebel nieder und es wurde empfindlich kalt.
Auf stets gutem Viehwege, der von förmlichen Mauern dichten Krautwuchses eingesäumt ist, ging es am 18. März weiter durch den Bergwald. Von 9 Uhr an durchzogen wir ein offenes, von kleinen sumpfigen Bächen durchzogenes Grasland mit eingestreuten reizenden Waldgruppen. Gegen Mittag sahen wir uns plötzlich am Rande eines Steilabfalles und blickten in den oblongen Kessel von Ngorongoro hinab, eine alte Kraterruine, deren Westseite ein kleiner See einnimmt, und deren grasige Sohle von zahlreichem Wild belebt ist. Wir stiegen steil zum Kessel ab und lagerten am Rande des Abfalles. Die Zelte waren noch nicht aufgeschlagen, als der Kameeltreiber Mohammed ganz verstört erschien und meldete, das Kameel sei sterbend zusammengebrochen. Dieses treffliche Thier hatte in der letzten Zeit am Manyara und in der heissen Steppe nördlich davon sichtlich zugenommen. Das kalte Plateau jedoch und gar der feuchte Urwald waren zu viel für das arme Wüstenschiff, es bekam Bluthusten und schleppte sich nur mit Mühe vorwärts. Ich war daher über Mohammeds Mittheilung keineswegs erstaunt und gab ihm einige Leute mit, um das Kameel vielleicht noch durchzubringen. Doch wenige Stunden später kam der Araber sehr betrübt und übergab mir die Halfter des Kameels: die treue Bestie hatte ausgelitten. Es war wirklich rührend, wie sehr Mohammed sich diesen Verlust zu Herzen nahm, er wurde förmlich trübsinnig und magerte sichtlich ab.
Abends umschlichen einzelne Massai-Krieger das Lager, wohl mit der Absicht, Vieh zu stehlen, doch verging die Nacht bei verstärkten Posten ruhig. Früh gings durch die leichtgewellte Senkung sanft bergab, dem Seeboden zu. Der schwarze Humus der Mulde war schön begrast, doch stellenweise mit vulkanischem Gerölle bedeckt. [31] Zahlreiche Massai-Elmoran gaben uns im Morgennebel das Geleit, prächtige, malerische Gestalten mit ihren bunten Schilden und glänzenden breiten Speeren. Auch der Laibon (Zauberer) von Ngorongoro erschien in einem Mantel aus Affenfell. Die Leute benahmen sich keineswegs unverschämt, denn der Leigwenan hatte sie schon darüber belehrt, dass mit uns nicht zu spassen sei. Sie waren ziemlich wohlgenährt und besassen noch einiges Kleinvieh, auch lieferten die Wildmassen der Ebene ihnen Nahrung. Diese waren wirklich grossartig: in Heerden tummelten sich Antilopen, langmähnige Gnus und leichtfüssige Zebras, einzeln oder zu zweien tauchten die breiten Rücken der Nashorne auf. Obwohl ich nichts weniger als ein grosser Nimrod bin, erlegte ich doch an diesem Tage ein Gnu und drei Nashorne, welch' letztere wir den Massai überliessen. Von den benachbarten Kraals, die sich als dunkle Kreise aus der Grasfläche hoben, kamen Schaaren meist magerer, kahlköpfiger Massai-Weiber, im Eisenschmuck rasselnd, um sich Fleisch zu holen.
Im Schatten eines riesigen Baumes, unweit eines Wäldchens schlugen wir das Lager auf. Stets herrschte in diesen Höhen eine kühle angenehme Luft, besonders Mittags, wenn die Sonnenstrahlen den feuchtkalten Morgennebel durchbrachen, war der Aufenthalt ein köstlicher und nichts erinnerte an die Tropen. Die einzige Unannehmlichkeit waren zahlreiche Fliegen, die bei den Massai eine der ägyptischen ähnliche Augenkrankheit erzeugen.
Für einen Jäger wäre dieser Lagerplatz ein paradiesischer gewesen. In der Nähe des Wäldchens hausten zahlreiche Perlhühner, deren ich mir einige zum Frühstück erlegte, in einem Tümpel grunzten Flusspferde und in der weiten Ebene tummelten sich ungeheure Wildmassen, die sehr wenig scheu waren, obwohl sie von Wandorobo und neustens auch von Massai viel gejagt wurden. Diese erlegten das Wild meist mit dem Speer, theils indem sie Gnus, die nicht sehr schnell laufen, verfolgten und sie niederstiessen, theils indem sie sich schlangenähnlich an schlummernde oder grasende Nashorne heranschlichen und ihnen die Waffe in den Leib rannten.
Wir hielten einen Rasttag in Ngorongoro, den ich zur Besichtigung einiger Massai-Kraals benutzte. Ich fand dort die freundlichste Aufnahme. In dem Hof, den die niedrigen, lederbedeckten Zelthütten umgaben, riefen mir die Elmoran, die Krieger ihr »Sowai!« zu; vor den Hütten kauerten Greise mit scharfgeschnittenen Gesichtszügen und Nditos (Mädchen) mit glänzenden schwarzen Augen lugten, behangen mit Eisen- und Glasperlenschmuck, aus dem Innern hervor. Mein ständiger Begleiter bei diesen Spaziergängen war der Leigwenan, den ich durch das Geschenk eines Kalbes glücklich gemacht hatte. Um den Dornzaun unseres Lagers sammelten sich inzwischen Schaaren jener Jammergestalten, die jetzt für das Massai-Land bezeichnend sind. Da waren zu Skelette abgemagerte Weiber, aus deren hohlen Augen der Wahnsinn des Hungers blickte, Kinder die mehr Nacktfröschen als Menschen glichen, »Krieger« die kaum auf allen Vieren kriechen konnten und stumpfsinnige, verschmachtende Greise. Diese Leute [32] verzehrten Alles: gefallene Esel waren für sie ein Schmaus, aber auch Knochen, Häute, ja selbst Hörner des Schlachtviehs verschmähten sie nicht. Ich liess den Unglücklichen nach Kräften Nahrung geben und die gutmüthigen Träger theilten ihre Rationen mit ihnen; aber ihr Appetit war unersättlich und immer neue Hungrige kamen herbeigewankt. Sie waren Flüchtlinge aus Serengeti, wo die Hungersnoth ganze Distrikte entvölkert hatte, und kamen als Bettler zu ihren Landsleuten in Mutyek, die selbst kaum genug zu essen hatten. Schwärme kreischender Geier folgten ihnen nach, ihrer sicheren Opfer harrend. Täglich bot sich uns von nun an der Anblick dieses Elends, zu dessen Linderung wir doch kaum etwas thun konnten. Eltern boten uns ihre Kinder zum Verkauf gegen ein Stückchen Fleisch an und wussten dieselben, als wir solchen Handel ablehnten, geschickt beim Lager zu verstecken und sich aus dem Staube zu machen. Bald wimmelte die Karawane von solchen kleinen Massai und es war rührend, zu beobachten, wie die Träger sich dieser armen Würmer annahmen. Kräftigere Weiber und Männer verwendete ich als Viehhirten und errettete dadurch eine ganze Anzahl vom Hungertode.
Am 21. März zogen wir im Ngorongorokessel weiter, vorbei an einem Wandorobo-Lager, dessen Umgebung mit Wildabfällen bestreut war, um welche sich Raben, Marabus und Geier zankten. In einem schönen Akazienwald unweit des Sees lagerten wir. Die Ebene vor uns beherbergt wieder zahlreiche Rhinozerosse, darunter prachtvolle, schneeweisse Exemplare, deren ich eines erlegte. Mzimba zog Nachmittags zum ersten Mal im Leben auf die Jagd und schoss ein [33] Nashorn. Auch andere meiner Leute haben im Laufe der Expedition mehrfach Nashorne erlegt, da die Jagd dieser Thiere keineswegs so besonders schwierig und gefährlich ist, als es nach den Berichten der Berufs-Nimrode erscheinen könnte. Vor Allem ist das Nashorn nicht sehr scheu und wenn der Wind nur halbwegs günstig ist, so kann man sich ohne Weiteres bis auf 30 Schritte nahen, ohne dass es sich stören lässt. Um auf 30 Schritte ein Rhinozeros zu treffen braucht man gerade kein hervorragender Schütze zu sein, und wenn die Kugel in den Oberleib oder (mit dem kleinkalibrigen Gewehr) in den Kopf einschlägt, so fällt das Thier meist ohne Weiteres. Verwundet man es an einer anderen Stelle, so läuft es entweder davon, und zwar so schnell, dass eine Verfolgung selten Erfolg hat, oder es greift den Jäger an. Dieser Moment wird von den Nimroden meist besonders grell ausgemalt. Ihre Begleiter laufen gewöhnlich davon und nur der Nimrod hält dem anstürmenden Koloss Stand. Das klingt sehr gefährlich, der »anstürmende Koloss« ist aber so gut wie blind, ein Schritt auf die Seite genügt und er rast vorbei, bleibt dann stehen und blickt sich verwundert nach dem Jäger um, der ihm dann in aller Ruhe von nächster Nähe eine zweite Kugel in den Leib jagen kann.
TAFEL V
Gegen Abend kamen Wandorobo ins Lager, die uns geheimnissvoll meldeten, dass die Krieger eines benachbarten Kraals einen Ueberfall auf uns beabsichtigten. Ich zweifelte zwar sehr daran, dass Jemand einen solchen wagen könnte, liess aber dennoch die Dornverhaue besonders sorgfältig anlegen und Nachts die Posten verstärken.
Kaum hatte ich mich in mein Zelt zurückgezogen, als ein Schuss krachte. Alles lief an die Einzäunung, das Magnesium-Licht, das für solche Zwecke stets bereit war, flammte auf und zwei splitternackte Massai-Krieger wurden gefangen genommen, die versucht hatten, in den Viehkraal einzudringen. Wir begannen nun wirklich an die Möglichkeit eines Ueberfalls zu denken, doch ereignete sich nichts ähnliches mehr, nur einige Hungergestalten näherten sich dem Lager, auf welche die Posten ohne sie zu erkennen in der Dunkelheit Feuer gaben. Am nächsten Morgen sah ich zu meinem tiefsten Bedauern zwei dieser Unglücklichen von Kugeln durchbohrt vor der Einzäunung liegen. Neben ihnen stand ein langer hagerer Greis mit wirrem, weissen Haar, der uns wüthende Flüche zurief. »Ihr schwelgt in Milch und Fleisch,« sagte er, »und schiesst auf uns, die wir vor Hunger sterben. Seid verflucht!« Ich liess dem Armen ein Stück Fleisch geben, dass er mit thierischer Gier roh verschlang, um dann in seinen wilden Ausbrüchen fortzufahren. Die Karawane hatte sich schon entfernt und immer noch tönte das Geschrei des Unglücklichen hinter uns her.
Wir stiegen auf gutem Viehweg den steilen Westhang des Kessels hinan und erreichten das Plateau von Neirobi. Dasselbe hat 2400 m Seehöhe; lange Nebelstreifen ziehen über die mit saftigem Grün bedeckten Weiden in welchen einzelne knorrige, mit Flechten behangene Bäume verstreut sind. An lichter gefärbtem Gras und dichtem Brennesseldickicht waren alte Massai-Kraals erkennbar, deren Bewohner [34] jetzt gänzlich verschwunden waren oder als Verhungernde umherirrten. Einige derselben schlossen sich uns wieder an. Das Massai-Element fing überhaupt an, in der Karawane zuzunehmen und es war komisch zu sehen, wie rasch der stolze Elmoran sich in »Laschomba« (Swahíli) mit Fez und Lendentuch verwandelte. Sogar eine ganze Familie zog mit, bestehend aus Mutter, einer hübschen jungen Tochter, zwei halbwüchsigen Jungen und einem Säugling, der fast garnicht schrie und mit Kuhmilch gefüttert wurde.
Am Morgen des 23. März zogen wir leicht bergan über das kalte, neblige Plateau von Neirobi, stets durch prächtiges Weideland, dessen fetter Boden von tief eingetretenen Viehwegen durchschnitten ist. Zu unserer Linken stiegen grasige Kuppen auf. So schön und fruchtbar das Land auch war, so wirkte die ewige Folge niedriger Graswälle doch eintönig, um so mehr als nichts eine Veränderung ahnen liess.
Plötzlich merkte ich eine Bewegung an der Spitze der Karawane, die Leute stellten ihre Lasten nieder und deuteten gegen Süden. Ich beschleunigte meine Schritte und konnte einen Ruf des Erstaunens nicht unterdrücken als ich auf der Kuppe angelangt war. Zu unseren Füssen lag, von steilen, felsigen Hängen eingesäumt, eine ungeheure Spalte, ein Graben im geologischen Sinne, bei dem man förmlich sah, wie ein Stück des Plateaus 1000 Meter weit abgerutscht war. An der Sohle dieses Grabens lag, von sandigen Ufern umgeben, ein blauer See, dessen südlicher Verlauf mit dem Horizont verschwamm. Am Westufer stiegen die Randberge des Serengeti-Plateaus auf, an das Ostufer schloss sich eine Reihe paralleler Ketten an, die in den Iraku-Bergen gipfeln, welche als lange Mauer am Horizont stehen. Ueber diese erhob sich, fast genau im Süden, ein mächtiger, dunkler Kegelberg. Es war, wie ich später erfuhr, der Gurui-Berg, den ich schon in Umbugwe gesehen, aber durch die vorgelagerten Berge nicht in seiner Bedeutung erkannt hatte. Der See, welcher sich in der Tiefe ausdehnte, wurde von den Massai Eyassi-See genannt. Er ist auch ein Salzsee, doch grösser als der Manyara und das Sammelbecken jener Wasserläufe Unyamwesis, die dem Wembere-System angehören. Dies war mir schon damals zweifellos und wurde später direkt nachgewiesen.
Wir schlugen unser Lager auf einer beherrschenden Kuppe am Rande des Steilabfalles auf und von meinem Zelt aus genoss ich den herrlichen Anblick des sonnenbestrahlten Sees, den ich als erster Europäer schaute. Am 24. März unternahm ich mit einigen Askari und einem Massaiführer den Abstieg zum See. Pfadlos kletterten wir durch vegetationsreiche Schluchten, überschritten Bäche und gelangten schliesslich an den letzten sehr steilen Abfall, der dicht mit Aloë, Euphorbien und Stachelgestrüpp bedeckt war. Auch durch dieses Dickicht erkämpften wir unsern Weg, mussten eine fast senkrechte, sandige Tuffwand überschreiten und gelangten bei glühender Hitze Nachmittags an einen Bach am Seeboden. Ein heftiger Fieberanfall nöthigte mich, dort zu verbleiben und ich sandte einige Askari zum [35] nahen Seeufer um Salz- und Wasserproben einzusammeln. Von Moskitos gequält, von zahlreichen Hyänen umheult, verbrachten wir die Nacht am Bach und stiegen am nächsten Tage auf besserem Wege durch ein schönes, von Phönixpalmen erfülltes Thal zur Höhe. Schon unterwegs begegneten wir Leuten vom Lager, die ausgezogen waren, uns zu suchen, da man uns schon Tags vorher zurück erwartet hatte. Im Lager wurden wir mit Freudengeschrei empfangen, da man schon ernstlich um uns in Sorge gewesen war und die Leute baten mich dringend, keinen Ausflug mehr, und sei es der kleinste, ohne ihre Begleitung zu machen.
Durch welliges Land mit dunklem, lehmigem Boden auf dem viel Klee gedieh, gings am 26. weiter zum Njogomo-Bach der dem Eyassi-See zufliesst. Am 27. stiegen wir über eine Höhe und dann sanft ab zur weiten, fast baumlosen Ebene von Serengeti. Dieselbe hat weit weniger schönes Weideland als Mutyek, ist sehr sanft gewellt und von flachen Thalrissen durchzogen. Hier lagen einige Massai-Kraals zerstreut in deren Nähe Ziegen weideten. Während wir vorbeizogen, kamen alte Leute, Elmoruo, an und riefen uns zu, dass die Krieger mit uns Frieden halten wollten falls wir ihnen einen Tribut an Rindern geben würden. Wir antworteten durch Mabruki Massai, den Findling von Donyo Lukutu, dass uns unter diesen Umständen an einem Frieden nichts gelegen sei. Mabruki, der ja selbst Elmoran gewesen, und die Sitten der Massai natürlich genau kannte, erklärte, dass die Krieger uns nun bestimmt angreifen würden. Thatsächlich kamen einige hundert Leute auch bald mit geschwungenen Speeren hinter uns hergelaufen. Es wäre mir nun ein Leichtes gewesen, über diese Krieger einen »glänzenden Sieg« zu erringen, den Kraal zu »stürmen« und die Ziegen zu erbeuten, ich bemitleidete jedoch diese Hungerleider, die in ihrem Raubanfall nur dem Gebote des Magens folgten und begnügte mich, sie durch einige wohlgezielte Kugeln zu verjagen. In 5 Minuten war kein einziger mehr zu sehen. Die Karawane hatte ihren Marsch keinen Augenblick unterbrochen. Das war unser einziges »Gefecht« mit Massai, den blutgierigen, furchtbaren Räubern, deren Gebiet, »nur mit 1000 Europäern« passirbar ist.
Die Bodenschwellungen verschwanden bald gänzlich und über eine leicht geneigte, staubige Ebene ging es abwärts. Wild, welches am Neirobi-Plateau spärlich gewesen, war hier wieder in grossen Mengen sichtbar, in langer Reihe, gleich einer Kavallerie-Abtheilung liefen Strausse mit Windeseile durch die Steppe. Bei einem einzelnen, Wasserlöcher enthaltenden Felshügel, Duvai, lagerten wir und waren bald von zahlreichen Wandorobo umgeben, die hier in grösserer Zahl leben. Sie waren hier keineswegs jener elende Pariastamm, als welchen man diese Jäger sonst kennen lernt, sondern ein schöner, hochgewachsener Schlag und mit ihren kräftigen Bogen und vergifteten Pfeilen keineswegs zu verachtende Gegner. Die Jagd schützt sie vor dem Hunger, ja manchmal unternehmen sie auch Raubeinfälle in das bewohnte Gebiet von Usukuma und treiben Vieh fort, welches sie jedoch nicht züchten, sondern sofort schlachten. Gegen uns benahmen sie sich [36] freundlich und mit Leichtigkeit bekam ich hier Sprachproben dieses merkwürdigen Jägervolkes.
Der nächste Tag führte uns durch flaches, von seichten, meist wasserlosen Senkungen durchzogenes Land. Eine derselben enthielt den kleinen Salzsee Lgarya, dessen Ufer von zahlreichen Flamingos belebt ist. Dichte Staubwolken begleiten hier den Gang der Karawane, die Schirmakazie, jener echte Nyikabaum trat auf, wir waren wieder im Steppenland.
Gegen Mittag des 29. März verschwanden auch die Akazien und wir zogen durch eine weite, fast völlig baumlose Grasebene, eine richtige Prairie, aus welcher im Nordwesten die flache Kuppe Kiruwassile auftauchte. Selbst Wild war in dieser Einöde selten, doch begegnete man auf Schritt und Tritt Gnu-Sceletten, von Thieren, die der Seuche erlegen waren. Unser Ziel bildete eine einzelne Akazie, die wir stundenweit vorher sahen und an deren Fuss sich Löcher mit lehmigem Wasser befanden. Der Marsch war ein besonders anstrengender gewesen, da die Leute ausser ihren Lasten auch Brennholz mitnehmen mussten, welches es in dieser Graswüste nicht giebt.
Die Wirkung der langen Märsche, sowie jene der ungewohnten Fleischnahrung machte sich bei der Mannschaft überhaupt schon geltend. Die Pangani-Leute allerdings, die an Massai-Reisen gewöhnt sind, hielten sich vorzüglich, die aus Bagamoyo dagegen litten schwer. Selbst grosse Portionen konnten ihren an Pflanzenkost gewöhnten Magen nicht sättigen, Fälle von Entkräftung verbunden mit ruhrartigen Zuständen traten ein. Dann ergriff einzelne Leute ein Zustand völliger Muthlosigkeit, sie legten sich am Wege nieder und erklärten sterben zu wollen. In solchen Fällen that Mzimba mit ein paar Kurbatschhieben oft Wunderwirkung: der Sterbende erhob sich und marschirte weiter. Anders freilich war es, wenn es einem der Leute gelang, sich abseits von der Route im Grase zu verbergen, wo er ohne Nahrung, ohne einen Tropfen Wasser dalag, den Tod erwartend. Im Lager wurde er natürlich vermisst und Askari, die keine Müdigkeit kennen durften, ausgesandt ihn zu suchen. Meistens wurden solche Leute aufgefunden und gerettet, in manchen Fällen aber brach die Nacht herein, die Askari kamen unverrichteter Sache zurück und wenn draussen die Hyänen ihr grässliches Konzert begannen, wussten wir, dass unser Kamerad verloren war.
Am 30. März hatten wir den tafelförmigen Kiruwassile-Berg erreicht, dem eine Kette kleiner Granithügel vorgelagert ist, zwischen deren mächtigen Felsblöcken Euphorbien und Stachelgestrüpp gedeihen, und lagerten an dem klaren Wassertümpel eines Baches. Durch Parkland ging es am folgenden Tage weiter, wo manchmal röthlicher Granit zu Tage tritt, dessen Platten durch viele Sprünge zerrissen sind, so dass der Boden wie gepflastert aussieht. Steil stiegen wir eine Plateaustufe ab und gelangten in schön begrastes, fruchtbares Land, in dem einige verlassene Wandorobo-Grashütten die einzigen Spuren menschlicher Siedelung sind. Einzelne Sorghum-Pflanzen und Kalebassen-Geranke, das wild dazwischen [37] wächst, wurde mit Freuden begrüsst, zeigten sie uns doch die Nähe kultivirter, ackerbautreibender Distrikte an. Am trockenen, tief eingerissenen Lossergasch-Bach, der schon dem Nilsystem angehört und den Oberlauf des Simiyu bildet, schlugen wir unser Lager auf. Die Massaiführer sagten uns, dass Ikoma, oder wie sie es nennen, Elmarau, eine von Waschaschi bewohnte Landschaft, nur noch zwei Tagereisen entfernt sei: wir beschlossen daher alles aufzubieten, um rasch dahin zu gelangen. Denn täglich mehrten sich die Todesfälle durch Entkräftung, zwei, drei Mann brachen unterwegs zusammen und andere schleppten sich nur noch schwer fort. Alle Askari trugen Lasten und mühsam keuchte die Karawane auf dem sonnenglühenden Pfad vorwärts. Das Land war arm an wasserführenden Bächen, von zahllosen Regenschluchten durchfurcht und theilweise mit dichtem Dorngestrüpp bewachsen. Nachmittags entdeckten die scharfen Augen der Träger am Horizont saftig grüne Parthien: es waren die Felder von Elmarau. Doch konnten wir sie an diesem Tage nicht mehr erreichen und waren noch einmal auf Fleischdiät angewiesen.
Am Morgen des 2. April gelangten wir schon frühzeitig an den breiten trockenen Bach Orangi, der von hochstämmiger Gallerie-Vegetation eingesäumt ist und reichliche Wasserlöcher enthielt. Zwischen den Bäumen des rechten Ufers erblickten wir roth bemalte, hochgewachsene Gestalten mit Bogen und Pfeil, meist in charakteristischer Haltung auf einem Bein stehend. Es waren Leute aus Ikoma, die zur Jagd hierher gekommen waren und mit Erstaunen die Karawane erblickten. [38] Doch war es ja schon öfter geschehen, dass bekleidete Fremdlinge aus dem Massai-Land zu ihnen kamen; sie begrüssten uns auf Kinyamwesi und zeigten uns damit an, dass wir das Massai-Sprachgebiet verlassen und uns wieder bei Bantuvölkern befanden. Einige Glasperlen machten sie rasch zu unseren Freunden und auf einem richtigen Feldwege, einem wahren Labsal nach der pfadlosen Wildniss, zogen wir Ikoma zu. Mit Jubelgeschrei begrüssten die Leute die ersten Felder, wo Sorghum, Mais, Eleusine und andere Kulturpflanzen sorgfältig angebaut waren. An dem wasserführenden Ormuti-Bach betraten wir das Dorfgebiet, ein offenes, leicht gewelltes Grasland mit verstreuten Hütten und kreisrunden, von buschigen Euphorbienhecken umgebenen Komplexen, in deren einem wir lagerten.
Die friedlichen Eingeborenen kamen völlig unbewaffnet, auch viele, meist sehr üppige Damen erschienen und brachten in netten Körbchen Mehl zum Verkauf, so dass die Leute wieder in gewohnter Nahrung schwelgen konnten. Auch mir erschien ein Kürbiss, den der Koch bereitete, als eine köstliche Delikatesse, denn ausser Brennessel-Spinat hatte ich seit Umbugwe kein frisches Gemüse gegessen.
In dem Wunsch rasch Mehl zu bekommen hatten wir bei der freundlichen Haltung der Eingeborenen, unserm Grundsatz widersprechend, denselben Zutritt in's Lager gewährt. Sie benutzten diese Gelegenheit jedoch, um mit grosser Geschicklichkeit zu mausen, ja einer stahl sogar mein Rosshaarkissen, das die Jungen zum Auslüften hingebreitet hatten. Ich liess hierauf einige Weiber an die Kette legen und forderte die erschrockenen Eingeborenen auf, die gestohlenen Gegenstände wieder zurückzubringen, was auch in kaum einer Viertelstunde geschah, worauf wir die gefangenen Schönen wieder laufen liessen.
Unsere Freundschaft mit den Eingeborenen wurde durch diesen etwas summarischen Vorgang in keiner Weise getrübt, da er vollkommen den afrikanischen Rechtsanschauungen entspricht und von Eingeborenen untereinander sehr oft ausgeübt wird. Thatsächlich ist es in einem Lande, wo keine Polizei existirt auch nahezu unmöglich, zu seinem Recht zu kommen ohne dieses Geiselsystem.
Wir hielten uns am nächsten Tage in Ikoma auf, stets umschwärmt von den harmlos friedlichen Eingeborenen, die für Glasperlen und Messingdraht ungeheure Mengen Mehl und andere Lebensmittel, auch grosse Welse brachten. Am Morgen des 4. April, an welchem ich einen zweiten Rasttag halten wollte, meldete mir Mzimba zu meinem sehr grossen Erstaunen, dass vier Träger ausgerissen seien. Natürlich waren es Wabondeï, diese unverbesserlichen Davonläufer, die so spät ihr Heil in der Flucht gesucht. Im Interesse der Disziplin schien es mir unumgänglich nothwendig, diese Leute zu fangen und ich beschloss, abermals zu dem afrikanischen Verfahren zu greifen. Vier eingeborene Geiseln wurden festgenommen und ich eröffnete den Ikoma-Leuten, dass ich diese erst freigeben würde, wenn meine vier entsprungenen Träger eingebracht würden. Die Eingeborenen fanden diesen Vorgang [39] sehr begreiflich und baten uns, zum Schein abzuziehen, da sich die Flüchtlinge wohl erst dann wieder zeigen würden. Wir brachen denn auch nach dem zwei Stunden entfernten Dorf Niasiro auf, das etwa 100 Hütten hat, die auf der Kuppe eines Hügels zwischen dunklem Euphorbiengestrüpp verstreut liegen. Am Fusse rauscht der ansehnliche, fischreiche Grumeti-Bach. Auch hier überboten sich die Eingeborenen an Freundlichkeit und Mzimba veranstaltete unter einem schattigen Baum einen förmlichen Markt und häufte Lebensmittel-Vorrath an, als ob wir noch einmal das Massailand passiren sollten.
Am Morgen des 6. April wurden die vier Deserteure gebunden eingeliefert und die Geiseln, die sich bei uns sehr behaglich gefühlt hatten, nahmen reich beschenkt Abschied. Die feigen Eingeborenen, die vor den Flinten der Ausreisser Furcht hatten, lockten dieselben erst freundlich an, fielen dann über sie her und legten sie in Fesseln. Sie wurden von ihren Kameraden mit höhnischen Zurufen und Pfiffen empfangen, erhielten ihre tüchtige Strafe und wurden an die Kette gelegt. Als ich sie fragte, warum sie fortgelaufen seien, meinten sie: die Massai-Reise habe sie ermüdet und sie wollten als Sklaven bei den Eingeborenen bleiben um auf eine andere Karawane zu warten. Wenn man bedenkt, dass oft viele Jahre vergehen, bevor eine Karawane nach Ikoma kommt, so kann man das Unsinnige dieses Planes ermessen.
Die weitere Reise führte uns durch Usenye, einer reich bebauten, von stärkeren Hügelwellen durchzogenen Landschaft, mit zahlreichen grossen Dörfern, in deren Innern die Euphorbien- und Dornhecken förmliche Irrgärten bilden. Am 7. April überschritten wir den Rubana, einen nach den Karten sehr bedeutenden Fluss, der [40] aber in Wirklichkeit nur ein schmaler Bach ist. Schon damals schien mir zweifelhaft, dass dieses Gewässer der Unterlauf des Ngare dabasch, eines ansehnlichen Flusses im Massailand sein sollte. Jenseits des Rubana betraten wir wieder pfadloses Steppengebiet und zogen unter Führung eines Usukuma-Händlers, den wir in Ikoma getroffen, schnurgerade auf einen Kegelberg, Tschamliho, los. Das Land war offen und grasig, nur die zahlreichen Wasserrisse von Laubbäumen, Akazien und Tamarinden eingesäumt. Viele Antilopen und Gnus sowie einzelne Nashorne tummelten sich in der Ebene; von Büffeln sah man auch hier nur Scelette.
Am 9. April erreichten wir den Tschamliho-Berg, der den höchsten Punkt des Distriktes Ikiju bezeichnet, ein bewohntes, bergiges Land. Auch hier leben Waschaschi, wohlgenährte kräftige Leute in sehr einfacher Kleidung, mit Bogen und Pfeil bewaffnet.
Sie hatten unser Herannahen schon bemerkt und zogen uns entgegen, eine feindliche Invasion fürchtend, beruhigten sich jedoch bald, als sie uns als Küstenkarawane erkannt. Auch sie pflegen auf einem Fuss zu stehen und den anderen oberhalb des Knies aufzustemmen.
Auf steinigem Pfade durchzogen wir mehrere an den Hängen verstreute Dorfgebiete und lagerten an einem Bach, wohin die nun völlig zutraulichen Eingeborenen uns reichliche Lebensmittel brachten. Am nächsten Tage trugen sie sogar die Lasten der Leute, als wir auf steilem, schlechten Felsweg den Berg jenseits wieder abstiegen und dann ein wasserreiches, theilweise versumpftes Thal durchzogen. Stellenweise ragten abenteuerlich geformte Granitfelsen auf, meist in der Nähe der Dörfer gelegen und den Eingeborenen als Warte dienend. Am 11. April führte ein angenehmer Marsch uns durch offenes welliges Land mit vielen Dörfern und prächtigen Anpflanzungen der verschiedensten Kulturgewächse, unter welchen Gurken, Kürbisse, Arachis und Maniok auffielen. Getrocknete Fische wurden uns zum Verkauf angeboten, welche zugleich mit Fischereigeräth in den Hütten uns die Nähe des Victoria-Nyansa anzeigten.
Am 12. April begannen wir bei leichtem Regen den ziemlich steilen Abfall der Schaschi-Berge abzusteigen. Kaum eine halbe Stunde vom Lager eröffnete sich uns plötzlich der Ausblick auf die dunkle Fläche des Speke Golfes mit dem fernen Horizont des Nyansa. Ein grauer Himmel umspannte die Landschaft, der Majita-Berg im Norden und die Nassa-Berge im Süden waren nur undeutlich sichtbar.
Dennoch war es für mich ein freudiger Augenblick: konnte ich mir doch sagen, dass der schwierigste Theil unserer Aufgabe gelöst war. Die direkte Route durch das Massai-Land, die als unpassirbar galt und [41] die ein Stanley geplant und als zu schwierig aufgegeben hatte, diese Route war von der Massai-Expedition in der kurzen Zeit von 2½ Monaten bewältigt worden.
TAFEL VI
Vor den Schaschi-Bergen dehnte sich eine flache, von einzelnen Wasserrissen durchzogene Grasebene aus, durch die unser Weg dem See zu führte. Ungeheure Heerden von Gnus, Antilopen und Zebras waren sichtbar, auch ein Rhinozeros konnte ich erlegen und die Träger knallten ein zweites gemeinsam nieder, nachdem sie ihm ein förmliches Feuergefecht geliefert. Gegen Mittag erreichten wir das Papyrus-Ufer des Nyansa beim Distrikt Katoto. Zwischen Feldern und zerstreuten Hütten waren Fische auf Gestellen zum trocknen ausgelegt, in den Papyrussaum des Ufers hatte man für die Kanus Strassen gehauen und durch diese blickte man hinaus auf die schimmernde Fläche des afrikanischen Binnenmeeres.
Graf Schweinitz, photogr.
Katoto und Mwansa. — Ukerewe. — Ukara. — Der Baumann-Golf. — Gefechte in Mugango. — Die Schaschi-Länder. — Ngoroïne. — Ikoma. — Kämpfe in Ututwa. — Ntussu. — Meatu. — Munyihemedis Niederlassung. — Zur Nyarasa-Steppe. — Der Salzfluss Simbiti. — Die Elephantenjäger. — Die Weiber der Karawane. — Usmau und Usukuma. — Mwansa.
[42] In dem ansehnlichen, von festem Stangenzaun umgebenen Hüttenkomplex des Häuptlings schlugen wir wenige Schritte vom Nyansa, in Katoto, unser Lager auf. Die Eingeborenen, mit Ziegenfell bekleidete Waschaschi, waren rasch mit uns befreundet und brachten Lebensmittel. Wir schwelgten in seltenen Genüssen wie Fischen, Zuckerrohr, Tomaten und vorzüglichen Gurken, wozu in den nächsten Tagen noch Bananen aus Ukerewe und Reis aus Usukuma traten. Behaglich lagen die Leute am Strand, nahmen auch trotz der Krokodile eifrig Bäder im Nyansa, beobachteten die Flusspferde, die manchmal ihr breites Maul über die Wasserfläche erhoben, die Tauchervögel, die mit unendlicher Leichtigkeit der Bewegung über das Wasser schwebten und die Kanus, die von kräftigen Ruderern getrieben, den sonnenbestrahlten See belebten. Sie bemerkten dabei auch merkwürdige scheinbare Ebbe- und Flutherscheinungen des Nyansa und kamen eilig, mir dies zu melden. Ich lachte über diese Wahrnehmung, da das Vorkommen von Gezeiten bei einem Binnengewässer wie dem Victoria-See ganz ausgeschlossen erscheint. Wie gross war jedoch mein Erstaunen, als ich in den nächsten Tagen thatsächlich einen Wechsel des Niveaustandes um ca. 30 cm wahrnehmen konnte! Die Erklärung dafür bieten die regelmässigen Seewinde die täglich einsetzen und das Steigen des Wasserspiegels am Ufer hervorrufen.
Das Dolce far niente meiner Leute wurde fast täglich durch mächtige Donnerwetter gestört, die stets Nachmittags mit unerhörter Wucht hereinbrachen. Einmal wurde sogar ein Askari vom Blitz gestreift, war [43] mehrere Tage fast blind, erholte sich jedoch dann vollständig.
Da ich die Absicht hatte meiner Mannschaft in Katoto längere Erholung zu gönnen, so begann ich unter einigen schönen Baumakazien grössere Lagerhütten zu errichten, theils um uns einen angenehmeren Aufenthalt zu schaffen, theils um die Leute zu beschäftigen. Mit Eifer schleppten Träger und Eingeborene, die unsere besten Freunde waren, Stangen und Papyrus herbei und bald erhoben sich leichte luftige Hütten mit Grasdächern, in welchen es sich sehr gut leben liess. (Siehe Kopfleiste des Kapitels.)
Ich verbrachte meine Zeit mit wissenschaftlichen Arbeiten, mit Jagdexkursionen in der nahen wildreichen Steppe und Kanufahrten auf dem Nyansa. Bald nach meiner Ankunft, hatte ich Boten an die englische Mission Nassa gesandt und auch die deutsche Station Mwansa verständigt. Kompagnieführer Langheld machte sich sofort nach Empfang dieser Nachricht auf und am 22. April hatte ich die Freude, ihn in Katoto zu begrüssen. Ich folgte seiner Einladung, ihn nach Mwansa zu begleiten, übergab die Expeditionsleitung für einige Tage an Mzimba und schiffte mich mit ihm in dem grossen Boote von Mr. Stokes ein.
Bei frischer Brise segelten wir rasch über die Fluth des Speke-Golfes, welcher hier im innersten Theil der Bucht grau und mit zahllosen salatartigen Wasserpflanzen bedeckt ist. Um 2 Uhr Nachmittags landeten wir am schilfreichen Strand der fruchtbaren, dicht bewohnten Landschaft Nassa, wo auf einer Anhöhe die englische Mission der »Church Missionary Society« gelegen ist. Sie besteht aus einigen blättergedeckten Lehmhütten mit niedrigen dumpfen Räumen und einer Rundhütte als Kirche. Von derselben geniesst man einen prächtigen Blick auf den Speke-Golf und seine bergigen Ufer. Wir kamen gerade in einem ungünstigen Augenblick, denn der eine Missionar war am Morgen gestorben und der andere, ein bleicher junger Engländer, der nun völlig einsam seine Tage hier verbringen sollte, von dem Todesfall natürlich sehr angegriffen. Dennoch liess er es sich nicht nehmen uns zu bewirthen und setzte uns ein Mahl vor, das, wie meist in englischen Missionen, hauptsächlich aus Konserven bestand. Einige derselben waren mir deshalb merkwürdig, weil sie der Sendung entstammten, die Dr. Hans Meyer und ich 1888 nach dem Victoria-Nyansa befördert hatten. Da wir, durch den Aufstand gehindert, nicht an den See gelangten, wurden die Provisionen an die englische Mission abgegeben und ich hätte nicht gedacht, dass wenigstens ein kleiner Theil derselben doch noch ihrem ursprünglichen Zweck, nämlich dem, von mir gegessen zu werden, zugeführt werden sollte.
Unter den Eingeborenen der Umgebung hat die Mission so gut wie gar keine Erfolge und dient wohl hauptsächlich als Transport-Station für Uganda. Auch die Zöglinge entstammen fast ausschliesslich dem englischen Seeufer. Besonders merkwürdig ist in Nassa ein Schuppen, in dem sich die Bestandtheile des Dampfers befinden, den die Mission am Nyansa erbauen wollte. Mit grossen Opfern an Geld und [44] Menschenleben wurden diese Eisentheile in's Herz Afrika's befördert und verrosten jetzt — ein Fall, der im Innern Afrika's keineswegs vereinzelt dasteht.
Längs des Südufers, an dem sich felsige, theilweise bewohnte Inselchen hinziehen, segelten wir am nächsten Morgen weiter und langten Nachmittags in der von mächtigen Granitblöcken eingesäumten Landschaft Sina an, an deren Strand sich der Nyansa in prachtvollen dunkelgrünen Wogen bricht. Nach dem Sonnenuntergang, der mit seltener Farbenpracht stattfand, segelten wir weiter und waren am Morgen an der Mündung der Bukumbi-Bai, die westlich durch die theilweise waldige Insel Yuma bezeichnet ist. Dieselbe ist dadurch merkwürdig, dass darauf ein Engländer Namens Wise als Einsiedler lebt. Er hatte den Wunsch, sein Leben ungestört und beschaulich zu verbringen und hielt eine Insel im Nyansa dafür als den geeignetsten Ort. Er sollte sich aber getäuscht haben; denn der Geist der »Amtlichkeit« schwebt auch über den Wassern des Victoria-Nyansa. Die Rechtstitel, welche Wise auf den Besitz der früher fast unbewohnten Insel erworben, wurden bestritten. Als Gartenarbeiter wurden ihm einmal Kinder von der Station übergeben, dann, nachdem er sie schon abgerichtet, ohne Grund wieder abgenommen und Mr. Wise ist wahrscheinlich zur Erkenntniss gekommen, dass man mitten in London viel ruhiger leben kann als mitten im Victoria-Nyansa.
Längs des von riesigen Granitblöcken eingesäumten Ostufers der Bai fuhren wir nach Süden. Die Bai ist durchsetzt von zahlreichen kleinen Felsinseln und belebt von Möwen und Tauchervögeln. Wir begegneten in derselben einem Kiganda-Kanu der Station Mwansa, das uns mit der angelangten europäischen Post entgegenkam und stiegen, da der Wind nachgelassen hatte, in dasselbe über. Es war das erste Mal, das ich diese fest und schlank gebauten röthlichen Fahrzeuge mit ihren originellen Schiffsschnäbeln sah, die sich an Leichtigkeit der Bewegung mit allen afrikanischen Fahrzeugen messen können. Am oberen Kongo werden grosse, aber weit plumpere Kanus gebaut, höchstens die Dualla in Kamerun verstehen ähnliche Boote herzustellen. An diese erinnert auch das Rudern im Sitzen mit spitzen Paddeln, die von 20-30 Ruderern mit grosser Kraft und Gleichmässigkeit geführt werden. Den Takt giebt ein nicht unmelodischer Gesang, den ein Vorsänger angiebt, welcher zugleich auf kleine lecke Stellen zu achten hat und dieselben mit Bast verstopft.
[45] Gegen 4 Uhr Nachmittags fuhren wir in die tiefe, von felsigen, malerischen Inseln durchzogene Bai von Mwansa ein und sahen die Station, hinter der eine dunkle, mit Granitblöcken bestreute Waldhöhe sich erhebt. Eine breite, von Papayas und Aloë eingesäumte Strasse führte vom See zur Station. Diese ist von einer festen Lehmmauer umgeben und besteht aus einem Stein- und einem Luftziegel-Haus, sowie Askari-Wohnungen und Wirthschafts-Gebäuden. Ueberall herrschte musterhafte Reinlichkeit und Ordnung und am Exerzierplatz sah man die schwarzen, theilweise am See selbst engagirten Soldaten, in tadelloser Uniform ihre Uebungen mit derselben Strammheit ausführen, wie man sie an der Küste zu sehen gewöhnt ist. Unweit des Strandes lag ein hübscher Garten in welchem Tomaten, rothe Rüben, Kartoffeln und andere europäische Kulturgewächse vortrefflich gediehen und auch mit Papayas, Kokospalmen und Mangobäumen Anbauversuche gemacht wurden.
Die Station war eine der schönsten die ich in Innerafrika gesehen und legte einen glänzenden Beweis für die Thatkraft des Kompagnieführer Langheld und seiner braven Untergebenen, Feldwebel Kühne und Hofmann, ab. Aber nicht nur in diesen Aeusserlichkeiten zeigte sich die Tüchtigkeit dieser Männer, sondern auch in der ganzen Stellung des Deutschthums am Victoria-Nyansa. Mit den Engländern in Uganda sowohl, wie mit der französischen und englischen Mission und mit dem Händler Mr. Stokes unterhielt Kompagnieführer Langheld vorzügliche, nie getrübte Beziehungen. Trotz seiner geringen Truppenmacht stand er bei den Eingeborenen in hohem Ansehen, diese leisteten ihre Abgaben und waren jederzeit bereit Arbeiter, Träger und Kanus der Station zu stellen. Obwohl er den Schwarzen oft genug »deutsche Hiebe« ertheilt hatte, nennen sie ihn doch »bwana Msuri« (der gute Herr) und standen sich im Allgemeinen vorzüglich mit ihm.
Ich hielt mich nur kurze Zeit in Mwansa auf und kehrte dann mit dem Stokes'schen Boot nach Katoto zurück. Wir liefen unterwegs die reizende unbewohnte Vesi-Insel an, die mit mächtigen Granitblöcken bedeckt ist, zwischen welchen üppige Vegetation und schattige Bäume gedeihen. In Katoto fand ich alles in bester Ordnung; nur einige Massai, welchen das Klima ungewohnt war, erkrankten und starben bald darauf.
Um die Expedition leichter beweglich zu machen, sandte ich eine Anzahl Lasten mit dem Boot nach Mwansa, da ich diese Station später wieder zu berühren gedachte. Die Packesel, die bis zum See ihre Schuldigkeit gethan hatten, wurden in den Ruhestand versetzt und über Land nach Mwansa geschickt, ebenso eine Anzahl Rinder, die den Grund zu der Heerde der Station und zu dem später vielgerühmten Milch- und Butterreichthum derselben legten. Auch 16 schwächliche Träger entliess ich, welche mit Kompagnieführer Langheld an die Küste gingen. Durch die Verminderung der Lasten wurde eine Anzahl Leute dienstfrei und ich wählte aus den Trägern 12 »Ruga-Ruga«, junge bewegliche Burschen, die Askaridienste thaten und sich vorzüglich bewährten. Sie wurden in Katoto nothdürftig eingedrillt.
[46] Am 6. Mai verliessen wir unser Lager in Katoto endgiltig um die Erforschung des östlichen Nyansa-Gebietes zu beginnen.
Längs des Nordufers des Speke-Golfs wandernd, durchzogen wir stundenlang das Feld- und Dorfgebiet von Katoto, das sich längs des papyrusreichen Nyansa hinzieht und betraten dann lichten Wald, durch den wir nach der ärmlichen Niederlassung Butimba gelangten. Hier hat der Nyansa stellenweise steile, felsige Ufer und ist frei von Schilf, so dass man oft schöne Ausblicke geniesst. Durch Parkland, stets in der Nähe des Seeufers, dem hier felsige Inseln vorgelagert, ging es am nächsten Tage weiter. Das Land war früher von einem mächtigen Hirtenstamm, den Wataturu, bewohnt, welche jedoch den Massai und Wakerewe erlagen, ihren Wohnsitz verliessen und jetzt als elende Parias in Ukerewe ihr Dasein fristen. Ihr früheres Dorfgebiet war nicht einmal von Pfaden durchzogen, da die Bewohner des Nyansa-Ufer nur in Kanus mit einander verkehren. So gelangten wir denn direkt aus wegloser Wildniss in das Fischerdorf von Hakahi, zum grossen Entsetzen der Einwohner, die hier am Nyansa-Ufer und auf der nahe gelegenen Insel Matschwera[1] ein weltverlassenes Dasein führen.
Auch am 8. Mai durchzogen wir hügeliges, von schönen Baumgruppen durchsetztes Parkland, am Fusse des 300 m hohen Kiruwiru-Berges. Zwischen den Bäumen erblickten wir oft den tiefblauen Nyansa, aus dem die bergige Insel Nafua mit ihren weissen Strandriffen sich malerisch erhebt. Leider liess ich mich durch diese landschaftlichen Reize verleiten, am Seeufer zu lagern, was ich Nachts durch einen wahren Kampf mit unzähligen Moskitos büssen musste. Ich bin in puncto Moskito ziemlich abgehärtet und glaubte schon in jüngeren Jahren am Kongo das höchste Maass derselben genossen zu haben. Aber ich sollte mich geirrt haben: die Nacht am Speke-Golf übertraf alles dagewesene. Es gab nur einen Menschen in der Karawane, der in dieser Nacht einschlief und dieser war ein — Wachtposten.
Am 9. Mai überschritten wir den Rugedsi-Kanal, jene schmale Strasse, welche die Insel Ukerewe vom Festland trennt. Er ist zu beiden Seiten von sumpfigem Papyrusgebiet eingeschlossen, durch welches man waten muss, bevor man zu dem meist 30 Schritte breiten und selten über ein Meter tiefen Kanal kommt. In demselben befinden sich labyrinthartig angeordnete Fischreusen durch welche eine starke Strömung nach Nord zieht. Der Wechsel des Wasserstandes macht sich hier besonders stark bemerkbar, indem Morgens etwa ½ m weniger Wasser ist als Mittags, was den Eingeborenen genau bekannt ist.
Nachdem wir uns durch den Schlamm- und Schilfsumpf des Ukerewe-Ufers gearbeitet, zogen wir durch eine schöne, reich bebaute Ebene. Dieselbe führt zu einer prächtigen kleinen Bucht, in der felsige Inseln sich erheben und die von sanften Kuppen eingeschlossen ist, auf welchen zwischen wilden Granitblöcken üppige Bananenhaine und die [47] braunen Kegeldächer der Hütten auftauchen.
Wir lagerten in einem Dorfe, das von reichen Pflanzungen umgeben war, unter welchen besonders riesige Maniokstauden auffielen. Wir befanden uns auf der gesegneten Insel Ukerewe, dem Lande des Häuptlings Lukonge, der sich 1877 durch die verrätherische Ermordung zweier Missionare eine traurige Berühmtheit erworben. Gegenwärtig freilich zieht er andere Saiten auf, hat schon zahlreiche Reisende bei sich gesehen und sandte auch uns Boten und Geschenke nach Katoto entgegen, indem er mich in sein Land einlud.
Am nächsten Tage sollten wir seine Residenz erreichen. Da der Weg dahin vielfach versumpft ist, zog ich es vor, die Karawane über Land zu senden und selbst ein Kanu zur Ueberfahrt zu benutzen. Im Westen dehnte sich das üppige, bananenreiche Gestade von Ukerewe aus und im Nordosten tauchte die grasige, breite Masse des Majita-Tafelberges auf, während uns die kräftigen Schläge unserer Ruderer durch die Grantbai gegen Norden führten. Bei dem durch hohe Schattenbäume bezeichneten Hauptdorf Bukindo landeten wir und durchschritten das Thor der Befestigung, die aus Stangen und pandanusähnlichen Pflanzen gebildet ist.
Vor der koncentrischen inneren Umzäunung fand ich die Expeditionsmannschaft, sowie Lukonge mit seinen »Grossen« bereits versammelt. Er ist ein lichtfarbiger, wohlbeleibter Mann, der mit seinem glatten Gesicht und dem faltigen Gewande lebhaft an einen Landpfarrer erinnert und stark von seiner höchst urwüchsig mit Bocksfell bekleideten Umgebung absticht. Er schien sich übrigens garnicht wohl zu fühlen, denn die Reisenden die ihn vor mir besucht hatten, waren stets im Kanu mit geringer Begleitung gekommen. Eine solche Masseninvasion war ihm offenbar unheimlich und die Blutthat von 1877 tauchte vielleicht vor seinem Gewissen auf. Er begrüsste mich daher verlegen, lud mich ein im innersten Hüttenkomplex zu lagern und verschwand dann schleunigst auf Nimmerwiedersehen. Die meisten seiner Unterthanen folgten seinem Beispiel und drückten sich in die Büsche, sodass wir uns plötzlich als Herren des grossen, mehrere hundert Hütten zählenden Dorfes sahen.
Es fehlte uns dort an nichts, Vorräthe, auch vorzüglicher Honig und Bananenwein waren in den geräumigen Hütten massenhaft vorhanden. Dennoch war ich über diese Lage nichts weniger als erbaut. Lukonge hatte nämlich auch Baumwollzeuge und allerlei andere Tauschwaaren in seinen Hütten zurückgelassen, und mir dadurch eine unangenehme Verantwortung für eventuelle Diebereien meiner Leute aufgeladen. Ich schickte daher Boten nach ihm aus, um ihn aufzufordern, doch zurück zu kommen und sein Eigenthum wegzuräumen oder bewachen zu lassen. Er rief den Boten jedoch von Weitem zu, wir möchten nehmen was uns beliebe und ihm nur sein Leben lassen.
Der Zweck meiner Reise nach Ukerewe, war hauptsächlich der Besuch der Insel Ukara, von der allerlei Seltsames verlautete. Der englische Missionar Wilson, der dort vor Jahren landen wollte, wurde [48] daran von einer kriegerischen Bevölkerung verhindert, in welcher er Zwerge erkannte. Schon Stanley hatte erfahren, dass die Wakara ihrer Zauberkünste wegen berüchtigt seien. Als ich in Bukindo die Absicht aussprach, dahin zu fahren, erklärte man allgemein, die Wakara würden das nicht zulassen und im äussersten Fall Mittel finden, ihre Insel unsichtbar zu machen.
Mit Mühe brachte ich die nöthige eingeborene Rudermannschaft für zwei Kanus auf und fuhr am 11. Mai mit 12 Askari und meinen Dienerjungen los. Wir bewegten uns erst längs der reich bebauten, durch wilde Anhäufungen von Granitblöcken ausgezeichneten Küste von Ukerewe, an welcher sich im Innern der Insel hochstämmige Wälder anschliessen. Zu unserer Rechten tauchten die offenen grasigen Kweru-Inseln auf. Gegen Mittag umschifften wir ein Kap und fuhren die kleinere Insel Schisu entlang.
Vorläufig hatten die Wakara noch keine Anstalten getroffen, ihre Insel unsichtbar zu machen. Vor uns ragte das Eiland auf mit seinen felsigen, röthlichen Bergen im Osten, an denen sich in der Mitte eine grasige Senkung, und im Westen felderbedeckte, von wilden Felszähnen gekrönte Höhen anschlossen. An der letzteren Seite näherten wir uns der sandigen Küste und sahen die nackten Eingeborenen am Strande wild umherlaufen und ihre Rinder in Sicherheit bringen. Von Zwergen konnte ich nichts wahrnehmen, manche Leute waren wohl unter Mittelmaass, andere dagegen normal gewachsen, eine Wahrnehmung die nach mir auch andere Reisende gemacht, so dass Wilson's Angabe sich als irrthümlich erwies.
[49] Der Moment war übrigens zu anthropologischen Beobachtungen wenig günstig, denn zahlreiche dunkle Krieger sammelten sich auf der hellgelben Fläche des Ufersandes, drohten uns mit gespanntem Bogen und winkten uns heftig ab. Als wir darauf keine Rücksicht nahmen, zogen sie sich auf etwa 50 Schritt zurück, wo Granitblöcke ihnen Deckung boten und liessen uns ruhig landen, so dass ich schon hoffte mit ihnen friedlich auszukommen. Unser Dolmetsch, ein Mkerewe-Mann, begann mit ihnen zu sprechen, wurde jedoch durch ein Wuthgebrüll unterbrochen; einzelne Pfeile schwirrten und die Krieger, lauter nackte Burschen mit schmalem Lendenschurz, mit Bogen, Pfeilen und Speeren rückten auf uns an. Ich zögerte nicht mehr meine zwölf Leute antreten zu lassen und eine Salve abzugeben, die volle Wirkung ausübte, indem einige Krieger fielen, andere verwundet wurden und die übrigen sich schleunigst davon machten. Unter diesen Umständen war an eine nähere Untersuchung der Insel nicht zu denken und ich begnügte mich mit einem Rundgang, bei dem wir fortwährend von den Kriegern belästigt wurden und Mühe hatten sie von uns abzuhalten.
Der rothe Lateritboden der Insel ist von vielen Wasserrissen durchschnitten und bestreut mit riesigen Granitblöcken, zwischen welchen die Felder mit Sorghum und Arachis und niedrige, stellenweise in Reihen gepflanzte Bäume verstreut sind, deren reiches Laub den zahlreichen Rindern als Nahrung dient. Dazwischen kleine Waldgruppen, in welchen die spitzen Kegelhütten der Eingeborenen liegen. Trotz ihrer Wildheit scheinen diese doch einen gewissen Kulturgrad zu besitzen, wie die schön gehaltenen Felder und Baumschulen, sowie die Trockenmauern, als Wellenbrecher, die sie am Strande errichten, andeuten. Von einem hohen Punkte der Insel bot sich uns ein [50] herrlicher Ausblick auf den tiefblauen, mächtigen Nyansa mit seinen bergigen, üppig grünen Gestaden.
Wir wandten uns gegen Abend wieder dem Strande zu, was den Wakara Veranlassung zu einem neuen Angriff gab, der jedoch so gründlich abgeschlagen wurde, dass ihnen die Lust zu weiteren verging. Schon früher hatten sie versucht, sich der Boote zu bemächtigen, doch eröffneten die drei Askari, die ich dort als Wache zurückgelassen, im Verein mit den Küchenjungen, die gerade das Nachtmahl kochten, ein mörderisches Feuer auf sie und verjagten sie ohne Schwierigkeit. Am Strande verzehrte ich die unter so erschwerenden Umständen bereitete Mahlzeit und schiffte mich dann wieder ein, um über die Agnes-Strasse nach Schisu zu fahren.
Mit der Raschheit der Aequinoctien war die Nacht hereingebrochen und prächtiger tropischer Mondschein übergoss die glatte Fläche des Sees mit strahlendem Licht. Eine laue Brise strich vom Lande herüber, dessen dunkle Umrisse sich vor uns erhoben, taktmässig tauchten die spitzen Ruder in die Fluth und pfeilschnell durchschnitten unsere Kanus den glänzenden Spiegel des Nyansa. Der melodische Gesang der Ruderer in seiner eintönigen Schwermüthigkeit übte, verbunden mit der ergreifenden Ruhe der Natur und dem Gedanken an die eben überstandenen Gefahren, einen tiefen Eindruck auf mich aus und ich werde diese nächtliche Nyansafahrt so leicht nicht vergessen.
Am Morgen des 13. Mai fuhren wir von Schisu, wo wir übernachtet hatten, ab, und langten gegen Mittag in Bukindo an. Dort hatte sich nichts verändert, Lukonge war immer noch abwesend und wir hatten alle Mühe, genügende Kanus aufzutreiben, um die Ueberfahrt der Expedition nach Majita zu bewerkstelligen. In zehn Kanus wurden Lasten und Träger mit Mühe und Noth verladen, und meine Leute mussten selbst rudern. Anfangs ging es ganz lustig vorwärts, doch in der Grant-Bai sprang starker Gegenwind auf und wir kamen kaum vom Fleck. Das Kanu in welchem ich mich befand fing an stark zu lecken und füllte sich immer mehr mit Wasser. Die Lage wurde bedenklich, das Wasser drang wie durch ein Sieb ein, die Wellen schlugen in's Kanu und wir sassen bis zum Knie im Wasser. Die braven Manyema-Träger, die als Ruderer arbeiteten, sangen jedoch lustig weiter, während alle dienstfreien Hände mit Mützen, Körben und Töpfen das Wasser ausschöpften, so dass wir glücklich das Festland gegenüber Ukerewe erreichten. Wir kalfaterten unser Fahrzeug so gut es ging und fuhren in die Bai ein, deren Nordufer durch den hohen Tafelberg von Majita bezeichnet ist und deren Ostufer — nach der Karte zu schliessen — die grasige, leicht ansteigende Landschaft Bwenyi bildete, wo wir Nachmittags anlangten und in einem kleinen Dorfe lagerten.
Da einige Kanus noch im Rückstande waren, blieben wir am 14. Mai in Bwenyi, ein Aufenthalt, den ich zur Besteigung des Bwenyi-Hügels benutzte, wo sich mir ein überraschender Anblick bot. Bwenyi war nicht das Ufer des Festlandes sondern eine von tiefen, fjordartigen Kanälen durchfurchte Halbinsel, die nur an der Südseite eine [51] schmale Verbindung mit dem Lande hatte. Mit hohen grünen Ufern und zahlreichen bergigen Inseln erstreckte sich gegen Osten eine tiefe Bucht in's Land, die an Länge fast dem Speke-Golf gleichkam und von deren Existenz die Karten nichts ahnen liessen. Diese Bucht, die ich damals als erster Europäer erschaute, wurde später von Kapt. Spring nach mir, als dem Entdecker, »Baumann-Golf« genannt.
Am 15. Mai marschirten wir über die Landzunge, welche Bwenyi mit dem Festlande verbindet. Auf derselben liegen Dörfer, deren Bewohner ihre Ziegen und Rinder durch einen eigenartigen Bau gegen feindliche Ueberfälle sichern. Sie errichten nämlich an der kaum 100 Schritte breiten, schmalsten Stelle der Landenge einen etwa 3 m hohen festen Steinwall, dadurch ihre Halbinsel künstlich in eine Insel verwandelnd. Sie selbst verlassen dieselbe nur in Kanus und wir hatten grosse Mühe, mit den Lasten diesen Steinwall zu passiren.
Längs des Fusses des Kiruwiru zogen wir durch offenes Steppenland zum sumpfigen Ende der Iramba-Bai, eines tief einschneidenden Armes der Hauptbucht und gelangten am nächsten Tage nach kurzem Marsch am papyrusreichen Nyansa-Ufer zum Dörfchen Biruscha. Dasselbe liegt auf einer Landzunge gegenüber der reizenden Berginsel Irea, die, wie alle Eilande des Baumann-Golfes, bewohnt und hoch hinauf mit üppigen Pflanzungen bedeckt ist. In den nächsten drei Tagereisen umgingen wir das Ostufer des Baumann-Golfes. Pfadlos zogen wir durch weite baumlose Ebenen, die durch den Regen in einen Morast verwandelt waren. Bei glühendem Sonnenbrand durchwanderten wir diese Einöden, aus welchen im Osten die Schaschi-Berge auftauchten, fanden oft kaum ein trockenes Fleckchen für das Lager und hatten empfindlich unter Brennholzmangel und Mosquitos zu leiden. Ein dichter Papyrusgürtel [52] verhüllt von dem niedrigen Lande aus meist den freien Blick auf den Nyansa.
Am 20. Mai überschritten wir die schmale flache Landenge, welche die breite Bergmasse von Majita mit dem Festland verbindet und erreichten das Ufer des offenen Nyansa gegenüber den Kurasu-Inseln. Die Wakwaya, ein den Waschaschi nahestehender Stamm, hatten hier zahlreiche Dörfer angelegt, die sich stundenlang in ununterbrochener Reihe am felsigen Nyansa-Ufer hinziehen. Schöne geräumige Hütten bilden Ortschaften, die auf der Landseite von dichten buschigen Euphorbienhecken abgeschlossen sind, durch welche nur ganz niedrige, mit Stachelgestrüpp versperrbare Thore führen. An diese Hecken schliessen sich die weiten Felder, in welchen hauptsächlich Mawele (Penicillaria) mit seinen hohen Stengeln gedeiht und besonders viele Tabakpflanzungen auffallen. Die Eingeborenen begegneten uns freundlich, warnten uns jedoch vor ihren Nachbarn, einem Gemisch von Waruri und Wagaya, die den Distrikt Mugango bewohnen. Da solche Warnungen sehr häufig und meist wenig begründet sind, legten wir kein besonderes Gewicht darauf und brachen am 21. Mai nach Mugango auf. Wir überstiegen die Hügelketten, welche eine Halbinsel ausfüllen und gelangten an das Ende der Mugango-Bucht, die von zahlreichen Dörfern eingesäumt ist. Die Eingeborenen sassen mit ihren 3 m langen Speeren unbeweglich auf Termitenhügeln und anderen erhöhten Punkten und betrachteten die Karawane, welche durch die Felder zog. Sie waren jedoch keineswegs unfreundlich und als wir an den Suguti-Bach gelangten, der nicht durchwatbar ist, führten sie uns etwa eine Stunde landeinwärts, wo eine natürliche Brücke den Uebergang ermöglicht. Auf schwankenden Baumstämmen kletterten wir hinüber und lagerten jenseits auf einem Hügel, weit ausserhalb des Dorfgebiets.
Nachdem die letzten Nachzügler angelangt waren, wurde mir das Fehlen eines Sudanesen-Soldaten gemeldet. Diese Leute zeigten sich den Strapazen in keiner Weise gewachsen, waren als Soldaten nicht mehr und kaum noch als Viehtreiber verwendbar, und Mzimba hatte seine liebe Noth sie vom Fleck zu bringen. Diesmal war nun doch ein Nachzügler seinem Späherblick entgangen oder hatte sich, wie dies bei den Sudanesen zu jener Zeit gewöhnlich war, vor demselben verborgen. Uns lag nun die Aufgabe ob, diesen Sudanesen zu suchen und ich sandte 10 Mann unter Kipishi und 7 Mann unter dem Askari Munyishomari, der schon meine Usambára-Expedition mitgemacht, um dem Vermissten nachzuforschen. Bei der friedlichen Haltung der Eingeborenen hielt ich es keineswegs für bedenklich, so kleine Abtheilungen auszusenden.
Gegen 3 Uhr Nachmittags hörte ich heftiges Schiessen und schloss daraus, dass die Patrouillen angegriffen worden seien. Ich brach sofort mit 20 Mann in höchster Eile auf und kam eben zurecht um zu sehen, wie die Leute der Abtheilung Kipishi sich verzweifelt gegen eine riesige Uebermacht von Eingeborenen wehrten, die mit den Speeren wüthend auf sie eindrangen und sie immer weiter zurückdrängten. In ihrer blinden Wuth sahen diese Wilden uns gar nicht anrücken und [53] eine plötzlich in ihre Flanke einschlagende Salve machte furchtbare Wirkung. In wilder Flucht lösten sich die überlebenden Gegner auf und unsere hart bedrängten Leute begrüssten mit Jubel ihre Rettung. Es war auch Hilfe in der Noth! Ein braver Ruga-Ruga, Borafya, lag von Speerstichen durchbohrt am Boden, viele Andere bluteten aus zahlreichen Wunden. Zwei Mann, der Anführer Kipishi und sein Vetter Hassani fehlten und wir eilten weiter um sie aufzufinden. Im Dorfgebiet, unweit des Nyansa, fanden wir die Leiche Kipishis, die Brust von Speeren zerfleischt. Hier hatte der räuberische Angriff stattgefunden.
Kipishi und seine Leute waren auf eine Anzahl Eingeborener gestossen und hatten sie gefragt, ob sie den vermissten Sudanesen nicht gesehen hätten. Da drangen die Krieger plötzlich auf sie ein; nach heftiger Gegenwehr, in der er zwei Mann fällte, fiel Kipishi und die anderen zogen sich dann langsam zurück. Von Hassani war nichts zu sehen und wir verzweifelten schon, ihn zu finden als wir von der Mündung des Suguti her laute Rufe hörten. Bald darauf wurde Hassani, mit dem Gewehr in der Hand und nur leicht verwundet aus dem Wasser gezogen. Er hatte an der Seite Kipishis bis zu dessen Ende ausgehalten, war dann, von den Gefährten abgeschnitten und von wüthenden Schaaren verfolgt, in den schilfreichen See gesprungen. In Kanus folgten ihm die Eingeborenen und stachen mit den langen Speeren in's Wasser, doch Hassani, ein geschickter Schwimmer und Taucher, wusste sich zu verbergen und rettete sich dadurch.
In dunkler Nacht kehrten wir ins Lager zurück und erfuhren, dass von der Abtheilung Munyishomari's noch Niemand angelangt sei. Es war anzunehmen, dass auch diese, noch dazu schwächere Patrouille angegriffen und möglicher Weise aufgerieben worden war. Wir suchten durch Raketen, Signalschüsse und Trommeln etwa versprengte Leute anzulocken, doch blieb unser Bemühen lange vergeblich.
Erst gegen zwei Uhr Nachts rief ein Mann von aussen die Wachtposten an; es war der Askari Kiroboto, ein ruhiger, intelligenter Bursche aus Tschumbageni bei Tanga. In strammer Haltung berichtete er mir, dass die Abtheilung Munyishomari's verrätherisch von riesiger Uebermacht angegriffen und zersprengt worden sei. Die Askari Munyishomari, Sadiki und einen Sudanesen sah er fallen, dann verlor er seine Gefährten aus dem Gesicht, verbarg sich in dichtem Dorngestrüpp und brach erst Nachts nach dem Lager auf. Ich fragte ihn, ob er selbst nicht verwundet sei, worauf er sich umwandte und ich einen meterlangen Pfeil in seinem Nacken stecken sah, der dann nur mit der Zange aus dem Rückgratknochen entfernt werden konnte! Ausserdem hatte er noch eine breite Speerwunde in der Hüfte.
Mit diesen schweren Verwundungen war der Mann stundenlang Nachts in wegloser Wildniss umhergeirrt und hatte dann noch die Kraft, in strammer Haltung, das Gewehr bei Fuss, eine Meldung abzustatten; gewiss ein Beweis, dass die höchste Stufe der Disziplin auch schwarzen Soldaten erreichbar ist. Und doch war der Mann ein Swahíli, [54] gehörte also einem Stamme an, der von Vielen als »feig« verrufen ist. Es ist ja überhaupt eine eigene Sache um die sogenannte Feigheit der Neger. Dieselben Sudanesen, die heute als Muster von Muth und Disziplin gelten, sind in ihrer Heimath als Feiglinge verrufen, die sich von Sklavenjägern gleich Schafen wegtreiben und ausrauben liessen; dieselben Bakongo am unteren Kongo, die Vielen — und mir selbst — als das elendeste, feigste Gesindel Afrikas erschienen, sie bilden heute als Soldaten des Kongostaates den Schrecken der Araber in Manyema.
Mit dem Soldatenkleid scheint der Schwarze — und vielfach ja auch der Weisse — einen anderen Menschen anzuziehen und wer es versteht, diesem den rechten Geist einzuflössen, der kann auch den Neger zum Helden erziehen.
Am 22. Mai setzte ich mit einer Abtheilung über den Fluss, um nach etwaigen Ueberlebenden der Patrouille Munyishomari's zu suchen. Ich hatte jedoch kaum einen Kilometer zurückgelegt, als Schiessen und wüthendes Angriffsgeschrei der Eingeborenen mich in's Lager zurückriefen. Bald nach meinem Abmarsch sah Mzimba plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, Hunderte schwarzer Krieger mit wilden Federkopfputz auf das Lager anrücken. Er liess sofort die Trommel rühren, um mich zurückzurufen, besetzte den Flussübergang, schickte eine Patrouille in die rechte Flanke, um den Eingeborenen ein Umzingeln des Lagers unmöglich zu machen und griff diese hierauf, ohne ihr Kommen zu erwarten, energisch an. Ein paar wohlgezielte Salven — die Leute bekamen mit der Zeit Uebung — richteten schwere Verheerungen an und ich kam gerade zurecht, um auch meinerseits durch energischen Flankenangriff die Niederlage zu vollenden. Ihre Waffen grösstentheils wegwerfend rannten die Krieger — wohl 800 an der Zahl — davon; die Panik war so gross, dass wir einige derselben abfangen konnten. Wir brannten hierauf sämmtliche Dörfer nieder und schickten einen der Gefangenen an die Eingeborenen ab, um sie aufzufordern, die Gewehre der gefallenen Soldaten herauszugeben, was auch geschah.
Am 23. Mai verliessen wir das Ufergebiet des Nyansa und marschirten durch welliges, unbewohntes Land, aus welchem sich im Osten der ansehnliche Mrandirira-Berg erhob. Jenseits des Kihemba-Baches trafen wir auf Dörfer freundlicher Waschaschi, bei welchen wir gastliche Aufnahme fanden und uns einen Tag erholten. Dort erfuhren wir erst, warum die Mugango-Leute uns überhaupt angefallen hatten. Der Wagaya-Häuptling Kaditi von Irieni hatte ihnen nämlich bei der Nachricht von unserem Herannahen geweissagt, dass unsere Gewehre nicht losgehen und sie unsere Tauschwaaren erbeuten würden. Vielleicht hätten sie aber doch einen Angriff nicht gewagt, wenn der Zwischenfall mit dem vermissten Sudanesen nicht eingetreten wäre. Dieser kranke, wehrlose Mensch war von ihnen niedergemacht worden, worauf sie die abgesandten Patrouillen, die sie für Strafabtheilungen hielten, angriffen. Die leichte Zersprengung derselben ermuthigte sie zu dem grösseren Angriff, der ihnen verhängnissvoll wurde.
[55] Am 25. Mai durchzogen wir stärker gewelltes Kampinen-Land, aus dem die dunklen Euphorbienhecken der Dörfer hervorsahen. Diese lehnen sich meist an malerische Anhäufungen ungeheuerer Granitblöcke, deren Zinnen den Eingeborenen als Aussichtsthürme dienen. Zugleich sind diese auch der beliebte Aufenthalt zahlreicher grosser Affen und von weitem ist es oft schwer zu unterscheiden, ob Affen oder Waschaschi auf den Felsen herumklettern. Zwischen Felsen am Gipfel eines Hügels lag auch das Dorf Uanékera, wo wir zwischen den braunen Kegeldächern der Hütten lagerten. Wir wurden freundlich aufgenommen und erhielten massenhaft Arachis, die hier die Hauptnahrung bildet. Diese Erdnuss, die geröstet einen mandelähnlichen Geschmack hat, ist in kleinen Mengen recht angenehm zu geniessen, erregt jedoch als ständige Nahrung selbst bei abgehärteten Negermagen Beschwerden, so dass es erstaunlich ist, wie die Waschaschi dieser Gegend oft fast ausschliesslich davon leben können.
Trotz der Freundschaft wurden wir Nachts durch vergiftete Pfeile belästigt, die von unsichtbaren Schützen, die wahrscheinlich in den Klüften der Felsen verborgen waren, auf die Lagerfeuer abgeschossen wurden. Morgens erschienen die Dorfältesten und fragten uns, freundlich lächelnd, wie wir geschlafen hätten. Als wir uns über die Pfeilschüsse beklagten, meinten sie, das sei ein kleiner Scherz, den die Krieger sich fremden Reisenden gegenüber zu erlauben pflegten. Ich befahl hierauf den Askari, eine der nebenstehenden Vorrathshütten für Getreide anzustecken. Als die Flamme emporloderte wollten die Aeltesten sich erschrocken entfernen, doch beruhigte ich sie mit der Versicherung, dass dies nur ein kleiner Scherz sei, den ich mir so liebenswürdigen Gastfreunden gegenüber nicht versagen könnte. Nachdem wir uns derart gegenseitig Beweise unseres Humors gegeben, nahmen wir [56] mit süss-saurer Miene von einander Abschied.
Es ist bemerkenswerth, dass bei solcher summarischen Vergeltung doch schliesslich fast immer der Schuldige getroffen wird. So wusste — wie ich später erfuhr — der Besitzer der verbrannten Vorrathshütte sofort die nächtlichen Pfeilschützen herauszufinden und für seinen Schaden verantwortlich zu machen.
Je weiter wir uns vom Nyansa entfernten, desto bergiger wurde das Land; an den Hängen wechselten stets Gras mit Feldern und kleinen Waldgruppen, in den Mulden rieselten zahlreiche wasserreiche Bäche und die Höhen waren von wilden Felszähnen gekrönt, zwischen welchen die Hütten der Eingeborenen, umgeben von dichtem Euphorbiengestrüpp, verborgen lagen. Nördlich von uns dehnte sich eine breite Senkung aus, die der Marafluss als silbernes Band durchzog, der sich, an Stelle des Rubana, als Unterlauf des Ngare dabasch erwies.
Am 27. Mai durchzogen wir ein unbewohntes Gebiet und erreichten die Landschaft Uaschi, ein leicht gewelltes, an Feldern reiches Kampinenland mit einzelnen verstreuten Kuppen, die von wilden Anhäufungen ungeheurer Granitblöcke bedeckt sind, zwischen welchen die Hütten gleich Adlernestern kleben. Mit ihren langen Speeren kletterten die Wauaschi mit unglaublicher Gewandheit über die Felsplatten und schienen bereit, ihre Hochburgen energisch zu vertheidigen, falls wir daran gedacht hätten, sie anzugreifen. Kaum hatten sie jedoch unsere friedliche Absicht erkannt, als sie uns freundlich in ihr Hauptdorf führten. Hier beginnt der Einfluss der Massai sich in Moden sehr geltend zu machen, die Ohrläppchen werden ungeheuer ausgedehnt und auch der Fell-Ueberwurf nach Massai-Art getragen. Die Nachbarschaft dieser Viehräuber zwingt die Eingeborenen auch, sich derart in den Felsen zu verbergen.
TAFEL VII
Am 28. Mai ging es durch eine breite, leicht versumpfte Niederung und über eine Hügelkette, auf der die letzten Dörfer von Uaschi lagen. Da es dort keine Felsen als natürliche Festungen gab, so mussten die Eingeborenen Steinwälle um ihre Dörfer aufrichten, deren einer (um das Dorf Matongo) einen Umfang von über 2 Kilometer hatte und mit Dornengestrüpp bedeckt war. Jenseits der Hügel ging es wieder in eine sumpfige Senkung, die nach den Regengüssen schwer passirbar war, sodass wir erst am Morgen des 29. Mai wieder Bergland erreichten. Dasselbe gehörte der Landschaft Ngoroïne oder Ungroïme an, die ähnlich wie Elmarau (Ikoma) ein Ultima Thule der Massai-Karawanen bildet. Das erste Dorf lag in einer Schlucht zwischen hohen Felsblöcken und war auf der einzig zugänglichen Seite durch eine etwa 2 m hohe Steinmauer abgeschlossen, deren Thor von Innen fest verrammelt war. Da draussen kein Raum zum Lagern war, während sich drinnen ein grosser freier Platz befand, riefen wir die Eingeborenen, die in drohender Haltung mit Bogen und Speeren zwischen den Felsen hockten, zu, uns aufzunehmen. Doch sie legten als Antwort nur die Pfeile auf und drohten, den ersten der sich der Mauer nähern [57] würde, niederzuschiessen. Dieser erste war der dicke Digo-Askari Bakari Juko, der ohne Befehl, wie gewöhnlich laut fluchend die Mauer erkletterte. Die Bogen spannten sich, unsere Gewehre waren schussbereit, doch kein Pfeil schwirrte, kein Schuss krachte; andere stiegen Bakari nach, öffneten gemüthlich das Thor von innen und mit grossem Halloh zog die Karawane ins Dorf. Als wir uns nach unseren Gegnern umsahen, waren diese erst garnicht zu sehen, dann kamen sie demüthig und unbewaffnet und wurden noch unsere besten Freunde. Später brachten sie sogar ein originelles Saiten-Instrument an, zu dessen Klang sie hübsche Tänze aufführten. Es waren grosse, schön gewachsene Leute mit angenehmen Zügen und eigenartigem, aus Fasern bestehendem Kopfputz.
Ein tüchtiges Fieber — wohl die Folge der häufigen Sumpfwanderungen — fesselte mich für einige Tage an dieses Dorf. In wenig behaglichem Zustande sass ich am Morgen des 1. Juni vor meinem Zelt, als einige Leute auf mich zukamen und mir meldeten »safari anakuja«, eine Karawane kommt. Bald erschien denn auch eine abgemagerte, verrissene Gesellschaft, in der wir kaum unsere alten Freunde, die Leute Munyi Hatibu's aus Tanga, den wir in Aruscha verliessen, wieder erkannten. Sie liessen sich an den Lagerfeuern nieder und es ging ans Austauschen der Erlebnisse. Meine Soldaten und Träger wussten viel von blutigen Kämpfen zu erzählen, aber auch die Leute von Munyi Hatibu's Karawane hatten viel durchgemacht. In Ober-Aruscha waren sie durch Hongo-Erpressungen eines Theils ihrer Waaren beraubt worden. Dann zogen sie, meinen Spuren folgend, nach Elmarau. In Mutyek und Serengeti fanden sie freundliche Aufnahme bei den Massai, litten jedoch sehr unter Hunger und 60 Mann gingen auf diesem Marsche zu Grunde. Nun hatten sie sich im Hauptdorf von Ngoroïne niedergelassen, und der Trupp dem wir begegneten, war ausgeschickt worden um nach Elfenbein zu forschen.
In ihrer Begleitung brachen wir am 3. Juni auf, durchzogen schönes, reich bebautes und dicht bewohntes Hügelland und erreichten am Morgen des 4. Hindi, das ausgedehnte Hauptdorf von Ngoroïne, das in einer Mulde am Fusse einer niedrigen Bergkette liegt. Dort hatte Munyi Hatibu ein Lager erbaut und lebte auf bestem Fusse mit den Eingeborenen. Im Vergleich zu unserer wohlgenährten Mannschaft, bot die seinige ein wahres Bild des Jammers. Es fiel mir auf, dass Munyi Hatibu fast gar keine Massai in der Karawane hatte, und ich fragte ihn ob sich denn keine Verhungernde ihm angeschlossen hätten. »Allerdings,« meinte Munyi Hatibu, »wandten sich zahlreiche [58] dieser Elenden an mich und es that mir leid genug, sie dem sicheren Tode preisgeben zu müssen, aber es musste doch geschehen, denn ich habe keine Lust mich an der Küste als Sklavenhändler aufhängen zu lassen.« Und er hatte nicht Unrecht. Denn ein Swahíli, der an der Küste behaupten wollte, er habe bei ihm aufgefundene, eingeborene Kinder nur aus Menschlichkeit aus dem Inneren mitgenommen, der würde höchstens ein Lächeln seiner Richter über eine so dumme Ausrede hervorrufen!
Munyi Hatibu bereitete mir eine Ueberraschung, indem er mir die Lasten aushändigte, die ich beim Lmorro-Bach in Mutyek vergraben hatte. Dem schlauen Swahíli war das Versteck nämlich nicht entgangen und er war ehrlich genug, mir mein Eigenthum nun zu übergeben, so dass ich, wie Polykrates zu seinem Ring, nun wieder zu meinen Glasperlen kam. Mit den Geschäften war der alte Händler keineswegs zufrieden, er hatte bisher fast gar kein Elfenbein bekommen und beabsichtigte nach Kavirondo zu ziehen. Den Mara, der einige Meilen nördlich von Ngoroïne vorbeifliesst, kennt man hier schon unter dem Namen Ngare dabasch, sodass der Zusammenhang dieser beiden Gewässer nachgewiesen war.
Wir befanden uns wieder an der Grenze des Massai-Landes, östlich von uns dehnten sich weite, unbewohnte Gebiete aus. Wir bogen jedoch gegen Süden um, durchzogen erst eine ausgedehnte, buschbedeckte Ebene und gelangten an den letzten Dörfern von Ngoroïne vorbei nach Nata. Es ist dies eine wellige Landschaft mit niedrigen Akazien, mit vielen Wasserläufen und fruchtbaren Boden, auf welchem die Pflanzungen der Nata-Leute gedeihen, deren zahlreiche Niederlassungen überall verstreut sind. Hier entspringt der Rubana, den wir am 7. Juni als kleinen Bach überschritten um dann in einem von dichtem Dorn- und Euphorbiengestrüpp umgebenen Dorfkomplex zu lagern. Die Eingeborenen, die völlig den Waschaschi von Ikoma glichen, empfingen uns mit der Freundlichkeit, die diesem harmlosen Stamm eigen ist, und brachten besonders viel Honig. Sie trugen einen eigenartigen Kopfschmuck aus Käferflügeldecken, der beim Gehen klapperte.
Als ich gegen Abend gerade beim schwarzen Kaffee sass, kamen plötzlich die Dorfältesten ganz angstbebend und beschworen mich, sie zu retten, »die Massai kämen.« Diese Gefahr konnte mich allerdings nicht im Genuss meines »Schwarzen« stören; ich begnügte mich, einige Askari vor das Dorf zu schicken. Wirklich hörte man nach einiger Zeit einen gellenden Gesang: es war ein Trupp Elmoran, die unweit des Dorfes vorbeikamen, wohl ein paar arme, hungrige Teufel, die irgendwo einige Ziegen gestohlen hatten und nun mit Triumphgeschrei heimwärts zogen. Zu ihrem Glück dachten sie nicht daran, unser Dorf zu belästigen und ihr Gesang verklang in der Ferne. Die angsterfüllten Waschaschi hatten sich jedoch so gründlich verkrochen, dass wir sie selbst am nächsten Morgen nicht mehr zu sehen bekamen.
[59] Ein tüchtiger Marsch brachte uns am 8. Juni durch stets offenes, bewohntes Land nach Ikoma, wo wir den alten Lagerplatz vom 2. April wieder bezogen. Auch diesmal standen wir in freundlichem Verkehr mit den Eingeborenen. Zwei weitere Tagereisen brachten uns durch die südlichen, am Grumeti gelegenen Dorfgebiete Ikomas, deren äusserstes Urungu ist. Die Dörfer mit ihren Feldern schliessen sich meist an den schmalen, aber hochstämmigen Galleriewald des fischreichen Grumeti, während das übrige Land, dornige, offene Nyika ist. Auch das niedrige Stachelgestrüpp hörte auf als wir am 11. Juni erst den Grumeti, dann dessen Randberge überschritten und in weite, fast baumlose Grassteppe eintraten. Einzelne Wasserrisse mit schmalen, dunklen Vegetationsbändern durchzogen die gelbe Fläche, am Horizont standen reihenweise hohe Schirmakazien und Gruppen von Borassus-Palmen. Grosse Heerden von Antilopen umschwärmten uns. Ein ausgetretener Pfad durchschnitt diese Einöde, der den Handelsweg der Wasukuma, der nördlichsten Wanyamwesi mit den Schaschi-Gebieten bildet. Wir begegneten mehrfach kleinen Gruppen derselben, die mit Hackenklingen und trockenen Fischen gegen Norden zogen.
Durch topographische Arbeiten aufgehalten, war ich gerade ein gutes Stück hinter der Karawane zurückgeblieben, als ich wahrnahm wie die Träger, die sich eben zu kurzer Rast niedergelassen, plötzlich aufstanden und ein wüthendes Feuer auf einen Punkt in der Ebene eröffneten. Leider lag dieser Punkt gerade zwischen ihnen und mir, sodass ich mich zu meinem geringen Vergnügen im dichtesten Kugelregen befand. Doch zum Glück hörte das Schiessen bald auf und ein mächtiges Triumphgebrüll ertönte; die Leute hatten, wie ich beim Näherkommen sah, einen Löwen getödtet. Derselbe erhob sich plötzlich aus dem Grase, wo er wahrscheinlich sanft geschlummert hatte, und bekam sofort ganze Salven in den Leib gefeuert. Ganz ausser sich vor Freude rissen die Leute dem Thiere das Herz aus und verschlangen es, um Löwenmuth zu bekommen, was jedenfalls nichts schaden konnte.
Die trockene Jahreszeit machte sich immer mehr geltend, in den Wasserrissen fanden sich nur spärliche Tümpel, das hohe Gras war gelb und dürr und in der Ferne stiegen schon die weissen Wolken der Grasbrände auf, die Nachts den Himmel mit glühender Lohe übergossen.
Am Mittag des 12. Juni betraten wir wieder bewohntes Gebiet von Ututwa, eine Landschaft, die bereits dem nördlichen Usukuma angehört. Mit ihren trockenen Wasserschluchten, ihren öfter von Granitkuppen gekrönten Hügelzügen, machte sie gerade nicht den Eindruck besonderer Ueppigkeit; doch die weiten, dem Schnitt entgegenreifenden Sorghumfelder bewiesen, dass auch dieser Boden kulturfähig ist. Auch die Dörfer, deren Hütten zwischen den Felsen gelagert sind, machten den Eindruck des Wohlstandes. Die in Schmutz starrenden Eingeborenen freilich, mit ihren Ziegenfellschürzchen, die oft kaum die Brust bedecken, mit ihren Lederschilden, Speeren und wildem Kopfputz, machten keinen übermässig civilisirten Eindruck. Dennoch waren es schon echte Wanyamwesi, Leute, deren viele an der [60] Küste gewesen und die Weltsprache Ostafrikas, das Kiswahíli, recht leidlich verstanden. Obwohl noch nie ein Weisser das Land betreten, erregte mein Erscheinen hier doch kein besonderes Aufsehen. Die Leute führten uns ins Dorf, brachten reichlich Nahrung und feierten dann ein Freudenfest, bei dem viel Pombe getrunken und Hanf geraucht wurde, was für uns noch unangenehme Folgen haben sollte.
Als wir nämlich am Morgen des 13. Juni aufbrachen, rotteten sich zahlreiche halb betrunkene Krieger zusammen und verfolgten uns mit wildem Geschrei. Gegen dieses hatten wir nichts einzuwenden, wohl aber dagegen, dass sie uns später mit Pfeilen beschossen, was wir mit der üblichen Salve beantworteten, die auch hier ihre Wirkung nicht verfehlte. Die Schaar der Betrunkenen stob auseinander. Aber die Schüsse liessen leider auch die Nüchternen vermuthen, dass wir Böses im Schilde führten, und überall sah man dunkle Krieger-Gestalten aus den Dörfern hervorkommen und, in langen Linien schwärmend, sich uns nähern. Ich rief ihnen Friedensversicherungen zu, die sie jedoch nur mit Kriegsgeschrei erwiderten, das in komischer Weise das Geheul der Hyäne, U-u-hi! nachahmte. Ich besetzte ein Dorf, das von Menschen verlassen schien, liess die Lasten dort zurück und begann dann, den Gegner anzugreifen. Mit wohlgezielten Salven — der besten Feuerart gegen Wilde — trieben wir die U-u-hi-Schreier in die Flucht und bald rannten sie querfeldein, verfolgt von ironischem U-u-hi-Geschrei meiner Leute. Die Träger hatten inzwischen die Granitfelsen, die beim Dorfe lagen, gründlich untersucht und in den Klüften zahlreiche Weiber und Kinder gefangen. Nun waren wir die Herren der Situation — zwar kehrten die Hyänen-Krieger noch einmal zurück, doch wurden sie ebenso leicht, und zwar diesmal allein von den Trägern verjagt, die [61] sich dies als Gunst erbeten hatten, und aus ihren Vorderlader-Flinten tadellose Salven abgaben. Einige junge Burschen, die offenbar zu den Habitués der Exerzierplätze von Tanga und Pangani gehörten, kommandirten dabei mit der schnarrenden Schneidigkeit eines alten Unteroffiziers.
Nachmittags kamen einige alte Leute mit einer Ziegenheerde ins Lager und erklärten, sie hätten nun genug des Krieges, wir möchten diese Heerde nehmen und ihnen ihre Weiber geben, was auch geschah. Es dauerte keine Viertelstunde, so kamen die Eingeborenen wieder ins Lager, begannen Lebensmittel zu verkaufen als ob nichts geschehen wäre und erzählten uns, dass so und so viel Leute todtgeschossen wurden. Einer meinte ganz harmlos: »Wir haben jetzt unsere Prügel: das genügt uns.« Ganz scheint es ihnen aber doch nicht genügt zu haben, denn als mehrere Wochen später Lieutenant Werther durch das Land kam, griffen sie ihn ebenfalls an und holten sich neue Hiebe.
Am 14. Juni erreichten wir nach Ueberschreitung des Duma-Baches die Landschaft Ntussu. Eine weite, leicht gewellte Ebene dehnte sich vor uns aus, in der sich nur einzelne Granithügel erhoben. Ungeheure Sorghum-Felder bedeckten das Land, in welchen man überall die Gestelle mit den schreienden und winkenden, lebenden Vogelscheuchen erblickte. Dazwischen grosse Dörfer mit breiten, ausgetretenen Wegen zwischen Euphorbienhecken, an welchen die kleinen eingezäunten Hüttenkomplexe grenzen. Die Eingeborenen nahmen uns mit Begeisterung auf, viele von ihnen waren an der Küste gewesen, was sie nicht abhielt in sehr einfacher Fellkleidung, oft sogar splitternackt einherzulaufen.
Am 17. Juni verliessen wir Ntussu und traten auf viel begangenem Wege, der nach den Salzlagern des Nyarasa führt, in die Steppe. Das Land wurde fast völlig flach, ausgedehnte Wiesengründe ohne Baumwuchs wechselten mit niedrigen Bodenschwellungen, auf welchen ärmliches Stachelgestrüpp gedieh. Am 18. überschritten wir den Simiyu-Fluss, der kein fliessendes Wasser enthielt und dessen tiefes Bett von dürren Akazien eingesäumt ist. Inmitten verbrannter, öder Steppe lagerten wir bei einigen Tümpeln, unweit eines riesigen einzelnen Baobabs Namens Mwandu, der von den Wasukuma als Sitz eines Geistes verehrt und mit Grasbüscheln bestreut wird.
Am 19. Juni wurde das Land welliger, von breiten, trockenen Wasserrissen durchzogen. Einzelne Felskuppen tauchten auf und vor unseren Blicken dehnten sich weite, gelbe Sorghumfelder: wir hatten die Landschaft Meatu, jenen äussersten Vorposten Usukuma's gegen die Steppe zu, erreicht. Aus den dunklen Euphorbien-Hainen der Dörfer kamen Eingeborene hervor: es waren nicht nur Wasukuma, sondern auch Wataturu die hier eine Kolonie besassen und sich durch scharfe hamitische Gesichtszüge auszeichneten.
An diesem weltentlegenen Platz, nach allen Seiten hin von Einöden umgeben, hatte ein Halbaraber Munyi Hemedi (Mwelekwanyuma) eine Niederlassung gegründet und sandte seine Jäger hinaus in die weite Steppe zur Verfolgung des edlen Dickhäuters, dessen Zähne [62] ihn in diese Einsamkeit gelockt hatten. Munyi Hemedi hatte schon von unserem Herannahen gehört und kam uns entgegen. Es war ein netter lichtfarbiger Swahíli mit intelligentem Gesichtsausdruck, in tadelloses Weiss gekleidet. In seiner Gesellschaft befand sich eine Schaar baumlanger, herkulischer Gestalten in zerfetzter Küstentracht, viele mit weissem Haar und kühn blitzenden Augen, das lange Feuerrohr geschultert: die Elephantenjäger. Sie wurden gewöhnlich Makua genannt, da die ersten Leute, die dieses abenteuerliche Gewerbe betrieben, dem Stamm der Makua angehörten. Gegenwärtig sind es Leute aus allen Küstengegenden, die sich der Elephantenjagd widmen, in kleinen Trupps Jahre und Jahrzehnte lang das Innere durchstreifen, sich in Wildnisse wagen, die selbst ein Eingeborener kaum jemals betritt und in ihren Zügen bis Unyoro und Manyema vordringen.
Zwischen zwei Felskuppen hatte Munyi Hemedi seine Niederlassung errichtet. Ihren Mittelpunkt bildete ein von einem Tembe umschlossener Hof, rings herum waren Hütten im Eingeborenen- und Küstenstil verstreut, alles nett und rein gehalten. Zahlreiche Weiber in Küstentracht begrüssten mit Jubelgeschrei die Karawane und noch zahlreichere braune, halbnackte Kinder lugten aus den Hütten hervor. Die Letzteren waren fast alle hier geboren, denn die Niederlassung bestand schon seit sechs Jahren. Erfreut, wieder einmal unter civilisirten, oder doch halbcivilisirten Menschen zu sein, schlugen wir Lager und ahnten nicht, dass unsere Ankunft zur Auflösung dieser hübschen Niederlassung Veranlassung geben sollte.
In reichen Mengen brachten die Eingeborenen Mehl und Hülsenfrüchte; sie alle schienen Munyi Hemedi, der sie mit seinen Jägern vor einigen Jahren aus Massai-Gefahr errettet, sehr hoch zu achten. Ich [63] beschloss, in Meatu eine Anzahl kranker Leute, darunter besonders Kiroboto, der noch stets in der Hängematte getragen werden musste, zurückzulassen, ebenso auch das Vieh und den grössten Theil der Lasten, um mit leichter Expedition einen Vorstoss in das Gebiet des Eyassi-See zu machen. Dieser war den Elephantenjägern unter den Namen Mangora wohl bekannt, doch erklärten sie, dass ein direkter Vorstoss nach Westen in gegenwärtiger trockener Jahreszeit nicht möglich wäre und verwiesen uns auf den Pfad, der nach den Salzlagern von Nyarasa führt.
Wir brachen am 22. Juni auf, überschritten den Semu-Fluss, der klare Wassertümpel enthält und betraten das Dorfgebiet von Igulya, dem südlichsten Bezirk von Meatu, das gut bebautes Land und schöne Wiesen, aber nur schlechtes, faulig riechendes Trinkwasser hat. Dann gelangten wir in unbewohntes, vom Pfad der Salzkarawanen durchschnittenes Land. Der Boden war stets leicht gewellt, oft mit Quarzsplitter bestreut und mit dünnen Streifen Gras bewachsen. Einzelne breite, sandige Bachbette durchziehen die Senkungen und enthielten Wassertümpel, in anderen konnte man durch Graben schlechtes Wasser erlangen. Lichter, hochstämmiger Schirmakazienwald wechselte mit ödem, verbranntem Grasland und Stachelgestrüpp. Dicke Baobabs sind häufig, in welchen die Kletterpfosten eines Steppenvolkes, der Wanege, zu sehen sind, welche die Bäume auf der Suche nach Waldhonig ersteigen. An den Bachrissen gedeiht oft dichte Gallerievegetation, Tamarinden und ganze Wälder von Borassus-Palmen, in deren Schatten üppiges Grün aufschiesst. Wild sieht man nur wenig, doch giebt es auffällig viel Löwen, die Nachts das Lager umbrüllten.
Am 25. Juni stiegen wir den niedrigen aber steilen Abfall zum Wembere-Graben ab. Vor uns dehnte sich eine ungeheure Fläche mit erst sandigem, dann lehmigem Boden ohne Graswuchs aus, nur stellenweise bedeckt mit kriechendem Akaziengestrüpp. Zahlreiche Nashorne belebten den Rand dieser Wüste, von welchen ich eines, ein riesiges, weibliches Thier erlegte. Am Marago Mihinani fanden wir durch Graben Wasser in einem Bachriss und lagerten, um am nächsten Morgen weiter zu ziehen. Immer öder wurde die Steppe, der Strauchwuchs hörte fast ganz auf und in dicken Krusten bedeckte weisses, glänzendes Salz den Boden, das unter unseren Tritten wie Schnee knirschte.
Von Nordost, vom Eyassi-See her raste fast ununterbrochen ein Sturmwind über die Ebene, geschwängert von dichten salzigen Staubwolken, die alles einhüllen und ein intensives Durstgefühl hervorrufen. Fern im Norden tauchten durch den Staubnebel die dunkeln Umrisse der Neirobi-Berge auf. Auch die übliche Wüsten-Staffage, gebleichte menschliche Skelette, morsches Tragzeug und zerbrochene Töpfe, fehlte nicht: Eine Wasukuma-Salz-Karawane war hier vor längerer Zeit von Massai überfallen und niedergemacht worden. Wild ist nicht mehr zu sehen und die einzigen lebenden Bewohner scheinen mächtige Sandvipern, die mehrmals fauchend neben uns ihr geschwollenes Haupt erhoben.
[64] Wir erreichten den Simbiti-Fluss, ein brackisches Gewässer mit lehmigem Löss-Ufer, auf welchem Schwärme von Flamingos und Pelikanen sitzen: der Unterlauf des Wembere. Die Leute waren durch den Durst, den salziges Wasser nicht stillen konnte, aufs Aeusserste erschöpft: ein weiteres Vorgehen in dieser Wüste hätte sicher Opfer an Menschenleben gefordert. Da jedoch der Zweck unseres Ausfluges, der Nachweis des Zusammenhangs zwischen Wembere und Eyassi-See, zweifellos nachgewiesen war, so hielt ich eine Verlängerung desselben nicht mehr für unumgänglich nöthig und trat den Rückweg nach Meatu auf anderer Route an.
Man sollte glauben, dass eine Wüste, in der ein Salzwind weht, zwar kein paradiesischer, aber doch ein gesunder Aufenthalt sei. Es erwies sich jedoch das Gegentheil; ein grosser Theil der Mannschaft und auch ich selbst wurde von heftigen Fiebern ergriffen. In solcher Zeit, wo man sich kaum auf dem Reitesel erhalten kann, wo der Kopf glüht und wilde Fieberbilder jedes klare Denken verwirren, in solchen Momenten die topographische Aufnahme ununterbrochen durchzuführen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben des wissenschaftlichen Reisenden. Erst in Meatu, wo wir am 1. Juli anlangten, fand ich die nöthige Erholung und gönnte mir und meinen Leuten eine Rast von 10 Tagen.
Während dieser Zeit hatten die Elephantenjäger, besonders aber ihre Weiber und Töchter, sich sehr mit meinen Leuten befreundet und lagen Munyi Hemedi fortwährend in den Ohren, diese Einöde zu verlassen, und sich mir anzuschliessen. Da dieser sehr begreiflicher Weise nichts davon wissen wollte, seine Niederlassung ohne besonderen Grund aufzugeben, so suchten sie ihn durch ein schlaues Manöver dazu zu zwingen. Einige Jäger brachen nämlich einen Streit mit den Eingeborenen vom Zaun, griffen sie an und brannten eines ihrer Dörfer nieder. Dadurch aufgeregt, sammelten sich die Wasukuma, die sonst stets sehr friedliche Leute gewesen, in grossen Schaaren und rückten gegen das Dorf, so dass es meines Einschreitens bedurfte, um sie zu verjagen. Dann erklärten die von Munyi Hemedi nicht abhängigen Jäger, etwa 20 Mann, mit mir aufbrechen zu wollen. Die übrigen 40 wollten zwar bei ihm aushalten, redeten dem ängstlichen Manne jedoch ein, dass dies unter den gegenwärtigen Umständen gewagt sei.
Als wir am 10. Juli aufbrachen, schloss sich uns ein ganzer Tross von Jägern mit Weib und Kind an. Munyi Hemedi hoffte bis zum letzten Augenblick bleiben zu können, doch als er sah, wie einer nach dem Anderen uns nachfolgte, packte schliesslich auch er seine Siebensachen und zog ab: die Niederlassung war verlassen.
Am Nenge-Bach, einem Wasserplatz am Rande der Steppe, hielt ich mit den Jägern grosse Berathung ab. Die 20 Makua, welche nicht Munyi Hemedi's Leute waren, sondern nur seine Niederlassung bewohnten, sagten sich endgiltig von ihm los, die übrigen gelang es mir zu bewegen, bei ihm zu bleiben, doch nur unter der Bedingung, [65] dass er Meatu, das sie schon gründlich satt hatten, verliesse. Es blieben nur die Alten und Gebrechlichen, darunter ein feister Blinder, der Jahre in seiner Hütte kauernd verbracht hatte und nun kaum mehr gehen konnte. Diese willigte ich ein, nach Mwansa zu bringen, wo sie unter dem Schutze der Station ihr Dasein fristen konnten. Munyi Hemedi zog auf mein Anrathen mit seinen Leuten ab nach Uduhe, wo er mehrere Monate später von Herrn Wolf gesehen wurde.
TAFEL VIII
Ich schloss mit den Makua, welche der Expedition beitraten, einen Vertrag, worin sie sich zu unbedingtem Gehorsam und zu allen Arbeiten bereit erklärten, wofür ich ihnen versprach, für sie eine Niederlassung im elephantenreichen Umbugwe zu gründen. Ich forderte sie dann auf, mir ihr Oberhaupt zu zeigen, worauf die baumlangen Kerle, unter denen sich auch einige grauhaarige befanden, zu meinem Erstaunen einen kleinen, hübschen Jungen von etwa 12 Jahren anbrachten. Es stellte sich heraus, dass sie wirklich alle die Sklaven dieses Jungen waren. Obwohl ich also seine Oberherrlichkeit anerkennen musste, bestimmte ich doch als seinen Stellvertreter den ältesten Jäger Fundi Mazazwa. Dann fragten mich die Leute, wie ich hiesse, worauf ich ihnen meinen Namen nannte. Denselben fanden sie »ngumu« (hart) und fügten in der blumenreichen Ausdrucksweise des Kiswahíli hinzu: »Umevunja mapori ya Massai, umevunja nguvu za washenzi, umevunja mji etu: bassi jina lako bwana Kivunja!« (Du bist durch die Massai-Steppen gebrochen, Du brachst die Kraft der Wilden, Du hast unsere Niederlassung gebrochen [gesprengt]: so heisse denn »der Brecher«.) So hatte ich denn einen schönen Namen und war auch für meine Leute von nun an stets der Bwana Kivunja.
Mit den Makua war das Element des »ewig Weiblichen« in der Karawane zur wahren Hochfluth angewachsen. Dasselbe war schon früher in stetem Steigen begriffen; aus den drei Weiblein, mit welchen wir Tanga verliessen, waren schon längst dreissig und mehr geworden; denn solch' eine Karawane übt auf die Schönen des Landes eine zauberhafte Anziehungskraft. Gar mancher schwarzen Dame aus Umbugwe und Schaschi, aus Ukerewe und Usukuma gefiel der flotte, reinliche Swahíli besser als der schmutzige Gatte mit seinem Ziegenfellchen. Nachts verliess sie das sichere Heim und lief der Karawane oft tagelang nach, um im Lager flüchtig geknüpfte Bande zu dauernden zu machen. Selbst dem Sultan Lukonge waren mehrere seiner zahllosen »Sultaninnen« — und nicht die schlechtesten — ausgerückt, indem sie einen ganzen Träger dem hundertsten Theil eines Sultans vorzogen. Nur selten kam der erboste Ehegatte nachgeeilt und erhielt die ungetreue Gattin zurück, meist liess er sie laufen und freute sich wohl noch darüber. Doch nun kamen plötzlich über sechzig Weiber und zahlreiche Kinder zur Karawane, denn jeder Makua hatte mindestens drei »Surias« (Kebsweiber) bei sich. Man sollte glauben, dass solcher Tross den Marsch verzögert, was jedoch kaum der Fall ist. Bepackt mit hohen Schachteln, in welchen Mehl und andere Lebensmittel verstaut sind, mit Kochgeschirr und allerlei Hausrath, womöglich noch einen [66] Sprössling auf dem Rücken, marschirten die Weiber tapfer mit. Selbst die Kinder liefen im scharfen Tempo der Karawane und wurden, wenn sie müde waren, von ihren kraftvollen Vätern auf die Schulter gehoben. Im Lager war das Walten der Weiber ein höchst wohlthätiges; die ermüdeten Leute konnten ihre Ruhe völlig geniessen, denn das Sammeln von Brennholz und Wasserholen, das Mehlmahlen und Kochen, dies alles besorgten die Weiber, während die muntern Kinder durch Spiele und heiteres Wesen Leben in das Bild brachten.
Die Makua machten sich von Anfang an nützlich und bewiesen, dass sie in der Kunst des Buschlebens uns doch noch weit über waren. Vor allem verstanden sie es vorzüglich in unglaublicher Schnelligkeit wasserdichte und behagliche Grashütten aufzurichten, was meine Leute ihnen bald ablernten, wodurch unser Lager einen besonderen Charakter erhielt. Auch als geschickte Jäger zeigten sie sich und lieferten häufig grosses und kleines Wild für die Küche.
Vom Nenge-Bach, der nur spärlich Wassertümpel enthält, zogen wir durch fast flache, trostlose Baumsteppen zum Marago Saïd bin Sef, einem Lagerplatz, der nach dem früheren Vorstand der Araber-Kolonie Magu benannt ist, wo einige Lachen uns Erquickung boten. Am 12. Juli durchwanderten wir, von den Makuas geführt, wegelose, offene Steppe und überschritten den Simiyu, der zu dieser Jahreszeit nur grosse Tümpel enthält, in welchen sich Welse und sogar Flusspferde finden, die zur Regenzeit vom Nyansa aus hierher gelangen.
Durch flache Steppe gelangten wir zu den nahe aneinander gelegenen Dorfgebieten von Dudumo und Sagayu, kleinen, an die Steppe grenzenden Ortschaften, welche von Flüchtlingen aus Uduhe, Usmau und Ntussu bewohnt sind, die schöne Kulturen und ansehnliche Hütten besitzen. In einer der letzteren fand ich zu meinem Erstaunen ein französisches Erbauungsbuch und eine Kiganda-Bibel und erfuhr später, dass dieselben von dem Ueberfall einer Missions-Karawane in Sengerema herstammten. Gegenwärtig sollen die Bücher als Kopfputz bei Tänzen dienen, eine Verwendung, die ihre frommen Verfasser wohl kaum voraussahen.
Am 15. Juli passirten wir abermals den hier völlig trockenen Simiyu-Fluss und gelangten in die Landschaft Nyasambe, wo Wasukuma aus Mwagala wohnen, die besonders viel Baumwolle bauen. Sie spinnen daraus ungemein schöne feste Doppelgewebe, eine Kunst, die in Usukuma weit verbreitet ist. Am 16. Juli überschritten wir mit dem trockenen Ididi-Bache die Grenze von Usmau. Eine weite, sanft gewellte Ebene dehnte sich vor uns aus, überall sah man Felder von ungeheurer Ausdehnung, dazwischen die ansehnlichen von Euphorbien umgebenen Dorfkomplexe. Angebaut wird hauptsächlich Sorghum, weniger Mawele (Penicillaria), vereinzelt auch Reis. Die Eingeborenen sind grosse Reisende, fast alle jungen Leute sind an der Küste gewesen [67] und neben fast nackten Burschen mit elendem Ziegenfell sieht man Gestalten mit Flanellbeinkleidern, schwarzem Salonrock und mächtigem grauen Schlapphut. Sie erzählten mir allerlei Neuigkeiten, darunter auch die von meinem eigenen Tode. Der Europäer, meinten sie nämlich, der früher in Katoto sass, sei von den Wagaya todtgeschlagen worden. Andere behaupteten, er wäre vielleicht doch nicht ganz todt, habe jedoch eine Speerwunde erhalten. Ich lachte damals über dieses Negergeschwätz, konnte ich doch nicht ahnen, dass sich ein schlauer Europäer (der Stationsvorsteher von Mwansa) finden würde, der nichts eiligeres zu thun hatte, als diesen Unsinn nach der Küste zu melden, von wo er nach Europa gelangte und dort unnütze Besorgnisse hervorrief.
Am 19. Juli hatten wir Usmau hinter uns und betraten Usukuma im engeren Sinne, wie die Landschaften am Nyansa genannt werden. Am nächsten Tage stiegen wir den steilen Abfall zum See ab und erreichten gegen Mittag die Station Mwansa. Wieder breitete sich der herrliche See vor uns aus und drüben, jenseits der Bai, tauchten die grünen Ufer Usinja's verheissungsvoll aus der tiefblauen Fluth.
Durch Usinja. — Ussui. — Kassussura's Residenz. — Uyogoma. — An der Nil-Fähre. — Urundi. — Freudenfeste der Warundi. — Der Akanyaru. — Ruanda. — Raserei der Warundi. — Gefecht mit Watussi. — An der Nilquelle. — Uebersteigung der Missosi ya Mwesi (Mondberge). — Am Tanganyika.
An den Gestaden der Bukumbi-Bai stand die Expedition abermals an einem Wendepunkt. Der Marsch durch's Massai-Land und die Erforschung der östlichen Nyansa-Gebiete war vollendet, nun hätte programmmässig die Reise nach den südlichen Massai-Gebieten folgen sollen. Ich brachte es jedoch nicht über mich, meine Schritte ostwärts, nach der Küste zu lenken. Denn im Westen, an der Grenze des deutschen Schutzgebietes, lockten mich gänzlich unbekannte Striche, welche die letzten Räthsel des alten Nilproblems bargen. Allerdings hatte Stanley vor fast zwanzig Jahren vergeblich versucht in jene Gebiete einzudringen und das mächtige Prestige, welches dieser Reisende mit Recht geniesst, hatte seither andere abgehalten, ihre Schritte dahin zu lenken. Aber ich besass eine vorzüglich eingeschulte, leistungsfähige Mannschaft; das Material der Expedition war noch in gutem Stande, ich selbst fühlte mich gesund und kräftig: wenn es irgend Vorbedingungen gab die ein Gelingen erhoffen liessen, so waren es diese.
In den Instruktionen freilich, die meine Auftraggeber mir fürsorglich mitgegeben, war das Gebiet meiner Forschungen so ziemlich umgrenzt und von jenen entfernten Ländern stand keine Zeile darin zu lesen. Aber solche Instruktionen sind ja nur dazu da, um nicht befolgt [69] zu werden: entweder sie verlangen zu viel oder zu wenig von dem Reisenden, im letzteren Fall werden sie überschritten — »und wenn es glückt, so ist es auch verziehn.«
So begann ich denn meine Vorbereitungen für den Marsch nach dem Westen. Ich liess alle Lasten, die nicht unbedingt nöthig waren, bei Seite packen, wählte eine Anzahl schwacher Leute aus und sandte diese, sowie einige angeworbene Wasukuma, unter Befehl des Askari Mzee bin Jumah, eines älteren, vorsichtigen Mannes, voraus nach Tabora mit der Instruktion, mich dort zu erwarten. Ferner entliess ich sämmtliche Sudanesen bis auf einen (Faraj Abdallah) und gab sie an die Station Mwansa ab, da sie für meine Zwecke gänzlich unbrauchbar waren. Alle Leute, mit Ausnahme der Sudanesen, schieden nur sehr ungern von der Expedition und mussten förmlich gezwungen werden, mit Mzee zu marschiren, obwohl sie ganz gut wussten, welch' abenteuerliche Reise wir vorhatten.
Der Aufenthalt in Mwansa war nicht übermässig angenehm. An die Stelle des liebenswürdigen Kompagnieführers Langheld war ein Feldwebel getreten, der als Gärtner wohl vorzügliche Eigenschaften besass, im Uebrigen jedoch mit seinem Vorgänger nicht rivalisiren konnte. Dazu kam, dass mir ein Unfall passirte, der leicht ernste Folgen haben konnte. Ein Träger kam nämlich eines Morgens zu mir und erklärte, sein Gewehr wolle nicht losgehen. Als ich selbst versuchte, ging das Gewehr allerdings los, aber nach rückwärts und scharfer Pulverdampf drang mir in die Augen. Eine heftige Entzündung war die Folge, die mich zwang, acht Tage mit verbundenen Augen im Zimmer zu sitzen. Ich siedelte während dieser Zeit nach Nyegesi über. Es war dies eine französische Missions-Station, die für einige Zeit an die Seen-Expedition des Antisklaverei-Komite vermiethet worden war und wo mein armer Landsmann Baron Fischer vor Kurzem seinen Tod gefunden. Seine gründlichen topographischen Kenntnisse — er war ein Zögling des Wiener militärisch-geographischen Instituts — sowie sein wissenschaftlicher Eifer liessen glänzende Leistungen von ihm erwarten, als er leider durch ein tückisches Fieber dahingerafft wurde. Zur Zeit meiner Anwesenheit befand sich in Nyegesi nur der Steuermann Blatt, welcher in der zur Werkstatt umgewandelten Kapelle eifrig an einem Boote hämmerte.
Während ich in Nyegesi krank lag, hatte Mzimba das Uebersetzen der Karawane über die Bucht mit grossem Geschick besorgt. Es war das keineswegs eine leichte Aufgabe, da uns nur wenige und sehr elende Kanus zu Gebote standen und besonders die Rinder grosse Schwierigkeiten machten. Dieselben in das schmale Fahrzeug zu verladen, erwies sich als unmöglich und so mussten sie schwimmend über den breiten Seearm gelangen, was auch ganz gut ging. Am 2. August bezog Mzimba in Ngoma, einem kleinen Dorf des Wasinja-Häuptlings Rotakwa, das Lager. Ich selbst konnte erst am 7. August Nyegesi verlassen. Ich begab mich zu jener felsigen Landzunge, von der aus die Ueberfahrt stattfindet und setzte in etwa einer Stunde an's andere Ufer, wo ich von meinen Leuten mit Freudengeschrei begrüsst wurde.
[70] Eine Musterung ergab, dass alles in schönster Ordnung war: alle kränklichen und schwächlichen Leute waren mit Mzee nach Tabora gegangen, die Lasten waren bedeutend vermindert und leicht verpackt worden, für die 30 Rinder, die wir mithatten, waren reichlich Treiber vorhanden und der Unternehmungsgeist, der aus den Blicken der gesunden, nun völlig ausgeruhten Leute sprach, war mir eine Gewähr des Erfolges.
In meinem Haushalt war eine kleine Aenderung vorgegangen indem der Koch, den ich von der Küste mitgebracht, nun nicht mehr da war. Ich hatte ihn an einen Agenten der britisch-ostafrikanischen Gesellschaft, den ich in Mwansa traf, abgetreten, da die Küchenjungen und besonders die Küchenmädchen, von welchen es jetzt wimmelte, ihm seine Kunst bereits abgelernt hatten. Ueber ihnen stand, als unumschränkte Herrscherin, die »Mami safari«, Kibibi, die alle Strapazen und Entbehrungen mit gleich unverwüstlicher Gesundheit und trefflichem Humor ertrug.
Auch einer meiner Dienerjungen musste krankheitshalber in Mwansa bleiben, doch fand ich vollen Ersatz an Hamadi (Pflaume), einem etwa vierzehnjährigen Jungen, der durch den Tod seines Herrn, eines Unteroffiziers, dienstfrei in Mwansa weilte. Trotz seiner Jugend hatte er schon viel mitgemacht und war bei der verhängnissvollen Wahehe-Expedition Zelewsky's mit dabei gewesen. Es war der richtige Buschboy, ein anstelliger, aufgeweckter Junge und ein Kerl, der selbst im dichtesten Kugel- und Pfeilregen nicht von seinem Herrn wich.
Am Tage meiner Ankunft in Ngoma gebar ein Makuaweib einen Sprössling, der blassroth gefärbt war und sich — wie alle neugeborenen Neger — nur durch den Typus von europäischen Säuglingen unterschied. Erst nach Tagen bricht das dunkle Pigment durch und der kleine Mensch erscheint in schwarzer Farbe. Dieser Junge, der mir zu Ehren den Namen Kivunja erhielt, war der erste einer langen Reihe von Nachfolgern, die alle unterwegs das Licht der Welt erblickten. Unter dem Grasdach der Lagerhütte, ja oft in einem Gebüsch am Wege wurde das Weib von Wehen überkommen und am nächsten Tage schon konnte sie, mit dem Neugeborenen auf dem Rücken, weiter marschiren.
Am 9. August verliessen wir das buchtenreiche Ufer des Nyansa und zogen durch leicht gewelltes, von lichtem Steppen-Wald bedecktes Land. Die grosse Trockenzeit nahte ihrem Ende und einzelne Schauer deuteten das Herannahen der kleinen Regen, der mwua za mwaka, an. Gelb und dürr hingen die Blätter an den Bäumen, wodurch die Landschaft ein herbstliches Gepräge erhielt, das durch die traurigen, verbrannten Grashalden, den trüben Himmel und besonders durch den scharfen Nordwind gesteigert wurde, der vom Nyansa herüberstrich. Doch schon machte sich die Wirkung der jüngsten Regen bemerkbar, aus den schwarzen Brandflächen spross das zartgrüne, junge Gras hervor und neben dürrem Laub schlugen an den Bäumen grüne Knospen aus — ein Bild der ewig jungen Tropenwelt. In dem gänzlich unbewohnten Gebiet sah man Spuren früherer Siedelungen; die Ackerfurchen sind noch [71] erkennbar und nicht selten trifft man tief ausgeriebene Mahlsteine. Die Wangoni haben diese früher reichen Gebiete entvölkert.
Am 12. August gelangten wir wieder zu Dörfern, die dem Wasinja-Distrikt Ugulula angehören. Ausgedehnte Maniokfelder, in welchen gleichzeitig auch süsse Kartoffeln gebaut werden, bedecken hier das Land, in den Wasserrissen und Mulden gedeihen prächtige, tiefschattige Wäldchen, überragt von schlanken Phönix-Palmen. Ueberall sieht man kleine Dörfer mit leichten lebenden Hecken, an welchen sich Bohnengerank hinaufschlingt, und in denen die netten Grashütten unregelmässig verstreut sind. Neben ihnen stehen Vorrathshütten aus eigenthümlichem, cigarrenförmigem Grasgeflecht, [72] welche Getreide enthalten. Die Eingeborenen sind Wasinja, geschickte Schmiede, welche ihr Handwerk in offenen Grashütten ausüben und schöne Speere, Pfeile und Hacken anfertigen, eine Kunst, der sie das viele Baumwollzeug verdanken, das sie von anderen Stämmen eintauschen. Ihr Häuptling Mtikiza besuchte uns und bat, wir möchten einen seiner Feinde bekämpfen, was uns natürlich gar nicht einfiel.
Ausser diesem menschlichen hatten Mtikiza und seine Leute noch einen thierischen Feind, der nicht so leicht zu besiegen war. Es war das ein alter Bekannter von der Westküste Afrika's, den ich hier zum ersten Male traf, ohne sagen zu können, dass mich dieses Wiedersehen besonders erfreute. Ich meine den Sandfloh, Pulex penetrans, jenes widerliche Insekt, welches sich in die Zehen und in andere Körpertheile des Menschen einbohrt. Als ich 1885 den Kongo bereiste, war der Sandfloh, der bekanntlich aus Brasilien stammt und von Schiffen mit Sandballast nach West-Afrika gebracht wurde, erst am Stanley-Pool. Durch die Kongo-Dampfer gelangte er rasch nach Stanley-Falls und verbreitete sich über Manyema, von wo er allmählich bis Ujiji und Tabora kam. An das Westufer des Nyansa soll er direkt durch die Stanley'sche Expedition eingeschleppt worden sein. Es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis er die Ostküste Afrika's erreicht, ja vielleicht erleben wir, dass er von dort über Indien seinen Triumphzug um die Welt fortsetzt.
Wer seine Füsse rein hält und täglich untersuchen lässt, um die etwa eingedrungenen Thiere zu entfernen, der hat diese Plage nicht besonders zu fürchten. Wird jedoch ein Sandfloh — der einmal eingedrungen, nicht mehr schmerzt — vernachlässigt, so schwillt er zu Erbsengrösse an und erzeugt schliesslich Geschwüre, die, wenn massenhaft auftretend, Blutvergiftung und den Tod veranlassen können. Besonders in Gegenden, wo das Thier neu auftritt, wo also dessen Behandlung nicht bekannt ist, richtet es geradezu Verheerungen an. Wir sahen in Usinja Leute, welchen die Glieder einzeln abfaulten, ja ganze Dörfer waren in Folge dieser Plage ausgestorben. Ich suchte derselben dadurch zu begegnen, dass ich bei meiner Mannschaft eine strenge Strafe für Jeden ansetzte, der sich wegen Sandfloh fussmarode meldete. Dadurch erreichte ich, dass die Leute ihre Füsse sorgfältig visitierten, und litt fast gar nicht unter diesem Uebel.
In den nächsten Tagen zogen wir durch flaches Land längs des Emin Pascha-Golfes, der in zahlreiche papyrusreiche Buchten endet. Die Landzungen zwischen diesen sind meist mit Busch bedeckt. Am Ende der Buchten wechselt Sumpfgebiet mit offenem, theilweise bebautem Land, in welchem grosse Schmiedehütten verstreut lagen. Die eigentlichen Dörfer waren fast ganz im Papyrus des Ufers verborgen [73] und gegen aussen durch hohes Gras fast unsichtbar. Als wir im Dorfe Irangala lagerten, fing eine der Grashütten, die in nächster Nähe meines und des pulvergefüllten Lastenzeltes lagen, Feuer, welches ohne das energische Eingreifen der Askari und Makua leicht schweres Unheil hätte anrichten können. So wurde jedoch alles Feuergefährliche rasch beiseite geschafft und schliesslich verbrannte nichts als eine — Kaffeemühle.
Am 19. August erreichten wir die äusserste Südwestecke des Nyansa, wo die Hütten und ärmlichen Felder von Amranda liegen. Hier kreuzten wir die Route Stanley's und Emin Pascha's und lagerten etwas nördlicher in Busirayombo, dem Hauptdorf von Bukome, das an Papyrusufer in öder, staubiger, buschbewachsener Gegend liegt. Es hat etwa dreissig Hütten und ist die Residenz eines blutjungen, etwas beschränkt aussehenden Häuptlings mit Wahumatypus, der einen Schutzbrief von Dr. Stuhlmann besass und in dessen Reisewerk abgebildet ist. Er brachte mir Bananen und Pombe und erhielt ein Gegengeschenk, das von ihm und seinem Gefolge buchstäblich mit stürmischem Applaus aufgenommen wurde. Hier, wie in ganz Usinja und den westlichen Gebieten, ist es nämlich Sitte, Höhergestellte durch Niederknien und Händeklatschen zu begrüssen, welches in Bukome besonders kräftig gehandhabt wurde. (Siehe Abb. pg. 63.)
Etwas nördlich lag eine kleine Handelsniederlassung Mr. Stokes', des irischen Händlers, dessen Angestellter, ein netter Mnyamwesi, mir seinen Besuch machte. Bei dieser Station ist der Nyansa nicht mehr von Papyrus eingeengt. Bei Busirayombo besitzt er gelblich schmutziges und übelriechendes Sumpfwasser, in dem Wasserwanzen umherschwimmen und das Abends ganze Wolken Mosquitos ausspeit, die eine keineswegs angenehme Zugabe zu den tausenden von Sandflöhen bilden.
Am 21. August verliessen wir ohne Bedauern Bukome und zogen westwärts, durch einen unbewohnten Streifen, der Landschaft Ussui zu. Ziegelrother Lateritboden bedeckte die hügelige, mit jungem, lichtem Buschwald, Akazien und einzelnen Baumeuphorbien bestandene Landschaft. Wir passirten einen Hügel, von dem die Eingeborenen Raseneisensteine als Erz gewinnen, und erreichten Mittags das erste Dörfchen von Ussui. Dasselbe zeigte sich uns als ein reich bebautes, ziemlich stark gewelltes Land, das hauptsächlich von Sorghum- und Patatenfeldern bedeckt ist, in welchen die kleinen, von Bananenhainen umgebenen Dörfer liegen. In der Umgebung reifen auch schöner Tabak und Tomaten. Die Eingeborenen, die fast alle in Zeug gekleidet waren, besitzen viele Schmieden und begegneten uns scheu, weil sie noch nicht wussten, wie ihr König Kassussura sich zu meinem Besuche stellen würde.
Am 23. August überstiegen wir zwei hohe felsige Kämme, zwischen welchen leicht gewelltes, bewohntes und bebautes Land lag. Von der letzten Höhe stiegen wir in ein weites Thal ab, dessen untere Hänge mit Bananenhainen und Feldern bedeckt waren. Jenseits lag der grosse Hüttenkomplex Kassussura's, des Häuptlings von Ost-Ussui, eines der mächtigsten eingeborenen Potentaten in Deutsch-Afrika.
[74] Von Bananen umschlossen lagen in der Nähe die ärmlichen Hütten einer Niederlassung Mr. Stokes', deren einzigen Reiz ein hoher Schattenbaum bot. Eine andere, aus Swahíli-Hütten bestehende Handelsstation hatte der Inder Kipilipili gegründet, der augenblicklich nicht anwesend und durch den Araber Pangalala vertreten war. Auch Stokes hatte einen intelligenten Araber Namens Raschid in Ussui stationirt, der uns freundlich begrüsste. Er war im Innern Afrika's gross geworden, hatte Burton und Speke gekannt und wies uns die Stelle des Dorfes Uthungu, wo der grosse Forscher vor 30 Jahren durchgekommen. Auch die Eingeborenen erinnerten sich deutlich an Speke und erzählten, er habe dem Vorgänger des jetzigen Häuptlings durch Schiessen sehr imponirt.
Von Kassussura erfuhr ich nicht viel Gutes, er sollte persönlich zwar recht freundlich, doch sehr habsüchtig sein und keine Karawane ohne Wegzoll (Hongo) passiren lassen. Einen deutschen Reisenden hatte er noch nicht bei sich gesehen und die Araber versicherten, dass es ohne Hongozahlen nicht abgehen werde. Wirklich erschien auch nach einiger Zeit ein Würdenträger mit einer Anzahl Leute als Abgesandter Kassussura's, der ein ziemlich unverschämtes Benehmen zur Schau trug. In solchen Fällen schadet es nie, die Unverschämtheit durch noch grössere zu übertrumpfen; bevor daher der Abgesandte eine Hongoforderung stellen konnte, fragte ich ihn, warum er mit leeren Händen zu mir komme, ob denn Kassussura nicht wisse, dass er an mich Hongo zu bezahlen hätte? Der Würdenträger war erst ganz starr darüber, dass er, der gekommen war, um Hongo zu fordern, nun selbst Hongo zahlen sollte; aber ein Rundblick durch das Lager mit den Askari und Ruga-Ruga machte ihn doch nachdenklich, und in dieser Stimmung kehrte er zu seinem Herrn zurück.
Die Araber begannen nun eifrig verrostete Schiessprügel und Schwerter zu putzen und meinten, es müsse unbedingt zu blutigen Kämpfen kommen, denn so etwas lasse sich der grosse Kassussura in seinem eigenen Lande nicht bieten. Aber nichts dergleichen geschah: am Abend erschien eine ganze Schaar von Wassui, die ungeheure Massen Lebensmittel anschleppten, das Hongo Kassussura's. Zugleich kam auch der Würdenträger, nun ganz kleinlaut, und erklärte, dass der König zwar mein Freund sei, aber doch den heissen Wunsch hege, mich nicht zu sehen. Ich glaubte auf das Vergnügen seiner Bekanntschaft verzichten zu können und sandte ihm ein schönes Geschenk, welches ihn sehr befriedigte und zu neuer Spende veranlasste.
[75] Den 24. August verbrachte ich in der Stokes'schen Niederlassung, wo sich auch ein ganz weisser Egypter befand, der kränklich und von Sandflöhen gequält war. Es war einer der Leute Emin Pascha's, Namens Hassan, der mit Stanley aus Equatoria abgegangen, jedoch in Karagwe liegen geblieben war. Von da ab wurde er von verschiedenen Arabern ernährt und beherbergt, war jedoch halb verrückt, was sich hauptsächlich darin äusserte, dass er von Jedermann, z. B. auch von mir, seinen rückständigen egyptischen Sold verlangte. Ich hätte den Armen gern mitgenommen, doch konnte er kaum gehen.
Am selben Tage liess ich pro forma die Einwilligung Kassussura's zum Marsch durch sein Land einholen, die er bereitwilligst ertheilte und uns vier Mann als Wegweiser und Geleit mitgab. Gleichzeitig schickte er eine Heerde Ziegen und an 100 Lasten Bananenmehl und süsse Kartoffeln und bat um eine deutsche Flagge und um Stellung unter deutschen Schutz, ein Ansuchen womit ich ihn an die Station Bukoba verwies.
Am 25. August zogen wir an dem bananenreichen, aber anscheinend nicht sehr stark bewohnten Residenzdorf Nyaruvungu vorbei, überstiegen ein Joch und gelangten in ein Grasland mit offenen Büschen, das von Sorghumfeldern, Bananenhainen und freundlichen Hütten unterbrochen war. Stellenweise erhebt sich ein hoher Laubbaum, von früherer stärkerer Waldbedeckung zeugend. Höher ansteigend gelangt man in das Plateauland am Msenyi, das von tief einschneidenden Thälern durchzogen ist, deren Gewässer dem Urigi-See zuströmen. Die Höhen bedecken wellige, ausgedehnte Weidegebiete, die mit ihrem üppigen Graswuchs und der kühlen Luft, die auf ihnen herrscht, an Mutyek erinnern. Nur fehlten dort die kleinen Bananenhaine und Felder der weit zerstreuten Siedelungen, an welchen sich die Eingeborenen, schlanke Leute mit sanften, angenehmen Gesichtszügen zeigten, die uns knieenden Gruss darbrachten.
Schon früh hielten Kassussura's Wegweiser bei einem freundlichen Dörfchen und meinten, dass dieser Ort uns zum Lager bestimmt sei. Da wir noch weiter marschiren wollten, baten sie uns dringend zu bleiben, da Kassussura's Programm, das er schon durch Boten überall hin verkündet hatte, sonst gänzlich zerstört würde, was ihnen eventuell den Kopf kosten könnte. Thatsächlich sah man schon von allen Hängen mit Lebensmittel und Pombe beladene Eingeborene herabsteigen, denn in diesen Ländern ist der Reisende überall Gast des Königs und zwar eines Königs dem alles im Lande gehört und demgegenüber niemand Privat-Eigenthum besitzt. Eine Art Polizei erschien, die mit langen Knüppeln Ordnung hielt und tüchtig auf die Eingeborenen einhieb, falls sie in das Lager eindringen oder uns sonst irgendwie belästigen wollten. Denn wir hatten natürlich der Bitte der Wegweiser nachgegeben und gelagert, worauf diese ihre Köpfe wieder etwas sicherer zwischen den Schultern sitzen fühlten. Doch sollte einer von ihnen noch einmal an diesem Tage für sein Haupt zittern müssen, indem er einen Regenschirm verlor, den Kassussura ihm vor einigen Tagen geschenkt hatte. Eine solche Nichtachtung seines Geschenkes würde sicher mit dem Tode bestraft worden sein und der [76] Arme war der Verzweiflung nahe, bis er zum Glück seinen Regenschirm wieder fand.
Je weiter wir gegen Westen vordrangen, desto bergiger und reizvoller wurde das Land. Zwar behielten die Höhen noch Plateaucharakter, doch fielen sie nach allen Seiten in steilen, oft in schroffen terassenförmigen Felswänden abstürzenden Hängen nach den engen Bachthälern ab. Auf felsigem Pfade stiegen wir zu den grasigen, von ziegelrothen Viehwegen durchschnittenen Thälern ab. Die Eingeborenen der spärlichen, weit zerstreuten Dörfer pflegten mich meist in Gruppen zu erwarten, die etwa zehn Schritte vor mir Halt machten, worauf die Leute einzeln laufend ankamen und knieend und händeklatschend ihren Gruss »Kssura!« riefen. Das Baumwollzeug beginnt hier abzunehmen und macht der Fellkleidung Platz. Das Lager im Dorfe Uakilinda war durch eine riesenhafte Ricinuspflanze merkwürdig, die etwa 10 Meter hoch war, einen dicken Stamm und ausgebreitete Aeste besass.
Am 27. August verliessen wir das Gebiet des Urigi-See's und betraten den Grenzdistrikt Kassussura's, der weit trockener und weniger fruchtbar ist. Während sonst überall klare Bäche in den Thälern rieseln, trifft man hier auf trockene Wasserrisse und an den Hängen tritt oft rothbraunes, metallisch glänzendes Gerölle zu Tage, zwischen welchem nur einzelne, niedrige Bäumchen ihr Dasein fristen. Auch der graue Boden der Thäler scheint wenig fruchtbar. Wir bestiegen einen hohen Kamm, auf dem eine duftende Veilchenart gedieh und hatten einen weiten Blick über den Distrikt Nyakawanda mit seinen bräunlichen, tafelförmigen Bergen und den fernen Höhen von Uha im Süden.
Das Land ist wenig bewohnt, stundenweit liegen die kleinen ärmlichen Dörfchen von einander entfernt. Das grösste ist jenes des »Gouverneurs« von Nyakawanda, das einen Stachelzaun besitzt, der durch zahllose Spinngewebe von Weitem das Aussehen einer Mauer bekommt. Auch das Thierleben dieser Gegend, überhaupt der Länder westlich vom Nyansa, ist sehr arm, Wild trifft man fast gar nicht und selbst die unvermeidliche Hyäne liess sich Nachts selten hören. Vielleicht war daran die empfindliche Kälte schuld, die besonders in den frühen Morgenstunden das Thermometer auf 5 Grad Celsius fallen liess.
Am 28. August verliessen wir Kassussura's Land und durchzogen eine wilde von Bergkämmen durchschnittene, steinige, wasserarme Gegend, die den südlichsten Zipfel von Karagwe bildet und gänzlich unbewohnt ist. Sie trennt Ost-Ussui von West-Ussui oder Uyogoma, dessen erste Dörfer wir am Morgen des 29. August erreichten. Hier herrschte der Häuptling Yavigimba (Ruavigimba) der von unserem Nahen und friedlichen Absicht offenbar schon gehört hatte, denn an der Grenze erwarteten uns andere Wegweiser, und Lebensmittel wurden überall bereit gehalten.
Am 29. August kreuzten wir vor Kaponora's Dorf die Route Stanley's und traten in gänzlich unbekanntes Gebiet ein. Für die nächsten Tagereisen, soweit Yavigimba's Herrschaft reichte, konnten wir Erkundigungen einziehen, darüber hinaus jedoch lag Urundi, [77] ein Land, mit dem keinerlei Verkehr bestand und von dem nur dunkle Gerüchte in's Ausland drangen. Vor der Massai-Tour konnten wir doch Nachrichten über die zu bereisende Gegend einziehen, diesmal jedoch tappten wir völlig im Dunkeln, betraten eine terra incognita im buchstäblichen Sinne des Wortes, ein Land, in dem der Kompass uns als einziger Leitstern diente.
Das östliche Uyogoma war kein besonders einladendes Gebiet, ein steriles Bergland mit unendlichen Hügelzügen, mit wenigen, ärmlichen Dörfern. Die Bewohner sind dunkler, negerhafter als die Leute in Ost-Ussui, sie gehören bereits der Warundi-Gruppe an und einige meiner Leute, die in Ujiji am Tanganyika geboren waren, konnten sich fliessend mit ihnen verständigen.
Von Rusengo an trat der Plateau-Charakter schärfer zu Tage, grasige Halden dehnten sich aus, in welchen einige Laubbäume verstreut waren. Die engen Thälchen haben ein schwaches Gefälle und sind von Papyrus-Massen erfüllt, zwischen welchen dünne, sumpfige Gewässer sickern. Die Niederlassungen waren weit auf den Hochebenen verstreut und schlecht gehaltene Felder umgaben die verfallenen Grashütten. Erst am 1. September erreichten wir ein etwas grösseres Dorf, die Residenz des Häuptlings Yavigimba. Derselbe zeigte sich vorerst nicht, doch kamen zahlreiche Eingeborene, die ihren Kniefall machten und reichlich Lebensmittel brachten, obwohl sie anscheinend selbst nicht sehr viel hatten. Alle waren mit langen Stäben und Speeren ausgerüstet, die sie bei der Begrüssung weglegten und trugen am Unterarm einen merkwürdigen dicken Holzring, der beim Bogenspannen dienlich ist. Sie sprachen kein Kisinja mehr, sondern nur Kirundi und scheinen früher eifrig Viehzucht getrieben zu haben, die jedoch durch die Seuche schwer litt.
Am 2. September kam Yavigimba, ein hochgewachsener dunkelfarbiger Mann, um Geschenke mit mir auszutauschen. Es war ihm sehr um die Freundschaft der Europäer zu thun und er bat mich dringend, ihm als sichtbares Zeichen eine Flagge zu geben. Hier war ein Verweisen nach Bukoba nicht mehr möglich, denn dieser Ort lag für Yavigimba gänzlich aus der Welt, ich nahm daher keinen Anstand, ihm eine deutsche Flagge und eine Bescheinigung zu geben, die jederzeit gegen einen Schutzbrief eingetauscht werden konnte.
Wenn ich gehofft hatte, in Yavigimba's Residenz etwas Sicheres über Urundi zu erfahren, so sollte ich mich getäuscht haben. Zwar erzählte man mir allerlei von den blutgierigen, kriegerischen Warundi, die keine Fremden in ihr Land liessen, von ihrem König Mwesi, der irgendwo an unbekanntem Orte throne, von zahlreichen »Nyansa«, welche das Land bewässern — aber irgend welche Klarheit konnte ich nicht erlangen. Von dem »Akanyaru«, dem Alexandra-See, den Stanley erkundet, kannte man allerdings den Namen und berichtete, dass er [78] ein »Nyansa« sei, der Tage lang mit Kanus befahren würde, so dass ich hoffen durfte, einen grossen See zu entdecken.
Noch zwei Tagereisen hatten wir durch Uyogoma zurückzulegen, dann überschritten wir einen Kamm und stiegen sanft in ein Thal ab, das von mauerartigen, von verbranntem Gras geschwärzten Tafelbergen gesäumt ist. Die Wassui der kleinen zerstreuten Dorfkomplexe folgten uns schaarenweise mit ihren langen Speeren, leisteten ihren Gruss und schlossen sich dann in lachenden und scherzenden Gruppen der Karawane an.
Schon in den Morgenstunden erreichten wir das Ufer eines breiten Flusses, der seine graubraunen Wogen zwischen hohen von üppiger Vegetation gekrönten Ufern dahin wälzte. Mit Bewegung blickte ich in die Fluthen dieses Stromes, aus welchem steile Granitriffe hervorragten; war es doch der Quellfluss des Nil, hier Ruvuvu, später Kagera genannt, bildete er doch die Westgrenze von Ussui gegen jenes räthselhafte Urundi, in welches wir nun eindringen sollten!
Doch das Leben des Reisenden gewährt keine Frist zu langen Betrachtungen; schon hatte Mkamba den primitiven Einbaum, der als Fähre dient, in Beschlag genommen und mit kräftigen Stössen und Ruderschlägen beförderten die Wassui-Fährleute die ersten Askari an's linke Ufer. Hinter der Karawane, die sich am Ufer niederliess und allmählich übergeführt wurde, sammelten sich hunderte von Wassui und bedeckten dicht gedrängt als schwarze bewegliche Masse mit blitzenden Speeren die Hügelhänge und das Ufer. Auf der Felsinsel im Flusse hockten zahlreiche Eingeborene, gleich Affen sassen sie auf Baumstämmen, die in den Fluss hinausragten, ja sie schwammen trotz der vielen Krokodile darin herum, um das Schauspiel unseres Uebergangs zu geniessen.
Mit dieser Bewegung am rechten stand die Ruhe am linken Ufer in grellem Widerspruch. Wussten die Warundi etwa nicht, dass wir kamen, oder brüteten sie abseits Arges? Sollten die vielen Tage des Friedens, die wir genossen nun wirklich ein Ende haben und wir wieder blutigen Kämpfen entgegengehen? Die Askari am linken Ufer schienen ähnliches zu vermuthen, sie hatten Wachen ausgestellt und Mkamba's hohe Gestalt tauchte auf dem Gipfel eines Termitenhügels auf, unbeweglich in die Ferne spähend.
Plötzlich — ich befand mich gerade im Kanu — ertönte aus dem Dickicht des Ufers von Urundi ein langgezogenes Jauchzen und wie durch Zauberschlag tauchten plötzlich zahlreiche dunkle Gestalten mit langen Stäben aber ohne Waffen auf. Im Gänsemarsch kamen sie, Laub und ihre Stäbe schwingend, an, kräftige Gestalten mit originellen Haartouren und braun und grau gemusterten zipfelförmigen Ueberwürfen aus Rindenzeug, das von nun an das einzige Bekleidungsmaterial bildete. Auf der Höhe der Rampe stellten sie sich in zwei oder drei Reihen an und führten jenen merkwürdigen Tanz auf, den ich dann noch unzählige Male sehen sollte, ohne dass er seinen Reiz für mich verlor. Derselbe wird weder von Trommeln, noch von Gesang, noch von irgend einem Instrument begleitet. Den Takt giebt einfach der Tanzschritt, der durch mehr oder weniger kräftige Tritte [79] bezeichnet ist. Unter Leitung eines Vortänzers führen die Massen mit unglaublicher Gleichmässigkeit und Geschicklichkeit diese Tänze auf, dass der Boden dröhnt und mächtige Staubwolken die Tänzer umhüllen. Mit hocherhobenen Armen schwingen sie zierlich ihre Stäbe und Laub, schreiten vor- und rückwärts, führen gleichzeitig hohe Sprünge aus und fallen dabei niemals aus dem Takt, der durch die Fusssohle gegeben wird. Dabei verliert der Tanz nie das Gepräge einer kraftvollen Anmuth; besonders die Vortänzer könnten es in kühnen und doch eleganten Sprüngen mit jedem Ballettänzer aufnehmen. Für einen alten Unteroffizier müsste der Tanz der Warundi geradezu ein Labsal sein, denn was ist der schneidigste Parademarsch gegen diese komplizirten, fortwährend wechselnden und doch unglaublich taktfest ausgeführten Tanzschritte!
Zum Schluss stimmten alle wieder das eigenthümliche Jauchzen oder besser gesagt Jodeln in der Fistel an, rissen Blätter von den Bäumen und streuten dieselben knieend vor mir aus. Während die Karawane übersetzte und wir am Ufer Lager schlugen, kamen immer neue Schaaren von Tänzern und die früheren lagerten in malerischen Gruppen auf der Uferrampe. Es war ein grossartiges Schauspiel. Am rechten Ufer standen Kopf an Kopf die Wassui, in dicht gedrängten Massen die Hügel bedeckend, am linken trampelten, jauchzten und klatschten hunderte von Tänzern in der grellen Sonne, einer Bande Wahnsinniger gleichend. Bei den Wassui sah man noch einzelne Fetzen Baumwollzeug, einige Glasperlen, die äussersten Vorposten der alles umfassenden europäischen Industrie, hier nichts dergleichen; Kleidung und Schmuck war echtes, unverfälschtes Afrika. Erst gegen Abend verzogen sich die Menschenmengen und es erschienen die Aeltesten der Gegend, um mir ein laubbekränztes Schaf und eine Sorghum-Aehre als Friedenszeichen zu überbringen.
Am 6. September verliessen wir den von leichten Morgennebeln überlagerten Nil und traten in welliges Grasland ein, dessen zahlreiche kleine Thäler von Papyrus erfüllt und von felsigen Thalstufen unterbrochen sind, über welche das klare Wasser der Bäche rieselt. Fast kein Baum oder Strauch ist auf den theilweise verbrannten Grasfeldern sichtbar und die Dörfer mit ihren Bananenhainen und den glänzendblättrigen Ficusbäumen, die Rindenstoff, theilweise auch Brennholz liefern, heben sich gleich dunkelgrünen Inseln von den gelbbraunen Flächen ab. Dieses Alpenland, welches unter gewöhnlichen Umständen wohl recht ruhig dalag, glich nun einem gestörten Ameisenhaufen. Von allen Seiten eilten dunkle Gestalten auf den schmalen Pfaden der Hänge oder querfeldein auf uns zu, während von den entfernten Dörfern Hornstösse ertönten, unser Kommen anzeigend.
Vor den Hüttenkomplexen standen die alten Leute, knieten bei unserem Herannahen nieder, klatschten und reichten mir Grasbündel unter allerlei schönen Redensarten, die ich noch unzählige Male hören sollte. In langen Reihen, mit Stäben und ausgebreiteten Armen kamen die Krieger laufend herbei, traten längs unseres Pfades an [80] und führten ihren Tanz auf, worauf sie uns mit jubelndem Geschrei vorliefen und von neuem zu tanzen begannen.
Etwas im Hintergrunde hielten sich die Weiber mit ihren grauen Lendenschürzen und den Ueberwürfen, die bei Verheiratheten den Busen decken, während die wohlgeformten Brüste der jungen Mädchen frei bleiben. Singend begleiteten sie die Karawane, in den offenen Armen Laubzweige tragend.
Einige Leute hatten sich als eine Art Festordner aufgeworfen und hieben tüchtig in die andrängende Masse ein. Denn alle diese Menschen blieben keineswegs bei ihren Dörfern zurück, sondern zogen lachend und jubelnd hinter uns her. Von einer Anhöhe zurückblickend, sah ich bald tausende von braunen, wildbewegten, in der Sonnengluth glänzenden Leibern mit geschwungenen Stäben und Laubzweigen einer Bacchanten-Schaar gleichend.
Den ungeheuren Lärm übertönten Rufe wie »Mwesi!« »Mkasi ya Urundi!« (Beherrscher Urundi's) »Viheko visima« (Grosser König) und »Tuli Wahutu« (Wir sind Sklaven), die mein Dolmetscher mir übersetzte und die mich schliessen liessen, dass die Begeisterung der Warundi einen besonderen Grund haben müsse. Bei der allgemeinen Raserei war es nicht so leicht, diesen zu erfahren und erst nach einigen Tagen brachten meine Leute das richtige heraus.
TAFEL IX
Die Warundi waren nämlich sonst von einem Herrschergeschlecht regiert worden, welches seine Abkunft vom Mond (mwesi) herleitete und dessen Königstitel »Mwesi« war. Der letzte Mwesi, namens Makisavo (das Bleichgesicht) war seit langem verschollen, lebte aber der Tradition nach im Monde fort und wurde vom Norden her erwartet. Als nun plötzlich ein weisser Mensch vom Norden ins Land kam, sahen sie [81] in ihm den ersehnten Herrscher, den Mwesi Makisavo.
Dagegen war nichts zu machen; eine Schaar wahnsinniger Fanatiker ist bekanntlich Vernunftsgründen nicht zugänglich, ich war und blieb für sie der Mwesi, und derart zum Pabst-König von Urundi befördert, blieb mir nichts anderes übrig, als meine Würde mit möglichstem Anstand zu tragen.
Anfangs machte mir die Sache übrigens viel Spass, die topographische Aufnahme war zwar durch den unaufhörlichen ohrenzerreissenden Lärm erschwert, aber das Schauspiel dieses grossartigen afrikanischen Volkslebens bot doch das höchste Interesse. Besonders im Lager entwickelten sich förmliche Tanzfeste. In weitem Kreise kauerten und standen die Volksmengen um einen freien Platz, auf welchem die Tänze stattfanden.
In der rechten den langen Stab, in der linken Laub haltend, führten die Krieger der einzelnen Gegenden nach einander die schwierigsten »Pas« auf. Oft hatten sich die jungen Leute desselben Ortes mit gleichartigem Rindenzeug bekleidet, ja eine Gruppe, die mir durch besondere Geschicklichkeit auffiel und von einem jungen, prachtvoll gebauten Krieger geführt wurde, trug schneeweiss bemalte Lederschurze. Komisch war eine Anzahl nackter Knaben, die jedesmal mitzutanzen versuchten, darunter oft kleine Bengel, die kaum die Beine heben konnten. Diese durften Fehler im Tanz machen: doch wehe dem erwachsenen Tänzer der nur den geringsten für Nicht-Warundi kaum wahrnehmbaren Fehltritt machte, er wurde mit Hohngeschrei verjagt und konnte froh sein wenn er ohne Prügel davon kam.
Nach den Männern traten Weiber an, die Verheiratheten in aschgrauer Kleidung, die Kinder auf dem Rücken, die Ledigen mit ganz schmalen Lendenschurzen, kleine Mädchen nackt. Sie stellten sich im Halbkreis auf, dessen Mitte zwei schön gewachsene junge Mädchen einnahmen, die mit ausgebreiteten Armen einen reizenden Tanz im spanischen Fandango-Styl aufführten, begleitet von Händeklatschen und angenehm weichem Gesang. Nichts, als die anmuthigen Bewegungen der Arme erinnerte hier an den obscönen »Bauchtanz« der Orientalen und vieler Negerstämme, bei welchem die Tänzerin fast unbeweglich steht. Hier wurde regelrecht mit den Beinen und zwar mit einer Kühnheit und Anmuth getanzt, um welche jede Ballerine die schwarzbraune Kollegin beneiden könnte. Der wohlklingende, wechselvolle Gesang der sanften Frauenstimmen und der Anblick dieser schlanken Wesen, welche mit ständigem Lächeln jene kunstvollen Tänze aufführten, gaben ein Schauspiel von eigenthümlichem Zauber. Auf das Schöne folgte das Groteske in Gestalt einiger alten Weiber, die mit »süssem« Grinsen, zum Halloh der Träger, ihre runzeligen Glieder verrenkten.
Um Nahrungsmittel brauchten wir hier nicht zu sorgen; der Wunsch, etwas zu kaufen, wurde garnicht begriffen; denn dem Mwesi gehört eben alles, was im Lande ist, er nimmt sich was ihm beliebt und was er nicht nehmen kann wird ihm lastenweise von allen Seiten angebracht. Grosshörnige Rinder, Ziegen und Schafe, Unmengen von Bananen und [82] Hülsenfrüchten, zahlreiche Krüge mit Pombe kamen fortwährend, ohne dass irgend jemand von uns etwas verlangte oder erbat. Selbst die sonst unvermeidliche Bettelei der Neger verstummte dem Mwesi gegenüber. —
Das Land behielt stets den Charakter eines grasigen von engen Papyrusthälchen durchzogenen Berglandes. Manchmal hat man eine breite Senkung zu überschreiten, die stets versumpft und mit verfilzter, schwimmender Grasvegetation bedeckt ist, in welche man leicht einsinkt. Die Warundi häuften hier Bündel von Gras auf, um uns das Ueberschreiten zu erleichtern. In dieser Gegend lebt auch ein den Pygmäen verwandter Stamm der Watwa, der in ärmlichen Grashütten haust.
Wir durchzogen die reich bewohnten Distrikte von Gutaha und Mukivuye und erreichten am 10. September Intaganda, eine Landschaft am rechten Ufer des breiten Thales, welches der papyrusreiche Akanyaru-Fluss durchströmt. Dieser gab Veranlassung zur Entstehung der Sage vom Nyansa ya Akanyaru, dem Alexandra-See Stanley's.
Jenseits tauchten hohe grasige Berge mit den dunkeln Punkten der Siedlungen auf; es war Ruanda, das räthselhafte Königreich, in welchem weisse Neger vermuthet wurden, jenes Fabelland, von dem viele Reisende gehört, das aber noch Keiner betreten hatte. Mein Wunsch, die Nilquellfrage endgiltig zu lösen, hielt mich davon ab, eine nähere Erforschung dieses Landes vorzunehmen, jedenfalls wollte ich es jedoch besuchen und beschloss daher am nächsten Tage den Akanyaru zu übersetzen.
Die moralische Kraft meiner Leute, besonders der Askari, wurde zu jener Zeit auf eine harte Probe gestellt. Denn darüber waren wir uns völlig klar, dass diese tolle Freundschaft der Warundi, welche [83] ausschliesslich auf Aberglauben begründet war, jeden Augenblick durch irgend welche zufälligen Ereignisse in das Gegentheil umschlagen konnte. Zwar kam alles unbewaffnet und nur mit langen Stäben, doch die Speerspitze steckte in Laub eingewickelt unter dem Rindenzeug, und jeden Augenblick konnten die friedlichen Tänzer sich in speerschwingende blutgierige Gegner verwandeln. Ein strenger Wachtdienst wurde daher Tag und Nacht unterhalten und Befehle ausgegeben, welche es uns ermöglichen sollten, jeden Moment einen Angriff abzuwehren.
Das Bewusstsein der trotz aller Freundschaft stets drohenden Gefahr, der Anblick der tausendköpfigen Menschenmasse, welche gleich einem brausenden Meere sich längs der Karawane hinwälzte, das ununterbrochen andauernde Getöse, alles das war im Stande auch die härtesten Gemüther zu beeinflussen. Vom Tanganyika, dem wir zustrebten, hatte hier kein Mensch eine Ahnung und immerfort ging es nach Westen, unbekannten Fernen zu. Ich versicherte ja freilich, dass der Tanganyika nicht mehr weit sei, aber auch das Vertrauen in die Wissenschaft des Weissen hat in solchen Fällen seine Grenzen. Dazu kam, dass Mzimba an einer Augenentzündung erkrankt und fast blind war, also nichts zur Hebung des guten Muthes der Mannschaft beitragen konnte.
Als wir denn in Intaganda lagerten und das wilde Stampfen und Jauchzen der Warundi draussen ertönte, hielten die Askari unter sich eine Berathung und schickten mir eine Deputation, welche mich bat, zurückzukehren, denn sie wollten nicht mehr weiter ins Innere reisen und den Akanyaru nicht übersetzen. Dies wäre nun vielleicht der Moment gewesen, meine Leute antreten zu lassen, nach berühmten Mustern eine begeisternde Rede zu halten und an ihre Treue und ihren Muth zu apelliren. Vielleicht wären sie mir dann — ebenfalls nach berühmten Mustern — zu Füssen gefallen und hätten gerufen: »Mit Dir gehen wir bis an's Ende der Welt.«
Aber ich versäumte leider diese Gelegenheit und begnügte mich, der Deputation einige harte Gegenstände, die sich gerade in meiner Nähe befanden, an den Kopf und sie aus meinem Zelt hinaus zu werfen. Als dann gegen Abend die Askari zur Wachabtheilung antraten, fragte ich sie, ob vielleicht noch jemand von mir etwas wünsche, worauf sie versicherten, dass sie ganz und gar zufrieden seien.
Am Morgen des 11. September übersetzten wir den Akanyaru. Von Intaganda aus marschirten wir zuerst über eine bergige, von Dörfern bedeckte Halbinsel, welche in die Papyrus-Sümpfe einschneidet. Dann stiegen wir steil zum Akanyaru ab und betraten den von Wurzelstöcken durchsetzten, jetzt völlig trockenen schwarzen Boden der Ufer, in dem 2-3 m hohe Papyrus-Halme gedeihen. Der erste Arm des Flusses war etwa 10 m tief und nicht durchwatbar. Am linken Ufer, welches schon zu Ruanda gehört, zeigte sich anfangs keine Seele, und ich begann mit meinen Leuten die Ufer nach einem Kanu abzusuchen.
[84] Da traten drüben einige Wanyaruanda, mit Speeren und Haumessern bewaffnet, aus dem Schilf. Die Warundi riefen ihnen zu, die Speere wegzulegen, da der Mwesi ihr Land besuchen wolle. Dies geschah sofort; auf einen gellenden Schrei des Anführers erschienen noch etwa 50 Leute und begannen unaufgefordert eine eifrige Thätigkeit. Einige holten zwei grosse, im Schilf verborgene Kanus, in welche sie, mit ausgehöhlten Rudern arbeitend, die Karawane überzusetzen begannen. Andere flochten lange Seile aus Papyrus, die sie über den Fluss spannten, worauf sie in Form von Papyrusbündel Scheiterhaufen darauf häuften und festbanden. Auf diese Art errichteten sie in unglaublich kurzer Zeit eine Brücke, auf welcher die Träger, ja selbst Rindvieh und Esel trockenen Fusses übersetzen konnten.
So marschirten wir in Ruanda ein, als jedoch unser reichliches Gefolge von Warundi nachdrängen wollte, widersetzten sich die Eingeborenen und auch ich, der ich froh war, die unruhige Gesellschaft loszuwerden, machte meine Autorität als Mwesi geltend und schickte sie heim. Sie blieben zurück und lange tönte ihr Ruf »Gansa gansa Mwami« (sei gegrüsst Häuptling) hinter uns her. Noch überschritten wir einen zweiten, ebenfalls überbrückten Arm und verliessen dann den Papyrusgürtel um den Hang eines steil ansteigenden Grasberges zu betreten.
Auch hier standen grosse Menschenmengen, auch hier wurde getanzt und gejubelt und die Weiber, unter welchen es sehr hübsche gab, empfingen uns mit »offenen Armen« und sangen, ihre Laubzweige schwingend, wohlklingende Lieder. Doch fehlte der tolle Fanatismus Urundi's, ich war eben hier nicht mehr der Mwesi, sondern höchstens ein ausländischer Potentat, dem man einige Aufmerksamkeiten erweist. Wir lagerten auf der Höhe in einem schönen bananenreichen Dorfe Mundabi, das gut gebaute, wohnliche Hütten besass. Dort stellten sich mir einige Häuptlinge, Watussi, mit völlig abessinischen Gesichtstypen vor, die hier Kigere, den König von Ruanda, vertraten. Auch in der Verproviantirung zeigte sich ein Unterschied mit Urundi, man brachte zwar reichlich Lebensmittel, aber man erwartete und bekam Gegengaben. Die beiden nächsten Tage verbrachten wir in Mundabi und ich zog eingehende Erkundigungen über das Vorhandensein eines Sees in Ruanda ein, erhielt jedoch hier, im Lande selbst negative Antworten. Die Eingeborenen führten öfter Tänze auf, haben es jedoch in der Kunst Terpsichorens nicht annähernd so weit gebracht wie die Warundi.
Am 14. September zogen wir durch stark welliges, offenes Land mit grünenden Thälern und steilen Hängen gegen Südwest. Ueberall rieselten klare Bäche, welche in zahlreiche Gräben abgeleitet, die schönen Felder bewässerten. Ueberhaupt waren die Kulturen und Dörfer in Ruanda viel besser gehalten als in Urundi, ein Umstand, der bei sonst ganz gleichartiger Bevölkerung wohl der Ruhe im Lande, im Gegensatz zu dem politisch zerfahrenen Urundi, zu danken ist. Auch ziemlich viele Rinder mit ungeheueren Hörnern sind zu sehen.
Die Eingeborenen bereiteten uns überall einen freundlichen Empfang, die Weiber sangen und die Aeltesten überreichten uns mit Laub umwundene Spaten als Friedenszeichen. Ueberall gab es Watussi, [85] die durch schlanken Körperbau und fast europäischem Typus sofort auffielen. Einige waren lichter gefärbt und haben wohl zur Entstehung der Sage von den weissen Negern Veranlassung gegeben. Sie benahmen sich etwas zurückhaltend und erklärten stets, wir müssten erst die Erlaubniss Kigeres zum Verlassen des Landes einholen, bevor wir uns der Grenze näherten. Merkwürdigerweise hielt man uns im Lande für gänzlich unbewaffnet, da Gewehre völlig unbekannt waren.
Am nächsten Morgen zogen wir durch mehrere Dörfer, wo wir mit gewohntem Jubelgeschrei empfangen wurden, und wandten uns dem Abfall gegen den Akanyaru zu, der auch hier die Grenze Urundi's bildet. In dem offenen, grasigen Lande konnte ich die ganze Karawane übersehen und bemerkte, dass plötzlich etwa dreissig mit Bogen bewaffnete Eingeborene sich dem Vortrab entgegenstellten. Es waren Watussi, welche Mkamba zuriefen, wir dürften das Land nicht verlassen, bevor Kigere dies bewilligt. Mkamba hielt dies für einen Scherz, da er doch nicht annehmen konnte, dass dreissig Leute die Karawane aufhalten wollten, und marschirte ruhig weiter. Da vertheilten die Krieger sich seitwärts von der Route und begannen ganz gemüthlich, Pfeile auf uns [86] zu schiessen. Natürlich genügten einige Schüsse, um sie zu verjagen, worauf unsere Massai-Viehtreiber sie mit ihren langen Speeren verfolgten. Damit war dieser Zwischenfall erledigt und im nächsten Dorfe erscholl wieder Freudengeschrei und Weibergesang.
Wir stiegen über steile Hänge nach dem Akanyaru ab. In den Schluchten rauschten Gewässer, die von Schirmakazien und Laubbäumen eingesäumt waren. Solche bezeichneten auch den Lauf des Akanyaru, der hier als vielgewundener, reissender Bergstrom gegen Nordost floss. Während wir den Fluss durchwateten, sammelten sich jenseits riesige Menschenmengen an, das »Gansa mwami« erscholl, Alles jubelte, tanzte, klatschte und tobte wie wahnsinnig im Kreise herum — kurz, wir waren wieder in Urundi.
In den nächsten Tagen durchzogen wir die Distrikte Mugitiva und Rusiga. Das Land steigt immer mehr an und erhebt sich zu bedeutender Seehöhe. Grasige, langgezogene Rücken durchziehen das Land und fallen in steilen Hängen zu den meist sumpfigen Thälern ab. Im Südwesten taucht allmählich eine hohe waldige Bergkette auf, in der ich die Wasserscheide gegen den Tanganyika vermuthete. Die zahlreichen Gewässer bildeten die hintersten Wasser des Nil, dessen Quelle wir uns immer mehr näherten. Die bananenreichen Dörfer waren von Feldern umgeben, in welchen besonders eine vorzügliche Erbsenart gedieh, auf den Wiesen weideten zahlreiche Rinder mit ungeheurem Gehörn.
Der Fanatismus der Warundi erreichte hier seinen Höhepunkt. Ungeheure Volksmassen kamen von allen Seiten angezogen und wälzten sich gleich einem Strom hinter uns her. Andere Schaaren zogen voraus, gleich einem Heuschreckenschwarm über alles im Lande herfallend. Sie rissen Vorräthe und Hausgeräth aus den Hütten, die Felder waren in wenigen Minuten kahl, ganze Heerden von Rindern wurden mitgetrieben und von meinem rasenden Gefolge oft buchstäblich in Stücke zerrissen. Die ungeheuren Pombemassen, die sich in den Dörfern fanden, trugen ebenfalls nicht zur Beruhigung der Gemüther bei.
Die Bewohner der Ortschaften liessen sich nicht immer ruhig ausplündern, es fanden blutige Gefechte vor der Karawane statt, bei welcher Leute schwer verwundet, mehrere sogar erschlagen wurden. Aber sobald ich mich näherte, legten beide Theile die Waffen nieder, warfen sich buchstäblich unter die Hufe meines Reitesels und riefen ihr »gansa mwami!« Die tollste Raserei entwickelte sich in unmittelbarer Nähe meiner Person. Männer, Weiber und Kinder drängten mit fürchterlichem Geschrei und fanatisch verzerrten Zügen auf mich ein; denn den Mwesi gesehen oder gar berührt zu haben, galt als das höchste Glück. Kurbatschhiebe und selbst Kolbenschläge der Askari waren völlig wirkungslos, mit blutüberströmten Gesichtern kehrten die Gezüchtigten sofort wieder und heulten knieend ihr »gansa mwami«.
Der fortwährende Anblick dieser aneinander gepressten schwarzen Leiber, das Getöse, welches die Luft erzittern machte, und der Wahnsinn, der aus dem ganzen Treiben sprach, machten auf mich den [87] tiefsten Eindruck. Ich rechne es mir zur Ehre an, in jenen Stunden die topographische Aufnahme auch nicht eine Minute unterbrochen zu haben. Wenn mir das überhaupt möglich war, so verdanke ich dies nur meinen braven Askari, die dieser Volksmasse gegenüber ihr kaltes Blut behielten.
Natürlich wandte sich die Wuth der Leute oft gegen sie, wollten sie die Warundi doch von ihrem Mwami abhalten. So kam es, dass am 17. September die Askari erst durch Stockhiebe, dann durch Bisse und schliesslich sogar durch Messerstiche verwundet wurden. Als einem jungen Manyema-Ruga-Ruga gar die Unterlippe abgebissen wurde, war es kein Wunder, dass er Feuer gab. Wie es in solchen Fällen zu gehen pflegt, krachten gleich mehrere Schüsse, und bevor mein sofort gegebener Pfiff zum »Feuer einstellen« sich Geltung verschaffte, bedeckten zu meinem tiefen Bedauern etwa 30 Warundi todt und schwer verwundet den Boden.
Eine Todtenstille trat ein und wir erwarteten nun, den längst gefürchteten Umschlag der Stimmung eintreten zu sehen. Aber nichts dergleichen geschah, ein gellender Freudentriller einer hohen Frauenstimme unterbrach das Schweigen, das »gansa mwami« erscholl wieder aus tausend Kehlen, die Krieger tanzten wenige Schritte von den Leichen ihrer Landsleute, und in das Aechzen der Sterbenden mischte sich der Jubelgesang der Weiber. Es war ein schreckliches Bild.
Obwohl ich mich selbst und in Anbetracht der Umstände auch die Askari von jeder Schuld freisprechen musste, rief ich doch im Lager die Aeltesten der Gegend zusammen und erklärte mich bereit, das in Afrika in solchen Fällen übliche Blutgeld zu zahlen. Aber sie hielten das für einen Scherz. »Der Mwesi«, sagten sie, »thut und lässt was er will, schlägt todt wen er will, ja, ein Mwesi, der keine Leute todtschlägt, wäre gar kein richtiger Mwesi.«
Im Lager war natürlich lebhafte Bewegung. Die Volksmengen, welche uns begleiteten, lagerten meist etwas abseits und äfften Nachts die Rufe unserer Wachtposten nach. Zu mir kamen fortwährend Leute mit Geschenken, kamen Zauberer mit weiss bemalten Gesichtern, eine Klapper schwingend und mit künstlich heiserer Stimme Beschwörungen murmelnd, ja es kamen Leute, welche selbst meinem Esel Geschenke an Vieh und Pombe anboten und sich um sein Wasser, als einer kostbaren Medizin, schlugen. Einmal brachte man mir einen uralten weisshaarigen Mann und fragte mich, ob ich ihn kenne. Ich bedauerte nicht die Ehre zu haben, worauf der Alte meinte, ich habe ihn wohl vergessen, er aber erinnere sich noch genau daran, mich schon früher als Mwesi gesehen zu haben.
Die Träger hatten damals eine bequeme Zeit, denn unterwegs galt es bei den Warundi als eine vielbeneidete Ehre, die Lasten des Mwesi zu schleppen und im Lager bedurfte es nur eines Winkes, um Eingeborene zum Wassertragen und anderen Verrichtungen zu veranlassen.
[88] Am 18. September überschritten wir den Nil, der hier, wie an der Grenze von Ussui, Ruvuvu genannt wird, einen stark fliessenden, etwa 5 m breiten Bach, und wandten uns nach Nordwest, um dessen Quelle zu erreichen. In den zahlreichen Dörfern hausen viele Watussi, die sich zum Unterschied von den Warundi scheu und ablehnend verhielten. Sie stellen gewissermaassen einen Raubadel vor und waren daher von dem Erscheinen eines Mwesi, der ihnen angenehme anarchische Zustände beenden konnte, keineswegs erbaut. Die Warundi warnten mich mehrfach vor ihnen und als ich sie aufforderte, doch alle Feinde von mir abzuwehren, was ihnen bei ihrer riesigen Uebermacht nicht schwer fallen könne, erklärten sie, dass dies nicht anginge, sie als »Wahutu« (Unterworfene) könnten unmöglich mit ihren Herren, den Watussi, kämpfen, dies müsse der Mwesi schon selbst besorgen.
Als wir am 18. September von einer Anhöhe abstiegen, fiel mir auf, dass unser Warundi-Gefolge langsam zurückblieb und plötzlich bemerkte ich etwa 200 Watussi, die mit Bogen und Speer bewaffnet von der Höhe auf uns anstürmten. Ich bestieg schleunigst mit meinen Askari eine Kuppe im Hang, liess einige Salven auf die Angreifenden abgeben und warf sie ohne Schwierigkeit. Als ich die Höhe erstieg, war ich natürlich überzeugt, dass alle bei mir befindlichen Leute mir dahin folgen würden. Zum Unglück blieb jedoch der Massai-Dolmetsch Bakari (Kiburdangop) mit seinem Freunde, dem Elmoruo Ndaikai von Unter-Aruscha am Wege stehen. Einige Watussi bemerkten diese beiden, stürzten auf sie los und verwundeten Bakari am Oberarm. Allerdings stiess Ndaikai die beiden Krieger nieder, doch als er mit blutrauchendem Speer zu mir kam, um den Vorfall zu melden, war es zu spät, Bakari war bereits dem Blutverlust erlegen. Nun geriethen unsere Massai-Hirten, die Bakari stets besonders geneigt waren, in grenzenlose Wuth; unterstützt von den Elephantenjägern unternahmen sie eine Verfolgung der Watussi und stiessen viele derselben nieder.
Den braven Bakari, der sechs Jahre seines Lebens im Massai-Lande verbracht und dem ich fast alles verdanke, was ich über Sprache und Sitten der Massai erfahren, senkten wir in die Erde — eine Tagereise von der Nilquelle.
TAFEL X
Am 19. September verfolgten wir den Ruvuvu-Nil aufwärts, der hier ein kleines, nicht viel über einen Meter breites Bächlein ist, das in schmalem, leicht sumpfigem Thal zwischen hohen und steilen Grashängen rauscht. Nach einigen Stunden erreichten wir eine Stelle, wo das Thal sich gabelt und zwei kleine, kaum einen halben Meter breite Rinnsale sich einen. Hier war die Ansicht der Eingeborenen getheilt, welche der beiden Quellen als Ruvuvu, als Nil, zu bezeichnen sei. Doch schien mir dies von nebensächlicher Bedeutung, da die Schluchten, wie man deutlich wahrnehmen konnte, in den westlich ansteigenden theilweise waldigen Bergen ihr Ende erreichen und kaum einen Kilometer oberhalb des Vereinigungspunktes zu reinen Regenschluchten werden, die nur periodisch Wasser führen. Wir standen am Ursprung des Kagera, des mächtigen Hauptstromes des Victoria-Nyansa, welchen die Engländer Alexandra-Nil nennen, weil er zugleich der Quellfluss des Nil ist, wir standen an der
[89] Quelle des Nil. Das uralte Problem, in welches zuerst Licht geworfen zu haben Spekes unvergänglicher Ruhm ist, fand hier seine endgiltige Lösung, das Ziel welches Stanley 1874 vergeblich angestrebt, war erreicht.
Wir erstiegen eine grasige Höhe zwischen den beiden Quellschluchten und lagerten im kleinen Watussidorf Unyange. Unser Gefolge an Warundi hatte stark abgenommen, denn merkwürdigerweise gilt diese Stelle ihnen als heilig und wird mit abergläubischer Scheu betrachtet. Hier wurden einst die verstorbenen Mwesi begraben.
In einem dunklen Hain, dem Wuruhukiro, unweit des linken Quellrinnsals, ruhten die Träger der Königsleichen, die Bestattung fand dann am Gipfel des Ganso Kulu, eines hohen Grasberges, statt. In den Berg-Wäldern irren, nach dem Glauben der Warundi, heute noch die Geister der verstorbenen Mwesi, nach welchen das Gebirge Missosi ya Mwesi genannt wird. Dieser Name, welcher wörtlich übersetzt »Mondberge« heisst, überraschte mich aufs höchste, denn wen würde er hier, an der Quelle des Nil, nicht unwillkürlich an die Mondberge der Alten erinnern, welche das räthselhafte Haupt des Nil beschatteten?
In Unyange trat wieder ein freudiges Ereigniss ein, im Lager der Elephantenjäger wurde ein Sprössling geboren, den ich Caput Nili taufte; der leidenden Wöchnerin zuliebe blieben wir am 20. September am Platze. Die Watussi machten sich mehrmals unangenehm bemerkbar, ja sie umschlichen Nachts das Lager und versuchten während eines [90] schweren Wolkenbruches mit Hagelwetter einen Angriff. Sie wurden zwar ohne Schwierigkeit geworfen, doch mit der Nachtruhe war es vorbei und mehrmals wurde die Umgebung bei eiskalter, stockdunkler Regennacht mit der Magnesiumfackel abgeleuchtet, die grelle Lichtstrahlen über die weiten, schweigenden Grashalden warf. Am nächsten Morgen zeigten uns die Warundi eine grosse Schaar Watussi, die auf einem entfernten Hang Kriegsrath hielten. Ich störte diese Berathung sehr unangenehm durch einige wohlgezielte Schüsse mit dem Repetiergewehr und zum nicht endenwollenden Erstaunen der Warundi stob der Haufe auseinander. Bald darauf loderten überall Feuer in den Dörfern auf: die Warundi steckten die Dörfer der Watussi an, die sie nun für endgiltig besiegt hielten.
Am 21. September kletterten wir auf lehmigen, durch den Regen schlüpferig gemachten Pfaden über steile hohe Grasberge welche die Ausläufer der Missosi ya Mwesi bilden und lagerten im Dorfe Demera, wo die Hütten hübsch aus Bambus erbaut waren. Selbst hier, einige Tagereisen vom Tanganyika wusste man nichts von der Existenz dieses Sees und die Entmuthigung meiner Leute wuchs täglich. Ich beschloss nun die Missosi ya Mwesi zu übersteigen, da ich nach der Breitenbestimmung genau wusste, dass das Nordende des Tanganyika nicht mehr fern sein konnte. Natürlich musste ich zu diesem Zwecke die Eingeborenen über die vorhandenen Pfade ausfragen, was wieder das Missliche hatte, dass dadurch die Watussi Nachricht über unsere Bewegungen erhielten.
Zum Glück brachten die Askari bei Demera einen alten Mtussi ein, der, peinlich befragt, uns mittheilte, dass seine Landsleute einen Angriff im Bergwalde planten, was mir dann auch von Warundi bestätigt wurde. Ein Waldkampf gehört in Afrika bekanntlich zu den misslichsten Sachen, ich beschloss daher die Watussi ruhig auf uns lauern zu lassen und das Gebirge an einer anderen Stelle zu überschreiten.
Am 22. September ging es bei kühlem Wetter steil bergan; über die Grasfelder flogen Nebelstreifen, während in den Thalrissen prächtiger Wald mit weissen schlanken Stämmen und hohen tiefgrünen Laubkronen gedieh. Dort sah ich zum ersten Mal seit Jahren wieder den grauen Papagei, einen alten Bekannten aus West-Afrika. Weiter oben ersetzten strauchartige Erika's die Stelle des europäischen Krummholzes und einzelne 3-4 m hohe, an Königskerzen erinnernde Pflanzen (Lobelia) fallen auf. Ganz nahe an der Kammhöhe trafen wir noch mehrere kleine Warundidörfer, deren, trotz der Kälte fast nackte Bewohner zu unserer Begrüssung herbeieilten. Steil stiegen wir durch dichtes Bambusgestrüpp ab, das mit seinen zahllosen schlanken Zweigen und dem zarten matt-grünen Laubgefieder einen reizenden Anblick gewährt. Wir passirten einen dem Russisi zufliessenden klaren Bergbach und überstiegen einen zweiten hohen Kamm, der ganz mit Bambus und hochstämmigem dichten Wald bedeckt und von schmalen in den Lehmboden tief eingetretenen Pfaden durchzogen ist.
[91] Erst Nachmittags traten wir aus der dunkeln Wildniss und gelangten in das Dorfgebiet der Landschaft Imbo, wo Bananenhaine und reiche Felder die Hänge bedecken. Am Fusse des Berges dehnte sich ein welliges Land aus, wo sich Feld an Feld reiht und unzählige Rauchsäulen die Weiler bezeichnen. Westlich davon liegt das breite flache Thal des Russisi mit seinen fernen dunkeln Randbergen, die schon dem Territorium des Kongostaates angehören. Im Süden schloss ein scharfer, heller Streif das Bild. Es war der Tanganyika, und ich zeigte ihn meinen Leuten, doch schüttelten sie ungläubig die Köpfe. Erst als die Sonne für einen Augenblick die Wolken durchbrach und die Wasserfläche silbern erglänzte, da ging ein Jubelschrei durch die Karawane: Al hamdu lillahi, tumepona! (Gott sei Dank, wir sind gerettet.)
Wir lagerten in einem kleinen Dorfe, dessen Bewohner uns freundlich, aber ohne Begeisterung aufnahmen; auch ich sagte »Gott sei Dank«, denn die Mwesi-Tollheit war vorüber. Es waren echte Warundi, welche dieses gesegnete Land bewohnten. Das Auftreten anderer Kulturpflanzen zeigte die Nähe des völkerverbindenden Sees an. Am 23. September stiegen wir von der Höhe ab und marschirten durch welliges von Bachthälern durchzogenes Land, auf dessen fettem Humusboden prächtige Felder der Eingeborenen gedeihen, in welchen die Bananenhaine und Komplexe halbkugeliger Hütten verstreut sind. Auch der glänzendblättrige Rindenbaum wird überall gebaut und zur Verfertigung des schönen, ziegelrothen Zeuges verwendet. Man sah ziemlich viel Vieh auf der Weide und in den Dörfern gab es reichlich Nahrung, Tabak und vortrefflichen Honig. Das Benehmen der Eingeborenen war gerade nicht unfreundlich, aber scheu; vor allen Dörfern standen Bewaffnete: sie hatten offenbar schon Küstenkarawanen und nicht von der besten Seite kennen gelernt, denn der Araber Rumaliza (Mohammed bin Halfan) aus Ujiji pflegte seine Sklavenjagden bis hierher auszudehnen.
Am 24. September betraten wir in der Landschaft Utavuka die Russisi-Ebene, welche mit hohem Graswuchs, Dorngestrüpp und Baumeuphorbien einen steppenhaften Eindruck macht. Nur wo die wasserreichen Bäche aus den Bergen treten, dehnen sich üppige Bananenhaine und ganze Wälder herrlicher Oelpalmen aus, die mich lebhaft an Westafrika erinnerten. Besonders fällt der Reichthum an Schmarotzerpflanzen auf, die an den Blattansätzen der Palmen herauswuchern und oft förmliche Bäume am Baum bilden. Dazwischen flatterte in kreischenden Schaaren der graue Papagei.
Am 23. war der Marsch durch sumpfige Stellen erschwert und führte dann durch offenes sandiges Alluvialgebiet, in welchem die glühende Sonnenhitze lästig wurde, bis endlich ein Blick auf den wogenden Tanganyika alle Mühe vergessen liess. Wir durchzogen einen Bananenhain, der seine Ufer säumt und lagerten knapp am Strande in einem kleinen Dorfe.
Der Anblick der sich von dort bot gehört zu dem Grossartigsten was ich in Afrika geschaut. Vor uns dehnte sich, ein riesiges Binnenmeer, der tiefblaue Tanganyika mit seiner donnernden, oceanartigen [92] Brandung. Hinter dem üppigen, palmbekränzten Ufer erhoben sich im Osten die grünen Urundiberge, während im Westen, scheinbar direkt den Fluthen entsteigend, die gewaltige dunkle Bergmauer von Uvira aufragte.
Mit Behagen athmeten wir die köstliche Seebrise ein und liessen uns selbst durch Krokodile den Genuss eines Bades nicht verkürzen. Hatten wir doch den schwierigsten Theil unserer Reise hinter uns, standen wir doch an der äussersten, westlichsten Grenze des deutschen Interessengebietes und führte unser Weg fortan doch der aufgehenden Sonne entgegen, nach der Küste, nach der Heimath!
Das Lager der Sklavenhändler. — Kämpfe mit Watussi. — Die südlichsten Nilzuflüsse. — Baumdörfer am Mlagarasi. — Im Waldland Uha. — Kirambo. — Die Mission Urambo. — Tabora. — Erstürmung von Tambarale. — Sunguisi. — Die Wembere-Steppe und Usure. — Turu. — Ussandaui. — Irangi.
[93] Am Tanganyika trafen wir zum ersten Male seit Wochen wieder auf Küstenleute. Unweit unseres Lagers lag, von festem Stangenzaun umgeben, eine Niederlassung des Arabers Mohamed bin Halfan aus Ujiji, besser bekannt unter dem Namen Rumaliza. Doch die freudige Begrüssung, die sonst beim Zusammentreffen mit Swahíli stattfand, blieb hier aus; scheu hielten sich die Insassen des Ortes in ihrer Befestigung und Nachts zeugte das fortwährende Dröhnen einer Trommel, dass sie scharfe Wacht hielten.
Für mich lag darin nichts verwunderliches, denn Rumaliza, ein Sklavenhändler und Kompagnon Tippo-Tips, galt seit jeher als Feind des Europäerthums und stand damals in dringendem Verdacht, mit dem aufrührerischen Häuptling Sike von Unyanyembe unter einer Decke zu stecken. Das war mir bekannt, doch konnte ich nicht wissen, dass zur selben Zeit am Südufer des Tanganyika blutige Kämpfe zwischen Belgiern und Arabern stattfanden, und dass in Manyema der grosse Entscheidungskampf zwischen dem Kongostaat und den Arabern begonnen hatte. Doch liefen dunkle Gerüchte von Kämpfen der Europäer mit Rumaliza bei mir ein, und die Warundi meldeten mir, dass Bakari, der Häuptling Rumaliza's in Ruwenga, jenseits der Russisi-Mündung einen Angriff auf mich plane. Diesem galt es unter allen Umständen zuvor zu [94] kommen. Ich schickte also einen meiner Elephantenjäger, der früher in Manyema gewesen, nach dem arabischen Lager und liess dessen Anführer auffordern, zu mir zu kommen.
Nach längerer Zeit erschienen sie auch, wüst aussehende Kerle in zerrissener Küstentracht und mit langen Flinten. Es war derselbe Schlag Leute, mit welchen ich vor Jahren an den Stanley-Fällen des Kongo viel zu thun hatte; Menschen, die sich Sansibariten nennen, weil sie nothdürftig Kiswahíli sprechen, und doch nur Sklaven aus Innerafrika sind, die niemals die Küste gesehen. Sie berichteten übereinstimmend mit den Warundi, dass Bakari (Kapokora) das Oberhaupt dieser Gegend sei, und erklärten sich bereit, einen Brief an denselben zu bringen. Denn es war natürlich mein Wunsch, mit diesen Leuten gütlich auszukommen, da mir an dem Risiko eines Gefechtes mit Arabern wenig gelegen war, um so weniger, als dasselbe auf keinen Fall der Expedition irgend etwas nützen konnte. Ich beschloss daher, an Bakari zu schreiben.
Solche Briefe sind keineswegs leicht zu verfassen, da sie, wenn zu friedlich gehalten, leicht den Eindruck der Aengstlichkeit machen und dadurch geradezu den Angriff herausfordern. Mein Sekretär für diese Art Korrespondenz war der Askari Mwalim bin Kivuma aus Tanga, ein braver, ernster Bursche, der zum Unterschied von dem endlosen Phrasengewäsch seiner Landsleute einen geradezu lapidaren, an antike Inschriften erinnernden Styl besass. Als Beispiel sei der Brief an Bakari angeführt, den er für mich verfasste:
Salaam, baada ya salaam nimekuja mzungu mdachi. Kana unataka kupigwa njo upigwe. Kana unataka amani nami nataka amani. Lete sawadi zako kwa sababu baada ya siku tatu nitaondoka. Hii ndio maneno yangu, bwana kivunja. Dr. O. B.
(Gruss, nach dem Gruss: ich, ein deutscher Reisender, bin gekommen. Willst du geschlagen werden, so komme und werde geschlagen. Willst du Frieden, so will auch ich Frieden. Sende deine Geschenke, denn in drei Tagen reise ich ab. Dieses ist meine Rede. Bwana Kivunja. Dr. O. B.)
Die Wirkung dieses Briefes war ganz die gewünschte: denn schon am nächsten Morgen schickte Bakari Reis und Fische als Geschenk und liess mir versichern, dass er gänzlich friedlich gesinnt sei. Offenbar scheute er das Abenteuer eines Kampfes mit einem Europäer, der in drei Tagen abzog.
Bis 30. September erfreuten wir uns des angenehmen Aufenthaltes am See. Ein besonders eigenartiges Schauspiel bot das nächtliche Fischen der Eingeborenen bei Fackelschein, welches einen Kranz hellleuchtender Brände über die dunkle Wasserfläche zog.
Die arabische Niederlassung, die aus einigen Negerhütten bestand, war gefüllt mit Sklaven, meist Weibern und Kindern, von welchen nur einige Fusseisen trugen, während die andern frei umherliefen. Diejenigen, welche sich schon länger in der Station aufhielten, sahen halbwegs gut genährt aus, ein neuer Transport jedoch, der von Ruwenga ankam, bestand fast nur aus skelettartig abgemagerten [95] elenden Gestalten, aus deren tiefliegenden Augen der Hunger sprach. Es waren meist Leute aus Ubmari, Uvira und Ubembe, Gegenden, die von Rumaliza's Leuten unaufhörlich verheert werden, die trotz ihrer Fruchtbarkeit nun fast brach liegen, und wo die von Pocken und Elend decimirten Eingeborenen ihre Kinder in die Sklaverei verkaufen oder selbst von den Leuten der Araber aufgelesen werden.
Obwohl die Händler viele kleine Stationen errichten, um die Verproviantirung zu erleichtern, wüthet doch fast fortwährend Hungersnoth in denselben, und die Krokodile des Tanganyika haben an den täglich hineingeworfenen Leichen ein reiches Mahl. Denn die ausgesogenen Gegenden können den Unterhalt dieser Massen nicht mehr bestreiten, die nur langsam in Kanus nach Ujiji zur Weiterfracht befördert werden.
Aus Mitleid kaufte ich einige dieser Elenden, aufgeweckt aussehende Jungen, für Spottpreise, um eine rothe Mütze, zwei Meter Baumwollstoff u. s. w., frei, und gab sie später an Missionen ab. Es war unglaublich, wie rasch diese armen Kinder sich erholten: ein Bad, ein Fetzen Zeug als Lendenschurz, eine tüchtige Mahlzeit — und der stumpfsinnige, verzweifelnde Wilde ward zum heiteren, leidlich aussehenden Menschenkind.
Besonders rasch und gründlich veränderte sich Mhogo hadim Kivunja, ein Knirps, den ich in der Nähe des arabischen Lagers als schielendes kleines Scheusal mit runzeligem Greisengesicht aufgelesen. Er wurde später mein persönlicher Diener und weilt in dieser Eigenschaft heute [96] noch bei mir. Doch Niemand würde in dem lebhaften, gesunden Jungen das elende Sklavenkind wiedererkennen, welches ich für eine Schüssel Maniok (Mhogo) und einen Meter Baumwollzeug am Tanganyika erstanden.
Am 30. September verliessen wir Usige, wie die von Warundi bewohnte Landschaft am Nordende des Tanganyika genannt wurde, um den Rückmarsch anzutreten. Natürlich wählten wir dazu nicht den Weg über Ujiji und die vielbetretene Karawanenstrasse, sondern hielten direkt Südost durch gänzlich unbekanntes Gebiet auf Urambo zu. Die Leute Rumaliza's, die uns abziehen sahen, schüttelten bedenklich die Köpfe und meinten, wir würden in dieser Richtung wohl nicht weit kommen, denn die Araber hätten sich da oben im Gebirge mehr als einmal blutige Köpfe geholt.
In den nächsten Tagen stiegen wir steil zur Höhe des Abfalls an. Der Hang ist von Warundi bewohnt und reiche Bananen- und Maniokpflanzungen dehnen sich zwischen völlig offenen, baumlosen Weidegebieten aus. Zahlreich sind die kleinen von Dornhecken umgebenen Dörfer, deren freundliche Eingeborene verwundert die Karawane anstarrten. Am 2. Oktober erreichten wir den Kamm, warfen einen letzten Blick auf die mächtige Fläche des Tanganyika, der düster zwischen seinen Steilufern lag und betraten ein welliges Grasland.
Wir waren hier wieder im Nilgebiet; die klaren, in den Thälern rauschenden Bäche bildeten die südlichsten Zuflüsse des »Vaters der Ströme«. Hier hausten ausschliesslich jene kühnen Hirten hamitischer Abstammung, die Watussi, und ihre ärmlichen Weiler mit ihren Distel- und Stachelgestrüpphecken, mit ihren malerischen hohen Bambusstauden und kleinen Erbsen- und Kürbisfeldern, waren überall verstreut; auf den Wiesen weideten zahlreiche, grossgehörnte Rinder. Diese Watussi waren es, welche Rumaliza und sein Gefolge geschlagen hatten.
Zuerst zeigten sie uns gegenüber keine feindlichen Absichten, nur alte Leute mit scharfen Zigeunergesichtern hockten unbeweglich am Wege und starrten uns misstrauisch an. Als wir jedoch eine Anhöhe hinanstiegen, erblickten wir auf deren Höhe eine grosse Schaar bewaffneter Krieger, welche den Weg versperrten. Sie riefen uns zu, wir möchten sofort umkehren und das Land verlassen, sonst würde es uns wie jenen ergehen, die vor uns gekommen seien. Ich liess ihnen antworten, dass wir nur friedliche Absichten und mit den Arabern nichts gemein hätten, ja gleich ihnen ihre Feinde seien. Ein wildes Kriegsgeschrei und Pfeilschüsse waren die Antwort. Ich liess einige Salven abgeben und ging dann sofort zum Sturm über, bei dem die Gegner geworfen wurden, worauf wir die Anhöhe besetzten.
Die Watussi, die offenbar von unserem Angriff überrascht waren, sammelten sich jedoch schnell, stürmten mit furchtbarem Geheul und geschwungenen Speeren wieder an und gaben erst nach, als sie durch erneuerte Salven erhebliche Verluste erlitten hatten. Dann begannen sie sich über die weite Hochfläche zu zerstreuen.
TAFEL XI
[97] Da wir in dieser Gegend gänzlich ohne Wegweiser waren, musste ich eine Abtheilung Askari entsenden, welcher es auch nach langer Mühe und einer förmlichen Jagd gelang, einen der langbeinigen Watussi und ein Weib festzunehmen, die uns in den nächsten Tagen über das Grasplateau führten.
In Mhororo erreichten wir am 3. Oktober wieder ein Warundi-Dorf und traten am 4. in den vorzugsweise von Watussi bewohnten Distrikt Issasu, der von steileren, theilweise steinigen Kuppen durchzogen wird, deren Hänge mit zartem Gras bedeckt sind. Schon bei unserem Eintritt in das Land liefen uns viele Watussi mit Bogen und Speer nach und begannen schliesslich den Nachtrab zu beschiessen. Mzimba, dessen Augenleiden nun wieder völlig geheilt war, warf sie jedoch zurück und erbeutete eine Heerde von über 200 grosshörnigen Rindern. Von allen Bergen erscholl das Kriegsgeschrei der Watussi, aber nur wenige wagten sich in die Nähe der Karawane und griffen sie mit unglaublicher Kühnheit — natürlich erfolglos — an.
Gegen Mittag kamen wir in ein Dorfgebiet der Warundi, die uns unbewaffnet mit Tänzen und Jubelgeschrei empfingen und die Watussi, welche uns noch nachfolgten, mit den Waffen in der Hand verjagten, da diese, wie sie sagten, »den Krieg in ihr Land brächten«.
Zu jener Zeit machte sich der Mangel an Kugeln für die Vorderlader unangenehm bemerkbar, die wir erst durch Steine und hartgebrannten Töpferthon, dann (in Unyamwesi) durch Eisenkugeln ersetzten. Patronen für die Hinterlader besassen wir noch reichlich, was der ausschliesslichen Anwendung des Salvenfeuers zu danken war, durch welche eine grosse Munitionsersparniss ermöglicht wurde. Mehr als 5-10 Patronen per Mann wurden selten bei einem Gefecht verschossen, was bei Anwendung anderer Feuerarten entschieden unmöglich gewesen wäre. Auch machte ich die Beobachtung, dass die Leute, die ja im Schiessen nicht sehr gut ausgebildet waren, bei Salven ungleich ruhiger und besser schossen, als bei Einzelfeuer. Da Salven auf wilde Gegner auch einen weit grösseren Eindruck machen, so wurde Einzelfeuer überhaupt gänzlich untersagt und Niemand durfte ohne direktes Kommando schiessen.
Mein Vorgehen den Eingeborenen gegenüber war stets von dem Grundsatze geleitet, dass die festeste Hand zugleich auch die mildeste sei. Der Eindruck, welchen der erste Europäer in neuen Gebieten hervorruft, bleibt oft entscheidend für lange Jahre. Allzu friedfertige Haltung wird leicht als Aengstlichkeit aufgefasst und giebt Veranlassung zu eingeborenem Uebermuth, der später nur durch Ströme Blutes gebrochen werden kann. Energisches Auftreten dagegen, welches auch einen Kampf nicht scheut, der bei dem moralischen Uebergewicht unserer Waffen meist sehr unblutig verläuft, bringt den Eingeborenen von vornherein eine heilsame Achtung vor Europäern bei, welche die sicherste Gewähr späterer friedlicher Entwicklung ist.
Am 15. Oktober überschritten wir den Luaga und Msuávula, ansehnliche reissende Bäche, die zwischen ziemlich steilen Hängen rauschen und in ihrer sandigen Thalsohle die unglaublichsten Krümmungen machen. Den [98] Msuávula bis zu seiner Quelle verfolgend, erstiegen wir einen höheren Grasberg; in zahlreichen Thalrissen bilden kleine Bäche hübsche Wasserfälle, an welchen Gruppen reizender Baumfarne auffallen. Auf der Höhe trafen wir ein offenes, leicht geneigtes Plateau, in dessen grasigen Halden die Felder und Dorfgruppen von Kiyonzo verstreut sind. Jedes Dorf bildet mit seinem stachligen Zaun, mit seinen dichten Bananen- und Ficus-Beständen einen kleinen Hain, der unvermittelt und kreisrund aus der grasigen Umgebung absticht. Im Innern sind die Dörfer durch Hecken in förmliche Irrgärten verwandelt, bieten jedoch einen schattigen, kühlen Aufenthalt.
Am 7. Oktober überschritten wir einen kleinen, aber tief eingerissenen Bach, was mit den Rindern fast eine Stunde in Anspruch nahm, kamen an dem charakteristisch spitzen Felskegel Ulembera vorüber und passirten den vielgewundenen Luvirosa-Bach, unweit welchem wir in einem kleinen Dorfe, das theilweise von Watwa-Töpfern bewohnt war, lagerten.
Am 8. Oktober überstiegen wir eine mässig hohe, aber steile und steinige Bergkette, welche dadurch merkwürdig ist, dass sie die Wasserscheide zwischen Kongo und Nil bildet. Nach Nord laufen die kleinen Gewässer in den Luvirosa und Nil, dem Victoria-See und Mittelmeer zu, im Süden sammeln sich die Wasser des Mlagarassi, der dem Tanganyika zuströmt, welcher durch den Lukuga-Kongo mit dem Atlantischen Ocean in Verbindung steht.
Aus der kühlen, feuchten Höhe stiegen wir in ein heisses, trockenes Tiefland ab, in dem es augenscheinlich schon lange nicht geregnet hatte. Mächtige ziegelrothe Lateritmassen, in welche die Gewässer tiefe Rinnen eingegraben, bedecken das theilweise steinige Hügelland. [99] Doch war das Land keineswegs unfruchtbar und schöne Felder umgaben die Dörfer der südlichsten Warundi, die hier leben. Zum ersten Mal in Urundi sah man Baumwollzeug, ein Anzeichen der grossen Karawanenstrasse, die Unyamwesi durchschneidet, während nördlich von der Wasserscheide alles gänzlich unberührt von jedem fremden Einfluss war. Aber auch ein sehr böser Gast hatte sich in diesen Theil Urundi's eingeschlichen: die Pocken. Ich empfand es nun schwer, dass der Impfstoff, den ich seiner Zeit von Europa mitgebracht, an der Küste keine Wirkung mehr besass, denn auch in der Karawane brach die Seuche aus. Durch strenge Absonderung der Kranken konnte ich das Umsichgreifen derselben verhindern, aber fast zwei Monate dauerte es, bis wir das Uebel gänzlich los wurden, und mehrere Askari und Träger, darunter der letzte Sudanese Faraj Abdallah erlagen demselben.
Am 10. Oktober verliessen wir das Dorfgebiet und traten in den dichten Laubwald ein, welcher das Thal des Mlagarassi bedeckt. Unterholz fehlte gänzlich und seine Stelle vertrat dürres, schneeweiss gebleichtes Bambusgestrüpp. Nach langem Marsch bei glühendem Sonnenbrand erreichten wir schöne Bohnenfelder und ein Dorf unweit des Mlagarassi, der zwischen Lehmufern nach Nord fliesst. Das Dorf, offenbar eine Neugründung und der südlichste Ort Urundi's, war ganz eigener Art. Zum Schutz gegen wilde Thiere waren die Hütten auf leichten Bambusplattformen in der Höhe der Bäume errichtet und nur durch primitive Leitern zugänglich. Die Grashütten auf ihren luftigen Höhen, die dunklen Gestalten der Eingeborenen auf den schwankenden Plattformen gaben in dem grünen Rahmen des Laubwaldes ein eigenartig malerisches Bild.
Am 11. Oktober überschritten wir den Mlagarassi und betraten die Landschaft Uha. Dieselbe ist ihrer grössten Ausdehnung nach mit Miombo-Wäldern bedeckt, die in der trockenen Jahreszeit kein sehr üppiges Aussehen hatten. Die Gras- und Krautvegetation, welche den Boden bedeckte, war verbrannt und in schwarze Asche verwandelt, die Stämme waren vielfach verkohlt und dürr hingen die Blätter an den Zweigen. Die Eingeborenen, Waha, welche die Dörfer der Waldlichtungen bewohnen, gleichen vielfach den Warundi, stehen jedoch in steter Verbindung mit Unyamwesi. Sie waren früher ihrer Habsucht und Gewaltthätigkeit wegen berüchtigt, wir lernten sie als ruhige, völlig harmlose Menschen kennen. In dem Distrikte Ruvungu wird der Wald von offenen Strichen unterbrochen, wo auf nacktem, ziegelrothem Lateritboden niedriges, glänzendblättriges Gesträuch kleine Oasen bildet, bei welchen eine schöne Primelart gedeiht. Sonst dehnt sich überall dichter endloser Wald aus, in dem die Siedelungen weit zerstreut sind und der so wasserarm ist, dass einzelne Dörfer ihr Trinkwasser stundenweit aus dem Mlagarassi schöpfen müssen.
Am 16. Oktober standen wir wieder am Mlagarassi, dessen rechtes Ufer besiedelt ist, während sich am linken weites, theilweise versumpftes, grasiges Ueberschwemmungsgebiet ausdehnt. Wir übersetzten den knietiefen Fluss und lagerten jenseits am Waldrande. Hier sah [100] ich einige Zebras, das einzige Wild, welches mir westlich vom Victoria-See begegnete. Bei glühender Sonnenhitze ging es am 17. Oktober nach Iwanda, das in einem ausgetrockneten Papyrussumpf gelegen ist, bei welchem einige halb verschmachtende Marabus ein trauriges Dasein führten und in dem, von Staub bedeckt, einige Rindenkanus lagen, die zur Regenzeit die Ueberfahrt vermitteln. Unsere langhörnigen Watussi-Rinder, welche wasserreiche Höhen gewohnt waren, fielen zu Dutzenden und die Heerde schwand täglich.
Am 19. Oktober durchzogen wir ein offenes Grasland mit breiten, zur nassen Jahreszeit versumpften Senkungen, in welchen die wasserliebende Raphia-Palme ihre nun dürren Wedel trübselig hängen liess und traten in ein weites Waldgebiet ein. Nur Elephantenjäger durchstreifen zeitweise diese gänzlich pfadlose Wildniss, in der die Richtung durch Axthiebe an den Bäumen bezeichnet ist. Ein Verirren konnte hier verhängnissvoll werden, denn viele Stunden weit sind die spärlichen Wasserplätze von einander entfernt. Alles Gras war abgebrannt und nur abenteuerliche Termitenbauten erhoben sich aus [101] dem kahlen rothen Boden. Auch einzelne Baumstämme waren den Flammen erlegen und sperrten als verkohlte Strunke den Weg. Besser hatten die kieselharten, blendend weiss gebleichten, dürren Bambusrohre Stand gehalten, deren Gruppen überall als ungeheure Besen aufragten.
Wir mussten — zum ersten Mal auf der ganzen Reise — die Nacht ohne Wasser verbringen und bezogen mitten im Walde ein unverfälschtes Buschlager. Es war eine herrliche, laue Tropennacht. Nur die eintönigen Rufe der Wachtposten unterbrachen die Waldesstille und hochlodernde Lagerfeuer übergossen die schlanken, grauen Baumstämme und das malerische Gewirr der zierlichen weissen Bambusrohre mit phantastischem Licht.
Am 20. Oktober erreichten wir schon Morgens einen kleinen, niemals austrocknenden Tümpel, Itanga, und trafen dort auf einige Eingeborene, die in der Waldeinsamkeit die Rinde der Bäume abschälten und zu Schachteln und Rindenzeug verarbeiteten. Dann ging es weiter durch den Wald. Erst bei Sonnenuntergang betraten wir offenes Land, in dem die schlanke Form der Borassuspalme das Auge erfreute, und gleich darauf das grosse Dorf Makindi, wo wir gastliche Aufnahme fanden. Meiner Gewohnheit gemäss schlug ich das Zelt zwischen den netten Grashütten der Eingeborenen auf, wurde jedoch Nachts aus demselben vertrieben und musste vor dem Dorfe lagern. Dies geschah nicht etwa durch feindliche Menschen, sondern durch zahllose Ratten, die bei den grossen Getreidevorräthen des Dorfes geradezu Legion waren und mein Bett buchstäblich überschwemmt hatten. Auch Mzimba hatte im Lastenzelt einen förmlichen Kampf mit diesen Scheusalen zu bestehen.
Da diese sich Tags über zum Glück verloren, hielten wir am 21. in Makindi Rast und erhielten den Besuch des weiblichen Häuptlings dieser Gegend, eines zarten, kränklichen, aber nicht unschönen Weibes, dessen feine Züge deutlich den hamitischen (Watussi-) Typus trugen. Der Aberglaube verbietet der »Sultanin«, das Hauptdorf zu betreten; so traf ich denn draussen unter einer Palme mit ihr zusammen, wo sie mit schwacher Stimme und müdem Aufschlag der tiefschwarzen Rehaugen um »Medizin« bat.
Am 22. Oktober ging es durch eine weite, völlig baumlose Steppe, die zur Regenzeit ein Kothmeer bildet, mit Wasserarmen, die nur im Rinden-Kanu passirbar sind. Auch jetzt waren sie ziemlich mühsam zu durchwaten und die schlammige schwarze Fluth reichte den Leuten bis zur Brust. Dieser schmale, unbewohnte Streifen bildet die Grenze zwischen Uha und Kirambo, der ersten Landschaft von Unyamwesi, deren Grenzdorf wir am 23. Oktober erreichten.
Wir waren nun wieder in einer Gegend, die auf der Karte stand, bei dieser Reise eine seltene Ausnahme und auch die Dörfer und Felder, besonders die Reis-Kulturen zeigten uns, dass wir uns der Karawanenstrasse näherten. Ganz besonders imponirte uns das Hauptdorf Kirambo's, die Residenz Mlamira's, das wirklich eine kleine Stadt genannt zu werden verdient. Aussen zieht sich um den Ort ein tiefer Schutzgraben, dessen Wall mit dichtem, buschigem Euphorbiengestrüpp bepflanzt ist. Durch ein Thor betritt man den [102] ersten koncentrischen Ring und gelangt an einen festen Stangenzaun, vor dem abermals ein tiefer Graben gezogen ist. Den dritten und innersten Ring bildet ein starker Lehmbau, ein Tembe, innerhalb welches, durch labyrinthartig verlaufende Zäune geschützt, Mlamira's Hütten gelegen sind.
In allen Ringen verstreut liegen die zahlreichen Kegelhütten, die schönsten und sorgfältigsten, die ich jemals im Innern Afrika's gesehen. Die grössten sind jene Mlamira's, im Centrum des Dorfes aufragende 12 m hohe Pagoden, die für Hunderte von Menschen Platz haben. Zahlreiche Taubenschläge beleben das Bild und überall beschatten Ficusbäume die kahlen Dorfplätze. Sie dienten früher zur Anfertigung des Rindenzeuges, doch ist letzteres längst durch das Baumwollzeug ersetzt, welches die unternehmenden Bewohner von der Küste holen. Hier trägt Alles Gewehre, die Männer kleiden sich mit weissem und blauem Zeuge, die Weiber mit bunten Tüchern nach Art der Swahíli-Weiber. Man könnte sich ohne viel Phantasie in ein Küstendorf versetzt denken, ein wunderbarer Kontrast gegen das wenige Tagereisen entfernte, gänzlich unberührte Urundi.
Obwohl noch kein Europäer sein Dorf besucht — die Route Stanley's verlief etwas östlich davon — hatte der junge Häuptling Mlamira, ein gutmüthig aussehender, schüchterner Bursche, doch eine deutsche Flagge und einen Schutzbrief, den er sich aus Tabora hatte holen lassen. Er nahm uns sehr freundlich auf und stellte reichliche Vorräthe von Reis, die uns besonders erfreuten. In den nächsten Tagen ging es durch die zu Urambo gehörigen Landschaften Mtimbi und Msennyi, in welchen stets Miombo-Wald mit Feldern wechselt und die Bewohner sich in ausgedehnten, befestigten Dörfern zusammenschliessen. Verschiedene Kulturpflanzen, rother Pfeffer, Tomaten und Citronen, eine Seltenheit im Innern, traten auf, ja jenseits des trockenen Igombe-Baches fanden wir beim Dorfe Mpegusi sogar Mango-Bäume, Granaten und Guayaven, welche die Stelle der früheren arabischen Niederlassung Msenne bezeichnen. Wir waren an der grossen Karawanenstrasse; nirgends erregte unser Erscheinen Aufsehen und die Eingeborenen, die uns in ihrer reichen Zeugkleidung unglaublich civilisirt vorkamen, standen höchstens neugierig vor ihren Dörfern und riefen uns auf Kiswahíli oder gar — auf deutsch ihren Gruss zu.
Aehnlich wie die Eisenbahnen in Europa, so wirken die grossen, alten Karawanenstrassen in Afrika unglaublich nivellirend. Ein und derselbe Typus von Leuten zieht sich längs derselben bis ins Herz des Kontinents, während wenige Meilen abseits, oft schon in der Nähe der Küste das unverfälschte Afrikanerthum blüht. Wer nur die Heerstrasse gesehen, kann kaum sagen, dass er in Afrika war.
Wenn schon die bekleideten Wanyamwesi mir den Eindruck höherer Kultur gemacht hatten, so sollte ich in Urambo noch ganz andere Civilisation kennen lernen, denn am 30. Oktober erreichten wir die englische Mission Kilimani-Urambo. Schon der äussere Anblick hatte gar nichts Afrikanisches. Auf dem Gipfel einer Anhöhe, erhob sich ein [103] nettes Gebäude im Schweizer-Styl, umgeben von Wirthschaftsbauten und eingebettet in einem Hain von Citronen. Hier hatten nun schon seit vier Jahren Mr. und Mrs. Shaw ihr Heim, letztere eine junge englische Lady, die ihrem Gatten ins Innere des dunkeln Welttheils gefolgt war. Ich fand die liebenswürdigste Aufnahme bei dem Ehepaar und wurde auch dem Baby vorgestellt, einem reizenden kleinen Mädchen, das in Urambo geboren ist und mit seiner zarten, weissen Haut mir, der ich Monate lang nur schwarze Gesichter gesehen, fast als höheres Wesen erschien.
In der Häuslichkeit sprach sich deutlich das Wirken einer Frau aus. In allen Räumen herrschte Ordnung und Behaglichkeit und bei Tisch erschienen auf blüthenweisser Decke Porzellangeschirre und geschliffene Gläser. Wenn Mrs. Shaw sich hauptsächlich mit dem Hauswesen beschäftigte, so war ihr Gatte ein wahres technisches Genie, Schlosser, Zimmermann, Tischler, Seifensieder in einer Person und konnte mit Stolz die schön eingelegten Möbel und sogar einen Kamin zeigen, den er zur Erhöhung der Wohnlichkeit in seinem elegant eingerichteten Salon aufgebaut. Porzellangeschirr, ein Kamin, ein Salon — in Urambo! Nun, mehr konnte man im Innern Afrika's, 700 Kilometer von der Küste, nicht verlangen.
Die Mission hat eine Anzahl Zöglinge, Knaben und Mädchen, die sich Abends in dem luftigen Dachraum des Hauses zur Andacht versammeln. Mr. Shaw spricht ein kurzes Gebet, dann singen die Kinder, durch Mrs. Shaw am Harmonium begleitet, einige Lieder. Die schwarze Schaar hat es im Singen recht weit gebracht, und wenn man diese Choräle mit meist bekannten Melodien, darunter auch die der österreichischen Volkshymne hört, so vergisst man, dass sie aus Negerkehlen ertönen und unwillkürlich fliegen die Gedanken nach der Heimath.
[104] Leider ist der Gesang so ziemlich der einzige Gegenstand, in welchem die Mission bei ihren Schülern Erfolge erringt. Bei der ausserordentlichen Gleichgültigkeit der Wanyamwesi für alle religiösen Dinge ist es kaum möglich Proselyten zu machen. Die Missionskinder erhalten als Löhnung für ihre Thätigkeit als Schuljungen 2 Doti Baumwollzeug monatlich, doch selten hält es einer auch nur ein halbes Jahr aus und der Wechsel ist ein fortwährender. In zwölf Jahren, seit die Mission besteht, wurde noch kein einziger Schwarzer zum Christenthum bekehrt! Dabei stehen die Missionare auf bestem Fuss mit den Eingeborenen. Zu Lebzeiten Mirambo's, des bekannten »Napoleon von Unyamwesi«, kam dieser Häuptling oft allein und ohne Bedeckung in die Mission und vertrat stets energisch deren Interessen, indem er jede Schädigung ihres Eigenthums streng bestrafte. Ebenso hielt es auch sein Bruder und Nachfolger Mpanda Charo. Der jetzige Häuptling Tuga Moto (Sprühfeuer), ein halbwüchsiger, auffallend hübscher Junge, der mir, behängt mit Schmuck und Seidentüchern am Tage nach meiner Ankunft seinen Besuch machte, verbringt ganze Monate in der Mission und begegnet dem Ehepaar Shaw mit grösster Achtung.
Wenn daher auch der äussere Erfolg der Mission nur ein geringer ist, so kann doch der Einfluss auf die Bevölkerung nicht hoch genug angeschlagen werden. Der fortwährende, nahe Verkehr mit einem gebildeten Europäer hat offenbar bei den in so hohem Grade entwickelungsfähigen Warambo seine Wirkung nicht verfehlt und wenn die Warambo im Küstenaufstand sowohl, wie in den Kämpfen in Unyamwesi stets auf Seiten der Deutschen standen und stets eifrige und gehorsame Bundesgenossen waren, so ist das in erster Linie der Mission von Urambo, mit ihrem Leiter Mr. Shaw zu danken.
Wir verliessen Urambo am 3. November und zogen durch schwach bewohntes Waldgebiet der Landschaft Usagali zu. Aus dem Laubholz ragten stellenweise wilde Granitblöcke auf. Die Dörfer waren theils von Stangenzäunen, theils von jenen starken Lehmbauten, den Temben, umgeben, die im mittleren Unyamwesi die Dörfer zu kleinen Festungen machen. Wasser war spärlich und musste oft weit her aus dem Igombe geholt werden, in dessen Tümpel zahlreiche Welse sich aufhielten.
Am 7. November stiegen wir an einer Felskuppe vorbei in eine weite, grasige Mulde. Bärtige Araber auf weissen leichtfüssigen Maskat-Eseln, gefolgt von bewaffneten Sklaven jagten, eine Wolke Staub aufwirbelnd, durch die Ebene, schlanke Wasserträgerinnen in bunter Küstentracht folgten in malerischer Haltung, die den schöngeformten Arm zur Geltung bringt, den schmalen Pfaden, und Swahíli-Leute in weissem Talar riefen uns ihr »Yambo« zu.
Aus dem Grau der Ebene tauchten allmählig dunkle Parthien auf, man unterschied Gruppen schattiger Mangobäume, aus welchen vereinzelt verkümmerte Kokospalmen ihr Haupt erheben, dazwischen die braunen Dächer der runden und kegelförmigen Hütten und die flachen blendend weissen der Temben: der Knotenpunkt des Karawanenverkehrs, das Emporium Central-Afrika's, Tabora.
TAFEL XII
[105] Ueber dem höchsten Tembedach wehte das deutsche Reichsbanner; darunter die unbewegliche Silhouette des Sudanesenpostens, der sich scharf von dem lichten Hintergrund abhob: die kaiserliche Station.
Wir betraten bald die staubigen Plätze, die sich zwischen den verstreuten Siedelungen ausdehnen und hielten, von grosser Volksmenge begleitet unseren Einmarsch in Tabora. Der erste Bekannte den wir trafen, war zu meiner Freude der Askari Mzee bin Jumah, der mir meldete, dass er die Lasten von Mwansa richtig hierhergebracht habe. Bei den kriegerischen Verhältnissen, die damals in Unyamwesi herrschten, war ich um diesen Mann bereits besorgt gewesen, doch hatte er seine keineswegs leichte Aufgabe, mit seltenem Geschick anstandslos gelöst. Wenige Augenblicke später drückte ich dem deutschen Stationsvorsteher Med. Dr. Schwesinger und den Offizieren der belgischen Expedition die Hand, die sich eben auf dem Durchmarsch zum Tanganyika in Tabora befanden.
Der Aufenthalt in Tabora gehört nicht zu meinen angenehmsten Erinnerungen. Schon der Ort ist nichts weniger als anheimelnd mit seinen öden staubigen Strassen, seinen Kehrichthaufen und vielfach verlassenen halbverfallenen Temben und Hütten, ein Bild Grau in Grau, welches deutlich spricht, dass Tabora das Emporium Central-Afrika's — gewesen ist.
In der Station herrschte trübe Stimmung, denn die Spannung mit Sike, dem aufrührerischen Häuptling, der inzwischen sein wohlverdientes Ende gefunden, war damals am stärksten und fortwährend fanden aufregende Schauri mit übel beleumundeten Arabern, mit Seliman bin Masud, Ali bin Nasor und anderen verrätherischen Schuften statt, die unter der Maske tiefster Demuth nur mühsam den wilden Europäer-Hass verbargen. Die Belgier litten unter dem obligaten Träger-Elend und so war an Geselligkeit nicht zu denken. Die einzige Gelegenheit, bei der ich sämmtliche Europäer von Tabora versammelt sah, war eine — Hinrichtung, bei der ein Mörder an einen Baum beim Marktplatz aufgeknüpft wurde. Man wollte durch diese Exekution moralischen Eindruck auf die Bevölkerung machen, doch schien dieser Zweck nicht erreicht, denn kaum einer der zahlreichen, feilschenden Marktbesucher wandte den Kopf nach dem baumelnden Landsmann.
Ich erlitt einen schweren Verlust in Tabora durch den Tod meines Askari Kihara wadi Mwamba aus Kwa Kyege bei Mkusi in Bondeï, jener braven Seele die 1888 Dr. Meyers und meine Gefangenschaft bei Buschiri getheilt und in seltener Treue bei uns ausgehalten hatte. Er erlag einem perniciösen Fieber.
Ausser den Lasten die ich von Mwansa hergeschickt, fand ich auch Waffen und Munition, die von der Küste für mich angelangt waren, in Tabora. Es war mir daher garnicht unangenehm als täglich zahlreiche Leute sich meldeten, die unter dem Schutze der Expedition als freiwillige Träger nach der Küste gehen wollten, und ich nahm solche, wenn sie nur halbwegs kräftig waren, gerne an. Auch ein langer dürrer Araber erhielt die Erlaubniss sich mit seinen Leuten uns [106] anzuschliessen, ein echter Maskater, der jahrelang im Innern Afrika's Alles versucht und nichts erreicht hatte. Derselbe erschien täglich Nachmittags zum Thee und machte eifrige Versuche mich zum Islam zu bekehren.
Auch die Expeditions-Damen erhielten in Tabora einen namhaften Zuwachs, meine Leute machten nämlich in den fünf Tagen unseres Aufenthalts die unerhörtesten Eroberungen und gar manche schwarze Schöne fand in der Nacht nach unserem Abmarsch eine Hinterthür, durch die sie dem Haremszwang entsprang und dem heissgeliebten Träger oder Askari nachrannte.
Am 15. November verliessen wir Tabora und zogen am 16. durch lichten, wasserlosen Wald nach Uyui, wo ein befestigtes Dorf und eine Niederlassung des Mr. Stokes sich befindet, eine ehemalige Mission, die jetzt in recht baufälligem Zustande ist. Ich selbst wurde dort — nach langer Pause — von einem starken Fieber ergriffen, das mir erst am 20. November den Weitermarsch gestattete. Durch die Grenzdörfer von Uyui ging es nach Ndara, wo zahlreiche kleine Tembedörfer mit viereckigem Grundriss und schmutzigem, winkeligem Innern in der ziemlich dürren Landschaft verstreut liegen. Von dort brachte uns ein zweitägiger, wasserloser Marsch durch öden Steppenwald nach Tambarale, dem Dorfe Mwana Tombolo's. An die Stelle des Miombowaldes traten Schirmakazien, Stachelgestrüpp und Baumeuphorbien, in den Mulden reckten ungeheure Baobabs ihre riesigen Aeste — wir näherten uns dem Massai-Land.
Aus der Wildniss tretend, erblickten wir am Morgen des 23. November das Dorf Tambarale. Ein dreifacher Ring fester Tembebauten, dessen äussere Umfassung wohl 4 Kilometer im Umfang hielt, umschloss einen Platz, in dem wenige Rundhütten ihre Kegeldächer erhoben. Auf der höchsten flatterte die schwarz-weiss-rothe Flagge und liess uns schliessen, dass wir einem freundlichen Dorfe nahten.
Durch das Thor des äussern Tembe traten wir in den ersten Ring und lagerten bei einem schattigen Baum, unweit des einzigen Brunnens des Ortes. Eingeborene waren hier nur spärlich zu sehen. Einer erschien und legte einen vom Lt. Langheld unterschriebenen Schutzbrief vor mir auf den Boden, worauf er sich schleunigst entfernte. Während ich noch über diese sonderbare Art, einen Schutzbrief vorzuweisen, nachdachte, krachten plötzlich Schüsse und einige Askari kamen, um zu melden, dass sie vom innersten Tembering aus beschossen würden. Ich dachte erst an einen Irrthum und eilte in den koncentrischen Raum zwischen dem zweiten und dritten Tembering, wurde jedoch aus den Schussscharten des letzten Tembe mit heftigem Feuer und einem Hagel von Pfeilen empfangen.
In der Eile hatte ich nur wenige Askari mit mir genommen und versuchte, mit diesen das niedrige Thor des Tembe zu stürmen, ein mörderisches Feuer aus allernächster Nähe streckte jedoch sofort 5 Mann todt nieder, mehrere wurden verwundet und ich selbst durch den Oberarm geschossen, so dass ich durch den Blutverlust gezwungen wurde, den inneren Tembering zu verlassen.
[107] Ich liess die Kugel durch den Koch herausschneiden und begann mit Mzimba über die weiteren Schritte zur Einnahme des Ortes zu berathen. Denn dass wir einen so verrätherischen, grundlosen Angriff nicht unbestraft dulden konnten, war uns völlig zweifellos. Wir schossen erst Brandpfeile und Brandraketen auf die Strohdächer der Hütten im Innenraum, doch ein leichter Regen vereitelte unser Bemühen.
So warteten wir denn bis zum Einbrechen der Dunkelheit, vertheilten hierauf, um die Hinterlader-Munition zu schonen, die Vorderlader-Schützen auf das Dach des zweiten Temberinges und eröffneten bei Magnesiumlicht ein ununterbrochenes Feuern auf den Innenraum. Der Gegner erwiderte dies kräftig, aber gänzlich wirkungslos, da er stets aus den Schussscharten feuerte und daher unseren höher stehenden Leuten nichts anhaben konnte.
Unaufhörlich krachten die Schüsse, gellend tönte das Geschrei der Weiber aus dem Innenraum, rasselnd schallten die Trommeln, und die Kämpfenden riefen sich wilde Flüche zu. Besonders ein Bursche aus Tabora war im Fluchen gross: Tomba mbwa! (Heirathe einen Hund!) rief er hinein, und von dort erschallte das Kriegsgeschrei »Mwana Kiunge!« womit Sike von Unyanyembe gemeint war. Damit war mir auch klar, dass der ganze Anschlag auf Anstiften dieses Häuptlings geschehen war und einen direkt deutschfeindlichen Charakter hatte.
Nach und nach wurde das Geschrei im Innern schwächer. Das wohlgenährte Feuer hatte schwere Verheerungen angerichtet, Todte und Verwundete lagen bei den Hütten umher, und wir hielten den Augenblick zum Sturm gekommen. Natürlich konnten wir nicht daran denken, einen so ausgedehnten Ort von allen Seiten zu bestürmen, wir erstiegen daher rasch das Dach des innersten Temberinges und eröffneten ein kräftiges Feuer auf die letzten Vertheidiger, worauf gleichzeitig das Thor aufgeschlagen und der Innenraum besetzt wurde. Die noch lebenden Insassen suchten in verzweifelter Flucht nach der anderen Seite ihr Heil: breite Blutspuren bezeichneten ihren Weg.
Tambarale war unser und die erbitterten Leute wollten sofort Brand an die Hütten legen; doch liess ich dieselben erst untersuchen, was sich als sehr nothwendige Vorsicht erwies, denn grosse Pulvervorräthe lagen im Innern. Auch Zeug wurde in ziemlicher Menge vorgefunden und kam meinen schon recht zerrissen aussehenden Leuten sehr zu statten.
Am 24. November steckten wir Tambarale an, was bei den Tembebauten keineswegs leicht war, so dass erst gegen Mittag der leichenerfüllte Schauplatz unseres Kampfes eine rauchende Brandstätte war.
Man wird nun vielleicht die Frage aufwerfen, warum ich mich in dieses Gefecht einliess und mein Leben sowie das meiner Leute auf's Spiel setzte, wo mir doch als »Privatmann« frei stand, nach den ersten Schüssen abzuziehen und eine Klageschrift an das Gouvernement in Dar-es-Salaam zu leiten? Es ist auch möglich, dass die Erstürmung Tambarales mir in gewissen Kreisen keinen Dank, sondern sogar den Vorwurf eines unberechtigten Eingriffs in amtliche Rechte [108] einbringen mochte. Aber erwägen wir einmal die Folgen, welche das obengenannte »korrekte« Vorgehen gehabt hätte! Wenige Tage nach mir passirte die Expedition Gemmer Tambarale. Sie führte an 500 Wanyamwesi-Träger und bedeutende Waffen und Munitions-Vorräthe in Lasten verpackt bei sich, besass fast gar keine Soldaten und war zur Vertheidigung gänzlich unfähig. Diese hatte Sike im Auge gehabt, als er seinem Verbündeten Mwana Tombolo den Auftrag gab, die nächste europäische Karawane anzugreifen. Denn er konnte nicht ahnen, dass ich plötzlich auf einer Seitenroute ankommen würde.
Hätte ich nun diesen Angriff nicht mit vollständiger Niederlage des Gegners beantwortet, so wäre die Expedition Gemmer überfallen, und, da sie nahezu wehrlos war, vernichtet worden. Die Hinterlader und Patronen wären den Aufständischen unter Sike in die Hände gefallen und es ist fraglich, ob es dann gelungen wäre, derselben Herr zu werden. Die Postverbindung mit dem Victoria-See, die damals über Tabora schon unterbrochen war, wäre auch auf der direkten Route gesperrt und die Seestation gänzlich abgeschnitten worden. Mir aber wäre für mein »korrektes« Vorgehen wahrscheinlich der Vorwurf schmähliger Feigheit gemacht worden. Denn ein Reisender im Innern Afrika's besonders auf wenig betretenen Pfaden, kann eben kein Privatmann sein, wie immer er sich anstellen möge, er ist und bleibt für die Eingeborenen der Vertreter seiner Nation, ja des Europäerthums überhaupt, und muss danach handeln, wenn er die Flagge, unter der er reist, nicht mit Schmach bedecken und der grossen Sache nicht schaden will, für welche wir alle, sei es nun amtlich oder nicht amtlich, unser Leben einsetzen. Solchen Personen, welche die Gewähr für ein umsichtiges Vorgehen nicht bieten, möge man das selbstständige Reisen im Innern einfach verweigern, da sie durch planloses Handeln die Kolonie schwer schädigen können. Bewährte Führer jedoch statte man unbedingt mit den Rechten und Pflichten der Gouvernements-Expeditionen aus, wie das auch vom Kongostaate den Expeditionschefs der grossen Gesellschaften gegenüber stets gehalten wird.
Von Tambarale begaben wir uns einige Stunden nördlich nach Sunguisi, dem südlichen Grenzdorf von Ussongo, jenem Distrikt, den der bekannte deutschfreundliche Häuptling Mtinginya beherrscht. Von den Eingeborenen gastlich aufgenommen, beschloss ich, dort die Heilung meiner Wunde abzuwarten. Bei sorgfältiger antiseptischer Behandlung, in welcher ich schon einige Uebung besass, ging dieselbe ziemlich rasch von statten, so dass ich schon am 10. Dezember aufbrechen konnte.
Während des Aufenthalts in Sunguisi kam die Karawane des Kapt. Gemmer und später jene des Grafen Schweinitz, der nach der Küste zog, durch, und es fehlte mir daher nicht an europäischer Gesellschaft. Auch Mtinginya machte mir seinen Besuch, war hocherfreut über die Niederlage seines alten Gegners Mwana Tombolo und schenkte meinen Leuten zwei Lasten Baumwollzeug. Der Unterhäuptling in Sunguisi, ein behäbiger, gutmüthiger Mann, dessen höchster Stolz seine zahllosen — [109] Kinder waren, benahm sich musterhaft und räumte mir sein geräumiges Tembe ein. Ein Theil dieses Baues stürzte allerdings eines Morgens ein, erschlug einen Massaihirten und begrub mehrere Askari und Weiber, die aber nur unwesentlich beschädigt wurden. Man wird jedoch auf afrikanischen Reisen nach und nach so abgestumpft, dass mich dieser Unfall keineswegs abhielt, den Rest des Tembe weiter zu bewohnen.
Am 10. Dezember lagerten wir in Maragano, einem kleinen Dorfe am Saume des Buschwaldes und traten am nächsten Morgen in denselben ein. Die Regenzeit setzte langsam ein, häufig gingen leichte Schauer nieder und die Baobabs und niederen Büsche trugen grünes Laub. Ein wenig begangener, durch Gestrüpp recht erschwerter Pfad führt durch diese Wildniss an den Rand des Wembere-Grabens, den wir am 12. Dezember erreichten. Er war durch malerische Haufen riesiger Granitblöcke bezeichnet, zwischen welchen Baobabs und schöne grüne Vegetation gedieh. Auf diesen Felsmassen lagen die kleinen Dörfer Nyambeïu und Itandulu verstreut. Besonders das letztere, eine neue Niederlassung mit weissen spitzen Kegelhütten, lag hochromantisch zwischen mächtigen Felszähnen. Einen dieser erkletterte ich, und überblickte die weite, tischflache Wemberesteppe zu meinen Füssen, mit dem niedrigen Saum der jenseitigen Randberge.
Am 13. und 14. Dezember durchschritten wir theilweise bei Regen die Steppe, welche hier weit schmäler als beim Simbiti ist. Sie ist vollkommen offen, fast graslos und nur zahlreiche, nach den Eyassi ziehende Schwärme von Wasservögeln, von Flamingos, Enten und Pelikanen, beleben das eintönige Bild. Gegen den Ostrand zu, treten niedriges Stachelgestrüpp auf sandigem Boden, stellenweise sogar schönes Gras und einzelne riesige Baobabs auf und man erreicht die [110] sanft ansteigende Randhöhe auf welcher mit Pfostenverschanzung das Dorf Urugu liegt.
Durch hügeliges, theilweise mit schönem Miombowald bedecktes Land ging es am 15. Dezember nach Ost. An den meist trockenen, breiten Bachrissen stehen malerische Gruppen schlanker Fächerpalmen. Wir kamen an dem grossen Dorfe Buschora (Mangura) vorbei, das zwischen Sorghum- und Reisfeldern gelegen ist und erreichten Mittags Ussure, einen von zwei hohen Kegelhütten überragten Tembebau an dessen Westecke die von Dr. Peters gehisste deutsche Flagge wehte. (Siehe Kopfleiste des Kapitels.) Seine damalige Freundin Saratita war jedoch inzwischen verstorben und an ihrer Stelle regierte Mlewe ein intelligenter junger Häuptling und eifriger Elephantenjäger, der vorzüglich Swahíli spricht.
Ussure ist ein Grenzland Unyamwesi's, östlich davon dehnt sich die Landschaft Turu aus, deren Bewohner, die nackten Wanyaturu, als bösartig berüchtigt sind. Erst Stanley, dann anderen Reisenden traten sie feindlich entgegen, auch gegen Dr. Stuhlmann, der wenige Monate vor mir das Land durchzog, benahmen sie sich unverschämt, ohne jemals ernstlich gezüchtigt worden zu sein. Die Folge war, dass ihre Frechheit ins Grenzenlose wuchs und dass keine kleine Karawane mehr unbehelligt das Land durchziehen konnte. Kurz vor meinem Durchzug waren Leute der Araber in Irangi, die mit Vieh aus Unyamwesi heimkehrten dort überfallen und gänzlich ausgeraubt worden.
Bevor wir bewohntes Land erreichten, hatten wir einen wasserarmen Steppenwald zu durchziehen und erst am 18. Dezember betraten wir die ausgedehnte, leicht gewellte Ebene von Turu. Lichter, sandiger Boden bedeckt auf weite Strecken das Land, das stellenweise mit spärlichem Gestrüpp bestanden ist. Vereinzelt ragt ein hoher Baobab oder eine Anhäufung wilder Granitblöcke auf. In der Ferne erhebt sich eine riesige, dunkle Bergpyramide: der Gurui. Von dunkelen Euphorbienhecken umgeben, sind die elenden kleinen Temben der Wanyaturu verstreut, ärmliche, niedrige Lehmbauten, in welche man förmlich hinein kriechen muss. Dazwischen liegen die Felder, die mit hölzernen Hacken bebaut werden. Die Eingeborenen, die in ihrer Nacktheit originell aussehen, gleichen sehr den Waschaschi in Elmarau und benutzen auch dieselben originellen Stockschilde wie diese. Sie [111] verhielten sich anfangs scheu, belästigten uns jedoch vorerst nicht.
Erst am 19. September, als wir den salzigen Singisa-See passirt hatten, in den tiefe Wasserrisse einmünden, zogen sie uns schaarenweise mit Kriegsgeschrei nach. Wir beachteten dies nicht weiter, bis sie Pfeile auf den Nachtrab schossen, einen Scherz, den sie sich meinen Vorgängern gegenüber mehrfach ungestraft erlaubt hatten. Diesmal waren sie jedoch an die Unrechten gekommen, wovon sie einige scharfe Salven belehrten, welche die freche Gesellschaft in wilde Flucht auflösten. Wir erbeuteten eine Heerde, in der die Araber von Irangi viele Stücke wiederfanden, die ihnen von den Wanyaturu geraubt worden waren. Ich gab meiner Gewohnheit gemäss selbst einige Schüsse ab, wobei meine Wunde wieder aufbrach und mir in den nächsten Tagen heftige Schmerzen verursachte.
Am Morgen des 19. Dezember stiegen wir zu einer Kammhöhe an und sahen uns abermals am Rande des grossen ostafrikanischen Grabens, dessen westlichen Abfall wir bei Leilelei im März erstiegen. Derselbe war hier nicht so steil wie im Massai-Land: tief unten lagen auf der flachen Sohle die Temben der Wanyamwesi-Kolonie Unyanganyi. Ueber theils grasigen, theils mit Dorngestrüpp bedeckten Hang, auf dessen Vorstufen vereinzelte Niederlassungen lagen, ging es bergab nach der sandigen Sohle, in der ungeheure Baobabs und kleine Wanyaturu- sowie grosse Wanyamwesi-Temben verstreut sind. Die Kolonisten, intelligente Leute aus Urambo, empfingen uns sehr freundlich, sie haben die hiesigen Wanyaturu völlig zu Paaren getrieben und leben jetzt auf gutem Fusse mit ihnen. Sie wiesen ein Schreiben von Dr. Stuhlmann vor, der einige Monate früher durch Unyanganyi gekommen. Da ich ersah, dass er den direkten Weg nach Irangi eingeschlagen, so beschloss ich über Ussandaui zu marschiren.
In den nächsten Tagen zogen wir durch dorniges, schwer gangbares Steppenland gegen Süden. Breite, gegen Ugogo verlaufende Bachbette durchschneiden das Land, dessen Steppencharakter durch den jüngsten Regen mit Grün übertüncht war. Am 24. Dezember lagerten wir unter hohen Akazien bei den klaren felsigen Igonda-Wasserlöchern. Die Wanyamwesi-Ansiedler in Ussandaui hatten von meiner Ankunft erfahren und brachten mir Eier und Feldfrüchte entgegen, ein Geschenk, das mich am Weihnachtsabend doppelt erfreute.
Am Christtag hielten wir unsern Einzug in Ussandaui und lagerten im Dorf des freundlichen Kolonisten Kipilipili, das zwischen ungeheueren Affenbrodbäumen am Fusse eines felsigen Hügels liegt. Von besonderem Interesse war mir das Volk von Ussandaui mit seiner merkwürdigen, durch Schnalzlaute an die Hottentotten erinnernden Sprache.
Am 26. Dezember gings durch hügeliges bewohntes Land. An den meist trockenen Bachbetten lagen die niedrigen Temben der Eingeborenen und ihre Felder, in welchen die Aussaat eben vollendet war. Aus den felsigen Höhen im Norden erhob sich die dunkele, waldige Kuppe des Tuyui. Bei dem an einen Felsblock geklebten Tembe [112] des Mnyamwesi Mtoro, bezogen wir Mittags das Lager. Mtoro, ein hochgewachsener alter Mann, war das Oberhaupt der Wanyamwesi-Kolonisten in Ussandaui, überhaupt der eigentliche Beherrscher des Landes und unter den primitiven Eingeborenen ein wahrer Pionier der Kultur, oder doch der Halbkultur.
Durch unbewohntes, vorherrschend flaches Land mit einzelnen felsigen Kuppen ging es nordwärts, theils durch lichten Wald, theils durch dornenreiche Steppe. Wir kamen an Dr. Fischer's Lagerplatz von 1885 vorbei und gelangten am Abend des 28. Dezember an einen felsigen, wasserführenden Riss in den Vorhöhen der Irangi-Berge. Gegen Abend erschien Ali bin Nasor, ein Araber von Irangi, der mir mit reichen Geschenken entgegengeeilt war. Er war der Zweite im Range der arabischen Kaufleute in Irangi und lebte auf gespanntem Fusse mit seinem ungleich bedeutendern Nebenbuhler Saïd bin Omar, dem er auf jede Weise den Rang abzulaufen suchte. Er bot Alles auf um sich mit den neuen Herren Ost-Afrika's, den Deutschen, auf guten Fuss zu stellen. Er ist ein intelligenter Maskataraber, und ich war immerhin erfreut wieder einmal mit einem vernünftigen Menschen sprechen zu können, wenn auch seine übertriebene Demuth und die fortwährenden Versicherungen seiner Liebe zu den Deutschen mich nicht sehr angenehm berührten.
Am 29. Dezember ging es ziemlich steil durch Wald zum breiten, wasserlosen Bubu. Wir verfolgten das sandige Bett eines Nebenflüsschens, in dem sogar etwas Wasser rieselt und das sich zwischen freundlichen, bewaldeten Hügeln schlängelt. Später lichtet sich der Wald und in den Feldern der Ansiedler und Eingeborenen wird der ziegelrothe, frisch geackerte Boden sichtbar. Kurz bevor wir Irangi erreichten begegnete uns ein prächtiger Zug von Arabern und Swahíli mit goldgestickten Mänteln und blendend weissen Hemden, mit blitzenden Schwertern und Dolchen im Gürtel. Es war Saïd bin Omar, der mit seinem Gefolge zu meiner Begrüssung ankam, ein vornehmer [113] Araber, der mich mit orientalischer Würde und Höflichkeit empfing, bei der man jedoch so ziemlich durchmerkte, dass er Europäern nicht übermässig grün ist. Die besseren arabischen Kreise halten sich überhaupt noch etwas reservirt und jene Gestalten, die mit überschwänglicher Demuth den siegreichen europäischen Machthabern die Füsse lecken, sind oft die grössten Schufte. Die Zeit wird auch hier klärend auf die Verhältnisse einwirken.
TAFEL XIII
Unter solchen Betrachtungen, von welchen ich natürlich nichts laut werden liess, näherten wir uns der Niederlassung. Auf niederer Kuppe lagen zwischen hohen Baobabs die ansehnlichen Temben der Araber, umgeben von reichen Kulturen von Weizen- und Zuckerrohrfeldern, aus welchen sich — ein seltener Gast in Ost-Afrika — die schlanke Dattelpalme erhob. Ueber dem Ganzen wehte auf hoher Stange das schwarz-weiss-rothe Banner, das die Araber uns zu Ehren gehisst hatten.
Unter Flintenknallen und Jubelgeschrei hielten wir unsern Einmarsch. Ein Theil meiner Leute, die Elephantenjäger, waren hier so gut wie zu Hause, auch die anderen fanden Landsleute, Freunde und Bekannte und das Ziel der Reise, die ersehnte Küste, schien in greifbare Nähe gerückt.
Aufenthalt in Irangi. — Uassi. — Ufiomi und die Wafiomi. — Wieder in Umbugwe. — Iraku und die Höhlenbewohner. — Meri. — Mangati und der Gurui-Berg. — Die Massai-Steppe. — Unguu. — Ankunft an der Küste.
[114] Wenn wir Weihnachten im Busch verlebt hatten, so wollten wir wenigstens das neue Jahr 1893 unter Menschen antreten. So blieben wir denn fünf Tage in Irangi und liessen uns die Gastfreundschaft der Araber gefallen, die in Anbetracht der Umstände geradezu glänzend war. Sie hatten auch Grund, der Expedition wohlgesinnt zu sein, denn unsere Kämpfe in Umbugwe hatten ihnen dieses Handelsgebiet erschlossen, und die Ausbeute an Elfenbein war grösser als seit Jahren.
So schwelgten denn die Leute in reichlichen Vorräthen und bei mir erschienen täglich nicht weniger als achtmal kleine Karawanen zierlich gekleideter Sklaven, die auf schönen Metalluntersätzen verdeckte Schüsseln brachten. Da gab es Reis und Würfelfleisch in Gewürzsauce, süsses Gebäck von einheimischem Weizenmehl, Datteln und parfümirten Sherbet — all' die Leckerbissen einer echt arabischen Mahlzeit.
In den Morgenstunden kamen in farbenprächtigem Aufzuge die vornehmsten Araber und Swahíli zur »Barasa«. In dem lichten Vorraum eines Tembe brachten wir, auf bunte Strohmatten gekauert, eine Viertelstunde mit jenen nichtssagenden, konventionellen Gesprächen zu, die bei solchen Gelegenheiten im Orient üblich sind.
[115] Ausser Elephantenjägern und Karawanenleuten gab es in Irangi auch viele Massai, die vor der Hungersnoth geflüchtet waren und für kleine Dienstleistungen gefüttert wurden. Unter diesen fand unser braver Elmoruo Ndaikai seine längst vermissten Kinder. Mit zitternder Hand betastete er die Verlorengeglaubten, heisse Thränen liefen über sein wetterhartes Gesicht und kaum konnte man den blutgierigen Krieger wiedererkennen, den ich gar oft in Gefechten die Gegner mit breitklingigem Speer zerfleischen sah. Seines Bleibens bei uns war nun nicht mehr länger, reich beschenkt mit Rindern nahm er Abschied und zog mit seinen Kindern in die Steppe hinaus.
Am 4. Januar rüsteten auch wir zum Aufbruch von Irangi, wobei die Araber es sich nicht nehmen liessen, mir 40 Bewaffnete mitzugeben, eine Hilfstruppe, die mich ein wenig an jene drei Schutzmänner erinnerte, welche einmal in bewegter Zeit einem marschirenden Infanterieregiment »als Bedeckung« beigegeben wurden. Vor meiner Abreise schickte ich vier meiner Leute als Postboten nach Pangani, theils um Nachrichten an die Küste gelangen zu lassen, theils um die gänzliche Ungefährlichkeit der »Massairoute« einmal durch ein auffallendes Beispiel darzulegen. Es sei gleich erwähnt, dass diese Leute Pangani in der unglaublich kurzen Zeit von 13 Marschtagen erreichten, ohne von Eingeborenen irgendwie belästigt worden zu sein.
Wir selbst wandten uns Umbugwe zu. Die Araber und ihre Leute erreichen dieses Land meist auf allerlei Umwegen, bei welchen sie die Landschaft Uassi umgehen, deren Bewohner als boshaft und kriegerisch gefürchtet sind. Ich sah jedoch keinen Grund, von der direkten Route über Uassi abzuweichen. Durch ein sandiges Thal ging es von Kondoa nach Simba's Niederlassung. Beiderseits erhoben sich kahle Hügelzüge, die Thalsohle war mit Stachelgestrüpp bedeckt und nur am Rande der Höhen ragten einzelne Baobabs und riesige, schattige Waldbäume auf.
Am Morgen des 5. Januar ging es steil hinan zur Höhe des Uassi-Plateaus. Kalte Winde trieben Nebelstreifen über das wellige Land, dessen sandigem Boden die Wauassi einen kärglichen Ertrag abringen. Diese standen abseits bei ihren niedrigen, kleine Höfe einschliessenden Temben, begrüssten uns mit Kriegsgeschrei und riefen uns zu, wir möchten unsere Rinder hergeben. Wir kümmerten uns nicht darum, sondern zogen mit grösster Vorsicht durch das theilweise mit Gestrüpp bedeckte Land, stets verfolgt von den lärmenden Wauassi-Kriegern. Als wir wieder offenes Tembegebiet betraten, begannen dieselben Pfeile auf uns zu schiessen. Um sie zu verjagen, liess ich durch eine kleine Abtheilung eine Salve abgeben, worauf die meisten spornstreichs davonliefen und einige vor Schreck — in Ohnmacht fielen. Gänzlich unverwundet wurden sie von uns aufgelesen und haben uns als Wegweiser gute Dienste geleistet.
Auf dringende Bitten der Leute aus Irangi lagerte ich schon in den Morgenstunden und liess zahlreiche Temben der Wauassi einäschern, um diese für ihre fortwährenden Räubereien zu bestrafen. Nachmittags zeigte sich eine bewaffnete Schaar derselben auf einem Hügel und [116] stiess ihr Kriegsgeschrei aus. Um den Irangi-Leuten zu zeigen von was für »Helden« sie sich gewöhnlich ins Bockshorn jagen liessen, sandte ich meinen boy Hamadi und zwei Küchenjungen aus, die von einem Tembedach ein kräftiges Feuer auf die Kriegerschaar — es waren mindestens 200 Mann — eröffneten und sie in wilde Flucht auflösten. Der ganze Vorgang hatte den Erfolg, dass es den Arabern gelang mit den Uassi-Leuten ein Abkommen zu treffen und dass von nun an nie mehr Karawanen in Uassi belästigt wurden. Es war dies das letzte Mal, dass die Expedition von den Waffen Gebrauch machen musste.
Zwei Tage marschirten wir durch unbewohntes, grasiges, von lichtem Akazienwald bedecktes Plateaugebiet und stiegen am 8. Januar nach der Landschaft Ufiomi ab. Zu beiden Seiten des langgestreckten, blauen Maitsimba-Sees dehnen sich bebaute Landschaften, aus welchen die viereckigen, ziegelrothen Flecken der Tembendächer hervorstechen. Im Nordost ragt die dunkle, waldige Masse des Ufiomi-Berges auf.
Die Eingeborenen, welche vor den Temben oder auf den Dächern hockten, sahen mit ihren verschlissenen Lederschürzen, den Laubmassen im Ohrlappen und dem verfilzten Haar, in dem eine ruppige Feder steckte, unglaublich wüst aus. Sie galten jahrelang als äusserst bösartig und ihr Land wurde von allen Fremden sorgfältig gemieden. Sei es, dass sie ihre Sitten geändert haben, sei es, dass die Niederlage ihrer Nachbarn sie gewitzigt hatte: sie begnügten sich uns anzustarren und unternahmen nichts Feindliches. Nachmittags hatten wir sogar das Vergnügen die Damenwelt Ufiomi's kennen zu lernen, die sich bisher in den Dachsbauen verborgen hatte, welche diese Eingeborenen in den Lehmboden ihrer Hütten graben, und nun kothbespritzt ans Tageslicht [117] kam. Aus ethnographischem Interesse besuchte ich eine dieser Schutzhöhlen, musste etwa fünf Minuten durch einen beängstigend niedrigen Schacht bergabkriechen und gelangte dann in einen grösseren Raum, der durch einen Luftschacht mit der Oberfläche in Verbindung steht.
Von Ufiomi, das wir am 10. Januar verliessen, ging es leicht bergab durch fruchtbares, waldiges Land. Zwischen den Bäumen erblickt man die glänzende Fläche des Manyara-See. Auch die graue Ebene von Umbugwe wurde sichtbar und erweckte die Erinnerung an unsere Todten, die nun fast ein Jahr in fremder Erde lagen.
Ich war einigermaassen gespannt darauf, wie man uns in Umbugwe empfangen würde. Nachdem unsere Kämpfe im März 1892 in Deutschland bekannt geworden, waren nämlich einige »Kenner« aufgestanden, welche die Meinung aussprachen, dass Umbugwe nun endgiltig für alle Karawanen gesperrt sei. Ich war zwar vom Gegentheil überzeugt und die Erfahrungen der Irangi-Araber bewiesen dasselbe, aber wer kann mit Bestimmtheit auf die Gesinnung so unbeständiger, wilder Völkerschaften zählen?
Mit gewohnter Vorsicht betraten wir daher am 11. Januar das Tembengebiet Umbugwe's, aber schon die ersten Eingeborenen zeigten uns, dass sich hier viel verändert hatte. Statt der Kriegerschaaren, die uns bei der ersten Ankunft umschwärmt, erblickten wir überall friedliche, unbewaffnete Menschen, die uns ihr »Tálala« als Gruss boten. Bald kam Mbaruk, der Elephantenjäger, der immer noch hier weilte und mit ihm die Führer von Küsten-Karawanen, welche die Freundlichkeit der Eingeborenen nicht genug loben konnten. Bei dem ernsten freundlichen Häuptling Mbi, dem stets wie ein Schatten sein ewig heiterer Minister folgte, schlugen wir das Lager auf.
In den nächsten Tagen trat ich eine kleine Rundreise durch Umbugwe an, die mich zu Kutadu und auch nach dem Schauplatz unserer früheren Kämpfe in Mtakayko's Land brachte. Ueberall wurden [118] wir freundlich, wenn auch etwas scheu empfangen und erhielten von allen Häuptlingen, auch von Mtakayko, reiche Geschenke. Unter diesen Umständen hielt ich es nicht für gewagt, den grössten Theil der Karawane in Umbugwe zurück zu lassen und mit einer kleinen Abtheilung die Reise nach Iraku anzutreten. Natürlich durften die Zurückgebliebenen einzeln das Lager nicht verlassen, eine Maassregel, die eben nur durchführbar ist, wenn man Poscho (Wegzehrung) in natura und nicht in Zeug an die Leute vertheilt. Denn sonst kann man es ihnen nicht verbieten, einzeln auszuziehen und Lebensmittel einzukaufen, was kriegerische Eingeborene geradezu zu Mordthaten auffordert. Allerdings erfordert die Verpflegung in natura mehr Erfahrung und der Expeditionsführer muss auf Wochen hinaus auf Beschaffung von Proviant bedacht sein.
Mit leicht beweglicher Schaar verliess ich am 17. Januar Umbugwe, übersetzte den Kwou-Fluss und zog auf gutem Wege durch buschbedecktes Land nach dem Fuss des Steilabfalls. Auf einer Vorkuppe desselben lagerten wir und genossen bei Abenddämmerung einen schönen Blick auf die Seen Manyara und Laua ya Sereri und auf die weite, graue Massaisteppe über deren Horizont, wie ein lichtes Phantom der glänzende Schneedom des Kilimanjaro aufragte.
Nachts wurden wir von einem wilden Thiere, über dessen zoologische Stellung Meinungsverschiedenheiten herrschten, belästigt, welches zwei Mal in's Lager einbrach und erst einen Askari an der Schulter, dann einen Jungen an der Ferse verwundete. Die Patienten wurden am nächsten Morgen nach Umbugwe zurückgeschickt, während wir den steilen, felsigen Hang des Abfalls hinanstiegen.
Je höher wir kamen, desto frischere Luft wehte uns entgegen, bis wir die offene, grasige Hochfläche von Iraku erreichten. Zahlreiche Bäche durchschneiden das gewellte Land, im Norden und Nordosten ragen dunkle Waldberge auf. Die Eingeborenen gleichen völlig den Wafiomi, leben auch in ähnlichen Temben und sehen womöglich noch schmutziger, abenteuerlicher und wilder aus. Dennoch kamen sie uns sehr freundlich entgegen und machten den Eindruck friedfertiger Menschen. Als Ackerbauer leisten sie wirklich Hervorragendes; weite Strecken bedecken die schön gehaltenen, viereckigen Felder, die eben umgeackert wurden und als rothe Quadrate an den grasigen Hängen erschienen. Ueberall konnte man eifrig hackende Eingeborene sehen.
Durch ähnliches Gebiet, in dem sich ein stolzer Gipfel erhob, auf seiner Höhe förmliche Felszinnen tragend, ging es am 19. Januar nach der Residenz des Wataturu-Häuptlings Sagiro. Derselbe hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich, er hat schon im Massai-Land, in Unyanyembe und Usongo residirt und wurde von seinen Erbfeinden, den Massai, in diese entlegenen Höhen verdrängt. Seine Leute, unter welchen man auffallend wohlgebildete, echt hamitische Gestalten trifft, sehen verkommen aus, schmutzig und elend ist auch sein Dorf, ein halbverfallener Tembenring.
[119] Am 20. Januar ging es südwärts durch Iraku. Ueberall dehnte sich reich bebautes Land aus, von rothen Viehpfaden durchzogen, und belebt von Farnen- und Phönixpalmen-Gruppen. Hier haust ein uralter Häuptling, der mit seiner langen, schmutzig weissen Haar- und Bartmähne wie ein Kobold aussah. Ueberall standen die abenteuerlichen Gestalten der Eingeborenen in neugierigen, harmlos freundlichen Gruppen am Wege und boten mit ihren scharfgeschnittenen Zigeuner-Gesichtern und dem Leder-Ueberwurf einen originellen Anblick. Das Merkwürdigste waren ihre Wohnungen, in die Erde eingelassene, geräumige Erdställe, in welchen es bei der herrschenden [120] Kühle trotz der Dunkelheit ganz angenehm war. An den Eingängen standen dichtgedrängt die fellbekleideten Weiber, darunter auch manches ganz niedliche Höhlenmädchen, die uns vergnügt anlachten, aber bei dem leisesten Versuch sich zu nähern, in ihrem Mauseloch verschwanden.
Am 22. Januar verliessen wir das Dorfgebiet von Iraku, dessen letzte Siedelungen am Rande des Steilabfalles liegen und stiegen auf felsigem Pfade dem Kwou-Thale zu. Ueppige Krautvegetation bedeckt die rauhen Felswände aus deren Spalten reizende Phönixpalmen ihre schlanken Wipfel erheben.
Am klaren Kwou, dessen Ufer hochstämmiger Galleriewald säumt, lagerten wir und stiegen am nächsten Morgen über reich bewachsenen Hang zur welligen Plateaulandschaft Meri an. Hier haust eine kleine Kolonie von Irakuleuten und Wataturu, heitere, gutmüthige Leute, die in schönen Temben leben, welche in Gruppen geordnet, mit den ziegelrothen Dächern sich scharf aus der grünen, hügeligen Umgebung abheben. Ringsum dehnen sich prächtige Felder hinter welchen der begraste Berg ansteigt. Das Schönste an Meri ist jedoch die herrliche Aussicht über den gewaltigen Steilabfall des Grabens, die Niederung mit ihren schimmernden Seen, die graubraune Steppe mit ihren dunklen Gebirgsinseln und in weiter Ferne die Bergriesen des [121] Meru und Kilimanjaro. Letzterer hatte eben eine neue Schneehaube bekommen und erschien in scharfen, blendend weissen Umrissen am Horizont.
TAFEL XIV
Hinter Meri ging es wieder steil bergan. Die Hänge bedeckten Gras und Farnvegetation. Manch' schöne Blumen, darunter reizende Primeln, leuchteten daraus hervor und wurden von farbenprächtigen, kleinen Vögeln umflattert. Dann traten wir in dunklen Laubwald ein, der völlig jenem von Mutyek glich. Lange Bartflechten hingen von den moosbedeckten mittelhohen Laubbäumen, dichte Krautvegetation, meist Nesseln und Farne, bedeckte den Boden. Stellenweise öffnete sich eine kleine Lichtung und breite Elephantenpfade durchschnitten diese herrliche unbewohnte Wildniss. Erst am nächsten Morgen verliessen wir den Wald und durchzogen ein offenes grasiges Land bis zum Rande des Steilabfalles. Vor uns stürzte ein schroffer, theils felsiger, theils bewaldeter Felshang mit eingestreuten Gruppen von Phönixpalmen ab. In der Tiefe erblickten wir die leicht gewellte, theils offene, theils mit Busch bedeckte Landschaft Mangati mit dem Balangda-See und den Temben der Wataturu. Uns gegenüber jedoch ragte in greifbarer Nähe, von dunklen Basaltwänden gekrönt, die kühne Bergpyramide des Gurui auf.
Durch Gestrüpp und Wald ging es auf felsigem Wege in die Tiefe. Bald hatten wir die Sohle des Grabens und die Niederlassung Barabeïda erreicht, wo ein jüngerer Bruder Sagiro's regierte. Hier lernte ich das Volk der Wataturu in seiner ganzen Ursprünglichkeit kennen. Langbeinige Krieger mit wildem Kopfschmuck von Straussenfedern kamen herbeigeeilt, auf den Kehrichthaufen kauerten Gruppen von Weibern mit Lederzeug und rasselndem Eisenschmuck, schwarzäugige, schmutzige Kinder auf dem Rücken tragend. Allen sieht man auf den ersten Blick die hamitische Abkunft an und negerhafte Züge sind hier nicht zu finden. Auch in Mangati fanden wir freundliche Aufnahme und bekamen reichlich Lebensmittel geliefert. Ein Ausflug brachte mich am nächsten Tage zum salzigen Balangda-See, der den Eingeborenen Kochsalz liefert. Von hier präsentirt der Gurui sich wieder anders, aber stets als prächtiger Bergriese.
Leider konnte ich meinen Wunsch, diesen Gipfel zu ersteigen, nicht erfüllen, denn ein Fieber, gegen das ich seit einigen Tagen ankämpfte, warf mich nun zu Boden und zwang mich, einen Tag in Barabeïda zu verbleiben. Obwohl mir am 27. Januar nicht viel besser war, reiste ich doch ab, um mein Fieber durch Ortsveränderung zu kuriren. Dieses alte Buschmittel versagte auch diesmal seine Wirkung nicht; als wir gegen Mittag am papyrusreichen Bubu lagerten, erholte ich mich ganz leidlich.
Durch bergiges, licht bewaldetes, fruchtbares Land ging es am 28. Januar an's Westufer des Maitsimba-See und nach unserem alten Lagerplatz in Ufiomi. Auf einer anderen Route längs des Kwou, der tief in den Lehmboden eingerissen ist, erreichten wir am 30. Januar Umbugwe wieder. Ich fand dort alles in bester Ordnung, meine Leute hatten mit den Wambugwe gutes Einvernehmen erhalten und reiche [122] Vorräthe für den Marsch durch die Massai-Steppe gesammelt.
Noch hatte ich in Umbugwe eine Pflicht zu erfüllen, die Errichtung der Niederlassung, die ich in Meatu den Elephantenjägern zugesagt. Als Oberhaupt derselben bestimmte ich Mwanangwa Swetu, einen intelligenten Häuptling aus Unyamwesi, und wies demselben den Platz zur Errichtung einer Station an. Mit grossem Geschick hat dieser Mann seine Aufgabe gelöst und meinen Nachfolgern in Umbugwe gute Dienste geleistet. Von den Jägern blieben die meisten zurück, nur wenige, die sich vollkommen in die Expedition eingelebt, zogen mit uns nach der Küste.
Unter jenen, welche zurückblieben, gab es auch Leute, die schon Jahrzehnte im Innern zugebracht und unter andern Umständen vielleicht gern ihre Heimath wieder gesehen hätten. Wenn ich sie aber fragte, warum sie nicht mit nach der Küste wollten, meinten sie meist: »Hatutaki ku cheza ngoma ya Wazungu« (Wir wollen den Weissen nichts vortanzen). Diese Redensart stammt von den grossen Tanzfesten her, die von den Stationschefs bei festlichen Gelegenheiten, z. B. dem Erscheinen eines Oberbeamten zuweilen »amtlich« inscenirt, und von den Eingeborenen als lästiger Zwang empfunden werden.
Ueberhaupt ist es bemerkenswerth, dass weniger die grossen politischen Umänderungen, als die kleinen Polizeinörgeleien von der ostafrikanischen Bevölkerung als Druck gefühlt werden. Dass statt des Sultans von Sansibar nun ein deutscher Gouverneur regiert, ist den Leuten ganz gleichgiltig, aber dass sie nach 9 Uhr Abends nicht mehr spazieren gehen dürfen, Lampen brennen sollen, bei Tänzen und sonstigen Kleinigkeiten erst amtliche Erlaubniss einholen müssen, dann aber wieder auf Kommando, wenn sie keine Lust dazu haben, tanzen sollen, scheint den Swahíli unerträglich. Sie wollen ja gern Alles thun, im Nothfall selbst Steuern zahlen und für die Behörde arbeiten, aber tanzen wollen sie, wenn es ihnen Spass macht und nicht, wenn es der »Bwana mkubwa« befiehlt. Ein Bakschisch an die farbige Polizei befreit ja freilich von diesen und von den meisten anderen Lasten, wer aber darüber nicht verfügt der muss eben tanzen. Der grosse Mann freilich, zu dessen Ehren solche Feste arrangirt werden, ahnt von alledem nichts und sieht wohlgefällig dem »muntern Treiben« zu, wirft auch vielleicht einige Rupies unter die tanzenden Weiber, die ihnen nachträglich von den Polizisten wieder abgenommen werden. Zum Glück versteht er und seine Umgebung meist so gut wie kein Swahíli, sonst würde er grosse Augen zu den sonderbaren Schmeicheleien machen, die ihm in Form von Huldigungsliedern an den Kopf geworfen werden.[2]
[123] Wenn ich auch überzeugt bin, dass solche Erscheinungen zu den Kinderkrankheiten einer jungen Kolonie gehören, die sich mit der Zeit verlieren, so konnte ich es doch meinen alten Elephantenjägern nicht übel nehmen, dass sie es unter solchen Umständen vorzogen in Umbugwe zu bleiben.
Am 3. Februar nahmen wir Abschied von den Zurückbleibenden und traten den Marsch durch die Massai-Steppe an. Um deren Erforschung in grossen Zügen zu vollenden, beschloss ich dieselbe in einer schrägen Linie nach Mgera in Nord-Unguu zu durchqueren. Als Führer für die ersten Tage dienten uns einige Wambugwe, später Massai, die wir von Irangi zu diesem Zwecke mitgenommen. Nach Verlassen der Felder von Umbugwe kamen wir an das Südende des salzigen Laua ya Sereri-Sees und traten dann in lichten Akazien- und Baobab-Wald ein. Vorbei an den nördlichen Ausläufern des Ufiomi-Gebirges gelangten wir an den kleinen Sickerbach Tschem-Tschem, wo wir lagerten.
Schwärme kahlköpfiger Aasgeier, die übliche Staffage der Lager im Massai-Land, hatten sich eingestellt und bedeckten die umliegenden Baumwipfel. Sie waren diesmal besonders frech und rissen in pfeilschnellem Fluge nicht selten den Leuten die Fleischstücke aus der Hand oder vom Feuer weg. Diese rächten sich, indem sie den Geiern mit der — Angel nachstellten. Sie banden eine gewöhnliche Fischangel mit einer Schnur an einen Ast und hingen ein Stück Fleisch daran. Ich lachte erst über diese komische Idee und war sehr erstaunt nach wenigen Minuten einen der gefrässigen Raubvögel an der Schnur zappeln zu sehen, mit dem Haken tief im Rachen.
Der nächste Marsch führte uns durch pfadlosen Steppenwald zum Tarangire-Fluss, der tiefe Tümpel enthielt, in welchen die Leute massenhaft Welse fingen. Am jenseitigen Ufer lag der frische Leichnam eines Nashorns, das von einem Löwen gefällt worden war. Der Wüstenkönig, den unsere Ankunft in seiner Mahlzeit gestört hatte, kam Nachmittags wieder um dieselbe zu vollenden. Es war ein riesiges, männliches Thier, der erste Löwe, den ich auf meinen langjährigen afrikanischen Reisen lebend in Freiheit sah. Natürlich versuchte ich ihn anzupürschen, doch nahm er schleunigst Reissaus und jagte in langen Sätzen über die Ebene davon.
Am 5. Februar ging's durch Steppenland, das öfter gänzlich offene, in der Regenzeit jedenfalls versumpfte Senkungen unterbrachen, dem Sambo-Berg zu, der mit seinen südöstlichen Ausläufern, den Lolduman-Hügel, vor uns auftauchte. Viel Wild war zu sehen, darunter besonders Rhinozeros, deren ich eines, meine Leute zwei erlegten. Wir fanden Abends etwas Wasser in einem Thalriss und zogen am nächsten Tage durch die, von tiefen Schluchten zerrissenen Vorhöhen des Sambo, einigen Wasserlöchern zu, die südlich von diesem Bergkegel lagen. Zu jener Zeit brachen wir nicht Morgens, sondern stets Mittags auf, um die Sonne im Rücken zu haben und lagerten erst Abends. Ich selbst wurde fast fortwährend von kleinen Fiebern geplagt und konnte nur mit Mühe topographische Arbeiten verrichten.
[124] Ueber breite, flache Bodenwellen, deren Höhen mit Buschwald bedeckt sind, gingen wir am 7. Februar weiter. In einem felsigen Riss fanden wir Nachmittags Wasser, in das unsere durstigen Rinder förmlich hineinsprangen. Durch die Wegweiser verleitet, marschirten wir jedoch noch weiter, einem Wasserplatz zu, der angeblich nahe war. Doch erreichten wir ihn nicht und mussten wasserlos in der Steppe lagern. Mit seinem ziegelrothen Boden, seinen Termitenbauten und dürrem Stachelgestrüpp, schien das Land eine rechte Einöde und ich dachte eben darüber nach, wie selten wohl ein Mensch hierher gelangen mochte, als sich die Büsche theilten und eine Schaar Wandorobo hervortraten. Sie jagten in der Umgebung und waren stark mit Massai gemischt, die in ihrem Elend zu Wandorobo wurden. Auch einige schreckliche Hungergestalten waren unter ihnen, die Ueberreste ganzer Stämme, deren Gebeine in der Steppe bleichten.
Die Wandorobo führten uns am nächsten Morgen zum Wasserriss Kivululo, in dem viele ständige Tümpel sich ansammeln. Dann ging es bei glühendem Sonnenbrand wieder in die Steppe hinaus; auf weite Strecken ist das Land mit niedrigem, schwer passirbarem Gestrüpp bedeckt, über welches Heerden von Giraffen ihre langen Hälse erheben. Wir sollten Abends ein Wasserloch erreichen, fanden dasselbe jedoch leer und mussten abermals ohne Wasser lagern.
Am 9. Februar ging es auf den langen Felshügel Neibor-murt zu, der wie ein riesiger Elephantenrücken aus der welligen Steppe hervorragte. An seinem Fusse lagen, von Schattenbäumen umgeben, einige Tümpel. Dort hatten Jäger aus Usegua ein Lager geschlagen und durchstreiften mit einigen Massaiführern die Steppe nach Wild und Elfenbein. Zum letzten Mal erblickten wir vom Neibor-murt die fernen Gipfel des Kilimanjaro und zogen dann weglos durch Dorngestrüpp nach Südosten. Die alten Viehpfade der Massai waren alle verwachsen, nur mit dem Buschmesser kamen wir Schritt für Schritt vorwärts. Glühend brannte die Sonne auf den nackten, rothen Boden zwischen den Stachelbüschen und selbst die Nacht brachte uns kein Labsal, denn ohne Wasser mussten wir abermals bei einem Felshügel Ndigira lagern.
Die furchtbare Hitze, der Wassermangel und die schwierigen Terrainverhältnisse stellten an die mit Proviant schwer bepackte Mannschaft harte Anforderungen. Die »alte Garde« der Massai-Expedition allerdings war Allem gewachsen und behielt ihr flottes Marschtempo und ihren guten Muth bei. Die Neulinge jedoch, die in Tabora hinzugekommen, hauptsächlich die Wanyamwesi fielen vollständig ab, waren auf's Aeusserste erschöpft und kaum noch vorwärts zu bringen. Solche Steppenmärsche sind überhaupt die besten Prüfsteine für die Leistungsfähigkeit einer Mannschaft. Wenn ich die Ostafrikaner nach ihrer Eignung zu Pionier-Expeditionen eintheilen sollte, so würde ich die Pangani-Leute entschieden obenan stellen. An Massai-Reisen gewöhnt, halten sie unter allen Umständen, bei jeder Nahrung aus und sind auch vor dem Feinde muthig. Besonders die Sklaven aus Bwenyi, meist Manyema, sind ein vorzügliches Material. [125] Ihnen fast ebenbürtig sind die Wadigo, ausdauernde, muthige Bursche, die noch dazu nicht das unruhige Wesen der Manyema besitzen.
Die echten Tanga- und Mtangata-Leute, sowie die Wassegeju sind vielfach ebenfalls in Massai-Reisen erfahren, stehen jedoch den Pangani-Leuten im Allgemeinen nach. Die Wabondeï sind weder physisch noch moralisch ähnlichen Aufgaben gewachsen, besser sind Waschambaa und Wasegua, unter denen besonders die Wanguu sich als zähe, tapfere Leute auszeichnen. Unter den Bagamoyo-Trägern muss man die echten Wasaramo von der Küstenbevölkerung unterscheiden. Erstere sind weniger brauchbar, letztere recht tüchtig, aber mehr für Karawanenstrassen-Dienst und zu Soldaten verwendbar. Bezüglich der Nahrung sind sie weit empfindlicher als die Pangani- und Tanga-Leute, passen also weniger zu Forschungsreisen.
Ganz unbrauchbar zu jeder richtigen »Buschfahrt«, abseits von der Heerstrasse, sind Wanyamwesi und vor Allen Wasukuma. So ausdauernd diese bei guten Rationen und reichlichem Wasser auf gewohnten Wegen sind, so wenig bewähren sie sich in nur einigermaassen ungewöhnlichen Verhältnissen. Betreffs der Sudanesen machte ich schlechte Erfahrungen, so vorzüglich dieselben im Stationsdienst und auf kleinen Expeditionen, sowie vor dem Feind sich bewähren, so wenig sind sie grossen Strapazen gewachsen, wie auch Stanley erfahren hat. Die Expeditionen der Schutztruppe, welche höchstens einige Wochen hindurch Anspannung aller Kräfte erfordern, dann aber wieder lange Ruhepausen gewähren, sind natürlich in keiner Weise mit einer grossen Forschungs-Expedition zu vergleichen, die Monate und Jahre lang dauert und Kräfte, die für die Schutztruppe genügen, sind für solche Zwecke noch lange nicht ausreichend.
Besonders bei wasserlosen Märschen zeigt sich der Unterschied zwischen erfahrenen und unerfahrenen Leuten. Während erstere mit ihrem Trinkwasser haushalten, trinken letztere alles unterwegs, sind dann im Lager dem Verschmachten nahe und am nächsten Morgen marschunfähig. So war es auch am 11. Februar: Eine ganze Anzahl Wanyamwesi blieb verzweifelt liegen, während wir unsern Marsch durch die glühende Wüste — Steppe ist für diese fast kahle rothe Fläche zu gering — eilig fortsetzten. Gegen Mittag erreichten wir einen ansehnlichen Wassertümpel, Mabani, und Mensch und Vieh schlürften mit Wollust das schwarze, schlammige Nass. Die unermüdlichen Askari hatten kaum den ersten Durst gelöscht, als sie Gefässe mit Wasser füllten und zurückliefen, um die Wanyamwesi zu laben. Sie fanden dieselben fast sterbend, konnten jedoch alle retten und brachten sie ins Lager. Auch hier hatten einige Elephantenjäger aus Pangani ihr Lager aufgeschlagen und bereits recht ansehnliche Elfenbeinvorräthe gesammelt.
Von nun an ging es mit dem Wasser besser; Graswuchs bedeckte stellenweise das Land, Tümpel mit rothem, grünem oder schwarzem Wasser waren ziemlich häufig: wir näherten uns dem Rand der Steppe. In der Ferne tauchten die Berge von Unguu auf, bewohntes Gebiet, dessen erster Anblick Jubelgeschrei hervorrief. Am 14. [126] Februar lagerten wir unweit des Talama-Berges bei einer Wandorobo-Niederlassung. In dichtem Gestrüpp verborgen lagen die elenden, halbrunden Grashütten, an der Einzäunung standen schlanke Männer, auf den Bogen gestützt und zwischen den Hütten, inmitten von Fleisch- und Knochen-Ueberresten, kauerten ihre eisengeschmückten, kahlköpfigen Weiber.
Am 15. Februar veränderte sich die Landschaft; nach kurzem Marsch durch offene Steppe traten wir in lichten Laubwald ein, das Land wurde hügelig, die wohlbekannten Formen der Unguuberge traten näher, an den Hängen nahm man die grünen Vierecke der Felder wahr. Nachmittags wurden auch die zaunumgebenen Gruppen der spitzen Kegelhütten wahrnehmbar und mit Trommelklang und Hörnerschall marschirten wir in das Grenzdorf Unguus, in Kwa Maligwa ein.
Am nächsten Morgen erreichten wir Mgera, den Hauptort dieser Gegend, der mir schon von 1890 her bekannt war. Damals machten mir die Eingeborenen einen ziemlich urwüchsigen Eindruck, jetzt, wo wir von den Höhlenmenschen kamen, erschienen sie mir in ihrer reichen Baumwollkleidung als hochcivilisirte Menschen. Die gutmüthige, dicke »Königin« Mandaro, eine alte Bekannte, machte mit einigen ganz niedlichen Hofdamen ihre Aufwartung.
Mehr als das freute mich jedoch das Eintreffen der Postboten, die mir lang ersehnte Nachrichten von der Heimath brachten. Hatte ich doch während der ganzen Reise nur zweimal veraltete Postsendungen bekommen! Wir waren eben zu schnell gereist, die Herren, die an der Küste die Beförderung der Posten leiteten, rechneten mit dem üblichen Schneckengang der Expeditionen, und wenn eine Sendung irgendwo eintraf, war ich immer schon längst über alle Berge. Der Grund, warum wir so rasch vorwärts gekommen, liegt, wie ich glaube, hauptsächlich darin, dass wir niemals Gewaltmärsche machten, dass es uns niemals auf einen oder zwei Rasttage ankam, dass wir überhaupt niemals Eile hatten. »Haraka haïna baraka« (Eile bringt kein Glück) sagt der Swahíli, und was das Reisen im Innern anbelangt, hat er gewiss Recht. Jede unnütze Ueberanstrengung der Kräfte, jede überstürzt eingeleitete und mangelhaft vorbereitete Unternehmung rächt sich durch endlose Aufenthalte, die dem Reisenden alle Lust benehmen und den Geist der Mannschaft schwer schädigen.
Wenn es der Küste zu geht, ist es freilich ein alter Karawanenbrauch, dass die letzten Tage in Gewaltmärschen zurückgelegt werden. Die Sehnsucht nach den Fleischtöpfen der Küstenstädte, nach dem »Msonga nyuele«, dem geflochtenen Haar der reizenden Swahíli-Damen, lässt die Leute nicht ruhen. So ging es denn förmlich im Trab hügelauf, hügelab, durch die reich bebauten Gehänge Usegua's. Mir war die Gegend schon bekannt und im Fluge gings bei Makoma, der Stätte unserer blutigen Kämpfe von 1890, und den zahllosen grossen und kleinen Dörfern vorbei.
Selbst ein Krieg, der etwas abseits von unserer Route »wüthete«, konnte unser Interesse nicht erregen. Es kämpften da Leute des verstorbenen räuberischen Häuptlings Kiro mit einer eingeborenen Regierungspartei, die im amtlichen Auftrage diese Rebellen bestrafen [127] sollte. Der »Krieg« bestand darin, dass alle 10 bis 20 Minuten ein Schuss fiel; zur Mittagszeit und bei Regenwetter wurde überhaupt nicht Krieg geführt. Ob dieser gemüthliche Kampf heute noch »tobt« oder ob die Regierungspartei inzwischen der gerechten Sache zum Sieg verholfen, ist mir nicht bekannt.
Uebrigens konnte ich es den braven Kämpfern nicht übel nehmen, wenn sie sich die Sache etwas bequem machten, denn die Sonne brannte in diesen Tagen ganz höllisch, es herrschte das, was man sich gewöhnlich unter einer »afrikanischen Hitze« vorstellt. Dieser und meiner schadhaft gewordenen Kopfbedeckung verdanke ich es, wenn ich am Nachmittag des 20. Februar plötzlich von einem Hitzschlag getroffen wurde, der mich vom Reitesel herab bewusstlos ins Gras warf.
Als ich nach Stunden aus tiefer Ohnmacht erwachte, fand ich mich blitzschnell durch einen nächtlichen Wald schwebend, den zahlreiche strahlende Lichter mit feenhaftem Glanz übergossen. Ich glaubte mich schon in einem Zauberreich, als ich, durch die scharfe Morgenbrise völlig zum Bewusstsein gebracht, erkannte, dass ich durch einen Wald getragen wurde, während vor und hinter mir Askari mit Magnesiumfackeln liefen. Meine Leute hatten mich nämlich, nach vergeblichen Versuchen mich zu erwecken, in eine Hängematte gepackt und im Laufschritt den Marsch angetreten, um mich nach Pangani zum Arzt zu bringen.
Glücklicherweise siegte meine kräftige Natur und als bei Morgengrauen die Palmenwipfel der Pangani-Ufer sichtbar wurden, war ich schon wieder auf den Beinen. In der Zucker-Plantage eines Arabers in Mauia fanden wir freundliche Aufnahme und Unterkunft in dem schönen, kühlen Steingebäude. Vom Hause blickte ich hinab auf den grauen, langsam dahinfliessenden Pangani mit seinen üppigen, palmengekrönten Ufern.
Jenseits lagen Tschogwe, Pongwe und Mundo, die frühere Schamba Buschiri's. Welche Fülle von Erinnerungen bargen diese Namen für mich! Hier war ich 1888 mit Dr. Hans Meyer von bewaffneten Schaaren Buschiri's geführt, und meiner letzten Habe beraubt worden. Tagelang mussten wir an diesen lachenden Palmenufern in Ketten unser Schicksal, einen wahrscheinlich schrecklichen Tod erwarten, dem wir nur durch ein Wunder entgingen. Mehr jedoch als unser Leben, bedauerten wir damals das Missglücken unserer Expedition, das Fehlschlagen unserer grossen Pläne. Und doch sollten wir beide diese Pläne noch einmal zur Wahrheit machen: Hans Meyer hat als erster den stolzen Gipfel des Kilimanjaro bestiegen und mir ist es gelungen unsere weiterreichenden, damaligen Entwürfe zur Wahrheit zu machen. Buschiri, unser Gegner von 1888, fand den verdienten Tod und über dem Schauplatz unserer Leiden weht die deutsche Flagge!
Nachmittags verliessen wir Mauia und zogen durch die reichen Pflanzungen des rechten Pangani-Ufers. Stolz erhob sich die königliche Kokospalme und der herrliche, schattige Mangobaum verbreitete süssen Duft. Mit den letzten Strahlen der Sonne zogen wir in Bweni, gegenüber Pangani, ein und sahen in magischer Beleuchtung [128] die Steingebäude des ansehnlichen Städtchens am jenseitigen Ufer.
Die Deutschen Pangani's, die von meiner Ankunft wussten, kamen mir im Boot entgegen und ich konnte den Herren Pfrank, von Rode und Dietert die Hand drücken, alten afrikanischen Bekannten, die in ihren blüthenweissen Anzügen, mir zerfetztem, kothbespritztem Buschmann ungeheuer civilisirt vorkamen.
Dumpf rollte die Trommel, die Freudenschüsse der Leute erklangen und die Luft erzitterte von ihrem Jubelgeschrei. Stolz wehte die zerschlissene Flagge der Massai-Expedition im Abendwind. Und sie hatte ein Recht auf die Expedition stolz zu sein, der sie durch 14 Monate ein Banner gewesen!
An 4000 Kilometer hatten wir durcheilt, wovon mehr als zwei Drittheile durch gänzlich unerforschtes Gebiet führten. Die riesigen weissen Flecken, welche die Karte des nördlichen Deutsch-Ost-Afrika aufwies, waren ausgefüllt, weite Landstriche, die noch keines Weissen Fuss betreten, erforscht und Völker, die bis auf den Namen unbekannt waren, besucht worden. Zwei grosse Seen, der Manyara und Eyassi und eine tiefe Bucht des Victoria-Nyansa waren entdeckt und die letzten Räthsel des alten Nilquellproblems gelöst worden. Zahlreiche Kämpfe hatten wir zu bestehen gehabt, konnten jedoch mit Stolz behaupten, dass durch unsere Expedition das deutsche Ansehen in Afrika keinen Schaden gelitten hatte.
Zum letzten Male erklang am nächsten Tage, dem 22. Februar, die Karawanentrommel und die Mannschaft trat vor dem Usagarahaus in Pangani an, um ihren hart verdienten Lohn in Empfang zu nehmen. Die Braven erhielten ihn nebst einem reichen Geschenk und standen dann, ihrer Entlassung harrend, im Vorhofe des Gebäudes.
Noch einmal überblickte ich alle die dunkelfarbigen Gesichter, deren jedes einzelne eine Fülle von Erinnerungen für mich barg. Ich gedachte der schweren Zeiten, die wir gemeinsam verlebt und der Erfolge, die wir errungen, ich gedachte Jener die diese Stunde nicht erlebt, die den Heldentod vor dem Feinde gefunden oder Krankheit und Elend im Innern Afrika's erlegen waren.
Die Träger begannen ungeduldig zu werden. Bei der Auszahlung, als sie ihrem »Bwana kivunja« die Hand drückten, war wohl manchem dieser leichtlebigen jungen Burschen etwas weich zu Muthe geworden, nun forderte die Gegenwart ihr Recht, es galt die sauer verdienten Silberlinge rasch wieder anzubringen.
Ernster standen ihnen gegenüber die Askaris. Für diese wäre nun der Augenblick gekommen gewesen, mir nach dem Muster der Stanley'schen Getreuen zu Füssen zu fallen und mich dann im Triumph zu tragen. Doch nichts dergleichen geschah, sie standen nur stramm, wie es braven Soldaten geziemt. Aber ich hatte gelernt in den Augen meiner Leute [129] zu lesen und sah recht wohl, dass im Innern dieser harten Buschläufer mehr vorging als das unbewegliche Aeussere verrathen mochte.
Mit einem »Lebt wohl!« entliess ich meine Mannschaft. Kwaheri bwana! scholl es aus hundert Kehlen zurück. Rasch verliessen die Träger, langsamer die Askaris den Hofraum, doch dauerte es keine Minute und der Letzte war um die Ecke gebogen.
Die Massai-Expedition war zu Ende.
TAFEL XV
[133] Allgemeine Uebersicht. — Das abflusslose Gebiet. — Der Kilimanjaro-Graben. — Die Massai-Steppe. — Der grosse ostafrikanische Graben. — Der Wembere-Graben. — Das Granitplateau von Unyamwesi. — Der Victoria-Nyansa. — Die Quelle des Nil und das Mondgebirge. — Das centralafrikanische Schiefergebirge und der centrale Graben.
Das Forschungsgebiet der Massai-Expedition, von welchem nachfolgend die Rede sein soll, dehnt sich von der nördlichen Küstenlinie Deutsch-Ostafrika's, der sogenannten Tangaküste, bis zur Westgrenze der Interessensphäre, die durch den Verlauf des Tanganyika-See gekennzeichnet ist. Dieses ungeheure Gebiet lässt sich in verschiedene, ziemlich scharf von einander getrennte Abschnitte theilen.
An die schmale Küstenzone, für welche das Auftreten jurassischer Kalke und Thonschiefer bezeichnend ist, schliesst sich eine Kette krystallinischer Gebirgsinseln, die unter dem Namen Ostafrikanisches Schiefergebirge zusammengefasst werden.
An diese Gebiete reiht sich westlich eine Zone, die durch grossartige geologische Störungen bemerkenswerth ist. Dieselbe ist vor Allem durch den Verlauf des grossen ostafrikanischen Grabens bezeichnet, jener ungeheuren meridionalen Bruchlinie, welche, wie Suess so meisterhaft nachgewiesen, vom Todten Meer bis Ugogo durch fast 40 Breitengrade zu verfolgen ist. Als Nebenbruch lässt sich im Osten jener Graben auffassen, dem der Meru und Kilimanjaro, [134] vielleicht auch der Kenia entstiegen und dessen südlichen Verlauf das Panganithal undeutlich kennzeichnet, im Westen die Wembere-Spalte, die als Sackgasse in das Massai-Plateau eingerissen ist. Das ganze ausgedehnte Gebiet entsendet keinen Wasserlauf zum Meere und lässt sich daher als abflussloses Gebiet bezeichnen.
Im Westen von dieser theils krystallinischen, theils jungeruptiven Zone dehnt sich eine weite einförmige Hochebene aus, das Granit-Plateau von Unyamwesi, in welches nördlich das Becken des Victoria-Nyansa eingelagert ist. Theils dem Nil, theils dem Tanganyika-Gebiete angehörend, ist es durch den fast vollständigen Mangel ständig fliessender Gewässer ausgezeichnet.
Vom Granitplateau gelangt man landeinwärts abermals in ein krystallinisches Gebirge, das, dem ostafrikanischen Schiefergebirge fast gleichlaufend, als centralafrikanisches Schiefergebirge bezeichnet werden kann. Hier nimmt besonders die Hydrographie unser Interesse in Anspruch; schneidet doch hier die Wasserscheide zwischen Tanganyika-Kongo und Nyansa-Nil durch, liegt doch hier die Quelle der Hauptader des Victoria-See, die Quelle des Nil. Das Schiefergebirge stürzt in steilen Wänden zu einer anderen ungeheuren Spalte ab, dem centralafrikanischen Graben, dessen Sohle der Tanganyika-See einnimmt.
Das Vorland und die Komplexe des ostafrikanischen Schiefergebirges wurden schon an anderer Stelle[3] eingehend beschrieben, wir beginnen daher in der Beschreibung der einzelnen Abschnitte mit dem abflusslosen Gebiet.
Im Westen des Panganiflusses bei Aruscha erhebt sich das Litema-Gebirge, in seinen höchsten Punkten bis über 1700 m ansteigend und gegen Süden in niedrigen Kuppen verlaufend. Es bildet den Westrand des Kilimanjaro-Grabens, jenes Seitenzweiges der grossen Spalte, dem die vulkanischen Bergriesen des Kilimanjaro und Meru entstiegen. Das Litema-Gebirge ist der Hauptmasse nach krystallinisch mit stellenweiser Ueberlagerung archaischer, graphithaltiger Kalke und vorherrschend nordwestlichem Streichen mit nordöstlichem Fallen unter etwa 45°. Doch sind die Schichten vielfach stark verworfen und es haben grosse Störungen stattgefunden, wie auch das Vorhandensein jungeruptiver Durchbrüche anzeigt.
Das Litema-Gebirge fällt gegen das Pangani-Thal ziemlich steil, weit sanfter gegen die bedeutend höhere Massai-Steppe ab. Dieselbe bildet ein Plateau, welches allmählich bis zu 1500 m ansteigt, um dann eben so sanft gegen die Sohle des grossen Grabens zu fallen. Es ist durch das gänzliche Fehlen ständig fliessender Gewässer, überhaupt durch Wasserarmuth, bezeichnet. Aus der weiten, leicht gewellten Ebene erheben sich insular einzelne Bergkuppen, die bis zu 17-1800 m ansteigen und nicht nur weithin sichtbare Landmarken in dieser Wildniss bilden, sondern in ihren Klüften meist auch Quellen und Wassertümpel bergen. Im Norden sind es die Gruppen des Benne- und Sogonoi-Berges, des Mella, Lukutu und des ansehnlichen Donyo [135] Kissale, welche im Distrikt Sogonoi und Balanga aufragen. Weiter im Süden erheben sich der Sambo, Neibor múrt, Kinyarók und die einzelnen spitzen Felsberge der Massai-Landschaft Kiwaya, welche einerseits bis zu den bewohnten Höhen von Unguu, andererseits bis zu den Vorbergen des Irangi-Gebirges in der Ebene verstreut sind.
Ueberall in der Steppe und in den Bergkuppen herrscht Gneiss und krystallinischer Schiefer vor, mit leicht geneigten meist landauswärts fallenden Schichten und verschiedenen, aber fast immer den meridionalen genäherten Streichungsrichtungen. Nur im Süden, gegen Unguu zu, treten Spuren jüngerer Kalke auf, die das frühere Vorhandensein von Süsswasserseen anzudeuten scheinen, deren einer, der Kinyaróksee, heute noch besteht und die vielleicht den südlichen Verlauf der Kilimanjaro-Spalte bezeichnen.
Während in der trockenen Zeit die Massai-Steppe durch Wassermangel vielfach ganz unpassirbar ist, sammelt sich in der Regenzeit das Wasser in den flachen Mulden und verwandelt diese in Sümpfe. Solche Senkungen sind meist vollkommen offen, grasig, in der trockenen Zeit oft fast vegetationslos und von tiefen Rissen im schwarzen Boden durchfurcht, während höher gelegene Striche mit Steppenvegetation, Dorngestrüpp und Schirmakazien bedeckt sind, aus welchen vereinzelt Baobabs aufragen. Eine reichere Vegetation, darunter stellenweise sogar Laubwald, tritt am Fusse und an den Hängen der Bergkuppen auf.
Von Menschen fast ganz verlassen, ist die Massai-Steppe der Tummelplatz grosser Wildmengen. Die Büffel zwar und die anderen wilden Rinderarten haben durch die Viehseuche 1891 schwer gelitten und sind fast ganz verschwunden. Aber Zebras und Antilopen, Giraffen und Strausse treiben sich noch in Heerden umher und besonders massenhaft tritt das Nashorn auf, meist in Gruppen von 2 bis 3 die Wildniss durchstreifend. Selbst Elephanten kommen noch vor und auch Löwen und Leoparden sind ziemlich häufig. Raubvögel folgen in Schwärmen jeder Karawane.
Die Regenzeit scheint in der Massai-Steppe früher als an der Küste, gewöhnlich Mitte Februar einzusetzen. Sie wird durch heftige Ostwinde eröffnet, die überhaupt das ganze Jahr hindurch vorherrschen. Die Temperaturschwankungen sind sehr bedeutend, an glühenden Sonnenbrand unter Tage schliessen sich eisig kalte Nächte. In der Trockenzeit eine wasserlose Wüste, in der Regenzeit ein Sumpf, stets eine pfadlose, schwer zugängliche Wildniss, bildet die Massai-Steppe kein sehr vielversprechendes Gebiet.
Der grosse ostafrikanische Graben ist besonders scharf durch seinen Westrand, den Steilabfall des Massai-Plateaus, charakterisirt. Derselbe wurde im Norden von Dr. Fischer bis zur Breite des Natron-Sees erforscht, im Süden vermuthete man seine Fortsetzung in den Muhalala-Bergen in Ugogo, doch das Zwischenglied war noch unbekannt. Am Natron-See ist der Graben einerseits durch das [136] Massai-Gebirge, den sogenannten Mau-Abfall, dem der thätige Vulkan des Donyo ngai entsteigt, andererseits durch den Tafelberg des Geleï bezeichnet.
Südwärts schreitend, gelangt man in die schon von Dr. Fischer erkundete flache Senkung, die sich zwischen dem Natron-See und dem Manyara-See ausdehnt. Sie hat fast dieselbe Höhe wie der Manyara-See und weist Spuren von Kalksinter und Gerölle auf, welche auf eine frühere grössere Ausdehnung des Manyara und möglichen Zusammenhang mit dem Natron-See hinweisen. Im Osten erhebt sich die wahrscheinlich krystallinische Masse des Simangori-Berges. Im Westen ragt der hier fast 700 m hohe, ungemein schroffe Abfall des Plateaus auf. Dieses ist von unregelmässigen Höhenzügen bedeckt, zwischen welchen verschiedene Gewässer dem Manyara-See zufliessen. An dieser Stelle ist also die von Suess angenommene Aufwulstung der Grabenränder nicht wahrzunehmen, während sie weiter südlich, wo der Mto ya Matete unweit des Plateaurandes entspringt und westlich abfliessen soll, möglicherweise auftritt. Am Abfall sowohl wie am Plateau stehen ausschliesslich junge Eruptivgesteine, vorherrschend Basalte an, die auf den Höhen vielfach mit rother Lateritmasse überlagert sind. Als Eruptionscentrum kann hier der oblonge Kessel am Ngorongoro betrachtet werden, der, von steilen Tuffwänden eingesäumt, eine flache Sohle besitzt, deren westlicher Theil von dem kleinen Ngorongoro-See eingenommen wird, dem mehrere Bäche zuströmen. Am Ufer des Sees stehen jüngere Kalke an.
Weiter südlich senken sich die Berge des Abfalls bedeutend ab, sind am Nordende des Manyara-Sees ca. 200 m hoch und steigen dann wieder zum Plateau von Iraku an. Der Manyara-See (1000 m) erfüllt ein seichtes Becken und besitzt nach der Jahreszeit wechselnden Wasserstand, trocknet jedoch niemals gänzlich aus. Er nimmt im Norden und Westen mehrere wasserreiche Bäche, im Süden den ansehnlichen Kwou-Fluss auf. An seinem Westufer entspringen mehrere heisse Quellen (Temp. ca. 80° C.). Der Manyara ist ein Salzsee, sein Wasser ist nicht trinkbar und dicke Salzschichten bedecken das Ufer.
TAFEL XVI
Wie aus der chemischen Untersuchung[4] ersichtlich, sind die Salze des Manyara vor Allem durch ihren Soda-Gehalt ausgezeichnet, während Salpetersäure und Magnesia-Salze ihnen gänzlich fehlen. Durch den letzteren Mangel unterscheidet das Wasser des Manyara sich wesentlich von dem des todten und kaspischen Meeres, sowie vom Seewasser, wie denn überhaupt die Seen des ostafrikanischen Grabens nicht, wie der Tanganyika und Nyassa als Relictenseen, sondern als Ueberreste eines früheren Flusssystems zu betrachten sind. Darauf deutet auch die niedere Fauna des Manyara, welche trotz seines Salzgehaltes reine Süsswasserformen aufweist und besonders auf die Nilfauna hinweist. Aus ähnlichen Vorkommnissen im Rudolf-See schloss Suess, dass die Entstehung des Grabens in einer Zeit erfolgt sein müsse, wo die [137] gegenwärtige Nilfauna bereits bestand oder doch einen der jetzigen sehr ähnlichen Charakter hatte. Was die Schnecken des Manyara anbelangt, so gehören dieselben allzu weit verbreiteten Arten an, um einen solchen Schluss direkt zu gestatten, auch scheint eine Verschleppung von Schneckeneiern durch Vögel leicht möglich. Doch wird die Suess'sche Annahme durch das massenhafte Auftreten junger Eruptivgesteine im Grabengebiet, deren Entstehung ihrem Charakter nach bis in die geologische Gegenwart fällt, bekräftigt.
Am Manyara-See besteht der Abfall nicht mehr aus Basalten, sondern der liegende Gneiss mit meist nordöstlichem Streichen und verschiedenen oft sehr steilen Fallrichtungen tritt hier und am Plateau von Iraku zu Tage.
Die südliche Fortsetzung des Manyara-See bildet der flache Boden von Umbugwe, ein Alluvialgebiet, in dem einzelne krystallinische Hügel aufragen und das von dem theilweise versumpften Kwoufluss und seinen Nebenbächen durchzogen wird. Es ist zweifellos alter Seeboden und der Laua ya Sereri, östlich von Kutadu's Land, ein Salzsee, der in dürren Jahren manchmal eintrocknet, stand früher mit dem Manyara in Verbindung. Der Boden Umbugwe's ist salzig und das Wasser der Lachen, die sich nach starkem Regen in grosser Ausdehnung bilden, ist nicht trinkbar. Westlich von Umbugwe erhebt sich der Steilabfall bis zur Höhe von 1900 m und ist gekrönt vom Plateau von Iraku, das durchschnitten von zahlreichen Bächen des Kwousystems weit tiefere Thäler, überhaupt weit gebirgigeres Terrain besitzt als Mutyek. Ueberall steht, wie schon erwähnt, Gneiss und krystallinischer Schiefer an, in einzelnen Kuppen in romantischen Felsbildungen aufragend. Weiter westlich scheint das Land stark abzuflachen und nimmt immer mehr Steppencharakter an.
Südlich von Umbugwe steigt die Sohle des Grabens sanft um etwa 100 m und das Auftreten von Basalt und Tuff zeigt eruptive Durchbrüche an. Auf der Höhe der derart erreichten Stufe liegt die Landschaft Ufiomi mit dem kleinen Maitsimba-See (1440 m), dem einzigen in der langen Reihe der Grabenseen, der Süsswasser enthält. Er verdankt dies dem Vorhandensein eines Abflusses, der allerdings nur nach starkem Regen oberirdisch Wasser führt, stets jedoch an unterirdischem Sickerwasser reich ist, das in den Kwou mündet. Oestlich vom Maitsimba erhebt sich der vulkanische Ufiomiberg bis ca. 2500 m; er ist der nördliche Ausläufer des Plateau von Uassi, welches hier den sehr scharfen Ostrand des Grabens bildet. Es steigt bis zu 1700 m an, besitzt sowohl gegen den Graben als gegen die Massaisteppe sehr schroffe Abfälle, hat leicht gewelltes Terrain, meist periodische Wasserläufe und besteht aus Gneiss und krystallinischen Schiefern mit vorherrschend meridionaler Streichungsrichtung und steilem Fall gegen Westen.
Im Westen des Maitsimba-See sind mehrere Höhenzüge dem Steilabfalle vorgelagert, der sich schroff und felsig zum Plateau von Meri bis über 2000 m hoch erhebt. Ihm entströmen die Nebenbäche des Bubu, der erst mit papyrusreichem Ufer östlich von der Landschaft Mangati [138] verläuft, als breites, sandiges Bett bei Irangi vorbeifliesst und schliesslich in Ugogo in altem Seeboden verläuft. Bei Mangati macht der Steilabfall, der auch hier aus krystallinischen Schiefern in sehr stark gestörten Schichtenlagen besteht, plötzlich einen Bogen nach Westen, um nach einigen Kilometern als bedeutend niedrigere Stufe nach Südwest zu streichen. Aus der dadurch gebildeten Bucht erhebt sich vollkommen isolirt der vulkanische Kegel des Gurui[5] bis zu 3200 m, der 1885 von Dr. Fischer in Irangi zuerst gesehen worden war. Sein Obertheil besteht fast ganz aus steilen, schwarzen Basaltwänden, die Hänge sind theils grasig, theils bewaldet. Zwischen Gurui und dem schroffen Abfall dehnt sich die leicht gewellte Landschaft Mangati aus, in deren Westecke der kleine Salzsee Balangda (1600 m) liegt. Derselbe trocknet in dürren Jahren oft fast ganz ein, dann bilden sich starke Salzablagerungen an den Ufern, die von den Eingeborenen gewonnen und als Kochsalz benutzt werden, als welches sie vorzügliche Eigenschaften besitzen.[6]
Südlich vom Gurui senkt sich die Sohle des Grabens wieder bis zu 1360 m, welche Höhe sie in der Landschaft Uyanganyi erreicht. Den Westrand bildet hier der Abfall des Plateaus von Turu, welches bis zu 1820 m ansteigt und einen sehr deutlich ausgeprägten Randwall gegen den Graben zu besitzt. Sowohl an der Sohle des Grabens wie am Plateau von Turu steht Granit an, welches Gestein hier aus Unyamwesi in das Grabengebiet übergreift.
Das Plateau von Turu besitzt sandigen, salzhaltigen Boden, nähert sich mit den zahlreich verstreuten Granitkuppen dem Landschaftscharakter Unyamwesi's und ist von trockenen Wasserrissen durchzogen, deren einige in den kleinen Singisa-Salzsee münden, der ebenfalls von den Eingeborenen ausgebeutet wird.[6] An seinen Ufern streift eine recente Kalkscholle an.
Weiter nördlich entdeckte Lieutenant Werther einen anderen kleinen Salzsee, von welchem ich auch durch Eingeborene erfuhr. Derselbe liegt in einem ähnlichen Kessel wie der See von Ngorongoro, also wahrscheinlich in vulkanischem Gebiet.
Südlich von Unyanganyi ist die Grabensohle durch den Verlauf trockner Bäche bezeichnet, während der Abfall niedriger, aber stets deutlich ausgeprägt verläuft und in die Stufe von Muhalala-Ugogo übergeht. Oestlich vom Graben steigt allmählich das Plateau von Ussandaui, mit aufgesetzten höheren Kuppen wie den Tuyui an, welches durchweg aus Granit besteht und erst an seinem Ostrand gegen den Bubu zu, durch höhere krystallinische Gebirge mit vorherrschend meridionalen Streichungsrichtungen eingesäumt wird. Dasselbe Gestein tritt auch in den niedrigen Bergen von Irangi auf, die bereits dem System der Massai-Steppe angehören.
[139] Ohne direkten Zusammenhang mit dem grossen Graben, aber doch nur als Seitenbruch desselben, verläuft der Wembere-Graben in vorherrschend nordöstlicher Richtung. Er bildet, wie erwähnt, eine Sackgasse und ist in seinem nördlichen Theil vom Eyassi-Salzsee (1050 m) eingenommen, der einen dem Manyara ähnlichen Charakter, aber sandigere und völlig vegetationslose Ufer besitzt. Er enthält ebenfalls scharfes untrinkbares Wasser,[7] muss aber dennoch gleich dem Manyara ein Thierleben beherbergen, da zahlreiche Wasservögel seine Fläche beleben. In trockenen Jahren mag der jedenfalls seichte Eyassi einschrumpfen, trocknet jedoch niemals völlig oder auch nur erheblich aus und überschwemmt zur Regenzeit weite Gebiete.
Im Norden des Sees erhebt sich das Plateau von Sirwa bis über 2000 m. Es besitzt ähnlichen Charakter wie Mutyek und hat hohe vulkanische Berge aufgesetzt, die 3000 m jedenfalls übersteigen. Nur am Fusse des Abfalles tritt das liegende Gestein als Gneiss auf, darüber lagern verwitterte Tuffe, Basalte und andere Eruptivgesteine. Von der Plateauhöhe strömen dem Eyassi-See mehrere wasserreiche, von Phönixpalmen begleitete Bäche zu. Die Berge seines Westufers sind im Norden anfangs noch hoch und stürzen in steilen Hängen ab, am Ostufer streichen parallele, immer höher ansteigende Bergketten. Weiter südlich sind die Grabenränder weniger hoch und erheben sich bei Mbusi am Westrand kaum 100 m über der Sohle, während der Ostrand bei Issansu etwas höher sein dürfte. Hier tritt überall Granit auf, der in der Sohle des Grabens von grauen Lehmmassen überdeckt ist. Diese Nyarasa-Steppe bildet die südliche Fortsetzung des Eyassibodens und ist stellenweise von dicken Salzefflorescencen bedeckt, welche ein vorzügliches Kochsalz[7] liefern.
Ueber die Ebene weht fast fortwährend ein heftiger staubgeschwängerter Nordostwind, welcher an Löss erinnernde Lehmterassen anhäuft. In diesen finden sich Sumpfschnecken, die oft ganz calcinirt aussehen und doch das lebende Thier enthalten, das offenbar in der feuchten Jahreszeit erwacht. Während dieser ist die Nyarasa-Steppe grösstentheils überschwemmt. Sie wird von dem ca. 30 m breiten, brackigen Simbitifluss durchzogen, der zwischen Lehmmauern dem Eyassi zuströmt. Er bildet den Unterlauf des Wembere und der zahlreichen meist periodischen Wasserläufe des östlichen Unyamwesi. Bei besonders starken Winden macht sich eine Gegenströmung aus dem Eyassi im Simbiti bemerkbar und sein Wasser ist dann völlig ungeniessbar. Noch ein anderer ansehnlicher Fluss, den die Elephantenjäger Mto ya matete (Fluss der Phönixpalmen) nennen, soll von Osten her in den Eyassi münden.
Weiter südlich in der Breite von Iramba wird die Grabensohle schmäler und erhält den Namen Wembere-Steppe, welcher auf grössere Gebiete übertragen wurde, während er thatsächlich nur diesem schmalen Streifen zukommt. In Unyamwesi, in der Breite von Ussure ist die Sohle des Grabens 1120 m hoch, während die Randberge völlig [140] unbedeutend, aber stets deutlich wahrnehmbar verlaufen. Sie sind vielfach von Granitzinnen gekrönt (siehe Abb. pag. 109), während die Sohle selbst stets mit Alluvialmassen bedeckt, zur Trockenzeit eine Wüste, zur Regenzeit ein Morast ist. Bei Ussure und in Iramba erheben sich niedrige Hügelzüge, die allmählich in das Plateau von Turu übergehen. Gegen Süden zu lässt sich der Graben bis in die Gegend von Turu verfolgen.
Bezüglich des Landschafts-Charakters sind die Niederungen und Plateaus in den Grabengebieten sehr verschieden. Die Grabensohle trägt im grossen Ganzen den Typus der Steppenvegetation, Akazien, Baobabs herrschen vor, bei Umbugwe treten einzelne Borassuspalmen auf. Wo jedoch die Nähe der Gebirge reichlichere Niederschläge erzeugt und besonders an fliessenden Gewässern grünt üppige Gras- und Krautvegetation und der Ackerbau findet vorzügliche Bedingungen.
Von den Plateaus sind die südlichen, Turu, Ussandaui und das südliche Uassi trocken, sandig und von geringer Fruchtbarkeit; schon im nördlichen Uassi und am Ufiomiberg macht sich reicherer Waldwuchs geltend und die wasserreichen, kühlen Hochplateaus von Iraku und Mutyek gehören zweifellos zu den besten Gebieten Ost-Afrika's. Dieselben sind hauptsächlich von schönem Weideland mit kleinen eingestreuten Laubbäumchen bedeckt, dessen ziegelrother fetter Boden, wie man in Iraku sehen kann, für Ackerbau sehr geeignet ist. Die hohen Parthien bedeckt tropischer Hochwald mit überwuchernder Krautvegetation und Unterholz. Während in den Niederungen die Temperaturunterschiede sehr scharf an einander grenzen, herrscht auf diesen Höhen stets eine angenehme, kühle Luft, selbst Mittags ist die Sonnenwärme nur behaglich und Morgens tritt oft recht empfindliche Kälte ein. Die Unterschiede der Jahreszeiten machen sich auf den Plateaus weniger geltend, indem auch in der trockenen Zeit Niederschläge häufig sind. In der Grabensohle bemerkte ich gegen Abend ziemlich regelmässige Nordwinde, die über die Salzseen hinwegstreichend fast an Seebrisen erinnern, aber nicht gesund und malariahaltig sind, wie denn überhaupt die Niederungen ziemlich fieberreich genannt werden müssen.
Durch die vielen besiedelten Distrikte ist das Thierleben zurückgedrängt, aber immer noch grossartig genug. Die nördlichen Wembere-Gebiete, das Mutyek-Plateau und vor allem Ngorongoro beherbergen ungeheure Wildmassen, unter welchen das Rhinozeros in erstaunlicher Menge auffällt. Dieser Dickhäuter, der das Glück hat, keine kostbaren Zähne zu besitzen, kann sich ungestört vermehren, während gegen die Elephanten ein wahrer Vernichtungskrieg geführt wird, der ihn auch in vielen Gegenden, wie am Gurui, ausgerottet hat. Löwen und Leoparden sind häufig und richten in den Heerden der Eingeborenen Schaden an. Das Flusspferd kommt in allen Gewässern des Grabens und im Eyassi-See, sowie auch im Ngorongoro-See vor, Krokodile jedoch nirgends. Von den Muscheln und Schnecken ist im Anhang ausführlich die Rede. Sie dienen grossen Schwärmen von [141] Wasservögeln, Flamingos, Enten und Marabus als Nahrung. In den Bächen, selbst in Tümpel periodisch fliessender Gewässer leben grosse Welse.
Im Wembere-Graben besitzt, wie gesagt, der Charakter nackter, trockener Salzwüste die Oberhand. Auch die umrahmenden Höhen sind wenig einladend. Nur im Norden und Osten des Eyassi-Sees dehnen sich fruchtbare Plateaus aus, welche an Mutyek und Iraku erinnern. Die bewohnten Landschaften Issansu, Iramba und Eyambi besitzen einen an Turu erinnernden ärmlichen Boden, sonst ist Alles Wildniss, von wasserarmen, in der Trockenzeit gänzlich versiegenden sandigen Rissen durchzogene, wellige Baumsteppe, die der Kultur wenig Aussicht eröffnet und erst weitab vom Graben in Meatu einerseits und in Hindamara andererseits besseren, wasserreichen Landstrichen Platz macht.
Schon bei Besprechung der westlichen Grabengebiete ist mehrfach von Granit die Rede gewesen. Dieses Gestein gelangt weiter landeinwärts im Granitplateau von Unyamwesi zur fast völligen Alleinherrschaft. Dieses weite Gebiet, welches das Süd- und Ostufer des Victoria-Nyansa umfasst, im Süden über Tabora hinaus und im Westen bis Uha reicht, zeichnet sich durch sehr grosse Einförmigkeit aus. Das Terrain ist flach oder leicht gewellt, Gebirge sind selten und werden durch wilde Anhäufungen von Granitblöcken ersetzt, die in mehr oder weniger grossen Abständen verstreut sind.
Die Gewässer dieses Gebietes, die einerseits dem Simbiti-Eyassi, andererseits dem Victoria-Nyansa und dem Tanganyika zuströmen, zeichnen sich durch Wasserarmuth aus. Die Wembere-Zuflüsse sind fast alle periodisch und liegen den grössten Theil des Jahres trocken. Auch der in den Mlagarassi mündende Igombe, der fliessendes Wasser geführt haben soll, besitzt solches nun schon seit Jahren nicht mehr und besteht nur aus einer Reihe tiefer Tümpel, die nur zur Regenzeit unter einander in Verbindung stehen. Nicht viel wasserreicher sind die Zuflüsse des Victoria-Nyansa. Der Simiyu-Fluss, der im Massai-Land entspringt und bei seiner Mündung ein breites, schiffbares Aestuarium besitzt, liegt fast das ganze Jahr trocken. Zur Regenzeit schwillt er allerdings zeitweise ungeheuer an, doch für gewöhnlich enthält er nur Tümpel. Wasserreicher ist der Rubana, der in Nata entspringt, den Grumetri aufnimmt und sich als ständig fliessendes Gewässer in einem Aestuarium des Speke-Golfes ergiesst. Auch er besitzt jedoch sehr wechselnden Wasserstand. Noch mehr ist dies bei den nördlich verlaufenden Flüssen, dem Suguti und Mara, der Fall, die jedoch ebenfalls nicht ganz auszutrocknen scheinen. Der Mara ist der Unterlauf des Ngare dabasch (Ngare = Wasser, dabasch = breit, aber seicht), der zahlreiche Abflüsse des Massai-Plateaus aufnimmt. Fischer sah im Januar 1886 »wenig lehmfarbiges Wasser in tiefem, breitem Bett«, bei meiner Anwesenheit in Ngoroïne im Mai 1892 überschwemmte der Mara seine Ufer und war schwer passirbar.
Alle anderen Gewässer Unyamwesi's, sowohl jene, die dem südlichen Victoria-Nyansa, als jene, die dem Wembere-Gebiet zufliessen, sind sämmtlich [142] Regenschluchten, mit oft breitem, sandigem Bett, in welchem man durch Graben Wasser erhält, in dem sich jedoch nur selten ein Rinnsal findet.
Von eigentlichen Gebirgen kann nur östlich vom Victoria-See die Rede sein, wo die Berge Baridi, Ikiju, Kiruwiru und Majita, sowie die von Uhemba, Uaschi und Ngoroïne sich als vereinzelte, fast tafelförmige Massive aus den Ebenen erheben. Die letzteren bilden den grössten Theil des Landes. Im westlichen Massailand sind sie völlig flach, von niedrigen Senkungen durchzogen, in deren einer der kleine Salzsee Lgarria liegt, und unterbrochen von zerstreuten Granithügeln, wie dem Kiruwassile und Duvai.
In ganz Usukuma und Unyamwesi, sowie in Usinja und den südlichen Nachbargebieten ist das Land wellig, mit den oben erwähnten steilen Granitkuppen, die der Landschaft ein eigenartiges Gepräge geben.
Der geologische Bau des Granitplateaus ist, wie erwähnt, ein ungemein gleichartiger. Fast überall herrscht eine mächtige Granitüberlagerung vor und krystallinisches Gestein tritt nur selten zu Tage, noch vereinzelter junge Sedimentgesteine.
Vom Grabengebiet kommend, fand ich in Serengeti Arkosen als Verwitterungsprodukte des Granits anstehend. Der Duvai-Hügel besteht aus weissem Quarzit, am Kiruwassile-Hügel steht ausser Granit auch röthlicher Quarzit an. Solcher findet sich auch am Mbelegeti in Usenye, sowie nördlich bei Mosonge und in Nata am Rubana-Fluss, wo ein meridionales Streichen mit Fall gegen Ost unter ca. 10° erkennbar ist. An den Bächen Elmaraus, sowie am Nyansa, am Kiruwiru, bei den Irambabergen und am Majita treten Grauwacken und Hornblende-Schiefer, ebenfalls in meridionalem Streichen, und sehr steiler Fallrichtung gegen Osten, oft in senkrechten Schichten auf. Zwischen Kiruwassile und Elmarau ist ein kleiner Durchbruch von älterem Eruptivgestein zu bemerken. Ein solcher findet sich auch in Irangala am Emin Pascha-Golf. In den Schaschibergen und in Ngoroïne steht an den Bächen vielfach Amphibolit an, während die Höhen von Granitblöcken gebildet werden. Von Kalken fand ich nur eine Spur in Elmarau, sowie kleine Schollen im Serengeti und Ntussu. In ganz Usukuma, Usinja und Unyamwesi, von Ussandaui bis Uha fand ich ausschliesslich Granit anstehen.
Einförmig wie der geologische Aufbau ist auch der Landschaftscharakter des Landes. Zwischen den besiedelten und oft sehr intensiv bebauten Gebieten dehnen sich unbewohnte Striche aus, die nur in dem östlichen Nyansagebiet den Charakter offener Savannen haben, sonst überall mit Steppenwald bedeckt sind. Im Osten ist der Massai-Charakter mit Dorngestrüpp, Akazien und einzelnen Baobabs, mit wilden Phönixpalmen an den Wasserbetten vorherrschend, im Westen bedeckt Miombowald (meist Caesalpiniaceen) in seinen lichten Beständen weite Gebiete. Die centralen Theile, vor Allem die südlichen Nyansagebiete, zeigen eine Mischung der beiden Vegetationsformen. Klimatisch folgt das Granitplateau im Allgemeinen den Küstenjahreszeiten, ist jedoch wahrscheinlich trockener [143] als diese. Nach der Erfahrung alter Leute nimmt die Trockenheit alljährlich zu und manche Bäche, die noch vor Jahren Wasser führten, liegen jetzt als sandige Betten. In der trockenen Zeit ist Unyamwesi nicht viel leichter zu bereisen als die Massai-Steppe; die Brunnen liefern schlechtes, spärliches Wasser, und in den weiten Wildnissen, die sich zwischen den Dörfern ausdehnen, muss man oft ohne Wasser lagern. Dennoch ist der Boden ein fruchtbarer und die Niederschläge genügen für reichen Anbau, wie die schönen Kulturen der Eingeborenen beweisen.
Im Norden des Granit-Plateaus ist das ungeheure Becken des Victoria-Nyansa eingelagert. Dessen im Süden und Osten ziemlich stark gegliederte Küsten fallen theils in 4-5 m hohen Steilwänden ab, theils sind sie flach und mit dichtem Papyrusgürtel gesäumt, in welchem der wasserliebende, korkartige Ambatsch-Baum verstreut ist. Aehnlichen Charakter weist der in zahlreiche Arme gegliederte Emin Pascha-Golf auf. Die Bukumbi-Bai oder der Smith-Sund hat fast durchweg felsige Küsten. Solche ziehen sich auch am Südufer des Speke-Golfes dahin, dessen Ostende bei Katoto flach und papyrusreich ist. Die Nordküste des Spekegolfes ist gebirgig und steil, sie ist durch den schmalen, durchwatbaren Rugedsi-Kanal von der fruchtbaren, langgestreckten Granitinsel Ukerewe getrennt, welcher wieder das fast kreisrunde Eiland Ukara vorgelagert ist. Nördlich vom Rugedsi-Kanal schneidet der tiefe, vielgegliederte Baumann-Golf ein, mit hohen Halbinseln und Inseln im Westen, mit flachen Papyrusufern im Osten. Er ist durch eine schmale Landenge, welche das Majita-Massiv mit dem Festlande verbindet von der Majita-Bai getrennt. Weiter nördlich ist der Verlauf der Küstenlinie nur oberflächlich bekannt und haben wir möglicherweise recht wesentliche Veränderungen der Karte zu erwarten.
Der Victoria-Nyansa ist in dem besprochenen Theile sehr inselreich, ausser den genannten sind noch zahlreiche, meist felsige Eilande darin verstreut.
Das Wasser des Sees ist an tiefen Stellen und steilen Küsten dunkelgrün, ganz süss und wohlschmeckend, in flachen Theilen wird es gelblich bis braun und hat dann einen schlechten Sumpfgeschmack.
Nach verschiedenen Erkundigungen, welche ich einzog, fiel das Niveau des Victoria seit etwa 1880 um mehr als einen Meter, steigt jetzt jedoch wieder. Die alte Fluthmarke ist an felsigen Küsten deutlich wahrnehmbar. Eine eigenthümliche, schon von mehreren Reisenden beobachtete Erscheinung ist die scheinbare Ebbe und Fluth im Victoria-See. Am Speke-Golf ändert sich der Wasserstand um ca. 50 cm und ist Morgens am niedrigsten, Mittags am höchsten. Ich beobachtete dies im Mai, doch ist diese Niveauschwankung während des ganzen Jahres angeblich eine ziemlich regelmässige. So durchwaten die Eingeborenen den Rugedsi-Kanal stets Morgens, während sie in der Mittagszeit mit Kanus durchfahren. An der Westküste des Sees, in Bukoba, wurde diese Erscheinung von Dr. Stuhlmann nicht beobachtet. In Kavirondo dagegen beobachtete Pringle ein Schwanken von 6 zu 12 cm, dessen Höhepunkt gegen Abend erreicht wurde. Ob [144] diese eigenthümlichen Schwankungen ausschliesslich den Winden ihre Entstehung verdanken oder ob Seiche-Erscheinungen dabei eine Rolle spielen, mag spätere Forschung entscheiden.
Nach sehr starkem Regen soll der See merklich anschwellen. Er besitzt eine starke Strömung gegen Norden, welche besonders im Rugedsi-Kanal sehr kräftig sichtbar wird. Die Wassertiefen sind zweifellos erheblich. Auf offener See fand ich im Speke-Golf und der Bukumbi-Bai bei 10 m nirgends Grund, an felsigen Küsten finden sich Tiefen von 5-7 m nahe am Ufer, bei flachen sind die Tiefen natürlich geringer.
Der Fischreichthum des Nyansa ist ein auffallend ungleicher, in der Bukumbi-Bai und im Emin Pascha-Golf sehr gering, ausserordentlich gross dagegen am Ostende des Speke-Golfes bei Katoto. Krokodile und Flusspferde sind überall häufig. Was die Ufer anbelangt, so reicht im Süden das wellige, mit Granitblöcken bedeckte Gebiet von Unyamwesi bis an dieselben heran. Im Osten sind die fruchtbaren Ufergebiete oft durch einen Steppenstreifen von den östlichen Hochländern getrennt, von welchen nur ein Komplex, der von Majita und Kiruwiru, bis an die Küste tritt. Auch jener Theil der Westküste, den ich bei Bukome kennen lernte, hat wasserarme Gegenden in nächster Nähe des Sees.
Dennoch scheint mir Lugard's Ansicht der Berechtigung zu entbehren, dass der Victoria-See aus unterirdischen Quellen bedeutende Zuflüsse empfange. Denn der Ausfluss des Nil in Uganda ist nur um ein Drittel wasserreicher als der Einfluss, der Kagera-Nil, und dieses Drittel wird durch die übrigen Zuflüsse des Sees immerhin reichlich ergänzt. Sein eigenes Volumen erhält der See der Verdunstung gegenüber nicht nur durch die Niederschläge, welche er selbst aufnimmt, sondern auch durch die ungeheure Wassermasse die ihm sämmtliche Gewässer zur Regenzeit zuführen.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Binnenseen Centralafrika's, welche Grabenseen sind, ist der Victoria-See ein echtes Becken, bei dessen Entstehung keine grossen geologischen Störungen thätig waren. Stuhlmann fasst zwar den westlichen Steilrand des Sees als Bruchlinie auf, eine Ansicht, die durch das Auftreten älterer Eruptivgesteine bei Irangala eine gewisse Stütze erhält. Doch war die betreffende Störung jedenfalls nur eine rein lokale und spielte bei der Entstehung des Victoria-Sees keine bedeutende Rolle. Ob die Theorie Stuhlmann's, dass der Victoria-See ursprünglich mit dem Eyassi zusammenhing, Begründung hat, mag spätere Forschung lehren. Vorläufig scheint das fast völlige Fehlen junger Sedimente, vor Allem von Kalken, zwischen Victoria-See und Eyassi eher dagegen zu sprechen.
TAFEL XVII
Die Frage der Zuflüsse des Victoria-Nyansa hat besonders deshalb Interesse, weil sie unzertrennlich mit dem alten Problem der Nilquellen verbunden ist. — Durch Speke's ewig denkwürdige Reise ist dieses Problem entschieden seiner Lösung am nächsten gebracht worden. Mit der Entdeckung des Victoria-Sees und [145] seines Hauptzuflusses des Kagera, den Speke Kitangule nennt und bei dessen Anblick ihn hoher Stolz erfüllte, sowie des Ausflusses des Nil, traten die Nilquellen aus ihrem undurchdringlichen Dunkel. Wenn auch noch Niemand dieselben erreicht hatte, so war es doch zweifellos, dass sie irgendwo zwischen Tanganyika und Victoria-See liegen mussten. Damit war die Frage, soweit sie ein historisches Interesse bot, gelöst, und mit Recht konnte in diesem Sinne Speke sein berühmtes Telegramm absenden: »The Nile is settled«.
Anders verhält es sich, wenn man die Frage vom rein geographischen Standpunkte betrachtet. Da ergiebt sich als zweifellose, von Speke selbst anerkannte Thatsache, dass der Kagera der Quellfluss des Nil, der Ursprung des Kagera also die Quelle des Nil ist. Die Wassermasse, die der Kagera dem See zuführt und die nur um ein Drittel geringer ist als jene des Murchison-Nil, die Bedeutung dieses Stromes, neben welchem alle anderen Zuflüsse vollkommen verschwinden, hat selbst bei den Eingeborenen die Ueberzeugung festgesetzt, dass der Kagera »die Mutter des Flusses von Jinja«, der Nil sei.
Auf dem Programm, welches Stanley für seine grosse Expedition 1874 entworfen, stand auch die Entdeckung der Kagera-Nil-Quelle. Mit der diesem grossen Forscher eigenen Thatkraft drang Stanley längs des Kagera, den er Alexandra-Nil nennt, aufwärts, war jedoch gezwungen an der Grenze von Urundi abzulenken und den Fluss zu verlassen. — »Ich bin mir wohl bewusst, dass ich nicht bis in die Tiefe eingedrungen bin« sagt Stanley an der betreffenden Stelle seines klassischen Reisewerkes. Bis 1892 wurde kein weiterer Versuch gemacht die Quelle des Nil zu erreichen und mit Recht konnte Reclus im 10. Band seiner »Nouvelle Géographie Universelle« sagen: »On cherche encore cette tête du Nil, comme au temps de Lucain, personne n'a eu la gloire de voir le Nil naissant.«
Am 19. September 1892 erreichte ich mit meiner Expedition die Quellen des Kagera-Nil und damit war das letzte Räthsel des alten Nilproblems gelöst. Wenn man überhaupt an dem von hervorragenden Geographen und Reisenden angenommenen Standpunkt festhält, dass der Kagera, der Alexandra-Nil der Engländer, der Quellfluss des Nil sei, so muss der Ursprung des Kagera folgerichtig auch als Quelle des Nil angesehen werden. Dass der Fluss, dessen Ursprung ich am 19. September erreichte, wirklich der Kagera-Nil ist, ergiebt sich aus folgender Thatsache.
Am Einfluss in den Ruayana-See (Windermere) besass der Kagera im März 1875, also während der höchsten Regenzeit, nach Stanley eine Breite von 45 m und eine Maximaltiefe von 15 m. An der Kitangule-Fähre, 200 Kilometer weiter stromabwärts, war der Kagera zur selben Zeit an 100 m breit und 17 m tief, während er in der trockenen Jahreszeit, wo ihn Graf Schweinitz 1892 an der Mündung befuhr, 80-100 m breit und durchschnittlich 8 m tief war. Nach Stuhlmann war der Kagera in der Regenzeit 1891 bei Kitangule 60 m breit und mehrere Meter tief. [146] Obwohl die Einmündung eines noch unbekannten grossen Zuflusses auf der von Stanley rekognoszirten Strecke Ruayana-Kitangule ausgeschlossen, verdoppelt sich doch das Wasserquantum des Flusses auf dieser Strecke, durch Aufnahme der zahlreichen Bergwässer.
Oberhalb des Ruayana-See erforschte Stanley den Kagera, der 17 Seen durchfliesst und mit üppiger Wasservegetation[8] bedeckt ist, bis zu einer Stelle, die kaum 50 Kilometer von jener entfernt ist, wo ich den Kagera in Ussui überschritt. Stanley erkundete, an der Stelle wo er den Kagera verliess, dass derselbe oberhalb der Aufnahmestelle des Akanyaru ein Fluss von nicht sehr bedeutender Breite und Tiefe sei.
Bei der Ruanilo-Fähre, wo ich den Kagera überschritt, war derselbe Anfang September, also in sehr trockener Jahreszeit und bei ungewöhnlich niedrigem Wasserstand, ein reissendes Gewässer von 35 m Breite und 3 m Tiefe. Er besass steile, 3 m hohe Ufer und an Fluthmarken war deutlich zu erkennen, dass er dieselben in der Regenzeit ganz überschwemmt. Der Akanyaru wurde zur selben ungewöhnlich trockenen Jahreszeit überschritten und bestand aus zwei Armen, deren einer 10 m breit und 5 m tief, der andere 5 m breit und 1 m tief und langsam fliessend war. Auch hier zeigten weite Papyrusbestände und Fluthmarken an, dass der Akanyaru in der Regenzeit mindestens auf das Vierfache seines Wasserquantums anschwillt, was mir auch von Eingeborenen bestätigt wurde.
Bei dem ungeheuer raschen Anwachsen der Gewässer in jenem Gebiet, welches z. B. das Wasserquantum des Akanyaru in wenigen Kilometern verdoppelt, wie ich mich an den beiden Ueberschreitungsstellen überzeugen konnte, ist es völlig zweifellos, dass diese beiden Gewässer im Stande sind, das von Stanley in der Regenzeit am Ruayana beobachtete Wasserquantum zu liefern. Die Einmündung eines grossen Zuflusses, der etwa als Quellarm in Betracht kommen könnte, zwischen Stanley's südlichstem Punkt und meiner Ueberschreitungsstelle des Kagera ist also, wenn schon überhaupt mehr als unwahrscheinlich, so durch das Wasserquantum allein völlig ausgeschlossen. Der von mir überschrittene Fluss ist der Kagera-Nil nicht nur seiner Bedeutung nach, sondern auch im Volksmunde.
Der Kagera-Fluss führt in seinem Oberlauf, schon in der Breite von Ussui, den Namen Ruvuvu. Dieser Name bleibt ihm bis zu seiner Quelle, während die unbedeutenden Nebengewässer sämmtlich andere Namen führen. Bei solchen Strom-Quellen ist jedoch selbst in Europa stets der Volksmund entscheidend und muss es auch hier sein, besonders da er hier den thatsächlich wasserreichsten Flusslauf als Quellfluss benennt, was bei europäischen Flüssen nicht immer der Fall ist. Dass die Eingeborenen sich der Bedeutung des Kagera-Ursprunges wenigstens theilweise bewusst sind, bezeugt die abergläubische Scheu mit der [147] sie die Stelle umgeben, wie denn der Kagera von der Quelle bis zur Mündung, in der Grant aus abergläubischen Gründen nicht lothen durfte, ein geheiligter Fluss, auch in diesem Sinne der »heilige Nil« ist.
Neben der Ansicht, welche den Kagera-Fluss als Quellarm betrachtet, kann noch jene in Betracht kommen, die den Victoria-See selbst als Quelle des Nil annimmt. Diese Annahme hätte Berechtigung, wenn der Victoria-See das Sammelbecken vieler kleiner, gleichartiger Gewässer wäre. Dies ist aber, wie wir oben gesehen haben, nicht der Fall, dem Kagera gegenüber sind alle Zuflüsse vollkommen unbedeutend; der Victoria Nyansa ist also nicht die Quelle des Nil, ebensowenig wie der Bodensee die Quelle des Rhein ist, obwohl auch dieser andere Zuflüsse als den oberen Rhein aufnimmt. Wenn englische Geographen, aus begreiflichen nationalen Gründen, neuerdings den Victoria-See als Nilquelle verfechten, so möchte ich daran erinnern, dass gerade die Engländer den Kagera stets »Alexandra-Nil« nannten und dadurch bezeugten, dass der Kagera eben für sie der Nil war.
Ausser dieser immerhin diskutirbaren Ansicht giebt es noch eine, die nicht die Quelle des Kagera, sondern den südlichsten Punkt des Nilsystems überhaupt als Quelle des Nil annimmt. Diese Ansicht ist deshalb eine vollkommen unerhörte, weil dieselbe bei keinem anderen Fluss der Welt Geltung hat. Es giebt sehr viele bedeutende Ströme, bei welchen die Quelle von Nebengewässern in Luftlinie weiter von der Mündung entfernt ist, als die des Hauptstromes, ohne dass letztere dadurch aus ihrer Stellung verdrängt wird. Wo freilich der Hauptstrom sich in ein Gewirre verschieden benannter Quellbäche auflöst, hat die Wahl des entferntesten als Hauptquelle Berechtigung, wo dies jedoch, wie beim Kagera, nicht der Fall ist, erscheint ein solches Verfahren gewaltsam und unberechtigt.
Von Reisenden hat, soviel mir bekannt, noch keiner diese unnatürliche Auffassung angenommen. So entdeckte Stanley im südlichen Unyamwesi Wasserläufe, welche, wie schon aus der Höhe vermuthet und durch meine Reise nachgewiesen wurde, nicht dem Nil, sondern dem Eyassigebiet angehören. Stanley konnte dies auf seiner Reise nicht wissen, sondern glaubte südliche Zuflüsse des Simiyu entdeckt zu haben. Obwohl diese, wenn sie wirklich dem Nilgebiet angehören würden, weitaus die südlichsten Gewässer desselben wären, glaubte Stanley doch nicht daran, die Nilquelle entdeckt zu haben, sondern strebte diesem Ziel durch Verfolgung des Kagera zu.
Die Annahme des südlichsten Punktes des Nilgebietes als Quelle des Nil muss also, als durchaus unbegründet, verworfen werden. Uebrigens ist auch für jene Theoretiker, welche doch daran festhalten wollen, die Nilquellfrage als gelöst zu betrachten. Denn die südlichsten Zuflüsse des Nil sind zweifellos jene Bäche, welche ich auf der Reise vom Tanganyika südostwärts in Süd-Urundi überschritt. Der äusserste, der Luvirosa, ein von Südwest herkommendes ½ m tiefes und kaum 3 m breites Bächlein, überschritt ich am 7. Oktober und verfolgte einen direkt von Süd kommenden Bach bis zum Ursprung, [148] der sich nahe an der Wasserscheide gegen den Mlagarassi befindet. Es ist als sicher anzunehmen, dass die Quelle dieses Rinnsals unter ca. 3° 46´ s. Br. der südlichste Punkt des Nilsystems ist. Die Quelle des Luvirosa, deren beiläufige Lage mir von den Eingeborenen gezeigt wurde, muss, nach der Kammrichtung des Gebirges zu schliessen, etwas nördlicher liegen. An der Stelle, wo ich den Luvirosa überschritt, hatte derselbe fast genau dasselbe Wasserquantum, wie der Mswavula-Bach, den ich am 5. Oktober überschritt und bis zum Ursprung verfolgte. Derselbe war vom Ueberschreitungspunkt ca. 14 Kilometer entfernt und es ist daher sehr wahrscheinlich, dass der Luvirosa in gleicher Entfernung von der Ueberschreitungsstelle entspringt.
Der Grund, warum ich diesen Bach, dessen Ursprung man mir, wie gesagt, am Berghang zeigte, nicht bis zur Quelle verfolgt habe, lag einerseits in der untergeordneten Bedeutung, die ich der ganzen Annahme beilegte, andererseits in dem Umstand, dass mir nicht bekannt war, dass ich im Begriffe stand, das Nilgebiet zu verlassen. Aber auch wenn ich mir die Mühe gegeben hätte, den Luvirosa und alle seine Nebenrinnsale zu verfolgen, so würde dies doch zwecklos gewesen sein, denn die Differenz, um die es sich handeln kann, ist sicher nicht grösser als einige Kilometer, also so klein, dass sie innerhalb der Fehlergrenzen der topographischen Aufnahme fallen, wie sie ein Forschungsreisender auszuführen im Stande ist. Künftigen Generationen, die vielleicht eine Mappierung von Urundi ausführen, wird es vorbehalten sein, den mathematisch südlichsten Punkt des Nilgebietes auszufinden. Sehr wahrscheinlich wird sich der Ursprung des von mir verfolgten Baches als solcher erweisen, vielleicht auch der eines anderen, ja bei den gewundenen Läufen dieser Gebirgswässer ist es nicht unwahrscheinlich, dass irgend ein Lauftheil am südlichsten liegt, der also dann, nach der Theorie des »südlichsten Punktes«, als Quelle des Nil zu betrachten wäre, eine Möglichkeit, welche das absurde der ganzen Annahme darlegt.
Wie immer man über das Nilquell-Problem denken möge, soviel ist sicher, dass durch die Massai-Expedition des Deutschen Antisklaverei-Komite die letzten Schleier desselben gelüftet wurden, — dass das »Caput Nili Querere« von nun an endgiltig der Vergangenheit angehört.
Fern sei es von mir, den Ruhm eines Speke zu schmälern, jenes kühnen Forschers, der das Dunkel, welches über der Nilquelle lag, mit einem Schlage gelichtet. Seiner und Stanley's Pionierarbeit verdanke ich es ja vor Allem, wenn es mir gelungen ist, ihre Pfade weiter verfolgend, als erster Weisser die Quelle des Nil zu schauen.
Von der Nilquelle zu reden ohne die Mondberge zu erwähnen scheint unmöglich, ist es doch in neueren Afrikawerken geradezu Mode geworden, deren Lage mit Beigabe von allerlei alten Karten zu erörtern. Der Streit, ob dieser oder jener Berg mit dem ptolemäischen [149] Mondberge gemeint sei, scheint mir jedoch ein ziemlich müssiger, da er bei den Alten eine genaue Kenntniss der innerafrikanischen Geographie voraussetzt, welche sie kaum besessen haben.
Wie weit die Beziehungen der alten Egypter nach Innerafrika reichten ist allerdings nicht leicht abzusehen. Jedenfalls ist die Behauptung Stuhlmanns[9], dass ihre Kenntniss des Nil nur bis Wadi Halfa gereicht habe, durchaus irrig und steht im Widerspruch mit dem Ergebniss der egyptologischen Forschung. Am Berge Barkal, also weit oberhalb Wadi Halfa fand Lepsius[10] Tempelruinen, deren älteste aus der Zeit Amenhotep III. (ca. 1500 v. Chr.) stammen. Inschriften, die auch von Brugsch[11] vielfach citirt werden, gaben auf den Denkmälern vom Barkal-Berge Auskunft über jene aethiopischen Pharaonen, die als 25. Dynastie eine Fremdherrschaft in Egypten ausübten.
Weiter südlich, zwischen Nil und Atbara, fand Lepsius die ausgedehnte Ruinenstätte von Meroë mit zahlreichen Pyramiden und am blauen Nil, also oberhalb Chartum beim Dorfe Soba, traf derselbe Forscher[12] eine Statue des Osiris. Dass sich weiter südlich noch keine Denkmäler gefunden haben, kann keineswegs als Beweis angeführt werden, dass den alten Egyptern diese Länder nicht bekannt waren. Denn auch in vielen asiatischen Landschaften, die sie auf ihren Kriegszügen oder Razzias nachweisbar berührten, finden sich keine egyptischen Baureste. Es kann im Gegentheil als erwiesen gelten, dass die Egypter bis tief in den Sudan vorgedrungen sind. Senaar (Essi-n-arti-Flussinsel, nach Brugsch) war ihnen bekannt und ist vielleicht mit dem Reiche Alo oder der Landschaft Asmak identisch, in welcher Psametik egyptische Soldaten ansiedelte. Punt, das Somaliland, wird schon in der ältesten Zeit genannt und eine Landschaft Gureses, die auf den Siegestafeln Tothmes III. (1600 v. Chr.) fungirt, identificirt Brugsch mit Kassala[13]; während derselbe Forscher in den Volksstämmen der Kar oder Kal die heutigen Galla sieht. Aus den geographischen Angaben der altegyptischen Urkunden, die uns besonders Dümichen zugänglich gemacht, liessen sich noch zahlreiche Beweise dafür anführen, dass die alten Egypter im Sudan thatsächlich festen Fuss gefasst hatten. Wie weit von dort aus der Einfluss der egyptischen und der verwandten aethiopischen Kultur bis ins Innere des Kontinents reichte ist heute noch nicht abzusehen. Erst das vergleichende Studium der ethnologischen Belegstücke mit jenen der altegyptischen Kultur scheint geeignet darüber Klarheit zu verbreiten. Jeder, der Innerafrika kennt und unbefangen die Darstellungen der Denkmäler betrachtet, wird unwillkürlich von der erstaunlichen Aehnlichkeit betroffen, welche viele altegyptische Waffen und Geräthe mit solchen Centralafrika's bieten. Besonders die Abbildungen der schwarzen [150] unterworfenen Völker mit ihrer eigenartigen Haartracht zeigen überraschende Analogien.
Jedenfalls ist es zweifellos, dass die alten Egypter mit den Stämmen des innersten Afrika's in Berührung traten. Ob diese direkt oder durch importirte Sklaven[14] und Sklavenhändler geschah, scheint von untergeordneter Bedeutung. Jedenfalls hatten sie Gelegenheit sich Kenntnisse über das Quellland des Nil zu erwerben und haben solche auch thatsächlich besessen. Die »Quelle« des Nil bei der Insel Philae wurde im rein symbolischen Sinne aufgefasst, wie auch von Egyptologen wie Dümichen und Lauth[15] anerkannt wird. Letzterer nennt die Quelle bei Philae (Elephantina) einen Quasi-Ursprung, und citirt einen egyptischen Geographen Asamon, der schon in früherer Zeit wusste, dass der Nil aus einem See kam. Auch die bekannten Angaben von Herodot, Diodor und Aristoteles von den Nilsümpfen und Pygmäen, die ja nur aus egyptischen Quellen entsprungen sein können, beweisen uns, dass die Alten von jenen Ländern Kenntnisse besassen. Diese wurden zur Zeit des Ptolemäus ergänzt und erweitert und gaben Nachricht von der Existenz von Seen und schneebedeckten Gebirgen, aus welchen der Nil entspringt.
Die Gesammtheit dieser Gebirge und nicht ein einzelner Berg, war das Mondgebirge und nur die Frage scheint interessant, wie die Alten gerade auf diese Bezeichnung kamen. Die Erklärung, dass Gebel Kamar, Mondberg, zugleich silberner, weisser Berg bedeutet, hat schon Beke widerlegt. Denn sie setzt selbstverständlich voraus, dass Ptolemäus den Namen von den Arabern übernommen und unrichtig übersetzt habe. Nun ist aber das arabische Wort Kamar (Mond), welches allein mit Komr (weiss) verwechselt werden konnte, verhältnissmässig jüngeren Datums und kommt erst im Koran-Arabisch vor. Im hymyarischen, welches zu Ptolemäus und Marinus von Tyrus Zeiten gesprochen wurde, heisst der Mond »warkh«, was eine Verwechslung ausschliesst. Auch nennen die Inder, in deren geographischen Werken das Nilquellgebiet ebenfalls erwähnt wird, die Berge offenbar nach griechischer Quelle Somagiri (Mondberge). Ob allerdings das »Monemugi«, welches Pigafetta und Giovanni Botero im 16. Jahrhundert in Westafrika erkundeten, irgend etwas mit den ostafrikanischen Mwesi-Ländern zu thun hat, scheint mir sehr zweifelhaft.
Jedenfalls ist das Auftreten der Bezeichnung Mwesi, Mond, in den fraglichen Gebieten in hohem Grade auffallend. Schon Reichard hat auf diesen Umstand hingewiesen und Unyamwesi, das Mondland, geradezu mit den Mondbergen identifiziert. Diese Theorie ist jedoch deshalb irrig, weil der Name Unyamwesi, wie ich nachweisen konnte, kein nationaler, sondern von Küstenleuten und Arabern dem Lande beigelegt ist. Nach der arabischen Geographie vermutheten [151] sie dort ein Mondland und nannten das Land Unyamwesi, ähnlich wie die Salomons-Inseln so getauft wurden, weil man in ihnen das Ophir Salomons zu erkennen glaubte. In Urundi jedoch tritt der Name Mwesi, den schon Burton[16] erkundete, als einheimischer, als Titel des alten Herrschergeschlechtes auf. Dass dieses Wort wirklich »Mond« bedeutet und nicht etwa eine Abart der verbreiteten Bantuform für Häuptling Munyi, Bena u. s. w. ist, ist zweifellos. Denn einerseits ist diese Form im Kirundi durch »Mwami« (Herrscher), die auch im Kiganda auftritt, vertreten, anderseits wurde mir stets ausdrücklich versichert, dass Mwesi »Mond« bedeute und dass das Königsgeschlecht vom Mond herstamme. Mwesi makisavo, der bleiche Mond hiess der letzte Herrscher, mit welchem ich identificirt wurde.
Es liegt mir fern zu behaupten, dass die Missosi ya Mwesi, welche ich an der Quelle des Nil fand, mit den Mondbergen der Alten identisch seien. So sehr diese Bezeichnung mich auch überraschte, so ist es doch mehr als unwahrscheinlich, dass die Alten von dieser Lokalität Kenntniss hatten.
Etwas Anderes ist es, wenn man ganz Urundi in Betracht zieht, das heute noch bei allen Nachbarstämmen Charo cha mwesi, Mondland, heisst. Was der Name Mwesi dem Lande bedeutet, mag aus der Beschreibung der Reise hervorgehen. Darf man nun nicht annehmen, dass dieser Mwesi, dessen blosse Nennung heute noch ruhige Ackerbauer in rasende Fanatiker verwandeln kann, einst noch grössere Bedeutung hatte und dass sein Reich weite Striche im Nil-Quellgebiet umfasste? Ist es undenkbar, dass die Alten, die von den Pygmäen und Nilseen hörten, nicht auch durch dunkle Negergerüchte von diesem »Mondland« vernahmen und nach demselben die Gebirge, aus welchen der Nil seine Wasser sammelt, »Mondgebirge« nannten? —
Wenn wir, zur geographischen Beschreibung zurückkehrend, die Gebiete westlich vom Victoria-Nyansa überblicken, so finden wir dieselben erfüllt von vorherrschend meridional streichenden Gebirgszügen, die als centralafrikanisches Schiefergebirge zusammengefasst werden können. Dieselben tragen theils den Charakter durch Erosion vielfach zerrissener Plateaus, theils gliedern sie sich in Kammgebirge. Im Gegensatz zu Unyamwesi ist der Typus der ständig fliessenden Gewässer hier der normale, und periodische Wasserläufe kommen nur vereinzelt vor.
Durch die Wasserscheide zwischen Nil und Kongo ist das Gebiet in zwei klimatisch recht wesentlich unterschiedene Hälften getrennt, von welchen die nördliche, das Nilgebiet, aus wasserreichen Höhen, die südliche, das Gebiet des Mlagarassi, aus trockenen, in ihrem Charakter vielfach an Unyamwesi erinnernden Gebieten besteht.
[152] In hydrographischer Beziehung betritt man, vom Victoria-See kommend, erst das Gebiet des Urigi-Sees, der zeitweise einen Abfluss in den Nyansa besitzen soll und gelangt dann in das Kagera-Nilgebiet.
Von Urundi und Ruanda strömen dem Kagera zahlreiche Bäche zu, darunter auch der ansehnliche Akanyaru, der als wildes Bergwasser in den Missosi ya Mwesi unweit der Nilquelle entspringt und dann in breitem, papyrusreichen Thal, die Grenze zwischen Ruanda und Urundi bildend, gegen Nordost fliesst.
Bekanntlich fungirte der Akanyaru fast zwanzig Jahre lang als »Alexandra-Nyansa« auf den Karten. Stanley hatte nämlich in Karagwe und Ussui von der Existenz eines Nyansa ya Akanyaru gehört und darin sehr begreiflicher Weise einen See vermuthet. Nach meinen Erfahrungen bezeichnen die Eingeborenen jener Striche jedes Gewässer als Nyansa, während der Name für See »Tanganyika« lautet. So wurden mir der Victoria- und Albert-Edward-See als »Tanganyika« bezeichnet, selbst der Urigi-See war für die Leute von Ruanda ein »Tanganyika«. Stets wurde mir versichert, dass ein solcher »Tanganyika«, also ein See, in Ruanda nicht existiere. Nyansa ya Warongo, zweifellos identisch mit dem »Mworongo« Stuhlmanns, ist ein Nebenfluss des Akanyaru. Nach allem, was ich erfuhr, scheint mir die Existenz irgend eines namhaften Seebeckens im Nilquellgebiet so gut wie ausgeschlossen. Das einzige Gewässer, über dessen Charakter ich verschiedene Angaben hörte, ist der Kifu, den die einen »Nyansa« (Fluss), die anderen »Tanganyika« (See) nannten. Alle stimmten jedoch darin überein, dass er südlich von den Mfumbiro-Bergen liege und einen Abfluss nach dem Russisi habe, also nicht mehr dem Nilgebiet angehört. Vielleicht ist er mit dem Oso-See Stanleys identisch.
Die Gewässer des Urundi-Plateaus, theilweise schon jene von Ussui zeigen sämmtlich einen gleichförmigen Charakter. Nur grössere Flüsse, wie der Kagera und Akanyaru haben breitere, tiefe Thäler erodiert, sonst zeigt sich bei allen Wasserläufen ein System von Thalstufen. Die engen Thäler sind mit papyrusreichen Hochsümpfen erfüllt, durch welche der Bach träge sickert, um dann in felsigen Schnellen eine Stufe zu überwinden und in ein neues Papyrusthal einzutreten. In Ost-Ussui treten öfter sehr schön erhaltene Felsterrassen an den Thalhängen auf (vid. Kopfleiste des Kapitels), in Urundi sind diese durch die Verwitterung und durch Ueberlagerung mächtiger Lehmschichten verschwunden und die Thäler von steilen, grasigen Hängen eingeschlossen. In Süd-Urundi fehlen die Papyrussümpfe und die Flüsse besitzen in den Absätzen der Stufen etwas breitere Thäler mit Alluvialmassen, welche sie in vielgewundenem Lauf durchschneiden.
Weit wasserärmer als das Nilgebiet ist, wie erwähnt, jenes des Mlagarassi, der jedoch selbst ständig Wasser führt und einen merkwürdigen, fast kreisförmigen Lauf besitzt. Er entspringt nämlich in der Landschaft Uganda nördlich von Ujiji, fliesst hierauf, einen [153] Bogen gegen Norden bildend, durch die Landschaften Urundi und Uha, biegt sodann wieder gegen Westen um und mündet südlich von Ujiji in den Tanganyika.
In Uha, wo ich ihn kennen lernte, ist er ein Flachland-Fluss mit breitem Ueberschwemmungsgebiet. Er nimmt dort einige ziemlich wasserreiche Bäche, sonst wohl nur periodische Läufe auf, deren grösster der Igombe ist.
Ueber das Gebiet des Russisi konnte ich, wie oben erwähnt, nur gerüchtweise Nachricht einziehen. Von den Urundi-Bergen fliessen ihm zahlreiche wasserreiche Bäche zu. Er soll in der Regenzeit ziemlich weit aufwärts mit Kanus befahrbar sein und keine Schnellen besitzen.
Unweit Ruwenga soll eine heisse Quelle entspringen. Die wenigen Tage, die ich am Tanganyika zubrachte, sind nicht im Stande der ziemlich reichen Litteratur über diesen See Neues hinzuzufügen. Von früh 10 Uhr bis Sonnenuntergang wehte im September ein kräftiger Südwind, der in dieser Jahreszeit regelmässig auftreten soll. Das Wasser war leicht brackisch, aber geniessbar. Nach Aussage der Eingeborenen fällt der See stark und breite Sanddünen zeigen die Fläche, die er früher bedeckte. Auch die von Hore und Livingstone gesehene Insel konnte ich nicht mehr wahrnehmen.
Was die orographische Gliederung anbelangt, so trifft man in Ost-Ussui leicht gewellte Landschaften, die von einzelnen meist N. N. O. verlaufenden Kämmen durchschnitten werden. Weiter landeinwärts treten diese näher aneinander und nehmen Plateaucharakter an. In Urundi ist das allmählich ansteigende Land durch die Erosion in ein ziemlich regelloses Gewirre von Kuppen verwandelt, in welchem die meridionale Kammrichtung kaum noch erkennbar ist. Den Westrand bildet der riesige, fast 3000 m hohe Wall der Missosi ya Mwesi, der jenseits steil nach dem Centralafrikanischen Graben abstürzt.
Durch den Tanganyika und das Russisi-Thal, durch den Albert-Edward- und Albert-See charakterisirt, bildet der Centralafrikanische Graben, wie schon Dr. Hans Meyer ausgeführt, eine mehr lokale aber kaum weniger grossartige Störungslinie als der Ostafrikanische. Die Seen sind sämmtlich durch leicht brackisches Wasser ausgezeichnet und der Tanganyika legitimirt sich durch die Fauna deutlich als Relicten-See. Zum Unterschied vom ostafrikanischen Graben, bei welchem der Westrand allein durchwegs scharf ausgeprägt ist, scheinen hier beide Ränder in gleicher Deutlichkeit aufzutreten. Am Tanganyika sowohl wie am Albert- und Albert-Edward-See tritt der Westrand als schroffe Mauer auf; ebenso präsentirt sich der Ostrand im Süden als die Missosi ya Mwesi, im Norden als Ruvensori bis über die Schneegrenze aufragend.
Die von Suess vermuthete Aufwulstung der Grabenränder, tritt hier bei den Randgebirgen deutlich auf. Ueberall bildet die Höhe des Abfalls auch die Wasserscheide, auf der einen Seite die des Kongo, auf der anderen die des Nil, dessen Ursprung sich in nächster Nähe des Grabens befindet. Aehnlich wie der Gurui sich in der Sohle des [154] Ostgrabens erhebt, so ragen hier die Mfumbiro-Vulkane auf, einen deutlichen Beweis für den Bruchcharakter dieser Senkung liefernd.
Von dem östlichen Randwall des Tanganyika zweigt jener Kamm ab, welcher die Wasserscheide zwischen Kagera und Mlagarassi bildet und erst steil und felsig ist, dann immer mehr abflacht. Südlich davon sind nur niedrige Hügelzüge vorgelagert, aus welchen man in das Flachland von Unyamwesi tritt.
Der geologische Bau ist durch das Vorherrschen krystallinischer Gesteine bezeichnet; nur selten und meist an grossen Flussläufen, wie dem Kagera und Akanyaru, werden die liegenden plutonischen Gesteine, Granit und Diabas, durch die Erosion blosgelegt. In Ussui und Urundi bis zum Akanyaru ist Quarzit vorherrschend mit meist N. N. O. — S. S. W.-Streichen und steilem W. N. W.-Fallen. Derselbe ist vielfach mergelich verwittert und oft mit dicken Lateritmassen überlagert. Vereinzelt tritt Gneiss, Glimmerschiefer und Urthonschiefer in gleicher Lagerung auf, letzterer am Muhembaberg graphithaltig. In Ruanda tritt Gneiss auf, während im südlichen Urundi wieder Quarzit vorherrscht. Auch in Uha steht krystallinisches Gestein an, welches vielfach eisenschüssig verwittert ist und sich an das Granitgebiet von Unyamwesi anschliesst. —
Wahrscheinlich paläozoische Sedimente treten an einigen Punkten Urundi's auf, Kalke fand ich nur in Uha, doch sollen solche auch bei Ruvenga am Westufer des Tanganyika anstehen.
Das Klima ist in ganz auffallender Weise durch die Wasserscheiden beeinflusst, indem das Gebiet des Kagera fruchtbar und reicher an Niederschlägen ist als das Tanganyika-Gebiet, während das Urigi-Gebiet etwa die Mitte zwischen beiden einhält. — Der Grund liegt wohl hauptsächlich in der verschiedenen Seehöhe, möglicherweise auch in herrschenden Windrichtungen, deren Erforschung der Zukunft vorbehalten bleibt.
An das Klima ist die Vegetation gebunden, welche den Landschaftscharakter bestimmt. Durch einen Steppenstreifen ist das Nyansa-Ufer von Ussui getrennt, ein vorherrschend offenes, grasiges Gebiet in dem nur Siedelhaine und vereinzelt hohe Laubbäume aufragen. Diese verschwinden im centralen Ussui, das einen sehr dürren Charakter mit rothem, eisenschüssigem Gerölle und spärlichem Gestrüpp an den Hängen besitzt. West-Ussui und Urundi sind fast ganz Weideland, mit Wiesen die alljährlich abbrennen und deren Eintönigkeit nur durch die dunkelgrünen Papyrus-Sümpfe und Siedelhaine unterbrochen wird. Erst an den Hängen der Missosi ya Mwesi tritt Bergwald mit zahlreichen Bambus auf. Das südliche Urundi, welches schon dem Mlagarassi-Gebiet angehört, ist ziemlich trocken und steinig. Uha ist ein Waldland; auf ungeheuren Strecken bedeckt mit wasserarmen, lichten Laubwäldern, in welchen Caesalpiniaceen vorherrschen und welche als Miombowälder in das östliche Unyamwesi übergreifen. Die einzige Unterbrechung dieser Wälder bilden in Uha ausgedehnte, zur Regenzeit versumpfte Savannen. Da das ganze Gebiet mehr oder weniger dicht besiedelt ist, so ist Wild ziemlich spärlich [155] und findet sich nur in den Wildnissen von Uha. —
Wenn wir das ganze Gebiet überblicken, so finden wir in demselben eine uralte Kontinentalmasse, in welcher Sedimente nur eine untergeordnete Rolle spielen und die durch das Vorherrschen primärer Gesteine ausgezeichnet ist. Die gebirgsbildenden Motoren, die in Europa und Asien durch Faltung das Antlitz der Erde veränderten, übten hier keine wahrnehmbare Wirkung. An ihre Stelle traten grossartige Störungslinien, welche das Land, in geologisch jüngster Zeit, in einzelne Schollen zerrissen und es zu einem der merkwürdigsten und bedeutungsvollsten Gebiete der Erdoberfläche machten.
Kapt. Spring photogr.
Die Massai. — Die Wandorobo. — Die Wataturu. — Die Wafiomi. — Die Wambugwe. — Die Wanyaturu. — Die Wassandaui. — Wanderungen der Stämme.
[156] Wie aus der allgemeinen Beschreibung hervorgeht, ist das abflusslose Gebiet durch das immerhin bedeutende Auftreten von Steppenstrichen bezeichnet. Zwar sind dieselben nicht annähernd so ausgedehnt als man vermuthete und viele Gegenden, die als Wüsten bezeichnet wurden, erwiesen sich als ausserordentlich fruchtbar, ja mit als die besten Länder Ostafrika's. Aber immerhin ist das Gebiet, welches menschlicher Siedelung einen günstigen Boden bietet, ein beschränktes und selbst von diesem ist nur ein geringer Theil ständig bewohnt, das übrige bildet den ungeheuren Weide- und Jagdgrund nomadischer Volksstämme. Gerade die schwierige Zugänglichkeit des Gebietes hat jedoch seine Bewohner in einer Ursprünglichkeit und Unberührtheit erhalten, wie sie in heutiger Zeit nur selten anzutreffen ist.
Mehrere der Stämme des abflusslosen Gebietes werden hier zum ersten Mal genannt, von den meisten anderen kannte man nur den Namen, ohne von ihrer Lebensweise und ihrer ethnographischen Zugehörigkeit auch nur das Geringste zu wissen, da kein Reisender dieselben vorher gesehen hatte.
Dies ist allerdings nicht bei jenem Stamme der Fall, der dem ganzen Gebiete gewissermaassen seinen Stempel aufgedrückt hat, bei den Massai. Gründliche Forscher, wie Krapf, Dr. Fischer, Thomson [157] und v. Höhnel, haben diesen Stamm in seinen nördlichen Wohnsitzen kennen gelernt und bei der ausserordentlichen Einheitlichkeit der Massai haben die Beschreibungen die sie entworfen im Allgemeinen auch für unser Gebiet Geltung. Dabei haben diese Forscher die Massai in ihrer Glanzperiode gesehen, während ich auf der letzten Reise sie im tiefsten Elend fand.
Wenn ich dennoch nachfolgend eine Beschreibung dieses merkwürdigen Hirtenvolkes gebe, so geschieht dies, weil ich durch monatelangen, täglichen Verkehr mit den Massai-Hirten der Expedition, sowie durch einen selten vorzüglichen Dolmetsch in der Lage war, manches zur Ergänzung der Berichte obengenannter Reisenden zu erfahren.
Die Massai-Völker zerfallen in zwei Gruppen, die Mbarawui, von den Küstenleuten Wakuavi genannt und die Massai im engeren Sinne. Die Sprache der beiden Stämme ist dialektisch verschieden, auch finden sich Unterschiede in den Sitten und vor Allem ist das Stammesbewusstsein beider Völker so stark ausgeprägt, dass eine Unterscheidung derselben berechtigt erscheint. Der Swahíli-Name »Mkuavi« wurde mir von einem gleichnamigen hohen Laubbaum mit rothen Früchten abgeleitet, der in Bondeï und im Hinterlande von Mombas gedeiht und von den Waschambaa Mambia genannt wird. Nach diesem Baum benannten die Küstenleute die hochgewachsenen Mbarawui, das erste Massai-Volk mit dem sie in Berührung kamen.
Die Nachrichten, welche ich über die Kämpfe dieser beiden Stämme erfuhr, lassen sich so ziemlich mit den von Thomson erkundeten in Einklang bringen.
Die Mbarawui sassen ursprünglich zu beiden Seiten des Pare-Gebirges und wohl auch in der Kiwaya-Steppe, von wo aus sie das Küstengebiet zu verheeren pflegten. Die Massai lebten am Manyara-See, in der Sogonoi-Gegend, in Kisongo und nordöstlich vom Kilimanjaro bis Ukambani hin. Nach Thomson litten die Wakuavi sehr unter Dürre und hatten sich eine Niederlage von den Wagogo geholt. Wie man mir mittheilte, drängten die von Süden kommenden Wambugwe auf die Massai und vertrieben sie vom Manyara. Mag nun dieser, oder ein anderer Grund als Veranlassung gedient haben, genug, die Massai bekriegten die ohnehin geschwächten Wakuavi und vertrieben sie aus ihren Wohnsitzen. Ein Theil wurde versprengt und fand in Usegua, Unguu sowie im Pare-Gebirge (als Wambugu) eine Zuflucht als halbansässige Viehzüchter oder schloss sich den Bantu-Ackerbauern von Taveta, Kahe, Ober- und Unter-Aruscha an. Der grösste Theil der Wakuavi zog jedoch nach Nguruman, wo damals noch keine Massai lebten. Dort theilten sie sich: eine Abtheilung besiedelte Ndare Serian (Friedens-Schaf) am Ngare dabash, die andere die Gegenden am Naivascha-See, vor Allem Guas Ngischu. Dort fand der von Thomson erwähnte Verzweiflungskampf mit den Massai statt. Besiegt zog die Hauptmasse der Guas Ngischu-Wakuavi nach Leikipya, dem »Neuland«, wo sie mit der Zeit wieder grosse Macht erlangten. Andere schlossen sich den Bantu (Wassegeju) von Nguruman und Sonyo, andere den, wahrscheinlich [158] den Kamassia verwandten Urbewohnern von Njemps am Baringo und den Kavirondo an. Theilweise gingen sie in diesen Ackerbaustämmen auf, nicht ohne denselben in Tracht und Sitten, vielfach selbst in der Sprache ihr Gepräge aufzudrücken. Auch in Ngoroïne findet man zahlreiche angesiedelte Wakuavi.
Erst nach Verdrängung der Wakuavi aus Guas Ngischu besiedelten die Massai das Plateaugebiet, Mutier, Ndasekera und Serengeti, die ursprünglichen Wohnsitze der Wataturu.
Das weite Massai-Land, welches früher der ungeheuere Weideplatz der Massai-Heerden war, ist jetzt in verschiedene Distrikte wie Kiwaya, Simangiro, Mutyek u. s. w. getheilt, deren jeder ein bestimmtes Schildwappen führt, an dem sich die Krieger erkennen. Innerhalb der einzelnen Distrikte sind stets fast alle Massai-Stämme vertreten, die als mehr oder weniger vornehm gelten und wahrscheinlich noch aus der unbekannten Urheimath der Massai stammen. So giebt es überall Vertreter der Stämme Muleïlyan, Leisseri, Leitoyo, Mamasita, Mágesen, Marumwai, Lugumai, Maguveria und des Schmiedestammes der Elkonono, die ebenfalls Massai sind, aber von den anderen verachtet werden.
Die Massai sind meist hochgewachsen, schlank und langbeinig. Ihre Körperformen sind selten voll, sondern auch bei Männern vielfach zart und weibisch, doch oft von grosser Schönheit. Dennoch besitzen sie bedeutende Muskelkraft und Ausdauer. Die Extremitäten sind zierlich und schmal, die Haut ist meist dunkler als chokoladebraun und erstaunlich weich und sammetartig. Der Gesichtstypus variirt sehr. In Sogonoi und Kiwaya, also im Steppengebiet, findet man oft negerhafte Züge, hier treten auch vollere Körperformen auf. Fast rein hamitisch sehen die Plateau-Massai, also die von Mutyek und Serengeti aus. Dieselben haben regelmässige Züge, schmale Nasen und glänzende, schwarze Augen die manchmal leicht schiefgestellt sind. Im Alter werden die Züge hart und oft adlerartig scharf. Häufig trifft man sogenanntes Hamiten-Haar. Wenn der Kopf frisch rasirt ist, so erscheint das nachwachsende schwarze Haar bis zur Länge von ca. 1 cm völlig glatt und bekommt dann erst eine leichte Kräuselung, die an die Kraushaare mancher Europäer erinnert. Beim echten Wollhaar erscheinen dagegen schon die ersten Haaransätze gekräuselt. Dieses, an der Küste bei Mischlingen von Arabern und Negern nicht seltene Hamiten-Haar findet sich bei den Plateau-Massai häufig, etwas seltener bei jenen des Tieflandes die häufig Wollhaare haben.
Im Allgemeinen machen die Massai den Eindruck eines hamitischen Stammes, der in verschiedenen Gegenden mehr oder weniger starke Blutmischungen mit Bantu erhalten hat. Den tiefschwarzen, typisch negerhaften Sudanesen, welchen sie sprachlich so nahe stehen, gleichen sie physisch in keiner Weise.
Das Haar wird von jungen Leuten kurz getragen. Krieger lassen dasselbe lang wachsen und flechten es in fadendünne Strähnen, so dass es von weitem [159] wie schlichtes Haar aussieht. Diese Strähnen werden mit Fett und rother Lehmfarbe eingerieben und verschiedene Frisuren daraus geflochten, bei welcher die mit langem, bastumwundenen Zopf überwiegt. Die eigenthümliche Art der Beschneidung (Incision) beschreibt Thomson ausführlich.
Die Weiber tragen den Schädel rasirt. Die beiden oberen, vorderen Schneidezähne werden bei beiden Geschlechtern vorgebogen, die entsprechenden unteren ausgebrochen, doch ist diese Sitte nicht mehr allgemein üblich. Die Ohrläppchen werden durchlöchert und bis zur Länge von 10 cm und darüber ausgedehnt. Darin tragen die Krieger Eisenspiralen, an welchen Kettchen hängen, die Weiber tellerförmige Eisenspiralen, die oft so schwer sind, dass sie durch einen über den Schädel gelegten Riemen gehalten werden müssen.
Um den Hals tragen die Weiber Bänder aus steifem Leder, auf welchen weisse und rothe Glasperlen genäht sind und von denen Eisenkettchen und Glasperlen herabhängen, die Verheiratheten auch einen tellerförmigen Kragen von dickem, gewundenem Eisendraht. Am Oberarm tragen die Krieger ein Armband aus Horn, am Unterarm manchmal einige Glasperlen. Die Weiber umwinden sich den Unterarm und Unterschenkel mit mächtigen Manschetten aus Eisendraht.
Die Kleidung besteht bei Kriegern aus einem kurzen Lederüberwurf, der die linke Schulter freilässt und niemals die Schamtheile bedeckt. Der selbe ist manchmal aussen behaart und aus verschiedenfarbiger Rindshaut gefertigt. Oefter tragen sie am Hintertheil ein dreieckförmiges Schürzchen als Sitzmöbel. Die älteren Leute haben längere Ledermäntel, ebenso die Weiber, deren, den Busen verhüllende Lederkleidung an den Hüften durch einen Gürtel zusammengehalten wird. An den Füssen trägt man häufig kräftige Ledersandalen.
Der Kriegsschmuck der Massai ist schon oft beschrieben und abgebildet worden. Gerade diese zahlreichen Abbildungen können jedoch die Ansicht hervorrufen, dass dieser wilde, aus Colobusfellen, Straussfedern u. s. w. gebildete Kriegsschmuck allgemein getragen wird. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Ich habe auf dieser und auf meinen früheren Reisen öfter Massai am Kriegspfade gesehen, aber nicht einen einzigen im vollen Kriegsschmuck. Einer oder der andere — von 100 Kriegern etwa ein Dutzend — trugen den bekannten Federschmuck aus Straussfedern, der das Gesicht einrahmt, die übrigen zogen in gewöhnlicher Tracht ins Feld und bemalten sich höchstens mit weissem Mergel an den Beinen.
Körperbemalung ist überhaupt allgemein üblich und wird mit Fett und rother Lehmfarbe ausgeführt. Eine Körperreinlichkeit kennen die Massai nicht. Mein ältester Rinderhirt, ein weisshaariger Elmoruo, gestand mir ein, dass er sich im Leben noch nie gewaschen habe. Deshalb wimmeln denn auch die Haare, Lederkleider, ja selbst der Eisenschmuck der Weiber von Ungeziefer.
Durch Krankheiten wurden die Massai früher wohl nicht viel geplagt, die empfindlichsten waren die Augenleiden, welche durch die zahllosen Fliegen verbreitet werden und oft zur Erblindung [160] führen. So zäh und gesund die Massai im eigenen Lande sind, so wenig widerstandsfähig zeigen sie sich in anderen Klimaten. Am besten halten noch die Steppen-Massai einen Klimawechsel aus, die Plateaubewohner gehen jedoch überall in der Niederung, besonders an der Küste oder am Victoria-Nyansa, rasch ein. Gegenwärtig leiden alle Massai an einer grossen Krankheit: dem Hunger.
Was den Charakter der Massai anbelangt, so ist für denselben vor Allem ein grosser Eigendünkel bezeichnend, der sie auf alles, was nicht Massai ist, mit Verachtung blicken lässt. Besonders die Krieger haben eine stolze, freie Haltung, blicken jedem Fremden gerade ins Auge und bringen dadurch, im Gegensatz zu anderen Schwarzen, einen angenehmen Eindruck hervor. Sie wirken auch auf ihren Raubzügen hauptsächlich durch den moralischen Eindruck eines trotzigen, rücksichtslosen Vorgehens, dem schwache Gemüther nicht gewachsen sind. Wo sie aber auf kräftigen Widerstand stossen, wie z. B. bei den Wambugwe, verwandelt sich ihre »Kühnheit« sofort in jämmerliche Feigheit.
Der nomadischen Lebensweise entsprechen die Wohnsitze, oder besser gesagt die Lager der Massai. Sie bestehen aus 40 bis 60 kreisförmig angeordneten Hütten, die einen Viehhof umsäumen. (Abb. pag. 32). Die Hütten haben oblongen Grundriss, sind ca. 1,20 m hoch und durch ein Gerippe von Zweigen gestützt. Dieses wurde früher mit Kuhmist und Lehm, jetzt meist mit Stäbchenmatten und Fellen überzogen. Das Thor, durch welches man seitlich, wie in ein Schneckenhaus, eintritt, liegt an der Innenseite, der Hüttenraum ist in zwei Theile getheilt.
Beim Abzug bleiben diese Hütten stehen und finden sich als Wahrzeichen früherer Siedelungen überall im Massailand verstreut. Nur Felle und Hausgeräth werden auf Esel und Rinder gepackt und mitgenommen.
Das ganze Leben der Massai dreht sich um die Viehzucht, die Jagd war früher nahezu verpönt und wird erst in neuerer Zeit auch von den El Moran (Kriegern) betrieben. Die Hauptpflege wurde den Rindern zu Theil, deren Zahl durch die Raubzüge ungeheuer anwuchs. Daneben hält man auch Ziegen, Schafe und Esel. Die Zuchtwahl scheint den Massai nicht unbekannt, wenigstens sah ich öfters Schafböcke, welchen man steife Lederschürzen umgebunden hatte, um eine Fortpflanzung zu verhindern. Die Rinder gehören durchweg der Zebu-Rasse an, Anklänge an den bei den Watussi auftretenden Sangatypus der Galla-Länder fehlen gänzlich. Der Grund liegt jedenfalls in den Raubzügen, die den Massai massenhaft Rinder der ansässigen Völker zuführten, wobei etwa vorhandene ursprüngliche Formen aufgingen. Die Esel sind kräftig, untersetzt, von grauer Farbe und sehr ausdauernd. Bei den Krankheiten der Hausthiere werden verschiedene Arzneimittel angewendet. Den Rindern pflegt man mit einem eigenen kurzen Pfeil eine Ader zu öffnen, um deren Blut zu trinken, hierauf wird die Wunde wieder zugeheilt. Die Tödtung der Rinder geschieht durch einen Stich ins Genick. Das Melken der Kühe ist nur Nachts gestattet.
[161] An Geräthen besitzen die Massai sehr wenig und nichts selbst gefertigtes, mit Ausnahme der Schmucksachen. Schlechte Thontöpfe liefern ihnen die Wandorobo, Kalebassen erhalten sie von den ackerbautreibenden Stämmen. Als Waffen dienen den Kriegern Speer, Schild, Schwert und Keule, den älteren Männern Bogen und Pfeile. Die Eisengeräthe fertigen die Elkonono, doch glaube ich nicht, dass dieselben das Herstellen von Eisen aus dem Erz verstehen. Vielmehr wird Eisen meist als Eisendraht von Karawanen importirt oder in anderer Form von Ackerbauern bezogen. Die schönsten der grossen breitklingigen Massai-Speere machen übrigens gar nicht die Massai, sondern die Wadschagga und Ober-Aruschaner, die auch die Eisen- und Kupferkettchen fertigen. Der Schild wird aus Büffelhaut von den Wandorobo gefertigt und mit Erdfarben in den Wappenmustern bemalt. Dieselben gelten für bestimmte Distrikte, z. B. kann man einen Mutyek-Schild sofort von einem aus Sogonoi erkennen. Die Keule ist aus hartem Holz und dient weniger als Waffe, als zum agiren bei Reden, sie wird auch meist nur von Anführern getragen. Die Elmoruo (die älteren Leute) tragen leichte Bogen und Pfeile in Holzköchern.
Bei der Geburt eines Kindes umgeben verwandte Frauen die Wöchnerin, Männer dürfen die Hütte nicht betreten. Knaben sind beliebter als Mädchen, doch soll Kindesmord niemals vorkommen. Ist die Geburt glücklich vorüber, so wird für den Vater ein Rind, für die Mutter ein Schaf geschlachtet. Der Knabe, Layok, läuft völlig nackt und erhält Unterricht im Viehtreiben und Speerschwingen, manchmal wird er wohl auch bei Kriegszügen mitgenommen. Das Mädchen, Ndoye, verbringt die Jugend bei der Mutter, bis sie mit ca. 12 bis 13 Jahren als Ndito in den Elmorankraal kommt. Auch der Knabe wird schon mit 16 Jahren für erwachsen gehalten, was durch ein Fest gefeiert wird. Die älteren Leute versammeln sich, schlachten ein Rind und trinken drei Tage lang Honigwein. Dann werden die jungen Leute durch einen Kundigen — nicht den Zauberdoktor (Laibon) — nach Massai-Art beschnitten und die Zähne und Ohren in der oben erwähnten Weise behandelt. Bis zur Heilung der Wunde leben sie abseits im Busch und nähren sich von kleinen Vögeln, deren Bälge sie um den Kopf gewunden tragen.
Dann wird der junge Mann in den Elmorankraal aufgenommen und lebt zusammen mit den Nditos. Zeugt er ein Kind, so ist es üblich, dass er das Mädchen heirathet und Elmoruo wird, doch kann er sich auch durch ein Geschenk an den Vater loskaufen. Die Nahrung des Elmoran ist eine rein animalische; ausser Fleisch, Blut und Milch darf er nur Honig und Zuckerrohr geniessen. Wildfleisch und vor allem Getreide sind ihm gänzlich verpönt, so dass derjenige, welcher als Krieger »Ngúruma« (Getreide) isst, keine Frau bekommt. Das Blut wird in der oben beschriebenen Weise direkt aus der Ader des [162] Rindes getrunken. Fleisch wird an Stöcken gebraten. Milch wird im Allgemeinen nicht gekocht, nur für Verwundete mit Blut vermischt und warm gemacht, ein Gebrauch, der jedoch von Fremden (Wagogo?) entlehnt sein soll. Sonst darf der Elmoran am selben Tage nicht Fleisch bezw. Blut und Milch zusammen geniessen.
Aller Nahrung wird ein aus einer Akazienrinde gewonnenes Mittel »Mokota« beigemengt, welches Erbrechen und Abführen, sowie bei reichlichem Genuss eine Art Berserkerwuth hervorbringt, in welcher die Krieger vor Aufregung zittern und wobei ihnen Speichel aus dem Munde fliesst. Fleisch mit Mokota und Milch soll jedoch Ruhr erzeugen, woher der obige Gebrauch stammt, an demselben Tage entweder nur Fleisch oder nur Milch zu geniessen. Auch die Weiber, vor allem die Nditos, geniessen Mokota, dürfen aber auch Pflanzenkost zu sich nehmen.
Im Kraal selbst darf keine Nahrung genommen werden. Um ein Rind zu schlachten, ziehen die Krieger mit einigen Nditos in den Busch, errichten mehrere leichte Grashütten und verschlingen dann unglaubliche Mengen Fleisch. Grosse und kleine Bedürfnisse verrichten die Massai stehend mit ausgespreizten Beinen.
Der Austritt aus dem Elmoran-Verbande erfolgt in verschiedenem Alter, meist jedoch früh, mit ca. 30 Jahren. Dem Massai behagt das Elmoran-Dasein, welches in Kriegszügen und faulem Umherlungern mit den Nditos getheilt ist. Die Väter jedoch, besonders wenn sie grosse Heerden besitzen, sehen ihre Söhne nicht gern in diesem unsteten, gefährlichen Stande und entführen sie nicht selten mit Gewalt aus dem Kraal; das Wahrzeichen des Elmoran, das Haar, wird abrasirt und der Elmoruo, alte Mann, ist fertig. Wer freilich einen armen Vater hat und auch bei den Raubzügen nicht viel Rinder bekommt, der bleibt bis in reiferes Alter Elmoran.
Der Elmoruo muss sich sofort um eine Frau umsehen, die er aus den Nditos seines eigenen Stammes erwählt. So heirathet ein Muleïlyan nur eine Muleïlyan, nicht aber etwa eine Leiseri. Der übliche Brautpreis besteht aus zwei Kälbern, zwei Kühen, einem grossen Stier, einem Ochsen und einer Kuh mit kleinem Kalb. Am Hochzeitstage wird ein Ochse geschlachtet. Die Brautleute verbringen hierauf drei Tage in einer Hütte; isst der Mann, so darf die Frau nicht zusehen und umgekehrt. Für die Nahrung des Elmoruo besteht ebensowenig eine Vorschrift, wie für die der verheiratheten Frauen, Siangiki. Auch darf er Honigwein trinken und Tabak schnupfen. Letzteres ist dem Massai-Elmoran verboten, dem Mbaravui- (Wakuavi) Elmoran dagegen gestattet. Die Elmoruo und Siangiki geniessen auch Mokota, doch in geringen Mengen. Vielweiberei ist üblich, Scheidung häufig und mit keinen Umständen verbunden. Den Männern liegt hauptsächlich die Viehzucht ob, den Weibern das Erbauen der Hütten und Treiben der Esel auf der Reise.
Bei Krankheiten werden verschiedene Arzneimittel, vor allem die Universalmedizin Mokota gegeben, auch pflegt man den kranken Theil zu massiren und mit Dornen zu stechen. Dagegen ist das sonst so [163] verbreitete Schröpfen und Klystiren unbekannt.
Ein Todter wird mit Rindsfett bestrichen, in eine Haut gehüllt und unweit des Kraals ausgesetzt. Wenn ihn die Hyänen nicht gleich am ersten Tage fressen, so gilt dies als Unglückszeichen; es werden vier Rinder geschlachtet und das Fett auf den Todten gestrichen.
Der Familie, Weib und Kind, ist der Massai sehr zugethan und man kann oft harte Krieger plötzlich zur tiefsten Rührung übergehen sehen, wenn sie lange vermisste Familienglieder wiedersehen. Mit diesem anscheinend gutmüthigen Zug kontrastirt ihre Blutgier allen Fremden gegenüber, welche sie nicht nur bewaffnete Feinde, sondern auch gänzlich Wehrlose niedermachen lässt.
Ein eigenthümlicher Zug der Massai ist ihre Frömmigkeit und das feste Vertrauen, welches sie Ngai, dem Ueberirdischen, Gott, entgegenbringen. Das Ngai wirklich als Gott aufzufassen ist erscheint zweifellos, und wenn Thomson anführt, dass die Massai beim Anblick von etwas ihnen Ungewöhnlichem, z. B. einer Lampe, »Ngai« rufen, so ist darin ebensowenig etwas verwunderliches wie wenn der Mohammedaner im gleichem Falle »Alah« ruft. Der Massai will damit keineswegs sagen, dass die Lampe Ngai sei, sondern nur seinem Erstaunen über etwas für ihn so Uebernatürliches Ausdruck geben. Ngai hat seinen Sitz in der Höhe, im Himmel, er wird stehend mit erhobenen Händen, in welchen man Grasbüschel hält und mit dem Ruf »Ngaieh!« verehrt. Vor jedem Kriegszug, sowie überhaupt in allen Lebenslagen kann man die Massai derart beten sehen.
Die Sterne, welche Nachts am Himmel blinken sind Augen Ngai's, der auf die schlummernden Massai herabblickt. Eine Sternschnuppe bedeutet den Tod eines Menschen; dann flehen sie, dass kein Massai sondern ein Feind, ein Mangati sterben möge. Die Massai sind überhaupt das auserwählte Volk Ngai's, ihnen hat er alle Rinder zugewiesen und sie üben nur ihr Recht aus, wenn sie den Feinden die ihrigen wegnehmen. — Merkwürdig ist die Auffassung der Jahreszeiten. Während der grossen Regenzeit, ngokwa (den Mvuli der Swahíli), wo die Rinder fett werden, freut sich Gott und vergiesst Freudethränen. Im Blitz zeigt er seinen furchtbaren Blick, der Donner ist sein Freudengeschrei über das was er gesehen, dann folgt der befruchtende Regen. In der kleinen Regenzeit, ndumure (den Masika der Swahíli), wo die Rinder abmagern, weint Ngai vor Schmerz über die Gleichgültigkeit der Massai. Je länger die Masika dauert, desto grösser ist seine Trauer, die sie durch Gebet zu besänftigen suchen.
Die Sonne betrachten die Massai als einen Mann der auf einem Wege gegen Westen zieht, jedoch im Osten wohnt. Im Westen taucht er in eine Höhle und besucht seine Frau, den Mond. Dann eilt er auf hoher Brücke, den Blicken unsichtbar, wieder nach Osten, um Morgens wieder gegen Westen zu ziehen, wohin ihm der Mond schon vorausgeeilt ist. Als vornehmster Stern gilt Kilekeen, der Morgenstern.
[164] Ein Leben nach dem Tode wird von allen Massai geleugnet. Die bösen Wald- und Felsengeister, die durch Bestreuen ihrer Wohnsitze mit Gras oder Steinen versöhnt werden, gelten nicht wie bei den Bantu als Geister der Verstorbenen, sondern als Kinder Gottes, der jedoch selbst gut ist. Dieser Gruppe gehört wohl auch der Geist Neiterkop an, den Krapf erwähnt, von dem ich jedoch nichts erfuhr. —
Den Verkehr mit Ngai vermittelt der Laibon, Zauberer, der überhaupt die bedeutendste Rolle im Distrikt spielt. Sein Schüler und Nachfolger ist der Leigwenan, der Anführer der jungen Krieger, der, wenn er über mehrere Kraals steht, Leitunu genannt wird. Der Laibon macht die Kriegsmedizin und weissagt aus Ziegendärmen, auch verabreicht er Heilmittel und sucht Ngai zu veranlassen die Regen günstig einzutheilen. Vor und nach jedem Kriegszug erhält er von den Kriegern Rinder. Der Laibon geniesst sein Leben lang nur Elmoran-Kost und Honigwein. Er hat Weiber, besucht sie jedoch nur insgeheim, seine Hütte darf kein Weib betreten. Manche Laibons sollen verschiedene Kunststücke machen, sich mit Speeren durchbohren u. s. w. Ein verstorbener Laibon wird im Gegensatze zum Allgemeingebrauch begraben; das Grab, das mit grossen Steinen bedeckt wird, bewacht der Stamm drei Monate lang.
Der oberste Laibon, gewissermaassen ein Massai-Papst, ist der Mbatyan, der stets westlich vom Kilimanjaro residirt. An diesen glauben alle Massai, nicht aber die Mbaravui (Wakuavi). Der Mbatyan ist stets einäugig, der Vater pflegt dem Sohn ein Auge auszuschlagen, um ihn zu der Würde geeignet zu machen. Alle Massai bringen ihm Rinder, erflehen seine Fürbitte bei Kriegszügen und betrachten ihn mit grosser Ehrfurcht.
Zeitpunkt und Richtung der Kriegszüge werden vom Laibon und Leigwenan bestimmt; letzterer ist der Anführer. An den Zügen betheiligen sich Elmoran und meist auch eine Anzahl Elmoruo. Eine Rinderheerde wird als Proviant mitgetrieben und im Dauermarsch werden ungeheure Strecken zurückgelegt. Immerhin hätten die Massai wohl niemals solche Erfolge erringen können, wenn sie es nicht verstanden hätten, unter den sesshaften Völkern selbst Bundesgenossen zu erwerben, die ihnen Zuflucht gaben und sie mit Führern versahen. Für Unyamwesi und Usukuma spielte Mtinginya von Usongo diese Rolle.
Der Angriff des Massai erfolgt meist überraschend und sehr energisch. Besonders wo Heerden unter wenigen Hirten weiden gelingt es ihnen fast immer sie zu erbeuten. Aengstliche Eingeborene wagen dann nicht die Räuber zu verfolgen, muthige dagegen, wie die Wambugwe, setzen ihnen nach und jagen ihnen das Vieh wieder ab. Mit der glücklich erworbenen Beute ziehen die Massai unter lautem Gesang heimwärts, wobei sie einen Mann voraussenden, der den glücklichen Verlauf des Raubzuges im Lager meldet. Die Vertheilung der Beute geschieht noch im freien Felde und dabei kommt es nicht selten zu blutigen Schlägereien. Im Lager findet ein Siegesfest statt, bei welchem die Krieger mit den Nditos im Gänsemarsch, singend tanzen.
[165] Sklaverei ist den Massai unbekannt, doch machen sie nicht selten Knaben und Mädchen zu Kriegsgefangenen und nehmen sie in den Stamm auf. Diese Sitte, sowie die leichte Zugänglichkeit der Massaiweiber Karawanenleuten und wohl auch anderen Eingeborenen gegenüber, führt den Massai viel fremdes Blut zu. Das Streifgebiet der Massai umfasst ein ungeheures Gebiet. Im Osten reicht es an die Küste, im Süden nach Mpwapwa und Ugogo, im Westen zum Victoria-Nyansa und bis zur Grenze von Usinja, über ganz Unyamwesi und ins südliche Uha, wo sie vor mehreren Jahren mit den Wangoni (Watuta) zusammenstiessen. In Ugogo und Unyamwesi nennt man sie Wahumba, in Usukuma Wassekera, offenbar nach der Massai-Landschaft Ndassekera. Sie selbst haben für alle Länder ihre eigene Nomenklatur, so nennen sie Umbugwe Ltoroto, Unguu Kimalando und kennen nur ihre eigenen Bezeichnungen.
Als Friedenszeichen pflegen die Massai ein Büschel Gras zu überreichen, welches sie vorher bespeien. Das Bespeien spielt überhaupt eine grosse Rolle, so musste ich alle kleinen Geschenke an Glasperlen u. s. w., die ich ihnen machte, vorher bespeien. Der Gruss geschieht durch Reichen der Hand, wozu man »Sowai!« ruft, der Gegrüsste antwortet »Evá!«
In Streitfällen entscheidet ein Gericht von Greisen. Mörder werden getödtet, wenn eine Sühne von 10 Rindern von den Verwandten des Getödteten abgelehnt wird. Diebstahl im Stamme selbst kommt fast niemals vor. Lügen sind häufig, gelten jedoch als grosser Fehler.
Indem wir damit die Schilderung der Massai schliessen, muss hervorgehoben werden, dass dieselbe in vielen Zügen heute nicht mehr giltig ist, sondern sich auf den Zeitraum vor 1891 bezieht. In diesem Jahre verheerte nämlich die Viehseuche, eine Lungenkrankheit, die in ganz Ost-Afrika wüthete, die Heerden der Massai in furchtbarer Weise. Während die sesshaften Völker, welchen als Nahrungsmittel die Produkte des Ackerbaus blieben, sich durch Aufzucht der wenigen verschonten Thiere erholen konnten, zehrten die Massai auch diese auf, so dass sie heute thatsächlich fast gar keine Rinder mehr besitzen. In der ersten Zeit gingen kolossale Mengen von Massai, wohl zwei Drittel des ganzen Stammes, zu Grunde. Die Krieger konnten sich durch Jagd und kleine Diebstähle noch eher durchbringen, die Weiber, Kinder und Greise waren aber dem Elend völlig preisgegeben.
Zu Skeletten abgemagert wankten sie durch die Steppen, vom Honig der Waldbienen und ekelhaftem Aas sich nährend. Alle kriegerischen Unternehmungen schlugen fehl, die Elmoran wurden einfach zurückgeworfen und kehrten oft gar nicht heim, sondern verhungerten unterwegs. Nur in wenigen Gebieten halten sich noch Kraals durch Kleinvieh und Eselzucht, sowie durch die Jagd, sonst sind weite Striche verlassen und die Massai leben als Bettler bei den Ackerbauern der Umgebung. Dass sie dabei an Einhaltung der alten Speisegesetze nicht mehr denken, dass der Elmoran ebenso Getreide und Jagdwild verzehrt wie ein anderer, ist selbstverständlich.
[166] Viele Ackerbauer, wie die Wambugwe und ihre Nachbarn, wollen die alten Feinde selbst im Elend nicht kennen und machen jeden Massai nieder. In Usukuma, Schaschi, in Irangi, Unguu und Usagara, sowie in der Kilimanjaro-Gegend finden sie jedoch Zuflucht und Almosen an Nahrungsmitteln. Denn der Massai bleibt stets ein Bettler, niemals wird es ihm einfallen zum Spaten zu greifen und seine Gastfreunde in der Arbeit zu unterstützen. Wo er dazu gezwungen wird, geht er entweder zu Grunde oder er läuft wieder davon — in die Steppe.
Der Verlauf dieser Seuche hat überhaupt den Beweis geliefert, dass die Massai, trotz ihres intelligenten und einnehmenden Aeusseren, doch absolut nicht bildungsfähig und zum Untergang bestimmt sind. Ich selbst hatte eine Anzahl Massai als Viehhirten Monate hindurch bei der Expedition, die sich rasch von ihrem Hunger erholten. Sie ertrugen Klimawechsel sehr schlecht, der jedesmal mehrere Opfer erforderte. Zu irgend welcher anderen Beschäftigung als Viehtreiber waren sie gänzlich unfähig. Trotzdem sie wenig unter einander, sondern meist mit Trägern verkehrten, die nur Kiswahíli sprachen, hat doch kein Einziger auch nur nothdürftig diese Sprache erlernt, wie denn die Massai im Gegensatz zu anderen Negern absolut kein Sprachtalent haben.
Einen aufgeweckt aussehenden Jungen von ca. 12 Jahren wollte ich zum Diener abrichten. Er war zu den einfachsten Verrichtungen unfähig, schmutzig und faul und so wie er zeigten sich auch andere, mit welchen ich denselben Versuch machte. Einen jungen Elmoran, der unsere Gefechte mitmachte und grosse Freude über unsere Erfolge zeigte, kleidete ich als Askari ein und liess ihn durch einen Mann, welcher Massai sprach, abrichten. Er war nicht im Stande den einfachsten Gewehrgriff zu lernen, nach zwei Monaten war er noch ebenso weit, wie am ersten Tage. Die Leute gaben sich redliche Mühe; aber wenn man sie fragte, warum sie denn garnichts zu Stande brächten, schüttelten sie stets mit trübem Blick den Kopf und sagten »Maiollo«, ich kann nicht. Und sie hatten Recht. Ein Massai kann nicht ackern, exerzieren oder Teller waschen, ebenso wenig wie ein Zebra den Karren ziehen oder ein Leopard Mäuse fangen kann. Damit ist aber auch der Untergang des Stammes besiegelt.
Unter früheren Verhältnissen hätten die Massai sich nach und nach wohl wieder einen Viehstand zusammengeräubert. Gegenwärtig dürfte ihnen dies, besonders in der deutschen Interessensphäre, recht schwer werden. So ist es denn wahrscheinlich, dass die Massai erst als halb sesshafte Viehzüchter im Gebiete von Bantustämmen ihr Leben fristen, nach und nach aber in diesen aufgehen werden.
Eine längere Existenz als den Massai lässt sich den Ndorobbo, gewöhnlich Wandorobo genannt, voraussagen. Denn ihr Lebensunterhalt, die Jagd, wird in absehbarer Zeit keine Aenderung erleiden. Die Wandorobo wurden bisher als einheitliches Volk aufgefasst, doch ist mir wenigstens in meinem Forschungsgebiet aufgefallen, dass thatsächlich recht verschiedene Stämme mit diesem Namen belegt werden. Das Massai-Wort Ndorobbo wird [167] von v. Höhnel mit »arme Teufel« übersetzt. Dies mag immerhin die Grundbedeutung sein, doch ist sicher, dass gegenwärtig die Massai jeden Jäger als Ndorobbo bezeichnen. So nennen sie die Küstenleute, die sich mit Elephantenjagd beschäftigen, die sogenannten Makua »ndorobbo a láshomba«, wobei láshomba den Küstenmann bedeutet.
Ich fand drei scharf geschiedene Gruppen von Wandorobo. Die Wandorobo von Balanga sind reine Massai, die sich der Jagd gewidmet haben. Sie sprechen nur Massai und erhalten gegenwärtig aus der Zahl der Viehzüchter starken Zuzug. Die Wandorobo von Sogonoi und Kinyarok, die bis Buiko streifen, nennen sich selbst Ngaramaníg und bilden einen Stamm für sich. Es sind vielfach untersetzte Leute mit oft thierisch hässlichen Gesichtszügen; doch trifft man auch noch reinen Hamitentypus. Alle sprechen Massai, besitzen jedoch eine Sprache für sich, von welcher ich trotz aller Mühe nur dürftige Proben bekommen konnte. Möglicherweise sind sie den Wanege der Wembere-Steppe verwandt und bilden ein Gemisch dieser mit Massai und Mbarawui (Wakuavi). Die Wandorobo von Serengeti sprechen wieder eine andere Sprache, von der ich Proben bekommen konnte, daneben aber auch Massai. Es sind hochgewachsene, schöne und kräftige Leute von oft reinem Hamitentypus. Sie stammen zweifellos von den Wataturu ab, die früher diese Gegenden bewohnten und haben vielleicht Blutmischungen mit Wanege und Massai erfahren. — Ausser diesen fand ich noch Wandorobo in Mutyek, die jedoch gegenwärtig derart mit Massai vermischt sind, dass es mir nicht möglich war festzustellen, welcher der drei Gruppen sie am nächsten stehen.
Trotz ihrer Verschiedenheit weisen die Wandorobo in der Lebensweise viel gemeinsames auf, welches jedoch grösstentheils dem herrschenden Volk, den Massai, entlehnt ist. In Haarfrisur, Schmuck und Tracht gleichen sie völlig den Massai, nur pflegen die Ngaramaníg in den beiden vorderen, oberen Schneidezähnen je eine Einkerbung zu machen. Ihre Hütten haben ein Gerüst im Massai-Styl, sind jedoch mit Gras bedeckt. Als Waffen dienen ihnen vor Allem kräftige Bogen mit Zebrasehnen und meterlangen, vergifteten Rohrpfeilen, die sie in einem Lederköcher tragen. Der von v. Höhnel erwähnte Jagdspeer ist den Wandorobo, mit welchen ich in Berührung kam, gänzlich unbekannt; möglicherweise gehören die Wandorobo v. Höhnel's wieder einer anderen Gruppe an. In Serengeti tragen die Krieger — oder besser gesagt Jäger — auch Schwert und Keule nach Massai-Art, aber niemals Speer und Schild.
[168] Die Ngaramaníg legen ihre Lager meist versteckt in dichtem Busch an und umgeben sie mit Dornzäunen. Die Serengeti-Leute dagegen lagern im offenem Land. Alle Wandorobo-Kraals sind widerlich schmutzig und bestreut mit faulendem Wild und Fellen. Ihre Nahrung liefert ihnen die Jagd, deren Erträgniss sie manchmal bei Ackerbauern gegen Feldfrüchte umtauschen, die sie keineswegs verschmähen. Doch darf der Wandorobo-Elmoran nur Wildfleisch und Rindfleisch mit Mokota essen. Letzteres essen sie sehr gern, ja die Serengeti machen öfter Einfälle nach Usukuma, um Vieh zu rauben, züchten dieses jedoch niemals, sondern schlachten es.
Als ich den Anführer der jungen Krieger in Serengeti fragte, warum sie denn von Viehzucht nichts wissen wollten, erzählte er mir das Folgende: Massai, Wandorobo und Elkonono sind Söhne eines Vaters. Der Massai nahm als Knabe einen Stock um Rinder zu hüten, der Ndorobo einen Bogen um auf die Jagd zu gehen und der Elkonono einen Stein um Eisen zu bearbeiten. So ist es seither geblieben.
Viele Wandorobo lebten in einer Art Abhängigkeit von den Massai und mussten ihnen das Elfenbein liefern, welches diese an die Küstenkarawanen verkauften. Niemals war dies bei denen von Serengeti der Fall, welche die Massai öfters schlugen und stets von ihnen gefürchtet wurden. Gegenwärtig geht es allen Wandorobo weit besser als den Massai und es hat sich das Verhältniss daher nahezu umgekehrt.
Das Pfeilgift wird aus einer Baumrinde von den Männern bereitet, wobei kein Weib zusehen darf. Die Ngaramaníg haben keinen Laibon, besuchen jedoch jene der Massai um Jagdzauber zu erhalten.
Die Wandorobo sind im Allgemeinen friedlich und gut geartet. Selbst die von Serengeti, die über bedeutende Macht verfügen, sind Fremden gegenüber stets freundlich. Sie sind vielleicht bildungsfähiger als die Massai, am Paregebirge und Panganifluss giebt es sogar sesshafte Ngaramaníg, welche Ackerbau treiben.
Als nahe Verwandte der Massai erscheinen sprachlich sowohl wie in ihrem Aeusseren die Wataturu, welche sich selbst Tatoga nennen. Vor einigen Jahrzehnten lebten sie noch ausschliesslich als Viehnomaden. Sie theilen sich in drei Stämme ein, die Brariga, Bayuta und Simityek. Die beiden ersten gelten als voll, die Simityek, von den Bantu »Wanonega« genannt, sprechen eine dialektisch verschiedene Sprache und gelten als Pariastamm, der sich vielfach von Jagd und Fischfang nährt. Alle drei Stämme bewohnten ursprünglich die Gegend Rotigenga, das Gamrit der Massai, die südöstlich von Ikoma (Elmarau) gelegen ist. Von dort wanderten die Bayuta nach Gurus, dem Mutyek der Massai, sowie weiter nach Süden bis zum Gurui-Berg aus, besassen besonders viele Lager und ungeheure Heerden im heutigen Ngorongoro und Mangati und durchstreiften die Steppen bis Ussandaui und Ugogo hin. Sie waren damals ebenso gefürchtete Viehräuber wie heute die Massai.
TAFEL XVIII
Meisenbach, Riffarth & Co. Berlin heliogr.
[169] Eine völlige Aenderung geschah durch den Einbruch der Massai, welche vor etwa 35 bis 40 Jahren zuerst auf das Plateau von Mutyek vordrangen und die Bayuta-Wataturu aus Ngorongoro verdrängten. Ein Theil derselben flüchtete sich nach Gamrit, die meisten jedoch zogen mit ihrem Häuptling Sagiro, der heute noch lebt, längs des Manyara südwärts. Aeltere Leute in Umbugwe erinnern sich noch genau daran, wie die Wataturu in ungeheueren Mengen mit Weib und Kind am linken Ufer des Kwou lagerten und von den Wambugwe Erlaubniss zur Ansiedlung erbaten. Da dieselben eine solche Masseneinwanderung nicht wünschten, wurde ihnen der Uebergang über den Kwou verweigert.
Viele schlossen sich nun ihren nomadisirenden Landsleuten am Gurui-Berg an, andere jedoch zogen mit Sagiro nach Unyambeïu in Unyamwesi und liessen sich dort nieder. Ihre Rinderheerden wuchsen wieder ungeheuer an, doch gerade dies wurde ihr Verderben, denn die Massai, die ihre Raubzüge immer weiter ausdehnten, drangen bis zu ihnen vor und beraubten nicht nur die Wataturu, sondern auch ihre Gastgeber, die Wanyamwesi. Letztere verweigerten daher den unbequemen Gästen die Erlaubniss, länger zu bleiben, und Sagiro zog, einer Einladung des Häuptlings Mtinginya folgend, nach Usongo. Doch bald bekam auch dieser Streit mit den übermüthigen Viehnomaden, und, da er selbst sich gegen sie zu schwach fühlte, rief er die Massai zur Hilfe. Zum letzten Male standen sich hier die stammverwandten erbitterten Feinde gegenüber, in blutiger Schlacht wurden Sagiro und die Seinen besiegt und alles Vieh von den Massai geraubt. Mit den wenigen Leuten, die ihm blieben, zog sich Sagiro erst nach Ntussu, dann nach Mbulu (Iraku) zurück, wo er heute noch lebt.
Nicht viel besser als den Bayuta erging es den Brariga von Gamrit. Auch diese wurden von den Massai verdrängt und verliessen das Land, das jetzt öde liegt, um am Victoria-Nyansa nördlich vom Speke-Golf zu nomadisiren. Doch auch dort blieben sie nicht ruhig, die Massai beraubten sie ihres Viehstandes und zersprengten sie gänzlich. Ihre spärlichen Ueberreste findet man auf der Insel Ukerewe, am Spekegolf, unter den Waschaschi von Ikoma, in Meatu und anderen Theilen von Usukuma.
Auch die Gurui-Wataturu wurden ihres Viehes beraubt und zu sesshafter Lebensweise gezwungen. Einige von ihnen wurden bis Ugogo versprengt.
Der einst mächtige, zahlreiche Stamm ist heute nur mehr eine Völkerruine, die Zahl der Wataturu beträgt nach roher Schätzung kaum 5000 Menschen. Nur in Mangati leben sie in geschlossenen Massen, sonst als Fremdlinge unter den Eingeborenen, haben es jedoch, wie in Iraku und Ufiomi, nicht selten zu einflussreicher, ja herrschender Stellung gebracht.
Im Körperbau gleichen die Wataturu sehr den Massai, ja der hamitische Typus tritt bei ihnen häufig reiner hervor. Sie sind alle schlank, langbeinig, mit zierlichen Körperformen und Extremitäten und haben vielfach sehr anziehende, an Nubier erinnernde Gesichtszüge. Viel plumper und negerhafter sind die Weiber. Die Hautfarbe ist sehr variabel, viele, sehr typische Wataturu sind schwarzbraun, [170] andere, besonders die von Ukerewe, auffallend lichtfarbig. Man sieht unter ihnen ziemlich viele kränkliche Leute. Das bei den Massai beschriebene Hamitenhaar kommt bei ihnen häufig vor.
Auch geistig machen die Wataturu den Eindruck tiefen Verfalls; früher freilich sollen sie ein kühner, trotziger Stamm gewesen sein, jetzt sind sie völlig harmlos und friedlich. Einzig in Mangati soll sich noch manchmal der alte räuberische Sinn durch Uebergriffe gegen Küstenhändler geäussert haben. Nach der Niederlage der Wambugwe gaben sie diese jedoch auf und ich selbst fand bei ihnen überall freundliche Aufnahme.
Ihre Sprache gehört, wie gesagt, der nilotischen Gruppe an, ist jedoch vom Massai so verschieden, dass eine Verständigung gänzlich ausgeschlossen ist. Das reinste Tatoga wird in Mangati gesprochen, in Usukuma und Ukerewe ist es stark mit Bantu-Elementen versetzt. Sagiro's Leute sprechen ausser der Muttersprache alle Kinyamwesi. —
Bei dem Uebergangsstadium, in dem die Wataturu sich jetzt noch befinden, ist es schwer, in ihrer Tracht das Ursprüngliche herauszufinden. Eine Haarfrisur kommt nur selten in Form eines Haarbüschels am Hinterhaupt vor. Die Krieger pflegen einige Straussfedern am Scheitel zu tragen. In die ausgedehnten Ohrlappen steckt man runde Holzscheiben. Die Kleidung besteht bei Männern aus einem Ueberwurf aus Leder, welcher öfters in der bei den Wafiomi üblichen Art durchlocht ist. Um die Hüften werden zahlreiche Bastschnüre geschlungen. Die Weiber tragen Lederkleidung, welche meist die Brust verhüllt. Als Schmuck dienen letzteren vielfach Glasperlen, Messing- und Eisenarmbänder. In dieser Tracht sieht man die Wataturu in Mangati. Die Leute Sagiro's (Abb. pag. 114), die durch den langen Aufenthalt in Unyamwesi überhaupt »civilisirter« sind, tragen meist Baumwollzeug, die Wataturu der Nyansaländer [171] gleichen bezüglich Tracht völlig den umwohnenden Bantu-Stämmen. Die Beschneidung ist bei Männern und Weibern üblich, und zwar bei ersteren in Form gewöhnlicher Circumcision, nicht nach Massai-Art.
Früher wohnten die nomadischen Wataturu in ähnlichen Lagern wie die Massai, heute ahmen sie die Siedelungsformen der Stämme nach, deren Gebiete sie bewohnen. So hausen die Wataturu von Mangati und Iraku in Temben, die genau jenen der Wafiomi gleichen und theils oberirdisch theils unterirdisch angelegt sind. Jene in Usukuma und Ukerewe dagegen leben in Rundhütten. Die Mangati-Leute pflegen jedoch die Temben etwas höher zu bauen als die Wafiomi, eine Neigung, die jedenfalls Sangiro's Leute aus Unyamwesi mitgebracht haben. Die Temben selbst sind meist ziemlich gut gebaut, die Umgebung jedoch verwahrlost und schmutzig.
Es erscheint zweifellos, dass nicht nur der Simityek-Stamm, sondern alle Wataturu, selbst in der Blüthezeit des Volkes, ausser Viehzucht auch Jagd betrieben haben. Heute noch widmen sie sich derselben mit Eifer und Geschick und stellen dem Wild mit Bogen und langen, stark vergifteten Pfeilen nach, die sehr jenen der Wandorobo gleichen. Die Simityek trieben und treiben in ihren spärlichen Ueberresten heute noch Fischfang im Nyansa, auch die wenigen, die im Mangati-Gebiet leben, sollen im Kwou- und Maitsimba-See fischen.
Die Wataturu nannten früher ungeheure Rinderheerden ihr Eigen, heute beschränkt sich die Viehzucht auf Ziegen und Schafe, deren sie in Mangati recht viele besitzen, und wenige Rinder.
Im Ackerbau sind die Wataturu noch Anfänger, doch bauen sie in Mangati und Iraku mit Eifer Sorghum und Mais, während sie auf Ukerewe hauptsächlich von Pataten leben. Diese Kulturpflanzen liefern denn auch heute die Hauptnahrung, während sie früher aus Fleisch und Milch bestand. Besonders die Krieger durften früher nur Rindfleisch und Milch geniessen, ausserdem jedoch das Fleisch vom Büffel, Giraffe, Zebra, Gnu, der Swara-Antilope und ausnahmsweise auch das der auf Kiswahíli »povu« genannten Antilope. Wer jedoch das Fleisch der letzteren gegessen hatte, durfte am selben Tage keine Milch trinken. Das Fleisch aller anderen Thiere war streng verpönt. Das Aderlassen der Rinder mit dem charakteristischen Pfeil, war ebenfalls üblich und wurde das frische Blut wie bei den Massai getrunken und mit Milch zusammen gekocht. Das Kochen der Milch war überhaupt stets gebräuchlich. Ausserdem genossen die Krieger mit Vorliebe Kuhurin, dem sie ein Pflanzenmittel (Luidanda) sowie Kuhfett beimischten, worauf sie erbrachen und heftig abführten, jedoch Kriegsmuth bekamen. Tabak schnupfen und rauchen ist heute allgemein üblich.
Die Geräthe der Wataturu haben wenig Charakteristisches und sind meist den umwohnenden Stämmen nachgeahmt. Früher werden sie wohl — ähnlich wie die Massai — überhaupt nicht viele Geräthe besessen haben. Ihre Waffen bestehen aus Wurfspeeren, die jenen der Wambugwe gleichen, doch schlechter gearbeitet sind, aus einem Rundschild von [172] Büffelhaut und aus den vorerwähnten Bogen mit vergifteten Pfeilen, die jedoch hauptsächlich zu Jagdzwecken dienen. Früher besassen sie breitklingige Speere, die jedoch nicht wie die der Massai eine übergreifende Zwinge, sondern einen eingelassenen Schaftdorn besassen. Sie waren an der Klinge hübsch ornamentirt und besassen reiche Schaftverzierung. Diese Speere findet man im Stamme selbst fast garnicht mehr, sondern nur noch bei den Wasukuma und Waschaschi als Paradewaffen. Sie wurden von einer Schmiedekaste, den Gidamudiga gefertigt, die eine ähnliche Stellung wie die Elkonono der Massai einnahmen, jedoch nicht verachtet wurden. Sagiro's Leute benutzten vielfach Vorderlader-Gewehre.
Von Handel kann bei den Wataturu kaum die Rede sein. Höchstens Sagiro's Leute befassen sich mit dem Verkauf von Elfenbein und Kleinvieh und die Mangati-Leute tauschen das Salz des Balangda-See an umwohnende Stämme gegen Kleinvieh um. Sie pflegen das Salz in halbkugelförmigen Klötzen in den Verkehr zu bringen.
Bei der Geburt eines Menschen wird meist eine Ziege geschlachtet und von den Verwandten gegessen. Die Beschneidung wird in früher Jugend vollzogen. Beim Reifwerden werden die Zähne nach Massai-Art hergerichtet, das heisst die vordersten oberen Schneidezähne vorgebogen, die entsprechenden unteren ausgebrochen. Doch kommt diese Sitte immer mehr ab. Eine Absonderung der jungen Leute fand niemals statt, dieselben hausten stets im Kraal der Eltern.
Will ein junger Mann heirathen, so bringt er dem Vater seiner Erwählten einen Honigtopf. Wird dieser angenommen, so kann die Hochzeit stattfinden, bei der keine besondere Zeremonie üblich ist. Früher bekam die Braut von ihrem Vater meist zwei Stiere und eine Milchkuh in die Ehe mit, dasselbe der Bräutigam von seinen Eltern. Jetzt erhalten sie meist Ziegen, auch pflegt man ihnen ein Tembe zu bauen. Vielweiberei ist üblich. Die Weiber verrichten nur häusliche Arbeiten, ausserdem errichteten sie früher die Lagerhütten und tragen jetzt beim Tembebau den Lehm auf. Die Sorge für Nahrungsbeschaffung, also gegenwärtig auch der Ackerbau, obliegt ausschliesslich den Männern. Im Gegensatz zu den meisten Bantu, wo [173] die Hauptlast auf den Schultern der Weiber liegt, kann man diese in den Taturu-Dörfern meist bequem auf den Kehrichthaufen umherlungern sehen, während die Männer das Feld bestellen. Daher sind auch die Wataturu als Gatten bei den umwohnenden Stämmen sehr beliebt und Mischheirathen, besonders mit Wafiomi, kommen sehr häufig vor.
In Krankheiten pflegt der Zauberdoktor Brechmittel, Schröpfen (besonders am Scheitel) anzuwenden und den Kranken zu brennen. Todte werden in den Busch geworfen und nicht mehr beachtet, nur berühmte Zauberdoktoren werden begraben. In früherer Zeit wurde das Lager, in welchem Jemand starb, als unglückbringend verlassen.
Ein Geisterkultus ist nicht bekannt, wie bei den Massai herrscht der Glaube an einen Gott, mit welchem der Zauberer den Verkehr vermittelt. Dessen durch Vieh zu bezahlender Rath wird öfters eingeholt, auch giebt er sich mit Regenmachen ab. Die Würde des Zauberers ist erblich, die Häuptlinge, voran Sagiro, der von allen Wataturu als Oberhaupt anerkannt wird, sind nichts anderes als Oberpriester ohne direkten, politischen Einfluss. Die Gerichtsbarkeit wird von den Aeltesten ausgeübt. Bei Diebstahl bekommt der Bestohlene ein Rind, den übrigen Besitz des Diebes ziehen die Aeltesten ein. Mord wird stets durch Blutgeld gesühnt.
Kriege der Wataturu unter einander kommen vor; bei diesen sehen die Aeltesten ruhig zu und legen sich ins Mittel, sobald einige Leute gefallen sind. Aeusserst blutig waren jedoch die Kämpfe gegen die Massai, gegen welche sie grimmigen Hass hegen. Wer einen Massai getödtet, trägt Messingschmuck und zwei Messing-Halbmonde an der Stirn.
Sklaverei ist unbekannt, sie selbst jedoch litten mehrfach unter Sklavenjagden und Wataturu-Sklaven kommen vereinzelt in Unyamwesi und selbst an der Küste vor.
Eine Zukunft ist den Wataturu nicht zuzusprechen. Der Stamm hat zu wenig Widerstandskraft, um den grossen Sprung vom Viehnomaden zum Ackerbauer erfolgreich zu überstehen. Besonders die zahlreichen Heirathen mit anderen Stämmen werden das rasche Verschwinden der Wataturu herbeiführen. Für diese jedoch, vor allem für die Wambugwe, war und ist die Vermischung mit hamitischem Blut ein nützliches Ferment, welches sie über das Niveau anderer Bantustämme erhebt.
Wenn die Wataturu gewissermaassen den Uebergang vom Viehzüchter zum Ackerbauer darstellen, so gelangen wir mit den Wafiomi zu den reinen Ackerbauern. Unter Wafiomi werden hier jene zusammengehörigen Stämme verstanden, welche die Landschaften Ufiomi, Iraku, Uassi und Burunge bewohnen. Dieselben bilden sprachlich und ethnographisch ein Ganzes, obwohl sie durch die Verschiedenheit des Wohnortes manche Unterschiede aufweisen. So sind die Leute von Uassi und Burunge durch die umwohnenden Bantu, die Warangi, beeinflusst, während die Bewohner [174] von Ufiomi und Iraku sich sehr ursprünglich erhalten haben.
Die Wafiomi sind jedenfalls alte, vielleicht mit den Wassandaui die ältesten Bewohner der abflusslosen Gebiete. Bei den meisten anderen Stämmen, bei den Massai, Wataturu, selbst bei den sesshaften Wambugwe haben sich dunkle Ueberlieferungen früherer Einwanderung erhalten. Bei den Wafiomi findet sich nichts ähnliches; sie behaupten, die Gebiete, die sie heute innehaben, seit jeher bewohnt zu haben. Einige meiner Leute, die früher nie in diesen Gegenden gewesen, konnten sich mit den Wafiomi nothdürftig verständigen, indem sie die Sprache redeten die in Lumbwa, Sotik und bis Nandi und Kamassia von den dortigen, wenig bekannten Eingeborenen gesprochen wird. Man könnte danach die Wafiomi als eine Aboriginer-Bevölkerung der Plateauländer westlich vom ostafrikanischen Graben betrachten.
Die Sprache der Wafiomi wird von keinem der umliegenden Stämme verstanden und gehört weder der Bantu noch der nilotischen Gruppe an. Sie ist nicht unschön und nähert sich in der Klangfarbe dem magyarischen. Die wenigen Proben, welche ich erlangen konnte, lassen sie als rein hamitisches Idiom erscheinen. Wahrscheinlich ist es einer der ältesten Zweige der interessanten hamitischen Gruppe und wäre näheres Studium wohl werth.
Die Wafiomi sind hager, mittelgross, von nicht unschönen Körperformen und feinen Extremitäten. Ihre Gesichtszüge sind vielfach scharf geschnitten, weniger typisch negerhaft als echt hamitisch. Einen besseren Begriff als jede Beschreibung werden die beigegebenen Abbildungen nach Photographien geben. (Tafel 18, 20, 21, Abb. pag. 117, 120 und Schlussvignette des Kapitels.) Bei den Schmutzmassen, welche den Körper der Wafiomi bedecken, ist deren Hautfarbe nicht leicht zu bestimmen, doch sind die Bewohner des Tieflandes meist dunkler als die der Gebirge, besonders die Leute im südlichen Iraku sind auffallend lichtfarbig. Hamitenhaare, ja fast glatter Haarwuchs kommt häufig vor. Sie scheinen eine sehr gesunde Rasse, Greise sind besonders in Iraku häufig. Sie pflegen die Haare lang wachsen zu lassen und dieselben in viele kleine Strähnen zu drehen. Da sie diese Frisur jedoch nur selten erneuern, so wallen ihnen meist Haarmassen um den Kopf, deren wüstes Aussehen durch einige am Scheitel angebrachte ruppige Federn noch erhöht wird. Beide Geschlechter sind beschnitten. Die beiden vorderen unteren Schneidezähne pflegen die Weiber auszubrechen, die Männer die oberen nach Massai-Art vorzubiegen.
In den Ohren tragen sie runde Holz- oder weisse Knochenscheiben, manchmal auch Messingspiralen, öfter braune dürre Blätter, um den Hals Glasperlen. Die Weiber tragen Eisen- und Lederringe an dem Unterarm.
Die Bekleidung besteht bei Männern aus einem Ueberwurf aus Leder, welches oft siebartig von feinen Löchern durchbohrt wird wodurch es förmlich »Lederspitzen« gleicht. Freilich gewinnt die Solidität nicht durch dieses Verfahren und gar manchem Mfiomi hängen seine Lederspitzen in Fetzen um den Leib. Die älteren Leute [175] pflegen längere Mäntel zu tragen, die Weiber einen Lendenschurz, in kälteren Gegenden wohl auch einen Ueberwurf. Der Gesammteindruck der Wafiomi ist kein übermässig vortheilhafter, aber ein im hohen Grade origineller. Ein Mfiomi, der aus seiner Erdhöhle hervortretend, von Schmutz starrend, mit zerfetzter Bekleidung, wilden Haarmassen und scharfen, misstrauisch verzerrten Gesichtszügen den Fremden anstarrt, stellt den Idealtypus eines »Wilden« dar, wie man ihn nur selten findet.
Dem Aeusseren entspricht so ziemlich auch der Charakter. Mit Ausnahme der Irakuleute, von den Swahíli meist Wambulu genannt, die stets den Ruf der Gutmüthigkeit hatten, gelten alle Wafiomi als boshaft. Die Burunge-Leute haben die Araber von Irangi nach harten Kämpfen unterworfen. In Uassi wurde ich bei meinem Durchmarsch räuberisch angefallen, doch war eine Verständigung zu erzielen. Besonders gefürchtet waren stets die Bewohner von Ufiomi, dem Soïebus der Massai, die auch schon mehrmals Küstenkarawanen niedergemetzelt hatten, ja sogar einen Einfall der gefürchteten Ober-Aruschaner mit Glück abschlugen. Am Westufer des Maitsimba-Sees haben die Wataturu-Häuptlinge Sagiro's, vor allen Gwandu, einige Ordnung geschaffen. Auch am Ostufer fand ich übrigens scheue, doch freundliche Aufnahme, anscheinend hatten die Niederlagen der Wambugwe einerseits und der Wauassi andererseits ihre Wirkung nicht verfehlt.
Trotz ihres kriegerischen Sinnes konnten die Wafiomi doch niemals den Massai Widerstand leisten und verloren ihren Viehstand an dieselben.
Von besonderem Interesse sind die Wohnungen der Wafiomi, welche geeignet sind Licht auf die Entstehung des Tembebaues zu werfen. Es muss nämlich befremden, dass die sämmtlichen sesshaften Völker des abflusslosen Gebietes, mögen sie nun Bantu, Wafiomi oder Wassandaui sein, in Temben wohnen, während man sonst in Mittelafrika nur Rund- oder viereckige Hütten findet. Man hat angenommen, dass die Temben aus dem Typus des Massai-Lagers entstanden seien, indem man zu ständigeren Siedelungen statt des unregelmässig runden einen viereckigen Grundriss wählte.
Doch ist dieser Uebergang, welcher bei den Wakuavi in Usegua[17] am reinsten vertreten ist, vor Allem nur bei angesiedelten Viehnomaden denkbar, während die oben genannten Stämme stets Ackerbauer waren, ferner kann das Massai-Lager nur zur Entstehung des Hof-Tembe, niemals jedoch des völlig eingedeckten Tembe führen, von welchem jedes eine Familie beherbergt. Dieses muss eine andere Entstehungsgeschichte haben, zu welcher wir im südlichen Iraku die Erläuterung finden.
Dort sind nämlich heute noch drei Wohnungstypen im Gebrauch: Rundhütte mit cylindrischer Lehmwand und Blätterdach, geschlossenes Tembe und Erdstall. Bei flüchtiger Betrachtung könnte man annehmen, dass der Erdstall, dieses Urbild einer primitiven Siedelung, hier die ursprüngliche Form darstelle, und dass aus dieser sich Tembe [176] und Rundhütte entwickelt haben. Thatsächlich ist der Gang jedoch ein umgekehrter. Ursprünglich bewohnte man die Rundhütte, bis feindliche Einfälle, besonders der Massai, das Blätterdach als zu feuergefährlich erscheinen liessen. Man gab der Hütte ein Lehmdach. Thatsächlich habe ich im südlichen Ikoma, wo der Umwandlungsprozess eben im Gange ist, Rundhütten mit flachem Lehmdach gesehen. Es ist jedoch begreiflich, dass diese Form sich nicht lange halten kann, die Auswahl ungleich langer Stangen für das Dach ist zu unbequem, als dass nicht bald der Gedanke auftauchen sollte, dem Unterbau statt einer cylindrischen eine viereckige Form zu geben — und der Tembe ist fertig. Doch auch dieser erscheint zu exponirt, man baut ihn immer niedriger, man tieft den Boden, wenn seine Beschaffenheit dazu günstig, immer mehr ein um gebückt stehen zu können; man macht schliesslich die Decke dem Erdboden gleich — und der Erdstall ist gegeben.
Wenn wir die verschiedenen Wohnungsformen der Wafiomi betrachten, so finden wir in Uassi und Burunge völlig den Warangi gleichende Temben mit Knüppelzäunen für das Vieh.
In Ufiomi sind die Temben (Abb. pag. 116) an der meist nach Westen gerichteten vorderen Seite ca. 1,50 m, an der Hinterseite aber nur 0,50 m hoch. Auch die Vorderseite ist in der Mitte höher als an den Seiten, so dass das rothe Lehmdach nach drei Seiten hin geneigt ist. An der Vorderseite befindet sich ein Vordach und durch eine breite Thür gelangt man in das Innere, in welchem der Boden meist so vertieft ist, dass man im Vordertheil des Raumes stehen kann. Dort befinden sich hohe, lehmverstrichene Vorrathskörbe, die auf Holzgestellen stehen. Im dunklen, hinteren Theil der Temben ist der Heerd, neben welchem der Eingang zu den merkwürdigen Zufluchtshöhlen sich befindet. Dieselben werden in den lehmigen Boden gegraben. In dem völlig dunkeln Temberaum a mündet ein vertikaler etwa 2 m tiefer Schacht, aus dessen Unterseite ein Gang leicht bergab führt in dem man auf Händen und Füssen kriechen muss. Nach etwa 20-30 m gelangt man in einen cylindrischen Raum b, der nach Tembeart gestützt ist. Dieser bildet die Sohle eines zweiten Brunnens, der im offenen Felde mündet und dessen Oeffnung mit einer Schicht Stroh und Erde bedeckt und nur für Kundige zu finden ist. Manchmal sind zwei Temben unterirdisch verbunden, manchmal führen aus dem cylindrischen Raum Gänge noch weiter, so dass ganz Ufiomi förmlich unterminirt ist. Diese Höhlen werden erst seit der Zeit der Massaieinfälle gegraben und waren früher unbekannt. Sie dienen im Kriegsfall als Zuflucht hauptsächlich für Weiber und Kleinvieh. Die zweite Oeffnung dient theils als Luftloch, theils um im Nothfall einen Ausweg zu eröffnen.
In Iraku finden sich, wie oben erwähnt, drei Arten von Wohnstätten. Die Rundhütten treten nur im Süden vereinzelt auf, wo das Land feindlichen Einfällen weniger ausgesetzt, überhaupt am [177] ursprünglichsten ist. Sie besitzen lehmausgefüllte cylindrische Wände und Grasdach, einen niedrigen Unterraum und dunkeln Dachraum, in dem sich Stützen für das Dach, doch kein Mittelpfahl befindet. Der ganze Bau ist sehr nachlässig ausgeführt. Weit besser sind die Temben gebaut, die meist flaches Dach und ausgetieften Boden haben und deren Rückwand der Berghang bildet. Nicht selten findet man vollständige Keller, in den Lehmhang eingeschnittene Höhlungen, die innen mit Stangen gestützt werden und in die man durch ein Loch im Hang gelangt.
TAFEL XIX
Noch charakteristischer ist die Form, welche ich als »versunkenes Tembe« bezeichnen möchte. In den festen, rothen Lateritboden wird ein mindestens 3 m tiefes und 10 und mehr Meter im Quadrat haltendes, meist viereckiges, manchmal auch dreieckiges oder unregelmässiges Loch gegraben. Zum Eingang führt ein gebogener, schmaler Weg, der zwischen Lehmwänden eingeschnitten und nach aussen geneigt, zugleich den Regenmassen Abfluss gewährt. Das Loch wird mit einem gewöhnlichen Tembedach überdeckt, dessen rothe Fläche die einzige Spur einer menschlichen Wohnung ist. Das Innere ist recht geräumig, Menschen und Vieh hausen meist in einem Raum zusammen. Manchmal führt im Innern ein Gang als weitere Zuflucht in die Tiefe. —
Die Jagd wird von den Wafiomi mit Speeren und Fallen, seltener mit vergifteten Pfeilen betrieben. In den Urwäldern von Ober-Iraku und Meri pflegen die Eingeborenen 5-6 m tiefe cylindrische Gruben auszuheben, die meist zu drei angelegt und zum Fangen von Elephanten bestimmt sind. Dem Honig der Waldbienen stellen sie eifrig nach, Fischfang im recht fischreichen Maitsimba-See betreiben sie jedoch gar nicht.
Die Viehzucht hat durch die Massai-Einfälle sehr gelitten und beschränkt sich gegenwärtig, wo auch noch die Seuche tüchtig aufgeräumt, fast nur auf Kleinvieh. Nur in Iraku trifft man noch ziemlich viele Rinder.
Alle Wafiomi betreiben mit grossem Eifer Ackerbau, besonders in Iraku ist das Land mit Feldern bedeckt. In Uassi und Ufiomi baut man nur Sorghum, in Iraku daneben auch Mais, Eleusine, Penicillaria und vortreffliche Kürbisarten. Merkwürdig ist hier, wie bei allen Völkern des abflusslosen Gebietes, das Fehlen der Banane in Gegenden, die zum Anbau dieser Kulturpflanze wie geschaffen erscheinen. Der Grund liegt wohl hauptsächlich darin, dass die besiedelten Theile des abflusslosen Gebietes rings von Steppen oder doch unbewohnten Gebieten umschlossen sind. Durch diese konnten nur die leicht transportabeln Samenpflanzen, wie Sorghum, Mais, Eleusine, Penicillaria, Kürbisse gelangen, während Bananen, Maniok, süsse Kartoffeln und andere weit verbreitete, aber immerhin schwer zu befördernde Pflanzen nicht dahin kamen. Unerklärlich allerdings erscheint, warum die Hülsenfrüchte, deren Samen doch so leicht verbreitbar sind, gänzlich fehlen. —
Die oben genannten Kulturpflanzen liefern die Hauptnahrung der Wafiomi. Ausserdem essen sie auch das Fleisch aller Thiere mit Ausnahme von Fischen und Flusspferden, die als unrein gelten. Das [178] Rauchen, Schnupfen und Kauen von Tabak ist bei beiden Geschlechtern üblich. Kochsalz wird aus Mangati bezogen. —
An originellen Geräthen besitzen die Wafiomi nur wenige. Eisensachen und Kalebassen werden meist aus Irangi bezogen, Körbe aus Gras selbst geflochten. Die Töpfe sind ziemlich schlecht, am Halse manchmal mit Zebrafell benäht. Zur Aufnahme der Milch dienen hölzerne Gefässe, die sich ähnlich auch in Ukerewe und am Ostufer des Victoria-See finden.
Als Waffen dienen Wurfspeere mit eingelassener Spitze und lederne Rundschilde, sowie zur Jagd Bogen und vergiftete Pfeile.
Der Verkehr mit der Aussenwelt beschränkt sich auf den mit den Wataturu und Wambugwe. Ueber Uassi gelangen die Industrieartikel aus Irangi nach Ufiomi und Iraku. Früher zogen Leute aus Irangi direkt nach Iraku, um Granaten, die dort häufig vorkommen und in Irangi als Ohrschmuck getragen werden, zu kaufen. Wasukuma und andere Wanyamwesi kommen behufs Vieh- und Elfenbeinhandel manchmal ins Land.
Die Sitten der Wafiomi sind eigenartig, wenn auch vielfach durch Bantugebräuche beeinflusst. Die Beschneidung und das Ausbrechen bezw. Vorbiegen der Zähne wird bei beiden Geschlechtern erst beim Reifwerden vorgenommen. Bei Mädchen findet dann ein besonderes Fest statt, bei welchem mit der nebenstehend abgebildeten Klapper gerasselt wird. Dann bleibt das Mädchen ein Jahr im Tembe in einem von den Männern gesonderten Raum. Sie darf keine Nahrung berühren und wird von anderen Weibern gefüttert und getränkt, auch darf sie ihr Haar nicht scheeren. Zur Nachtzeit jedoch verlässt sie das Tembe und tanzt mit jungen Männern.[18]
Will ein junger Mann heirathen, so schickt er dem Vater der Auserwählten Pombe, dessen Annahme als Einwilligung gilt. Das Brautgeld besteht gewöhnlich aus drei Ziegen und einem Spaten; ist der Bräutigam jedoch arm, so braucht er nur Pombe und Honig zu [179] bringen. Vielweiberei ist allgemein üblich. Die Geschlechter nehmen ihre Mahlzeiten getrennt ein. Die Arbeiten sind so ziemlich gleich auf Mann und Weib vertheilt, welch' letztere sich auch am Ackerbau betheiligen. Eine unbeliebte Frau wird dem Vater zurückgeschickt. Heirathet sie wieder, so gehört das erste Kind dem Manne der ersten Ehe, das zweite dem der zweiten, das dritte wieder dem der ersten Ehe u. s. w. bis zum achten Kind, worauf alle Kinder dem Manne aus zweiter Ehe gehören, ein höchst merkwürdiger und seltsamer Gebrauch. Die Wafiomi heirathen meist im Stamme, selten Wambugwe-Weiber, doch werden Wafiomi-Weiber oft von Wambugwe und Wataturu zur Ehe genommen.
Will jemand ein Haus bauen, so ist ihm die ganze Nachbarschaft dabei behilflich, die Männer errichten das Holzwerk und tragen die Graslagen auf, die Weiber schütten den Lehm auf's Dach.
Eine grosse Rolle spielt der Zauberdoktor, der »Regen macht« und bei Krankheiten Amulettzauber, seltener Pflanzenmedizin anwendet. Schneidet sich jemand zufällig, so gilt dies als sehr böses Zeichen und es wird sofort ein Schaf erwürgt und der Betreffende mit dem Mageninhalt bespritzt, was überhaupt als Friedenszauber gilt.
Man glaubt an natürlichen Tod und Tod durch Zauberei, doch hat letzterer nichts im Gefolge. Ein Verstorbener wird in Ufiomi kauernd mit Fell und Ledersandalen vor dem Tembe beerdigt. In Iraku, wo ich, um Schädel zu sammeln, mehrmals Gräber öffnete, waren dieselben ebenfalls stets vor den Temben und bestanden aus 2 m tiefen Schächten, von deren Sohle ein Seitenschacht ausging, in welchem der Todte auf einem Brett stets mit Lederzeug und Sandalen bestattet war.
Den Geistern der Verstorbenen bringt man Todtenopfer von Pombe; auch werden ihnen zu Ehren Tänze aufgeführt, bei welchen eine kleine gestielte Trommel gerührt wird, die ganz jener der Wapare gleicht. Ein Gottesbegriff ist vorhanden, Gebete sind jedoch nicht gebräuchlich.
Die Bewohner benachbarter Distrikte führen keine Kriege untereinander, sondern prügeln sich nur mit ihren langen Stöcken. Den Krieg nach Aussen beschliesst der Zauberdoktor, der auch Anführer desselben ist. Der Kampf besteht in Gefechten auf freiem Felde, selbst im Siegesfall dringen die Kämpfer nicht in Feindesland ein. Männliche Kriegsgefangene werden nicht getödtet, sondern zur Auslösung aufbewahrt, laufen jedoch meist davon. Die Wafiomi halten keine Sklaven, wurden jedoch mehrmals von den Ober-Aruschanern (zuletzt 1891) behufs Sklavenraub angefallen und es sollen sich in Ober-Aruscha Wafiomi-Sklaven befinden.
In Streitfällen entscheiden die Aeltesten. Diebstahl im eigenen Land ist unerhört und sehr schimpflich, Fremde zu bestehlen gilt als ehrenvoll. Mord wird durch Blutgeld gesühnt, nur wenn letzteres nicht geleistet wird tritt Blutrache ein. Ausständige Schulden tilgt der Gläubiger durch selbstständige Pfändung. Grund und Boden gilt niemals [180] als Besitz, nur die darauf stehenden Feldfrüchte sind Eigenthum, das vom Nachbarfeld abgegrenzt wird. Daher kann Jeder unbeackertes, wenn auch früher bebaut gewesenes Land bestellen und erhält dadurch Recht auf die Ernte. Ebenso kann Vieh überall weiden.
Sternschnuppen gelten als böses Zeichen, der Mond und die Jahreszeiten geben die Zeiteintheilung.
Das Gesammtbild der Wafiomi ist das eines noch völlig unberührten, im Grunde gut gearteten Naturvolkes. Bei den traurigen Erfahrungen, die sie von ihren Nachbarn, besonders den Massai gemacht, ist es nicht verwunderlich, dass sie bisher allen Fremden feindlich gegenüber standen, doch wird es zweifellos gelingen, sie in dieser Hinsicht zugänglicher zu machen. Wurde mir als erstem Weissen in dem berüchtigten Ufiomi doch wenigstens kein feindlicher, in Iraku sogar ein harmlos freundlicher Empfang zu theil. Sobald die Wafiomi vor feindlichen Einfällen gesichert und nicht mehr gezwungen sind, sich gleich wilden Thieren in Erdhöhlen zu verbergen, werden sie sicher ihre Eigenschaften als treffliche Ackerbauer noch weiter entfalten und zur Besiedelung der herrlichen noch unbewohnten Plateauländer beitragen. Ob sie freilich zu einer höheren Kulturmission geeignet erscheinen, ist bei dem konservativen Sinn und der völligen, bis zur Verwahrlosung getriebenen Bedürfnisslosigkeit dieses Volkes fraglich. Auch ist es nicht wahrscheinlich, dass sie einem stärkeren Eindringen des Bantu-Elementes widerstehen werden.
Vorläufig nehmen die Bantuvölker, jener Hauptstamm Mittel-Afrika's, im abflusslosen Gebiet noch keinen grossen Raum ein. Das bedeutendste Volk sind jedenfalls die Wagogo, die schon von mehreren Reisenden beschrieben worden sind und auf die ich schon deshalb nicht näher eingehe, weil ich nur wenige Vertreter dieses Stammes kennen gelernt. Die Wanyamwesi dagegen, deren Wohngebiet besonders in den Zweigstamm der Wakimbu ins abflusslose Gebiet übergreift, und die viele Ansiedelungen in demselben besitzen, sollen an anderer Stelle Erwähnung finden. Wir wenden uns daher gleich den nördlich, in direkter Nachbarschaft der Wafiomi lebenden Warangi und Wambugwe zu.
Die Stämme der Wambugwe und Warangi gehören, obwohl räumlich ziemlich getrennt lebend, doch einer Gruppe an, ja sie bilden thatsächlich nur einen Stamm. Da jedoch die Warangi durch ihren starken Verkehr mit Fremden, sei es Küstenleuten, sei es Wagogo und Wanyamwesi, viel von ihrer Ursprünglichkeit verloren haben, so wird nachfolgend hauptsächlich von den Wambugwe die Rede sein.
Die Wambugwe bewohnen ein sehr beschränktes Gebiet. Ihre Wohnstätten, die Temben, sind in der baumlosen Salzebene am Südende des Manyara-See verstreut, welche, eine alte Fortsetzung des Sees bildend, zur Regenzeit theilweise mit Salzwasser überschwemmt ist und nur stellenweise spärlichen Graswuchs gedeihen lässt. Die Felder liegen südlich und östlich von dieser Ebene in fruchtbarerem Gebiet. Die Warangi hausen in den hügelartigen Landschaften, welche sich bei [181] der Araber-Niederlassung Kondoa (Irangi) ausdehnen, sowie nordöstlich davon in Tandala. Die ebenfalls zu Irangi gehörigen Distrikte Uassi und Burunge haben keine Warangi- sondern Wafiomi-Bevölkerung.
Ihre Abkunft leiten die Wambugwe von Irangi, also aus dem Süden her; doch ist es zweifellos, dass ihre Einwanderung schon vor vielen Generationen erfolgte. Ihrer Sprache nach sind die Wambugwe ein Bantu-Volk und gehören möglicherweise mit den Wagogo einer Gruppe an. Doch scheint es sicher, dass sie viele fremde Elemente, vor allem Wataturu und Wafiomi, in sich aufgenommen haben. Immerhin weist der Stamm, wie er sich uns heute darstellt, physisch ein ziemlich einheitliches Gepräge auf.
Die Wambugwe sind mittelgrosse schlanke und kräftige Leute von oft tadellosen Körperformen. Die Gesichtszüge bilden ein Mittelding zwischen hamitischen und reinem Negertypus; der nebenstehend abgebildete Häuptling Mbi zeigt dieselben in besonders charakteristischer Weise. Die Hautfarbe hat vorherrschend chokoladebraune, rothbraune bis gelbliche Töne, besonders unter den Weibern trifft man hellfarbige, ungemein zierliche Gestalten. Die Haltung ist eine freie und stolze, der Gesichtsausdruck intelligent.
Diesem Aeusseren entspricht auch der Charakter, der den Mbugwe vor allem zum Krieger stempelt. Von drei Seiten von ungeheuren Steppenländern, auf der vierten vom Steilabfall des Plateaus begrenzt, ist das Umbugwe-Ländchen von allen Seiten den Einfällen feindlicher Stämme, vor allen der Massai und Ober-Aruschaner ausgesetzt. Während die umwohnenden Stämme, wie die Wataturu und Wafiomi unter diesen Einfällen schwer litten und ihr ganzes Vieh an die Massai verloren, wussten die Wambugwe trotz der ungünstigen, völlig offenen Lage ihres Ländchens sich doch alle Feinde vom Halse zu halten und ihre kostbarste Habe, ihr Rindvieh, zu vertheidigen. So verächtlich der Massai auch über die meisten »Mangati« (Ackerbauer-Feinde) denkt, den Ltoroto, wie er die Wambugwe nennt, kann er seine Achtung nicht versagen. Denn gar oft haben die wilden Viehräuber der Steppe sich blutige Köpfe in Umbugwe geholt, ja [182] mehrmals kehrten die Wambugwe den Spiess um, sie fielen ihrerseits im Massailande ein, erstürmten die Kraals am Donyo Kissale und trieben das Vieh weg.
Die Erfahrungen, welche sie seit jeher gemacht, mussten dazu beitragen, die Wambugwe misstrauisch gegen alles Fremde zu machen. Mehrmals wurden Handelskarawanen von der Küste, die in völlig harmloser Absicht kamen, von ihnen überfallen, ausgeraubt und fast vollständig aufgerieben, so dass jahrelang sich Niemand als die unerschrockenen Elephantenjäger nach Umbugwe wagte. Auch diese schwebten fortwährend in Lebensgefahr und waren allerlei Uebergriffen von Seiten der Eingeborenen ausgesetzt.
Auch mir, dem ersten Europäer den sie sahen, wollten die Wambugwe in gleicher Weise begegnen, doch bekam ihnen dies schlecht: zum ersten Mal empfingen die nie Besiegten eine empfindliche Niederlage. Doch gerade ihr Verhalten nach derselben zeigt von dem klaren Verstand der Wambugwe. Während andere Stämme, wenn ihr Angriff abgeschlagen ist, sich meist in alle Winde verlieren, gänzlich unerreichbar sind und den nächsten Europäer der durch ihr Gebiet kommt wieder anfallen, erkannten die Wambugwe sofort, dass sie einer überlegenen Macht gegenüberstanden. Es kam zu einer Verständigung und die Schonung der Verwundeten und Auslieferung der Kriegsgefangenen meinerseits trug nicht wenig zur Befestigung der neuen Freundschaft bei. Fast ein Jahr später fand ich die Wambugwe gänzlich umgewandelt als friedliche, zugängliche Leute und Küstenkarawanen sowohl wie andere Reisende, die nach mir das Land besuchten, fanden die beste Aufnahme.
Wenn wir das Aeussere der Wambugwe betrachten, so finden wir, dass dieselben sich von der Alles überfluthenden Massai-Mode ziemlich unabhängig gehalten haben (Abb. Taf. 4 und pag. 22). Die Stammesmarke bei Männern und Weibern besteht aus einem von der Nasenwurzel über die Wangen verlaufenden Schnitt. Das Haupthaar tragen sie entweder abrasirt oder sorgfältig in ganz kleine Zöpfchen geflochten. Kleine Holzstücke oder einige Glasperlen dienen als Schmuck der Ohren. Die jungen Männer pflegen auf Reisen und auf der Jagd nackt zu gehen, sonst besteht die Kleidung aus einem Lendenschurz oder Mantel von ungemein weich und biegsam gegerbtem Leder, welches mit Glasperlen verziert und gelb, braun oder roth gefärbt wird. Zeug wird, seit das Land erschlossen ist, immer mehr getragen. Die Weiber bekleiden sich mit einem Lendenschurz aus Leder. An den Beinen werden häufig Eisendraht und Glasperlen getragen, an den Füssen schöne mit Glasperlen verzierte Ledersandalen. Die Beschneidung ist üblich. Als Kriegsschmuck tragen die jungen Leute häufig einen Büschel Federn in den Haaren.
Die Wohnungen der Wambugwe (Abb. pag. 18) bestehen aus quadratischen, nach den Weltgegenden orientirten Temben, die in Entfernungen von 30-40 m von einander in der Ebene verstreut sind. Dieselben sind ungleich gross und haben von 6-50 m im Geviert, dienen [183] jedoch selten mehr als einer Familie zum Aufenthalt. Trotz ihrer oft bedeutenden Ausdehnung sind die Temben nur brusthoch. Die Seitenwände bestehen aus Stangen mit Lehmverkleidung, das flache Dach, welches das ganze Tembe bedeckt, besitzt eine Unterlage von Stangen aus dem festen Kernholz der Dumpalmen, auf welchen eine Schicht quergelegter Sorghumstengel und die Lehmauflage folgt. In der Mitte der Dachfläche wird manchmal eine Stange als Zierrath aufgestellt. Die grösseren, besonders die Häuptlingstemben haben an der (westlichen) Vorderseite ein 1½ m, an den übrigen ½ m breites Vordach. Der Innenraum dient als Aufenthalt für Menschen und Vieh. Die kleineren Temben bestehen aus einem einzigen Raume mit vielen Dachstützen und höchstens einer Einzäunung für das Vieh, die grösseren aus mehreren, durch Wände getrennten Wohnstätten. Bei ihrer Niedrigkeit, der darin herrschenden absoluten Dunkelheit und den unzähligen Stangen und Verschlagwänden sowie dem Stalldunst, bieten die Temben gerade keinen behaglichen Aufenthalt, um so weniger als es darin von kleinen Zecken, den sogenannten Papassi, wimmelt.
Die Warangi haben dieselben, doch weniger gut gebauten Temben, dieselben liegen jedoch nicht einzeln, sondern zu drei oder vier, einen kleinen Hof umschliessend, der gegen Aussen durch einen Knüppelzaun abgesperrt ist.
Die Jagd spielt bei den Wambugwe eine ziemlich grosse Rolle und wird mit dem Wurfspeer, seltener mit Bogen und Pfeil ausgeübt. Fischfang wird nur zu Zeiten grosser Hungersnoth im Kwoufluss betrieben.
Weit wichtiger ist die Viehzucht, die allerdings durch die Seuche stark gelitten hat, immerhin aber noch recht bedeutend ist. Das Mbugwe-Rind ist ein echtes Zebu mit starkem Höcker, kräftiger, untersetzter Gestalt und meist kurzen Hörnern. Es ist verschieden, braun, schwarz und grau gefärbt, auch Blässen sind nicht selten. Wie bei den meisten afrikanischen Rindern, ist der Milchertrag ein geringer, ein Liter täglich gilt schon als ganz gute Leistung. Die Rinder grasen durchweg in der Salzebene um die Temben herum und verlassen deren Umkreis niemals. Obwohl sie anscheinend nur spärliche Weide finden, gedeihen sie doch vortrefflich und sind von seltener Ausdauer und Zähigkeit. Ich hatte Umbugwe-Rinder während meiner ganzen Reise mit und dieselben vertrugen das kalte Plateauklima ebensogut wie Hitze und Wassermangel in der Steppe, ja selbst die starken Märsche ermüdeten sie keineswegs. Die Wambugwe pflegen ihre Rinder durch Einschnitte in die Ohren zu bezeichnen.
Unter den Rindern treiben sich in der weiten Ebene des Dorfgebietes zahlreiche, halbwilde Esel herum. Dieselben sind kräftig gebaut, haben eine glänzend silbergraue Farbe und sehr oft leichte Streifung an den Beinen, erinnern also lebhaft an den wilden Esel der Somali-Länder. Sie werden nur zum Herbeitragen von Feuerholz, das sehr weit hergeholt werden muss, benutzt, laufen aber meist frei umher. Auch die Esel fand ich, sobald sie gezähmt sind, was rasch gelingt, sehr ausdauernd. An Kleinvieh werden viele Ziegen [184] und Schafe, an Geflügel Hühner gehalten. Hunde und auffallend viele Katzen sind überall zu finden.
Der Ackerbau wird nicht im Tembegebiet getrieben, weil dasselbe in der Regenzeit oft von Lachen überschwemmt ist und auch als Viehweide dient. Dadurch wird den Wambugwe das Leben ziemlich sauer gemacht. Wenn sie Trinkwasser oft eine Stunde weit holen müssen, so werden Feldfrüchte mehrere, Brennholz oft sogar viele Stunden weit hergeholt. Die Aecker liegen südlich und östlich vom Tembegebiet und sind gut gehalten. Angebaut wird fast nur Sorghum weisser und rother Varietät, letzterer ausschliesslich zur Bier-(Pombe)-Bereitung, sowie Tabak. Trotz des anscheinend wenig fruchtbaren Bodens ist das Erträgniss doch ein ungemein reiches, wie man an den kolossalen Getreidevorräthen sehen kann, welche die Wambugwe in meterhohen und ebenso breiten, cylindrischen Strohkörben in ihren Hütten aufspeichern.
Die Hauptnahrung ist der Sorghumbrei. Um diesen herzustellen, wird der Sorghum am Dach des Tembe aufgebreitet, hierauf meist unenthülst zwischen Mahlsteinen zerrieben. Nicht selten mischt man dem Mehl Salz vom Balangda-See (Mangati) bei, manchmal sogar das scharfe, für Nicht-Wambugwe gänzlich ungeniessbare Salz des Manyara. Das Fleisch aller Thiere wird genossen, nur Fisch, Nashorn und Elephant gelten als unrein und werden nur während einer Hungersnoth verzehrt. Betreffs des Zusammenessens von Männern und Weibern bestehen keine bestimmten Vorschriften. Hirsebier (Pombe) wird in sehr grossen Mengen hergestellt, in mächtigen Töpfen gähren gelassen und dann getrunken. Tabak wird besonders von Männern geraucht, geschnupft und gekaut, in letzterem Falle wird ihm das scharfe Salz des Manyara beigemengt.
TAFEL XX
Meisenbach, Riffarth & Co. Berlin heliogr.
Die Geräthe der Wambugwe zeichnen sich vielfach durch Zierlichkeit aus. Dem Ackerbau dient eine breitklingige Hacke, die, wie alle Eisengeräthe, aus Irangi-Eisen gefertigt, ja oft direkt von dort importirt wird, da die Warangi-Schmiede mit Recht als geschickt gelten. Ausser den grossen, früher erwähnten Vorrathskörben, dienen als Gefässe kleine Körbe und Kalebassen, die vielfach aus Irangi importirt und mit hübschen schwarzen Ornamenten versehen sind. Die netten Töpfe und Krüge werden von eigenen Handwerkern gefertigt und gehören nicht der Hausindustrie an. Erwähnung verdient das Gerben der Rindshäute, zu welchem Behufe die Haut getrocknet, mit einem besonderen Beil abgekratzt und mit Fett und Kuhmist eingerieben [185] wird. Sie wird dann einen Tag ausgebreitet, mit menschlichem Urin begossen, dann geknetet und zwei Tage in Urin gelagert. Hierauf wird sie nochmals ausgebreitet, getrocknet und abgerieben. Durch dieses Verfahren bekommt die Haut eine erstaunliche, sammetartige Weiche. Wünscht man das Leder zu färben, so wird die betreffende Pflanzenfarbe dem Urin beigemischt.
Die Waffen der Wambugwe bestehen aus Speer, Schild, Bogen, Pfeil und Schleuder. Schwerter scheinen vollkommen unbekannt. Der Speer ist ein echter Wurfspeer mit ziemlich breiter Klinge, eingelassenem Schaftdorn, lederbenähtem Hals und mit Eisen umwundenem Schaftende. Jeder Krieger trägt zwei bis vier Speere in der Rechten. In der Linken führt er den spitzovalen Schild, welcher aus Büffelhaut gefertigt, mit kleinen vorgetriebenen Buckeln versehen ist und an der Hinterseite einen Längsstock besitzt, (Abb. Tafel 4). Bogen und Pfeile sind leicht und dienen nur alten Leuten und Kindern als Waffen und Jagdgeräth. Als solches für kleines Wild dient auch die interessante Steinschleuder, ein Geräth, das man sehr selten in Mittelafrika findet. (Abb. pag. 186.) Dieselbe wird auch zum Verjagen der Vögel aus den Feldern gebraucht. Im Gebrauch der Waffen, besonders im Werfen der Speere besitzen die Wambugwe bedeutende Geschicklichkeit.
[186] Die Speere der Warangi sind zierlicher, doch weniger kräftig, ihre Schilde meist kreisrund mit Mittelbuckel.
Von einem Handel konnte in Umbugwe kaum die Rede sein, bevor das Erscheinen meiner Expedition eine neue Aera für das Land eröffnete. Küstenkarawanen wagten sich, wie gesagt, nicht ins Land, und selbst Wasukuma kamen nur selten dahin. Der Verkehr mit der Aussenwelt beschränkte sich auf das Eintauschen von Irangi-Eisen und Mangati-Salz gegen Vieh; selten unternahmen die Wambugwe einen Zug nach Meatu, um Irangi-Hacken gegen Häute zu vertauschen. Das wenige, was sie an Glasperlen und Zeug benöthigten, erhielten sie durch die Warangi, die stets ungehindert im Lande verkehrten, seltener durch Wagogo der nördlichen Distrikte, die manchmal bis Umbugwe vordringen.
Gegenwärtig freilich durchziehen häufig Europäer- und Swahíli-Karawanen das Land und eine vollständige Umwandlung aller Lebensverhältnisse ist im Gange.
Ueber das merkwürdige innere Leben dieses Stammes konnte ich verhältnissmässig viel erfahren, da ich während meines zweiten Aufenthaltes mit den Eingeborenen sehr freundschaftlich verkehrte und vorzügliche Dolmetscher besass.
Die erste Erfahrung, welche der neugeborene Mbugwe an seinen Landsleuten macht, ist keine angenehme. Es werden ihm nämlich mit einem scharfen Messer zwei Schnitte über das Gesicht — die Stammesmarke — gezogen. Alle Wambugwe ohne Ausnahme tragen diese; sieht man Jemand ohne die charakteristischen Schnitte, so ist er entweder ein Fremder oder er wurde von seiner Mutter nach Empfang besonderer Medizin, die durch den Zauberdoktor verabreicht wird, geboren.
Die Namengebung erfolgt in der Kindheit durch Verwandte und gilt fürs Leben. Nur wenn ein Kind krank wird, nimmt der Zauberdoktor öfter an, dass ein verstorbener Verwandter (besonders der Vater) etwas gegen dasselbe habe. Dann giesst man dem Todten Pombe aufs Grab und das Kind nimmt dessen Namen als zweiten an. Die Beschneidung wird von kundigen Personen bei Männern und Weibern in der Jugend vollzogen; dabei findet ein Trinkgelage statt. Das Reifwerden der Mädchen giebt zu keinen Gebräuchen Anlass.
Sehr merkwürdig, ja unter Mittelafrikanern fast vereinzelt ist das grundsätzliche Fehlen der Vielweiberei. Selbst Häuptlinge haben nur eine Frau, und als Kutadu, der kein Mbugwe, sondern ein Mtaturu ist, dennoch eine zweite nahm, erregte dies allgemeines Aergerniss. [187] Die Brautwerbung geschieht durch Uebersendung eines Rindes an den Vater, wird dieses angenommen, so wird die Hochzeit durch Tanz und Pombegenuss gefeiert. Einen weiteren Brautpreis hat der Bräutigam nicht zu zahlen, ja, es ist üblich, dass der Vater der Tochter Rinder in die Ehe mitgiebt. Tritt Scheidung ein, so muss der Gatte diese dem Schwiegervater zurückgeben, dann können beide Theile wieder heirathen. Der Verführer eines Mädchens muss dem Vater, der einer Frau dem Gatten das etwa geborene Kind überlassen, weitere Streitigkeiten entstehen deshalb nicht.
Heirathen mit Weibern fremder Stämme, wie Wafiomi, Wataturu und besonders Warangi sind nicht selten und tragen dazu bei, den Wambugwe hamitisches Blut zuzuführen. Kindsmord soll niemals vorkommen.
Bei Krankheiten wird der Zauberdoktor gerufen, der Pflanzenmedizin, gewöhnlich Brechmittel eingiebt. In schweren Fällen nennt er die Person, die den Kranken bezaubert hat und die stets gleichen Geschlechts mit diesem ist. Dann pflegen die Verwandten dem Häuptling ein oder mehrere Rinder zu bringen und in nächtlicher Berathung beschliesst dieser mit den Stammesältesten den Zauberer zu tödten. Dieser wird dann meuchlings niedergemacht.
Beim Tode eines Menschen wird der Rath des Zauberdoktors nicht eingeholt. Man schlachtet eine Ziege und reibt mit deren Fett die Augen des Verstorbenen ein, damit sein Geist die neugeborenen Kinder nicht sehe und ihnen durch bösen Blick schade. Hierauf wird die Leiche, wenn ein Mann, auf dem rechten, wenn eine Frau, auf dem linken Arm liegend im Tembe begraben. Nur wer durch eine Speerwunde stirbt wird draussen beerdigt. Beim Leichenschmaus wird der erste Pombeschluck aufs Grab gespien. Dann wird das Tembe ruhig weiter bewohnt.
Erscheint ein Todter im Traume, so wird der Zauberdoktor befragt, der dann meist die Opferung eines schwarzen Stieres fordert, dessen Nabel im Grabe verscharrt wird. —
Wie aus dem Obigem hervorgeht, spielt auch bei den Wambugwe, wie bei allen Bantu der Ahnenkult die erste Rolle. So werden auch Löwe und Elephant als Geister längst Verstorbener angesehen. Ein eigentlicher Gottesbegriff scheint jedoch zu fehlen.
Die Sklaverei ist in Umbugwe unbekannt, ihr kriegerischer Sinn schützt die Wambugwe auch vor Sklavenjagden, welche die Ober-Aruschaner nach diesen Gegenden zu unternehmen pflegen.
Die ursprüngliche Regierungsform ist zweifellos die Familien-Republik, wie sie heute noch im Distrikt Wabwa besteht. Die ungeheure Macht der Zauberdoktoren, sowie die Erblichkeit dieser Würde, liessen dieselben jedoch rasch zu kleinen Herrschern, Häuptlingen, heranwachsen. Von den drei in Umbugwe lebenden Häuptlingen ist nur Mbi ein echter Mbugwe, Mtakayko hat Wataturublut und Kutadu ist ein reiner Mtaturu. Die beiden Letzteren sind die mächtigsten und als Zauberer sehr gefürchtet, ihr reicher Viehbesitz stammt fast nur von Geschenken her, die sie in dieser Eigenschaft bekamen.
[188] Zu ihren Künsten gehört vor Allem das Regenmachen. Dazu nimmt der Zauberer bei hellem Sonnenschein ein schwarzes Kalb und ein schwarzes Schaf, hebt sie auf das Tembedach, schlitzt ihnen den Bauch auf und spritzt den Mageninhalt nach allen Richtungen. Dann giesst er Wasser und Medizin in ein Gefäss; ist der Zauber gelungen, so kocht das Wasser auf und Regen erfolgt. Um Regen zu hindern zieht sich der Zauberer in das Innere des Temberaumes zurück und erhitzt einen Bergkrystall[19] in einer Kalebasse.
Die Macht des Häuptlings ist sehr durch die Aeltesten beschränkt, die in allen wichtigen Angelegenheiten mitzusprechen haben. Zu seinen Vorrechten gehört, dass er die Erlaubniss zum Ernteschnitt giebt; am ersten Tage wird dann auf seinen Feldern geschnitten.
Die Kriege der Wambugwe untereinander sind wenig blutig. Ziegen und Rinder werden dabei niemals fortgetrieben, als Beute gelten nur Hausgeräth und Hühner. Ganz anders freilich wissen sie sich gegen auswärtige Feinde zu vertheidigen. Als mächtiger Kriegszauber wird ein Angehöriger des feindlichen Distriktes abgefangen, getödtet, seine Haut abgezogen und an Armen und Brust getragen. Als Friedenszeichen überreichen die Wambugwe etwas Gras, das sie nach Massaiart vorher bespeien. Ihr gewöhnlicher Gruss ist »Tálala«.
Mord wird durch Blutrache gesühnt. Von Diebstählen werden nur die grösseren dem Häuptling angezeigt. Dieser verbannt dann den Dieb und zieht dessen Eigenthum ein, wobei die Aeltesten etwas, der Bestohlene aber nichts abbekommt. Grundbesitz ist bekannt, das urbar gemachte Land gilt endgiltig als erworben.
Sonne und Mond betrachten die Wambugwe als Brüder, die Sterne als Menschen, deren einer stirbt, wenn eine Sternschnuppe fällt.
Wenn wir das Gesammtbild der Wambugwe betrachten, so finden wir einen körperlich und geistig gesunden, völlig urwüchsigen Stamm, der nach jahrhundertelanger Abgeschlossenheit nun plötzlich mit der Aussenwelt in regen Verkehr tritt. Es ist zweifellos, dass die Veränderungen, welche dessen Lebensgewohnheiten schon in den nächsten Jahren erleiden müssen äusserst tiefgehende sein werden. Mir jedoch, der ich als erster Weisser die Wambugwe in voller Ursprünglichkeit gesehen, der ich ihnen — hoffentlich als letzter Europäer — in blutigem Kampfe gegenüberstand und sie dann aber auch als Freunde kennen lernte; mir scheint es fast sicher, dass dieser Stamm bei kräftiger und doch maassvoller Behandlung zu einem der wichtigsten Kulturelemente Deutsch-Ostafrika's heranzubilden wäre. —
Die Plateaulandschaften südwestlich vom Gurui-Berg, bis gegen Ugogo hin, bewohnt ein anderer Bantu-Stamm, die Wanyaturu, d. i. Leute von Turu. Dieselben leiten ihre Abkunft vom Gurui-Berg her, sind aber jedenfalls schon sehr alte Ansiedler. In vieler Hinsicht weisen sie Aehnlichkeit mit den Waschaschi im östlichen Nyansa-Gebiet, besonders aber mit deren ursprünglichsten Vertretern, [189] den Wakara von Ukara auf. Jedenfalls gehören die Wanyaturu zu den tiefststehenden Bewohnern des abflusslosen Gebietes, was besonders auffällt, wenn man aus dem Innern, aus Unyamwesi kommt, wo die Kulturstufe eine ungleich höhere ist.
Die Wanyaturu sind kräftige, hochgewachsene Leute, ziemlich dunkelfarbig und von recht reinem Negertypus, der im Allgemeinen dem der Wanyamwesi gleicht. (Abb. Taf. 13 und pag. 110.) An Hamiten erinnernde Gesichtszüge sind selten und wohl nur bei Nachkommen eingewanderter Wataturu zu finden. Die Männer gehen vollkommen nackt und scheinen nicht das geringste Schamgefühl zu kennen. Um die Hüften tragen sie zahlreiche, festsitzende Bastschnüre, um die Knöchel Glasperlen oder Lederschnüre. Beide Geschlechter sind beschnitten. Die Männer tragen die Haare meist kurz, manchmal mit einer Feder am Scheitel. Seltener drehen sie kleine Zöpfchen, die sie mit Fett festigen, oder tragen, wie die Wanyairamba, dünne, lange Haarzöpfchen, die nach hinten hängen. Die Weiber tragen Lederlendenschurze und rasiren den Schädel, ältere Leute schlingen manchmal ein Stückchen Zeug um die Hüften.
Die Wanyaturu gelten mit Recht als boshaft. Wildheit und Hass alles Fremden bildet den Grundzug ihres Charakters der durch politische Zerfahrenheit des Landes noch verschärft wird.
Ihre Wohnungen bestehen aus rechtwinkelig angeordneten, etwa brusthohen und ca. 4 m breiten, sehr ärmlichen Temben. Der rechte Winkel ist durch einen innen mit Stachelgestrüpp geschützten niedrigen Zaun von buschigen Euphorbien abgeschnitten, wodurch der dreieckige Viehhof gebildet ist. Manchmal zieht sich eine Euphorbienhecke um einen Komplex solcher Temben. Das Innere der Temben ist in dunkele, räucherige Kammern getheilt, der Boden stellenweise vertieft. Neben den Temben graben sie unterirdische Schutzlöcher, höhlen auch oft Baobabs aus um sich darin zu verbergen.
Der Ackerbau beschränkt sich auf Sorghum und Eleusine. An Hausthieren werden Rinder, Ziegen, Schafe, Esel, Hühner und Hunde gehalten. Sie gewinnen Salz aus dem Singisa-See, welches sie den Wanyamwesi von Ussure verkaufen, sonst verkehren sie fast nur mit den Wassandaui, in deren Land sie öfters auswandern.
[190] Sie benutzen Hacken mit Holzklingen, die jedoch nur zum Umackern der Aussaat dienen. Sonst benutzen sie Eisenhacken aus Unyamwesi. Ihre Waffen sind Speer, Schild, Bogen und Pfeil. Die Speere gleichen jenen der Wambugwe, sind reine Wurfspeere mit eingelassener Spitze, doch mangelhaft angefertigt. Die Schilde sind kreisrunde, schwarze Lederschilde mit einem Buckel in der Mitte. Bogen und Pfeil werden nur von alten Leuten gebraucht. Sehr charakteristisch sind die Stockschilde und Schlagstöcke, die zu Stockgefechten dienen. (Abb. Tafel 13.) Die ersteren sind an einen langen Stock befestigt, die letzteren einfach dicke Prügel, welche die Wanyaturu stets bei sich führen. Die Sitte der Stockkämpfe findet sich auch in Schaschi. An letztere Landschaft erinnert auch ein Saiteninstrument der Wanyaturu.
Die Geburt eines Kindes wird durch Freudengeschrei gefeiert, bei Zwillingen findet ein Fest statt. Die Beschneidung und das Ausbrechen der unteren vorderen Schneidezähne findet bei beiden Geschlechtern im Jugendalter statt. Unverheirathete Kinder schlafen nicht in demselben Raum mit den Eltern. Ein junger Mann, der heirathen will, bringt dem Brautvater Pfeile, werden diese angenommen so wird der Brautpreis — meist 4-6 Ziegen — bestimmt. Die Zahl der Frauen ist unbeschränkt. Will Jemand sich von seiner Frau trennen, so muss der Vater den Brautpreis zurückzahlen, sind Kinder vorhanden so geschieht dies nicht und die Kinder bleiben ihrem Vater. Stirbt die Frau, so ist es üblich, dass deren Verwandte dem Gatten einen Ersatz stellen. Die Feldarbeit wird von beiden Geschlechtern besorgt. In Krankheitsfällen werden Pflanzenmittel zusammen mit dem Fleisch erwürgter Ziegen gegeben. Todte werden kauernd, bedeckt mit frischem Ziegenfell, begraben.
Von einem Gottesbegriff kann kaum die Rede sein, auch hier, wie bei allen Bantu herrscht der Ahnenkultus, bezw. die Furcht vor Geistern, welche Krankheiten hervorrufen sollen. Macht der Geist eines Verstorbenen sich derart unangenehm bemerkbar, so wird der [191] betreffende Leichnam wieder ausgegraben und mit einem Opferschaf neuerdings beerdigt.
Der grösste Tag im Jahr ist das Erntefest, bei dem Tänze und Stockgefechte stattfinden. Dieselben dienen nur zum Vergnügen, obwohl dabei nicht selten Leute schwer verletzt, ja getödtet werden. Die Kämpfer zielen immer hauptsächlich aufs Schienbein.
Eine Gemeindeverfassung oder ein Oberhaupt irgend welcher Art kennt man in Turu nicht; Jedermann ist Herr seiner Familie und thut sonst was er will. Nur Krieg wird durch eine Art Volksversammlung beschlossen, bei welcher Greise das grosse Wort führen, doch giebt es keine Anführer dabei, sondern jeder geht vor, wie es ihm eben einfällt. Trotzdem binden die Wanyaturu mit allen Nachbarn, vorzüglich Ussure und Iramba, stets an, werden jedoch meist zurückgeworfen. Den Massai gegenüber sind sie wehrlos. Ich selbst lernte sie als ein boshaftes, elend feiges Gesindel kennen.
Auch untereinander führen sie öfters Krieg, wobei die Partei, bei der ein Mann fällt, als besiegt gilt. Gefangene Männer werden dabei getödtet, Weiber nicht gefangen genommen. Sklaverei ist im Lande unbekannt, doch verkaufen zur Zeit einer Hungersnoth die Wanyaturu öfters ihre Kinder, und Sklaven dieses Stammes sind in Tabora und Irangi nicht selten und gelten als recht brauchbar.
Die Wanyaturu bilden ein unruhiges, wildes Bevölkerungselement. Alle europäischen Reisenden, von Stanley an, die das Land durchzogen, wurden angegriffen oder doch belästigt, kleine Karawanen wurden ausgeplündert. Nur in Unyanganyi, wo die Wanyamwesi-Ansiedler die Wanyaturu gründlich geschlagen und zu Paaren getrieben haben, sind sie jetzt freundlich und entgegenkommend. Durch solche Ansiedlungen allein könnte auch das übrige Land dauernd pacificirt werden.
Als Nachbarn der Wanyaturu, von diesen jedoch verschieden und nicht mehr der Bantu-Gruppe angehörig, leben die Wassandaui. Dieser kleine Stamm, der von besonderem Interesse ist, bewohnt die rings von Steppen umgebene Landschaft Ussandaui. Irgend welche Tradition einer Einwanderung hat sich bei ihnen nicht erhalten, sie behaupten stets in ihren jetzigen Wohnsitzen gelebt zu haben. Jedenfalls sind sie sehr alte Ansiedler, wie schon ihre Sprache schliessen lässt, die an Schnalzlauten reich und von jenen der umwohnenden Stämme gänzlich verschieden ist.
Mit ihnen nahe verwandt ist das Jägervolk der Wanege oder Watindiga, welche die Steppen zwischen Iraku und Usukuma durchstreifen und nach der Ueberlieferung der Wambugwe vor diesen die Landschaften am Südende des Manyara inne hatten. Die Wanege stellen offenbar den ursprünglicheren Zweig des Stammes dar, während die Wasandaui als angesiedeltes Jägervolk erscheinen.
Dem Körperbau nach sind es mittelgrosse, kräftige und gedrungene Leute von häufig rothbrauner bis kupferrother, seltener dunkler Hautfarbe (Abb. pag. 112). Der Typus ist sehr variabel, neben rein negerhaften sieht man Gesichter die mit schiefgeschlitzten Augen [192] an Hottentotten erinnern, andere, die den hamitischen Typus tragen. Offenbar ist ein Urvolk hier durch Blutmischungen mit Nachbarstämmen verändert worden.
Die Haare werden oft zu kleinen, mit Fettlehm angemachten und roth bemalten Zöpfchen geflochten. Der Körper wird vielfach roth bemalt. Die Männer tragen Bastschnüre und Perlen um den Leib. Zum Unterschied von den Wanyaturu, denen sie im Aeussern sonst nahe stehen, lassen sie vorn ein Zeugfetzchen herabhängen, das an Stelle des früher üblichen Hühnerhalses getreten ist. Die Weiber tragen Lederlendenschurze.
Von Charakter sind die Wassandaui gutmüthig und friedlich, früher sollen sie bösartig gewesen sein, doch sind sie von den Wanyamwesi-Ansiedlern unterworfen worden.
Ihre Wohnungen sind Temben, die jenen der Wanyaturu gleichen, etwa 4 m im Quadrat halten, circa brusthoch und innen vertieft sind und einen Viehplatz einsäumen. Im Innern der Hütte sieht man gut gefertigte grosse Holzschachteln, ähnlich wie in Uha, als Getreidebehälter, ein Gegenstand, dessen Gebrauch vielleicht von den Wanyamwesi eingeführt wurde.
Eine grosse Rolle spielt die Jagd, der die Wassandaui mit besonderem Eifer nachgehen. Sie benutzen dazu Bogen und Pfeile.
An Hausthieren besitzen sie viel Kleinvieh und Esel, sowie auffallend grosse und schöne Hühner. Als Kulturpflanzen dienen Sorghum und Eleusine, welche mit dem Erträgniss der Jagd die Hauptnahrung liefern.
Die Geräthe sind wenig originell und gleichen meist jenen der Wanyaturu. Die Hauptwaffe ist Bogen und Pfeil. Die Bogen sind auffallend stark gekrümmt, die Pfeile besitzen eigenthümlich geformte Holzspitzen. Daneben sind kurze Messer und schwächliche Speere, wohl auch Schilde der Wanyaturu-Form üblich.
Mit der Aussenwelt haben die Wassandaui wenig Verkehr. Am besten noch stehen sie mit den Wanyaturu, deren viele im Lande leben und deren Sprache häufig verstanden wird. Sonst kommen sie mit dem Ausland fast nur durch Vermittlung der Wanyamwesi-Ansiedler in Berührung. Früher wurden sie von allen umwohnenden Stämmen bedrängt und erfreuen sich erst seit Bestehen der Wanyamwesi-Kolonien eines ruhigen Daseins.
TAFEL XXI
Meisenbach, Riffarth & Co. Berlin heliogr.
[193] An Kindern wird die Sitte der Beschneidung vorgenommen, sie findet im November, mit der Aussaat statt. Beim Reifwerden eines Mädchens werden Tänze abgehalten, die mit Gesang, doch stets ohne Trommelbegleitung ausgeführt werden. Die Heirathen werden gewöhnlich nur von den Vätern vereinbart, diese zahlen bezw. empfangen den Brautpreis, der bei Scheidung verfällt. Doch darf die geschiedene Frau niemals wieder heirathen. Vielweiberei ist gestattet, doch selten. Die Heirathen werden fast nur im eigenen Stamme geschlossen.
Bei einem Todesfall glaubt man stets an Zauberei. Derjenige, der sie verübt, wird durch den Zauberdoktor ermittelt und verfällt der Blutrache. Todte werden hockend mit gefalteten Händen, zugleich mit einer Opferziege beerdigt, die der Geist des Verstorbenen verzehren soll. Auch hier herrscht also der Ahnenkult; ein Gottesbegriff soll unbekannt sein.
Eigentliche Häuptlinge giebt es nicht, doch erwerben die Zauberdoktoren, die auch Regen machen, grosses Ansehen. Gegenwärtig sind übrigens die Vorsteher der Wanyamwesi-Kolonien, vor allem Mtoro, die eigentlichen Beherrscher des Landes.
Bei Mord tritt Blutrache ein. Diebstahl kommt vor eine Greisenversammlung, die den Strafpreis bestimmt.
Die vorerwähnten Wanege werden von den Wanyamwesi Watindiga genannt, von den Massai, wie alle Jäger, den Wandorobo beigezählt. Obwohl ich ihr Gebiet mehrmals durchstreifte, habe ich doch niemals etwas von ihnen zu sehen bekommen. Ihre Sprache soll an Schnalzlauten reich und dem Kissandaui verwandt sein. Sie tragen kurze Haare und Armbänder aus Kauri und leben von der Jagd, die sie mit kräftigem Bogen und vergifteten Pfeilen betreiben. Sie sollen Tänze nach der Trommel ausführen. Sie hausen in Grashütten und den Höhlungen der Baobabs und sind so scheu, dass selbst die Makua (Elephantenjäger) sie nur sehr selten zu Gesicht bekommen. Sie nähren sich nur von Wildfleisch und Honig. Einzelne von ihnen sollen in Meatu, andere in Iramba angesiedelt sein. Ihre Zahl ist jedenfalls nur sehr gering.
Wenn wir die Völker der abflusslosen Gebiete überblicken, so finden wir eine erstaunliche ethnische und sprachliche Mannigfaltigkeit, wie solche im dunkeln Welttheil auf beschränktem Raume selten ist. Ein Beispiel, wie verschieden die Sprachen sind, die in diesen Ländern gesprochen werden, mögen die Zahlwörter von 1 bis 10 der verschiedenen Völker in der Umgebung Irangi's geben.
Kirangi- Kimbugwe | Kifiomi | Tatoga (Kitaturu) | Kisandaui | Massai | Ndorobo | |
1 | munti | naka | aki | tzeχe | nabo | napu |
2 | ere | sare | iyeni | kisoχe | are | enya |
3 | satu | tamu | samak | somekeχ | uni | uni |
4 | inya | sia | angwan | hakaχ | ungwan | ongwan |
5 | tano | kowan | mut | kwanaχ | umiet | mot |
6 | asatu | laho | la | dandatzeχe | ille | lei |
7 | fagate | faangu | isukwa | " kisoχe | nawishana | onar |
8 | nana | dagnat | siss | " somekeχ | issiet | sissie |
9 | kenda | gwelel | segäs | " hakaχ | ndoroi | naudó |
10 | kumi | miba | taman | " kum | tomon | gaget |
[194] Als Urbewohner der abflusslosen Gebiete kann man wohl jenen niedrigstehenden Jägerstamm der Wanege betrachten, von dem ein Zweig als Wassandaui sesshaft geworden ist. Wie weit dieser Stamm mit seiner an Schnalzlauten reichen Sprache der Buschmann-Gruppe oder den Pygmäen Centralafrika's verwandt ist, mögen künftige Forschungen lehren. In jedenfalls schon sehr früher Zeit wanderten die Wafiomi, ein hamitischer Stamm, aus dem Norden ein. In ihrer Sprache vollkommen selbstständig und, von den Massai verschieden, bilden sie mit den Stämmen von Nandi, Lumbwa und Kamassia eine Gruppe ackerbautreibender Völker. Eine sehr alte Einwanderung bildeten jedenfalls auch die Wanyaturu und Wanyairamba, Bantuvölker, die durch die Waschaschi mit der grossen Gruppe der Nyansa- (Zwischenseen-) Völker zusammenhängen und von Nord nach Süd drängen. In umgekehrter Richtung erfolgte die Einwanderung der Wagogo-Völker, jener Bantu-Gruppe, die als Wagogo, Warangi und Wambugwe ein ziemlich einheitliches Gepräge besitzt und unwillkürlich auf eine südafrikanische Herkunft schliessen lässt. Mit ihnen zugleich, vielleicht auch schon früher, treten erst die Wataturu (Tatoga), dann die Massai als räuberische, von Nord nach Süd drängende Hirten von hamitischer Physis auf. Ihre Sprache steht derjenigen der Bari am obern Nil am nächsten, welche ihrerseits wieder ein Abkömmling der hamitischen Sprachen ist. Die Annahme, dass die Massaistämme vom Nil herkommen, scheint daher nicht nothwendig. Die Vermuthung liegt vielmehr nahe, dass die Massai sich schon in der Urheimath von den Bari trennten und ihre hamitische Physis reiner erhalten konnten als die Bari, die mitten unter Negerstämmen starker Blutmischung ausgesetzt waren.
Es ist begreiflich, dass so nahe beisammen wohnende verschiedene Völker sich weder sprachlich noch ethnisch rein erhalten können. Die Viehnomaden in ihren isolirten Stellungen vermögen das noch am ehesten, bei den Ackerbauern wirken Zwischenheirathen jedoch nivellirend. Es scheint zweifellos, dass die Bantustämme in diesem Kampfe den Sieg davon tragen werden, und besonders die langsame, aber ständige Wanyamwesi-Einwanderung dürfte hier entscheidend wirken.
In seinem gegenwärtigen Zustande ist das abflusslose Gebiet Deutsch-Ostafrika's zweifellos ethnographisch eines der interessantesten des Kontinents. Die Steppen, welche die bewohnten Gebiete umschliessen und die durch kriegerische Nomaden nahezu unpassirbar gemacht wurden, hatten eine isolirende Wirkung und ferne von dem Getriebe der Karawanenstrassen konnten die Volksstämme [195] sich in seltener Ursprünglichkeit erhalten. Hier hausen die räthselhaften Wanege, die, scheuer als das Wild der Steppe, noch von keines Europäers Auge geschaut wurden, die Wassandaui mit ihrer an Schnalzlauten reichen Sprache, hier entwickeln mehrere Bantustämme ein primitives eigenartiges Volksleben. In den Wataturu finden wir einen versprengten Zweig der Hamiten mit nilotischer Sprache und daneben, in den Wafiomi, physisch und sprachlich reine Hamiten. Gerade die letzteren nehmen unser Interesse besonders in Anspruch, da sie wahrscheinlich einen der ältesten Zweige des hamitischen Stammes darstellen.
Nach den Ergebnissen der Forschung ist der Ursprung der Hamiten in Asien zu suchen, von wo sie vor der Einwanderung der alten Egypter nach Afrika zogen. Das Volk der Pharaonen trat 5000 Jahre vor Christi mit einem Kulturzustand in die Geschichte ein, der bereits auf eine uralte Entwickelung im Nilthale schliessen lässt. Vor wie vielen Jahrtausenden mag also die Einwanderung der Egypter aus Asien erfolgt sein, in welch' grauer Vorzeit mögen erst ihre Vorläufer, die Hamiten und gar deren äusserste Zweige, die Fuebe einerseits, die Wafiomi andererseits, die grosse Völkerbrücke am rothen Meere überschritten haben?!
Die Waschaschi. — Die Watussi. — Die Wasinja. — Die Warundi. — Die Wanyamwesi.
[196] Im Gegensatz zum abflusslosen Gebiet, in welchem der Steppen-Charakter vielfach vorherrscht, bieten die Länder der Nilquellen menschlicher Ansiedelung ziemlich günstige Bedingungen. Dieselben sind auch für afrikanische Verhältnisse dicht bewohnt, und nirgends trifft man dort so ausgedehnte menschenleere Striche wie im Massai-Land. Die Völker, welche hier in Betracht kommen, gehören sprachlich sämmtlich der Bantu-Gruppe an. Anthropologisch freilich wird man auch hier eine Gliederung in Hamiten und Neger aufstellen müssen, welch' erstere durch den Hirtenstamm der Watussi oder Wahuma vertreten sind.
Aus dem abflusslosen Gebiet nach den ersten Nilzuflüssen kommend, treffen wir den Stamm der Waschaschi. Derselbe dürfte ursprünglich den Wasinja verwandt gewesen sein, wenigstens ist die Sprache, das Kischaschi, vom Kisinja nur dialektisch verschieden. Gegenwärtig weichen die Waschaschi ethnographisch stark von den Wasinja ab. Besonders in den östlichen und nördlichen Grenzgebieten haben die Waschaschi starke Beimischungen von hamitischem (Massai und Wataturu) und nilotischem (Kavirondo) Blut erlitten und sich dadurch abweichend entwickelt. Im Süden dagegen brachte der fortwährende Verkehr mit den Wanyamwesi (Wasukuma) eine Annäherung an diese hervor.
[197] Wir verstehen hier unter Waschaschi jene östlichen Nyansavölker, die ethnographisch ein einheitliches Ganzes bilden, in einzelnen Zügen allerdings von einander abweichen und sich in verschiedene Stämme gliedern.
Im Norden hausen die Wangoroïne, die stark mit Wakuavi- und Kavirondo-Blut vermischt sind. An diese schliessen sich südlich die Waschaschi im engeren Sinne, die das Hinterland des Nyansa bewohnen und nur in Katoto dessen Küste erreichen. Ihnen sehr nahe stehend, doch stark mit Massai-Blut gemischt, sind die Bewohner von Ikoma oder Elmarau. Die Waruri und Wakwaya am Nyansa sind auch nichts Anderes als Waschaschi, wie aus Sprache und Lebensweise deutlich hervorgeht. Die Waruri sind stark mit Wagaya (Kavirondo) gemischt, welche bereits der nilotischen Gruppe angehören, die Wakwaya aber ziemlich rein. Ihr Zweigstamm, die Wakara der Insel Ukara, haben sich zwar im Aeusseren und Wesen sehr ursprünglich erhalten, sind aber jedenfalls durch Zwischenheirathen mit Wakerewe (Wasinja) gemischt.
Wo Waschaschi noch ihren eigentlichen Charakter bewahrt haben, zeigen sie überraschende Analogien mit den Wanyaturu des Distrikts Turu, sodass man unwillkürlich auf den Gedanken kommt, dass beide Völker — etwa mit den Wanyairamba — einer Quelle entsprungen sind.
Von einem einheitlichen körperlichen Typus kann bei den Waschaschi, die so vielen Blutmischungen ausgesetzt waren, kaum die Rede sein. Im Norden und Osten sieht man viele Anklänge an den hamitischen Typus, im Süden ist die untersetzte, negerhafte Körperform der Wanyamwesi vorherrschend. In Ikiju und bis Uaschi hin, sowie in Majita und Ururi, leben hochgewachsene, sehr kräftige und schlanke Waschaschi mit dunkelbrauner Hautfarbe, nicht allzu scharfem Negertypus und freundlichem Gesichtsausdruck. Alle Waschaschi sind beschnitten und stehen damit im Gegensatz zu den Wasinja und Wanyamwesi. In vielen Gegenden werden die vordersten oberen Schneidezähne dreieckförmig ausgesplittert, bei den Waruri die ganzen Schneidezähne des Oberkiefers spitz gemacht, eine Sitte, die jedoch den Wagaya entlehnt ist. Das Ohrläppchen wird überall durchbohrt und lang ausgedehnt, in der Oeffnung werden ovale Holzscheiben getragen. Daneben findet auch der Massai-Ohrschmuck und die Messingspirale der Wasukuma Eingang.
Das Haar wird meist kurz getragen und rund um den Kopf abrasirt, oft auch über der Stirn dreieckförmig ausrasirt. Die Wakwaya rasiren das ganze Vorderhaupt ab und flechten das Haar am Hinterkopf in Zöpfchen. In Ikoma und den Nachbargebieten bis Ururi hin, wird das Haar vielfach in Zöpfchen gedreht und mit rothem Lehm und Fett angemacht, der Haarrand jedoch stets rund ausrasirt.
Die ursprüngliche Kleidung sämmtlicher Waschaschi-Männer besteht aus einer Anzahl um den Leib gewundener Bastschnüre, gleicht also völlig jener der Wanyaturu. Bei Knaben ist diese Tracht fast überall noch üblich. Junge Männer tragen in Ikoma, Ngoroïne und bis Ururi hin den Massai-Ueberwurf, der niemals die Schamtheile bedeckt. [198] In Ikiju, Katoto und Ukwaya wird ein kleineres Fellschürzchen getragen. Die Wakara ziehen die Schnur zwischen den Beinen durch und lassen vorn ein Leder- oder Zeugschürzchen herabhängen. Aeltere Männer tragen überall längere Felle, die oft schön gegerbt sind. Die Weiber kleiden sich mit einem oft vielgefalteten Lendenschurz aus Leder, der bei festlichen Gelegenheiten mit Schnüren und Klapperfrüchten besetzt ist. Beide Geschlechter pflegen sich roth zu bemalen. Als Kopfschmuck dient den Kriegern in Ngoroïne eine Bastschnur, von welcher Fransen aus weissem oder rothem Bast, Federn oder Käferflügel herabhängen. Um den Hals tragen beide Geschlechter Glas- oder Eisenperlen, sowie den weitverbreiteten eigenartigen Schmuck, der aus Strausseneischeibchen gebildet wird. Am Oberarm sitzt ein Bastring, am Unterarm breite Elfenbeinringe, die oft ganze Manschetten bilden. Unter dem Knie pflegen Weiber ebenfalls einen Bastring zu tragen. Letztere schmücken sich in vielen Gegenden auch mit Armringen aus Eisen. Beim Tanz pflegen die jungen Krieger grosse Schellen an den Beinen zu tragen. An einer Schnur hängend wird oft ein eiserner Kratzer am Rücken getragen. Ein merkwürdiger Schmuck ist ein mit einem Messer versehener Fingerring.
Der Charakter aller Schaschi-Stämme ist ein friedlich gutmüthiger und für Schwarze äusserst liebenswürdiger. Sie sind nichts weniger als kriegerisch und ihren Erbfeinden, den Massai, in keiner Weise gewachsen. Eine Ausnahme bilden die Wakara, die von erstaunlicher Wildheit und Abneigung gegen alles Fremde sind und darin völlig den Wanyaturu gleichen.
Das Leben der Waschaschi dreht sich um den Ackerbau, dem sie mit grossem Eifer und Geschick nachgehen. In Ikoma und Ngoroïne liefert die Eleusine (Kisw. wimbi) die Hauptnahrung, in Uhemba, Uaschi, Ikiju und den Nachbarländern jedoch die Grundnuss, Arachis hypogaea. Soviel mir bekannt, giebt es keine andere Gegend, wo dieses weitverbreitete Gewächs als Hauptnahrung dient. In den Gegenden, wo, wie in Uhemba, fast nichts als Arachis zu haben ist, litten meine Leute vielfach an Magenbeschwerden, die Waschaschi fühlten sich jedoch ganz wohl dabei. Sonst baut man noch Sorghum der rothen Varietät, Mais, Penicillaria, Sesam, Kürbisse, Gurken, Maniok, süsse Kartoffeln, Tabak (besonders in Ukwaya), im Süden auch Hanf. Die Banane ist allen Waschaschi unbekannt, selbst die Wakara pflanzen nur Sorghum und Arachis, obwohl im benachbarten Ukerewe Bananen die Hauptnahrung bilden. Dagegen betreiben sie eine sehr eigenthümliche Kultur, welche durch ihre insulare Lage veranlasst wird. Sie bauen nämlich eine Art Laubbäume als Futterpflanzen für das [199] Vieh; dieselben stehen in förmlichen Alleen. Das Laub wird abgeerntet und in kegelförmigen Schobern getrocknet (Abb. pag. 50). Dadurch sind sie in der Lage, grosse Rinderheerden von kleinem Zebuvieh zu halten, obwohl ihre Insel keine Weideplätze bietet. Im Uebrigen ist von Rindvieh bei den Waschaschi nicht viel zu sehen; ausser bei den Wakara und den Bewohnern der Inseln des Baumann-Golfes trifft man kaum irgendwo welches an, da es den Massai und früher wohl auch den Wataturu zur Beute gefallen ist. Dagegen findet man Ziegen und Schafe und sehr viele Hühner, aber keine Esel und sehr wenig Hunde.
Alle Waschaschi jagen eifrig mit Bogen und Pfeil und betreiben, wo sich grössere Gewässer befinden, Fischfang. Besonders die Bewohner des Nyansaufers in Katoto, wo der See ungemein fischreich ist, betreiben Fischerei im Grossen mit Reusen, Netzen und grossen Angeln (Abb. pag. 40) und jagen das Flusspferd mit der Harpune. Die Kanus sind schlechte Nachahmungen der Wakerewe-Fahrzeuge. Sie pflegen die Fische auf Gestellen zu trocknen und nach Usukuma zu verkaufen. Doch auch die Bewohner von Ikoma fischen eifrig mächtige Welse im Grumeti und Rubana.
Die Hauptnahrung der Waschaschi liefern die Produkte des Ackerbaues, in Katoto der Fischfang. Der Genuss von Hühnereiern gilt als ekelhaft. Tabak wird von Männern und Weibern aus schönen langen Pfeifen mit Thon- und Steinköpfen geraucht. In Ngoroïne wird auch viel geschnupft, eine Sitte, die wohl den Wakuavi entlehnt ist. Zum Aufbewahren des Schnupftabaks dienen hübsche Kalebassen, die im [200] erweiterten Ohrläppchen getragen werden. Pombebereitung aus Sorghum ist üblich und besonders in Ukara beliebt. Honig wird genossen, ist jedoch besonders da, wo die Dörfer mit Euphorbienhecken umgeben sind, oft gesundheitsschädlich.
Die Hütten der Waschaschi haben das Gemeinsame, dass sie cylindrische Lehmwände und ein Kegeldach besitzen, sich also mehr dem Unyamwesi-Typus nähern. Die einzige Ausnahme bilden die Wakara, die den reinen Grashüttentypus mit spitzer Anlage den Wakerewe (Wasinja) entlehnt haben (Abb. pag. 50).
In Ikoma und Ngoroïne, wo die Hütten selten viel über 4-5 m hoch sind, haben sie einen Mittelpfahl, sonst fehlt dieser. Die grössten und schönsten Hütten mit bis 12 m Durchmesser haben die Wakwaya von Majita. Die Wände sind hier aussen von Schilf und nur innen mit Lehm verputzt. Die Hütten sind in kleine Komplexe gruppirt, deren jeder den umstehend schematisch gezeichneten Grundriss und eine buschige Euphorbienhecke besitzt, welche die Hütten untereinander verbindet. Jede Hütte hat zwei Eingänge, deren einer (a) von Aussen hineinführt, eine Steinschwelle besitzt und nur für Menschen bestimmt ist, während der zweite (b) keine Schwelle hat, in den Hof führt und dem Vieh als Eingang dient. Eine Geflechtwand trennt den Vorraum vom Wohnraum, in dem die primitive Bettstelle sich befindet. Der Dachraum ist durch ein Stangendach abgeschlossen, auf welchem Feuerholz, Fisch- und Ackergeräth liegt. Als normale Hütten dienen cylindrische Korbgeflechte mit Grasdach, die auf Pfählen stehen und grosse im Innern der Hütte befindliche flaschenförmige Körbe.
In Uaschi und Ngoroïne ist der zweite Ausgang der Hütte so niedrig, dass man nur tief gebückt eintreten kann. Besonders in Gebirgsgegenden können die Komplexe nicht regelmässig kreisförmig angelegt werden, greifen ineinander über und bilden ein förmliches Labyrinth. In manchen Gegenden ist um mehrere Komplexe eine grössere Euphorbienhecke gezogen, die derart ein Dorf umschliesst. Um die Dörfer von Ngoroïne zieht sich eine feste etwa 2 m hohe steinerne Trockenmauer, auf welcher Dorngestrüpp liegt, hinter der die hohe Euphorbienhecke sich hinzieht. Diese im tropischen Afrika sehr seltene Befestigungsart durch Steinmauern findet sich auch in Lumbwa und Sotik und ist möglicherweise vom Norden übernommen. In den Gegenden, wo einzelnstehende steile Granithügel aufragen, bauen sich die Waschaschi in diese hinein und benutzen die höchsten Felskuppen als Warten, von welchen sie nach etwaigen Feinden auslugen. Als Schutz vor bösen Geistern dienen Dorfamulette die in den Boden gesteckt werden.
Die Geräthe der Waschaschi sind einfach, doch nicht ohne ein gewisses Geschick gefertigt. Die ursprüngliche Hacke ist offenbar die mit Holzklinge, wie sie sich heute noch in Ukara findet und dort völlig der Holzhacke der Wanyaturu gleicht. Sonst hat fast überall die Usinja-Hacke durch Wasukuma-Händler Eingang gefunden. Doch wird dieselbe an ein Knieholz angebunden, wie an der kleinen Eisenhacke ersichtlich. Als Kopfpolster dienen kleine [201] Holzgestelle. Korbflechtereien werden sehr fest und wasserdicht angefertigt. Zum Abkratzen der Häute, die gegerbt werden sollen, dient ein eigenes, umstehend abgebildetes Instrument.
[202] Die Schilde sind vergrösserte, aber schlechte Nachahmungen der Massai-Schilde. Schwerter und Keule sind selten und rein den Massai entlehnt.
Ursprünglich dagegen sind die Schlagstöcke und Stockschilde. Erstere führen die Waschaschi immer bei sich. Letztere sind weniger breit, aber ebenso geformt wie die der Wanyaturu. Eine abweichende Art von Schlagschilden haben die Wangoroïne. Dieselben werden bei Stockkämpfen benutzt, die zu den Volksbelustigungen gehören. Diese eigenthümlichen Stockkämpfe mit besonderen Schilden scheinen mir ein besonderer Beweis für den ursprünglichen Zusammenhang mit den Wanyaturu zu sein. Eine weitere Analogie mit diesen bietet die rein republikanische Regierungsform der Waschaschi. Häuptlinge sind gänzlich unbekannt, die Streitfragen in der Gemeinde werden von Aeltesten entschieden. Ihre Todten begraben die Waschaschi und legen dann Bastleibschnüre auf das Grab.
Ihre Sprache ist, wie oben erwähnt, nur dialektisch vom Kisinja (Kinyoro) verschieden, so dass Leute, welche die letztere Sprache reden, sich in Schaschi ohne Schwierigkeit verständlich machen können. Die einzelnen Dialekte der Waschaschi-Stämme weichen nur sehr wenig von einander ab. Von Ikoma bis Nata einerseits und Katoto andererseits wird der reinste Dialekt gesprochen. Die Sprache von Ngoroïne ist vielfach mit Massai-Elementen vermischt. Wakwaya (Majita) und Wakara reden denselben Dialekt.
Paukenartige Trommeln sah ich bei den Wakara. In Ngoroïne kennt man eine Leier, die völlig jener der Sudan-Neger gleicht (Abb. pag. 57), und Flöten. Letztere werden so häufig und zu so besonderen Gelegenheiten geblasen, dass ich unwillkürlich an das Bestehen einer Signal-Sprache dachte. Ein anderes Saiteninstrument ist bei allen Waschaschi, sowie in ähnlicher Form bei den Wanyaturu und den Völkern westlich vom Victoria-See bis zum Tanganyika gebräuchlich. Als Kriegstrompeten dienen Antilopenhörner. Der Tanz besteht hauptsächlich in Bewegungen des Unterleibes.
Die Hauptwaffen der Waschaschi sind Bogen und Pfeil. Erstere sind kräftig, letztere fast immer vergiftet. In Ukara hat sich die ursprüngliche Pfeilform mit harten Holzspitzen erhalten, solche [203] findet man sonst nur in Majita, die übrigen Waschaschi haben Pfeile mit Eisenspitzen, die sie in Leder-Köchern tragen. Das Pfeilgift, eine schwarze Masse, wird in Holzbehältern verwahrt. Auch andere Stämme beziehen Pfeilgift von den Waschaschi. Speere sind immer anderen Stämmen entlehnt. So findet man im Norden den langen Kavirondo-Speer mit kurzer, oft widerhakiger Spitze, im Süden den modernen Wasukuma-Speer mit übergreifender Zwinge. Auch Massai-Speere werden manchmal getragen. Die alte Form der Wataturu-Lanzen ist als Paradewaffe beliebt.
Wenn also sprachlich zwischen den Waschaschi und Wasinja eine grosse Aehnlichkeit besteht, die möglicherweise auf gemeinsamen Ursprung deutet, so haben sich diese beiden Stämme, durch den Keil der Wanyamwesi (Wasukuma) getrennt und sehr verschiedenen Einwirkungen ausgesetzt, so verschieden entwickelt, dass sie heute kaum mehr einen Zusammenhang ahnen lassen.
Unter Wasinja verstehen wir hier die Bewohner des alten Königreiches Usinja, welches die heutige Landschaft dieses Namens, ferner Ussambiro und Ussui umfasste. Doch sind die Bewohner des westlichen Nyansaufers bis zur Grenze von Uganda, sowie jene von Karagwe, Ankole und den nördlichen Landschaften bis Unyoro hin gleicher Sprache und wohl auch gleichen Stammes mit den Wasinja.
Die genannten Landschaften gehören mit Uganda einerseits und Urundi, Uha und Ruanda andererseits jener Gruppe von Bantu-Völkern an, welche durch das Eindringen eines nördlichen, hamitischen Elementes aufs Tiefste beeinflusst wurden, so dass es unmöglich erscheint, von ihnen zu sprechen, ohne vorerst die heutigen Vertreter dieses hamitischen Elementes, die Watussi, erwähnt zu haben. Dieselben werden, besonders wo sie nicht als Hirten, sondern als Herrscher auftreten, auch Wahima oder Wahuma genannt. Da jedoch derselbe Ausdruck in vielen Gegenden auch die Massai bezeichnet, da ferner die Leute selbst sich stets Watussi nennen, so möchte ich die Beibehaltung dieses Namens vorschlagen.
Ueber die, jedenfalls seit undenklichen Zeiten ansässige Bantu-Ackerbaubevölkerung, welche in die drei Hauptgruppen Waganda, Wanyoro (Wasinja) und Warundi gegliedert ist, ergoss sich vor vielen Jahrhunderten ein Einwandererstrom von hamitischen Hirten, die Süd-Abessinien oder den nördlichen Galla-Ländern entstammten. Dass sie wirklich aus diesen Gegenden herkamen, beweist nicht nur ihr körperlicher Typus, den sie in vielen Gegenden bis zum heutigen Tage rein erhalten, sondern auch die Rinderrasse, welche sie mitgebracht. Dass die Einwanderung eine alte, und der Zeitpunkt, als dieselbe erfolgte, mindestens ein Jahrtausend zurückliegt, dafür zeugen nicht nur die Genealogien der Watussi-Herrschergeschlechter, welche von Uganda und anderen Ländern überliefert werden, sondern vor Allem [204] auch die fast gänzliche Umwandelung, welche das Volk der Watussi erlitten hat. Denn jedenfalls waren sie Anfangs ein sprachlich und ethnographisch selbständiges Volk, wie heute die Massai, doch finden wir, dass gegenwärtig alle Watussi die Bantusprache der Ackerbauer angenommen haben und sich auch in Tracht und Lebensweise nur wenig von diesen unterscheiden. Wohl mag es sein, dass einzelne Zweige der Watussi noch Spuren der Ursprache erhalten haben — wie von den Hirten in Uganda behauptet wird —, doch ist darüber noch nichts sicheres bekannt.
Die heute lebenden Watussi finden sich als Hirten oder als Häuptlinge der Ackerbauer. Die ersteren haben sich reiner und ursprünglicher erhalten, die letzteren sind nur durch ihren Typus als Watussi erkennbar. In meinem Forschungsgebiet traf ich Watussi-Hirten in geschlossenen Massen in den Gebirgen nordöstlich vom Tanganyika. Als Hirten-Adel sind sie in ganz Urundi, als herrschende Klasse in Ruanda zu treffen. Auch in Urambo, Unyanyembe und anderen Gegenden Unyamwesi's findet man Watussi-Hirten die aus Urundi stammen und vor mehreren Generationen von dort ausgewandert sind. Nur wenige Hirten haben sich in Usinja und Ussui erhalten. Dort jedoch, wie in Ukerewe, tragen die Häuptlinge deutlichen Watussi-Typus und ist überhaupt eine starke, hamitische Blutmischung in der Bevölkerung unverkennbar. Die reinsten Watussi sind jene von Ruanda und Urundi, wo sie grundsätzlich keine Mischheirathen mit den Ackerbauern eingehen, weshalb diese auch nichts vom Watussi-Typus angenommen haben. Dieser ist so auffallend, dass man einen Mtussi sofort aus einer Menge erkennt, obwohl er in Tracht und Schmuck in keiner Weise von den Ackerbauern abweicht.
Da, wo sie vollkommen rein sind, zeigen die Watussi den hamitischen Typus in weit grösserer Deutlichkeit als die Massai und gleichen völlig den Galla und Abessiniern, mit schmalen Nasen, feinen, regelmässigen Zügen und sprechenden Augen. Sie sind hochgewachsen, zur Magerkeit neigend und besitzen ungemein zierliche, schön geformte Extremitäten. Letztere sind besonders charakteristisch. Selbst in Gegenden, wo die Watussi-Herrscher stark mit Bantublut vermischt sind, erkennt man sie ohne Schwierigkeiten an ihren Händen und Füssen, die bei oft vollkommen negerhaften Gesichtszügen doch deutlich den Watussi-Charakter zeigen. Die Ohren sind wohlgeformt, doch nicht selten grösser als bei den Ackerbauern. Beschneidung ist nicht üblich. Das Haar ist stets kraus, negerhaft, nirgends fand ich das bei Massai so häufige halbglatte »Hamitenhaar«, eine Eigenthümlichkeit, die übrigens auch den Galla vielfach anhaftet, während das Hamitenhaar mehr bei Somali und Abessiniern vorkommt. Uebrigens fand Stuhlmann bei nördlicher lebenden Watussi Hamitenhaare. Wie gross die Aehnlichkeit der Watussi mit den Galla ist, mag man daran erkennen, dass einer meiner Soldaten, ein Arussi-Galla, von den Leuten überall für einen Mtussi gehalten wurde.
[205] Die Hautfarbe der Watussi variirt sehr. In Usukuma, überhaupt in Unyamwesi, sind sie meist dunkel, doch könnte man dies Blutmischungen zuschreiben, während solche in Ruanda und den Urundi-Gebirgen nahezu ausgeschlossen sind. Aber auch dort findet man neben angenehm lichtbraunen, dunkle und schwarzbraune Leute, wie denn überhaupt bei dunkelfarbigen Rassen die Hautfarbe mit dem Wohnsitz und der Lebensweise variirt und nur der Typus konstant bleibt.[20] Ob es, wie behauptet wird, auch »weisse«, d. h. sehr lichtfarbige Watussi giebt, ist mir nicht bekannt, doch halte ich dies nicht für unmöglich. Giebt es doch unter den Abessiniern und Galla, besonders unter Weibern, neben sehr dunkelfarbigen auch solche Individuen, welche kaum einen leichten Farbenton erkennen lassen, wie ich selbst mich in Massaua überzeugt habe.
Während der Watussi-Typus in der Jugend etwas anziehend freundliches hat, wird er im Alter scharf, zigeunerartig. Die Bantu-Bevölkerung nennen die Watussi in Urundi und Ruanda »Wahutu«, ein Ausdruck der »Unterworfene« bedeutet und mit den Wauddu der Waganda-Watussi identisch ist, nach welchen die Landschaft Uddu (Buddu) benannt ist. Ueberall jedoch schliessen sich die Watussi diesen Wahutu in Sprache und Tracht an. Die Watussi in Urundi, Ruanda und Unyamwesi sprechen Kirundi, die in Usukuma und Usinja Kisinja (Kinyoro). Die Annahme Stuhlmanns, dass die Watussi (Wahuma) ihre ursprüngliche hamitische Sprache in Unyoro verlernt und das Kinyoro angenommen haben, um sodann die letztere Sprache den sämmtlichen Völkern des Zwischenseengebietes beizubringen, scheint mir allzuweit hergeholt. Sie wird auch durch die Thatsache widerlegt, dass die Völker des östlichen Nyansagebietes, die nie mit Watussi in Berührung kamen, ebenfalls Kinyoro, oder doch sehr nahe verwandte Dialekte sprechen. Die Annahme scheint mir weit näher zu liegen, dass die Bantu-Sprachgebiete zur Zeit des Einbruches der Watussi bereits annähernd in der heutigen Form vorhanden waren und dass die numerisch schwächeren Hamiten sich die Sprache der jeweiligen Ackerbauer aneigneten, ein Fall, der in der Völkergeschichte mehrmals vorkam. So wird es auch erklärlich, warum die Wahuma in Uganda Kiganda und nicht Kinyoro sprechen, während Stuhlmann zur Erklärung dieses, eine andere Hamiten-Einwanderung annehmen muss.
Der Charakter der Watussi-Hirten ist ein kriegerischer, herrschsüchtiger. An Tapferkeit übertreffen sie die Massai die durch wilden Kriegsschmuck wirken wollen, während die Watussi in gewöhnlicher Tracht und mit schlechten Waffen ungemein kühn angreifen und sich selbst durch Misserfolg nicht abschrecken lassen. Doch treten diese Eigenschaften nur in Urundi und Ruanda zu Tage, in Unyamwesi sind sie friedliche Hirten, die froh sind wenn Wangoni und Massai ihnen ihr Vieh lassen.
[206] Nirgends mehr findet man nomadisirende Watussi, alle haben ständige Wohnsitze und erbauen sich Hütten im Kirundi-Styl, doch schlechter angelegt und unreinlicher gehalten. Die kleinen Dörfer sind mit Bambus- und Stangenzäunen umgeben, deren Zwischenräume mit Dorngestrüpp und Disteln angefüllt werden, die eigens zu diesem Zwecke angepflanzt werden. Die Bananenhaine, welche den Warundi-Dörfern ein so freundliches Aussehen geben, fehlen den Watussi stets, so dass man ein Watussi-Dorf schon von Weitem erkennt.
Neben den Dörfern haben sie kleine, aber gut gehaltene Felder vortrefflicher Erbsen und Bohnen, welche diesen Gegenden eigenthümlich sind. Manchmal bauen sie wohl auch etwas Kürbisse. Die Hauptnahrung liefert jedoch die Viehzucht. Sie halten bedeutende Heerden der grossgehörnten Rinderrasse, die in allen Ländern westlich vom Victoria-See vorkommt, während östlich von diesem nur das typische Zeburind lebt. Diese Rinderrasse (Abb. pag. 85), welche auffallend dem abessinischen Sanga gleicht, hat nur einen leichten Buckelansatz, ist verschieden, aber vorherrschend braun gefärbt, grösser und schlanker als das Zeburind. Das merkwürdigste sind die Hörner, die zu dem kleinen Kopf in gar keinem Verhältniss stehen und den Thieren wirklich eine Last sein müssen. Oft ist ein Horn schwerer als das andere, in welchem Falle das Thier den Kopf nicht gerade halten kann. Die Rinder, die am Plateau von Urundi leben, sind derart den wasserreichen, kühlen Gebirgsländern angepasst, dass sie in trockenen Gegenden sofort eingehen. Sie sind wenig milchreich; ihr Fleisch schmeckt schlechter als das der Zeburinder.
Es scheint mir zweifellos, dass diese höchst charakteristische Rinderrasse von den Watussi aus ihrer Urheimath eingeführt wurde. Wahrscheinlich fanden sie in den Gegenden westlich vom Nyansa gar keine Rinder vor und konnten daher die eingeführte Rasse in voller Reinheit fortzüchten. Diese wurde dann auch von den Ackerbauern übernommen. Es könnte Wunder nehmen, dass die Massai, die doch eine viel jüngere Einwanderung bilden, keinerlei charakteristische Rinderrasse mehr erhalten haben. Doch brachen diese in sehr rinderreiche Gegenden räuberisch ein, eigneten sich grosse Heerden Zeburinder an und es musste daher, selbst wenn sie eine ursprünglich abweichende Rasse besassen, diese bald in der ungeheuren Ueberzahl der Zeburinder aufgehen. Dass dies auch bei den Watussi in überraschend kurzer Zeit möglich, zeigen die Watussi-Heerden in Unyamwesi. Die dortigen Ansiedler, die vor Menschengedenken aus Urundi einwanderten und noch Kirundi sprechen, brachten zweifellos das Watussi-Rind mit sich. Da dasselbe jedoch, durch lange Anpassung an wasserreiche Plateaus, das Tieflandklima schlecht vertrug, nahmen sie immer mehr Zebus auf, die heute die Hauptstärke der Heerden bilden.
Die Watussi widmen ihren Rindern sehr grosse Sorgfalt und bringen sie Nachts oft in den Hütten unter. In Gegenden, wo die Gewässer von Papyrus erfüllt sind, lassen sie die Rinder nicht direkt daraus trinken, sondern schöpfen mühsam Wasser in eigene Lehmgruben.
[207] An charakteristischen Geräthen konnte ich bei den Watussi nur drei auffinden, die allen gemeinsam eigen sind: Einen hölzernen Milchtopf, der an einem Schnurnetz aufgehängt wird, ein Instrument zum Aushöhlen dieses Topfes und einen stumpfen Pfeil zum Aderlassen der Rinder. Letzterer findet sich auch bei den Massai. Sonst sind alle Geräthe den umwohnenden Völkern entlehnt.
Was die ursprüngliche Waffe der Watussi war, erscheint zweifelhaft. In Urundi, Ruanda und Unyamwesi brauchen sie heute fast nur Bogen und Pfeile ohne Köcher, die jenen der Bantustämme entlehnt sind, selten den charakteristischen Warundi-Speer.
Welche Rolle der Schmiedestamm der Warongo in Usinja und Usukuma den Watussi gegenüber spielt, ist ebenfalls fraglich. Körperlich stehen die Warongo vielfach dem Watussitypus nahe und haben wir in diesen geschickten Schmieden — die auch in Ruanda auftauchen — vielleicht Nachkommen einer Schmiedekaste, ähnlich den Elkonono der Massai, zu sehen.
Von besonderen Gebräuchen erfuhr ich nichts, was nicht auch den umwohnenden Bantu eigen wäre. Nur sollen die Watussi in Ruanda die reifgewordenen Mädchen in Hütten einschliessen, bis die Haare lang über den Nacken herabfallen. Auch halbwüchsige Knaben sah ich mit abrasirtem Vorderhaupt und langen Haaren am Hinterkopf. Von eigenen religiösen Anschauungen konnte ich nichts erfahren. Was Speke diesbezüglich anführt, vor Allem das Bewerfen gewisser Lokalitäten mit Steinen, die sich nach und nach zu grossen Haufen aufthürmen, oder mit Gras zum Schutz gegen böse Geister, ist nichts charakteristisches und auch den Bantu eigen. Ob das Vermischen der Milch und Butter mit Kuhurin, das überall westlich vom Nyansa geübt wird, ursprünglich den Watussi entstammt, mag dahin gestellt bleiben.
Wie wir die Watussi heute sehen, erscheinen sie als ein physisch hervorragender hamitischer Hirtenadel unter den Bantustämmen, welchen sie sich sprachlich und ethnographisch völlig angeschlossen haben. In manchen Gegenden sind sie von den Bantu nur durch den Typus, der besonders bei Herrscherfamilien rein erhalten ist, zu unterscheiden. In anderen Gegenden, wie in Urundi und Ruanda, leben sie noch als [208] getrennter Stamm, als Viehzüchter unter den ackerbauenden Bantu. Ob es gelingen wird, sprachlich und ethnographisch reinere Watussi, als die von Stuhlmann und mir gesehenen, aufzufinden, scheint fraglich. Denn an den Nilquell-Seen fehlen die weiten Steppen und unbewohnten Plateaus der Massai-Länder, überall lebt hier seit Jahrtausenden eine Bantu-Bevölkerung, welche Eindringlinge wie die Watussi wohl politisch beherrschen, deren ungeheurer Ueberzahl sie jedoch ethnisch weichen müssen.
Der östlichste Punkt bis zu welchem der Watussi-Einfluss gedrungen, ist die von Wasinja bewohnte Insel Ukerewe. Dort soll vor 15 Generationen Ruhinda, ein Mtussi, mit seinem Anhang aus Uhaia, eingewandert sein. Er verdrängte die Ureinwohner, die der Waschaschi-Gruppe angehörten und den Wakara-Wakwaya verwandt waren und soll die Banane eingeführt haben. Er ist am Kitare-Berg begraben und sein Nachkomme ist der jetzt lebende Häuptling Lukonge, der mit seiner Familie noch deutlich den Watussi-Typus trägt. Irangala, der Nordwesten der Insel, untersteht jedoch nicht diesem, sondern dem Häuptling Kaka.
Nur mehr oder weniger mit ohnehin verwandten Wakwaya-Elementen vermischt, sind die Wakerewe sprachlich reine Wasinja. Sie hatten früher Kämpfe mit den zwischen Speke-Golf und Baumann-Golf hausenden Wataturu zu bestehen, die sie mit ihren vergifteten Pfeilen angriffen. Doch wurden diese schliesslich besiegt und lebten dann mit den Wakerewe in Frieden. Dann tauchten die Massai auf, vernichteten die Wataturu und fielen auch, den Rugedsi-Kanal übersetzend, in Ukerewe ein, um Rinder zu rauben. Gegenwärtig beherrscht Lukonge ausser Ukerewe auch Kiruviru, die Insel Nafuba und die Inseln des Baumann-Golfes; Ukara dagegen ist völlig unabhängig.
TAFEL XXII
Ukerewe stand bis in die letzten Jahre in einem gewissen Abhängigkeits-Verhältniss von Uganda. Das Gleiche war auch bei den kleinen Staaten von Usinja, im engeren Sinne von Mweri, der Fall, eine Landschaft, die sich von der Bukumbi-Bai bis zum [209] Südwestende des Emin Pascha-Golfes ausdehnt. Das Land war früher stärker bewohnt, wie die zahlreichen Spuren früherer Niederlassungen in jetzt unbesiedelten Gebieten andeuten, wurde jedoch durch Einfälle der Wangoni theilweise entvölkert. Am bedeutendsten ist der Häuptling Rwoma, der den Nordosten des Landes beherrscht. Alle anderen sind nur Schulzen die jedoch, wie auch Rwoma, sämmtlich dem Watussi-Stamm angehören.
Westlich vom Nyansa dehnt sich das Königreich Ost-Ussui aus, das auch Theile von Usambiro- und nördlichen Wanyamwesi-(Wafiomi)-Landschaften umfasst. Es ist in seinem östlichen Theile ziemlich dicht, im westlichen Gebirgsland dagegen schwach bewohnt. Es steht unter despotischer Herrschaft des Häuptlings Kassusura, der früher ein Vasall Uganda's jetzt unabhängig ist. Durch einen unbewohnten, zu Karagwe und Uha gehörigen Strich von Ost-Ussui getrennt, liegt West-Ussui, das nur in seinem östlichem Theil von Wasinja, im westlichen von Warundi bewohnt ist. Diese nennen sich, ebenso wie die Wanyamwesi Südost-Ussui's, ebenfalls »Wassui«, woraus hervorgeht, dass dieser Begriff kein ethnographischer, sondern ein politischer ist. West-Ussui wird vom Häuptling Yavigimba (Kirundi Rwawigimba) beherrscht. Dieser ist, wie Kassusura, ein Mtussi, auch trifft man in West-Ussui zuerst Watussi-Hirten, die jedoch von Yavigimba nicht sehr begünstigt und vielfach vertrieben wurden. So stammen die Watussi von Urambo aus West-Ussui.
Die Wasinja erscheinen körperlich als ein Mischvolk der ursprünglichen Bantu-Bevölkerung mit starken hamitischen (Watussi) Elementen. Man trifft also neben reinem Negertypus auch schöne an Abessinier erinnernde Körper- und Gesichtsformen, sowie Leute, die ein deutliches Gemisch der beiden Typen erkennen lassen. Als fast reine Watussi erscheinen die Herrscherfamilien, doch haben dieselben vollere Körperformen als die mageren Hirtenstämme, was wohl hauptsächlich der reichlicheren Pflanzenkost zuzuschreiben ist.
Im Allgemeinen sind die Wasinja ein mittelgrosser, kräftiger und wohlgebildeter Stamm mit dunkelbrauner Hautfarbe. Haarfrisuren werden nicht getragen. Beschneidung ist unbekannt. Als Stammesmarke gilt in der Landschaft Usinja eine schlangenartig, spiralig endende Narbenverzierung die unterhalb des Nabels quer über den Bauch verläuft. Die ursprüngliche, in Ukerewe noch allgemein übliche Kleidung ist ein Ziegenfell, das von einer Schulter herabhängt und stets die Schamtheile bedeckt, doch wird in Usinja und Ussui überall Baumwollzeug getragen. Nur die Weiber tragen meist Lederlendenschurze. In Ukerewe lässt man oft den Bart lang wachsen und dreht ihn zu einem dünnen Zopf, der mit Bast umwunden wird. Ausser Arm- und Beinringen und mit Draht umsponnenen Darmsaiten (Madodi) am Arm, werden nur Halsbinden aus Metall- oder Glasperlen als Schmuck getragen.
Den Zähnen wird überall besondere Pflege gewidmet, in Ukerewe benutzt man eigene Gefässe mit Sand zum reinigen derselben. Als Kriegsschmuck wird in Ukerewe eine kaurigeschmückte Mütze aus Löwenfell getragen.
[210] Die Wasinja sind intelligent und wissen sich in neue Verhältnisse zu schicken. Früher waren sie durch ihre Erpressungen der Schrecken der Karawanen, jetzt haben sie darin sehr nachgelassen und nur Kassusura von Ost-Ussui erhebt nach wie vor sein »Mahongo« (Tribut) von den Händlern. Durch diese Erpressungen, sowie durch die Eisenindustrie haben sie, obwohl sie niemals zur Küste gehen, doch viel Zeug gesammelt. Ihre Sprache ist ein angenehm klingender Bantudialekt, der ungeheure Verbreitung von Unyoro bis Ukerewe und auch über Schaschi besitzt.
Während Waschaschi und Wanyamwesi noch in Cylinderhütten mit Kegeldach und Lehmwänden wohnen, finden wir bei allen Wasinja die reinen Gras- oder Laubhütten, in Ukerewe sowohl, wie in Usinja und Ussui von genau der gleichen Anlage, nur nach Reichthum und Stellung des Besitzers abweichend in Grösse und Sorgfalt der Ausführung. Die Wasinja-Hütte (Abb. pag. 71) besteht aus einem einfachen Geflecht aus Zweigen ohne Mittelpfeiler, das mit Gras oder dürren Bananenblättern gedeckt wird. Den Gipfel krönt häufig ein Straussenei. Oefter ist an dem Eingang ein Vordach vorhanden, das manchmal hübsch mit Rohrwänden versehen ist. Das Innere ist durch Lehm- oder Rohrwände in kleine Abtheilungen getheilt. Der Durchmesser variirt von circa 15 m (wie bei Lukonge's Hütte) bis zu 3 m. Oft ist die Hütte so leicht, dass man sie ohne Schwierigkeit an einen andern Platz tragen kann.
In Ukerewe und Usinja ist die Höhe grösser als der Durchmesser, in Ussui ist das Umgekehrte der Fall und die Hütte nähert sich immer mehr der Halbkugelform. Grössere Dörfer sind vereinzelt, meist sind kleine Weiler zwischen den Feldern verstreut, die mit lebenden oder Stangenzäunen und schönen Bananenhainen umgeben sind.
Die Hauptbeschäftigung der Wasinja ist Ackerbau, neben welchem Jagd und Fischerei nur untergeordnete Rollen spielen. Letztere wird von den Nyansastämmen, besonders den Wakerewe in ähnlicher Weise wie von den Waschaschi betrieben. Hauptsächlich dazu, sowie zur Vermittelung des Verkehrs haben sie ziemlich grosse Kanus, die ähnlich wie jene der Waganda aus genähten Brettern bestehen und von 2-40 Mann halten. Das Rudern geschieht sitzend mit eigenthümlich geformten und bemalten Rudern. (Abb. pag. 44.) Den Takt giebt Gesang, den ein meist an der Spitze des Kanus stehender Vorsänger leitet.
Die Viehzucht war früher bedeutender als jetzt, wo sie durch die Seuche stark gelitten. In Ukerewe wird das (offenbar von Osten importirte) Zeburind, westlich vom Bukumbigolf aber überall das Watussi-Rind gehalten. Die Bewohner der Landschaft Usinja sollen sich früher fast ausschliesslich von Viehzucht ernährt haben, bis die Wangoni-Einfälle ihnen das unmöglich machten.
[211] Kleinvieh wird überall, besonders in Ukerewe zahlreich gehalten. In Ussui haben die Schafe auffallend lange Fettschwänze. Hühner giebt es wenige, dagegen wird viel Mühe auf Bienenzucht verwendet. Als Stöcke dienen auf Bäume aufgehängte Holzröhren, wie man solche auch in den Kilimanjaro-Ländern antrifft. Der Ukerewe-Honig gilt mit Recht als besonders vorzüglich. Hunde giebt es überall, dieselben sind in Usinja auffallend langbeinig.
Die ursprüngliche Kulturpflanze der Wasinja war jedenfalls die Banane, die sich, meist in der süssen Art (Musa paradisiaca) überall bei ihnen findet. In Ukerewe und Theilen von Ussui liefert sie heute noch die Hauptnahrung während in Usinja der Maniok ihre Stelle vertritt, eine Kulturpflanze, welche ihrer leichten Anbauart halber, nicht selten von früheren Viehzüchtern (z. B. auch den Wadigo) gewählt wurde. Im Uebrigen findet man eine auffallend grosse Mannigfaltigkeit der Kulturpflanzen. So baut man in Ukerewe Bananen, Sorghum Mawele (Penicillaria), Mais, Pataten, Hülsenfrüchte, Kürbisse, Maniok, Tabak und Hanf, in Usinja Maniok, Pataten, rothen Sorghum, Mais, Bananen, Arachis und etwas Tabak, in Ussui Bananen, weissen Sorghum, Maniok, Tomaten, Pataten, Bohnen, Sesam, Arachis, kleine Kürbisse, Ricinus und Tabak.
Die Felder sind gut gehalten, das Erträgniss der Ernte wird in Vorrathshütten aufgespeichert oder in länglichen, an Stangen gebundenen Grasgeflechten verwahrt. (Abb. pag. 71.) Zur Bearbeitung dienen Hacken und sichelförmige Feldbeile, die zum Roden des hohen Grases benutzt werden. Der Sorghum wird nicht in Mörsern, sondern in länglichen Holztrögen gestampft, die rothe Varietät fast nie zur Pombebereitung benutzt.
Von besonderer Bedeutung ist in Usinja und Ost-Ussui die Eisenindustrie, die von »Warongo« genannten Schmieden ausgeübt wird, welche möglicherweise die Nachkommen einer Schmiedekaste der Watussi sind. Das Eisen wird aus Raseneisenstein gewonnen und ist guter Qualität. Die Werkstätten sind geräumiger als die Wohnhäuser. Als Brennmaterial dienen Holzkohlen. Der Blasebalg, sowie überhaupt der ganze Schmiedeapparat mit Hämmern und Zangen, gleicht fast vollkommen dem in Nord-Pare[21] üblichen. Das Haupterzeugniss sind Hackenklingen (Abb. pag. 72), die in ganz Unyamwesi und bis Ugogo hin ungemein geschätzt sind. Daneben werden sehr schöne Speere und Pfeilspitzen gefertigt, wie denn alle Arbeiten der Warongo sich durch ausserordentliche Schönheit und Solidität auszeichnen. Pfeile und Bogen sind die Hauptwaffen der Wasinja, erstere werden in Bambusköchern oder länglichen Kalebassen, in Ussui in Lederbeuteln verwahrt und manchmal vergiftet. Vorderlader-Gewehre sind in Usinja und Ussui stark verbreitet. Die Speere haben durchwegs Klingen mit übergreifender Schaftzwinge. Ihre Form nähert sich theils jener von Urundi, theils der von Nkole. Manche Speere haben auch eiserne Schäfte. Schilde sind nicht mehr gebräuchlich, eine veraltete Form derselben fand ich nur in Ukerewe. Dieselbe ist aus [212] dem korkähnlichen Ambatsch-Holz gefertigt und eigenartig ornamentirt. Schwerter sind nicht gebräuchlich. Von Häuptlingen werden öfters zierliche Paradebeile getragen.
Alle Geräthe der Wasinja und besonders der Wakerewe zeichnen sich durch sorgfältige und zierliche Ausführung aus. Trinkkalebassen und vor Allem Körbe sind mit originellen Ornamenten versehen, in welchen die Quadrat- und Dreieckmuster vorherrschen, nicht selten aber auch Spiralmuster auftreten.
Gegenstand des Kultus sind die Geister der Ahnen, welche Krankheiten verursachen und die man in Ukerewe durch Trommeln und kleine Opfer, in Ussui durch Zeugbündel, die an Kreuzwege gelegt werden, versöhnt. Auch gewisse Plätze gelten als Sitz von Geistern und pflegt dort jeder Vorbeiziehende einen Stein hinzuwerfen, so dass sich nach und nach ein Steinhaufen aufthürmt. Mit dem Ahnenkultus in Beziehung steht jedenfalls auch eine meterhohe Figur aus Ebenholz, [213] die ich in Ukerewe fand und die mir als Bildniss des verstorbenen Häuptlings gedeutet wurde. Bei derselben hielt sich stets die Lieblingsfrau des Verstorbenen auf. Bei der Seltenheit bildlicher Darstellungen des menschlichen Körpers in Ost-Afrika hat diese Figur besonderes Interesse.
[214] Die Regierungsform der Wasinja ist überall monarchisch. Früher bestand ein grosses Königreich, jetzt ist das Land in kleine Fürstenthümer getheilt, von welchen Ost-Ussui das bedeutendste ist. Dann folgen West-Ussui (Uyogoma), Ukerewe und Rwoma's Land in Usinja. Alle anderen Herrscher in Usinja, sowie Kaka in West-Ukerewe, sind nicht viel mehr als Dorfschulzen. Die Häuptlinge geniessen sehr grosse Macht und verfügen nahezu unumschränkt über Leben und Tod. Sie halten eine Art Leibwache, welche zugleich Polizeidienste versieht und bei Verbrechen die Schuldigen verhaftet. Auf Diebstahl steht Todesstrafe, auch wird das Vermögen des Schuldigen eingezogen und seine Verwandten werden der Sklaverei überliefert. Ausser solchen Sklaven, die jedoch meist ins Ausland verkauft werden, giebt es in Usinja auch fremde, durch Karawanen importirte.
Der gewöhnliche Gruss eines Höheren besteht bei allen Wasinja, von Ukerewe bis Ussui, im Niederknien und Händeklatschen. Der Gegrüsste erwidert darauf nicht.
Die Wasinja sind zwar weniger unternehmungslustig als die Wanyamwesi, durch ihre Intelligenz und ihre Geschicklichkeit, die sich besonders in Schmiedearbeiten äussert, aber doch sicher berufen eine Rolle zu spielen.
Während die Wasinja schon von verschiedenen Reisenden, von Speke bis auf die neueste Zeit besucht und besonders von Stuhlmann vorzüglich beschrieben wurden, gelangen wir westlich von ihnen zu [215] einem Bantustamm, von dem kaum mehr als der Name bekannt war: den Warundi. Mit den ihnen nahe verwandten Waha und Wanyaruanda bewohnen sie ein weites Gebiet, von Ussui bis zum Russisi, von Unyamwesi bis zum Tanganyika und reichen nördlich bis nahe an den Albert Edward-See. Ueberall stehen sie als »Wahutu« (Unterworfene) dem Adel der Watussi gegenüber.
Die Warundi sind zweifellos sehr alte Ansiedler der von ihnen bewohnten Gebiete; irgend welche Tradition über Einwanderung besteht, soviel ich erfahren konnte, nicht. Dennoch sind die Warundi wahrscheinlich keine Urbevölkerung, sondern eine solche haben wir in den Watwa zu sehen, welche überall im Lande verstreut leben. Der Name Watwa (oder Batwa) ist bekanntlich ein weit verbreiteter und wird hauptsächlich den Pygmäenvölkern in den südlichen Kongowäldern beigelegt. In den schwach bewohnten Urwäldern konnten die Watwa sich begreiflicherweise reiner erhalten als in dem offenen Urundi, inmitten einer dichten Ackerbaubevölkerung. Der Blutmischung waren hier die Wege geebnet und thatsächlich finden wir, dass die Watwa Urundi's durchschnittlich nicht kleiner sind als die umwohnenden Warundi.
Sie leben in kleinen Niederlassungen mit sehr schlechten Grashütten, benutzen im Gegensatz zu den Warundi, die stets auch Speere führen, ausschliesslich Bogen und Pfeile und lebten ursprünglich von der Jagd. Mit der Zunahme der Bevölkerung nahm jedoch das Erträgniss derselben ab, doch wandten sich die Watwa keineswegs dem Ackerbau, sondern der Töpferei zu. Mit einem Stück Kalebasse als einzigem Geräth und einem Schnurende zum Anbringen der Ornamente fertigen sie ungemein geschmackvolle Töpfe und Krüge an, welche sie an die Ackerbauer verkaufen.
Sie werden sehr verachtet und gelten als Pariastamm. Kein Mrundi würde aus demselben Gefäss wie ein Mtwa trinken, auch sollen Heirathen nicht vorkommen. Dennoch ist, wie gesagt, die Blutmischung unverkennbar und zwar nicht nur bei den Watwa, sondern auch bei den Warundi. Denn unter den vielfach hochgewachsenen Warundi trifft man, besonders im Norden, auffallend häufig Leute von etwa 1,35 m Höhe mit kurzem Hals, röthlichen Lippen und gedrungener Gestalt, auch erwachsene, auffallend lichtfarbige Weiber mit dem Kinde auf dem Rücken bei einer Höhe von 1,20 m.
Offenbar hat man es hier mit Fällen von Atavie zu thun, bei welchen der Typus einer Watwa-Urbevölkerung zu Tage tritt, welche in den Warundi aufgegangen ist. Die heutigen Watwa dagegen stellen nur einen von der herrschenden Rasse durch die Lebensweise unterschiedenen Pariastamm dar. Der Uebergang zwischen ihnen und den Kongo-Watwa bilden die Watwa der Berge westlich vom Tanganyika, die ebenfalls von Jagd und Töpferei leben, nach den Märkten der Eingeborenen kommen, jedoch bereits als Zwerge bekannt sind. Alle Watwa sollen eine eigene Sprache besitzen, doch konnte ich trotz vieler Bemühung nur Kirundi-Wörter von ihnen erhalten. Sie scheinen sehr stumpfsinnig, [216] »tu wayovu« (Wir sind Elephantenjäger) ist das einzige, was sie auf alle Fragen antworten. Auch ihre Geräthschaften, mit Ausnahme jener für Töpferei, haben nichts charakteristisches und gleichen jenen der Warundi.
Wenn also auch in gewissen Distrikten eine Aufnahme von Watwa-Elementen bei den Warundi wahrscheinlich ist, so haben sie sich im Allgemeinen doch sehr rein und besonders von hamitischen (Watussi) Mischungen ziemlich frei erhalten.
Die Warundi sind ein kräftiger, mittelgrosser Stamm; hochgewachsene und herkulisch gebaute Leute sind nicht selten. Die Gesichtszüge sind rein negerhaft, die Hautfarbe dunkelbraun, bei der geringen Reinlichkeit oft fast schwarz erscheinend. Die Busen junger Weiber sind wohlgeformt und nicht zitzenförmig.
Die Sprache der Warundi ist ein reines Bantu-Idiom, welches von Kisinja (Kinyoro) wesentlich abweicht, mit Kiha aber nahezu identisch ist. Der Dialekt von Ruanda nähert sich etwas mehr dem Kisinja. Sonst finden sich keine eingreifenden dialektischen Verschiedenheiten in ganz Urundi und einige meiner Leute aus Ujiji konnten sich überall verständlich machen.
Im Gegensatz zu den meisten Negerstämmen werden die Ohren in Urundi niemals durchbohrt und auch die Zähne in keiner Weise verstümmelt. Beschneidung ist nicht üblich. Die Kopfhaare werden kurz getragen oder abrasirt, wobei man oft einzelne Stellen in Form [217] von Spiralstreifen, Kreisen oder Haarkämmen stehen lässt. Die Weiber rasiren die Haarränder meist rund ab. In manchen Gegenden pflegt man sich mit weisser Farbe (aus Mergel oder Hyänenmist) am kahlrasirten Schädel und im Gesicht Flecken und Streifen zu malen. Als Kleidung dient hauptsächlich Rindenzeug, das in rother und grauer Farbe vorkommt. Die rothen Stoffe sind oft mit grauen und schwarzen Flecken und Streifen gemustert. Männer tragen einen dreieckigen Ueberwurf, dessen langer Zipfel bis zu den Knien herabhängt und stets die Schamtheile bedeckt, sowie manchmal auch einen Lendenschurz. Ledige Weiber tragen einen Lendenschurz aus grauem Rindenzeug, Verheirathete auch noch ein Tuch, welches den Busen verhüllt und oft zugleich den Sprössling festhält.
In manchen Gegenden tritt an Stelle des Rindenzeugs — doch stets nur vereinzelt — Leder; besonders lieben es junge Leute, beim Tanz schneeweiss bemalte Lederschürzen zu tragen. In Ruanda haben viele Weiber Lederkleidung. Europäisches Zeug trifft man in Urundi — ausser am Tanganyika — nirgends, in Ruanda nur ganz vereinzelt. Ein beliebter Halsschmuck der Warundi ist das dreieckige Segment einer Seeschnecke, welches an einer Schnur getragen wird. Da Küstenerzeugnisse — ausser etwas Messing und sehr wenigen Glasperlen [218] — sonst gänzlich fehlen, so ist das häufige Vorhandensein einer Seeschnecke auffallend. Doch wird dieser Schmuck auch in Unyamwesi häufig getragen und wurde wohl in früheren Zeiten — als ein friedlicher Verkehr mit Urundi noch möglich war — massenhaft importirt und hat bei seiner Solidität bis heute ausgehalten. Doch sieht man schon häufig Nachahmungen aus Knochen und Flusspferdhauern. Ausser diesen wird auch ein trichterförmiger Eisenschmuck um den Hals getragen, sowie hübsche, mit Messing ornamentirte Holzcylinder.
An den Knöcheln tragen Weiber und vornehme Männer mit Eisendraht umsponnene Darmseiten, Madodi. Ein eigenthümlicher Schmuck ist der dicke hölzerne Armring (Abb. pag. 77), den alle Warundi-Krieger am linken Unterarm tragen und der häufig mit originellen Eisen-, Messing- und Kupferornamenten beschlagen ist. Er dient theils als Waffe beim Faustkampf, theils zum Auflegen des Pfeiles beim Zielen und zum Abhalten der rückschnellenden Bogensehne. Doch findet er sich als reiner Schmuck auch in Gegenden, die keine Bogen und Pfeile benutzen, wie Uyogoma.
Die Wohnungen der Warundi sind reine Grashütten ohne Mittelpfahl, oft breiter als hoch, dann mit seitlichen Stützen. Von der reinen Halbkugelform weichen nur die Hütten im Kagera-Quellgebiet ab, die cylindrischen Bambus-Unterbau besitzen. In Nord-Urundi und Uyogoma ist das Innere durch zwei halbkreisförmige Lehmwände (a a) getheilt, die nicht bis zum Dach reichen und mit den convexen Seiten gegen den Eingang stehen. Sonst werden die Kammern stets durch Papyrus- oder Bambuswände abgetrennt. In einer derselben steht das bequeme, mit Gras und Bananen-Matten bedeckte Bett. Neben der Wohnhütte stehen Vorrathskörbe, die ähnlich wie die von Usinja und Unyamwesi aussehen.
Alle Hütten sind in kleinen Komplexen zwischen dichten Bananenhainen vertheilt und mit buschiger Euphorbien- oder mit Distel ausgefüllter Bambus-Hecke umgeben. Aus den Bananen erheben sich einzelne glänzendblättrige Ficus-Bäume, die zur Herstellung des Rindenzeugs dienen und das ganze Dorf erscheint wie eine dunkelgrüne Insel in dem Meer lichtgrüner Grashalden.
Die Jagd spielt in dem dicht bewohnten Urundi keine Rolle, Fischfang betreiben die Tanganyika-Stämme mit Eifer, während im Kagera und Akanyaru, soviel ich erfahren konnte, nicht gefischt wird. Die Kanus der Tanganyika-Warundi sind primitive Einbäume mit Ruder, deren Blätter mit Baststricken befestigt sind. Am Akanyaru giebt es schone Einbäume mit langen, schaufelförmig ausgehöhlten Rudern, die wohl [219] zugleich zum Ausschöpfen des Kanus dienen.
Die Rindviehzucht liegt hauptsächlich in den Händen der Watussi, doch haben auch Warundi vereinzelt Rinder der Sanga-Varietät. Schafe werden viele gehalten, sie sind glatthaarig mit kleinem Fettschwanz, nur in Nord-Urundi sah ich auch wollhaarige Schafe. Ziegen trifft man nur vereinzelt. Schlanke Hunde sind häufig und werden oft an der Leine geführt. Bienenzucht ist überall beliebt, die Körbe werden cylindrisch aus Gras geflochten und haben zwei Holzdeckel mit Fluglöchern. Hühner werden selten, in West-Ussui garnicht gehalten.
Die Hauptnahrung der Warundi liefert die Banane, welche in den Dorf-Komplexen angebaut wird. Die halbreifen Früchte werden meist abgenommen und vergraben, wodurch sie rascher reif werden. Eine grosse Rolle spielen auch Hülsenfrüchte, Bohnen und Erbsen, letztere von besonders guter Qualität. Sie werden in langen Bastkörben in den Hütten aufbewahrt. Sorghum der rothen Varietät dient hauptsächlich zur Bereitung von Pombe, der in grossen Mengen genossen wird. Zum Stampfen dienen Holzmörser. Vereinzelt trifft man auch Eleusine, süsse Kartoffeln, Mais und Maniok; überall Tabak, der in Ruanda geraucht, in Urundi hauptsächlich geschnupft wird. Aus Honig und Bananen wird ebenfalls ein geistiges Getränk bereitet, das ziemlich wohlschmeckend ist. Zum Rauchen dienen lange Pfeifen mit Thonköpfen, die Schnupfer pflegen sich die Nase mit einem halbgespaltenen Stück Holz zusammen zu klemmen, um den Genuss zu verlängern.
Am Tanganyika trifft man sehr viele Oelpalmen, die dort ein richtiges Kulturgewächs bilden. Ueberall pflanzt man ferner die Ficus-Art, welche das Rindenzeug, in manchen Gegenden auch Brennholz liefert, vielfach auch Bambus und Disteln zum Herstellen von Zäunen. Im Allgemeinen sind die Warundi keine besonders eifrigen Ackerbauer, sie pflanzen nur so viel, als sie zum Leben unbedingt nöthig haben und weite Striche ihres fruchtbaren Landes bleiben unbebaut.
Von Geräthschaften der Warundi fanden schon einige Erwähnung. Dem Ackerbau dienen eiserne Spaten und eigenthümliche, sichelförmige Haumesser, die sich ähnlich in Ukerewe und dem nördlichen Zwischenseengebiet finden und die auch zum Lichten der Papyrussümpfe gebraucht werden. Korbwaaren werden mit Geschick gefertigt. Zur [220] Töpferei haben die Warundi wenig Geschick, wo die Watwa fehlen, sind die Töpfe stets plump und leicht zerbrechlich. Ein eigenthümlicher Regenschirm ist im Süden des Landes gebräuchlich, er besteht aus einem Halbcylinder aus Blättergeflecht, den der Träger über den Kopf stülpt. Zur Anfertigung des Rindenzeuges dient ein Beinhammer, mit welchem das betreffende Rindenstück einfach breitgeschlagen wird. Der Baum kann vollständig geschält werden und erholt sich, umwickelt mit altem Rindenzeug oder Bananenblättern, rasch wieder.
Die Waffen der Warundi sind Speer und Bogen, wobei schwer zu sagen ist, welche Waffe als Hauptwaffe gelten kann. In manchen Gegenden trifft man nur Speere, in anderen nur Bogen, meist aber beide Waffen gemeinsam. Die Speere haben lange, schlechte Schafte und [221] locker sitzende, charakteristisch geformte Spitzen. Letztere werden meist abgenommen und in Bananenblätter gewickelt unter dem Rindenzeug getragen. Die Bogen sind nicht besonders kräftig, die Pfeile meist ohne Widerhaken und fast niemals vergiftet. Köcher sind nicht bekannt, die Pfeile werden in den Hütten in länglichen, ornamentirten Behältern aufbewahrt, im Felde aber stets in der Hand getragen. Kurze Schwerter dienen hauptsächlich als Paradewaffen und werden besonders am Tanganyika schön ausgeführt. Schilde sind gegenwärtig nicht mehr gebräuchlich, doch traf ich in Nord-Urundi alte, sehr originelle Holz- und Korbschilde, die jetzt nur mehr bei Tänzen dienen.
Einen Verkehr mit der Aussenwelt kennen die Warundi nicht, weder kommen jemals Karawanen in's Land, noch verlassen die Bergwarundi ihre Heimath. Sie gehen niemals nach Ussui oder Ruanda, ebenso nicht zum Tanganyika, sondern verkehren höchstens mit Uha, woher sie Salz und Messing beziehen. Die Tanganyika-Warundi allerdings haben durch jahrelangen Verkehr mit Arabern und Swahíli ihre Sitten vielfach modificirt, reisen öfter nach Ujiji und ziehen sogar mit an die Küste.
In so grossartiger Weise ich auch das Volksleben in Urundi kennen lernte, so wenig bot sich mir bei dem herrschenden Begeisterungstaumel Gelegenheit, näheres über das innere Leben der Warundi zu erfahren. Diesbezügliche Erkundigungen konnte ich nur am Tanganyika einziehen, so dass die nachfolgenden Bemerkungen sich hauptsächlich auf die Bewohner des Seeufers beziehen, bei der grossen Einheitlichkeit des Stammes aber wohl in den Hauptsachen für alle Warundi gelten.
Nach der Geburt eines Kindes bleibt die Mutter sieben Tage in der Hütte. Sobald dem Kinde Haare wachsen, wird ein Familienfest abgehalten, wobei Pombe getrunken und ein Schaf geschlachtet wird, dessen Blut man mit dem festen Abfall des Pombe (Maische) in eine Grube giesst. Diese wird wieder ausgefüllt, mit Gras bestreut und ein Topf mit Doppelöffnung darauf gestellt. Dabei werden die Geister der Vorfahren beschworen das Kind zu schützen. Hierauf wird das Kind rasirt, die Haare werden mit Pombeabfall angemacht und in einer Schachtel aufbewahrt. Diese gilt als ein Talisman und bleibt stets am Geburtsort des Kindes. Gelegentlich dieses Festes erhält das Kind drei Namen vom Vater, Mutter und der Grossmutter (mütterlicherseits) die es lebenslang behält. Ein Kind, welchem die oberen Schneidezähne zuerst wachsen, gilt als unglückbringend und wird in den Busch geworfen. Am Tage des Reifwerdens eines Mädchens, wird dieses von der Grossmutter im Hause umhergeführt und muss alle Gegenstände berühren.
Der Vater wählt dem Sohne eine Gattin und bezahlt den Brautpreis, der meist in zwei Ochsen oder dem Aequivalent besteht. Das junge Ehepaar bleibt sieben Tage in der Hütte, während welcher ein Fest gefeiert [222] wird. Vielweiberei ist gebräuchlich.
Die Warundi sind ein körperlich gesundes Volk, Kranke und Krüppel sieht man nur wenige. In gewissen Gegenden sind Augenleiden sehr häufig und man trifft verhältnissmässig viele Blinde und Einäugige. In das Gebiet der Krankheiten gehört auch die besonders am Tanganyika häufige Geophagie (Erdesserei). Töpferthon geniessen dort viele Leute mit Vorliebe, manche Kinder verschlingen jedoch mit Gier alle Arten Erde und magern zu Skeletten ab, während der Bauch unförmlich anschwillt. Die Pocken grassiren öfter im Lande und richten besonders am Tanganyika Verheerungen an. Der Sandfloh ist fast schon über ganz Urundi verbreitet und wird vielfach zur unerträglichen Landplage.
Die Behandlung der Kranken obliegt dem Zauberdoktor, einem Mann oder alten Weib. Derselbe trägt einen Kopfputz von Federn, bemalt sich im Gesicht mit Mergel, führt einen Bastsack mit Amuletten mit sich und rasselt mit einer Klapper während er mit heiserer Stimme singt. Ist Jemand von einem Geist besessen, so finden Tänze statt, ein Schaf wird geschlachtet und der Kranke im Fluss gebadet.
Die Warundi glauben nicht an natürlichen Tod, sondern nur an solchen durch Zauberei, darum schneiden die Angehörigen allen Todten den Bauch auf und suchen darin den Zauber. Dann gehen sie mit einem Geschenk zum Zauberdoktor, das sie jedoch vor seinen Augen verbergen. Als Probe seiner Geschicklichkeit muss er die Grösse des Geschenkes errathen. Dann wird ein Topf mit Wasser und Zaubermedizin aufgestellt, den alle Dorfinsassen haben müssen. Wer dies nicht kann, ist der Zauberer, der den Verstorbenen getödtet, er wird gebunden und getödtet (in den Tanganyika geworfen), worauf die Angehörigen des Verstorbenen sein Vermögen einziehen.
[223] Der Todte wird auf der rechten Seite liegend ins Grab gelegt. Stirbt ein Hausvater, so wird er in der Hütte begraben und diese hierauf verlassen, andere begräbt man vor der Hütte.
Die ganzen religiösen Anschauungen der Warundi lassen sich auf den Ahnenkultus zurückführen. Selbst der Mwesi-(Mond)-Glaube ist nichts anderes als dieser, indem die Herrscher des Landes ihre Abkunft vom Mond herleiteten.
Als Schutz gegen böse Geister, die in Flüssen und Bäumen wohnen, wird Zauber-Pombe an die Hütten gespritzt. Hat man Grund zu glauben, dass der Geist eines Verstorbenen unzufrieden sei, so wird ein junger Anverwandter desselben auf den Boden gelegt und ihm mit einer Hacke auf den Kopf geklopft. Er äussert dann die Wünsche des Verstorbenen.
Den Verkehr mit den Geistern vermittelt der Zauberdoktor, dieser macht auch Regen und wahrsagt aus Hühnerdärmen. Einzig zu diesem Zwecke werden überhaupt Hühner gehalten und niemals gegessen. Auch Ziegen isst man nicht; die Warundi-Männer geniessen nur Schaf- und Rindfleisch, die Weiber nur das letztere.
Die Regierungsform der Warundi war wohl stets eine monarchische und zwar wurden sie jedenfalls sehr lange Zeitepochen hindurch von dem Geschlecht der Mwesi (Monde) beherrscht. Wie weit deren Reich sich ursprünglich ausdehnte wäre schwer zu ermitteln, doch überschritt es jedenfalls die Grenzen des heutigen Urundi. In den Nachbarländern nennt man Urundi heute noch stets »charocha Mwesi« (Land Mwesi's) und glaubt noch vielfach an die Existenz dieses Herrschers. Nach Aussage der Meisten waren die Mwesi lichtfarbige Watussi und der letzte Mwesi hiess Makisavo (Bleichgesicht), ein Name der auch mir beigelegt wurde. Diese Ansicht von der lichten Farbe des Mwesi ist allgemein verbreitet, doch giebt es Leute die behaupten, dass er kein Mtussi, sondern ein Mrundi, also ein nationaler Herrscher gewesen sei.
Die Residenz des Mwesi lag zweifellos unweit der Kagera-Nil-Quelle, wo sie auch Burton erkundete. Man kann dies schon daraus schliessen, dass die heute noch bekannten Mwesi-Gräber sich am Ganso-Kulu, einem Berg an der Kagera-Quelle, befinden. Die Träger der Königleiche ruhten in einem dunklen Hain, Wuruhukiro, und beerdigten hierauf die Leiche am Ganso-Kulu. Die waldigen Missosi ya Mwesi, die Berge Mwesi's oder Mondberge, gelten als Sitz der Geister verstorbener Mwesi.[22]
Wann der letzte Mwesi gelebt hat und warum das Geschlecht ausstarb konnte ich niemals bestimmt erfahren, doch muss es schon an 100 Jahre her sein, dass er — angeblich in einem Kriege im Ausland — verschollen ist. Alle Warundi haben übrigens den festen Glauben, dass der Mwesi heute noch lebt und erwarten ihn als eine Art Erlöser. Es war daher sehr natürlich, dass ich, ein von Norden kommender, lichtfarbiger Mensch, ihnen als die Verkörperung dieser mythischen Person erscheinen musste. Zu welch' tollem Fanatismus die Warundi [224] durch diesen Glauben hingerissen wurden versuchte ich in der Reiseschilderung darzustellen.
Der Glaube an meine Sendung nahm erst ab, als ich die Missosi ya Mwesi und die Begräbnissstätten der früheren Könige ohne Schaden besucht. Denn nach der Tradition darf ein lebender Mwesi diese Gegenden nicht betreten: geschieht dies doch so muss er sterben. Da mir jedoch nichts geschah, so wurde die allgemeine Begeisterung stark abgekühlt. Als ich später vom Tanganyika her, also vom Westen wieder in Urundi eindrang, hielt mich Niemand mehr für den Mwesi, der von Norden kommen muss, doch wurde mir berichtet, dass der Mwesi kurz vorher Nord-Urundi im Triumph durchzogen und alle seine Feinde niedergeworfen habe, ohne dass man ahnte, dass ich mit diesem »Mwesi« identisch war. Der Widerstand der Watussi im Norden lag keineswegs in einem Zweifel an meiner Sendung, sondern nur in der Abneigung dieses Raubadels, ein für sie angenehmes Interregnum, durch das Auftauchen eines Mwesi beendet zu sehen.
Zur Regierungszeit der Mwesi lebten wohl die Watussi, ähnlich wie jetzt in Ruanda, als deren Statthalter im Lande verstreut, jetzt ist dasselbe in zahllose kleine Gemeinden zerrissen, die von Häuptlingen verschiedener Abkunft regiert werden. Ihre Würde ist auf den Sohn, event. auf die Tochter erblich; stirbt eine Familie aus, so wird ein neuer Häuptling gewählt. Die Autorität des Häuptlings ist nicht bedeutend, er übt zusammen mit den Aeltesten Gerichtsbarkeit aus. Diebe werden geköpft, doch ist Lösegeld üblich, von welchem die Hälfte der Bestohlene, die andere Hälfte der Häuptling bekommt. Mörder werden stets geköpft. Entfliehen sie zu einer Nachbargemeinde, so werden sie unter keinen Umständen ausgeliefert und es finden ihretwegen Kämpfe statt. Männliche Kriegsgefangene werden dabei getödtet, weibliche und Kinder jedoch zurückgegeben. Der siegreiche Häuptling betrachtet das besiegte Land als unterworfen. —
Sklaverei ist in ganz Urundi unbekannt, doch wurden von den Ujiji-Arabern schon mehrfach Razzias nach Süd-Urundi unternommen und Sklaven ausgeführt, deren man auch an der Küste einzelne findet. Nach Mittel- und Nord-Urundi haben sie sich jedoch niemals gewagt.
Eine grosse Rolle spielen in Urundi die Volksbelustigungen und Tänze von welchen in der Reiseschilderung[23] ausführlich die Rede war. Das Tanzen ist in Urundi eine förmliche Kunst, welche von Jugend an geübt und mit Meisterschaft betrieben wird. Die Trommel ist unbekannt, doch wird ein Kuhhorn geblasen und ein Saiteninstrument gespielt.
Als gewöhnlicher Gruss dient Niederknien und Händeklatschen, sowie Ueberreichen von Laub. Als Friedenszeichen pflegt man Feldfrüchte oder mit Laub umwundene Spaten darzureichen. Auch Geschenkvieh wird mit Laub bekränzt.
TAFEL XXIII
Meisenbach, Riffarth & Co. Berlin heliogr.
[225] Wenn man das heutige Urundi betrachtet, so erhält man den Eindruck der grössten politischen Zerfahrenheit. Im Norden den Einfällen Kigere's, des eroberungslustigen Häuptlings von Ruanda, im Süden den Razzias arabischer Sklavenhändler ausgesetzt, sind die Warundi in unzählige, durch Zwistigkeiten getrennte Gemeinden zertheilt und werden durch den räuberischen Hirtenadel der Watussi ausgebeutet. Es ist kein Wunder, wenn sie mit Sehnsucht dem Auftreten eines »Mwesi« entgegensehen. Einmal ist ihnen ein solcher schon unter deutscher Flagge erschienen, freilich nur als Pionier und den Nachfolgern die Pfade ebnend. Wenn diese eintreffen und versuchen, die deutsche Herrschaft in Urundi zu begründen, so werden sie — wenn es eben die rechten Leute sind — keinerlei Schwierigkeiten sondern begeisterten Empfang finden und im Stande sein, der deutschen Sache ein noch unberührtes, gut veranlagtes Naturvolk zu gewinnen, welches jedenfalls bestimmt ist in der Zukunft der Kolonie die wichtigste Rolle zu spielen.
Die grosse Empfänglichkeit der Warundi lässt auch schliessen, dass ein von Norden kommender Missionar dort die grossartigsten Bekehrungs-Erfolge erreichen könnte. Jedenfalls scheint es rathsam, Urundi von vornherein einer bestimmten Konfession von Missionaren zuzutheilen, damit das traurige Schauspiel des Religionskrieges in Uganda keine Wiederholung finde.
An die Warundi schliessen sich südlich vom Mlagarassi die Waha. Dieselben sind den Warundi nahe verwandt, sprechen dieselbe Sprache und zeigen nur geringe Abweichungen, die auf den langjährigen Verkehr mit Wanyamwesi hinweisen. Im Aeusseren und der Tracht gleichen sie den Warundi, besitzen jedoch ziemlich viel Baumwollzeug. Die Hütten sind stets höher als ihr Durchmesser, innen durch Strohwände getheilt, geräumig und freundlich. Sie sind oft in grossen Dörfern mit bis zu 120 Hütten vereinigt, während man in Urundi nur von verstreuten Weilern reden kann. Der Grund hierfür liegt in den vielen äusseren Feinden, welche die Waha bedrohen und sie zwingen, in grossen Mengen zusammenzuleben. Die Getreidevorräthe [226] bewahren sie in mächtigen runden Holzschachteln. Die Dörfer sind oft mit Stangenzäunen umgeben.
Der Ackerbau wird mit grosser Sorgfalt betrieben und es macht sich in den Kulturpflanzen der Einfluss Unyamwesi's geltend. An die Stelle der Banane, die seltener wird, treten Sorghum und Mais, auch Maniok, Pataten, Hülsenfrüchte, Zuckerrohr, Tomaten, Grundnüsse und Tabak werden angebaut. Die ausgedehnten Waldwildnisse bieten gute Gelegenheit zur Jagd.
Die Viehzucht ist nicht bedeutend, der Rinderstand wurde durch Einfälle der Wangoni und im Süden auch der Massai decimirt. Doch trifft man noch ziemlich viel Kleinvieh und Hühner, auch Tauben, die in den im westlichen Unyamwesi gebräuchlichen Taubenschlägen gehalten werden. Bienenzucht ist sehr häufig, die Stöcke bestehen aus cylindrischen, mit Lehm bestrichenen Körben, die auf niedrigen Gestellen ruhen.
Die Waha verfertigen Rindenzeug nicht nur aus dem Ficus, sondern auch aus einem der Miombo-Gruppe angehörigen Waldbaum. Doch dient das aus letzterem gewonnene Zeug mehr zu Schlafmatten, da es steifer als das Ficuszeug ist. Auch die grossen Holzschachteln werden in ähnlicher Weise aus Baumrinden hergestellt und geschickt vernäht. Selbst Kanus zum Uebersetzen des Mlagarassi werden aus Baumrinde zusammengenäht. Zum Unterschied von den Warundi besitzen die Waha Trommeln länglicher Form in verschiedener Grösse.
Ihre Bewaffnung besteht aus Wurfspeeren, Bogen und Pfeil. Die Wurfspeere haben in den Schaft eingelassene Spitzen, sind leicht und werden stets zu zwei getragen. Doch sind auch die Warundi-Speere mit kürzeren Schäften und eine andere Speerform mit Schaftzwinge üblich, die angeblich die ursprüngliche sein soll. Die Pfeile sind zierlich gefertigt und gleichen jenen der Warundi; die Bogen sind nicht besonders kräftig. Schwerter in Holzscheiden sieht man nur vereinzelt. Originell ist eine aus Kalebassen und Stroh gefertigte Kinderpuppe.
[227] Die Waha unterstehen kleineren Häuptlingen, welche theilweise Watussi-Blut haben. Den Verkehr mit der Aussenwelt vermittelt das Salz, welches in Uvinsa, im Süden des Landes, gewonnen wird und von sehr guter Qualität ist. Man trifft im Lande zahlreiche Wanyamwesi-Händler, welche Salz, Kleinvieh und Honig kaufen, und Messingdraht, wohl auch einzelne Gewehre einführen. Ebenso machen die Waha Reisen nach Unyamwesi und gelangen bis Tabora. Früher waren sie ihrer Ungastlichkeit halber berüchtigt, gegenwärtig lernte ich sie als gutmüthiges, freundliches Volk kennen, welches Europäern sehr geneigt scheint.
Es war oben schon mehrfach von den Wangoni oder Watuta die Rede, einem räuberischen Zulustamm, der vor jedenfalls nicht allzulanger Zeit aus Südafrika eingewandert ist und sich in Sprache, Tracht und Sitten sehr rein erhalten hat. Die Wangoni sassen früher in der Gegend von Urambo, von wo aus sie die Nachbargebiete verheerten. Nach ihrer Niederlage durch die deutsche Schutztruppe unter Lieutenant Langheld, zogen sie sich nach dem südlichen Ost-Ussui zurück, wo sie schöne Dörfer und Reiskulturen besitzen und vollkommen friedlich leben. Ich kam mit diesem merkwürdigen Stamm niemals in Berührung und kann daher nichts Näheres über denselben mittheilen.
Zuletzt erübrigt noch von jenem Volk zu sprechen, welches den Verkehr mit der Küste vermittelt und welches sich am meisten fremden Einflüssen und fremder Kultur zugänglich erweist: den Wanyamwesi. Alle Reisenden von Burton und Speke an, und darunter vorzügliche Beobachter wie Paul Reichard und Stuhlmann, haben sich bereits eingehend mit diesem Volke beschäftigt, sodass ich mich betreffs desselben kürzer fassen kann.
Unter Wanyamwesi verstehe ich die Bewohner der von den Küstenleuten als Unyamwesi bezeichneten Landschaft, die im Osten an die Massai-Steppen, an Turu und Ugogo, im Norden an den Victoria-Nyansa vom Speke-Golf bis zur Bukumbi-Bai, im Westen an Usinja, Ussirombo und Uha grenzt und sich gegen Süden in noch unbekannter Entfernung erstreckt.
Der Name Unyamwesi ist, wie ich durch viele und sorgfältige Erkundigungen im ganzen Lande, von Usukuma bis Urambo erfuhr, kein nationaler, sondern von den Küstenleuten dem Lande beigelegt. Er bedeutet »Mondland«, U-nya-mwesi d. i. Land des Mondes. Diese, schon den alten Reisenden bekannte Ableitung wurde neuerdings bezweifelt und behauptet, dass in Unyamwesi eine Stammsilbe »nyam« enthalten sei. Dies ist jedoch unrichtig wie man daraus ersehen kann, dass z. B. auch die Bewohner von Turu nicht »Waturu« sondern Wa-nya-turu, die Leute von Ruanda Wa-nya-ruanda genannt werden und dass es zahlreiche ähnlich lautende Landschaften, wie U-nya-nyembe, U-nya-nganyi giebt, woraus deutlich hervorgeht, dass »nya« etwa »von« bedeutet, also Wanyaturu »Leute von Turu«, Wanyamwesi, »Leute von Mwesi« Mondleute.
[228] Dass das im Worte enthaltene mwesi hier wirklich Mond bedeutet, wurde mir von alten Küstenleuten sowohl, wie auch von Eingeborenen stets versichert und kann als zweifellos betrachtet werden. Daraus jedoch einen Schluss ziehen zu wollen, dass Unyamwesi das Mondland der Alten sei, wie dies in neuerer Zeit vielfach geschah, scheint mir verfehlt. Ein solcher Schluss wäre nur gestattet, wenn der Name ein einheimischer wäre, während er wie gesagt den Küstenleuten, also den Swahíli seinen Ursprung verdankt. Wie diese dazu kamen das Land als »Mondland« zu bezeichnen, ist nicht schwer erklärlich. Denn den Arabern und damit auch den intelligenten Swahíli war ja sehr wohl bekannt, dass die alten Geographen ein »Mondland« im Innern Afrika's, an den Quellen des Nil, vermutheten. Als nun Karawanen in jene Länder vordrangen, war es sehr begreiflich, dass sie in dem reichsten und wichtigsten Lande des Innern, in dem Lande, welches im Handel die grösste Rolle spielte, das Mondland U-nya-mwesi zu erkennen glaubten. Oder mit anderen Worten: Nicht weil im Innern Ostafrika's ein Unyamwesi existirt, kann man darauf schliessen, dass dasselbe mit dem Mondland der Alten identisch sei, sondern weil die alten und arabischen Geographen in Innerafrika ein Mondland vermutheten, wurde diese Landschaft von den Küstenleuten »Unyamwesi« genannt.
Die Wanyamwesi selbst gebrauchen diese Bezeichnung unter einander niemals, sondern trennen sich in verschiedene grosse Stämme wie Watakama, Wasukuma[24], Wasumbwa, Wafioma und Wakonongo. Sie sind jedoch sehr deutlich als ein Stamm charakterisirt und sprechen auch dieselbe, nur dialektisch abweichende Sprache. Der Hauptunterschied zwischen den verschiedenen Wanyamwesi-Stämmen liegt in dem mehr oder weniger starken Eindringen der Küstenkultur.
Am ursprünglichsten haben sich die Wasukuma, besonders in den östlichen Distrikten von Ntussu und Meatu erhalten, während die Wasumbwa und Watakama, besonders die Leute von Urambo, in materieller Kultur den Swahíli der Küste kaum nachstehen.
Die Wanyamwesi sind mittelgrosse, kräftiggebaute Leute von meist dunkelbrauner Hautfarbe. Die südlichen Stämme sind schlanker und grösser, die Wasukuma untersetzt und dunkelfarbiger oder scheinen wenigstens so, da ihre Unreinlichkeit die Hautfarbe schwer erkennen lässt. Sie haben ziemlich ausgeprägten Negercharakter und physisch einen recht einheitlichen Typus. Nur die Bewohner des östlichen Usukuma, besonders die von Meatu, scheinen hamitische (Wataturu) Blutmischungen erhalten zu haben.
Alle Wanyamwesi sind unbeschnitten. Als Stammesmarke kann eine von der Nasenwurzel zum Ohre verlaufende Reihe von Narbenverzierungen gelten, auch werden die oberen vorderen Schneidezähne vielfach dreieckig ausgesplittert. Doch sind beide Merkmale nicht mehr allgemein verbreitet. Haarfrisuren kommen nicht vor, doch werden [229] die Haare vielfach rasirt. Die Ohrläppchen werden besonders in Usukuma ausgedehnt und Messingspiralen darin getragen. Die Weiber im Süden des Landes tragen nach Küstenart runde Holzscheiben im Ohr. Die ursprüngliche Kleidung der Wanyamwesi ist Fell, in den westlichen Distrikten auch Rindenzeug. In Usukuma tragen die Männer ein Ziegenfell, das den Oberkörper, niemals jedoch die Schamtheile bedeckt, manchmal gehen sie auch ganz nackt. Die Weiber tragen Lendenschurze aus Leder und verhüllen oft auch den Busen.
Sonst wird fast überall europäisches Baumwollzeug getragen, welches das solide eingeborene Baumwollzeug und das Rindenzeug fast völlig verdrängt. Letzteres dient kaum noch irgendwo als Kleidung, sondern nur mehr zu Schlafmatten. In Urambo, Unyanyembe, sowie anderen Plätzen der Karawanenstrassen sind bedeutende Mengen Baumwollzeug vorhanden und Männer und Weiber unterscheiden sich in der Tracht kaum von der Küstenbevölkerung.
Als Schmuck dienen Glas-, Holz- und Eisenperlen und mit Messing- oder Eisendraht umsponnene Darmsaiten, sowie Eisenarmringe. Die Elephantenjäger und ihre Frauen pflegen Armringe zu tragen die aus der Sohle des Elephanten geschnitten werden. Im östlichen Usukuma findet man sehr grosse milchweisse und blaue Glasperlen, die jetzt durch keine Karawane mehr eingeführt werden und sehr alten Ursprungs sind. Die jüngeren Weiber tragen Holzperlen als Amulett um den Hals; Eisenschmuck ist ein Zeichen verheiratheter Frauen. Als Kopfschmuck der Krieger dienen in Usukuma Büschel von Federn und Stroh (Abb. pag. 61).
Den Charakter der Wanyamwesi hat Paul Reichard mit grossem Geschick beschrieben. Bei allen ihren Fehlern ist ihnen doch ein ausserordentlicher Unternehmungsgeist und eine für Afrikaner seltene Arbeitskraft eigen, welche sie zu einem wichtigen Kulturelement macht.
Die Wohnung sämmtlicher Wanyamwesi ist die Rundhütte mit Kegeldach und cylindrischem, lehmverputzten Unterbau. In Usukuma und in den westlichen Distrikten hat sich diese Form noch rein erhalten, [230] in der weiteren Umgebung Tabora's wird die Hütte jedoch allmählich durch den Tembe ersetzt. Zu Speke's Zeiten, also Anfang der sechziger Jahre, gab es solche noch viel weniger und ältere Leute erinnern sich auch noch sehr genau an die Entstehung des Tembebaus. Derselbe fällt mit der Einführung der Feuerwaffen zusammen, gegen welche die alten Befestigungsformen nicht genug Schutz boten. Man erbaute daher um die Rundhüttendörfer Tembenringe, deren Styl halb den Arabern Tabora's, halb den Wagogo entlehnt war.
Ursprünglich waren diese Temben reine Befestigungen und nicht bewohnt; ich fand heute noch solche unbewohnten Tembenringe in Kirambo. Später zwang der Raummangel sie zu bewohnen, neue Aussenbauten mussten natürlich im Tembestyl erbaut werden und nach und nach entwickelten sich aus den Dörfern förmliche Labyrinthe, deren Mittelpunkt jedoch noch sehr oft einige grosse Rundhütten des Häuptlings einnehmen. — Die Temben haben rechteckigen Querschnitt, sind aber mannshoch und besitzen glattverputzte Wände und ein ebensolches Dach. Gegen aussen und gegen die Eingänge zu sind sie mit Schiessscharten versehen und bilden oft recht starke kleine Festungen (Abb. pag. 62, 93 u. 113).
Die grössten und schönsten Rundhütten in Unyamwesi, überhaupt im Innern Afrika's, sah ich in Urambo. Sie sind sehr sorgfältig und fest erbaut und haben ca. 10-15 m Durchmesser und 12-30 m Höhe. Letztere Höhe sah ich bei den wahrhaft pyramidalen beiden Hütten des Häuptlings Mlamira von Kirambo, in welchen Hunderte von Menschen Platz haben. Sie ähneln im Styl den Hütten der Wasegua. Ein Verandaraum, dessen Aussenwand theils mit Lehm ausgefüllt ist, theils nur aus Pfosten besteht, umschliesst ringförmig den cylindrischen Innenraum, der meist keine Theilung hat und mit dem Dach einen sehr hohen Raum bildet. Darin steht das Bett aus glatten Brettern und der Feuerheerd, bestehend aus drei festgebrannten Lehmkegeln. Das Dach ohne Mittelpfeiler ist stark geneigt und mit ziegelförmig übergreifenden, koncentrischen Grasschichten sorgfältig gedeckt. Das Getreide wird in eigenen Vorrathshütten untergebracht.
Aehnlich, doch weit mangelhafter sind die Hütten der Wasegua errichtet. Sie besitzen ebenfalls keinen Mittelpfeiler. Der Innenraum ist meist durch eine Querwand in zwei Hälften getheilt, deren vordere das Vieh, die hintere, ganz dunkle die Menschen bewohnen. In einem durch Stangen abgegrenzten Dachraum sind mächtige Vorrathskörbe für Getreide aufgestapelt.
In Usukuma sind die Dörfer nicht selten wie in Schaschi durch buschige Euphorbienhecken in kleine Komplexe getheilt. Fast stets schliessen sie sich an die felsigen Granithügel der Gegend, die als natürliche Befestigungen dienen und deren Klüfte im Nothfall einen Zufluchtsort bieten. In den Wasumbwa-Gegenden überwiegt der Stangenzaun noch vor der Tembebefestigung, während diese sonst überall vorherrscht.
[231] Im Gegensatz zu vielen ihrer Nachbarn, welche, wie die Warundi, in Weilern hausen, sind die Wanyamwesi echte Dorfbewohner und vereinen sich stets zu oft sehr ansehnlichen Niederlassungen. Vielleicht hat dieser, durch die kriegerischen Verhältnisse begünstigte Geselligkeitstrieb viel zu der Entwickelung dieses Volkes beigetragen. Wenigstens findet man in Urambo, wo die grössten Dörfer liegen und alle Bewohner sich in ausgedehnten Ortschaften koncentriren, auch die höchste Kultur in Unyamwesi.
Die Wanyamwesi sind sehr tüchtige Ackerbauer, ihre Felder sind gut gehalten und werden mit grosser Sorgfalt gepflegt. Die Hauptnahrungspflanze ist Sorghum. Neben dieser wird auch vielfach Mais und Mawele (Penicillaria), in Usmau, Urambo und Unyanyembe auch Reis gebaut, der durch die Araber eingeführt wurde. Ausserdem giebt es fast überall Hülsenfrüchte, Mais, Pataten, Kürbisse, Gurken, Grundnüsse, seltener Bananen, Tomaten und Maniok. Baumwolle wird in Usukuma, Tabak und Hanf überall angebaut. Wo die Wanyamwesi mit Arabern und Küstenleuten in nähere Berührung kamen, merkt man deren Einfluss in der Anlage der Felder und in dem Vorhandensein fremder Kulturpflanzen, an welche sie sich rasch gewöhnen. Ausser dem Reis haben sie in vielen Gegenden auch Obstbäume, Citronen, Mangos, Guayaven und Papayas übernommen.
Den Sorghum pflegt man nach der Ernte auf flachen Steinplatten mit langen Stangen zu dreschen, sodann wird er in Holzmörsern weiter enthülst und in den Vorrathsbehältern aufbewahrt. Auf flachen Steinplatten wird er mit einem Reibstein zu Mehl gemahlen. Nach der Arbeit wird der Mahlstein mit einem eigenen Besen reingekehrt. Durch das fortwährende Reiben wird die Steinplatte nach und nach ausgehöhlt und die Granitfelsen Usukuma's tragen oft derartige Vertiefungen, die auf alte Dorfstätten schliessen lassen, wo sonst längst keine Spur mehr von solchen vorhanden ist.
Die Viehzucht hat in Unyamwesi durch die Rinderseuche stark gelitten, welche einen grossen Theil der Zeburinder wegraffte, so dass man solche nur selten antrifft. Doch giebt es überall und besonders in Usukuma viele Ziegen und Schafe, letztere mit sehr schwachem Fettschwanz, sowie Hühner, deren Eier nicht gegessen werden. Tauben findet man besonders in Urambo, wo sie in netten Taubenschlägen gehalten werden. Die Wanyamwesi essen Fische in vielen Gegenden garnicht und schätzen dieselben überhaupt nicht sehr, während sie (hauptsächlich die Wakonongo) gedörrte Maden mit Vorliebe geniessen. Tabakrauchen ist bei Männern und Weibern sehr beliebt, auch der Hanf, der aus Kürbiss-Wasserpfeifen geraucht wird, ist weit verbreitet.
[232] In vielen Gegenden jagen die Wanyamwesi eifrig; es giebt unter ihnen berufsmässige Elephantenjäger (Makua), die den Küsten-Makua starke Konkurrenz machen.
In den Geräthen und Waffen der Wanyamwesi zeigt sich ebenfalls die Tendenz, von anderen Stämmen ihnen passendes zu entlehnen und nach eigenem Ermessen abzuändern.
Besonders interessant ist das eingeborene Baumwollenzeug, ein ungemein festes Gewebe, welches schwarze und gelbe Streifen und einen Quastensaum hat.[25] Es ist jedenfalls eine Nachahmung der Küstenbaumwollzeuge, zu welcher wohl ursprünglich Swahíli oder Araber die Anleitung gaben. Diese Stoffe wurden viel erzeugt als Küstenzeug noch selten war. Gegenwärtig hat die Herstellung dieses Zeuges im südlichen Unyamwesi ganz aufgehört und beschränkt sich auf Usukuma. Rindenzeug wird, wie erwähnt, fast garnicht mehr gefertigt.
In Schmiedearbeiten sind die Wanyamwesi recht geschickt; die Hackenklingen beziehen sie zwar aus Usinja und auch in Usukuma sind die Schmiede meist Warongo aus Usinja, doch im Süden, besonders in Urambo, trifft man einheimische Arbeiter. Diese hausen in eigenen offenen Hütten und verstehen selbst Gewehrbestandtheile zu repariren. Sie benutzen nicht selten Schraubstöcke und andere Geräthe von der Küste.
An Waffen trifft man sehr verschiedenartige Formen. Im Süden des Landes, hauptsächlich in Urambo und Unyanyembe, herrschen Kapselgewehre vor, in Usukuma sind solche noch sehr selten. Als ursprüngliche Waffe der Wanyamwesi erscheint der Wurfspeer mit eingelassener Spitze, wie er heute noch im östlichen Usukuma in charakteristischer Form gebraucht wird (Abb. pag. 61). Daneben giebt es allerlei Arten Zwingenspeere: kurze mit Messingverzierung, lange mit lanzettförmiger Spitze und Paradespeere (in Ntussu), die im Kleinen die Massai-Speere nachahmen. Wuchtige Spiesse mit eingelassenem Dorn werden auf Elephantenjagden benutzt; deren Spitze ist manchmal vergiftet. Nur bei Tänzen dient die in Usukuma übliche alte Form der Wataturu-Speere.
Leichte Bogen mit Pfeilen und Köcher trifft man überall, die Pfeile werden nicht selten vergiftet. Schilde giebt es fast nur in Usukuma, sie sind aus Büffelhaut, länglich mit einer Einkerbung in der Mitte (Abb. pag. 61).
Als Musikinstrumente dienen die halb eiförmig geformten Karawanen-Trommeln (Mganda), Antilopenhörner und lange aus Rohr und Kalebassen gefertigte Trompeten.
Korbwaaren werden mit grossem Geschick gefertigt und es dient dazu eine eigene Nadel. Ebenso sind grosse und kleine Töpfe hübsch ausgeführt.
Besonders charakteristisch für die Wanyamwesi ist der Karawanenhandel, der den tiefgehendsten Einfluss auf ihr ganzes Dasein ausübt. Während fast alle anderen Stämme Ostafrika's, [233] selbst jene unweit der Küste, in ihrer bedürfnisslosen Indolenz ruhig daheimbleiben und höchstens genehmigen, dass Karawanen von der Küste zu ihnen kommen, haben die Wanyamwesi schon seit Jahrzehnten selbst Karawanen zusammengestellt und dieselben nach der Küste sowohl, wie auch nach entfernten Elfenbeingegenden gesandt. So alt übrigens als man vielfach annimmt — also etwa bis ins klassische Alterthum zurückreichend — ist dieser Karawanenhandel keineswegs. Dies beweist nicht nur die überall verbreitete Tradition, sondern auch die ungeheuere Zunahme, welche der Karawanenverkehr und damit die Einführung europäischer Erzeugnisse seit den sechziger Jahren genommen und der Umstand, dass gewisse Stämme notorisch erst in ganz jüngster Zeit sich an diesem Handel betheiligt haben.
[234] Einen Anhaltspunkt für das Alter des Karawanenverkehrs bietet uns der Stammbaum der Häuptlinge von Unyanyembe:
Swetu I.
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Fundikila
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Miasere --------+
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Swetu II. Kiunge (Ziehsohn)
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Bibi Niasso Isike.
Swetu I. soll alt geworden sein, Fundikila starb als reifer Mann, Miasere starb jung und hinterliess den unmündigen Swetu II., an dessen Stelle sich sein Ziehsohn, Kiunge, der Herrschaft bemächtigte. Dessen Sohn war der bekannte Isike (Sike), dessen Feste 1893 von Lieutenant Prince gestürmt wurde, worauf Bibi Niasso eingesetzt wurde.
Swetu I. hat also vor höchstens 100 Jahren regiert. Unter seiner Regierung drangen die Elephantenjäger Mparangombe und Ngogome aus Usagusi — die heute noch in zahlreichen Liedern verherrlicht werden — so weit nach Osten vor, dass sie mit zeugtragenden Eingeborenen und Küstenhändlern zusammentrafen. Letzteren folgten sie an die Küste und gaben dann, in die Heimath zurückgekehrt, den Anstoss zur Eröffnung des Karawanenverkehrs. Das Erscheinen der Wanyamwesi an der Küste gab auch den Swahíli und Arabern Veranlassung in dieses neuerschlossene Land einzudringen. Dies geschah ca. 1830; doch erst 1846 wurde Tabora begründet, nachdem eine etwas ältere Niederlassung in Msenne bei Urambo aufgelassen worden war. Das Jahr der Begründung Tabora's ist vielen dort lebenden Arabern genau bekannt.
Das Vorhandensein Tabora's als Handelsemporium gab den Wasukuma Veranlassung dorthin zu kommen und ihre Produkte umzutauschen. Diese waren früher niemals aus ihrem Lande, geschweige denn an die Küste gekommen und erinnern sich daran, dass Swahíli, die aus dem Massai-Lande, also wohl von Tanga oder Mombas kamen, ihnen zuerst Baumwollzeuge brachten. Auch nach Begründung Tabora's kamen die Wasukuma Jahre lang nur dahin und ziehen erst seit ca. 20 Jahren nach der Küste.
Die grösste Bedeutung hat der Karawanenhandel bei den Wasumbwa des westlichen Unyamwesi erlangt, die überhaupt die höchste Entwicklung ihres Stammes darstellen. Sie unternehmen Züge nach Unyoro, Ruanda und Manyema, früher reisten sie auch nach Umbugwe und an die Grenze des Massai-Landes, doch hat dies aufgehört, seit die Wasukuma ihnen dort zu starke Konkurrenz machen. Diese bereisen die Uferländer des Victoria-Nyansa bis nach Kavirondo hin. Sobald diese Handelszüge genügend Elfenbein gebracht haben, wird eine Karawane nach der Küste zusammengestellt, an der sich auch viele Leute betheiligen, die dort Arbeit und Verdienst suchen. Mit Zeug und andern Artikeln reich [235] beladen kehren die Karawanen in die Heimath zurück, um bald wieder neue Züge nach entfernten Gegenden zu unternehmen.
Die Wanyamwesi sind tüchtige, sehr ausdauernde Träger, allerdings nur auf Karawanenstrassen brauchbar, wo sie reichlich Wasser und Nahrung bekommen. Sie haben die unangenehme Eigenschaft nur auf den Schultern zu tragen, so dass die Lasten alle länglich oder in Halblasten, Midalla, verpackt werden müssen, die an die Enden einer Stange gebunden werden können. Diese scheuert die Schulter des Trägers nicht selten blutig, was ihn jedoch wenig zu kümmern scheint.
Der Karawanenverkehr gab auch Veranlassung zur Auswanderung und Begründung von Kolonien im Auslande. Der Grund dazu lag theils in politischen Unruhen, theils in dem natürlichen Wandertrieb dieses Volkes. Man findet Wanyamwesi-Kolonien nicht nur in Ugogo, Ussandaui, Irangi und neuestens auch in Umbugwe, sondern auch in Manyema und Katanga. Ueberall gelangen sie den Eingeborenen gegenüber zu Einfluss und bilden ein wichtiges Kulturelement.
Ueber das innere Leben der Wanyamwesi theile ich nur der Vollständigkeit halber einige Notizen mit, die ich im Lande sammeln konnte und verweise im Uebrigen auf Reichard und Stuhlmann, die Gelegenheit hatten den Stamm genauer kennen zu lernen.
Die Geburt eines Kindes giebt keinen Anlass zu besonderen Festlichkeiten, höchstens die von Zwillingen wird durch einen Tanz gefeiert. Der Vater giebt dem Kinde einen Namen — meist nach dem Grossvater oder der Grossmutter — den es lebenslang behält. Daneben sind oft viele Spitznamen üblich, die oft bekannter als der wirkliche Name sind. In Usukuma ist der Kindesmord unbekannt. In den von Swahíli vielbesuchten Gegenden, wie Urambo, hat sich der Küstenaberglaube verbreitet, dass ein mit Zähnen geborenes Kind dem Vater den Tod bringe. Es wird aber nur getödtet, wenn der Vater ein Häuptling ist. Als Kinderspielzeug dienen aus Lehm gefertigte kleine Puppen. Der Bräutigam erwirbt die Braut durch Kauf vom Vater; nach einem Tanzfest wird sie ihm übergeben. In Usukuma wird nach der Brautnacht ein Ochse geschlachtet und mit den Verwandten verzehrt. Vielweiberei ist üblich, in Usukuma hat aber nur ein Häuptling mehr als zwei Frauen. Eine unbeliebte Frau wird einfach zurückgeschickt, der Vater muss dann den Preis wieder herausgeben. Bei den Wasumbwa muss der Vater selbst im Todesfall der Frau den Brautpreis ersetzen, oder eine Schwester der Frau stellen.
Bei Krankheiten werden entweder Pflanzenmedizinen angewandt oder der Zauberdoktor geholt, der dann aus Hühnerdärmen bestimmt, welche Krankheit vorhanden ist und diese durch allerlei Hokuspokus mit einem Holzschüsselchen, mit Amuletten u. s. w., auszutreiben sucht. Ein Besessener geniesst in Urambo ein Schaf mit Zauberarznei, [236] geheilt darf er keinen Kopf, Herz oder Magen und kein am selben Tage geschlachtetes Thier essen. Wie so viele Bantu, so glauben auch die Wanyamwesi nicht an natürlichen Tod. Stirbt Jemand an einer Krankheit, so wird der Zauberdoktor befragt, der dann wieder aus Hühnerdärmen sein Orakel fällt. Dasselbe lautet entweder dahin, dass die Geister der Verstorbenen ihn getödtet hätten, oder Jemand wird als der Bezauberer genannt. Dieser wird in Urambo von den Verwandten getödtet, in Usukuma vor den Häuptling gebracht, sein Vermögen eingezogen und er selbst verbannt. Das Honorar des Zauberdoktors beträgt eine Hackenklinge.
Todte werden bei den Wasumbwa in den Busch geworfen, nur Häuptlinge auf einem Stuhl sitzend begraben. In Usukuma werden alle Verstorbenen mit angezogenen Beinen, auf der Seite liegend, begraben, der Häuptling hockend mit erhobener Rechten, die durch Lehm gestützt wird.
Den Geistern der Verstorbenen, die den Lebenden im Traum erscheinen, werden kleine Hütten erbaut und Opfer an Pombe und Mehl dargebracht. Stätten von Geistern, wie Baobabs, werden mit Gras bestreut. Sonst schützt man sich vor ihrem Treiben durch Amulette, deren es für jeden Zweck, für Jagd, Viehzucht, Krieg u. s. w. verschiedene giebt. Menschliche Holzfiguren sind sehr selten, ich fand eine solche in Usukuma, die bei Geistertänzen dienen soll.
Die Wanyamwesi werden von Mtemis (Häuptlingen) regiert, deren Verwandte Mwanangwa (Prinzen) genannt werden. Auch hier zeigt sich die Erscheinung, dass grössere Königreiche nach und nach in kleine Fürstenthümer zerfallen. Eine Art Oberherrschaft über fast ganz Unyamwesi übte Jahre lang der bekannte Mirambo von Urambo aus. Auch dessen Nachfolger, Mpanda Charo (Beherrscher der Königreiche), spielte noch eine grössere Rolle, während unter dem jetzigen jugendlichen Häuptling Tuga Moto das Reich immer mehr zerbröckelt. Ein Theil der Wafioma erkennen Kassusura von Ost-Ussui als ihren Herrscher an.
Die Häuptlingswürde ist thatsächlich erblich, dem Namen nach besteht ein Wahlkönigreich, doch wird eben fast immer der Sohn oder sonst nächste Verwandte des verstorbenen Häuptlings gewählt. Manche Häuptlingsfamilien behaupten von Watussi abzustammen, doch lässt ihr Typus davon jedenfalls nichts mehr erkennen. Kleine Stammkriege sind [237] häufig und werden mit ziemlicher Erbitterung geführt, die Dörfer des geschlagenen Feindes werden verbrannt. Kriegsgefangene werden zu Sklaven gemacht und meist an Küstenleute verkauft. Im Lande selbst findet man auch ziemlich viele Sklaven aus Manyema, vom Tanganyika u. s. w., die sich guter Behandlung erfreuen.
Grössere Kriegs- und Raubzüge werden von einzelnen Häuptlingen mit ihren »Ruga-Ruga« (Räubern) ausgeführt, die phantastisch geschmückt ins Feld ziehen und oft zur wahren Landplage werden.
Die Wanyamwesi sind ein kriegerischer und muthiger Stamm, besonders wenn es sich um die Vertheidigung von Haus und Feld gegen einen wirklichen oder eingebildeten Feind handelt. Sie sind dann weit ernstere Gegner als etwa die Massai und wissen ihre zahlreichen Gewehre und ihre festen Dörfer tüchtig auszunutzen. Europäern sind sie im Allgemeinen geneigt und wenn es doch in Unyamwesi zu Kämpfen kam, so ging die Veranlassung dazu von Leuten aus, welche, wie Isike von Tabora, Feinde jeder geordneten Regierung sind. Der durchaus praktische Sinn der Wanyamwesi erkennt weit leichter als andere Eingeborene den ungeheueren Vortheil, den der direkte Verkehr mit Europäern für sie haben kann. Missionare und Reisende fanden denn auch niemals ernste Schwierigkeiten in Unyamwesi, erstere werden überall als Freunde betrachtet, haben allerdings im Bekehrungswerk fast gar keinen Erfolg, da der Mnyamwesi in religiöser Beziehung vollkommen gleichgiltig ist. Selbst der Islam, der doch sonst auf schwarze Naturmenschen eine zauberhafte Anziehungskraft ausübt, macht in Unyamwesi gar keine Proselyten.
Im Gegensatz zu den phantasiereichen, leicht erregbaren Waganda sind die Wanyamwesi eben durchaus materiell angelegte praktische Leute, die von Fremden nur das annehmen, was für ihre Bequemlichkeit förderlich ist. Man kann daher in Urambo, drei Monate von der Küste, reinlichere und besser bekleidete Menschen und schönere Felder und Dörfer antreffen, als etwa im Wadigoland, drei Stunden von der Küste. Diese leichte Aneignung neuer Bedürfnisse, verbunden mit grossem Unternehmungsgeist und bedeutender Arbeitskraft, lassen die Wanyamwesi als ein für koloniale Zwecke hoch geeignetes Menschenmaterial erscheinen. Deutschland kann sich beglückwünschen, ein solches Volk in seinen Schutzgebieten zu besitzen und die Engländer würden wohl gern ihre vielgepriesenen, intelligenten aber faulen und fanatischen Waganda hergeben, wenn sie dafür so ruhige, unermüdliche Arbeiter eintauschen könnten, wie die Wanyamwesi.
Zum Schluss sei es auch hier gestattet, die Völker des Nyansa-Tanganyika-Gebietes überblickend, einen Schluss auf deren ursprüngliche Wanderungen zu ziehen.
Als Ureinwohner dieser Gebiete erscheinen die Pygmäen-Völker, Jägerstämme von niedrigem Körperbau, die mit Bogen und Pfeil dem Wild nachstellten. In Urundi treten sie als Watwa noch heute auf und bilden die Verbindung mit den gleichnamigen Pygmäen-Stämmen der [238] Kongowälder. Im Osten sind sie durch die Wanege der Wembere-Steppe vertreten, während sie in den dicht bewohnten centralen Gebieten völlig verschwunden sind.
Diese wurden von einem mächtigen Bantustamm mit der Wandertendenz von Nord nach Süd, den Nyansa- (Zwischenseen-) Völkern, eingenommen, welche die Ufergebiete des Victoria-Nyansa in West und Ost und den grössten Theil des heutigen Unyamwesi einnahmen. Auf sie drückten die Wanyamwesi mit der Wandertendenz von Süd nach Nord, erreichten den Victoria-Nyansa und theilten die Nyansa-Völker in zwei Gruppen, die sich von da ab selbstständig entwickelten. Es sind dies die östlichen Nyansa-Völker, bestehend aus den Waschaschi, Wanyairamba und Wanyaturu, von welchen die Waschaschi sprachlich zweifellos der Wanyoro-Gruppe angehören, während die Wanyairamba und Wanyaturu aus ethnographischen Gründen diesen Stämmen beigezählt werden müssen, und die westlichen Nyansa-Völker. Diese bestehen aus den Völkergruppen, die sich von Unyoro bis Ussambiro und Usinja im Westen des Victoria-Nyansa ausdehnen.
Unabhängig von den Wanyoro-Völkern und wahrscheinlich den Wanyamwesi näher als diesen stehend sind die Warundi-Völker, welche den Ostrand der Centralafrikanischen Spalte vom Tanganyika bis zum Albert-Edward-See, also Uha, Urundi und Ruanda bewohnen.
Erst lange nach Ansiedlung dieser Bantustämme traten die Hamiten als Watussi auf, welche, aus den Galla-Ländern kommend, nach und nach sich über das Nilquellgebiet und bis Unyanyembe und Fipa ausdehnten. Theils behielten sie ihre ursprüngliche Stellung als Hirten bei, theils verwandelten sie sich in eine herrschende Klasse, dabei ihre Sprache und Nationalität einbüssend. Aufs tiefste wurden die westlichen Nyansa-Stämme sowohl körperlich (durch Blutmischung) als geistig durch diese Hamiten beeinflusst, während die Wanyamwesi und Warundi trotz vielfacher Berührung sich reiner erhielten. Von den Watussi unberührt blieben die östlichen Nyansa-Völker, welche daher einen reinen, ursprünglicheren Zweig dieser Gruppe repräsentiren, jedoch durch die spätere Einwanderung der Hamiten mit nilotischer Sprache (Massai und Wataturu) und das südliche Vordrängen der reinen Niloten (Wagaya) beeinflusst wurden. Eine sehr junge Einwanderung aus dem Süden stellen die Wangoni vor, die der Zulu-Gruppe angehören.
Wenn wir die Gesammtheit der Nilquellvölker überblicken so finden wir, dass dieselben sprachlich ziemlich einheitlich sind und durchwegs der Bantugruppe angehören. Für den Linguisten findet sich hier also kein so reiches Material als im abflusslosen Gebiete, wenn auch vielleicht das Studium dieser nördlichsten Bantu-Idiome Ostafrika's geeignet ist auf den Zusammenhang der grossen Bantu-Gruppe mit den hamitischen Sprachen Licht zu werfen.
Ein wahrhaft klassisches Land ist das Nilquellgebiet, besonders Urundi und Ruanda, für den Ethnologen. Hier konnte sich, fern von dem nivellirenden Einfluss der Karawanenstrassen eine primitive [239] Kultur entwickeln, wie sie gleich unverfälscht nur selten zu treffen ist. Auffallende Erscheinungen bieten sich hier in reicher Fülle; ich erwähne nur das Auftreten des Rindenzeuges in einem scharfumgrenzten Gebiet im Herzen Afrika's, welches westlich an Mattenzeug, östlich und nördlich an Fellkleidung grenzt. Das Studium der ethnologischen Thatsachen, welches geeignet ist auf alte, vielleicht sogar egyptische Kultureinflüsse Licht zu werfen, ist jedoch nicht nur wichtig sondern auch in hohem Grade dringlich zu nennen. Denn mit dem Vordringen des Küstenhandels wird das Land mit europäischen Industrie-Artikeln überschwemmt und die einheimische Kultur, die auf Jahrhunderte zurückreicht, geht mit einem Schlage verloren. Dem Pionier freilich, der in raschem Fluge weite Länderstriche durcheilt, ist es nicht möglich die Fülle der Erscheinungen festzuhalten. Dazu bietet sich dem Stationsbeamten, dem Missionar, reiche Gelegenheit, der jahrelang unter einem und demselben Volksstamm lebt. Wie selten aber wird gerade in Deutsch-Ostafrika diese Gelegenheit ausgenutzt!
Der Karawanen-Handel. — Die Massai-Karawanen. — Der Tabora-Handel. — Die Manyema-Araber. — Rohprodukte des Landes. — Anbaufähigkeit des Gebietes. — Bevölkerungsdichtigkeit. — Kulturpflanzen. — Viehzucht. — Import. — Eingeborene und fremde Einwanderung. — Ostafrikanische Eisenbahnen.
[240] Die Gebiete des tropischen Afrika, welche erst vor wenigen Jahren aus ihrem Dunkel hervorgetreten sind und begonnen haben, für die europäischen Nationen eine praktische Bedeutung zu gewinnen, diese ungeheuren Striche sind ihrem ganzen Wesen nach Zukunftsländer, also solche, deren Werth nicht nach dem bemessen werden kann, was sie heute liefern, sondern nach dem, was sie einmal liefern werden.
Dieser unzweifelhafte Satz ist von Freunden und Gegnern der Kolonial-Politik vielfach unrichtig aufgefasst worden. Während er den ersteren Veranlassung zu den kühnsten Hoffnungen bot, liess er letztere alles schwarz sehen. Gegenwärtig jedoch, wo der erste koloniale Taumel verraucht ist, wo die »Schwärmer« theilweise abgekühlt sind, die Gegner jedoch durch die Thatsachen langsam gewonnen werden, gegenwärtig ist es an der Zeit, koloniale Fragen völlig nüchtern zu erörtern. Der richtige Weg dazu scheint doch immer der zu sein, erst festzustellen, was die fraglichen Länder heute liefern und daraus Schlüsse auf die Zukunft zu ziehen.
[241] Wenn wir nun die weiten Gebiete Deutsch-Ostafrika's überblicken, welche die Massai-Expedition auf ihren Zügen durchstreifte, so finden wir, dass dieselben seit Jahren nur zwei Produkte geliefert haben: Elfenbein und Sklaven. Einzig die Gier nach diesen war es, welche die Araber und Swahíli ins Innere des Kontinentes trieb, einzig und allein diese beiden Produkte riefen den ganzen Karawanenverkehr Centralafrika's hervor.
Von den Karawanen, welche Handelszüge ins Innere unternehmen, sind jene nach den Massai-Ländern und jene auf der Tabora-Strasse ziemlich wesentlich von einander verschieden.
Die Massai-Karawanen, die von Mombas, Wanga, Tanga oder Pangani, selten von Sadani ausgehen, sind wahrscheinlich älter als die der Tabora-Route und schlossen sich unmittelbar an den Handel an, der von Makdischu aus mit dem Binnenlande getrieben wurde. Die eigentlichen Unternehmer sind Inder, welche an einen oder mehrere Swahíli Vorschüsse geben, die nach der Rückkehr in Elfenbein ausgezahlt werden müssen. Araber betheiligen sich fast garnicht direkt am Massai-Handel, stellen den Karawanen jedoch vielfach ihre Sklaven als Träger und erhalten dafür einen Antheil von der Löhnung. Die Karawanen sind selten unter 100, oft bis 500 Mann stark und bestehen ausschliesslich aus Küstenleuten, die durchweg mit Vorderladern bewaffnet sind. In Taveta oder Aruscha lösen sich grosse Karawanen in kleine Abtheilungen von 100 bis 150 Mann, oft noch weniger, auf, die dann auf verschiedenen Routen ins Massai-Land vorrücken. Die Linien, welche hauptsächlich begangen werden, sind die folgenden:
Von Taveta oder Ukambani nach Kikuyu und Njemps am Baringo.
Von Aruscha über Ober-Aruscha nach Nguruman und Njemps.
Haben die Karawanen einen Inlandposten erreicht, so gründen sie meist ein befestigtes Lager, von dem aus sie Streifzüge nach der fernen Umgebung machen. Von Unter-Aruscha durchstreift man die Massai-Steppe bis Kiwaya hin, von Ober-Aruscha dringt man über Mutyek nach Elmarau und Ngoroïne vor. Von Nguruman werden Vorstösse nach Sonyo und Ndassekera gemacht und der Naivascha-See ist der Ausgangspunkt für die Routen über Mau nach Kavirondo und nach den Plateauländern von Lumbwa, Nandi und Kossowa. Die wichtigste Station bleibt jedoch Njemps, von der aus Reisen nach Kamassia und Kavirondo, sowie nach Leikipya und zum Rudolf-See unternommen werden.
Das Elfenbein, sowie die Nahrungsmittel, deren die Karawanen bedürfen, werden stets von den Eingeborenen gekauft, Gewaltthätigkeiten üben die Massai-Händler niemals aus. Sie sind im Gegentheil den Eingeborenen gegenüber stets der leidende Theil und haben unter Erpressungen und Räubereien schwer zu leiden. Ueberhaupt ist eine Massai-Reise stets ein sehr gewagtes Unternehmen. Wenn auch von Seiten der Eingeborenen, besonders der Massai, heute kaum mehr [242] Gefahren vorliegen, so drohen doch Hunger und Wassermangel in den weiten unbewohnten Strichen und ein Drittel der Leute ist fast immer dem Untergange geweiht.
Ausser Elfenbein bringen die Karawanen stets auch einige Sklaven nach der Küste, meist Kriegsgefangene der Eingeborenen, die sie von diesen kaufen oder auch in seltenen Fällen rauben. Früher wurden fast nur Kavirondo- und Wakamba-Sklaven an die Küste gebracht, gegenwärtig, wo die Hungersnoth im Massai-Land wüthet, schliessen sich auch zahlreiche Massai den Karawanen an und werden an der Küste verkauft. Im Allgemeinen ist der Sklavenhandel der Massai-Karawanen ein ganz unbedeutender und fast völlig frei von den Gräueln des Sklavenraubes.
Das Erträgniss dieser Reisen wird mit jedem Jahre geringer. Im deutschen Massai-Gebiet ist das Elfenbein nahezu erschöpft und fast alles, was an die Küste gebracht wird, stammt aus der englischen Interessensphäre. Doch liegen drei wichtige Centren des Massai-Handels, Ober- und Unter-Aruscha und Nguruman im deutschen Gebiet, von welchem allerdings nur Unter-Aruscha im Machtbereich der Kilimanjaro-Station liegt.
Da die Stämme, mit welchen die Karawanen in Verbindung treten Baumwollzeug wenig schätzen, so besteht die durch sie vermittelte Einfuhr fast nur in Eisen- und Messingdraht und Glasperlen. Feuerwaffen und Munition haben sie niemals in irgendwie nennenswerthen Qualitäten eingeführt, wie denn überhaupt ihr Einfluss auf das materielle Dasein der Eingeborenen ein ganz unbedeutender ist. Es liegt dies hauptsächlich darin, dass sie niemals im Innern dauernde Niederlassungen gründen, während solche für die Händler der Tabora-Route charakteristisch sind. Auf letzterer bewegen sich auch ständig Handelszüge der Eingeborenen nach der Küste, während von solchen in den Massai-Gebieten keine Rede ist.
Auch für den Tabora-Handel, der in Bagamoyo und Sadani seine Hafenplätze hat, sind Inder die eigentlichen Unternehmer. Vor Allem spielt das grosse Sansibar-Haus Tarya Topan eine leitende Rolle, als deren Agenten die hervorragendsten Araber, wie Tippo-Tip in Manyema, Saïd bin Omar in Irangi u. A. zu betrachten sind. Die Karawanenführer, überhaupt die Leiter der Inland-Unternehmungen sind jedoch fast ausschliesslich Araber. Diese haben von jeher das Vorgehen befolgt: Inlands-Stationen zu gründen und von diesen aus ihre kommerzielle Verbindung auf die Umgebung auszudehnen, die dann zur Gründung neuer Niederlassungen führte. So wurden Usagara und Irangi, und später auch Tabora begründet.
Um das Jahr 1830 drangen die Araber über Usagara hinaus nach Unyamwesi, begründeten aber erst 10 Jahre später eine Niederlassung in Kigandu, etwa zwei Tagereisen nördlich vom heutigen Tabora. Etwa gleichzeitig wurde Msenne bei Urambo begründet, welches lange Jahre »die Hauptstadt der Küstenaraber und Swahíli« war. Burton, der Msenne 1858 besuchte, fand dort zahlreiche grosse Temben und Hütten [243] im Küstenstyl und konnte sämmtliche Tauschwaaren erhalten. Weit unbedeutender war zu Burtons Zeit Kazeh, ein Ort, nach welchem 1852 die Niederlassung in Unyanyembe von Kigandu aus verlegt wurde. 1840 wurde von Msenne aus Ujiji begründet und erst 1846 das heutige Tabora, das Anfangs unwichtig, später alle anderen Niederlassungen überflügelte und lange Zeit der Centralpunkt des Handels war.
Diese Stationen sind nicht nur Handelsniederlassungen, sondern auch Mittelpunkte für die Elephantenjagd, das sogenannte Makua-Geschäft. Dieses besteht darin, dass ein Araber oder Swahíli mit einem oder mehreren Elephantenjägern in ein Vertragsverhältniss tritt. Die ersten Jäger, welche vom Sultan Seyid Saïd eingeführt wurden, waren Makua, und dieser Name hat sich auf ihre Nachfolger übertragen, obwohl sie allen Stämmen des Küstengebietes und Unyamwesi's angehören. Sie leben in kleinen Gruppen unter Anführung eines »Fundi« (Meisters), welcher den Jagdzauber fertigt von dem alles abhängig gemacht wird. Viele kommen Jahrzehnte lang nicht nach der Küste, manche sind sogar im Innern aufgewachsen, alle werden durch das Leben in der Wildniss zu rauhen, trotzigen Gesellen.
Der Unternehmer versieht diese Leute mit Pulver und Gewehren, dann gehört von jedem erlegten Elephanten ein Zahn den Jägern und einer dem Kaufmann. Auf ihr Elfenbein erhalten die Jäger jedoch meist zu wucherischen Bedingungen Vorschüsse in Bedarfsartikeln, Zeug u. s. w. und kommen aus den Schulden nicht heraus. Dabei wird der Beruf ein immer mühsamerer, denn die Elephanten ziehen sich begreiflicherweise immer weiter in unbewohnte Gebiete zurück und schwinden überhaupt sehr merklich. An Orten wo sie früher zahlreich waren, wie am Gurui-Berg, sind sie nahezu ausgerottet. Die Jäger aus Usagara und Irangi durchstreifen jetzt hauptsächlich die östliche Massai-Steppe und das Umbugwe-Gebiet, jene von Usukuma beuten das Wembere-Gebiet aus und wagen sich in die Nyansa-Gegenden, ja bis Unyoro vor. Von Tabora aus gehen Jäger bis in die Wälder Manyema's.
Neben der Elephantenjagd geht der Elfenbeinhandel, welcher die Jagdergebnisse der Eingeborenen erwirbt. Doch machen den Küstenhändlern darin die Wanyamwesi sehr bedeutende Konkurrenz. Die Gebiete westlich am Nyansa und bis Unyoro hin sind fast gänzlich in den Händen der Warambo, jene der östlichen Gebiete werden neuerdings von den Wasukuma planmässig ausgebeutet. Die Araber sind am Victoria-See fast ganz aus dem Felde geschlagen, und der einzige, der neben den Eingeborenen bestehen kann, ist der Irländer Stokes, der sich eben vollkommen der Wanyamwesi-Methode angepasst hat.
Jene Händler, welche sich mit dem Makuageschäft und mit Elfenbeinhandel im Gebiet zwischen der Küste und den Seen abgeben, betreiben nur wenig Sklavenhandel und keinen Sklavenraub. In Despotenstaaten wie Ussui und Karagwe, in Ländern fortwährender Fehden wie Unyamwesi, bietet sich stets Gelegenheit zum Ankauf von [244] einzelnen Kriegsgefangenen oder Verurtheilten. Dass ihre Zahl jedoch eine geringe ist, kann man schon aus der verschwindenden Menge von Sklaven aus diesem Gebiet schliessen, die man an der Küste findet. Auf 1000 Sklaven aus Manyema kommt höchstens einer aus Uganda und Unyamwesi und die Zahl der Manyema-Sklaven ist wieder verschwindend gegen die Hochfluth von Menschenwaare aus dem südlichen Schutzgebiet, den Wahiao, Wangindo, Wanyassa u. A., welche die Hauptmasse der Sklavenbevölkerung in Sansibar und an der Küste bilden. In früherer Zeit mag der Sklavenhandel zwischen der Küste und den Seen grössere Ausdehnung gehabt haben. Irgend welche Gewaltthaten waren jedoch kaum jemals direkt damit verbunden. Stets wird der Sklave gekauft, wenn auch nicht ausgeschlossen ist, dass die Händler die Eingeborenen zum Abfangen solcher verleiteten.
Ueberhaupt ist mit dem Eingeborenen-Verkehr zwischen Küste und Seegebiet ganz und gar nichts Gewaltthätiges verbunden. Die Träger erhalten einen Lohn und bestehen zum allergeringsten Theil aus unbesoldeten Sklaven. Nahrungsmittel werden gekauft und wenn auch einzelne Diebereien vorkommen, so ist doch sicher, dass die Karawanen in diesen Gebieten stets mehr von den Eingeborenen zu leiden hatten, als umgekehrt. Die Vorwürfe, welche in neuerer Zeit gegen die Missstände des Verkehrs erhoben wurden, scheinen mir daher, soweit sie die Eingeborenen-Karawanen betreffen, ziemlich unbegründet. Die Sicherung der Karawanenstrassen als Adern des Verkehrs wird daher mit Recht als eine der ersten Aufgaben der Kolonialverwaltung betrachtet. Damit wird auch der ohnehin unbedeutende Sklavenhandel schwinden.
Gegen die planmässige Ausrottung des Elephanten giebt es allerdings kein Mittel: denn welche Schutztruppe wäre im Stande den streifenden Jäger der Steppe zu kontrolliren? Das Einzige was geschehen könnte, wäre ein Verbot kleine Zähne, also solche der jungen Thiere, in den Handel zu bringen, ein Verbot, das durch Konfiskation solcher Zähne Nachdruck erhalten könnte. Die gleiche Maassregel wird im englischen Schutzgebiet geplant und würde den Vernichtungskrieg wenigstens etwas aufhalten.
Mit der Abnahme des Elfenbeins, mit dem Wachsen der Konkurrenz in Unyamwesi, wurde naturgemäss der Schwerpunkt des arabischen Handels von Tabora nach Westen, nach Ujiji, nach Manyema verlegt. Die Leute, welche jene fernen Gebiete erschlossen, waren fast ausnahmslos keine Maskater, sondern in Ostafrika geborene Araber, vielfach Mischlinge. Die erste Rolle spielte dort die von Tarya Topan abhängige Drei-Männer-Firma Tippo-Tip (Kasongo), Rumaliza (Ujiji) und Bwana Nsige (Stanley Falls).
Zum Unterschied von den Maskatern, die sich ausschliesslich mit Handel — sei es auch Sklavenhandel — abgeben, verüben die Manyema-Araber nur Raub. Der Unterschied ist auf den ersten Blick kenntlich. Denn in den Gebieten des Tabora-Handels im engeren Sinne, in Unyamwesi, Ussui, Karagwe und Uganda findet man grosse [245] Mengen europäischen Baumwollzeuges, Gewehre und andere Produkte die nur der Handel eingeführt haben kann. Am Nordende des Tanganyika dagegen und am oberen Kongo bei den Stanleyfällen, also in Gegenden die von den Arabern seit Jahren ausgebeutet werden, fand ich kaum eine Glasperle, kaum einen Fetzen Zeug, was wohl den besten Beweis liefert, dass es sich hier nur um Raubzüge handelt.
Der Vorgang dabei ist bekannt. In neue Gebiete einfallend rauben die Banden der Araber Weiber und Kinder und lassen nur jene wieder los die mit Elfenbein ausgelöst werden. Die anderen sind der Sklaverei verfallen. Mit kluger Politik weiss man hierauf die Unterworfenen zu gewinnen und als Bundesgenossen gegen den Nachbarstamm zu verwenden. Die Banden wachsen immer mehr an, jeder Ackerbau wird unmöglich, dicht bewohnte Gebiete entvölkern sich und die elenden Ueberreste der Bevölkerung verkaufen sich selbst und ihre Kinder für eine Mahlzeit den Sklavenhändlern.
Dieser Zustand war in Manyema und am westlichen Tanganyika der stehende, auch am Ostufer des Sees wurden Razzias versucht, doch, der kriegerischen Bevölkerung halber, mit geringem Erfolg. Das Elfenbein und die Sklaven aus Manyema wurden über Tabora oder dessen Vorort Kwihara nach der Küste gebracht. So wurde Tabora immer mehr zur Durchgangsstation. Die Waaren von der Küste, das Elfenbein aus dem Innern, wurden dort aufgestapelt und die Sklaven bekamen jene Tünche des Swahílithums, die sie an der Küste unverdächtig machte.
Das Elfenbein, welches heute über Tabora nach Bagamoyo geht, kommt also zum allergeringsten Theil aus dem deutschen Interessengebiet, sondern aus dem Kongostaat, aus Manyema, und aus der englischen Sphäre in Unyoro und den Nachbargebieten. Es kann kein Zweifel darüber sein, dass diese Quellen in nächster Zeit versiegen müssen. Mit eiserner Hand hat der Kongostaat, nachdem er Jahre lang eine abwartende Haltung eingenommen, nun plötzlich die Araberfrage nahezu gelöst. Durch die glänzendsten Siege, die jemals im tropischen Afrika erfochten wurden, ist die Macht der Sklavenjäger am oberen Kongo und bis zum Tanganyika hin gebrochen worden. Bei der erstaunlichen Thatkraft, welche die kommerziellen Kreise des Kongostaates, sowohl Holländer als Belgier, entwickeln, ist es kein Zweifel, dass der kriegerischen sehr bald die kaufmännische Eroberung folgen wird. Sobald nur die Kongobahn das riesige Wassernetz jener glücklicheren Gebiete dem Weltverkehr völlig erschliesst, wird man, durch die Konkurrenz getrieben, bald in Bana Kamba und am oberen Sankuru dieselben Preise für Elfenbein bezahlen wie in Sansibar und Bagamoyo, und kein Mensch wird mehr daran denken, sein Elfenbein auf dem langen Karawanenwege nach der Ostküste zu schleppen.
Noch eine andere Linie ist bestimmt die Tabora-Strasse völlig lahm zu legen: die Nyassa-Route. Sobald diese herrliche Wasserstrasse erst erschlossen und die schmale Strecke zwischen Tanganyika und Nyassa [246] irgendwie zugänglich gemacht ist, wird der Verkehr bis ins Herz Afrika's dringen können. Länder, welche, wie Urundi und Ruanda, heute zu dem Ultima Thule des Tabora-Verkehrs gehören, werden direkt mit dem Handel in Berührung treten.
Wenn wir daher auf den Elfenbeinhandel der nächsten Zukunft einen Schluss ziehen wollen, so ist vor Allem die Thatsache nicht zu leugnen, dass das deutsche Interessengebiet heute schon verschwindend wenig Elfenbein liefert, dessen Menge alljährlich abnehmen wird. Das Elfenbein aus den englischen Gebieten, sowohl jenen im Massailand als jenen nordwestlich vom Nyansa werden die Engländer bald an ihre Hafenplätze abgelenkt haben, jenes aus Manyema fällt der Kongo- und Nyassa-Route zu. Es wird also in sehr naher Zeit nur der Karawanenverkehr der Wanyamwesi übrig bleiben, die in ihrem konservativen Sinne der Ostküste, speziell Bagamoyo, so bald nicht untreu werden. Doch haben ja auch diese keinen Born aus dem sie ewig Elfenbein schöpfen können, und wenn heute schon Tabora den Eindruck des Verfalls in hohem Grade macht, so wird es seine Bedeutung selbst als Durchgangsposten bald gänzlich verlieren.
Gerade aus dem Grunde, weil die jetzigen Produkte, Elfenbein und Sklaven, nicht von Dauer und daher wirthschaftlich bedeutungslos sind, scheint es mir verfehlt, in den gegenwärtigen Karawanenstrassen die Verkehrslinien der Zukunft zu suchen. Diese dürfen sich nicht nach den Produkten richten, die sind, aber nicht mehr lange sein werden, sondern nach jenen, die geschaffen werden sollen.
Von wild vorkommenden Produkten ist im Allgemeinen nicht viel zu erwarten. Von Schätzen des Mineralreiches wurde bisher noch nichts gefunden; die erhofften Salpeterlager im Massailand fehlen und an ihrer Stelle wurde Salz entdeckt. Im ersten Augenblick mochte man darüber enttäuscht sein, doch scheint mir, dass der Besitz reicher, vorzüglicher Kochsalzlager auch nicht zu verachten ist. Am Balangda-See in Mangati, in der Nyarasa-Steppe südlich vom Eyassi-See und in Uvinsa südlich von Uha trifft man Salz von ausgezeichneter Qualität, ja nahezu chemisch reines Kochsalz.[26]
Ungeheuere Gebiete des tropischen Afrika's, fast der ganze Sudan und Kongostaat besitzen kein Kochsalz, welches dort zu den werthvollsten Artikeln gehört und nur mangelhaft durch Bananenasche ersetzt wird. Uganda und Unyoro führten blutige Kriege um den Besitz einiger Salzlachen und zu den ersten Handlungen der Engländer in diesen Gebieten gehört die Beschlagnahme dieser Lachen, die ihnen nicht nur die kommerzielle, sondern theilweise sogar die politische Herrschaft dieser Länder sichern.
Dabei ist das Salz vom Albert-Edward-See sehr minderwerthig und hält keinen Vergleich mit den Salzen Deutsch-Ostafrika's aus. Heute schon spielen dieselben im lokalen Verkehr die grösste Rolle. Durch die [247] Wildheit der Massai und Wataturu waren die Salze von Mangati und Nyarasa nur schwer zugänglich und manche Handelskarawane erlag den kühnen Räubern der Steppe. Dennoch führt ein breiter, ausgetretener Pfad von Meatu nach den Salzlagern, und das Nyarasa-Salz ist in ganz Usukuma und dem östlichen Nyansa-Gebiet verbreitet. Das Mangati-Salz versorgt hauptsächlich die Gegenden um Irangi. Noch wichtiger ist das von Uvinsa, das heute schon einerseits nach Tabora, andererseits nach Manyema exportirt wird und den einzigen Verkehr mit den wilden Warundi vermittelt.
Eine Beschlagnahme und wenigstens einigermaassen planmässige Ausbeutung dieser Salzlager wäre heute schon ein keineswegs aussichtsloses Unternehmen. Wer z. B. eine Wasukuma-Karawane zum Nyarasa schickt, dort Salz auflesen lässt und dasselbe über den Nyansa nach der Westküste des Sees oder nach Uganda verfrachtet, der könnte dabei zweifellos seine Rechnung finden. Dasselbe wäre bezüglich des Tanganyika mit dem Uvinsa-Salz der Fall.
Neben Salz bildet Eisen in Hackenform ein Hauptmittel des eingeborenen Verkehrs. Centren für dessen Erzeugung sind Usinja und Irangi, von wo die Hacken über ganz Unyamwesi und Ugogo verbreitet werden, doch kommt Eisen für den europäischen Handel natürlich nicht in Betracht.
Von wilden Produkten des Pflanzenreiches ist Kautschuk zu nennen, der zwar weniger reichlich als im Küstengebiet, aber doch besonders im westlichen Nyansagebiet in ziemlichen Mengen vorkommt. Das massenhafte Auftreten von Akazien in den Steppen macht das Vorkommen von Gummi arabicum wahrscheinlich und auch sonst lässt sich von der botanischen Durchforschung des Landes manches hoffen. Holz kommt in den Caesalpinien-Wäldern Unyamwesi's, sowie in den Urwäldern des Massai-Plateaus reichlich und in guter Qualität vor, hat jedoch in so entfernten Gebieten als Exportartikel keine Bedeutung. Die Thierwelt liefert ausser Elephantenhauern auch Nilpferdzähne und Rhinoceroshörner als unbedeutende Nebenprodukte. Straussfedern kommen gar nicht in den Handel, obwohl der Vogel im Massailand häufig genug ist.
Wenn auch die nähere Erforschung noch manches Rohprodukt zu Tage fördern wird, so wäre es doch verfehlt, darauf zu grosse Hoffnungen setzen zu wollen. Die Möglichkeit einer Entwickelung liegt einzig im Ackerbau. Im Küstengebiet, besonders in dem fruchtbaren Usambára, ist Plantagenbau unter europäischer Leitung das aussichtsvollste Unternehmen. Im Innern jedoch ist vorläufig an solchen nicht zu denken und es muss der eingeborene Ackerbau an seine Stelle treten. Dazu braucht man anbaufähiges Land und Menschen, welche dieses Land bebauen. An beiden ist kein Ueberfluss, aber doch genügend vorhanden.
Im Hinterlande der Küste bis zum grossen Graben erheben sich die fruchtbaren Gebiete insular als Gebirge aus den weiten, fast gänzlich werthlosen Steppen. An die Berglandschaften von Usagara, Unguu, [248] Usambára und Pare schliesst sich im Nordwesten der Kilimanjaro und Meru. Spärlicher sind die fruchtbaren Inseln in der Massai-Steppe; fast nur die nächste Umgebung der Berggruppen des Sogonoi, des Kissale und anderer sind anbaufähig. Besser ist die Sohle des Grabens, wo nacktes Wüstenland mit fruchtbaren, wasserreichen Gebieten wechselt. Zu den schönsten Strichen gehört jedoch das Massai-Plateau mit Iraku und dem Guruiberg, ein prächtiges, wasserreiches Hochgebiet mit fettem Boden und üppiger Vegetation, im Norden völlig brach liegend, im Süden, in Iraku, reich bebaut. Unyamwesi, dem wirthschaftlich auch die östlichen Nyansa-Gebiete, die Umgebung von Irangi und das südliche Uha beizurechnen sind, ist vorherrschend trockenes Land und häufig von Steppen und Miombo-Wäldern bedeckt. Dennoch ist das Land, wie sich zeigt, überall anbaufähig und der unermüdliche Eifer der Bewohner weiss diesem kargen Boden reiche Ernte abzugewinnen. Die Hochländer zwischen Nyansa und Tanganyika sind vorherrschend fruchtbar und nähern sich, was Wasserreichthum und Ueppigkeit anbelangt, stellenweise sogar dem Massai-Plateau. In Ussui giebt es zwar steinige, dürre Striche, doch sind solche nur vereinzelt, das ganze Gebiet muss als gutes bezeichnet werden.
Die Erforschung des nördlichen Deutsch-Ostafrika hat also im Allgemeinen günstigere Ergebnisse geliefert, als sich erwarten liess. Die weiten Steppenstriche, die auf älteren Karten angegeben waren, schrumpfen immer mehr zusammen und wo wasserlose Wüsten erwartet wurden, stiess die Forschung auf prächtige Hochländer, die aussichtsvollsten der Kolonie.
Was die Bevölkerungsdichtigkeit anbelangt, so wird es mir schwer, darüber auch nur annähernde Angaben zu machen. Die Nomaden entziehen sich nahezu jeder Beobachtung, sehr erschwert wird eine Untersuchung in Gegenden, wo keine Dörfer, sondern nur verstreute Siedelungen bestehen, und auch da, wo Dörfer vorhanden sind, war mein Routennetz ein zu weitmaschiges, um Schlüsse auf das ganze Gebiet zu gestatten. Ein besseres Material konnte ich 1890 für Usambára und seine Nachbargebiete gewinnen. Auf dieses gestützt, kann ich diesmal nur Vermuthungen über die Bewohnerzahl des Inneren aussprechen.
Die Steppengebiete, überhaupt alle jene, die nicht ständig besiedelt, sondern nur von Nomaden durchstreift werden, sind natürlich sehr schwach bewohnt. Die Zahl von 2 Einwohnern auf 10 Quadrat-Kilometer, welche ich 1890 für die Steppenstriche des Küstengebietes erhielt, dürfte auch hier annähernd der Wirklichkeit entsprechen. Eine direkte, wenn auch nur rohe Schätzung konnte ich in den besiedelten Ländern des abflusslosen Gebietes ausführen. Dieselbe basirt auf der Schätzung für Umbugwe, wo ich ca. 300 Temben zählte, für welche man eine durchschnittliche Bewohnerzahl von 10 rechnen muss, da manche Temben von mehreren Familien bewohnt sind und bis zu 40 Insassen und darüber haben.
[249] Die Zahlen für die anderen Landschaften wurden nach dem allgemeinen Eindruck der Tembezahl im Vergleich zu Umbugwe angenommen. Es wären danach anzusetzen:
Wambugwe | 3000 |
Wassandaui | 4000 |
Warangi (mit Uassi) | 4000 |
Wafiomi | 3000 |
Mangati | 3000 |
Iraku | 5000 |
Wanyaturu | 4000 |
26000 |
Für die sesshaften Bewohner der abflusslosen Gebiete (mit Ausnahme der Wagogo) wäre also eine Zahl von 26000, allerhöchstens (mit den Wanyairamba) 30000 anzusetzen! Eine Nebenstrasse in Berlin, eine einzige Kaserne enthält also mehr Menschen, als ganze Stämme, die, wie die Wambugwe, eigene Sprache und Sitten besitzen. Und doch könnte das abflusslose Gebiet leicht die hundert und tausendfache Zahl von Menschen ernähren!
Die Gebiete östlich vom Nyansa sind im Allgemeinen schwach besiedelt. Am Ufer des Sees wechseln unbewohnte mit stark bewohnten Strichen; noch sporadischer, noch insularer ist die Besiedelung im Inland, in den Waschaschi-Gebieten. 4 Menschen auf den Quadrat-Kilometer dürfte hier etwa das richtige Verhältniss sein.
Das am dichtesten bewohnte Gebiet, welches ich auf dieser Reise kennen gelernt, ist Usukuma, besonders die Landschaften Ntussu, Usmau und Mwansa, doch schieben sich auch hier Steppenstreifen zwischen die bewohnten Gebiete und mehr als 7 Menschen auf den Quadrat-Kilometer dürften nicht anzusetzen sein. In Süd-Unyamwesi liegen ansehnliche Ortschaften in grossen unbewohnten Strichen sporadisch verstreut, während sich in Usukuma kleine Ortschaften dicht an einander drängen. Dennoch macht Süd-Unyamwesi einen schwach bewohnten Eindruck und mehr als 6 Menschen auf den Quadrat-Kilometer sind hier wohl nicht anzunehmen. Relativ schwach bewohnt sind Usinja, Ussui und Uha. 4 Bewohner auf den Quadrat-Kilometer dürfte hier die allerhöchste Ziffer sein. Ziemlich schwer wird es mir bezüglich Urundi und Ruanda, selbst annäherungsweise Zahlen zu sagen; denn die Volksmassen, welche mich fortwährend umgaben, konnten leicht den Eindruck einer dichten Bewohnerschaft hervorrufen, welche den Thatsachen nicht entspricht. Da es jedoch dort fast gar keine unbewohnten Gebiete giebt und die kleinen Siedelungen mit geringer Hüttenzahl recht dicht verstreut sind, so glaube ich, dass 7 Menschen auf den Quadrat-Kilometer nicht zu hoch gegriffen ist.
Wenn man das ganze Gebiet überblickt, so kann kein anderes Urtheil gefällt werden, als dass dasselbe nur dünn bevölkert ist. Sporadisch und mehr oder weniger dicht gesäet sind besiedelte Striche [250] auf weite, unbewohnte Gebiete vertheilt, nur in wenigen Gegenden trifft man grössere bebaute Landschaften.
Was die nomadischen Hirten und Jäger anbelangt, so haben dieselben wirthschaftlich natürlich keine Zukunft. Denn mit dem Fortschritt der Kultur ist nomadische Lebensweise unvereinbar, diese Völker müssen auf irgend eine Art verschwinden, sei es, dass sie unter den Ackerbauern aufgehen, sei es, dass der stärker werdende Kampf ums Dasein sie gänzlich verdrängt.
Die sesshaften Stämme ernähren sich sämmtlich von Ackerbau, der mit der Hacke betrieben und von Viehzucht gänzlich unabhängig ist, die nebenbei auch gepflegt wird. Im abflusslosen Gebiet und in Unyamwesi spielt Sorghum die erste Rolle, bei den Waschaschi Eleusine und Penicillaria, in Usinja Maniok, in Ussui Sorghum, in Urundi vorherrschend Bananen und Hülsenfrüchte. Selbstverständlich wird nur soviel angebaut, als zum Leben nothwendig ist, da irgend welcher Export an Nahrungsmitteln nicht stattfindet. Fast bei allen Stämmen wird der Ackerbau mit grosser Sorgfalt betrieben, die Felder sind meist gut gehalten. Die besten Ackerbauer sind die Wanyamwesi, die mit grosser Vorliebe und ungemein rasch fremde Kulturpflanzen, wie Reis und Baumwolle, annehmen und bauen.
Dennoch schliesst diese Art der Kultur häufige Hungersnoth nicht aus. Bei einer Missernte sind die Vorräthe, so bedeutend sie auch oft sind, nicht genügend, um bis zur nächsten Ernte vorzuhalten und die Isolirung der einzelnen Landschaften, der Mangel jeglicher Verkehrsmittel lassen selbst eine rein lokale Missernte zur Katastrophe werden, der Hunderte erliegen. Diese periodisch auftretende Hungersnoth, verbunden mit Stammesfehden, welche jene Gebiete fast unaufhörlich zerfleischen und Pockenepidemien, die oft furchtbare Verheerungen anrichten, decimiren die Bevölkerung oder lassen doch eine Vermehrung derselben nicht zu. Es liegt auf der Hand, dass die Verbesserung der Verkehrsmittel, die Erhöhung der Sicherheit des Lebens und Eigenthums, die Kultur mit einem Worte, geeignet ist den materiellen Zustand dieser Stämme und damit auch die Bevölkerungszahl zu heben.
Wenn wir die Kulturpflanzen der Eingeborenen auf ihre Entwickelungsfähigkeit für den Export betrachten, so sind die Hirsearten (Sorghum, Eleusine, Penicillaria) wohl nicht oder doch erst in zweiter Linie zum Export aus so fernen Gebieten geeignet. Dasselbe gilt von den Knollengewächsen, Maniok, süssen Kartoffeln und von Bananen, die sämmtlich an erster Stelle als Nahrungspflanzen stehen. Aussichtsvoll sind jedoch manche jener Produkte, die heute nur nebenher gebaut werden.
Weizen wird in Unyanyembe und Irangi durch Araber und Wanyamwesi gebaut. Obwohl diese Gegenden keineswegs besonders fruchtbar sind, liefert er doch bei fleissiger Berieselung gutes Erträgniss. Noch besser würde er in Hochgebieten gedeihen. Da durch die Erfahrung bewiesen ist, dass Weizen selbst in trockenen Gebieten Ostafrika's gedeiht, so scheint mir eine Förderung seiner Kultur vor Allem wünschenswerth.
[251] Reis wird in Usukuma, Unyanyembe und Urambo von Eingeborenen gebaut und wurde ursprünglich von Arabern importirt. Da die betreffende Varietät auch im Trockenen gedeiht, so steht einem Anwachsen dieser Kultur kein Hinderniss entgegen.
Baumwolle pflanzt man in Usukuma zur Herstellung des ungemein festen, einheimischen Baumwollzeuges. In Gegenden, wo das europäische Zeug eingeführt wird, schwindet diese Kultur, die hauptsächlich für die Tieflandsgebiete bestimmt erscheint.
Oelfrüchte, Sesam und Arachis pflanzt man in vielen Gegenden, letztere besonders massenhaft in Schaschi und es liesse sich bei geeigneten Transportmitteln schon jetzt ein namhafter Export erzielen. Palm-Oel produziren die Tanganyika-Ufer in grossen Mengen und versorgen selbst Tabora mit solchem.
Kaffee wird, soweit mir bekannt, in Deutsch Ost-Afrika nirgends, wohl aber in Uganda gebaut und liefert dort eine grossbohnige, dem Liberia-Kaffee ähnliche Sorte von mittelmässiger Qualität. Dieselbe könnte eben so gut in deutschem Gebiete gepflanzt werden.
Tabak wird fast überall in reichlichen Mengen, allerdings minderer Qualität gebaut und könnte heute schon einen Exportartikel liefern.
Produkte der Viehzucht spielen im Karawanenverkehr eine gewisse Rolle. Zeburinder, Ziegen und Schafe werden als Schlachtvieh an die Küste getrieben und dort meist mit sehr grossem Gewinn verkauft. Esel der guten Massai- und der schlechteren Wanyamwesi-Varietät gelangen auch oft an die Küste, wo sie sehr schwankende Preise von 5-40 Rps. erzielen. Die Seuche, welche in den letzten Jahren in Ost-Afrika wüthete, hat einen grossen Theil der Rinder hinweggerafft und nur langsam erholen sich die Viehzüchter von derselben. Rationelle Zucht, eventuell Veredelung durch fremde Rassen, kann viel zur Hebung der Viehzucht beitragen, auch muss auf die Ausbildung der Rinder zu Zugthieren Bedacht genommen werden, da die höhere Entwickelung des Ackerbaues solche unbedingt erfordern wird.
Die Esel sind heute schon ein nicht zu unterschätzendes Transportmittel und sowohl als Lastthiere, wie zum Karrenzug verwendbar. Veredelungen mit den im Innern vorzüglich gedeihenden Maskat-Eseln würden jedenfalls gute Resultate erzielen. —
Fast sämmtliche oben genannte Kulturpflanzen sind nicht afrikanischer Abkunft, sondern erst seit relativ kurzer Zeit eingeführt. Grade dieser Umstand beweist, dass man von den Afrikanern erwarten und hoffen kann sie zur weiteren Ausdehnung dieser Kulturen wie zur Annahme neuer Nutzpflanzen bereit zu finden.
Manche Stämme, vor Allem die Wanyamwesi, haben sich Bedürfnisse, hauptsächlich an Baumwollzeug, angeeignet, zu deren Befriedigung sie sich grosser Mühe unterziehen. Als Träger wandern sie nach der Küste, leisten dort oft Dienste als Arbeiter und kehren dann mit den [252] europäischen Industrieerzeugnissen ins Innere zurück.
Mit dem Schwinden des Elfenbeins, mit der Eröffnung der Kongo- und Nyassaroute wird der grosse Karawanenverkehr und damit auch diese Einnahmequelle aufhören. Zwar werden die Leute an der Küste stets Arbeit finden, aber es scheint doch sicher, dass sie auch bereit sein werden, durch Anbau werthvoller Kulturpflanzen ihre Bedürfnisse zu decken, falls durch Verkehrsmittel die Märkte zu solchen geschaffen werden. Auch jene Stämme, welche gegenwärtig abseits der Handelsstrassen ein primitives Dasein führen, unter welchen sich jedoch hochbegabte und kräftige Völker, wie die Wambugwe und vor Allem die Warundi, befinden, werden sich Bedürfnisse aneignen und mit der Aussenwelt in Beziehung treten, sobald moderne Verkehrsmittel bis ins Innere führen.
Der Import nach diesen Gegenden besteht vor Allem in bedeutenden Mengen Baumwollzeug. Dieses wird wohl stets die erste Rolle spielen und gewinnt täglich an Verbreitung. Im südlichen Unyamwesi und Ost-Ussui hat es Fell- und Rindenkleidung fast vollkommen ersetzt, in Usukuma nimmt es ungeheuer zu. Nur im abflusslosen Gebiet ist fast ausschliesslich Lederkleidung üblich, während Urundi nur Rindenzeug kennt. Wie rasch jedoch Baumwollzeug solche nationalen Bekleidungsmittel verdrängen kann, zeigt das Beispiel in Umbugwe. Im März 1892, bis zu welchem Zeitpunkt das Land gänzlich unzugänglich war, sah ich dort ausschliesslich Lederkleidung. Als durch die Kämpfe der Expedition das Land erschlossen wurde, verbreitete sich Baumwollzeug mit unglaublicher Schnelligkeit und im Januar 1893 fand ich die meisten Eingeborenen damit bekleidet, während im März 1892 kaum ein Fetzen im ganzen Lande aufzutreiben war. Was die Qualität dieser Stoffe anbelangt, so verlieren die schlechten immer mehr an Beliebtheit. Die Erfolge des Irländers Stokes gegenüber seinen indischen und arabischen Konkurrenten liegen hauptsächlich darin, dass er gute und billige Stoffe verkauft, welche die Eingeborenen den schlechten vorziehen, auch wenn diese noch billiger sind.
Neben Baumwollstoffen könnte noch die Waffen- und Munitionseinfuhr genannt werden, die stets in bedeutenden Mengen stattfand. Dieselbe steht jedoch in so innigem Zusammenhange mit dem Sklavenhandel und könnte eine so bedrohliche Macht im Rücken des Küstengebietes schaffen, dass ihre strenge Unterdrückung bekanntlich zu den wichtigsten, durch internationale Verträge verbürgten Aufgaben der deutschen Kolonialverwaltung gehört. Es kommen also nur mehr Nebenartikel, wie Glasperlen, Metalldraht, Produkte der Eisenindustrie u. s. w. in Betracht.
Dass diese Länder eine kolossale Konsumtionsfähigkeit besitzen ist zweifellos. Um jedoch die Völker zu Konsumenten zu machen, bedarf es vor allem der Hebung der eingeborenen Produktion durch Herstellung geordneter Zustände und durch Schaffen von Verkehrsmitteln, welche den kostspieligen, für minderwerthige Produkte ungeeigneten Trägertransport vortheilhaft ersetzen.
[253] Was die unbewohnten Gebiete anbelangt, so scheint mir deren allmähliche Besiedelung in hohem Grade wünschenswerth. Dieselbe muss durch eingeborene Einwanderung begonnen werden, welcher dann vielleicht eine fremde Einwanderung folgen kann.
Bei der eingeborenen Einwanderung denke ich vor Allem an die Wanyamwesi, die heute schon mit Vorliebe Kolonien in anderen Gegenden gründen. Ihre Arbeitskraft, Zähigkeit und Intelligenz macht sie zu Kulturträgern ersten Ranges, wie man in Unyanganyi und Ussandaui sehen kann, wo Wanyamwesi-Ansiedler die wilden Eingeborenen vollkommen gebändigt und das Land dem Handel erschlossen haben. Die Förderung und systematische Anlegung solcher Kolonien gerade im abflusslosen Gebiet scheint mir von hervorragender Wichtigkeit. Jede solche Niederlassung vertritt, wenn sie unter gehöriger Aufsicht steht, eine Station mit einem Europäer; ohne Schutztruppe, ohne Weissen kann man hier dasselbe Ziel, die Sicherung der Strassen, die allmähliche Heranbildung der Eingeborenen, erreichen. Menschenmaterial findet man in Unyamwesi genug, denn der Unternehmungsgeist dieses merkwürdigen Volkes treibt Angehörige desselben immer wieder in die Ferne. Solche Kolonien unter primitiven Völkern, wie Wafiomi, Wanyairamba, Wanyaturu u. s. w. wären ein äusserst nützliches Ferment. Wo sie heute bestehen, sieht man deutlich, wie die Eingeborenen mehr und mehr ihre ursprünglichen Sitten verlassen und sich dem Wanyamwesi-Typus nähern, eine Umwandlung, welche der Ethnograph vielleicht beweint, der Kolonialpolitiker aber nur mit Freuden begrüssen kann.
Dass ähnliche Niederlassungen unter europäischer Aegide möglich sind, zeigt meine Begründung einer Wanyamwesi-Kolonie in Umbugwe unter Mwanangwa Swetu. Dieselbe erblühte unglaublich rasch und war für meine Nachfolger Kompagnieführer Langheld und Herrn Wolf ein Stützpunkt von hohem Werth, erfüllt also genau denselben Zweck als eine Station mit einem Europäer, nur dass die Kosten monatlich nicht mehr als 5 Rps. betragen! Solche Ansiedler, die ihre Existenz an ein Land knüpfen haben eben ein direktes Interesse mit den Eingeborenen einen modus vivendi zu finden und verstehen es rasch zu Einfluss zu gelangen. Anderseits ist ihnen das Wohlwollen und die Unterstützung der Europäer von so hohem Werth, dass sie sich sorgfältig hüten es mit diesen zu verderben. Natürlich muss ihre Autorität den Eingeborenen gegenüber eine gewisse Stütze erhalten; diese liesse sich jedoch von einer europäischen Station aus leicht gewähren, die gleichzeitig die Ueberwachung dieser Wanyamwesi-Kolonien zu leiten hätte.
Wenn schon im besiedelten Theil des abflusslosen Gebietes solche Wanyamwesi-Niederlassungen den höchsten Werth hätten, so wäre dies noch mehr im Massai-Land, hauptsächlich in Mutyek und bis Serengeti hin der Fall. Dass es möglich wäre Leute zu finden, die sich in den genannten Gegenden sowie in den Massai-Steppen, am Donyo Kissale u. s. w. niederlassen und dadurch diese Gebiete zugänglich [254] machen, scheint mir völlig zweifellos. Von den Massai ist, wie ich ausdrücklich betone, weder bezüglich solcher Ansiedelungen noch überhaupt das Geringste zu fürchten. Ihre Hauptmacht ist gebrochen, auch sind sie, wie sich in der englischen Interessensphäre täglich zeigt keineswegs so schroff ablehnend wie stets angenommen wurde.
Eine wenn auch noch so sporadische Besiedelung durch eingeborene Ackerbauer muss vorangehen, bevor an die Einleitung einer fremden europäischen Einwanderung gedacht werden kann. Wenn es überhaupt Gebiete im tropischen Afrika giebt, die für solche Ansiedelung geeignet sind, so sind es die deutschen Massai-Gebiete von Iraku bis Mau, wo Höhenklima sich mit Wasserreichthum paart. Allerdings wäre es verfehlt, direkt einen diesbezüglichen Versuch einzuleiten. Zu einem solchen eignen sich die küstennahen Hochweide-Gebiete Usambára's und Pare's, vielleicht auch des Kilimanjaro am meisten. Da die für Europäer geeigneten Striche dieser Landschaften immerhin nur kleine sind, so muss jedoch schon von vornherein an die Möglichkeit einer Besiedelung der Massai-Gebiete gedacht werden, die vor Allem durch Anlage von Wanyamwesi-Kolonien eingeleitet werden könnte.
Denn nur in den Hochgebieten, die eben in geschlossenen Massen im Massailand vorhanden sind, kann an die Möglichkeit europäischer Ansiedelungen gedacht werden. Die Tiefländer unter 1200 m Seehöhe sind nirgends malariafrei und gestatten daher Europäern eine dauernde Niederlassung nicht. Ob für diese weiten, spärlich bewohnten Striche vielleicht eine andere fremde, etwa chinesische oder indische Einwanderung in Betracht käme, mag dahingestellt bleiben: Raum genug für eine solche wäre jedenfalls vorhanden.
Wie immer man jedoch die wirthschaftliche Zukunft des Innern Ostafrika's betrachtet, stets stösst man auf die Schwierigkeit der Transportmittel, deren heutige Form jede Entwickelung hemmt. Durch Trägerkarawanen lässt sich eben nur Elfenbein, vielleicht auch Vieh und Esel mit grosser Schwierigkeit nach der Küste schaffen. Alle anderen Produkte, vor allem jene des Ackerbaus, die doch die eigentliche Zukunft des Landes bilden, sind auf diesem Wege nicht zu befördern, da sie die Kosten solchen Transportes nicht lohnen.
Wenn es sich nun darum handelt Linien zu finden, welche durch Anlage einer Strasse oder Eisenbahn die Kolonie erschliessen sollen, so müssen dabei in erster Linie wirthschaftliche, in zweiter Terrain-Gründe maassgebend sein. Es muss ferner bedacht werden die »zweite Küste« Ostafrika's, die der grossen Seen möglichst auszunutzen.
Eine Linie, welche, sei es nun von Tanga oder von Bagamoyo oder Dar-es-Salaam aus nach Tabora führt, müsste nach dem obengenannten Gesichtspunkte als gänzlich verfehlt betrachtet werden. Denn bei diesem Projekt herrscht offenbar die irrige Voraussetzung, dass Tabora, das lange Zeit das Emporium des Elfenbein- und Sklavenhandels war aber schon heute nicht mehr ist auch in Zukunft eine Rolle spielen werde. Dies ist jedoch, wie oben ausgeführt, [255] vollkommen ausgeschlossen. Ebenso wie Msenne, welches 1858 der Centralpunkt des Inlandhandels war, völlig verschwunden ist, so wird in einem Jahrzehnt auch von Tabora nicht viel übrig bleiben.
Eine Bahn von Tanga nach Tabora hätte allerdings keine wesentlichen Terrainschwierigkeiten zu überwinden. Sie würde bei Korogwe den Ruvu überschreiten und bei Mgera fruchtbares Gebiet verlassen. Durch den ödesten Theil der Massai-Steppe würde sie nach Irangi führen und die fruchtbaren Hochgebiete weitab im Norden liegen lassen. Etwa bei Unyanganyi müsste sie das Plateau ersteigen, welches in Turu besonders unfruchtbar ist, hierauf die Wembere-Steppe durchqueren und käme erst in unmittelbarer Nähe Taboras in halbwegs fruchtbares Gebiet.
Nicht viel besser ist die Linie Bagamoyo—Tabora, die überdies Anfangs ziemlich grosse Terrainschwierigkeiten bietet. Sie verlässt in Usagara fruchtbares Gebiet und führt durch wasserarme, dürre Strecken von Ugogo nach Tabora. — Die ganze Linie, vom Küstengebiet, also von Mgera einerseits und Usagara andererseits wäre wirthschaftlich völlig unproduktiv und müsste erst durch Seitenlinien ergänzt werden. Dasselbe wäre auch in Tabora der Fall, man müsste einerseits zum Victoria-See, andererseits zum Tanganyika Linien errichten, wenn das ganze Unternehmen überhaupt einen Zweck haben soll. Wenn es sich also, wie auch von den Vertretern der Tabora-Linie allgemein anerkannt wird, vor Allem um die Erreichung der Seen handelt, so ist kein Grund einzusehen, warum dieser Zweck nicht in gerader Richtung angestrebt werden soll.
Eine Bahn, die von Tanga zum Speke-Golf führt, würde sich der Luftlinie am meisten nähern. Im Anschluss an die Korogwe-Bahn würde sie, dem Thal des Ruvu oder Mkomasi folgend, an den Fuss des Kilimanjaro gelangen. Der weitere Weg wäre nach Ober-Aruscha, um das Südende des Simangori-Berges zum Nordende des Manyara-See, dann auf die Höhe des Plateaus, durch Mutyek und am Nordende des Eyassi vorbei nach Serengeti und Ntussu zum Nyansa, der etwa bei Nassa erreicht würde.
Die Terrainschwierigkeiten dieser Linie wären nicht bedeutende, jedenfalls ohne Vergleich geringer, als die der englischen Mombas—Victoria-See-Bahn.
Bis zum Kilimanjaro durchschneidet die Bahn Ebenen und hat keinerlei nennenswerthe Hindernisse zu überwinden. Aus rein wirthschaftlichen Gründen wäre die etwas schwierigere Mkomasi-Route jener durch das Ruvu-Thal vorzuziehen. — Zwischen dem Kilimanjaro und Ober-Aruscha dehnen sich ebenfalls Ebenen aus, in welchen die Ueberbrückung einiger Gewässer nothwendig wären. — Zwischen Ober-Aruscha und dem Manyara-See führt die Linie fast völlig eben. Die Bäche, welche in den See münden, würden wieder einige unbedeutende Brücken erfordern, hierauf wäre die grösste Schwierigkeit, die Ersteigung des Plateaus zu überwinden. Der Abfall ist aber am Nordende des Manyara nur ca. 100 m hoch, also weit niedriger und sanfter als an irgend einer [256] anderen Stelle. Am Plateau von Mutyek, etwa bis zur Höhe des Eyassi, dürften noch einige nicht namhafte Schwierigkeiten zu bewältigen sein. Dann tritt die Linie wieder in Ebenen und durchschneidet diese ununterbrochen bis zum Victoria-See. Bei einer Länge von ca. 800 km hätte die deutsche Victoria-See-Bahn also ungleich geringere Terrainhindernisse zu überwinden als die 1060 km lange englische.
Wirthschaftlich könnten durch eine solche Bahn die folgenden Ziele erreicht werden: die fruchtbaren Gebiete des nördlichen Usambáras und Pares würden direkt an die Küste angeschlossen. Der Kilimanjaro, der nach Aussage aller Beobachter zu den besten Gebieten Ostafrika's gehört und auch militärisch von hoher Wichtigkeit ist, wäre zugänglich gemacht. Im weiteren Verlauf berührt die Linie den Meru, der kaum weniger günstig beschaffen ist als der Kilimanjaro, durchschneidet die Massai-Steppe in ihrem weniger unfruchtbaren, schmalen Nordabschnitt und erreicht den Manyara, in dessen nächster Nähe sich die bewohnten Ackerbaudistrikte Umbugwe und Iraku befinden. Sie durchzieht hierauf das Mutyek-Plateau, welches, heute unbewohnt, doch zu den fruchtbarsten Gebieten gehört und besonders in Bezug auf europäische Einwanderung in Betracht kommt. Am Nordende des Eyassi-See berührt die Linie die reichen Kochsalzlager dieser Distrikte, führt hierauf durch Serengeti, das hauptsächlich als Weideland in Betracht käme und betritt Usukuma, eines der dichtest bewohnten und bebauten Gebiete des Innern, das bezüglich Ackerbau sehr entwicklungsfähig ist.
Im Anschluss an die Bahn müsste natürlich ein Dampfer auf dem Victoria-See laufen. Selbst für Dampfer bis zu 6 m Tiefgang ist der See bequem fahrbar, doch müsste Feuerungsmaterial, sei es von Kohlen oder Petroleum, mit der Bahn heraufgeschafft werden. Dieser Dampfer, sowie einige Segelschiffe müssten den Verkehr auf dem See herstellen und vor Allem dessen Küsten mit Salz versorgen.
Von Seiten feindlicher Völkerschaften wäre auf dieser Linie so gut wie nichts zu befürchten. Einzig die Bewohner von Ober-Aruscha sind entschiedene Gegner, doch steht deren endgiltige Niederwerfung in hoffentlich naher Aussicht.
Im weiteren Verlauf der Route, besonders im Massai-Land, sind Hindernisse von Seiten der Eingeborenen ganz und gar nicht zu fürchten. Die Engländer, deren projektirte Bahn doch ebenfalls das Massai-Land durchquert, veranschlagen für dieselbe eine Schutztruppe von 400 Swahíli-Askari, hauptsächlich zur Bewachung der Telegraphendrähte. Nach meiner Ansicht wäre diese Zahl für die deutsche Linie noch zu hoch gegriffen. — Jedenfalls müsste jedoch einem Bahnunternehmen die wenigstens theilweise Besiedelung der Massai-Länder durch Wanyamwesi-Kolonien vorangehen, da die Verpflegung der Arbeiter während des Baues sonst schwierig würde. Die Anlage solcher könnte in 1-2 Jahren in genügender Zahl erfolgt sein und mit den Trassirungsarbeiten für die Bahn Hand in Hand gehen.
Baumann, Massai, pag. 255.
[257] Die Engländer nehmen für ihre Bahn die Benutzung indischer Kulis als Arbeiter in Aussicht, da die englische Interessensphäre keinerlei Völker beherbergt, die gegenwärtig schon zu intensiver Thätigkeit geneigt wären. — Darin ist man deutscherseits in glücklicherer Lage; die Wanyamwesi stehen hier zur Verfügung. Tausende von Arbeitern sind jederzeit in Usukuma und in den südlichen Strichen Unyamwesi's zu haben. Nur für Arbeiten, welche besonderes Geschick erfordern, wären Leute von der Küste oder von auswärts nöthig.
Die Verpflegung von Trassirungs-Kolonnen, sowie die der Arbeiter während des Baues hätte keinerlei unüberwindliche Schwierigkeiten. Bis Ober-Aruscha liefern die umliegenden Landschaften genügende Nahrung. Ein Proviantdepot am Nordende des Manyara, wo auch eine Wanyamwesi-Niederlassung zu gründen wäre, liesse sich leicht von Umbugwe aus versorgen. Zwischen Manyara-See und Ntussu ist allerdings gegenwärtig kein Proviant zu erhalten und es müsste die Verbindung durch Begründung von Wanyamwesi-Niederlassungen vermittelt werden. Uebrigens ist die genannte Strecke kaum so lang wie die von Kikuyu nach Kavirondo der englischen Bahntrasse, die ebenfalls absolut keine Nahrungsquellen bietet. Transporte auf dieser Route könnten von Anfang an vorzugsweise mit Eseln ausgeführt werden, die sich, wie ich aus Erfahrung weiss, sehr gut dazu eignen.
Ausser der genannten Linie könnte für eine Victoriasee-Bahn noch die Route Tanga—Korogwe—Mgera—Irangi—Umbugwe—Meatu—Speke-Golf in Betracht kommen. Dieselbe ist zweifellos kürzer und bequemer als die alte Ugogo-Route und daher einer vorläufigen Entwickelung als Karawanenstrasse wohl werth. Doch bietet sie ungleich mehr Terrainschwierigkeiten und durchschneidet vielfach wirthschaftlich aussichtslose Gebiete, sodass eine Bahn hier keine Vortheile hätte. Da Umbugwe und die Nachbarländer viele Esel besitzen und in Mgera einerseits, in Usukuma andererseits, leicht Träger zu bekommen sind, so hat diese Route für gegenwärtige Verhältnisse, sowie als Zufuhrlinie bei Bahnarbeiten grossen Werth und könnte durch rohe Klärung event. auch für Eselkarren befahrbar gemacht werden. — Durch Wanyamwesi-Kolonien nahe den Routen Mgera-Irangi und Mbulu-Meatu liessen sich die grossen nahrungslosen Strecken dieser Linie verkürzen. Hier sowohl wie im Massai-Lande mag es schwierig erscheinen, Niederlassungen in unbewohnten Gebieten zu errichten. Wie ich jedoch die Verhältnisse kennen gelernt, ist mir nicht zweifelhaft, dass man das nöthige Menschenmaterial dazu findet und dass in wenigen Jahren nahezu ohne Kosten, die weiten unbewohnten Gebiete wenigstens sporadisch besiedelt sein könnten.
Was das Bahnunternehmen anbelangt, so erscheint es auf den ersten Blick gewagt, dasselbe auf eine Linie zu lenken, die heute fast völlig unproduktiv ist. Aber es kann nicht genug betont werden, dass jedes Projekt, welches auf den heutigen Handelsverkehr basirt ist, von gänzlich verfehlter Anschauung ausgeht. Denn Elfenbein wird niemals eine Bahn bezahlt machen, das können nur Produkte des Ackerbaues.
[258] Dass eine Bahn ein Kulturfaktor ersten Ranges und geeignet ist, einen ungeahnten Aufschwung zu veranlassen, ist durch zahllose Beispiele in europäischen und überseeischen Ländern bewiesen. Nicht nur der gesammte Handel wird sich sofort an der Bahnlinie und ihren Ausgangspunkten koncentriren, sondern auch jeder unerlaubte Verkehr, vor Allem der Sklavenhandel wird aufhören oder bei der kolossalen Abnahme jedes Karawanen-Verkehrs leichter zu verhindern sein.
Die Engländer, die doch in kolonialen Dingen gewiss keine Phantasten, keine »Schwärmer« sind, gehen mit Ernst an den Bau der Victoriasee-Bahn. Der einzige wenn auch nur scheinbar stichhaltige Einwand gegen eine deutsche Bahn wäre der, dass zwei Bahnen zum Victoria-See des Guten etwas viel seien. Die Vortheile der Route Kilimanjaro—Speke-Golf gegenüber jener Kikuyu—Kavirondo sind jedoch in die Augen springend. Vor Allem ist es die nächste Linie — käme doch eine Bahn Mombas—Kilimanjaro—Speke-Golf der Luftlinie nahezu gleich —, ferner sind die Terrainschwierigkeiten ungleich geringer und Arbeitskräfte weit leichter zu beschaffen. Die Kosten einer solchen Bahn wären also weit geringer und der erreichte Hauptzweck, die Verbindung des Victoria-Sees und Uganda's mit der Küste wäre derselbe. Es scheint also nicht abzusehen, warum eine Vereinigung der beiden Bahnprojekte, des deutschen und englischen, nicht denkbar wäre.
Wenn man die Victoriasee-Bahn auf die Möglichkeit einer weiteren Verlängerung betrachtet, so findet man, dass die Mlagarassi-Zuflüsse in nächster Nähe des Victoria-Sees entspringen, also zweifellos eine Bahnlinie zum Tanganyika, etwa von Bukome nach Ujiji, ohne besondere Schwierigkeiten ermöglichen würden. Doch gehört eine solche zweifellos der späteren Zukunft an, vorläufig ist der Tanganyika unbedingt abhängig von der Nyassa-Route. Kein wie immer geartetes Bahnprojekt kann mit dieser konkurriren. Sich zur Nyassa-Route einen Zugang zu sichern, die weiten, vielversprechenden Gebiete im Süden des Schutzgebietes, die heute noch eine terra incognita sind, zu erforschen und der Kultur aufzuschliessen, scheint mir eine der dringlichsten Aufgaben deutscher Kolonialpolitik. Hier ist noch Pionierarbeit zu thun, während dieselbe im Norden des Schutzgebietes vollendet und die Spezialforschung, die allmähliche wirthschaftliche Erschliessung einsetzen kann.
Auf die Wichtigkeit geographischer Forschung kann nie genug hingewiesen werden, obwohl dieselbe selbst in kolonialen Kreisen gar oft als »gelehrter Kram« im Gegensatz zu den »praktischen« Arbeiten aufgefasst wird. Wie kurzsichtig diese Ansicht ist, zeigt am besten das Beispiel von Usambára. Es ist neuerdings öfter die Frage aufgeworfen worden, warum sämmtliche wirthschaftliche Unternehmungen sich auf Usambára koncentriren, wo doch andere Gebiete ebenso grosse, ja grössere Vortheile bieten sollen. Die Antwort darauf ist einfach die: weil man Usambára kennt und weil es Niemanden einfällt sein Kapital in Ländern auf's Spiel zu setzen, von welchen man nichts weiss. Aber nicht nur die [259] geographisch-naturwissenschaftliche, sondern auch die ethnographische Forschung hat eine eminent praktische Bedeutung, auf die auch Stuhlmann in seinem ausgezeichneten Werk hinweist. Denn sie allein ist im Stande uns mit dem Denken und Fühlen der dunkelfarbigen Völker vertraut zu machen, welche die deutschen Schutzgebiete bewohnen. So lange Offiziere und Beamte vom hohen Ross ihres Europäerthums verächtlich und interesselos auf den Neger herabblicken, solange sie »Afrika ohne die Afrikaner« regieren wollen, so lange wird die Zeit der verhängnissvollen Irrthümer kein Ende nehmen.
Was die Frage anbelangt, ob die ferneren Arbeiten sich auf die Küste beschränken, oder auch das ferne Innere mit umfassen sollen, so ist es allerdings richtig, dass die fruchtbaren Küstengebiete das naheliegendste und aussichtsreichste Feld für koloniale Thätigkeit in Ostafrika sind. Doch vor der Thatkraft und seltenen Kühnheit, mit welcher Engländer und besonders Belgier heute daran gehen, das Herz Afrika's der Kultur zu eröffnen, kann deutscher Unternehmungsgeist nicht zurückstehen. Auf meinen langjährigen Reisen im tropischen Afrika bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Erschliessung des dunklen Welttheils zwar noch schwere Opfer erfordern, dass aber der Lohn dieser Mühen sicher nicht ausbleiben wird.
Kapt. Lugard, ein genauer Kenner indischer und afrikanischer Verhältnisse, spricht die Ueberzeugung aus, dass Ostafrika nicht besser und nicht schlechter sei als Britisch-Indien. Hier wie dort giebt es fruchtbare und wüste Strecken, gesunde Hochländer und fieberreiche Niederungen. Was jedoch Indien unbedingt voraus hat, ist die kolossale Bevölkerung; was uns in Ostafrika fehlt, sind Menschen. Ungeheure Striche, und zwar nicht nur Steppen, sondern auch wasserreiche, üppige Hochländer sind so gut wie unbewohnt; überall ist die Bevölkerung äusserst dünn gesäet. Hebung der Einwohnerzahl bleibt daher die wichtigste Aufgabe in Deutsch-Ostafrika, möge sie immer durch Versuche angebahnt werden, die zu einer fremden Einwanderung führen, oder möge sie die Faktoren zu beheben suchen, welche eine Vermehrung der Eingeborenen verhindern. Nicht nur aus Humanität, nicht nur aus sentimentaler Sorge um unsere »schwarzen Brüder« sind wir verpflichtet, deren Lage zu verbessern, sondern aus dem rein praktischen Interesse, das eine Kolonialmacht an der Entwickelung ihrer Schutzgebiete haben muss. Die Vermehrung der Inlandstationen, die strenge Aufrechterhaltung des Verbotes der Waffeneinfuhr werden dem Fluch der Sklavenjagden und Stammesfehden ein Ende machen und die vorschreitende Kultur wird das Elend der Hungersnoth und der Seuchen mildern, das schwer auf den Afrikanern lastet.
Den ungeheueren Anstrengungen der europäischen Nationen, die in der Geschichte nicht ihres Gleichen haben, ist es gelungen, das tropische Afrika zu erschliessen. Zwar ist die Periode der Erforschung keineswegs abgeschlossen, viele Gebiete hat noch keines Europäers Fuss betreten, und dass auch die Zeit der Entdeckungen noch nicht [260] vollendet, hat die Massai-Expedition bewiesen. — Aber die Arbeit des Pioniers kommt heute nicht nur der Wissenschaft zu Gute, sondern der Missionar, der Kaufmann, der Pflanzer, sie folgen unaufhaltsam seinen Spuren.
Auch mir war es vergönnt, bei der Erschliessung eines Theiles von Ostafrika mitzuarbeiten. Usambára, welches ich in den Jahren 1888 und 1890 als förmliche terra incognita durchstreift, es steht heute im Brennpunkt der deutschen kolonialen Interessen. Durch die Urwälder von Handeï schallt die Axt des Pflanzers, auf den Höhen der Bergdörfer hat der Missionar sein Kreuz aufgerichtet und am Fuss der Berge ertönt der Pfiff der Lokomotive, der bestimmt ist, das Land aus tausendjährigem Schlummer zu erwecken.
Mögen auch jene fernen Gebiete, in welchen die Massai-Expedition zuerst die deutsche Flagge entfaltet, mögen auch die Hochplateaus des Massailandes und die Quellländer des heiligen Nil, mögen auch sie dereinst der Kultur erschlossen sein!
Die Kartenaufnahmen von Dr. O. Baumann werden unter dem Titel »Die kartographischen Ergebnisse der Massai-Expedition des Deutschen Antisklaverei-Komite« als Ergänzungsheft No. 110 zu Petermanns Mittheilungen veröffentlicht.
Von Dr. Hans Lenk.
Das von Herrn Dr. Oscar Baumann im Verlauf seiner letzten, in den Jahren 1892 und 1893 ausgeführten Reise in Deutsch-Ostafrika gesammelte und dem Mineralogischen Museum der Universität Leipzig zur Untersuchung und Bestimmung übergebene petrographische Material umfasst hauptsächlich Gesteinsproben aus dem südlich vom Victoria-Nyansa sich ausbreitenden, archäischen Hochlande von Unyamwesi und den sich zwischen jenem und dem Tanganyika-See ausdehnenden Gebirgen von Ussui und Urundi, die gleichfalls wesentlich aus altkrystallinischen Gesteinen bestehen. Ihnen schliesst sich eine Anzahl von Belegstücken jüngerer vulkanischer Gesteine an, welche zum Theil aus der, am Ostrande der afrikanischen Hochlandmasse hinziehenden und unter dem Namen des Ostafrikanischen Grabens bekannten Vulkanspalte selbst, zum Theil von ihren östlichen und westlichen Randgebirgen herrühren.
Nach der makroskopischen und mikroskopischen Sichtung lassen sich die vorliegenden Gesteine in folgende Gruppen vereinigen:
Porphyr, Diabas, Gabbro u. s. w.
Trachyt, Basalt.
Dem Wunsche des Herrn Auftraggebers entsprechend folgt in den nachstehenden Zeilen eine kurze Schilderung der überwiesenen Gesteinssuite, zu welcher die Vorbemerkung gestattet sein möge, dass weder die zur Verfügung stehende Zeit, noch die durchschnittliche Beschaffenheit des Materials eingehendere petrographische Untersuchungen ermöglichte. Dem Charakter dieser Mittheilungen gemäss ist auch von Citaten aus der wissenschaftlichen Literatur — den Publikationen von Mügge, Thomson, Bonney, Tenne und Rosiwal, welche sich zum Theil auf das nämliche, zum Theil auf benachbarte Gebiete beziehen — abgesehen worden.
In der Gruppe
sind im Folgenden alle körnigen, Quarz, Feldspath und ein farbiges Bisilicat enthaltenden Gesteine aufgeführt, welche eine richtungslose Struktur besitzen. Bei der Kleinheit vieler der zu Gebote stehenden Gesteinsstücke ist es jedoch nicht ausgeschlossen, dass auch ein granitisch struirter Gneiss hier seine Stelle gefunden hat, während auch andererseits der ein oder andere schiefrig ausgebildete Granit unter die Gneisse gerathen ist.
Die vorliegenden granitischen Gesteine zerfallen in Biotitgranite, zweiglimmerige Granite, Mikroklin-Granite und Hornblendegranite.
Der Typus der Biotitgranite liegt vor in einem ziemlich feinkörnigen Gestein von
welches ein gleichmässiges, krystallinisches Gemenge von Feldspath, Quarz und Biotitblättchen darstellt, deren Dimensionen gewöhnlich nur 1 mm Durchmesser erreichen. Im Dünnschliff zeigt sich, dass die Constituenten, wie das schon aus dem makroskopischen Aussehen des Gesteins sich schliessen lässt, im Ganzen noch sehr frisch und wenig von Zersetzungsvorgängen berührt sind. Die Feldspathe, ungefähr je zur Hälfte dem Orthoklas und der Plagioklasreihe angehörig, sind meist gut automorph gegenüber dem Quarz. Die Orthoklase zeigen nur spärlich und dann in ihren innersten Theilen den Beginn einer durch Zersetzung erzeugten Trübung; in ganz einzelnen Fällen lassen sich übrigens schon federartige Lamellen von Kaliglimmer erkennen, die aus einem Haufwerk von matten, nicht polarisirenden Kaolinsubstanzen herauswachsen. Etwas weiter ist gewöhnlich die Trübung der Plagioklase vorgeschritten, die sich ohnehin durch ihre Zwillingsstreifung bereits im Handstück von den orthotomen Feldspathen unterscheiden lassen und die nach den ausgeführten [265] Bestimmungen der Auslöschungsschiefe (+ 2 bis 4° auf P) und dem Grade ihrer Aetzungsfähigkeit mehr zu den sauren Gliedern der Albit-Oligoklas-Familie zu gehören scheinen. Gänzlich xenomorph treten zwischen den Feldspathen und Quarzen hin und wieder kleine Partien von schön gegittertem Mikroklin auf. Da dieser gegen die benachbarten Feldspathe meist scharf abgegrenzt erscheint und augenfällig die Rolle einer Ausfüllungsmasse spielt, möchte man ihn, wenn nicht als ein rein chemisches Secundärproduct, doch eher als eines der letzten Glieder im Verfestigungsprozesse, wie ein durch dynamische Wirkungen erzeugtes Product aus anderen Feldspathen betrachten. Ohnehin sind Erscheinungen, welche darauf schliessen lassen, dass das Gestein den Pressungen des Gebirgsdrucks in bemerkenswerthem Grade ausgesetzt gewesen wäre, nicht zu beobachten. Die schwarzen Biotitblättchen werden im Dünnschliff bronzeschimmernd mit bräunlichgelber Farbe durchsichtig; nicht selten sind sie mit Magnetitkryställchen verwachsen und hin und wieder zeigt sich auf den Spaltflächen die Neubildung von grünlicher Chloritsubstanz. Vom Magneteisen abgesehen sind Accessorien selten; nur kleine Apatitsäulchen finden sich spärlich als Einschlüsse im Quarz und Feldspath.
Grobkörnige Biotitgranite liegen vor von
Milchweisse Feldspathe von etwas mattem Aussehen und wasserhelle, starkglänzende Quarze, zuweilen von undeutlich dihexaedrischer Form bilden die Hauptmasse des ersteren Gesteins; in derselben ziemlich gleichmässig vertheilt erscheinen dunkle Magnesiaglimmer, die sich bei näherer Betrachtung in blättrig-filzige Aggregate verwandelt erweisen; wie der Dünnschliff lehrt, bestehen diese zum Theil aus gelbgrünem Epidot und grünem chloritartigen Glimmer, in dem sagenitartig verwachsene Rutilnädelchen liegen, während die schwer durchsichtigen, körnigen Randpartien vorzugsweise aus Titanit gebildet zu sein scheinen. Die Quarze bergen zahlreiche Flüssigkeitseinschlüsse, winzige (Turmalin?) Nädelchen und opake Erzpartikelchen, welche bald wolkig vergesellschaftet sind, bald auch zu Reihen geordnet, die Quarzindividuen durchschwärmen; daneben finden sich dickere, quergegliederte Prismen von Apatit und modellmässig scharf ausgebildeten Zirkonkryställchen, letztere oft mit deutlich zonarem Bau. Die Feldspathe sind vorwiegend Plagioklase; demnach würde das Gestein eigentlich als Granitit zu bezeichnen sein; sie erscheinen unter dem Mikroskop stark zersetzt und in Haufwerke von Körnchen, Blättchen und kleinen Säulchen umgewandelt; wo die letzteren grössere Dimensionen erreichen, deutet die intensiv blaue Polarisationsfarbe und die gerade Auslöschung auf Zoisit, während die farblose Grundsubstanz, die jene Aggregate einschliesst und, stellenweise ärmer an denselben, zwischen ihnen hindurchschimmert, optisch und chemisch sich als Skapolith erweist. Hingegen sind die seltenen, mit Albitlamellen perthitisch durchwachsenen Orthoklase [266] relativ wenig verändert und enthalten, wie die Quarze, vorzugsweise primäre Einlagerungen.
Das Gestein von Ngurunga gehört zu den biotitärmeren Graniten und zeichnet sich von den besprochenen beiden Vorkommen auch durch die intensiv fleischrothe Färbung seiner Feldspathe aus. Die Quarze sind noch reicher an Flüssigkeitseinschlüssen mit lebhaft beweglichen Libellen; bei der Umwandlung der Feldspathe tritt jedoch die Neuproduktion von Zoisit hinter der einfachen Skapolithisirung zurück, mit der, abgesehen von der nicht unbeträchtlichen Ausscheidung von Quarz, die Ausbreitung von Eisenoxydhydratlamellen auf den Spaltrissen und Grenzflächen der einzelnen Individuen Hand in Hand gegangen zu sein scheint.
In dem mittelkörnigen Biotitgranit vom
wo der Orthoklas wieder bei Weitem vor dem Plagioklas überwiegt, fällt auch die Anwesenheit eines hellen Glimmers neben dem dunklen Biotit auf. Bei näherer Betrachtung des Präparates scheint es indessen zweifelhaft, ob dieser lichte Glimmer auch nur zum Theil als ein primärer Bestandtheil zu betrachten ist; denn die kleinen Muscovitblättchen, die in den Kalifeldspathen häufig nesterartig vertheilt sind oder aus deren Rändern zu fiederig-schuppigen Massen herauswachsen, stellen sicherlich Secundärproducte dar; aber auch von den grösseren Partien lichten Glimmers, die auf's engste mit den Biotitlamellen verwachsen erscheinen, ist es wahrscheinlich, dass sie erst aus diesem Mineral hervorgegangen sind, um so mehr als dasselbe bereits etwas angegriffen sich erweist. Perthitischer Orthoklas sowohl wie prächtig gegitterter Mikroklin sind reichlich vorhanden; oft greift Quarz lappig in ihre Randzonen ein oder tritt hier in mikropegmatitischer Verwachsung mit Feldspathsubstanz in Form von korallenstockähnlichen Wucherungen auf.
In sehr hohem Grade lassen die Mikroklingranite von
dynamometamorphische Erscheinungen erkennen. Das mittel- bis grobkörnige Gestein von Ruanda, dessen etwas verwitterten Zustand die trüben Feldspathe und die fleckenweise Ausscheidung von Eisenoxydhydraten verrathen, zeigt im mikroskopischen Bilde eine förmliche Breccienstruktur. Die Feldspathe sind fast sämmtlich zertrümmert, bald im Haufwerke von unregelmässig gelagerten, zackig conturirten Körnern aufgelöst, zwischen denen meist ein körniges Mosaik von Quarz und Feldspathpartikelchen sich hindurchzieht; bald erscheinen sie nur in grösseren Fragmenten auseinandergedrängt, deren ursprüngliche Zusammengehörigkeit zu einem Individuum sich aus dem entsprechenden Verlauf der Conturen oder der Zwillingsstreifung zwischen gekreuzten Nicols kundgiebt. Diese ist bei den Plagioklasen [267] niemals scharf, sondern stets mehr oder weniger verschwommen; die sich kreuzenden Spaltrisse sind zuweilen so zahlreich vorhanden, dass die betreffenden Individuen förmlich ein geschiefertes Aussehen besitzen. Mehrfach ist auch die Umwandlung der meist schon stark getrübten Kalknatronfeldspathe in farblose Skapolithsubstanz zu beobachten. Ungestreifter Kalifeldspath fehlt vollständig; in Anbetracht der aussergewöhnlich grossen Menge von Mikroklin aber und der erwähnten Deformationserscheinungen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Mikroklin, wenn nicht durchaus, so doch zum allergrössten Theile ein durch die, offenbar wirksam gewesenen, dynamischen Einflüsse aus Orthoklas hervorgegangenes Erzeugniss secundärer Art sei. Dieser Eindruck erhält eine wesentliche Begründung durch die Thatsache, dass gerade die am meisten zertrümmerten Feldspathpartien aus Mikroklin bestehen, und ferner durch den Umstand, dass die Gitterung bei den kleinen Fragmenten eine sehr scharfe ist, bei den grösseren dagegen einen Grad von Verschwommenheit zeigt, der im Allgemeinen proportional mit den Dimensionen derselben zunimmt. Auch der Quarz erweist sich durch splitterig-zackige Umrisse und undulöse Polarisation als ziemlich stark beeinflusst; die vorzugsweise in ihm eingeschlossenen dicken Apatitsäulchen zeigen eine vielfache Quergliederung, mit der zuweilen eine Verschiebung der einzelnen Glieder gegen einander verbunden ist. An Stelle des, nicht sehr reichlich vorhanden gewesenen, bräunlichen Biotits sind grösstentheils Aggregate von schmutziggrünem Chlorit getreten, der in der Regel mit braunen Eisenoxydhydraten, hin und wieder auch mit kleinen Partien von Eisenkies verwachsen ist. Farblose oder schmutzigweisse Haufwerke von Muscovit, gewöhnlich durch etwas eisenhaltiges Pigment gelblich gefärbt, sind häufig in grösserer Menge zu beobachten. Im Verein mit dem Quarz-Feldspathmosaik finden sie sich vorzugsweise an den Rändern der Feldspathe wie auf den dieselben durchsetzenden Spaltrissen und kennzeichnen dadurch zweifellos ihre secundäre Bildungsweise.
Eine fast noch weiter gehende Zertrümmerung ihrer Bestandtheile weisen die biotitarmen Mikroklingranite von Ngoroïne und namentlich jener vom Duma-Bach auf, der sich von den anderen hierher gehörigen Gesteinen durch die röthliche Farbe seiner Feldspathe und die häufigeren Zirkoneinschlüsse in denselben unterscheidet. In dem bedeutend glimmerreicheren Gestein von Ussui erscheint auch der Biotit unter Umwandlung in Chlorit durchgehends in Haufwerke von Schüppchen aufgelöst, die häufig Quarz- und Feldspathkörner kranzartig umgeben oder stromartig zwischen denselben sich hindurchdrängen, so dass eine gneissähnliche Struktur entsteht. In dem Mikroklingranit von den
hingegen scheint der, auch meist in grösseren Krystallen vorhandene Mikroklin ein primärer Bestandtheil zu sein. Das im Ganzen noch recht frische Gestein lässt im Dünnschliff wenig mechanische Deformationen erkennen, Quarze und Feldspathe heben sich wohl conturirt von einander ab; der schalige Aufbau der Plagioklase ist gewöhnlich [268] völlig ungestört, nur die bereits erwähnten, korallenstockähnlich in den Randzonen der Feldspathe eingewachsenen Mikropegmatitpartien sind auffallend häufig zu beobachten. Zugleich mit der Ausscheidung von kleinen farblosen Glimmerblättchen scheint bei den Feldspathen auch hier die Tendenz zur Skapolithbildung vorhanden zu sein; der sehr reichlich an der Gesteinszusammensetzung betheiligte bronzefarbige Magnesiaglimmer wandelt sich in grüne Chloritblättchen um, zwischen denen hin und wieder, wohl auch als Neubildungsproducte, gelber Epidot und schwach gefärbte Titanitkörnchen eingewachsen sind.
Sehr nahe verwandt erweist sich der Granit von
der etwas weniger Glimmer führt, jedoch etwas gröberes Korn und bei der grösseren Ausbildung einzelner Feldspathe eine ausgesprochen porphyrische Struktur besitzt.
Die Familie der Hornblendegranite ist repräsentirt durch Gesteine vom
Das erstere ist ein porphyrartiger Granit, in dem die grösseren Feldspathkrystalle — fast durchweg Orthoklas — oft über 1 cm Durchmesser erreichen; in der aus Quarz, Feldspath und schwarzem Biotit bestehenden feinkörnigeren Gesteinsmasse lassen sich mit der Lupe bereits vereinzelte Individuen von Hornblende erkennen, deren Antheil im Dünnschliff sich sogar als ein ziemlich beträchtlicher erweist. In den Feldspathen, deren Inneres häufig in ein trübes Gemenge von Kaolinsubstanzen und farblosen Glimmerschüppchen übergegangen ist, sind häufig Einlagerungen von regelmässig begrenzten, nelkenbraunen Biotitblättchen, seltener von Apatit- und Zirkonkryställchen zu beobachten; skapolithisirter Plagioklas tritt im Ganzen sehr zurück gegen den gewöhnlichen Kalifeldspath, der stellenweise auch durch Mikroklin vertreten ist. Der grünlichbraun durchscheinende Magnesiaglimmer ist zum Theil chloritisirt, zum Theil epidotisirt, während die dunkelgrüne Hornblende frisch und intact erscheint. Gewöhnlich sind Hornblende und Biotit zu Aggregaten verwachsen, an denen sich ausserdem Apatit und Titanit, sowie Magneteisen betheiligen.
Weniger reich an Hornblende, um so reicher aber an Mikroklin ist der mittelkörnige Granit von Mugango, bei dem schon makroskopisch der Unterschied zwischen dem fleischroth gefärbten Kalifeldspath und dem weisslich trüben, weil der Hauptsache nach skapolithisirten Plagioklas in die Augen fällt.
Von
sind in Dr. Baumann's Sammlung vertreten Biotitgneiss, Muscovitgneiss, Zweiglimmergneiss und ferner je ein Vorkommen von Hornblendegneiss und Epidotgneiss.
[269] Normale, meist feinkörnige Biotitgneisse liegen vor von
Der körnig-streifige Gneiss aus der Schlucht bei Donyo Kissale weist im Handstück einen lagenweisen Wechsel von glimmerarmen Feldspath- und glimmerreichen Quarzzonen auf; die ersteren zeichnen sich überdies durch eine etwas intensivere Gelbfärbung in Folge des hier reichlicher vorhandenen ockerigen Pigmentes aus. Die tiefschwarzen Biotitblättchen werden auch im Dünnschliff nur schwer an den Kanten durchscheinend, Quarz zeigt hin und wieder gute krystallographische Ausbildung in Form von kurzen Prismen mit terminaler Endigung, während Feldspath nur in irregulären Körnern zu beobachten ist. Von Accessorien finden sich Turmalin, Zirkon und Apatit in den gewöhnlichen, meist rundkantigen Gestalten.
In dem Gneiss vom Plateauabfall am Eyassi-See ist die Scheidung der Gemengtheile in nahezu reine Glimmer- und ebensolche Quarzfeldspathlagen eine noch ausgesprochenere. Im Dünnschliff ist bei den letzteren eine relativ sehr ansehnliche Betheiligung von Plagioklas zu konstatiren; Struktur- und Polarisationsverhältnisse der meisten Quarze und Feldspathe lassen im Uebrigen auf hochgradige Pressionswirkungen schliessen, denen dieser Gneiss ausgesetzt gewesen sein mag. Das Gleiche gilt auch von dem Gestein vom Abfall des Iraku-Plateau; dieses zeigt aber im Allgemeinen eine gleichmässigere Vertheilung seiner Bestandtheile, von denen die Feldspathe zur Neubildung von Muscovit und Skapolith Veranlassung gegeben haben. Bedeutend glimmerärmer ist der bräunlich gefärbte Gneiss von Umbugwe, von dem leider nur eine sehr bröckelige Probe vorliegt. Die sehr corrosive Beschaffenheit seiner Bestandtheile möchte man übrigens nicht auf mechanische Einflüsse, sondern lediglich auf Verwitterung zurückführen; denn die Quarze und Feldspathkörner erscheinen quasi in situ zerfallen, zersprengt, ohne dass, wie es doch sonst in gequetschten Gesteinen immer der Fall ist, eine Verschiebung der einzelnen Partikelchen gegen einander oder auch die Bildung jener charakteristischen Mosaikstruktur eingetreten wäre. Die Polarisationserscheinungen verrathen das Vorhandensein bedeutender Spannungsdifferenzen im Innern der einzelnen, durch einen farblosen Quarzkitt wieder zusammengeheilten Partikel; denn nur höchst selten findet man sie einheitlich polarisirend, fast allgemein lassen sich hingegen die buntesten Interferenzerscheinungen in Gestalt von mehr oder weniger vollkommenen, grellfarbigen Ringsystemen beobachten. In Anbetracht dieser Verhältnisse drängt sich dem Beobachter der Gedanke auf, dass hier im Kleinen die Quarz- und Feldspathindividuen in ganz ähnlicher Weise unter dem Einfluss der tropischen Sonne, bezw. des raschen und bedeutenden Temperaturwechsels zersprungen sind, wie im Grossen die Quarzgerölle der nordafrikanischen und nordamerikanischen [270] Wüsten. Dass gleichzeitig auch die Hydrometeore sehr energisch wirksam gewesen sind, beweist die reichliche Ausscheidung von Eisenoxydhydraten, welche die Glimmertafeln als matte erdige Zonen umgeben oder als schleierhaft dünne, zuweilen dendritische Ueberzüge auf den Grenzflächen der einzelnen Quarz- und Feldspathindividuen sich abgelagert haben und durch ihre Menge dem Gestein im Ganzen die erwähnte gelblichbraune Färbung verleihen.
Granulitähnlich durch die Concentration der in geringen Mengen vorhandenen Biotitblättchen auf dünne, einander im Abstand von 2-3 cm parallel laufende Zonen und ferner durch die Parallelverwachsung von Quarz und Feldspath erscheinen die Biotitgneisse von
Ihrer Zusammensetzung, Korngrösse und mikroskopischen Struktur nach sind sie einander sehr ähnlich; in beiden ist eine geringfügige Mikrobreccienbildung und eine ziemlich weitgehende Umwandlung des vorwiegenden Kalifeldspaths in kaolinartige Massen zu beobachten; lediglich durch die Betheiligung von, zum Theil, wie es scheint, allerdings neugebildetem, Mikroklin unterscheidet sich das Gestein aus dem Massailand von jenem von Tarata.
Die höchste Stufe mechanischer Deformation weisen von allen bisher geschilderten Gesteinen zwei Gneisse auf, von
Es sind graugrüne, grauwackenähnliche äusserst zähe Gesteine, das erstere mit mehr porphyroidartiger, das letztere mit feinflaseriger Struktur. Bei beiden kann man von förmlichen Grundmassen sprechen, die aus winzigen Quarz- und Feldspath- (namentlich Mikroklin-) Partikelchen, sowie Glimmerblättchen bestehen und namentlich in dem Gestein von Utunduwe häufig grössere Krystallfragmente von Quarz und kaolinisirtem Feldspath umschliessen. Massenhaft durchschwärmen bräunlich grüne Biotitlamellen diese Einsprenglinge auf ihren Spaltrissen; besonders dicht geschaart erscheinen die, offenbar aus der Zertrümmerung grösserer Biotitindividuen herrührenden und zu langen Flatschen ausgestreckten Glimmeraggregate in Verbindung mit Chloritschüppchen und Epidotkörnchen an den Rändern der grösseren Mineralfragmente, wo sie entweder wie gestaut abschneiden oder den Langseiten derselben sich anschmiegen und an den kurzen Enden schwanzartige Fortsätze bilden. Gleichmässiger durch die feinkörnige Gesteinsmasse vertheilt erscheint der Glimmer in dem Gneiss von Utunduwe, der in Folge dessen auch makroskopisch eine bei Weitem geringere Flaserigkeit zur Schau trägt.
Die Muscovitgneisse von
besitzen im unverwitterten Zustande eine fast weisse Farbe und gleichen dadurch sehr körnigen Quarziten, die durch parallel gelagerte Muscovitschüppchen schiefrige Struktur besitzen. Im Dünnschliff erweisen sie sich in hochgradiger Weise mechanisch [271] verändert; nur sehr vereinzelte Quarz- und Feldspathindividuen sind mit stark zerklüfteten Rändern erhalten geblieben, alles übrige ist in eine feinkörnige, in den buntesten Farben polarisirende Mikrobreccie verwandelt, die aus Quarz und Mikroklin besteht und zwischen der sich Strähnen von gelblichweissen Muscovitlamellen hindurchziehen. In dem farblosen, offenbar neophytischen Kieselsäurecement, das wie ein durchsichtiger Glashauch jene feinklastische Masse umhüllt und zu einem Gestein von ansehnlicher Festigkeit verbindet, finden sich, stellenweise ziemlich zahlreich, Gasporen von den verschiedensten Dimensionen und meistens schlauchartigen Formen. Accessorien, mit Ausnahme der überall vorhandenen Apatite und Zirkone, fehlen in dem Gestein von Uassi, dagegen sind in den Quarzen des Gneisses vom Ruvuvu stellenweise sehr zahlreiche, allerdings winzige und demgemäss nur schwachbräunliche Biotittäfelchen von sechsseitiger Form eingewachsen. Neben diesen sind ebenso häufig dunkle Nädelchen vorhanden, die man wohl um so mehr für Turmaline ansprechen darf, als hin und wieder auch dickere Krystallfragmente von diesem Mineral auftreten, deren lebhafter Pleochroismus zwischen einem tiefen Braun (für den ordentlichen) und schmutzigen Grau (für den ausserordentlichen Strahl) schwankt.
Von den Repräsentanten der Zweiglimmergneisse liegt ein stark kaolinisirtes, der Struktur nach feinkörniges, streifiges Gestein von
vor, in dem die Betheiligung eines zweiten, farblosen Glimmers neben dem dunkelbraunen Biotit übrigens erst durch Mikroskop zu erkennen ist. Ebenso wie dieser erscheint auch der Muscovit in ziemlich wohlconturirten Blättchen und ist darum mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als primärer Bestandtheil anzusehen. Winzige, meist tiefschwarze, rundliche, bisweilen auch annähernd hexagonale Blättchen sind in den grösseren Biotitindividuen massenhaft eingewachsen; bei ihrer dunklen Farbe möchte man sie auf den ersten Blick hin für Graphit halten, indessen fehlt ihnen der für diesen charakteristische Glanz und ferner lassen vereinzelte, besonders dünne, doch etwas Licht mit dunkelbrauner Farbe durchscheinen, sodass ihre Zugehörigkeit zum Magnesiaglimmer nicht weiter zweifelhaft sein kann. Neben der chemischen Verwitterung der Feldspathe, die bis auf wenige Reste in Kaolin verwandelt sind, zeigen sich auch mechanische Deformationen in umfangreichem Maasse an den Quarzen. Etwas häufiger als sonst im Allgemeinen in diesen Gesteinen tritt Zirkon auf, während hingegen Apatit ein relativ seltener Gast ist.
Auch der Hornblendegneiss von
ist ein durch hochgradige Mikrobreccienstruktur und ansehnlichen Mikroklingehalt ausgezeichnetes Gestein, welches im Handstück eine röthliche Farbe aufweist und grosse Festigkeit verräth. Vereinzelte grössere Feldspathindividuen, die mehr oder weniger in mattweisse, kaolinartige Substanzen umgewandelt sind und sich deshalb aus der feinkörnigen, aus fast wasserklaren Quarzen und Feldspathen [272] bestehenden Hauptmasse grell abheben, verleihen dem Dünnschliff ein porphyrartiges Aussehen. Der Glimmerbestandtheil ist fast gänzlich durch eine olivengrüne Hornblende vertreten, die gleichfalls in chemischer und mechanischer Hinsicht stark corrodirt erscheint, insofern als sie in splitterigen, flatschenartig ausgezogenen Partien schon vielfach der Umbildung in Epidot und Ausscheidung von opaken Erzpartikelchen anheimgefallen ist. Hier und da finden sich auch bräunlichrothe Titanite und Zirkone mit rundlichen Kanten, ferner Oktaederchen von Magneteisen, dem wohl auch die winzigen Erzkörnchen angehören, die an manchen Stellen schaarenweise eingesprengt sind.
Ein sehr eigenthümlicher Gesteinstypus liegt endlich in dem Epidotgneiss von
vor. Makroskopisch bereits verräth die eigenthümlich gelbliche Färbung der Quarz-Feldspathpartien in dem dünnschieferigen, sehr glimmerreichen Gestein die Anwesenheit von Epidot, dessen mehr als accessorische Betheiligung weiterhin die Untersuchung des Dünnschliffs ergiebt. Obwohl grösstentheils farblos und nur in einigen wenigen grösseren Individuen den bekannten Pleochroismus in gelblichen Tönen zeigend, hebt sich doch der Epidot von den anderen, gleichfalls ungefärbten Gesteinbestandtheilen im Präparat durch seine starke Lichtbrechung, durch das beim Anschleifen der zahllosen, in ihm enthaltenen Hohlräume entstehende, narbig-rauhe Relief und durch pyroxenähnliche Spaltbarkeit deutlich ab. Seine Menge überwiegt diejenige des Feldspaths ganz bedeutend; der Epidot bildet somit einen wesentlichen Gesteinbestandtheil, von dem es nur noch zweifelhaft sein kann, ob er als primäres Mineral oder secundäres Product zu betrachten ist. Obwohl die Feldspathe, Orthoklas, wie die reichlicher vorhandenen Plagioklase im Ganzen wenig angegriffen erscheinen, legen doch die innigen Verwachsungsverhältnisse zwischen ihnen und der Epidotsubstanz die Vermuthung nahe, dass sie auch in genetischen Beziehungen zur letzteren stehen, d. h. dass der Epidot, wie auch sonst häufig eine auf Kosten der Feldspathe entstandene Neubildung darstellt, welche hier die Stelle der in diesen Gesteinen gewöhnlichen Kaolin- oder Skapolithbildung vertritt. Biotit ist in reichlicher Menge vorhanden, bald in grösseren Individuen, bald in faserig-schuppigen Haufwerken von gelblich-brauner Farbe. Von Accessorien seien Apatit, Zirkon, röthliche, lebhafte pleochroitische Titanitkrystalle und ein Schwefelerz zu nennen, das wegen seiner dunklen, etwas in's röthliche schimmernden Farbe wohl als Magnetkies anzusprechen ist.
Von
liegt nur ein einziges Vorkommen vor, nämlich von
[273] Das Gestein zeigt plattige Absonderung und besteht aus einer feinkörnigen röthlich gefärbten Feldspathmasse, in der farblose Linsen von Quarz in strenger Parallellagerung eingewachsen sind, so dass auf dem Querbruch eine typische Flaserstruktur zum Ausdruck kommt. Glimmer fehlt, wie auch die mikroskopische Untersuchung zeigt, als Gesteinsbestandtheil vollständig, dagegen ist er in Form von violett-bräunlichen Blättchen als accessorischer Einschluss in den Quarzen nicht selten, in denen auch durch ihre bräunlich-rothe Farbe wohl unterscheidbare Eisenglanztäfelchen häufig eingesprengt erscheinen. Bei den Feldspathen fällt die ausserordentlich geringe Betheiligung von Plagioklas auf; die Hauptmasse bildet gewöhnlicher Kalifeldspath, der die ersten Anfänge der Kaolinisirung aufweist; sporadisch finden sich auch perthitisch struirte Körnchen und solche mit Mikroklingitterung. Im Allgemeinen zeigt das Gestein mikroskopisch nicht die Wirkungen einer bedeutenden mechanischen Beeinflussung; auch der polysynthetische Bau der bis über ½ cm im Durchmesser erreichenden Quarzlinsen deutet nicht auf solche, sondern lässt sich einfach auf eine primäre Verwachsung krystallographisch etwas abweichend orientirter Individuen zurückführen.
Aus der Familie der
im engeren Sinne sind Glimmerschiefer und Phyllite, namentlich aber Quarzitschiefer und Hornblendeschiefer in den verschiedensten Varietäten in der Sammlung Dr. Baumann's vertreten, letztere offenbar deshalb in grösserer Zahl, weil sich diese Gesteine bei dem geringen Grad ihrer Verwitterung und ihren auffallenden Farben im Vergleich zu anderen dem Sammler im archäischen Terrain von selbst aufdrängen.
Ein typischer Muscovitschiefer stammt aus
er besteht ausschliesslich aus ziemlich grossen, silberweissen Muscovittäfelchen, an denen hier und da kleine Turmalinprismen angewachsen sind und haselnussgrossen bräunlich-rothen Granaten, deren Oberfläche bereits stark zu ockerig-erdigen Massen verwittert ist.
Ein zwar sehr feinkörniger, aber doch immer noch deutlich krystallinischer Biotitschiefer wurde in der Nähe des vorigen gesammelt, in
Er besteht aus, in der Richtung der Schieferung etwas langgestreckten Quarzkörnern oder Körneraggregaten, zwischen denen hin und wieder ein Feldspath zu beobachten ist und aus braunen Biotittafeln, die mit unregelmässig begrenzten, meist prismatisch ausgebildeten Individuen einer graugrünen Hornblende in innigster Weise verwachsen sind. Bemerkenswerth ist bei diesen letzteren der schalige Bau, der sich in der dunkleren Färbung des Kerns gegenüber den Randzonen [274] offenbart. Das Gestein macht durchaus den Eindruck eines normalen Glimmerschiefers und ist, von gedrungenen Apatitsäulchen abgesehen, arm an sonstigen accessorischen Bestandtheilen.
Im Gegensatz zu ihm liegt in dem Andalusitglimmerschiefer von der
ein Gestein vor, dessen Struktur und Mineralbestand lebhaft an vielfach beschriebene contactmetamorphische Schiefer erinnert. In einer sehr feinkrystallenen Masse, die, wie die mikroskopische Betrachtung zeigt, aus einem mit braunen Biotitblättchen durchwachsenen Quarzkörnchenaggregat besteht, liegen bis über 1 cm lange und bis 2 mm dicke Prismen von Andalusit in annähernd paralleler Lage zu einander. Sie zeigen in typischer Weise die für dieses Mineral charakteristische, durch massenhafte Quarzinterpositionen erzeugte, scheinbar schwammig-cavernöse Mikrostruktur und einen geringen, aber doch deutlich wahrnehmbaren Pleochroismus zwischen blassrothen und schwach grünlichen Tönen; die Einlagerungen von Biotit- und Muscovitlamellen sowie von Magnetitkörnchen sind im Verhältniss zu anderem Vorkommen hier nicht sehr reichlich; bei manchen Individuen ist die Ausbildung der Fläche (100) zur Gleitfläche zu beobachten, wodurch der Eindruck einer Zwillingsbildung erzeugt wird. Bei der genauen Durchmusterung des Dünnschliffs zeigt sich übrigens, dass der Andalusit nicht allein in Gestalt jener prismatischen Einsprenglinge, sondern auch in Form von zahlreichen kleinen rundlichen Körnern vorhanden ist, die sich durch die erwähnten Eigenschaften wohl von den übrigen farblosen Gesteinsbestandtheilen unterscheiden lassen. Von Accessorien verdient namentlich der Turmalin Erwähnung, der in kurzen blaugrauen Säulchen mit abgerundeten Enden sich vornehmlich in der Nähe der Andalusitprismen findet. Stimmt hiernach das vorliegende Gestein völlig mit der Beschaffenheit zweifelloser Contactbildungen überein, so ist es doch ohne die, leider fehlenden, näheren Angaben über sein geologisches Auftreten wohl nur mit Vorbehalt als eine solche zu bezeichnen.
Als ein sehr festes, splittrig brechendes Gestein stellt sich der dunkelgrüne, quarzitische Glimmerfels von
dar, in dessen mikroskopisch sehr feinkörniger Grundmasse garbenähnliche Aggregate von bläulichgrüner Hornblende in grosser Zahl vertheilt sind. Jene Grundmasse selbst besteht aus winzigen braunen Biotitblättchen, die durch Quarzsubstanz zu einem äusserst zähen Gemenge verkittet sind.
Echte Hornblendeschiefer sind, wie bereits erwähnt, in verschiedenartiger Ausbildung vorhanden. So repräsentiren die Gesteine von
die Gruppe der dichten Amphibolite, deren Zusammensetzung aus winzigen, schwach grün gefärbten Hornblendenädelchen erst bei starker Vergrösserung unter dem Mikroskop erkennbar wird. Der kaum minder [275] feinkörnige phyllitartige Quarzamphibolit von
ist bemerkenswerth durch den Gehalt von Graphit und das reichliche Auftreten von Rutil. Die glänzend schwarzen Schüppchen des ersteren zeigen keine scharfe krystallographische Begrenzung, sondern sind von runder oder oblonger Form; der Rutil findet sich sowohl in der gewöhnlichen Form dunkelgelber Prismen, die häufig zu den bekannten knieförmigen Zwillingen vereinigt sind, als auch in dünnen, blassgelben Täfelchen, bei welchen mehr die andere Art der Zwillingsbildung zu herzförmigen Gestalten — Zwillingsebene (101), Verwachsungsebene senkrecht darauf — zur Entwickelung gelangt.
Von bedeutend hellerer Färbung wie die erwähnten Amphibolite durch die Beimengung von ziemlich viel Kalkcarbonat ist der grünlichgraue Hornblendeschiefer von
und ein ähnlicher grauer Schiefer vom
der mit Rücksicht auf seinen hohen Epidotgehalt die Bezeichnung Epidot-Amphibolit verdient, im Uebrigen aber, wie die bisher geschilderten Gesteine unter die mikroskopisch dicht zu nennenden Amphibolite gehört.
Feinkrystallinisch dagegen erscheint schon im Handstück ein dunkelgrüner Amphibolit, aus der Gegend von
stammend; im Präparat zeigt sich, dass er fast gänzlich aus fingerförmig divergirenden Strahlsteinaggregaten zusammengesetzt ist, zwischen denen farbloser Quarz und winzige Magnetitkörnchen lokal sehr reichlich vertheilt sind.
Noch mehr krystallinischen Habitus besitzen die Amphibolite von
Den ersteren charakterisirt in Verbindung mit hohem Quarzgehalt eine hochgradige Mikrobreccienstruktur; das Gestein von Ussui dagegen enthält Plagioklas in solcher Menge, dass es eigentlich als Diorit zu bezeichnen wäre. Ob allerdings als ein Diorit (Epidiabas im Sinne Zirkels), dessen bläulichgrüne, strahlstein- (nicht uralit-) artige Hornblende aus dem Augit eines eruptiven Diabases hervorgegangen ist, scheint sehr zweifelhaft, wenn auch die Bemerkung auf der Etikette »ungeschichtet, zwischen Granit« auf ein Eruptivgestein deutet. Denn einmal entspricht der Habitus der Feldspathe durchaus dem in den krystallinischen Schiefern gewöhnlichen, zum andern aber erscheint auch das frische klare Aussehen derselben bei einem so basischen Charakter, wie er aus der mehrfach beobachteten Auslöschungsschiefe (21-25° auf P) hervorgeht, nicht wohl vereinbar mit Vorgängen, welche eine so totale Umwandlung des Augits bewirkt haben sollen.
[276] Auch die makroskopisch mittel- bis grobkörnigen Amphibolite führen Feldspath und Quarz, jedoch in beschränkter Menge. Daneben enthalten sie meist noch einen charakteristischen, accessorischen Gemengtheil; entweder einen hellgrünen Pyroxen — Salit — wie der Salit-Amphibolit vom
der in »lichtem krystallinischem Schiefer« eingelagert ist, oder auch, wie der unter ganz ähnlichen Verhältnissen auftretende Granat-Amphibolit vom
fleischrothen Granat in Form von rundlichen Körnern, die bis zu ½ cm Durchmesser erreichen. Von demselben Fundort liegt auch noch ein dichteres Gestein vor, das wegen seines höheren Granatgehaltes eher als Granatfels zu bezeichnen ist.
In den Gebieten von Ussui und Urundi scheinen die phyllitischen Gesteine ihre Hauptverbreitung zu haben; denn von hier stammt eine Reihe von solchen, die sich ebenso durch ihre Zusammensetzung, wie durch ihre Verwitterungserscheinungen von einander unterscheiden. Als Fundorte sind angegeben:
Die vorliegenden Belegstücke sind theils quarzreich, theils quarzarm und zeigen in Folge der schwankenden Betheiligung eines sericitischen Minerals bald mehr den für Phyllite charakteristischen Seidenglanz, bald nähern sie sich mehr dem matten Aussehen der Thonschiefer. Die Farben sind lichtgrau, grünlich oder röthlich, auch schwarzbraun durch die Ausscheidung von Oxydhydraten des Eisens und Mangans, die hier in Form von mulmig-ockerigen, dort in Gestalt von metallisch-krystallinischen Massen in den allgemein sehr dünnschiefrigen Gesteinen vertheilt sind.
Eine sehr grosse Verbreitung, wie in allen Gebieten krystallinischer Gesteine besitzen in der von Dr. Baumann durchwanderten Region auch die Quarzite und Quarzitschiefer; sie sind meist feinkörnig, seltener mittelkörnig, in der Regel weiss, in manchen Fällen aber auch durch eisenhaltige Pigmente roth in allen Nuancen gefärbt. Die Mehrzahl der mitgebrachten Stücke stammt, wie die Phyllite, aus dem Gebiet zwischen Victoria-Nyansa- und Tanganyika-See, wie sich aus folgendem Verzeichniss ergiebt:
Je nach dem Glimmergehalt ist auch der schiefrige Charakter dieser Quarzite mehr oder weniger ausgesprochen; am deutlichsten ist er in den Gesteinen No. 4, 8 und 9, No. 3 erscheint fast dicht, während No. 5 eine zuckerkörnige Struktur besitzt.
Aus den Landschaften östlich vom Victoria-Nyansa stammen die gleichfalls sehr feinkörnigen Quarzite von
Als ein zweifelloses Glied der krystallinischen Schiefer ist endlich ein grobspäthiger, körniger Kalk von
zu erwähnen, dessen oft mehrere Cubikcentimeter messende Kalkspathindividuen Graphitblättchen von den winzigsten Dimensionen bis zu 3 mm Durchmesser und nicht selten sehr guter krystallographischer Ausbildung eingewachsen enthalten.
Von den
ist die saure Reihe durch ein Vorkommen von Quarzporphyr, die basische hingegen durch eine grössere Zahl von diabasartigen Gesteinen vertreten.
Der im Handstück grünlich graue Quarzporphyr ist mit der Fundortbezeichnung:
versehen und zeichnet sich durch die grosse Menge von Einsprenglingen aus, die quantitativ fast der Grundmasse gleichkommen. Zum grössern Theil bestehen sie aus Feldspath, der mattweiss, zuweilen auch gelblichgrün gefärbt und selten in gut ausgebildeten Krystallen zu beobachten ist, während der glasglänzende, fast bläuliche Quarz häufiger, mehr oder weniger deutlich in Dihexaederformen erscheint. Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass die Verwitterung des Gesteins eine weitergehende ist, als sich aus dem Aussehen schliessen lässt; denn die Feldspathe sind grossentheils getrübt und mit schuppig-stengeligen Gemengen von Kaolin, Muscovitblättchen und Epidotkörnchen erfüllt. Naturgemäss ist bei den Kalknatron-Feldspathen die Zersetzung am weitesten vorgeschritten; die Abhängigkeit derselben von der chemischen Natur ist übrigens auch im Einzelnen an den schalig gebauten Individuen vortrefflich zu beobachten, indem hier von innen nach aussen die, ja vielfach auch anderwärts bekannte, zonenweise Abnahme im Maasse der Umwandlung [278] sich kundgiebt. Unter den Neubildungen spielt Epidot eine besondere Rolle; dieser ist auch die Ursache der sonst ungewöhnlichen grünen Färbung der Feldspathe. Die eigentliche Grundmasse ist ein äusserst feinkörniges Gemenge von Quarzkörnchen und bräunlichen Glimmerblättchen, in dem wohl auch Feldspath, allerdings nicht in sicher unterscheidbarer Form enthalten ist. Zwischen gekreuzten Nicols lässt sich häufig eine mosaikartige Anhäufung der ersteren beobachten, eine Erscheinung, die hier wohl nicht auf dynamische Wirkungen zurückzuführen sein dürfte, da die Krystalleinsprenglinge im Ganzen sehr wenig mechanische Deformationen zeigen. Dagegen sind tiefeingreifende, sack- oder schlauchförmige Einbuchtungen der Grundmasse in die Quarze vielfach zu beobachten; zuweilen erscheinen diese magmatischen Corrosionen sogar in einem solchen Maasse, dass die Quarzdihexaeder einen ganz skelettartigen Habitus besitzen. Durch die massenhafte Ausscheidung kaolinartiger Substanzen matt und trübe, liegt die Grundmasse offenbar in einem stark veränderten Zustande vor; auf das ursprüngliche Vorhandensein einer Fluidalstruktur lässt die hin und wieder zu beobachtende Parallellagerung und stromartige Gruppirung der Glimmerblättchen schliessen, die selbst übrigens den Eindruck von Neubildungen machen. Von accessorischen Bestandtheilen fallen die zahlreichen Zirkone auf, die meist in der Grundmasse zerstreut, zuweilen aber auch in den Feldspathen eingewachsen sind, von deren Zersetzungsproducten sie sich erst im polarisirtem Lichte durch ihre lebhaften Farben deutlich abheben.
Die aus dem Expeditionsgebiete stammenden älteren basischen Eruptivgesteine zerfallen in Diabase und Gabbros; für die Angehörigen beider Gesteinsfamilien ist die Ausbildung einer deutlich ophitischen Struktur sehr charakteristisch. Sehr feinkörnige Diabase, im Handstück fast dicht erscheinende Gesteine von grünlich-grauer Farbe, liegen vor von
also aus dem Gebiet unmittelbar östlich vom Speke-Golf, wo sie, den Bemerkungen auf den Etiketten zufolge, in Form von Gängen zu Tage treten. Bei der relativ geringen Betheiligung von Augit und der, durch dessen helle Eigenfarbe bedingten, lichten Gesammtfärbung der Gesteine stehen dieselben den Leukophyren nahe. Die Feldspathe zeigen meist nur eine einfache Zwillingsbildung; doch ergiebt sich aus der Bestimmung der Auslöschungsschärfe auf P, dass ihre Hauptmasse einem andesinartigen Plagioklas angehört, während einige wenige, gerade auslöschende Leistchen ohne jegliche Zwillingsstreifung wohl dem orthotomen Feldspath zugerechnet werden dürfen. Im Ganzen erscheinen die Feldspathe noch sehr frisch; ihre Verwitterung beschränkt sich eigentlich auf die Vermehrung und Erweiterung ihrer Spaltrisse, auf denen sich Verwitterungsproducte des Augits, Chlorit in feinen grünen Schüppchen und namentlich faserige Hornblende angesiedelt haben. Um so intensiver sind die Augite von der chemischen Zersetzung [279] ergriffen worden; denn sie erscheinen bis auf sehr geringe Reste in schuppig-faserige Gemenge von Chlorit und Hornblende, vor Allem aber in Epidot umgewandelt, der in compacten, intensiv gelbgefärbten Individuen nunmehr vielfach die Stelle des Augits in dem ophitischen Mineralgemenge vertritt.
Das Gestein von Ormuti ist häufig von Quarzadern durchtrümmert, die makroskopisch ein faserquarzähnliches Aussehen besitzen, da zahlreiche, schwach grünliche Hornblendenädelchen senkrecht zu den Salbandflächen in der stengeligen Quarzmasse eingewachsen sind. Dagegen sind in dem Diabas vom Grumeti-Bach häufig stecknadelkopfgrosse, rundliche Anhäufungen von Chlorit zu beobachten, die, von der Gesteinsmasse meist durch eine schmale Zone von körnigem Epidot getrennt, gleichfalls secretionäre Hohlraumausfüllungen darstellen.
Durch deutlichen krystallinischen Habitus und die etwas andere Art der Zersetzung unterscheidet sich von den beiden eben geschilderten Gesteinen der Uralitdiabas vom
Im Dünnschliff erweist er sich als ein entschieden grobkörnigeres Gemenge von Plagioklas und Augit, in dem der reichliche Gehalt an grossen Apatitnadeln auffällt. Die Plagioklase sind fast vollständig in schuppige Aggregate von glimmer- und kaolinartigen Substanzen, sowie Calcit verwandelt, aus dem augitischen Gemengtheil ist hier vorzugsweise eine feinfaserige bläulich-grüne Hornblende — Uralit — hervorgegangen, die unter Verwischung der ursprünglichen Augitumrisse sich vielfach auch in die kaolinisirten Feldspathe eingedrängt hat. Wie sonst erscheinen auch hier Chlorit und Epidot, letzterer namentlich auf kleinen Adern als Neubildungen; auch der nicht seltene Quarz macht entschieden den Eindruck eines secundären Productes. Accessorisch ist neben den erwähnten Apatiten noch Titaneisen in ziemlich grossen Täfelchen vorhanden, von denen, in Folge der, den Blätterdurchgängen folgenden allmählichen Umwandlung in weisse körnige Titanitsubstanz, mehrfach nur skelettartige Reste übrig geblieben sind.
Die Familie der Diabasmandelsteine ist durch zwei Vorkommen aus Uha vertreten, nämlich von
Es sind das äusserlich einander sehr ähnliche, feinkörnige, grünlich-braune Gesteine, von denen das zweite laut einer Notiz auf der Etikette »schalige Struktur« besitzt, die sich allerdings an dem sehr kleinen, zur Untersuchung vorliegenden Splitter nicht erkennen lässt. Im mikroskopischen Bilde macht sich die Neigung zu porphyrartiger Struktur durch grössere Ausbildung einzelner Feldspathe bemerkbar; die Umwandlung des Augits hat in dem letzteren Gestein vornehmlich Chlorit, der sich pigmentartig in der [280] ganzen Gesteinsmasse vertheilt hat, und erdige Eisenoxydhydrate geliefert, während in dem Uschingo-Gestein andererseits wieder Epidot vorherrscht. Wo sich hier Reste von Augit erkennen lassen, zeigt dieses Mineral die lichtgrüne Farbe des Salits, und es scheint daher, mit Rücksicht auf die analogen Verhältnisse in den oben geschilderten leukophyrähnlichen Diabasen, als ob die eisenarmen bezw. eisenfreien, kalkhaltigen Diabasaugite mehr zur Umwandlung in Epidot neigten, während die eisenreicheren — wie es sich eigentlich auch erwarten lässt — sich lieber in Chlorit und Hornblende umbilden. Der Verwitterungsgrad ist bei beiden Gesteinen ein sehr hoher, denn auch die Feldspathe sind fast gänzlich kaolinisirt; die Hohlraumausfüllungen bestehen aus Quarz, Epidot und Chlorit, wobei der erstere in der Regel unmittelbar über der Gesteinsmasse dünne Krusten bildet, die radialfaserige, polyedrisch begrenzte Chloritaggregate umschliessen. Magnetitkörnchen, häufig zu kreuzförmigen, skelettartigen Gebilden aneinander gereiht, sind sehr reichlich in dem Diabasmandelstein Nr. 2 vorhanden und liegen hier meist in einer trüben, schmutzig-braunen, gekörnelten Masse, die ganz den Eindruck einer veränderten Glasbasis macht; in dem Gestein von Uschingo dagegen ist Magneteisen spärlicher, um so häufiger dafür Titaneisen in den charakteristischen rhomboedrischen Blättchen und, wie zerhackt aussehenden, unregelmässigen Gestalten.
Gabbro's, also Plagioklasgesteine, in denen der gewöhnliche Augit durch Diallag vertreten wird, wurden gesammelt in
Als ein typisches Glied dieser Familie stellt sich durch den metallischen Glanz seines Diallags das granitisch-mittelkörnige Gestein von Meatu unverkennbar schon im Handstücke dar, obwohl es den relativ höchsten Grad der Verwitterung von allen Vorkommen aufweist. Seine Feldspathe sind mattweiss, getrübt durch die Ausscheidung von Kaolinschüppchen und Epidotkörnchen, so dass die polysynthetische Zwillingsstreifung nur selten noch hindurchschimmert und eine Bestimmung der Auslöschungsschiefer und somit auch der chemischen Natur auf optischem Wege nicht thunlich erscheint. Die Diallage sind grossentheils in bläulich-grüne schilfige Hornblende mit starkem Pleochroismus oder auch in feinschuppige, chloritische Massen verwandelt; wo sie sich erhielten, zeigen sie eine schwach bräunlich-rothe Farbe und im Querschnitt neben der gewöhnlichen, sehr vollkommenen Spaltbarkeit nach dem Prisma auch jene charakteristische feine Liniirung parallel den Pinakoiden, insbesondere dem Orthopinakoid, durch welche sich die nach diesen Flächen orientirte Schaligkeit im Bau kundgiebt. Die formale Ausbildung ist verhältnissmässig eine gute; die automorphen Diallagindividuen sind meistens ringsum von Feldspathsubstanz [281] umgeben, wodurch das quantitative Zurücktreten des Diallags gegenüber dem Plagioklas zum Ausdruck kommt. Mit scharfkantigen Apatitprismen, auf deren zahlreichen Querrissen ebenfalls secundäre Hornblende und Chlorit eingewandert erscheinen, treten accessorisch grössere Titaneisentafeln auf, die infolge der schon früher erwähnten partiellen Umwandlung im Titanit ein ganz zerfressenes Aussehen besitzen; auch Eisenkies ist in geringer Menge eingesprengt vorhanden.
Durch bedeutend feineres Korn und durch reichlicheren Gehalt an Diallag unterscheiden sich die Gabbros vom Abfall zur Wemberesteppe und vom Kakonobach von dem eben geschilderten Gestein, auch ist die Verwitterung bei ihnen eine weit geringere; sie beschränkt sich bei den schwach gefärbten Diallagindividuen gewöhnlich auf eine durch Faserung erzeugte Trübung und ist selten bis zur deutlichen Ausbildung von grünlichen Hornblende- und Chloritaggregaten vorgeschritten; die Feldspathe sind in dem ersteren Gestein sogar meist noch frisch und klar, was bei ihrer basischen Natur — Auslöschungsschiefe und Aetzbarkeit deuten auf Labrador — etwas auffällig erscheinen mag. In dem Gabbro vom Kakonobach hingegen erweisen sich die aus Feldspath bestehenden Gesteinspartien allerdings mehr alterirt und die vielfach zu beobachtende, mikropegmatetische Verwachsung kleiner, aber wasserklarer Feldspathe mit Quarz erregt den Eindruck, als ob nach der Zersetzung von grösseren Plagioklasindividuen eine mit Ausscheidung von Quarz verbundene Regeneration des Feldspaths stattgefunden hätte. Infolge des Gehaltes an Biotit, der in ziemlich zahlreichen lichtbraunen Blättchen in der Gesteinsmasse vertheilt erscheint, zeigt dieser Gabbro eine bemerkenswerthe Aehnlichkeit mit mehreren Vorkommen aus dem Radauthale im Harz; von Erzen enthält er nur vereinzelte Titaneisentäfelchen, während jener vom Westrand der Wemberesteppe wiederum lediglich Magnetit und Pyrit als Accessorien birgt.
Als einziger olivinführender Gabbro stellt sich das Gestein von Ussure dar, welches gleichfalls aus dem Gebiet der Wemberesteppe, aber von deren Ostrande stammt. Der Olivin erscheint in den Dünnschliffen desselben in Form von rundlichen, farblosen Körnern, welche die für dieses Mineral charakteristische rauhe Oberfläche und starke Lichtbrechung, hohe Polarisationsfarben und — wo sich Krystallformen erkennen lassen — gerade Auslöschung besitzen und deren Ränder durch körnige Magnetitausscheidungen meist bis zur Undurchsichtigkeit dunkel gefärbt sind, so dass die kleineren Individuen auf den ersten Blick hin leicht mit Anhäufungen von Magneteisen zu verwechseln sind. Im Uebrigen ist dieser Gabbro etwas grobkörniger als die beiden zuletzt geschilderten, jedoch quarzfrei und etwas stärker zersetzt, so dass die Diallage wieder eine intensivere Umbildung in grünliche Hornblende aufweisen.
[282] Von den sogenannten
finden sich in Dr. Baumann's Sammlung Glieder sowohl der sauren, als der basischen Reihe. Doch wiegen die Basalte vor den Trachyten etwas vor, während echte Andesite überhaupt fehlen.
Von den Trachyten erregt zunächst durch sein rhyolithartiges Aussehen die Aufmerksamkeit ein Sodalith-Trachyt von der
der im Handstücke ein lichtgraues, porphyrisches Gestein darstellt, in dessen glasig-cavernöser Grundmasse mit der Lupe schalig gebaute Sanidine, gelbliche Sodalithe, die man im Hinblick auf ihre hexagonalen Umrisse und ihren Fettglanz auf den muschelig-splittrigen Bruchflächen zuerst für Quarze zu halten geneigt ist, und schwärzlichgrüne Pyroxene zu erkennen sind. Die Betrachtung des Dünnschliffs bestätigt die vorwiegend hyaline Natur der Basis, die, an sich der Hauptsache nach farblos, meistens trübe und undurchsichtig, geradezu bimsteinartig erscheint durch massenhafte, schlauchartig in die Länge gezogene Poren und ferner durch schmutzig gelbliche, eine deutliche Fluidalstruktur bedingende Schlieren, die in Folge ihrer bald mehr globulitischen, bald mehr mikrolithischen Entglasung schwache Doppelbrechung im polarisirten Lichte bewirken; stellenweise bergen sie reichlich kleine Glaseier; wo die krystallinischen Entglasungsprodukte grössere Dimensionen erreichen, erweisen sie sich als zum Theil dem Feldspath, zum Theil dem Pyroxen angehörig. Die Einsprenglinge bestehen der Mehrzahl nach aus Sanidin von meist guter krystallographischer Ausbildung und im Allgemeinen klarer Beschaffenheit. Den ausgezeichnet schaligen Bau, den makroskopisch die ausgewitterten Individuen erkennen lassen, verräth im Präparate der mehrfache Wechsel wasserklarer, einschlussfreier Zonen mit solchen, welche durch massenhafte Glaspartikelchen verunreinigt oder durch Hohlräume zellig erscheinen; auch in den klaren Partien treten übrigens hin und wieder, parallel zu den Flächen der Basis oder des Klinopinakoids, Interpositionen von grünen Augitprismen und namentlich röthlichen Titanitkryställchen auf, letztere gewöhnlich in modellmässig scharfer Ausbildung von der Form (123) (011). Zwillingsbildung nach dem Karlsbader Gesetz ist häufig, solche nach dem Barvenoer Gesetz seltener; dagegen ist eine Gitterung oder polysynthetische Streifung wie auch optische Verhältnisse, welche auf Anorthoklas oder Plagioklas schliessen liessen, nirgends zu beobachten. Nächst dem Feldspath spielt der Augit unter den Einsprenglingen die bedeutendste Rolle. In krystallographischer Beziehung fast noch besser als jener, und zwar in den gewöhnlichen Formen (100) (110) (010) (111), die zuweilen Zwillingsbildung nach dem Orthopinakoid aufweisen, ausgebildet, zeigt er bei einer durchschnittlich sattgrünen Grundfarbe einen sehr beträchtlichen Pleochroismus. Der krystallographischen Verticalaxe zunächst liegt die Axe der grössten Elasticität a, für welche die [283] Farbe gelbgrün ist; für b ergab die Beobachtung ein tiefes Grün während c grünlich braun befunden wurde. Die Auslöschungsschiefe (a : c) liess sich auf den wenigen, hierzu geeigneten klinopinakoidalen Schnitten auf 16-20° bestimmen, woraus im Zusammenhalt mit den übrigen Eigenschaften zu folgern ist, dass hier ein dem Aegirin nahestehender, eisenreicher Augit vorliegt, eine Annahme, welche durch die, an den meisten Individuen zu beobachtende, randliche Ausscheidung von Eisenoxyden eine weitere Begründung erhält. Auch der Sodalith tritt in relativ reichlicher Menge auf und zeigt gleich den übrigen Einsprenglingen scharfe krystallographische Umrisse, dem Rhombendodekaeder entsprechend; auf Zwillingsbildung deuten die an einigen Individuen vorhandenen einspringenden Winkel. Abgesehen von der Isotropie ist die Spaltbarkeit bald mehr, bald weniger gut, aber doch immer in einem Grade zu beobachten, der die Verwechslung der im Ganzen recht klaren sechsseitigen Durchschnitte mit solchen von Quarz ausschliesst; parallel zu den Conturen gelagert sind, namentlich in den äusseren Zonen, stäbchenförmige oder cubische Interpositionen von farblosem Glas häufig, seltener die grünen Augitprismen, wie sie auch in den Sanidinen auftreten; trübe gelbliche Massen, die zuweilen eine feine Faserung und geringe Doppelbrechung zu erkennen geben, durchziehen, den Spaltrissen entlang, die Sodalithsubstanz und sind wohl als zeolithische Umwandlungsproducte derselben anzusehen. Als accessorischer Bestandtheil der Grundmasse ist nur Titanit zu erwähnen; die zahlreichen Hohlräume derselben, welche das poröse Aussehen des Gesteins erzeugen, sind häufig mit dünnen Hyalithkrusten ausgekleidet, in denen schwach doppelbrechende Tridymitblättchen in unbedeutender Menge eingewachsen sind.
Der einzige vorliegende Quarztrachyt (Rhyolith) stammt von
Er ist ein hellgraues, porphyrisches Gestein, in dem sich spärlich Einsprenglinge von Quarz, Feldspath und einem schwarzen Bisilicat als primäre, ockrige Krusten von Eisenoxyden mit eingewachsenen Tridymitblättchen als secundäre Bestandtheile wahrnehmen lassen. Die Betrachtung des Dünnschliffs zwischen gekreuzten Nicols lehrt weiterhin, dass die äusserst feinkörnige Grundmasse ebenfalls hauptsächlich aus Quarz und Sanidin besteht, die in inniger gegenseitiger Verwachsung mit gewöhnlich sehr verschwommenen Umrissen aus einem farblosen Glasschleier hervorschimmern, der selbst wieder durch massenhafte blättrige, stengelige oder körnige Entglasungsproducte von nicht näher bestimmbarer Natur zu einer weisslich grauen trüben Masse devitrificirt ist. Dazu gesellen sich zum Theil prismatische, zum Theil blättrige Fetzen einer blaugrünen, sehr stark pleochroitischen Hornblende, die, nur selten Einsprenglingsgrösse erreichend, vielfach zu Krystallaggregaten verwachsen bis zu den kleinsten Dimensionen noch erkennbarer Grundmassenbestandtheile herab in der Grundmasse reichlich vertheilt sind. In Folge der, wie es scheint, vorwaltend nach dem Klinopinakoid tafelförmigen Ausbildung sind deutliche Querschnitte, die zur [284] Bestimmung der Axenfarbe parallel zur Orthodiagonale brauchbar wären, leider nicht zu beobachten. Die Absorption ist am stärksten im Sinne der Verticalaxe und die Farbe für die in dieser Richtung schwingenden Strahlen tief grünlich-blau; ob diese Elasticitätsaxe indessen mit der Verticalaxe c zusammenfällt oder einen Winkel mit derselben bildet, lässt sich bei der tiefen Eigenfarbe und den winzigen Dimensionen der kleineren Individuen einerseits, der subparallelen, und darum eine exacte Beobachtung hindernden Verwachsung der grösseren Krystallaggregate mit Sicherheit nicht bestimmen; jedenfalls ist die Auslöschungsschiefe nur eine sehr geringe und übersteigt nicht den Werth von 5°. Für die senkrecht zur Verticalaxe schwingenden Strahlen ergab die Beobachtung schmutzig grüne bis gelbliche Töne. In der Voraussetzung, dass, wie bei der normalen Hornblende, c (tief blau) ungefähr = c ist, während die gelbliche Farbe der Elasticitätsaxe a entspricht, haben wir es also hier mit dem nämlichen arfvedsonitartigen Amphibolmineral zu thun, welches Mügge ebenfalls in Lipariten aus dem Massailande (aus der Umgebung des Naiwascha-Sees) gefunden und von dem er im IV. Beilage-Band des »N. Jahrb. f. Mineralogie« pag. 585 und 586 eine Beschreibung gegeben hat, der hier nichts Wesentliches hinzugefügt werden kann. Die übrigen, an Zahl und Grösse nicht sehr ansehnlichen, wasserklaren Einsprenglinge gehören Sanidin und Quarz an und lassen sich lediglich durch die dem ersteren eigene Spaltbarkeit von einander unterscheiden, da sie beide sowohl guter Krystallumrisse entbehren als auch durch den bemerkenswerthen Mangel an fremden Interpositionen — nur sehr vereinzelte Hornblendesäulchen und rundliche, mit Gasporen versehene Glaskörnchen finden sich eingeschlossen — in ihrem Aussehen sehr mit einander übereinstimmen.
Die gleiche blaue Hornblende wie in dem soeben geschilderten Rhyolithe, jedoch in noch viel weniger zur optischen Untersuchung geeigneten Partikelchen und wie zerfressen aussehenden Lamellen erscheint auch in reichlicher Menge in den ebenfalls aus dem vulkanischen Kessel von Ngorongoro stammenden quarzfreien Trachyten mit den Etiketten:
Die sehr fein krystallisirte Grundmasse dieser beiden sich äusserlich sehr ähnlichen Gesteine besteht, wie die mikroskopische Untersuchung zeigt, zu ⅞ etwa aus klaren im Allgemeinen parallel zu einander gelagerten Sanidinleistchen, zwischen denen eine geringe Menge von globulitischer und stark mit Eisenoxyden pigmentirter Glasbasis eingeklemmt ist. Die spärlichen Einsprenglinge bestehen aus Sanidin; als Uebergemengtheil macht sich hier das in den übrigen Trachyten fehlende Magneteisen bemerkbar.
In dem biotitführenden Augittrachyt von den
haben wir eine ganz ähnliche, sanidinitartige Grundmasse, jedoch unterscheidet sich dieselbe von jener der zuletzt geschilderten Gesteine durch etwas gröberes Korn und namentlich durch die [285] Beimengung eines augitischen Bestandtheils. Dieser Augit tritt in rundlichen, nicht selten mit Magnetit verwachsenen Körnchen von lichtbläulichgrüner Färbung auf, welche beim Mangel irgend welcher krystallographischer Begrenzung und deutlicher Spaltbarkeit leider keinerlei optische Bestimmungen gestatten; der Farbe und dem Habitus der Körnchen nach dürfte jedoch ein gewöhnlicher, vielleicht etwas eisenärmerer Augit, wie er sonst den jüngeren Eruptivgesteinen eigen ist, vorliegen. Mit der bräunlichen Glasbasis und, wie sie in ihren Umrissen ausschliesslich durch die geradlinigen Begrenzungsflächen der Feldspathleistchen bedingt, erscheinen zwischen den letzteren nicht selten braune, stark pleochroitische Blättchen, deren Zugehörigkeit zum Biotit im Hinblick auf die, allerdings erst bei stärkerer Vergrösserung wahrnehmbaren, feinen parallelen Spaltrisse und den, den meisten Magnesiaglimmern im Vertikalschnitt eigenthümlichen bronzeartigen Schiller, nicht zweifelhaft erscheinen kann. Kleine gedrungene Apatitprismen und zahlreiche oktaedrische Magnetitkörnchen bilden die accessorischen Gemengtheile dieser Grundmasse, die eine ausgesprochene Fluidalstruktur besitzt. Wie auch in den übrigen Trachyten bestehen die vereinzelten Einsprenglinge, deren Grösse aber 2 mm nicht überschreitet, zumeist aus Feldspath, hier jedoch einem polysynthetisch verzwillingten Plagioklas, dessen optische Verhältnisse auf Andesin deuten; neben diesen kommen auch wohlausgebildete Augite von etwas dunklerer, mehr ins Röthliche spielenden Färbung vor, als sie den kleinen Augitkörnchen der Grundmasse eigen ist. Sie lassen einen schwachen Pleochroismus wahrnehmen; im Uebrigen besitzen sie keine besonders bemerkenswerthen Eigenschaften und weichen auch in ihrem optischen Verhalten — die Auslöschungsschiefe auf dem Klinopinakoid beträgt etwa 45-48° — nicht von dem gemeinen Augit der jüngeren Eruptivgesteine ab. Sehr selten sind endlich kleine Einsprenglinge von braunen Hornblendefragmenten mit breiten opacitischen Rändern; auch die ohne Hornblendekern auftretenden opacitischen Haufwerke dürfen demnach als Resorptionsproducte wohl ohne Weiteres auf ursprünglich vorhandene Amphibole bezogen werden.
Zur Familie der Augittrachyte gehören ferner noch zwei graue, sehr poröse und feinkrystalline Gesteine vom:
welche man mit Rücksicht auf die vereinzelt eingestreuten Olivinkörner und die, durch ein schwärzliches Mineral erzeugte, relativ dunkle Färbung der Grundmasse bei oberflächlicher Betrachtung für Basalte halten könnte. Die nähere Untersuchung ergiebt jedoch, dass die Feldspathe der Grundmasse Sanidine sind und unter den Feldspath-Einsprenglingen gleichfalls die Sanidine vorwalten, sowie ferner, dass jene scheinbar opaken Körper zu einem sehr geringen Bruchtheil dem Magneteisen, zumeist dagegen einem dunkelgefärbten Bisilicat angehören, das nur in sehr dünnen Schnitten mit brauner Farbe durchscheinend wird. Obwohl die formale Ausbildung dieses [286] Minerals eine sehr unvollkommene ist und dasselbe fast durchweg entweder in ganz unregelmässig begrenzten, fetzenartigen Gebilden oder in längsgefaserten, quergegliederten Säulchen, die sehr häufig zu mikrolithischen Dimensionen herabsinken, auftritt, so ist doch bei den letzteren innerhalb der braunen Grundfarbe ein geringer Pleochroismus zwischen röthlichen (parallel zur Vertikalaxe) und gelblichen Tönen (in der Querrichtung) erkennbar; eine Auslöschungsschiefe ist mit Sicherheit jedoch nicht zu beobachten, so dass die Entscheidung, ob hier Hornblende oder ein rhombischer Augit oder gar Akmit vorliegt, ohne weitergehende Untersuchungen nicht möglich erscheint. Verhältnissmässig am nächsten liegt noch, das Mineral als einen durch Verwitterung gefaserten und durch Imprägnation mit Eisenoxydhydraten tief gefärbten Hypersthen zu deuten, auf den auch die erwähnte Mikrostruktur passen würde. Neben diesem mit Sicherheit nicht zu bestimmenden Bisilicat ist noch ein anderes in Form von sehr kleinen, dünnen Blättchen vorhanden, die eine rauchgraue, bald mehr ins Violette, bald mehr ins Bräunliche spielende Farbe besitzen; ihre Umrisse sind zuweilen annähernd hexagonal, gewöhnlich rundlich, in der Regel jedoch vielfach eingebuchtet. Sehr häufig sind sie zu schuppig-blättrigen Aggregaten verwachsen; liegen sie schräg im Schliff, so zeigen sie trotz ihrer Dünne einen deutlich wahrnehmbaren Pleochroismus und eine zarte, die Spaltrisse verrathende Liniirung und bekunden durch diese Eigenschaften ihre Zugehörigkeit zum Glimmer. In geringer Menge ist auch eine farblose Glasbasis zu konstatiren, welche die feinkrystalline Grundmasse wie ein zarter Schleier umhüllt und nur selten in selbstständigen Partien innerhalb derselben auftritt. Die spärlichen Einsprenglinge gehören, was die Feldspathe anbelangt, theilweise dem Sanidin, theilweise natronreichen Plagioklasen an; im Uebrigen erscheinen noch in dieser Form gemeiner bräunlicher Augit, opacitisch umränderte Fragmente von Hornblende und endlich auch Olivin, dessen wohlausgebildete, durch Eisenoxydhydrat goldgelb gefärbte Krystalle, wie erwähnt, schon bei der Betrachtung des Handstücks die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Von Accessorien sind Magneteisen in winzigen Oktaederchen und Apatit in den bekannten gedrungenen Säulchen zu erwähnen, die durch zahlreiche, parallel zur Hauptaxe verlängerte Hohlräume fein gestrichelt erscheinen und deshalb im Querschnitt ein noseanähnliches Aussehen besitzen.
Die Familie der basaltischen Gesteine ist durch feldspathreiche, meist olivinarme Plagioklasbasalte, durch augit- und olivinreiche Limburgite und ferner durch ein Vorkommen von Melilithbasalt repräsentirt, welche mit Ausnahme des letzten sämmtlich vom Westrand des Grossen Grabens und dem unmittelbar sich daran schliessenden Mutyekplateau stammen.
Nahezu olivinfreie Varietäten der ersten Gruppe, der Plagioklasbasalte hat Dr. Baumann am
[287] gefunden; mikroskopisch sind es sehr feinkörnige Gesteine von schmutzig-brauner Farbe, von denen das erstere, durch ½ cm lange, parallel gelagerte Plagioklastafeln und -leisten porphyrisch und gleichzeitig fluidal struirt, Neigung zu parallelepipedischer Absonderung zeigt, während das letztere gleichmässig feinkrystallin, nur in Folge von Farbenunterschieden schlierig erscheint und kugeligschalige Verwitterungsprodukte liefert. U. d. M. erscheinen die Grundmassen bei dem ansehnlichen Vorwalten des Feldspaths gegenüber dem Augit als andesitartig; dem spec. Gewicht (circa 2,68) nach gehören die in schmalen Leistchen ausgebildeten Plagioklase zum Labrador, auch die optischen Verhältnisse der grösseren Feldspatheinsprenglinge deuten auf diesen kalkreichen Plagioklas. Die in Gestalt von rundlichen Körnchen in der Grundmasse vorhandenen oder in unregelmässigen Krystallfragmenten eingesprengten Augite geben bei der gewöhnlichen röthlich-braunen Farbe zu besonderen Bemerkungen keinen Anlass; farbloses Glas ist an manchen Stellen noch im unveränderten Zustande erkennbar, Magnetit ist ziemlich reichlich eingestreut, auch Apatitnädelchen namentlich in den glashaltigen Gesteinspartien ein häufiger Uebergemengtheil. Ob die gleichfalls in sehr ansehnlicher Menge die Gesteinsmasse durchziehenden feinfaserigen oder schuppigen, chloritisch-serpentinösen Secundärproducte, welche je nach dem Oxydationsgrade des in ihnen enthaltenen Eisens bald mehr grünlich, bald mehr gelblich gefärbt sind, auf zersetzten Olivin bezogen werden dürfen, ist bei dem gänzlichen Fehlen der für dieses Mineral charakteristischen Durchschnitte zweifelhaft, immerhin aber in hohem Grade wahrscheinlich.
Die drei normalen, olivinführenden Plagioklasbasalte kommen von
Der erstere liegt in einer stark verwitterten, schalige Struktur besitzenden Kugel, die beiden letzteren in dunkel- bezw. hellgrauen, feinkrystallinen, fast dicht erscheinenden Belegstücken vor, welche plattige Absonderung erkennen lassen. Der Olivin tritt in diesen Gesteinen sowohl in wohlconturirten Einsprenglingen, wie als Gemengtheil der Grundmasse auf; namentlich reichlich erscheint er in dieser letzteren Rolle in dem Basalt vom Plateauabfall nördlich des Eyassi-Sees, wo seine kleinen Körnchen durch ihre goldgelbe Färbung schon bei der Betrachtung des Dünnschliffs im gewöhnlichen Lichte die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Mehr versteckt ist er auch in der Grundmasse des Gesteins aus dem Ngorongoro-Kessel vorhanden; hier sind seine Durchschnitte jedoch meist farblos, höchstens grau oder schwach grünlich gefärbt und erst zwischen gekreuzten Nicols durch ihre hohen Polarisationsfarben vom Feldspath sicher zu unterscheiden. Der Zusammenhang der auch in diesem Gesteine vielfach zu beobachtenden grünlichen Secundärgebilde mit Olivin ist hier deutlich nachweisbar, indem dieselben von den grösseren Olivineinsprenglingen weg sich gerade besonders reichlich in die umlagernde Grundmasse verzweigen. Bemerkenswerth ist noch, dass neben dem äusserst [288] feinkörnig verstreuten Magnetit auch vereinzelte Oktaeder desselben grössere Dimensionen erreichen, welche sie schon makroskopisch wahrnehmbar machen, dass hingegen Feldspatheinsprenglinge den beiden ersteren Gesteinen vollständig fehlen und im letzten sehr selten zu beobachten sind, wie auch solche von Augit durchaus eine sehr untergeordnete Rolle spielen.
Die Gesteine vom
und ferner einige Stücke, bei welchen leider die Angabe des Fundorts mangelte, sind bei dem entweder gänzlichen Fehlen oder der nur sehr geringfügigen Ausbildung eines farblosen Silicats als Limburgite zu bezeichnen. Makroskopisch charakterisirt durch die aussergewöhnlich grosse Zahl und die meist sehr beträchtlichen Dimensionen der lediglich aus Augit und Olivin bestehenden Einsprenglinge, welche bei mehreren Vorkommen förmlich ein breccienartiges Aussehen, wie es auch dem typischen Gestein von der Limburg am Kaiserstuhl eigen ist, erzeugen, besitzen sie eine durch massenhaft eingesprengtes Magneteisen sehr dunkel gefärbte Grundmasse, die fast nur von röthlich-violetten Augitkörnchen gebildet ist, zwischen denen sich hin und wieder einmal ein Feldspathleistchen, reichlicher jedoch Partien bräunlichen oder farblosen Glases vorfinden. Bei der wasserklaren Beschaffenheit des letzteren denkt man zunächst an Nephelin; indessen konnte bei keinem der erwähnten Gesteine auch nur eine Spur von Gelatinebildung bei der Behandlung mit Salzsäure beobachtet werden, welche diese Vermuthung zu stützen geeignet gewesen wäre, wohl aber eine gewisse Zersetzbarkeit jener, der Doppelbrechung entbehrenden Substanz, die auf einen ziemlich hohen Natrongehalt derselben schliessen lässt. Verhältnissmässig reichlich findet sich Feldspath — Sanidin — in dem Gestein vom Murerá-Bach, und zwar in einer für Basalte etwas ungewöhnlichen Form. Hier bergen nämlich die zahlreichen farblosen Glaspartien von rundlicher oder länglicher Gestalt zierliche wasserklare Leistchen, die höchstens 0,03 mm in der Breite bei 4-5facher Länge erreichen; augenscheinlich sind dieselben sehr dünn, so dass zur Wahrnehmung der zwischen gekreuzten Nicols sehr schwachen Doppelbrechung ein Gypsblättchen zu Hülfe gezogen werden muss. Trotz dieser Dünne aber lässt sich deutlich eine Zwillingsbildung nach der Längsrichtung beobachten, bei der die beiden, sonst schwache Farbenunterschiede aufweisenden Individuen gleichzeitig gerade auslöschen. Parallel zu den Längsseiten verlaufen zarte Spaltrisse, auch senkrecht zu denselben sind zuweilen solche wahrnehmbar, die, mitunter sich zu klaffenden Spalten erweiternd, eine bemerkenswerthe Quergliederung erzeugen. In der Regel sind die Leistchen an ihren schmalen Seiten gradlinig begrenzt; sehr selten ist statt dieser gradlinigen Endigung aber auch eine solche durch zwei Flächen zu beobachten, die einen stumpfen Winkel von circa 120° mit einander bilden. Nach diesen Eigenschaften liegt hier [289] zweifellos Sanidin vor, dessen Bildung in einem ziemlich vorgerückten Stadium der Gesteinsverfestigung innerhalb der Glasbasis erfolgt sein muss, da er ausschliesslich in seinem Auftreten an diese gebunden, der übrigen Grundmasse aber völlig fremd ist. Ueber die porphyrisch eingesprengten Augite, die bald eine röthliche, bald eine violettgraue Farbe und infolge ihres zonaren Baues meist dunklere Randzonen besitzen, ist ebensowenig wie über die mehr oder weniger stark zersetzten und verschiedentlich gelb gefärbten Olivine etwas Wesentliches auszusagen. Dagegen muss noch des Auftretens von Biotit gedacht werden, der in kleinen braunen, häufig regelmässig hexagonal begrenzten Blättchen namentlich in der Nähe der Gesteinshohlräume sich findet, nicht selten auch in diese frei hineinragt und darum gleichfalls als eines der letzten Consolidationsproducte angesehen werden mag.
Eine schlackig poröse, vulkanische Bombe, welche am
gefunden wurde, gehört nach ihrer mineralogischen Zusammensetzung, insofern Feldspath sich nicht an ihrer Grundmasse betheiligt, ebenfalls zu den limburgitischen Gesteinen. Als fremde Einschlüsse enthält sie zahlreiche, von concentrischen Rissen durchzogene Quarzkörnchen, die von der Gesteinsmasse selbst immer durch einen mehr oder weniger breiten Augitsaum getrennt sind.
Durch die sehr zahlreichen Einsprenglinge äusserlich mit den Limburgiten verwandt erscheint der graue Basalt von der
die beträchtliche Ausscheidung von Plagioklas in der ausserdem aus Augit und bräunlichem Glas bestehenden Grundmasse lässt ihn jedoch richtiger als ein Mittelglied zwischen den Limburgiten und den Plagioklasbasalten bezeichnen.
Auch der von dem
stammende Melilithbasalt gehört zu den, Glas in sehr ansehnlicher Menge führenden Gesteinen. Der Hauptbestandtheil seiner Grundmasse ist gelblicher, prismatisch ausgebildeter Augit, der in einer ebenso gefärbten Glasbasis eingebettet liegt. Durch Salzsäure erweist sich die letztere als leicht angreifbar, wie denn auch ihre häufige Trübung und die, in den nicht seltenen Hohlräumen zu beobachtende, reichliche Ansiedelung von Zeolithen und Calcit für eine sehr basische Zusammensetzung sprechen. Massenhaft ist Perowskit vorhanden, zum Theil in trüben, gelblichen Körnchen, zum Theil auch in scharf ausgebildeten oktaedrischen Kryställchen. Seine Anwesenheit gab erst Veranlassung auch nach Melilithen zu suchen; und in der That fanden sich, wenn auch recht spärlich die charakteristischen rectangulären Durchschnitte dieses Minerals, deren richtige Deutung im Hinblick auf ihr optisches Verhalten und ihre von den Längsseiten aus vorschreitende Faserstruktur nicht zweifelhaft sein kann. Die grösseren erscheinen im Innern noch relativ frisch und nur an den Rändern in die nämlichen schmutzigweissen, zeolithischen [290] Massen umgewandelt, welche nach den kleineren Individuen förmliche Pseudomorphosen bilden. Als Accessorien sind weiterhin Magnetit und Apatit in reichlicher Menge zu nennen; die Einsprenglinge bestehen aus verhältnissmässig kleinen Augitkrystallen, deren Farbe einen Stich ins Grünliche zeigt und aus ebensolchen von Olivin, die von undurchsichtigen ockerigen Zersetzungskrusten umgeben sind, während ihr Inneres häufig noch ganz klar erscheint.
nehmen in Dr. Baumann's Sammlung eine nicht sehr hervorragende Stellung ein; doch besitzen manche von ihnen eine gewisse wirthschaftliche Bedeutung. So dürften vor allem die Kalksteine, welche sich an mehreren Punkten im Gebiet der altkrystallinen Gesteine vorfinden, neben den im Urgebirge selbst eingelagerten körnigen Kalken, als Baumaterial von grossem Werthe sein. Zum Theil sind es gleichmässig körnige, fast dicht erscheinende, dolomitische Kalke von gelblicher Farbe, denen hier und da in Gestalt kleiner Körnchen etwas Urgebirgsmaterial beigemengt ist, zum Theil sind es bräunliche, dünnschiefrige Kalkmergel; ihrer Mikrostruktur nach sind die ersteren meist undeutlich oolithisch. Ueber ihre Lagerungsverhältnisse konnten nur ungenügende Beobachtungen gemacht werden. In Bezug auf ihr geologisches Alter lässt sich leider auch nichts Bestimmtes sagen, da sie weder makroskopisch Fossilreste bergen, noch mikroskopisch solche in ihnen wahrnehmbar sind; allem Anschein nach sind sie mesozoischen Alters und lassen, hinsichtlich ihrer Farbe und Struktur, eine grosse Aehnlichkeit mit europäischen Juragesteinen nicht verkennen. Die reineren Kalke stammen von
die Mergel dagegen rühren von
her.
Neben diesen compacten Kalksteinen scheinen übrigens auch recente Kalksinterbildungen, welche zu dem genannten Zweck ebenso gut brauchbar sind, wenn auch wahrscheinlich in geringer Mächtigkeit, doch weit verbreitet zu sein. Solche meist weisse, bröckelige, schalige Incrustationen hat Dr. Baumann an folgenden Punkten angetroffen:
wo sie laut einer Bemerkung auf der Etikette, auch das Bindemittel eines Conglomerates bilden und im Gegensatz zu den übrigen, häufig grau gefärbt und von grosser Festigkeit sind; ferner
Hornsteinknollen, wahrscheinlich aus den zuerst erwähnten mesozoischen Kalken stammend, liegen vor von
in der gewöhnlichen grauen Farbe; 2. röthlich gefärbt und durch schlecht erhaltene, auffallend weitgekammerte Foraminiferenschälchen ausgezeichnet, in einem leider nicht mit der Angabe des Fundortes versehenen Fragment, und endlich in
die lichtgrau gefärbt sind und eine runzelig-zerfressene Oberfläche besitzen.
Von practischer Verwerthbarkeit dürften noch ein plastischer grauer Töpferthon von
und weisse, durch Glimmer und Quarzpartikelchen nur wenig verunreinigte Kaoline sein, welche in
offenbar die in situ befindlichen Verwitterungsproducte feldspathreicher Urgebirgsgesteine darstellen.
Von Eisenerzen liegt krystallinisch-blättriger Rotheisenstein von
stalaktitischer Brauneisenstein bezw. Raseneisenstein von
vor; ausserdem ist ein gänzlich verwitterter Gneiss von
in einem solchen Grade mit Hämatit imprägnirt, dass er für die Eisengewinnung local vielleicht von einer gewissen Bedeutung sein könnte.
In der Gruppe der vorwiegend chemischen Sedimente möge hier auch noch das Vorkommen von Salzen Erwähnung finden, von welchen diejenigen von Kochsalz im Innern von Deutsch-Ostafrika selbstredend eine grosse wirthschaftliche Bedeutung besitzen. Dr. Baumann hat eine Anzahl von solchen Salzproben zum Theil als natürliche Efflorescenzen in der Umgebung der zahlreichen Natronseen gesammelt, zum Theil von den Eingeborenen erhalten, welche Salz aus diesen salzreichen Sedimenten auswaschen und sich augenscheinlich mit sehr unreinen [292] Producten begnügen. Die vorliegenden Salzproben stammen von
Sie sind grossentheils stark verunreinigt durch sandig-thonige Beimengungen und zeigen eine sehr schwankende chemische Zusammensetzung, indem bald Chlornatrium, bald kohlensaures Natron, bald schwefelsaures Natron vorherrscht. Mit Ausnahme des letzten, von Irangi herrührenden, relativ reinen Kochsalzes, dessen qualitative Prüfung auch die Anwesenheit von Magnesia ergab, sind die vorerwähnten Salzproben im chemischen Laboratorium der Königl. Bergakademie zu Berlin analytisch untersucht worden. Diesen Analysen zufolge ist die Zusammensetzung der Salzproben No. 1-7:
100 Theile Salz enthalten von | No. 1 | No. 2 | No. 3 | No. 4 | No. 5 | No. 6 | No. 7 |
Chlornatrium | 95,57 | 87,53 | 83,22 | 59,53 | 39,64 | 5,38 | 2,31 |
Schwefelsaures Natron | 1,09 | 2,13 | 1,68 | 22,74 | 1,31 | 20,46 | 4,05 |
Kohlensaures Natron | 0,12 | 0,07 | 8,61 | 13,13 | 10,48 | 48,63 | 12,92 |
Schwefelsaures Kali | 1,22 | — | — | — | — | — | — |
Phosphorsaures Natron | — | — | — | — | 0,40 | 0,34 | — |
Thon, Sand | 2,00 | 10,27 | 6,49 | 4,60 | 48,17 | 25,19 | 80,72 |
100,00 | 100,00 | 100,00 | 100,00 | 100,00 | 100,00 | 100,00 |
Sehr auffallend ist die grosse Verschiedenheit der Salze vom Manyara-See No. 5 und 6; das letztere dürfte, ebenso wie No. 4, wegen des hohen Gehalts an Natronsulfat und Natroncarbonat sich zur Verwendung als Speisesalz ohnehin nicht mehr eignen.
Im Anschluss hieran mag noch an dieser Stelle erwähnt werden, dass Dr. Baumann auch Wasserproben mitgebracht hat und zwar vom
sie wurden gleichfalls im chemischen Laboratorium der Königl. Bergakademie zu Berlin der Analyse unterworfen, welche ergab, dass in [293] 1000 Theilen Wasser enthalten sind von:
No. 1 | No. 2 | No. 3 | No. 4 | |
Chlornatrium | 144,40 | 18,80 | 4,80 | 0,62 |
Schwefelsaures Natron | 41,00 | 1,79 | 0,53 | 0,11 |
Kohlensaures Natron | 94,10 | 10,50 | 12,04 | 1,50 |
Schwefelsaures Kali | 3,50 | — | 0,24 | — |
Phosphorsaures Natron | 0,40 | 0,09 | 0,12 | — |
Schwefelnatrium | Spur | — | Spur | — |
Summa der festen Bestandtheile: | 283,40 | 31,18 | 17,73 | 2,23 |
Was zum Schlusse die im Expeditionsgebiete gesammelten wesentlich klastischen Sedimentgesteine anlangt, so zerfallen dieselben in Grauwacken, Sandsteine und Schieferthone, welche leider ebensowenig wie die Kalksteine, wegen des Mangels an Fossilresten eine nähere Altersbestimmung ermöglichen; indessen besitzen die verkieselten Grauwacken von
einen entschieden palaeozoischen Habitus. Aeusserlich Quarziten ähnlich, bestehen sie grösstentheils aus Quarzkörnchen, denen in geringem Maasse Feldspathpartikelchen beigemengt sind; das Bindemittel ist schwach doppelbrechende Kieselsäure, mehr oder weniger mit Eisenoxyden imprägnirt; nur bei No. 4 zeigt das Caement mehr die klastische Natur eines feinen chloritischen Detritus und dem entsprechend ist auch die Gesteinsfarbe eine grünliche, während die zuerst genannten Vorkommen roth gefärbt erscheinen.
Sandsteine wurden angetroffen
Der erstere ist ein mittelkörniger, mit Eisenoxydkrusten überzogener Quarzsandstein, der letztere äusserst feinkörnig und durch Beimengung von Feldspathmaterial mehr arkoseartig.
Schieferthone, z. Th. hart und splitterig, z. Th. weich und erdig, fanden sich in dem Grauwackenstrich vor Elmarau (s. o.), nämlich
ebenso in
[294] ferner
In Verbindung mit den jüngeren Eruptivgesteinen treten endlich im »Grossen Graben« und auf dem Mutyek-Plateau auch vulkanische Trümmergesteine — Tuffe — auf, die aus lockerem Auswurfsmaterial bestehend, durch kalkiges Bindemittel verfestigte Massen sind. Es sind meist scharfkantige Bruchsplitter, sehr selten vollständige Kryställchen von Augit und Feldspath, hin und wieder auch Olivin und Quarz neben reichlichem Magneteisen, die sie zusammensetzen. Besondere Verbreitung scheinen diese Tuffe
zu besitzen, indem von hier mehrere, z. Th. sehr bröckelige Proben vorliegen.
Die übrigen stammen von
In den Trachyttuffen vom Eyassi-See begegnen wir, mit Ausnahme des Sodaliths allen Konstituenten des oben (p. 282) geschilderten Sodalithtrachyts wieder; der Tuff vom Makenga-Bach hat bei einem geringen Olivingehalt mehr basaltischen Charakter, in jenem von Serengeti ist in Gestalt von Turmalin führenden Quarzkörnchen augenscheinlich auch Urgebirgsmaterial vorhanden, während der lichtgraue kalkreiche Tuff vom Maitsimba-See mehr den Eindruck eines, mit viel vulkanischem Material vermengten, lacustren Sedimentes macht.
Wenn in den vorstehenden Zeilen auch wichtige neue Beobachtungen nicht enthalten sind, so ist das ihnen zu Grunde liegende Material doch höchst schätzbar für die Erweiterung unserer petrographischen Kenntnisse von dem Inneren Deutsch-Ostafrika's und der Eifer, wie das Verständniss, mit dem Herr Dr. Baumann auch in dieser Beziehung wieder gesammelt hat, im höchsten Grade anerkennenswerth. Vom wirthschaftlichen Standpunkte aus dürfte auch bei ferneren Expeditionen ein besonderes Augenmerk auf das Vorkommen und die Verbreitung der nutzbaren Mineralien und Gesteine, der Kalksteine, Thone, Salze, Eisenerze u. s. w., zu richten sein; die wissenschaftliche Geologie andererseits wird dankbar sein für alle, auch scheinbar geringfügigen Angaben in Bezug auf die Lagerungs- und gegenseitigen Verbandsverhältnisse der Gesteine, namentlich auch über das Vorkommen von fossilen Einschlüssen in den Sedimenten, welche für die ungefähre Altersbestimmung, für den geologischen Bau dieser Länderstriche im Besonderen und für die Erdgeschichte im Allgemeinen als brauchbare Anhaltspunkte dienen können.
gesammelt von Dr. O. Baumann. 1892/93.
Von Prof. Dr. F. Körnicke.
Sämmtliche Exemplare gehören zu Varietäten, deren Früchte die Klappen überragen und sich beim Drusche lösen.
Rispe locker, Rispenäste ausgebreitet.
Rispe dicht, Rispenäste aufrecht.
Von Dr. Rudolf Sturany, Wien.
[Mit Tafel XXIV und XXV.]
Dr. Oscar Baumann hat auf seiner letzten Reise eine Anzahl Schnecken- und Muschelschalen gesammelt, welche hauptsächlich dem Tanganyika-, Victoria- und Manyara-See entstammen und über welche im Folgenden durch namentliche Aufzählung der Arten eingehend berichtet werden soll.
Bei der Durchsicht und dem Studium der sehr umfangreichen Literatur[27], welche ich zu Rathe ziehen musste, um die Bestimmungen durchführen zu können, ward mir bald klar, dass die Fauna des centralen Afrika trotz der wiederholten Aufsammlungen, die dort durch Reisende gemacht worden sind, noch immer unzulänglich bekannt ist; denn schon in der relativ geringen Ausbeute Dr. Baumann's befinden sich Formen, welche von den bisher bekannten Arten so abweichen, dass sie sich mit keiner von diesen gut vereinigen lassen. Ich halte es daher auch für gerathen, diese Formen besonders hervorzuheben, jedoch, — da sie meist nur in so geringer Anzahl vorliegen, dass strikte Diagnosen für diese vermuthlich neuen Arten nicht zu geben sind, — vorläufig bloss in der Weise, dass ich jede derselben unter ihrem unschwer festzustellenden Genus-Namen und einem hintangesetzten nov. sp.? anführe und abbilde; im Texte füge ich bloss noch Maassangaben bei und meine Ansicht über die Verwandtschaft der betreffenden Form. Sieht sich dann einmal ein Fachmann, der über ein grösseres Vergleichsmaterial verfügt, genöthigt, die von mir hier bekannt gegebenen »neuen« Formen aus guten Gründen (z. B. weil Uebergänge gefunden wurden u. dgl.) zu früher schon beschriebenen Arten einzuziehen, so wird mir damit nur die willkommene Aufklärung [298] zu Theil. Die beigegebenen Abbildungen werden aber wohl auch dann noch ihren Werth zumindest für die Orientirung behalten.
Wo mir die Zugehörigkeit zu einer bereits bekannten Art über allen Zweifel erhaben schien, habe ich Abbildungen vermieden; im Uebrigen aber wurde mit Illustrationen nicht gespart, weil ich solche für das wichtigste Moment bei derartigen Publikationen halte.
Nachdem Bourguignat[51] im Jahre 1889 nicht weniger als 271 Arten aus dem Tanganyika-See aufgezählt und in seiner Iconographie[48] und Histoire malacologique[56] eine grosse Anzahl vorzüglicher Abbildungen und genauester Beschreibungen gegeben hat, musste ich der Meinung sein, dass sich die von Dr. Baumann am Nordende des Sees gesammelten Conchylien — es sind dies nicht viele Arten — unter Zuhilfenahme der obigen Hauptwerke mit Leichtigkeit bestimmen lassen würden, und dies umsomehr, als die zahlreichen Aufsammlungen, die im Laufe der Jahre im Tanganyika-See von Reisenden und Missionären (Speke, Thomson, E. Coode Hore, Dr. Kirk, Damon, Dr. Böhm, V. Giraud, L. Joubert, Guillemé, Leroy, Hauttecœur u. A.) gemacht worden sind, die Vermuthung gerechtfertigt erscheinen liessen, dass wenigstens alle an den Ufern des Sees vorkommenden (auffindbaren) Formen bekannt sind. Indess gelang es mir bei den Repräsentanten der Gattungen Rumella und Grandidieria nicht, sie mit voller Gewissheit mit schon beschriebenen Arten zu identificiren, obwohl sie mit mancher derselben grosse Aehnlichkeit besitzen. Die Schuld an diesem Umstande liegt wohl — abgesehen von dem Formenreichthum der Fauna und deren noch immer nicht erschöpften Erforschung — auch in dem Verfahren Bourguignat's, der, wie fast allgemein zugegeben wird, in jeder Localform (Varietät) eine neue Art vermuthet und beschrieben hat und dadurch den Determinator neuen Materiales förmlich zwingt, jede wenn auch schwach abweichende Form, und wenn sie auch mit dieser oder jener der bereits aufgestellten sogenannten Arten unstreitig nahe verwandt ist, wieder zu isoliren. Ich bin auch überzeugt, dass Bourguignat, wenn er noch lebte, die von mir hier abgebildeten Formen von Rumella und Grandidieria ohne Zögern als unbedingt neue Species beschreiben würde.
Die in diesem Kapitel nunmehr aufzuführenden 12 Arten hat Dr. Baumann sämmtlich am Nordende des Tanganyika-Sees, östlich von der Russisi-Mündung, gesammelt.
Von dieser Art liegen mir einige Exemplare vor, welche in der Grösse, wie folgt, verschieden sind:
Höhe | 5,0 | 4,2 | 4,6 | 4,0 | |
Durchmesser | 16,5 | 16,0 | 13,3 | 13,0 | mm u. s. w. |
Anzahl | der Windungen 5½ bis 6. |
Hier kann ich die Bemerkung nicht unterlassen, dass die Art Planorbis tanganikanus Bourg. (Iconogr.[48] pl. 1 Fig. 16-17 und Hist. mal.[56] p. 16) wohl zu der älteren Pl. Sudanicus v. Martens eingezogen werden könnte, da sie von dieser kaum zu unterscheiden ist.
Bekanntlich hat Grandidier[38] die Smith'sche Art Tanganyicense[27] in Tanganikanum umgetauft und sie von Crosse's Tanganyicense (op. c. [29] J. d. Conch. p. 112 pl. 4. Fig. 1-1a und op. c. [30] J. d. Conch. p. 281) getrennt, welch' letzterer er, um Verwechselungen zu verhüten, den Speciesnamen Bridouxianum gab. Da nun die von Dr. O. Baumann am Nordende des Tanganyika-Sees ziemlich zahlreich gesammelten Exemplare fast durchgehends mehr mit der ersteren Form übereinstimmen, so habe ich den Grandidier'schen Namen für die Aufschrift gewählt; im Uebrigen theile ich die von E. Smith in einer jüngeren Schrift[52] ausgesprochene Ansicht, dass nämlich die von Bourguignat[51, 48, 56] unterschiedenen 8 Neothauma-Arten nur Varietäten einer einzigen guten Art sind.
Unter den Exemplaren vom Nordende des Sees befindet sich sowohl die schlankere, dem Typus der ovata Oliv. entsprechende Form als auch die mehr aufgeblasene, welche sich auf die vormals als Art betrachtete Kordofana Parr. bezieht.
Die Messungen ergaben:
für | die | Höhe | der | Schale | 63 | 55 | 51 | 50½ | |
" | " | Breite | " | " | 55 | 44 | 46 | 40½ | |
" | " | Höhe | der | Mündung | 48 | 40 | 41 | 32 | |
" | " | Breite | " | " | 33 | 28 | 28 | 27 | mm u. s. w. |
Dr. Baumann hat von dieser Art am Nordende des Sees bloss ein Exemplar gefunden (Höhe 13, Breite 8½ mm).
Fig. 19, 24.
Den Namen Rumella hat Bourguignat einer im Tanganyika-See vorkommenden Gattung gegeben, welche grosse Aehnlichkeit mit der im Meere lebenden Gattung Ruma (Natica) hat. Die verschiedenen Arten, 6 an der Zahl, hat Bourguignat in seiner Iconographie[48] abgebildet und in der Histoire malacologique[56] ausführlich beschrieben. Ein paar Dutzend leider zumeist schlecht erhaltener [301] Repräsentanten dieses interessanten Genus, welche Dr. Baumann fand, weichen von den bekannten Arten unbedeutend, aber doch so ab, dass ich sie mit ruhigem Gewissen zu keiner derselben rechnen kann. Ich lasse vor Allem die Abbildungen sprechen (Fig. 19, 24), welche man mit den Bourguignat'schen vergleichen möge, und füge nur hinzu: Die Exemplare sind von blassgelber, gelbbrauner oder braungrauer Farbe; die Epidermis ist zumeist abgerieben, und nur wo dies nicht der Fall ist, werden 8-10, selten noch mehr orangerothe Längsstreifen sichtbar, welche parallel zu einander laufen. Diese sind dann entweder in gleichen Zwischenräumen von einander entfernt, oder es treten mehrere feinere zusammen, oder es wechseln dickere und dünnere, gröbere und feinere, mit einander ab. Die Anzahl der Umdrehungen ist 4-4½, die Naht schneidet tief ein.
Die Grösse ist sehr variabel, wie die folgende Tabelle zeigt.
Höhe des | Gehäuses | 6,3 | 6,1 | 6,6 | 6,6 | 6,3 | |
Breite " | " | 5,0 | 5,0 | 5,1 | 5,1 | 5,0 | |
Höhe der | Mündung | 5,1 | 5,1 | 5,5 | 5,1 | 5,0 | |
Breite " | " (incl. Callus) | 4,6 | 4,6 | 4,0 | 4,5 | 4,0 | mm u. s. w. |
Das Gehäuse ist durchwegs schlanker, d. h. schmäler und dabei etwas höher, als bei Rumella globosa Bourg. (Iconogr.[48] pl. 17, Fig. 20-22 und Hist. mal.[56] p. 250).
Von Rumella Giraudi Bourg.[39] p. 90 (Iconogr.[48] pl. 17, Fig. 35-37 und Hist. mal.[45] p. 253), mit der die mir vorliegenden Exemplare viel Aehnlichkeit hätten, sind sie durch den feinen, nicht abgestumpften Apex unterschieden.
Diese Lamellibranchiaten-Gattung ist im J. 1885 von Bourguignat[37] aufgestellt worden und zugleich hat der Autor sehr treffende Merkmale zur Unterscheidung von den Unioniden und Sphaeriiden angegeben. Im Jahre 1889 gibt Bourguignat[51] schon ein Verzeichniss von 23 Grandidieria-Arten, wovon freilich mehrere auf früher irrthümlich als Unio-Arten beschriebene Muscheln zurückzuführen sind.
Dr. O. Baumann nun hat mir vom Nordende des Sees eine bunte Mischung einzelner Grandidieria-Schalen (sozusagen halbe Exemplare) übergeben, welche in der Farbe[28], Grösse und Form so verschieden sind, dass es mir eine saure Arbeit schien, eine strikte Determination vorzunehmen, indem sich auch hier wieder der Gedanke aufdrängte, dass viele der Bourguignat'schen Arten durch Uebergänge mit einander verbunden sind.
In dieser Auflese Baumann's sind vertreten:
Einige Schalen, auffallend durch besondere Gestalt oder Grösse, lassen sich mit keiner beschriebenen Art vereinigen, z. B. eine aussen blaugraue, innen perlmutterartig glänzende linke Schale, 28 mm lang, 18½ mm hoch und (in der Hälfte) 9 mm tief. Diese ist auffallend stark gewölbt und zeichnet sich auch dadurch aus, dass der Wirbel nach vorne gerückt ist. Ich habe sie in Fig. 31 und 35 als Grandidieria nov. sp.? abgebildet.
Fig. 18 und 28 stellt das grösste Exemplar dar; diese (linke) Schale ist 33 mm lang, 24 mm hoch und 8½ mm tief, sie dürfte verwandt sein mit der schon oben angeführten Grandidieria insignis Ancey.
Die alte Woodward'sche Iridina (Pleiodon) Spekii ist im Jahre 1879 von Bourguignat[24] als erster Vertreter einer neuen Gattung, genannt Cameronia, aufgestellt worden. Zu dieser Art gehören zweifellos ein vollständig erhaltenes und ein zertrümmertes Exemplar aus der Kollection Dr. Baumann's. Ersteres ist 118 mm lang, 54 mm hoch und 34½ mm dick.
[303] Ein drittes Exemplar vom Nordende des Tanganyika-Sees stimmt überein mit
Dies ist eine der 26 Arten, welche Bourguignat späterhin unterschied [42].
Das mir vorliegende Exemplar misst 140 mm in der Länge, 62½ mm in der Höhe und 48 mm in der Breite (Dicke). Die Epidermis ist stark abgerieben.
Im Folgenden sind die Mollusken aufgezählt, welche Dr. O. Baumann im Kagera-Nilquellgebiete, im Grumeti-Bach und in den Bächen von Ngoroïne (d. s. östliche Zuflüsse des Victoria-Sees), sowie im Victoria-See selbst aufgefunden hat.
Das Material, welches im Laufe der letzten 3 Decennien von verdienstvollen Forschern wie Speke, Hauttecœur, Guillemé, Leroy, Dr. Fischer, Dr. Emin Pascha, Dr. Stuhlmann, Hannington, Gordon u. A. im Victoria-See gesammelt worden ist, wurde in einer Reihe von Abhandlungen nach und nach bekannt gemacht. [8, 25, 34, 38, 41, 46, 54, 58, 62].
Zuletzt hat E. Smith [65, 66] die Molluskenfauna dieses grossen Wasserbeckens zusammengestellt und unter kritischer Ausscheidung derjenigen Formen, deren Vorkommen im See wegen unverlässlicher Fundortsangaben zweifelhaft erschien (Koll. Speke [8]), im Ganzen 37 Arten angeführt. Hierzu kommen aber noch zwei von diesem Autor übersehene, von Dr. von Martens [54] beschriebene Arten, Paludina constricta und Spatha subaequilatera, und nun — nach Durchsicht des Baumann'schen Materiales — möchte ich dem Verzeichnisse noch drei Arten hinzufügen: 1) die Corbicula pusilla Phil. (s. unten!), 2) eine vermuthlich neue Mutela-Art (s. unten!) und 3) die alte Olivier'sche Paludina unicolor, welche sich in einer Varietät im Kagera-Nilquellgebiete findet und in jungen Exemplaren (?) auch aus dem Victoria-See selbst von Dr. Baumann gebracht wurde (Abbildung und Beschreibung der letzteren siehe unten!). Dohrn [8] hat zwar Anno 1864 Paludina unicolor Oliv. vom Victoria-See angeführt, Smith aber lässt in seinem Verzeichnisse diese Art absichtlich — aus dem oben genannten Grunde — aus.
Die Muscheln aus Ngoroïne und dem Grumetibache sind neue Spatha-Arten.
Fig. 5.
[304] Das einzige mir vorliegende, vollständig gebleichte, in der Mündung etwas mangelhafte Exemplar aus dem Victoria-See misst 24,2 mm in der Höhe, 15,5 mm in der Breite. Die Mündung ist 10 mm hoch, 9 mm breit. Die Grössenverhältnisse würden also zu der von E. v. Martens beschriebenen Paludina constricta ([54] S. 56, Taf. 41, Fig. 7) auffallend stimmen, und auch Gestalt und Skulptur sind annähernd so, wie sie Prof. v. Martens in seiner Diagnose angiebt. Da aber der über der Naht stehende und bis zur Mündung reichende Kiel auffallend stark entwickelt ist und vortritt, und ferner über diesem, etwa in der Mitte des Umganges, ein zweiter, aber zarter Kielstreifen läuft, sehe ich mich veranlasst, das Baumann'sche Exemplar zu Smith's Viviparus victoriae zu rechnen und zwar speciell auf die in Smith's Abhandlung [65] in Fig. 10 abgebildete var. a zu beziehen, obwohl dieses Exemplar bedeutend niedriger ist. Sollte sich einmal herausstellen, dass die Arten victoriae und constricta zusammenfallen, so hätte der Martens'sche Name das Prioritätsrecht. Nahe verwandt damit scheinen mir auch die von E. v. Martens beschriebenen, aber noch nicht abgebildeten Arten phtinotropis und trochlearis zu sein (siehe Martens [62] S. 17-18).
Fig. 2, 3, 4.
Die 4 Exemplare, welche Dr. Baumann im Victoria-See gesammelt hat, und wovon hier die 3 grössten abgebildet sind, zeigen sehr verschiedene Proportionen, wie die folgende Uebersicht ergibt.
Höhe des Gehäuses | 28,0 | 26,0 | 22,0 | 19,7 | |
Breite des Gehäuses | 18,5 | 16,6 | 14,3 | 13,3 | |
Höhe der Mündung | 12,7 | 10,4 | 10,0 | 10,4 | |
Breite der Mündung | 10,0 | 9,0 | 8,2 | 8,2 | mm |
Durch das Fehlen jedweder Kante an den Umgängen des Gehäuses ist die Zugehörigkeit der Exemplare zu P. rubicunda sehr wahrscheinlich; aber auch der Paludina Abyssinica von Martens (siehe [10] Mal. Bl. XIII. S. 97, Taf. 3, Fig. 7) stehen sie nahe.
Fig. 8, 9.
cf.
etc. etc.
TAFEL XXIV
[305] Unter diesem Namen führe ich fünf Exemplare aus dem Victoria-See an, welche mir bei der Bestimmung besondere Schwierigkeiten bereiteten. Ihre Dimensionen sind die folgenden:
Höhe des | Gehäuses | 18,1 | 12,6 | 14,5 | 14,2 | 12,6 | |
Breite " | " | 13,2 | 10,0 | 11,1 | 11,1 | 10,1 | |
Höhe der | Mündung | 9,3 | 7,0 | 8,3 | 7,7 | 7,3 | |
Breite " | " | 7,3 | 5,7 | 6,3 | 6,0 | 5,7 | mm. |
(Fig. 9) | (Fig. 8) |
Anfangs glaubte ich vermuthen zu müssen, dass E. v. Martens solche Exemplare wie diese vorgelegen sein mögen, als er Paludina capillata Frnfld. aus dem Victoria-See anführte (siehe [25] S. 104 »nur junge Exemplare mit zwei deutlichen Kanten«), aber ich kam bald von dieser Idee ab, indem ich fand, dass die Frauenfeld'sche Abbildung der Vivipara capillata aus dem Nyassa-See ([9], S. 533. Taf. 22) gar zu wenig auf die mir vorliegenden Exemplare passt; und zweitens sind nach Smith's Auslegung ([65] P. Z. S. p. 124) die Martens'schen jungen capillata-Exemplare zu victoriae Smith zu ziehen — und also müsste es auch mit den hier zu besprechenden Exemplaren geschehen, was mir aber wenig plausibel erscheint.
Viviparus jucundus Smith ([65] p. 124. pl. 12. Fig. 6) steht in der Abbildung wie in der angegebenen Grösse unseren Exemplaren sehr nahe, in der sonstigen Beschreibung jedoch wieder nicht. Mit der Küster'schen Art biangulata (Küster, Monogr. Paludina im Conch. Cab. I, 21. S. 25. Taf. 5. Fig. 11, 12) aber, welche von E. v. Martens ([10] Mal. Bl. XII. S. 203) für unicolor juv. erklärt worden ist, haben die von Dr. Baumann gesammelten Stücke unverkennbare Aehnlichkeit.
Fig. 16, 27.
Dr. Baumann sammelte im Kagera-Nilquellgebiete 6 Stück einer zweifellos mit unicolor Oliv. verwandten, daher von mir vorläufig als eine Varietät von dieser bezeichneten Paludina-Form. Die Gehäuse sind leider stark gebleicht, besitzen einen engen, schwach gedeckten Nabel und setzen sich aus 6½, durch eine tiefe Naht getrennten Windungen zusammen. An der Oberseite der Umgänge läuft ein Kiel und unter diesem Spuren von 1-2 Längsrippen; nur an den Embryonalwindungen sowie an dem letzten Umgange, also vor der Mündung, fehlen diese Merkmale. Am deutlichsten sind die Rippen an der vierten Windung (vom Apex an gerechnet), d. h. hier bemerkt man eine Anzahl parallel laufender Längsstreifen.
Kleinstes und grösstes Ex. |
||||
Höhe des | Gehäuses | 21,0 | 26,0 | |
Breite " | " | 16,0 | 20,5 | |
Höhe der | Mündung | 11,5 | 13,2 | |
Breite " | " | 9,2 | 10,3 | mm. |
Fig. 33.
[306] In der hier citirten Abhandlung beschreibt E. Smith zwei Ampullarien-Arten aus dem Victoria-See; die eine (Amp. nyanzae) ist eine Riesenform, indem sie 115 mm misst, und wurde von Rev. E. Cyril Gordon am Südende des Victoria-Sees gefunden; die andere, ebenfalls von Gordon gesammelt, jedoch nur in einem Exemplar, ist bedeutend kleiner (54 mm hoch) und unterscheidet sich von jener durch einen engeren Nabel und die weitere Mündung. Zu dieser letzteren Art, der Ampullaria Gordoni, gehören vermuthlich die 11 leider schlecht erhaltenen Stücke, welche Dr. Baumann vom Victoria-See gebracht hat. Eines von diesen ist 56 mm hoch und 48 mm breit und seine Mündung 45 mm hoch und 29 mm breit, die übrigen variiren in der Höhe zwischen 31 und 44 mm, in der Breite zwischen 26 und 35 mm. Die Höhe der Mündung ist in der Regel ungefähr gleich der Breite des Gehäuses. Der Nabel ist zur Hälfte von der Spindel bedeckt, die Farbe des Gehäuses aussen dunkelolivgrün, innen purpurroth bis braunroth; hauptsächlich am letzten Umgange laufen aussen zahlreiche dunkle Spiralbänder, welche entweder scharf getrennt von einander sind oder zu breiteren Bändern zusammenfliessen; dieselben scheinen nach innen durch.
Von dieser aus dem Victoria-See schon lange bekannten und immer schlechtweg als var. bezeichneten Lokalform der kosmopolitischen Melania tuberculata Mllr. brachte Dr. Baumann 10 Exemplare.
Diese Art ist bisher im Victoria-See nicht konstatirt worden. Die Exemplare, welche von Dr. Baumann von dort gebracht wurden, sind jedoch so ähnlich den in Jickeli's grossem Werk abgebildeten und beschriebenen Exemplaren, dass ich die obige Bestimmung ruhig hier publicire. In der Grösse variiren sie, wie folgt:
Breite | der | Schale | 6,3 | 7,6 | 8,1 | 8,0 | 9,7 | |
Höhe | " | " | 6,0 | 7,0 | 7,4 | 7,2 | 9,0 | |
Dicke | " | " | 4,1 | 4,8 | 5,0 | 4,9 | 6,2 | mm. |
[307] Die Farbe der Schalen ist aussen hell- oder dunkelgelb, innen weiss bis schwach violett. Die Rippen sind deutlich, die Wirbel stets abgerieben.
Das Verfahren von Prof. Krauss [3], diese Art mit der folgenden unter dem Namen Africana zu vereinigen, hat zwar später keinen Anklang gefunden, ist aber doch empfehlenswerth. Dr. Baumann hat, wie es scheint, die beiden Formen an einer Stelle des Victoria-Sees gesammelt.
Es liegen mir aus dem Victoria-See bloss einzelne stark gebleichte Schalen vor, welche ihre Zugehörigkeit zu Corb. radiata Phil. (Parr.) durch den rosig angehauchten Wirbel und ihre intensivere violette Färbung im Innern verrathen.
Grössenproportionen für
linke Schalen | 10,9 | 12,1 | mm breit | ||
9,7 | 11,1 | mm hoch | |||
und für rechte Schalen | 10,8 | 12,1 | 14,0 | 12,8 | mm breit |
9,7 | 10,4 | 12,3 | 11,7 | mm hoch. |
Dr. Baumann brachte ein einziges Exemplar dieser Art aus dem Victoria-See. Dasselbe ist 22,6 mm lang, 14,4 mm hoch und 11 mm dick.
Von dieser — ebenso wie die vorige — bloss im Victoria-See vorkommenden, also für ihn charakteristischen Art liegen nur 3 Stücke vor, wovon das grösste 28,5 mm in der Länge, 21,2 mm in der Breite und 15 mm in der Dicke misst.
Fig. 30, 34.
Die hier zu besprechende linke Schale aus dem Victoria-See vermochte ich mit keiner der bisher bekannt gewordenen Arten aus dem genus Mutela, in dessen Formenkreis sie jedenfalls zu gehören scheint, zu identificiren. Vielleicht aber fällt sie mit M. diaphana (Bourguignat in sched. 1875) zusammen, einer Art, [308] die leider weder schon beschrieben, noch irgendwo abgebildet ist, nach Bourguignat aber im ganzen Lauf des Nil vorkommt (op. c. [34] p. 5).
Die Schale ist 62,6 mm lang, 26,5 mm hoch und 8,5 mm dick; in der Wirbelgegend ist sie stark abgerieben, die Farbe von dunkelbraungrün gegen den Hinterrand in ein helles kastanienbraun übergehend; Jahresringe ziemlich deutlich; Innenseite dunkel perlmutterglänzend; hinterer Muskeleindruck schärfer als der vordere. Das Schloss ist eine lange, scharfe Kante. Ueber die allgemeine Gestalt mögen die Figuren Aufklärung geben.
Fig. 38.
Das Exemplar, welches ich mit diesem Namen belege, wurde von Dr. Baumann am 4. März 1892 im Grumeti-Bach, welcher von der Ostseite des Victoria-Sees her in diesen einmündet, gesammelt. Es ist 107 mm lang, 58 mm breit und 32 mm dick. Die Farbe ist rings um den stark abgewetzten, weisslichen Wirbel gelbbraun und geht nach dem Rande hin allmählich in ein kastanienbraun über; innen ist die Muschel schön rosenroth (rosa) gefärbt. Indem der Vorderrand abgerundet ist und der Dorsalrand in den Hinterrand ohne stark merklichen Winkel und ohne zuerst aufwärts zu ziehen, übergeht, ferner die Rundung auch nach unten schön geschlossen und der Unterrand nicht eingebogen ist, weicht diese Form von der Spatha Hartmanni v. Martens ab (vgl. Jickeli [19] S. 263, Taf. 8, Fig. 2; Martens [10] Mal. Bl. XIII, S. 10; Conch. Cab. IX. 1, S. 190, Taf. 61, Fig. 2, 3).
Nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Prof. E. von Martens ist die hier kurz beschriebene Spatha-Art und die folgende von den bisher bekannten Formen so verschieden, dass es gerechtfertigt erscheint, beide mit neuen Namen zu belehnen.
Fig. 39.
Aus einem der Bäche von Ngoroïne, ebenfalls einem östlichen Zuflusse des Victoria-Sees, stammt eine einzige rechte Schale, welche, wie die Abbildung bekräftigen möge, zwischen Spatha Caillaudii v. Martens[29] und Spatha Hartmanni v. Martens steht.
Sie misst 137 mm in der Länge, 77 mm in der Höhe und 21 mm in der Tiefe und fällt durch den stark ausgezogenen und nach abwärts gekrümmten Hinterrand auf. Der Wirbel ist stark ausgefressen und auch im Uebrigen die Aussenseite durch Eindrücke, die wahrscheinlich von den Eingeborenen herrühren, verunziert. Die Farbe ist dunkelbraun.
[309] Smith schreibt in seiner jüngsten Abhandlung[66] p. 381: »In addition to the above species Mr. Gordon also obtained the Aetheria elliptica from the Nile and the Ripon Falls. This species was found at the southern part of Lake Victoria by the late Bishop Hannington« und stellt damit das Vorkommen dieser interessanten »Süsswasserauster« auch im Victoria-See fest. 3 Exemplare, welche Dr. Baumann von dort gebracht hat, bestätigen diese Angabe. Sie messen 8-9 cm in der Länge und 6-7 cm in der Höhe. Innen an der Perlmutterschicht bemerkt man zahlreiche, oft geplatzte Blasen. Die Muskeleindrücke und der Mantelrand sind ziemlich deutlich, die ersteren aber nicht tief.
Aus dem von Dr. Baumann entdeckten Manyara-See, der im südlichen Theil des grossen ostafrikanischen Grabens, westlich vom Kilimanjaro gelegen ist, liegen 5 Arten vor. Dieselben sind echte Süsswasserformen und ihr Vorkommen in dem stark salzigen Wasserbecken ist daher sehr auffallend. Einen Schluss auf die Herkunft der Manyara-Fauna aber, welcher für die Graben-Theorie interessant gewesen wäre, lässt das vorliegende Material nicht zu. Die hier gefundene Ampullaria ovata Oliv. z. B. ist eine im Nil- und Nilquellgebiet weitverbreitete Art, findet sich aber auch im Tanganyika-See; das Gleiche gilt von der Planorbis sudanicus v. Martens, welche im Manyara-See nur etwas grösser wird (var. magna s. unten).
Lanistes affinis Smith, zu der ich die Manyara-Form als Varietät stelle, ist ausserdem auch in den Landschaften südlich vom Victoria-See, in Unyamwesi verbreitet und kommt auch im Nyassa-See vor.
Von den 2 Paludina-Arten schliesslich, welche Dr. Baumann gefunden hat, ist die kleinere eine vermuthlich neue, für den See charakteristische Art. Die grössere lässt, wiewohl sie mit einer im Kagera-Nilquellgebiet vorkommenden auffallend ähnlich gestaltet ist, keinen sicheren Schluss auf die Provenienz zu, weil sie als Varietät einer sehr weit verbreiteten Art, der Paludina unicolor Oliv. oder wenigstens als sehr nahe mit dieser verwandt angesehen werden muss.
Ueber die hier im Voraus genannten 5 Arten des Manyara-Sees lasse ich nun die näheren Angaben folgen.
[310] Fig. 10, 14, 29.
(Literatur über Planorbis Sudanicus v. Martens, siehe im Kapitel I.)
Die mir vorliegende Reihe aus dem Manyara-See enthält Exemplare von sehr wechselnder Grösse, wie die Beispiele hier zeigen sollen:
Höhe des Gehäuses | 7,0 | 6,3 | 5,8 | 5,0 | 5,0 | 4,0 | |
Breite (Diam.) des Gehäuses | 21,4 | 20,5 | 18,6 | 16,4 | 15,0 | 13,2 | mm. |
Anzahl der langsam und regelmässig anwachsenden, gerundeten Umgänge 5, 5½ oder 6.
Die Oberseite ist bei den grösseren Stücken weniger concav als bei den kleineren, die Unterseite aber meist stark ausgehöhlt. Farbe des Gehäuses blassgelb.
Von dem Typus von Sudanicus v. Mart. sind die Exemplare des Manyara-Sees also bloss durch die beträchtliche Grösse unterschieden.
(Synonymie siehe im Kapitel I.)
Lauter gebleichte Exemplare, meist mit gebrochenem Mundrand.
Höhe des | Gehäuses | 46 | 49 | 45 | 40 | |
Breite " | " | 39 | 38 | 37 | 34½ | |
Höhe der | Mündung | 33½ | 33 | 32 | 29 | |
Breite " | " | 23½ | 24 | 22½ | 21 | mm u. s. w. |
Fig. 32.
Es ist wieder nur ein einziges Exemplar, welches ich bei der folgenden kurzen Beschreibung berücksichtigen kann. Dasselbe ist 32 mm hoch und 31 mm breit, seine Mündung 22 mm hoch und 18 mm breit. Die Breite des Gehäuses ist also nicht viel geringer als die Höhe. Die Umgänge, in der Fünfzahl vorhanden, nehmen allmählich an Breite zu. Die Mündung ist ohrförmig, die Columella schlägt sich schwach über den sonst weiten Nabel.
Die nahe Verwandtschaft des Exemplares mit Lanistes affinis Smith aus dem Nyassa-See mögen die oben citirten Abbildungen und Beschreibungen bezeugen. Leider lässt sich in Folge des gebleichten und abgeriebenen Zustandes weder mehr die Farbe (die charakteristische orangegelbe Binde unterhalb der Naht) noch die Skulptur genau erkennen.
Dr. von Martens ([59] S. 17) führt die Smith'sche Art affinis aus Unyamwesi an (leg. Dr. Stuhlmann und Emin Pascha) und seine Grössenangaben stimmen mit den Proportionen des Exemplares aus dem Manyara-See ziemlich genau überein.
[311] Fig. 7, 12, 22.
(Literatur über Pal. unicolor Oliv. siehe in Kapitel II.)
Die hier zu besprechenden Exemplare aus dem Manyara-See sind auffallend ähnlich denen aus dem Kagera-Nilquellgebiete, welche ich bereits oben (in Kapitel II.) angeführt habe.
Die Farbe des Gehäuses ist verblasst, der Apex abgenagt, die Anzahl der Windungen daher nicht genau festzustellen. Ueber die Windungen läuft eine kielartige Rippe und unter dieser liegen noch 2 Rippenspuren, von denen jedoch die unterste in die Naht einbezogen ist, d. h. deren Begrenzung bildet. Im Uebrigen ist die Skulptur unkenntlich.
Maasse des grössten und kleinsten Exemplares:
Höhe der | Schale | 23,0 | 16,5 | |
Breite " | " | 18,5 | 13,4 | |
Höhe der | Mündung | 13,0 | 9,5 | |
Breite " | " | 10,0 | 7,4 | mm. |
Fig. 12, 17, 23, 25.
Diese zweite Paludina-Form aus dem Manyara-See, welche Dr. Baumann in einigen Exemplaren gesammelt hat, ist kleiner als die vorige und mehr vorn gespitzt, kegeliger Gestalt. An der Schale lassen sich mehr oder weniger deutliche Querstreifen und hier und da eine Spur eines oberen oder unteren Kielstreifens erkennen. Der Nabel ist ritzförmig, die Anzahl der Windungen beträgt 6½. Die Proportionen wechseln folgendermaassen:
Höhe des | Gehäuses | 15,9 | 16,3 | 13,6 | |
Breite " | " | 11,1 | 12,0 | 10,0 | |
Höhe der | Mündung | 7,5 | 8,0 | 6,5 | |
Breite " | " | 6,0 | 6,5 | 5,5 | mm. |
Es ist mir weder in der Literatur noch in dem Material des hiesigen Hofmuseums eine Paludina-Art untergekommen, mit welcher die hier beschriebene zu vergleichen wäre. Ich vermuthe also in dieser eine neue Art und habe nur wegen der geringen Anzahl und der relativ schlechten Konsistenz der vorliegenden Repräsentanten davon abgesehen, ihr einen definitiven Namen zu geben.
An dieser Stelle sind nur einige wenige Arten zu besprechen, darunter aber eine neue, Succinea Baumanni mihi.
Dr. Baumann hat diese schöne Schnecke am Nordende des Tanganyika-Sees gesammelt. Es liegen mir mehr als ein Dutzend Schalen vor, von denen nur eine kleine Auswahl die lebhaft gescheckte Färbung aufweist, während die übrigen gebleicht sind.
Die Gehäuseproportionen bewegen sich in geringen Abweichungen um die von Smith [27] angegebenen Maasse. Das grösste Exemplar misst 44 mm in der Länge und 18,4 mm in der Breite, und seine Mündung ist 17,5 mm hoch und 9,5 mm breit.
Grandidier ([33] p. 160) hat bekanntlich den von E. Smith [31] pl. 33, Fig. 14 u. 14a abgebildeten rectistrigata-Formen andere Artnamen beigelegt, sie nämlich Burtoniana (Fig. 14) und Bridouxi (Fig. 14a) genannt. Ich glaube nun, dass sich zwar Burtoniana Grand. von ihrem Vis-à-vis, der Bridouxi, wie von der »echten« rectistrigata (Smith [27] P. Z. S. pl. 31, Fig. 2) scharf trennen lässt, dass aber die beiden letzten, Bridouxi Grand. und rectistrigata Smith, Synonyme bleiben.
Die von Dr. Baumannn am Nordende des Tanganyika-Sees gesammelten Exemplare stehen, hauptsächlich was die Grössenverhältnisse (s. unten) anlangt, zwischen diesen beiden letztgenannten Arten, und ich wählte daher ungescheut den älteren Namen rectistrigata Smith für die Aufschrift.
Höhe des | Gehäuses | 37,1 | 38,0 | 36,2 | |
Breite " | " | 16,0 | 16,0 | 16,5 | |
Höhe der | Mündung | 16,0 | 14,0 | 15,0 | |
Breite " | " | 8,7 | 8,5 | 9,0 | mm u. s. w. |
(Fig. 36, 37.)
Diese kleine Form der rectistrigata liegt mir in einer grösseren Anzahl aus der Umgebung des Victoria-Sees vor. In Folge des gebleichten Zustandes sind bei den meisten Exemplaren von den Bändern nur mehr Spuren sichtbar. Die Grösse ist variabel:
Höhe des | Gehäuses | 36,0 | 35,1 | 29,5 | 29,5 | 29,3 | 29,0 | |
Breite " | " | 14,7 | 15,0 | 14,1 | 14,0 | 14,5 | 13,0 | |
Höhe der | Mündung | 13,5 | 14,0 | 12,3 | 12,5 | 12,0 | 12,0 | |
Breite " | " | 8,2 | 8,0 | 6,7 | 7,3 | 6,5 | 7,0 | mm |
(inkl. Columellarausschlag). |
[313] Die Limicolarien aus der Nyarasa-Steppe, gesammelt von Dr. Baumann im Juni 1892, sind gänzlich gebleicht und dürften theils zu L. rectistrigata Smith theils zu L. Martensiana Smith gehören.
Die am Manyara-See gefundene Limicolarien, gleichfalls schlecht erhalten, erinnern an die Art Heugliní v. Martens (confer [10] Mal. Bl. XIII., S. 94, Taf. 4, Fig. 1-4).
(Fig. 1, 6, 11, 15, 20, 21, 26.)
Testa ovato-conica, solida, vix pellucida; anfractus 4-4½, sutura profunda separati, primi subtiliter striati, ultimus rugis et striis instructus; apertura ovalis, altitudinis ⅝ vel ⅔ aequans.
Alt. 13-21,4 mm, diam. 7,1-12,5 mm. Apert. 8,5-14,5 mm alta, 5-9 mm lata.
Mögen die beigegebenen Abbildungen, sowie die hier noch folgenden Bemerkungen dazu dienen, die vorstehende lateinische Diagnose zu ergänzen, und so eine vollständige Vorstellung der neuen Art ermöglichen.
Succinea Baumanni liegt mir von zwei Fundorten vor:
1) aus der Nyarasa-Steppe; in vielen Exemplaren im Juni 1892 gesammelt, davon etwa 2 Dutzend gut erhalten (die Farbe ist allerdings bei allen gebleicht).
Hinsichtlich der Gestalt, respektive der Grössenverhältnisse lassen sich diese Exemplare in zwei Reihen stellen.
In die erste Reihe, welche relativ breite Exemplare umfasst, gehören beispielsweise die Stücke folgender Dimensionen:
Höhe des | Gehäuses | 18,0 | 17,0 | 16,3 | 16,0 | 15,5 | 15,1 | 14,0 | 13,5 | |
Breite " | " | 11,0 | 10,4 | 9,4 | 9,5 | 9,2 | 8,5 | 8,4 | 7,9 | |
Höhe der | Mündung | 12,3 | 11,2 | 10,6 | 11,0 | 10,0 | 10,0 | 8,8 | 8,4 | |
Breite " | " | 7,8 | 7,0 | 6,8 | 6,4 | 6,0 | 6,0 | 5,8 | 5,0 | mm. |
Dividirt man das Maass der Höhe durch das Maass der Breite, so erhält man eine Verhältnisszahl, welche hier 1,6-1,7 beträgt.
In die zweite Reihe, zu den relativ schmäleren Exemplaren, gehören die folgenden, im Allgemeinen grösseren:
Höhe des | Gehäuses | 21,2 | 19,3 | 18,4 | 18,2 | 17,6 | 17,0 | 17,3 | 14,2 | 14,0 | |
Breite " | " | 11,3 | 10,3 | 9,6 | 10,0 | 10,0 | 10,0 | 10,1 | 7,3 | 8,4 | |
Höhe der | Mündung | 12,7 | 12,0 | 11,5 | 11,5 | 11,1 | 11,2 | 11,1 | 9,0 | 8,8 | |
Breite " | " | 7,5 | 7,0 | 6,5 | 6,5 | 6,5 | 6,5 | 6,8 | 5,0 | 5,8 | mm. |
Fig. 6, 20. | Fig. 11, 21. |
Hier erhält man als Verhältnisszahl (Höhe:Breite) 1,7-1,9.
In Fig. 1 ist ein Exemplar mit ausnahmsweise hoher Mündung abgebildet (Höhe der Grösse 21,4, Breite 12,5 mm; Höhe der Mündung 14,5, Breite derselben 9 mm).
[314] 2) aus dem Kagera-Nilquellgebiet; Exemplare in geringer Anzahl und schlechtem Zustande.
Höhe des | Gehäuses | 19,3 | 17,2 | 16,4 | 16,0 | |
Breite " | " | 11,0 | 9,0 | 9,2 | 9,3 | |
Höhe der | Mündung | 12,4 | 11,5 | 11,0 | 11,1 | |
Breite " | " | 7,5 | 6,5 | 6,4 | 6,7 | mm |
Fig. 15, 26. |
Diese Exemplare sind ähnlich denen der zweiten Reihe aus der Nyarasa-Steppe.
Succinea Baumanni ist mit der von Prof. Krauss[3] S. 73 vom Limpopo-Fluss angegebenen Succinea amphibia Drap. var. Africana (= Succinea Africana Bourg. [4] Amen. I, p. 136) nahe verwandt. Leider existirt von dieser keine Abbildung und keine ausreichende Beschreibung.
Aus einigen der eingetrockneten Exemplare Dr. Baumann's war es mir noch möglich, die Radula und die Kieferplatte herauszupräpariren. Diese letztere ähnelt sehr auffallend dem Kiefer von S. elegans (vide Hazay, Molluskenfauna von Budapest, Taf. 6, Fig. 12, 13, 16 und Taf. 9, Fig. 8).
1. | Planorbis Sudanicus v. Martens | Nordende des Tanganyika-Sees. |
2. | Neothauma Tanganikum Grand | " " |
3. | Ampullaria ovata Oliv. | " " |
4. | Paramelania nassa Woodw. | " " |
5. | Rumella nov. sp.? (aff. globosa Bgt. et Giraudi Bgt.) | " " |
6. | Grandidieria rotundata Bourg. | " " |
7. | " insignis Ancey. | " " |
8. | " Smithi Bourg. | " " |
9. | " Tanganikana Bgt. | " " |
10. | " nov. sp.? | " " |
11. | Cameronia Spekei (Woodw.) Bgt. | " " |
12. | " admirabilis Bourg. | " " |
13. | Paludina victoriae Smith | Victoria-See. |
14. | (?) " rubicunda v. Martens | " |
15. | " unicolor Oliv. juv. (?) | " |
16. | Ampullaria Gordoni Smith | " |
17. | Melania tuberculata Mllr. var. | " |
18. | Corbicula pusilla Phil. | " |
19. | " radiata Phil. | " |
20. | Unio Edwardsianus Bourg. | " |
21. | " Hauttecœuri Bourg. | " |
22. | Mutela nov. sp.? | " |
23. | Aetheria elliptica Lam. | " |
(ad 15) | Paludina unicolor Oliv. nov. var.? | Kagera-Nilquellgebiet. |
24. | Spatha Baumanni Stur. | Grumeti-Bach. |
25. | Spatha Martensi Stur. | Ngoroïne-Bach. |
(ad 1) | Planorbis Sudanicus v. Martens var. magna Stur. | Manyara-See. |
(ad 3) | Ampullaria ovata Oliv. | " |
26. | Lanistes affinis Smith var. Manyarana Stur. | " |
(ad 15) | Paludina unicolor Oliv. nov. var.? | " |
27. | Paludina nov. sp.? | " |
28. | Limicolaria Martensiana Smith | Nordende des Tanganyika-Sees. |
29. | " rectistrigata Smith | " " |
(ad 29) | " " Smith var. minor Stur. | Umgebung des Victoria-Sees. |
30. | Succinea Baumanni Stur. | Nyarasa-Steppe und Kagera-Nilquellgebiet. |
[315] | Material gesammelt von: | ||
[1] | 1804- 12. | Olivier, G. A.: Voyage dans l'empire ottoman, l'Egypte et la Perse. Tome III et Atlas. | |
[2] | 1842- 51. | Philippi, Dr. R. A.: Abbildungen und Beschreibungen neuer oder wenig gekannter Conchylien. Bd. I-III. Mit vielen Tafeln. 4°. (Cassel, Fischer.) | |
[3] | 1848. | Krauss, Ferdinand: Die südafrikanischen Mollusken. (Stuttgart, Ebner & Seubert.) 4°. 140 S. 6 Taf. | |
[4] | 1856- 60. | Bourguignat, J. R.: Amenités malacologiques. Tome I et II. 8°. (Paris, Baillière.) [Rev. et Mag. de Zool. 1853-1860.] | |
† [5] | 1859. | Woodward, S. P.: On some new Freshwater Shells from Central Africa. [Proc. Zool. Sec. London part XXVII, p. 348-350, pl. XLVII.] | Capt. Speke. |
[316] [6] | 1859. | Martens, E. v.: Verzeichniss der von Prof. Peters in Mossambique gesammelten Land- und Süsswasser-Mollusken. [Mal. Blätter, 6. Band, S. 211-221.] | |
[7] | 1864. | Lea, Isaac: Descriptions of six new species of Unionidae from Lake Nyassa, Central Africa etc. [Proc. Acad. Nat. sc. Philadelphia 1864, p. 108-109.] | Dr. John Kirk. |
๐ [8] | 1864. | Dohrn, H.: List of the shells collected by Captain Speke during his second journey through Central Africa. [Proc. Zool. Soc. London 1864, p. 116-118.] | Speke. |
[9] | 1865. | Frauenfeld, Georg R. v.: Zoologische Miscellen V. [Verh. zool. bot. Ges. Wien Bd. XV, S. 525-536. Taf. VIII-XI und XXII.] | Vivipara- Arten aus dem Nyassasee, leg. Dr. Kirk. |
[10] | 1865- 66. | Martens, Ed. v.: Uebersicht der Land- und Süsswasser-Mollusken des Nil-Gebietes. [Mal. Blätter XII, S. 177-207; XIII, S. 1-21 und S. 91-102] | |
[11] | 1866. | Lea, Isaac: New Unionidae, Melanidae etc. chiefly of the United States. [Journ. Acad. Nat. sc. Philadelphia VI, p. 5-65, pl. 1-21.] | |
[12] | 1866. | Adams, Henry: List of the shells collected by Samuel White Baker Esq. during his recent explorations in Central Africa. [Proc. Zool. Soc. p. 375-376.] | Baker. |
[13] | 1867. | Martens, E. v.: Ueber einige Muscheln des oberen Nilgebietes. [Mal. Blätter XIV, S. 17-20] | |
[14] | 1868. | Morelet, Arthur: Mollusques terrestres et fluviatiles (Voyage du Dr. Friedrich Welwitsch dans les royaumes d'Angola et de Benguella, Afr. équinoxiale). 4°. 102 p. 9 pl. (Paris, Baillière et fils.) | |
[15] | 1870. | Martens, E. v.: Conchylien aus dem oberen Nilgebiet (Gazellenfluss). [Mal. Blätter XVII, S. 32-36.] | Dr. Schwein- furth. |
[16] | 1872. | Morelet, Arthur: Notice sur les coquilles terrestres et d'eau douce recueillies sur les côtes de l'Abyssinie. [Ann. Mus. Civ. Stor. Nat. Genova III, 1872.] | |
[317] [17] | 1873- 74. | Jickeli, C. F.: Reisebericht. [Mal. Blätter XX, S. 1-20, S. 109-151; XXI, S. 81-109.] | |
[18] | 1873. | Jickeli, C.F.: Diagnosen neuer Mollusken meiner Reiseausbeute. [Mal. Blätter XX, S. 99-108.] | |
[19] | 1874. | Jickeli, Carl F.: Fauna der Land- und Süsswasser-Mollusken Nord-Ost-Afrikas. [Verh. kais. Leop.-Carol. D. Akad. Naturf. Dresden, Band 37, S. 1-350. Taf. 1-11.] | |
[20] | 1874. | Martens, Ed. v.: Zusammenstellung der von Dr. Georg Schweinfurth in Afrika gesammelten Land- und Süsswasser-Conchylien. [Mal. Blätter XXI, S. 37-46.] | |
[21] | 1876. | Martens, E. v.: Die von Prof. Dr. R. Buchholz in Westafrika gesammelten Land- und Süsswasser-Mollusken. [Monatsber. Akad. Wiss. Berlin 1876, S. 253-274. 5 Tafeln.] | |
[22] | 1877. | Smith, Edgar A.: On the shells of Lake Nyassa and on a few marine species from Mozambique. [Proc. Zool. Soc. London 1877, p. 712-721, pl. 74, 75.] | F. A. Simons. |
[23] | 1878. | Martens. E. von: Uebersicht der von Herrn J. M. Hildebrandt während seiner letzten mit Unterstützung der Akademie in Ostafrika ausgeführten Reise gesammelten Land- und Süsswasser-Conchylien. [Monatsber. Akad. Wiss. Berlin 1878, S. 288-299. 2 Tafeln.] | |
† [24] | 1879. | Bourguignat, M. J. R.: Description de diverses espèces terrestres et fluviatiles et de différents genres de Mollusques de l'Egypte, de l'Abyssinie, de Zanzibar, du Sénégal et du centre de l'Afrique. 8°. 54 p. (Paris, Tremblay.) | |
๐ [25] | 1879. | v. Martens: Mehrerlei ausländische Conchylienarten, (3. Recente Conchylien von Bagamoyo, leg. Fischer. 4. Recente Conchylien aus dem Victoria-Nyansa, leg. Emin Effendi 1877.) [Sitzungsber. nat. Fr. Berlin, S. 99(102)-105.] | |
[26] | 1879. | v. Martens: Uebersicht der von Peters von 1843-1847 in Mossambique gesammelten Mollusca. [Monatsber. Akad. Wiss. Berlin 1879, S. 727-749.] | |
[318]† [27] | 1880. | Smith, Edgar A.: On the shells of Lake Tanganyika and of the neighbourhood of Ujiji, Central Africa. [Proc. Zool. Soc. London, p. 344-352, pl. 31.] | E. Coode Hore. |
† [28] | 1880. | Smith, Edgar A.: Diagnoses of new shells from Lake Tanganyika and East Africa. [Ann. and Mag. of Nat. Hist. London. Vol. VI. (5. ser.) — No. XXXVI. — p. 425-430.] | J. Thomson, E. Coode Hore, Dr. J. Kirk. |
† [29] | 1881. | Crosse, H.: Faune malacologique du Lac Tanganyika. [Journ. de Conch. XXIX. p. 105-139, pl. IV.] | |
† [30] | 1881. | Crosse, H.: Supplément à la Faune malacologique du Lac Tanganyika. [Journ. de Conch. XXIX. p. 277-306] | |
† [31] | 1881. | Smith, Edgar A.: On a collection of shells from Lakes Tanganyika and Nyassa and other localities in East Africa. [Proc. Zool. Soc. London, p. 276-300, pl. 32-34] | J. Thomson. |
† [32] | 1881. | Smith, Edgar A.: Descriptions of two new species of shells from Lake Tanganyika. [Proc. Zool. Soc. London, p. 558-561, 2 Figs.] | Damon. |
† [33] | 1883. | v. Martens: Einige centralafrikanische Conchylien, welche theils von Dr. R. Böhm aus dem Tanganyika eingesandt, theils von Lieutenant Wissmann von seiner Reise quer durch den südlichen Theil von Afrika mitgebracht worden sind. [Sitzungsber. nat. Fr. Berlin, S. 71-74] | |
๐†[34] | 1883. | Bourguignat, M. J. R.: Mollusques fluviatilis du Nyanza Oukéréwé (Victoria-Nyanza), suivis d'une note sur les genres Cameronia et Burtonia du Tanganika. — 8° — 23 p., 1 pl. (Paris, Imp. Tremblay). | Missionar Hauttecœur. |
[35] | 1883. | Bourguignat, M. J. R.: Histoire malacologique de l'Abyssinie. [Ann. des sc. nat. Paris VI. ser., tome XV., p. 47-162, pls. 7-11] | Achille Raffray. |
[36] | 1885. | Martens, E. von: Afrikanische Binnenmollusken. [Conchol. Mittheilungen, Kassel, II. Bd., 1881-1885, S. 188-190, Taf. 34]. | v. Mechow (Loango- Küste), Wissmann (Nyangwe). |
[319] † [37] | 1885. | Bourguignat, M. J. R.: Monographie d'un nouveau genre d'Acéphale du Lac Tanganika. [Bull. Soc. Malac. de France, Juillet 1885, II. p. 1-12, pl. 1] | |
๐†[38] | 1885. | Grandidier, Alfred: Descriptions de quelques espèces nouvelles et observations critiques sur divers mollusques du centre de l'Afrique. [Bull. Soc. Malac. de France, Juillet 1885, II. p. 157-164, pl. 7] | |
† [39] | 1885. | Bourguignat, M. J. R.: Notice prodromique sur les mollusques terrestres et fluviatiles recueillis par M. Victor Giraud dans la région méridionale du lac Tanganika. — 8° — 110 p. (Paris. Imp. Tremblay) | |
[40] | 1885. | Martens, E. v.: Einige Landschnecken, welche Prof. G. Schweinfurth auf seiner letzten Reise an der arabischen Seite Egyptens von Kairo bis Koseir gesammelt hat. [Sitzungsber. nat. Fr. Berlin, S. 87-89] | |
๐†[41] | 1885. | Bourguignat, M. J. R.: Espèces nouvelles et genres nouveaux découverts par les rév. pères missionaires dans les grands lacs africains Oukéréwé et Tanganika. 8°, 39 p. (Paris, Imp. Tremblay) | Rév. Pères Guillemé, Leroy, Hauttecœur. |
† [42] | 1886. | Bourguignat, M. J. R.: Nouveautés Malacologiques, 1. Unionidae et Iridinidae du Lac Tanganika. — 8° — 93 p. (Paris, Imp. Tremblay). | Leopold Joubert etc. |
† [43] | 1886. | Bourguignat, M. J. R.: Des Tiphobies du Lac Tanganika. [Bull. Soc. Malac. de France III. Juillet 1886, p. 141-150, pl. VI.] | Leopold Joubert etc. |
[44] | 1886. | v. Martens: Subfossile Süsswasser-Conchylien aus Egypten (Schweinfurth leg.) [Sitzungsber. nat. Fr. Berlin, S. 126-129] | |
[45] | 1887. | Grandidier, Alfred: Mollusques de l'Ousaghara, de l'Oukami etc. (Afrique Équatoriale). [Bull. Soc. Malac. de France IV. Juillet 1887, p. 185-194] | Rév. P. Leroy. |
๐ [46] | 1887. | Bourguignat, M. J. R.: Mollusques nouveaux de la région du Nyanza Oukéréwé (Victoria-Nyanza). [Bull. Soc. Malac. de France, IV. Juillet 1887, p. 267-272] | |
[320] [47] | 1888. | Smith, Edgar A.: On the shells of the Albert Nyanza, Central-Africa, obtained by Dr. Emin Pasha. [Proc. Zool. Soc. London, p. 52-56] | |
† [48] | 1888. | Bourguignat, M. J. R.: Iconographie malacologique animaux mollusques fluviatiles du lac Tanganika. — 8° — 82 p., 35 plchs. (Corbeil, Impr. Crété) | |
[49] | 1888-89. | Stuhlmann, Dr. Franz: Berichte über eine mit Unterstützung der Königlichen Akademie der Wissenschaften unternommene Reise nach Ost-Afrika, zur Untersuchung der Süsswasserfauna. [Mathem. naturw. Mitth. Sitzungsber. Kgl. preuss. Akad. Wiss. J. 1888, S. 801-815; J. 1889, S. 451-466.] | |
† [50] | 1889. | Bourguignat, M. J. R.: Mollusques de l'Afrique équatoriale de Moguedouchou à Bagamoyo et de Bagamoyo an Tanganika. — 8° — 229 p., 8 pl. (Paris, Impr. Dumoulin) | |
† [51] | 1889. | Bourguignat, M. J. R.: Melanidées du lac Nyassa, suivies d'un aperçu comparatif sur la faune malacologique de ce lac avec celle du grand lac Tanganika. [Bull. Soc. Malac. de France VI. Juni 1889, p. 1-66, pl. 1-2.] | Victor Giraud. |
† [52] | 1889. | Smith, Edgar A.: Diagnoses of new shells from lake Tanganyika. [Ann. Mag. Nat. Hist. London. Vol. IV. (VI. ser.) No. XX., p. 173-175]. | Coode Hore. |
[53] | 1889. | Martens, E. v.: Südafrikanische Landschnecken (leg. Dr. A. Schenck, 1884-87). [Sitzungsber. nat. Fr. Berlin S. 160-165.] | |
๐ [54] | 1889. | Martens, E. v.: Concholog. Mittheilungen. [III. Band, 1.-2. Heft, S. 1-3, 8-9, 16-17, 18 und diverse Abbildungen.] | G. Schweinfurth, Dr. Fischer. |
[55] | 1890. | Möbius (Dr. F. Stuhlmann): Mittheilungen über die Fauna von Ost-Afrika. [Sitzungsber. nat. Fr. Berlin. S. 181-184.] | |
† [56] | 1890. | Bourguignat, M. J. R.: Histoire malacologique du lac Tanganika (Afrique équatoriale). [Ann. des sc. nat. Paris, VII. ser., tome X. p. 1-267, pls. I.-XVII][31] | |
[321] † [57] | 1890. | Smith, Edgar A.: On a new genus and some new species of shells from lake Tanganyika. [Ann. and Mag. Nat. Hist. London. Vol. VI. (ser. VI.) No. XXXI., p. 93-96] | E. Coode Hore. |
๐ [58] | 1890. | Smith, Edgar A.: List of land- and freshwater-shells collected by Dr. Emin Pasha in Central Africa, with descriptions of new species. [Ann. and Mag. Nat. Hist. London. Vol. VI. (ser. VI.) No. XXXII., p. 146-168, pl. V. & VI.] | Dr. Emin Pasha, Rev. J. L. Last, Bishop Hannington etc. |
[59] | 1891. | v. Martens: Von Dr. F. Stuhlmann auf der Expedition Emin Pascha's in den Landschaften Ukwere, Ukami, Usagara und Ugogo gesammelte Land- und Süsswasser-Conchylien. [Sitzungsber. nat. Fr. Berlin. S. 13-18.] | |
[60] | 1891. | Smith, E. A.: On the Mollusca of British Central Africa. [Proc. Zool. Soc. London, p. 309-310.] | |
† [61] | 1891. | Martens, E. von: Bericht über die Tanganyikaschnecken Bourguignat's. [Nachrichtenbl. d. d. mal. Ges. Bd. XXIII., S. 7-10 und 12-128.] | |
๐ [62] | 1892. | v. Martens: Einige neue Arten von Land- und Süsswasser-Mollusken aus Uganda und dem Victoria-Nyansa (leg. Emin Pascha et Dr. Stuhlmann. 1890-91). [Sitzungsber. nat. Fr. Berlin 1892. S. 15-19.] | |
[63] | 1892. | v. Martens: Ueber die von Dr. Stuhlmann in Nordostafrika gesammelten Land- und Süsswasser-Mollusken. [Sitzungsber. nat. Fr. Berlin 1892. S. 174-181.] | |
[64] | 1892. | v. Martens: Beschreibung vier neuer afrikanischer Conchylien-Arten. [Sitzungsber. nat. Fr. Berlin 1892. S. 181-183.] | Dr. Preuss (Kamerun), Conradt (Usambára). |
๐ [65] | 1892. | Smith, Edgar A.: On the shells of the Victoria Nyanza or Lake Oukéréwé. [Ann. and Mag. Nat. Hist. London (6. ser.) Vol X., No. LVI., p. 121-128, pl. XII., Figs. 3-6, 8-16.] | |
๐ [66] 1892. | Smith, Edgar A.: Additions to the | Rev. shell-fauna of the Victoria Nyanza or Lake Oukéréwé. [Ann. and Mag. Nat. Hist. London (6. ser.) Vol. X., No. LIX., p. 380-383.] | E. Cyril Gordon. |
[322] † [67] | 1884. | Tausch, Dr. Leopold: Ueber einige Conchylien aus dem Tanganyika-See und deren fossile Verwandte. Mit 2 Tafeln. [Sitzungsber. Akad. d. Wissensch. XC. Bd. S. 56] | |
๐ [68] | 1894. | Stuhlmann, Dr. Franz: Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika. (Berlin, Dietrich Reimer). S. 731 ff. [Notiz von Prof. Dr. E. von Martens über die Vertheilung der Süsswasser-Mollusken in Centralafrika] |
Ausser diesen hier angeführten Abhandlungen benutzte ich noch vielfach die Reeve'schen Monographien, das Küster'sche Conchylien-Kabinet, Pfeiffer's »Novitates conchologicae«, die verschiedenen Handbücher der Conchyliologie u. A.
TAFEL XXV
Fig. 1, 6, 11, 20, 21 | Succinea Baumanni Stur. (Nyarasa-Steppe.) |
Fig. 2, 3, 4 | Paludina (?) rubicunda v. Martens. (Victoria-See.) |
Fig. 5 | Paludina victoriae Smith. (Victoria-See.) |
Fig. 7, 12, 22 | Paludina unicolor Oliv. nov. var.? (Manyara-See.) |
Fig. 8, 9 | Paludina unicolor Oliv. juv. (?) (Victoria-See.) |
Fig. 10, 14, 29 | Planorbis Sudanicus v. Martens var. magna Stur. (Manyara-See.) |
Fig. 13, 17, 23, 25 | Paludina nov. sp.? (Manyara-See.) |
Fig. 15, 26 | Succinea Baumanni Stur. (Kagera-Nilquellgebiet.) |
Fig. 16, 27 | Paludina unicolor Oliv. nov. var.? (Kagera-Nilquellgebiet.) |
Fig. 18, 28 | Grandidieria insignis Ancey (?). (Tanganyika-See.) |
Fig. 19, 24 | Rumella nov. sp.? (Tanganyika-See.) |
Fig. 30, 34 | Mutela nov. sp.? (Victoria-See.) |
Fig. 31, 35 | Grandidieria nov. sp.? (Tanganyika-See.) |
Fig. 32 | Lanistes affinis Smith var. Manyarana Stur. (Manyara-See.) |
Fig. 33 | Ampullaria Gordoni Smith. (Victoria-See.) |
Fig. 36, 37 | Limicolaria rectistrigata Smith var. minor Stur. (Umgebung des Victoria-Sees.) |
Fig. 38 | Spatha Hartmanni Stur. (Grumeti-Bach.) |
Fig. 39 | Spatha Martensi Stur. (Ngoroïne-Bach.) |
Von H. Rebel und A. Rogenhofer.
Schon bei seinen früheren Expeditionen hatte Herr Dr. Baumann auf das Sammeln von Lepidopteren seine besondere Aufmerksamkeit gerichtet, welche diesmal noch dadurch eine Steigerung erfuhr, dass der Expeditions-Soldat Hamissi hadim Mirari und sein Schüler Katilfil hadim Munyikombo mit dem Fange von Schmetterlingen durch Dr. Baumann beauftragt wurden, und diesem Auftrage auch in reichem Maasse nachgekommen sind.
Die Anzahl der von dieser Expedition mitgebrachten Lepidopteren übersteigt demnach auch weitaus alle bisher in diesen Gebieten gemachten Ausbeuten, da mehr als 4000 Stücke vorliegen. Dieselben umfassen Formen aus allen nördlichen Küstengebieten von Deutsch-Ostafrika, dem Massailande, Unyamwesi und der Umgebung des Victoria- und Tanganyika-See.
Wenn trotz dieser beträchtlichen Stückzahl die Zahl der Arten in der Ausbeute eine relativ sehr geringe ist und erst nach Sicherstellung einiger zweifelhaft gebliebener Formen 200 übersteigen dürfte, so hat dies seinen Grund einerseits in der schon oft erwähnten faunistischen Gleichförmigkeit der ostafrikanischen Gebiete und andererseits in dem Umstande, dass regelmässig Eingeborne, also nicht Fach-Entomologen, als Sammler thätig sind. Immerhin bildet die vorliegende lepidopterologische Ausbeute aus den von Dr. Baumann betretenen Gebieten, worunter namentlich das Bergland Urundi und das Quellengebiet des Kagera-Nil die entomologisch meist versprechendsten zu sein scheinen, insbesondere auch durch die von Dr. Baumann persönlich beigesetzten genauen Fundortsangaben, einen sehr werthvollen Beitrag zur Lepidopterenfauna Ost-Afrika's und bestätigt bei vielen Arten neuerlich die grosse Uebereinstimmung, welche in der Fauna aller tropischen Theile Afrika's herrscht.
[324] An neuerer lepidopterologischer Literatur für die afrikanischen Tropengegenden erwähnen wir:
Auf die beiden erst genannten Publikationen haben wir mit Rücksicht auf die darin enthaltenen zahlreichen Literaturangaben in dem nachfolgenden Verzeichnisse thunlichst Bezug genommen.
Wien, im Dezember 1893.
Mehrere Exemplare von Usega, Unyamwesi, Iguri, Ussongo, Tabora.
Nur ein Exemplar aus der Umba Nyika.
Ein ♂ aus der Umba Nyika (Leon).
Zwei ♂ von den Missosi ya Mwesi bei Imbo Urundi stimmen vollständig mit Jacksoni Sharpe und unterscheiden sich von der Abbildung des Echerioides Trim. (Trans. Ent. Soc., Lond. 1868, pl. VI, Fig. 1) durch die schmälere Fleckenbinde der Vrdfl. und die bedeutend weiter wurzelwärts gerückte Fleckenreihe vor dem Saume der Hntfl. Zoroastes Druce (Monthl. Mag. XIV, p. 226), welche Art vielleicht mit Homeyeri Plötz (Stett. ent. Z. 1880, p. 306) zusammenfällt, hat eine andere Stellung der Apicalflecken in der Vrdflbinde.
Ein auffallend kleines ♂ von Mutyek mit nur 67 mm Exp. kann zufolge der sehr schmalen Fleckenbinde der Vrdfl. und der auf der Unterseite der Hntfl. braun verdusterten Mittelbinde nicht mit Cynorta vereint werden.
Vier Exemplare von Ussure und Umba.
Zwei ♂ von Balangda und Imbo Urundi; letzteres stimmt vollständig mit Tibullus Butl. (Aid f. ident. II, pl. 139, Fig. 1) überein.
Von zwei ♀ gehört das eine von Balangda der Form Merope Doubl. (Trim., Trans. Linn. Soc. XXVI, pl. 43, Fig. 1), das andere von Ussuri der Form Trophonius Westw. (Trim. l. c., Fig. 5) an.
In grösserer Zahl, wie es scheint, auf allen Stationen angetroffen.
In geringer Anzahl von Mutyek, Iraku.
Nur 2 ♂ von Ngoroïne und Mutyek.
In Mehrzahl von Usegua, Ussure, und W.-Unyamwesi.
Eine geringe Anzahl nur theilweise gut erhaltener Stücke von Usegua.
Nur zwei Exemplare von Usegua.
Wie es scheint in fast ebenso weiter Verbreitung als Papilio Demoleus L.
In Anzahl über den grössten Theil des besuchten Gebietes verbreitet.
Unter der vorigen Art einzeln vorkommend.
In ziemlicher Anzahl namentlich von Katoto und Manyara. Einzelne Stücke stimmen vollkommen mit Caffra Feld. überein, welche kaum davon zu trennen ist.
Nur wenige Stücke von Usukuma und Usinja.
Eine Anzahl Stücke von Meatu, Ururi, Ruanda, Usukuma etc.
Nur wenige Exemplare von Usinja und Usige (Tanganyika).
Eine Anzahl Stücke von Meatu, Katoto, Ussui, Usukuma. Die ♀ in Minderzahl.
Eine Anzahl Stücke von Ussui, Uyogoma, Usinja und Urundi stimmen vollständig mit der Beschreibung und Abbildung dieser von Kavirondo bekannt gemachten Art überein.
Einige wenige Stücke von Mutyek und Ussui weichen etwas ab.
Wenige Stücke von Balangda, Ikoma, Umba Nyika und Kisuani.
Nur zwei ♂ von Ikoma stimmen mit der Type ganz überein.
In sehr grosser Zahl von fast allen besuchten Stationen.
Ebenso zahlreich und verbreitet wie die vorige Art.
Abermals in grosser Zahl von fast allen Stationen. Sehr variabel.
Eine Anzahl von Exemplaren von Sirwa, Serengeti, Urundi, Ngorongoro und S. Ruanda.
Sechs Exemplare von Mutyek stimmen gut mit der Abbildung und Beschreibung von Raffrayi überein, nur dass sie auf der Unterseite der Hntfl. am Ende des Costalrandes noch einen von Oberthür nicht erwähnten kleinen orangegelben Fleck zeigen. Letzteres Merkmal findet sich bei der gewiss sehr nahestehenden Margaritana Sharpe (Pr. Z. S. Lond. 1891, p. 191, pl. XVI., Fig. 4), welche vielleicht als kleineres und heller gefärbtes ♀ (Sharpe giebt wie gewöhnlich das Geschlecht nicht an) zu Raffrayi gehört.
Nur wenige aber typische ♂ von Kisuani und Usambára.
Eine Reihe sehr gut erhaltener ♂ vom Balangda unterscheidet sich von den vorerwähnten typischen Stücken der Thysa Hpffr. durch geringere Grösse (47-54 mm Exp.), stärkere Ausbreitung des orangerothen Basalfleckes auf der Unterseite der Vrdfl., und namentlich durch den Mangel einer gelben Färbung des Apicaltheiles daselbst. Diese Form steht auch der westafrikanischen Welwitschii Rghfr. (Ann. d. k. k. Naturh. Hof-Mus. IV. Bd., p. 548, pl. 23, Fig. 2) sehr nahe, ist aber davon durch geringere Grösse, Mangel jeder dunklen Flecken-Zeichnung am Schlusse der Mittelzelle auf Ober- und Unterseite der Hntfl., [327] durch lebhafter gelbe (zuweilen aber auch weisslich werdende) Unterseite der Hntfl. und besonders auch durch das Auftreten des lebhaft orangegelben Basalfleckes auf der Unterseite der Vrdfl. verschieden.
In Anzahl von den meisten Stationen im männlichen Geschlechte, jedoch nur ein ♀ von Umba Nyika.
In Mehrzahl im männlichen Geschlechte mit der vorigen vorkommend, durch die auf Ober- und Unterseite der sonst zeichnungslosen Hntfl. scharf schwarz gefärbten Rippen verschieden. Die Unsicherheit der Bestimmungen in dieser Art Gruppe ist sehr gross (cfr. Pagenst. l. c. p. 15).
Ein schönes Pärchen, das ♂ aus der Kilimanjaro-Niederung, das ♀ von Umba Nyika.
Mehrere ♀ von Simangiro, Elmarau, Kisuani und Katoto.
In geringer Zahl von Serengeti, Ngoroïne, Umba, Elmarau.
Ein einzelnes ♀ von Umba Nyika.
Ein sehr grosses ♂ von Meatu kann nur fraglich hierher gezogen werden.
Ein halbes Dutzend Exemplare von Kiwaya und Meatu.
Eine Reihe von Stücken von Usukuma und Meatu scheinen hierher zu gehören.
Zahlreiche Stücke beiderlei Geschlechtes von fast allen Stationen.
In geringerer Zahl als die vorige, namentlich aus den Kilimanjaro-Niederungen und von Meatu.
Eine geringe Zahl von Stücken beiderlei Geschlechts von Kisuani, Umbugwe, der Umba Nyika und Meatu.
Ein einzelnes ♀ von Mwansa.
In Anzahl aus den Kilimanjaro-Niederungen Elmarau, Balangda, Usukuma, Sogonoi und Meatu.
Zwei ♀, eins aus den Kilimanjaro-Niederungen, das andere, bedeutend kleiner, von Katoto.
Zwei ♂ vom Nyansa; ein wahrscheinlich hierher gehöriges ♀ aus den Kilimanjaro-Niederungen.
Wenige Stücke von Katoto und Simangiro.
Ein ganz frisches ♂ von Usige.
In Anzahl in beiden Geschlechtern namentlich von Meatu, Serengeti, Katoto, Elmarau und Kiwaya.
Nur zwei Stücke aus den Kilimanjaro-Niederungen und von Kisuani.
Nur wenige Stücke von Ngoroïne, Kilimanjaro-Niederungen, Kisuani und Sogonoi.
In Anzahl von Kisuani, Umba Nyika, Simangiro, Manyara, Kilimanjaro-Niederungen.
In geringerer Zahl von Katoto und Mwansa.
Ein ♂ von Umba Nyika und ein ♀ von Kisuani.
Eine Anzahl Stücke von Mwansa, Katoto, Ngoroïne, Urundi (Nilquelle) und Serengeti. Darunter auch ein weisses ♀ von Ngoroïne.
Eine Anzahl Stücke von Meatu, Balangda, Sogonoi, Manyara etc.
In grosser Zahl, abermals wie die Vorige besonders häufig von Meatu. Die Stücke gehören der grösseren Varietät Erxia Hew. an.
In Mehrzahl von Elmarau, Nyarasa, Umba Nyika und aus den Kilimanjaro-Niederungen.
Eine grosse Stückzahl dieser weit verbreiteten Art. Die ♀ in Minderzahl.
In grosser Zahl von fast allen Stationen.
Ebenfalls zahlreich, doch nur von wenigen Fundorten, namentlich Umbugwe.
Nur drei Stücke von Umbugwe.
Ein Exemplar (♂) von Kisuani.
Zwei ♂ von Sogonoi.
In Mehrzahl von Umbugwe, Iraku, Ussui, N. Urundi.
Das Auffinden einer echten Argynnis-Art im ostafrikanischen Faunengebiete hat allerdings durch die bereits erfolgte Publikation der Argynnis Hanningtoni Elwes, (Trans. Ent. Soc. Lond. 1889, p. 558, Fig.) aus dem Kilimanjaro-Gebiet seine grosse Bedeutung für die bis dahin angenommene geographische Verbreitung dieser Gattung verloren, bleibt aber immerhin noch ein faunistisch höchst bemerkenswerthes Ereigniss.
Die vorliegende Art, welche einen ganz palaearctischen Habitus zeigt, wurde auf den Missosi ya Mwesi im Imbo-Urundi-Gebiet im September 1892 in ca. 2500 m Seehöhe in 5 Exemplaren erbeutet, worunter sich ein gut erhaltenes Pärchen befindet. Wir erlauben uns, die Art nach Herrn Dr. Oscar Baumann zu benennen.
Baumanni gehört zu den kleinsten Arten dieses Genus, steht jedoch mit keiner der Arten desselben in sehr naher Verwandtschaft. Der allgemeine Habitus, die stark aufgeblasenen Palpen, der Ursprung der zweiten Subcostalrippe (nach Schatz) genau am Schlusse der Mittelzelle der Vorderflügel, sowie die durch eine feine Querrippe geschlossene Mittelzelle der Hinterflügel sichern die Angehörigkeit der Art zum Genus Argynnis F., wo sie zu Folge des fehlenden Medianspornes der Vorderflügel in die Artgruppe »Brenthis Hb.«, und mit Rücksicht auf die stark gestutzte Form der Hinterflügel am besten zu Pales S. V. zu stellen wäre.
Die Oberseite der kurz- und breitflügelig erscheinenden Art ist ziemlich hell und lebhaft rothgelb, der Basaltheil aller Flügel in schmaler Ausdehnung grüngrau bestäubt und nur kurz behaart. Die schwarze Zeichnung reduzirt sich auf den Vrdfl. auf fünf an den Subcostalrippen liegenden und den Anfang von Binden bezeichnenden Flecken längs des Vorderrandes, wovon nur der erste als Begrenzung [330] des dunkeln Basaltheils gekrümmt ist, während die übrigen breiteren fast grade verlaufen. Unterhalb jedes dieser Vorderrandflecken liegt ein schwarzer Punktfleck, wodurch eine schräg gegen die Flügelspitze gerichtete Reihe solcher Punkte entsteht. Weiter findet sich noch ein solcher Punkt von gleicher Grösse zwischen Dorsale und letztem Medianast, welcher mit den beiden ersten Punkten der vorerwähnten Schrägreihe die Endpunkte eines fast gleichseitigen Dreieckes bezeichnet. Endlich ist noch eine aus 6 Punkten gebildete Querreihe vor dem Saume vorhanden. Auf dem Htfl. liegt eine Reihe grosser Punktflecke vor dem Saume (zwischen den Rippen) und finden sich nur noch im Discus die Spuren feiner (beim ♀ grösserer) schwarzer Punkte. Der Saum ist auf allen Flügeln breit schwarz bezeichnet, wodurch helle Fleckchen der Grundfarbe eingeschlossen werden, welche auf den Hinterflügeln länglich gestaltet sind. Die Rippen bleiben überall hell. Die Franzen gelblichweiss, auf den Rippenenden breit schwarz durchschnitten.
Die blassrothgelbe Unterseite des Vdfl. zeigt am Vorderrande vor der Spitze einen blassgelben, dreieckig gestalteten Apicalfleck, welcher saumwärts rothbraun begrenzt ist, woselbst die beiden letzten Punkte der Saumreihe weiss und schwarz geringt erscheinen. Sonst ist die schwarze Zeichnung der Oberseite auch hier, wenn auch schwächer vorhanden; ebenso ist der lange Vorderrandsfleck, welcher den gelben Apicalfleck wurzelwärts begrenzt in vier Punkte aufgelöst. Die blassgelbe Unterseite der Hinterflügel zeigt nach der gelben Saumlinie eine Reihe von 6, wenig glänzenden, und beim ♀ flacher gestalteten Silberflecken, welche wurzelwärts gegen Innen- und Vorderwinkel an eine rothbraune Färbung stossen, innerhalb welcher die hier weissgekernte Punktreihe der Oberseite liegt. Danach folgt noch eine, der obenerwähnten Punktreihe parallel verlaufende Serie unbestimmt begrenzter, rundlicher Silberflecken. Der Basaltheil zeigt in der Mittelzelle einen auswärts scharf schwarz begrenzten rothbraunen Fleck, innerhalb dessen ein kleiner runder, schwarz umzogener Silberfleck liegt. Endlich findet sich noch ein keilförmiger, auswärts rothbraun begrenzter Silberfleck an der Basis zwischen der zweiten Dorsale und Mediana. In der Flügelmitte und an der Basis liegen noch einzelne schwarze Striche meist als Begrenzung der angegebenen rothbraunen Färbung.
Fühler sammt Kolben einfarbig schwarz. Die hellgelben Palpen dicht schwarz behaart. Die Beine bräunlich. Der schwarze Körper namentlich am Thorax dicht grünlich behaart. Vdfl.-Länge ♂ 17, ♀ 16 mm, Exp. 30-32 mm.
Das kleinere ♀ ist dunkler gefärbt und zeigt namentlich die schwarze Fleckenbildung der Oberseite stärker ausgeprägt.
Ein Exemplar von Mutyek.
Ebenfalls nur ein Exemplar von Mutyek.
Zahlreich von verschiedenen Stationen.
In Anzahl von Umbugwe, Ngoroïne, Ussui und Kiwaya.
In sehr grosser Zahl von fast allen Stationen.
In Mehrzahl, var. Boopis Trim. von Ussui.
In geringer Zahl von Uyogoma.
Eine Reihe von Stücken von Usukuma, Katoto, Ngoroïne.
In sehr grosser Zahl mit fast ganz verdunkelter Hinterseite von Urundi, Ruanda, Usinja, Uha.
Ein genau mit der citirten Abbildung übereinstimmendes ♀ von Nord-Urundi.
Wenige Stücke von Umbugwe und Kisuani; zwei Stücke von Ussui gehören der var. Natalensis Stgr. an.
Ein weiteres ♀ stimmt gut mit der Abbildung bei Trim., South Afr. I, pl. 4, Fig. 4, welches angeblich einen Hybrid vorstellen soll.
Ein halbes Dutzend Stücke aus den Kilimanjaro-Niederungen und vom Balangda.
Einige Stücke von Ngoroïne, Süd-Ruanda, Uha und Usukuma.
Wenige Stücke von Ruanda und Uha.
Lebhaft gefärbte Stücke von Ngoroïne.
Mehrere Exemplare von Umba Nyika, Usige, Katoto gehören zweifellos zu der von Pagenstecher unter Petersii verstandenen Form.
Zwei Pärchen von Süd-Ruanda, wovon die ♂ auf der Oberseite mit lebhafterer rother Binde als die ♀.
Wenige Stücke von Nord-Urundi, Süd-Ruanda und Uyogoma.
Einige Stücke von Uha.
Von Ngoroïne, Ikoma, Sogonoi, aus den Kilimanjaro-Niederungen in grosser Zahl.
Von Katoto, Urundi, Uha, Urambo.
Eine Reihe von Stücken von Uha gehören wohl hierher.
Einige wenige Stücken von West-Unyamwesi und Ussui.
Nur zwei schlechte Stücke von Ussui.
Ein ♂ von Uyogoma, ein wahrscheinlich dazu gehöriges ♀ von Uha.
Wenige Stücke von Mwansa und Ufiomi.
Nur zwei ♂ von Ussui und Ussure.
Abermals nur vier ♂ von Nord-Urundi.
Ein einzelnes ♂ von Serengeti.
Wenige Stücke von Ussure und Sogonoi.
Einige Stücke von Kisuani und Umbugwe.
Ein Exemplar von Nord-Urundi.
Ein beschädigtes ♀ von Uha stimmt vollkommen mit der Abbildung bei Butl., Lep. Ex., Taf. 10, Fig. 3.
In sehr grosser Zahl von fast allen Stationen.
Wenige Stücke von Umba Nyika und den Kilimanjaro-Niederungen.
Ein ♂ von Urambo stimmt mit der citirten Abbildung bis auf den Umstand überein, dass sich auch im grauen Apicaltheile der Vrdfl. eine röthliche Stelle findet.
In Mehrzahl von Umbugwe und Majita.
Ein fraglich hierher gehöriges grosses ♀ mit brauner Hntfloberseite von Sogonoi.
In Mehrzahl von Usinja.
Wenige Stücke von Ussui, Kisuani und Usinja.
Einige Stücke von Umbugwe und Kisuani.
Einige Stücke von Ngoroïne und Ussui.
Eine Anzahl Stücke von Ngoroïne und Ruanda.
In Mehrzahl von Uha, Usinja, Majita, Katoto und Ruanda.
Nur ein ♂ von Ngoroïne.
In Anzahl von Sogonoi, Majita, Ngoroïne und Balangda.
In sehr geringer Zahl von Kisuani und Meatu.
Einige Stücke von Kiwaya, Ussure, Iraku und Ussandaui.
In grosser Zahl beiderlei Geschlechtes von Umbugwe, Katoto, Ussui, Meatu, Ikoma. Die ♀ mit und ohne weisse Subapicalbinde.
Eine Anzahl Exemplare nur von Kiwaya.
Ein ♀ von Kiwaya.
Wenige Exemplare von Iraku und Imbo Urundi.
In grösserer Zahl von Ngoroïne, Ururi, Uha.
Die ♂ in Anzahl von Usinja, ein ♀ von Usukuma.
In einiger Anzahl von Uha.
Einige Stücke von Imbo Urundi.
Ein ♀ aus dem Vorlande (Usambára).
Ein ♂ von Ussandaui.
Drei Exemplare von Mangi stimmen vollkommen mit Stgr.'s Abbildung.
Ein Exemplar von Katoto, grösser als in Sharpe's Abbildung, aber vollkommen übereinstimmend.
Nur ein ♀ von Iraku; Holland (Ann. und Mag. 6. Dezember 1893, p. 249) vereinigt eine Reihe nahestehender Formen unter Johnstoni Godm.
Nur ein Exemplar von Usinja.
In Mehrzahl von Umba Nyika und Kisuani.
Von Usinja, Katoto, S. Ruanda, Uha und Usige.
Wenige Stücke von Usinja. Das Genus Dichothyris wurde erst kürzlich von Karsch l. c. p. 203 aufgestellt. (cfr. Aurivill Tidsk. 1893, 271.)
In grosser Anzahl namentlich von Süd-Ruanda und Usinja. Die beiden Formen Eusirus Hopffr. und Evenus Hopffr. scheinen generationsweise zu alterniren.
Eine Anzahl Exemplare nur aus den Kilimanjaro-Niederungen und von Kisuani.
Nur drei Stücke von Ussui ganz mit Stgr.'s Abbildung stimmend. Die Art ist der vorigen ähnlich aber kleiner, der helle Querstreifen der Unterseite fast ganz gerade, die Punktaugen der Hntfl. daselbst sehr klein.
In sehr geringer Zahl von Usinja.
In Mehrzahl von Elmarau, Ngoroïne, Majita, Katoto. Ein Exemplar ♂ von Ngoroïne weicht dadurch ab, dass die Unterseite der Hntfl. viel dunkler, das obere Auge des Innenwinkels, sowie jenes unter dem Costalrande bedeutend grösser ist, als bei syrischen Stücken.
In geringer Zahl von Ufiomi und aus dem Vorlande.
Nur ein kleines ♀ aus den Kilimanjaro-Niederungen.
In Anzahl von Kiwaya und Ussui.
Nur ein schönes ♂ von Ngoroïne.
Von Uha, Ussui und Usukuma.
In grosser Zahl aus dem Kilimanjaro-Vorlande, Uha und Ussui.
Nur wenige Stücke von Usinja.
Einige wahrscheinlich hierher gehörige Stücke von Ussui.
Drei Exemplare von Mutyek.
Drei Exemplare von Sirwa, Mangati und Mutyek stimmen auf der Oberseite ganz mit der citirten Abbildung; die Unterseite ist dunkler und zeigt auf den Hntfl. die Flecken zu einer Binde vereint.
Wenige Stücke von Kisuani.
Von Ussui, Katoto und Mangati.
Ein einzelnes etwas beschädigtes ♀ von Ussandaui gehört wahrscheinlich einer unbeschriebenen Art bei Molomo Trim. und Damarensis Trim. (Proc. Z. S. 1891, p. 90, pl. IX., Fig. 17 ♂) an. Die gelbbraune Oberseite entbehrt bis auf eine sehr schmale Saumbinde jeder schwärzlichen Zeichnung. Die Hntfl. zeigen nach der Mitte des Vorderrandes einen gerundeten schwärzlichen Flecken. Die Unterseite scheint gut mit jener von Damarensis übereinzustimmen. Exp. 30 mm.
Je ein einzelnes ♂ von Mangati und Uha.
Ein Pärchen einer Alaena Art, wovon namentlich das ♂ sehr gut erhalten ist, wurde im Hügellande bei Ngoroïne in circa 1500 m Seehöhe im Mai 1892 erbeutet, und lässt sich mit keiner der sechs bisher bekannt gemachten Alaena Species[33] vereinen.
Die Vrdfl. gestreckt, beim kleineren ♂ mit schärferer Spitze und schrägerem Saume. Grundfarbe aller Flügel schwarzgrau. Zeichnung weiss. Letztere besteht auf den Vrdfl. in drei hintereinander liegenden Flecken der Mittelzelle, wovon der Basis zunächst befindliche keilförmig gestaltet und undeutlich ist, wogegen die beiden folgenden gerundet sind, und der an die Querader stossende Fleck am grössten und hellsten erscheint. Ferner tritt hinter der Mitte eine schmale, stark geschwungene Querbinde auf, welche wurzelwärts scharf begrenzt erscheint und überall durch die Adern schwarz durchschnitten wird. Sie tritt zwischen dem letzten Subcostalaste und den Radialästen am stärksten saumwärts vor, geht hierauf zwischen den Medianästen, wo sie breiter wird, wieder stark wurzelwärts zurück und reicht gegen den Innenrand zu nur bis zur Dorsale.
Auf den Hntfl. ist nur eine weisse Mittelquerbinde vorhanden, welche dem Saume parallel verläuft, zwischen den Radialästen am breitesten ist, wurzelwärts sich in getrennte kleinere Flecken auflöst und gegen den Vorderrand (beim ♂) nur bis zum ersten Subcostalaste reicht.
Das grössere ♀ zeigt auf der Oberseite eine etwas blassere Grundfarbe als das ♂, so dass gegen den Saum zu die helle Fleckenzeichnung der Unterseite durchscheint.
Die helle Unterseite ist durch eine sehr nahe dem Saum der Vrdfl. verlaufende schwärzliche Querlinie und durch die fast gleichmässig gewürfelt erscheinenden Hntfl. des ♀ sehr ausgezeichnet.
Beim ♂ ist auf den Vrdfl. der Vorderrand, die Mittelzelle, sowie ein unbestimmter Raum nach derselben (jedoch nicht der Apicaltheil), sowie eine Mittelbinde der Hntfl. gelblich. Beim ♀ bleibt die Grundfarbe der Unterseite weiss.
Auf den Vrdfl. reiht sich an die drei weissen Flecken der Mittelzelle nach aussen zu noch ein vierter, gleichmässig schwarz umzogener Fleck an. Gegen Vorderrand und Saum zu sind die Rippen schwarz angelegt, unter der Spitze zieht sehr nahe und parallel dem Saume eine feine [337] schwärzliche Querlinie, welche beim ♂ bereits auf der Mediana endigt, beim ♀ aber bis gegen den Innenrand deutlich bleibt. An der Basis der Hntfl. liegen drei Reihen unregelmässig geformter Würfelflecken, und vor dem Saume eine Doppelreihe solcher Flecken. Der schmale Raum zwischen Basal- und Saumflecken ist nur beim ♂ gelb ausgefüllt, bleibt jedoch beim ♀, welches die schwarze Zeichnung der Unterseite breiter zeigt, weiss. — Franzen weiss, auf den Rippenenden schwarz gefleckt. Körper und Fühler schwärzlich, letztere auf der Unterseite mit weisslichen Fleckchen. Die Palpen, Beine, sowie die Bauchseite des weisslich geringten Hinterleibes sind rostgelb. Ebenso gefärbt sind auch einige abstehende Haare im Nacken. — Vrdfllänge des ♂ 13,5, ♀ fast 16, Exp. 26 respektive 30 mm.
Caissa unterscheidet sich wohl von sämmtlichen vorerwähnten Alaena-Arten durch die geringe Breite der weissen Mittelquerbinde. Die auch sonst entfernter stehenden Amazoula B. und Hauttecœuri Oberth. sind überdies im männlichen Geschlechte bräunlich gefärbt; Nyassa Hew. hat ungescheckte Franzen. Interposita Butl. und Major Oberth. sind grösser, erstere zeigt auch noch helle Flecken im Saumfeld.
Am nächsten vorliegender Art kommt jedenfalls die nur sehr mangelhaft beschriebene Johanna Sharpe, bei welcher über das Aussehen der Unterseite und über das Geschlecht der Type kein Wort erwähnt ist. Caissa scheint sich auch von dieser Art durch die drei weissen Flecken (statt einer weissen Linie) der Mittelzelle der Vrdfl., und durch noch schmälere Mittelbinde, welche sich hier im Discus der Hntfl. erweitert, zu unterscheiden.
Sowohl Trimen [South Afric. Butterfl. II. (1887) p. 222] als auch Schatz (Famil. und Gatt. der Tagf. p. 280, Taf. 50) weisen auf Grund selbstständig vorgenommener Untersuchungen dem Genus Alaena B. die Stellung in der Familie der Lycaeniden an.
Drei Exemplare von Sogonoi und Usinja.
Einige Exemplare von Usukuma, Simangiro und Umba Nyika.
Nur ein Exemplar (♂) von Serengeti.
Je ein Exemplar von Usukuma und Katoto.
Nur drei Stücke aus der Kiwayasteppe und von Iraku.
Nur ein Exemplar von Ussui.
Nur ein Exemplar von N. Urundi, mit der Type übereinstimmend. Nach den kurzen Angaben über die Unterseite bezieht sich Pagenstecher's Citat für Djaelalae auf diese Art.
Drei ganz mit der citirten Abbildung übereinstimmende Exemplare von Unyamwesi.
Eine Reihe von Stücken beiderlei Geschlechts einer Abantis-Art aus der Kiwayasteppe und von Umbugwe hielten wir wegen der rein weissen Grundfarbe der nur schwarz gesäumten Flügel zu Levubu Wallgr. (Trim. South Afr. B. III, p. 345, pl. XII, Fig. 5) gehörig. Eine nähere Untersuchung ergab jedoch, dass hier eine andere, der Levubu allerdings sehr nahestehende Art vorliege, zu deren Kenntlichmachung es nur der Angabe der unterscheidenden Merkmale bedarf.
Flügelspannung 35 mm. Der Grund aller Flügel ist auf Ober- und Unterseite rein weiss, ohne die schwarzen Adern von Levubu, nur die Submediana der Hinterflügel (Rippe 1b) ist schwarz und schliesst auf der Unterseite zwischen sich und der Innenrandsrippe (Rippe 1a) einen gegen die Basis schwarz gefärbten Raum ein.
Weiter ist die schwarze Apicalzeichnung der Vorderflügel viel breiter, wodurch der bei Levubu abgeschnittene Theil der weissen Grundfarbe in kleine gerundete Flecken aufgelöst erscheint, wovon nur die drei ersten zusammenhängen, während die beiden kleinen Flecken unter dem Vorderrande von einander getrennt bleiben. Auch die Saumflecke selbst sind kleiner und gerundeter.
Alles Uebrige, namentlich die Bildung und Färbung der Palpen, sowie die lebhaft gelbgefärbten Schulterdecken, scheint mit Levubu vollkommen übereinzustimmen.
Letztere Art hat jedenfalls auch in (Sapaea) Lactea Plötz (Stett. e. Z. 1885, p. 36) eine nahe Verwandte, welche sich jedoch zu Folge der Beschreibung durch gelbgesäumte Abdominalsegmente, durch schmalen schwarzen Vorderrand der Vorderflügel und die auf der Unterseite geschwärzte Rippe 8 der Hinterflügel gewiss specifisch von Amneris trennt.
Ein einzelnes kleines ♀ von Iraku.
Ein Pärchen, das ♂ von Usinja, das sehr grosse ♀ von N. Urundi[34].
Ein Exemplar von Ussui.
In einiger Zahl von Usinja.
Zwei Exemplare von Mwansa.
Mehrere Exemplare von Ussongo und Uha.
Vier Exemplare von Mwansa, Katoto, Majita und Ussandaui.
Ein Exemplar von Iraku.
Ein Exemplar von Ussandaui.
Ein ♂ von Usegua stimmt vollständig mit der Abbildung bei Hopffer (Peter's Reise), Taf. 28, Fig. 8 (♀), überein.
Einige Exemplare von Imbo Urundi.
Die systematische Stellung dieser Art bei den Castniiden, wohin sie Pagenstecher l. c. p. 32 nach dem Vorgange Wallengren's stellt, ist gewiss unrichtig, da die Raupe frei lebt und fast ophiusidenartigen Habitus zeigt (Trans. Ent. S. Lond. 1856, pl. 14, Fig. 3).
Nur vier ♂ dieser interessanten Art von Urundi und Uha.
Ein beschädigtes, aber gewiss hierher gehöriges ♂ von Usukuma (Iraku).
Nur ein ♀ vom Manyara.
Zwei Exemplare von Ussure und Ussandaui.
Ein ♂ von Mangati und zwei ♀ von Ngorongoro unterscheiden sich von der Abbildung bei Lefevre durch kleinere und dunklere Augenflecke der Vorderflügel und die auf Ober- und Unterseite weissen (nicht rosafarbenen) Querstreifen. Auch sind die Segmente des Hinterleibes auf der Unterseite schwarz geringt. Zaddachi Dewitz stellt wahrscheinlich die westafrikanische Form derselben Art dar.
Ein ♂ von Ussongo.
Zwei ♂ von Serengeti.
Drei Exemplare von Ngorongoro, Simangiro und Ussandaui.
Mehrere Stücke von Umbugwe, Kiwaya und Ussongo.
Ein wahrscheinlich hierher gehöriges Exemplar von S. Ruanda.
Drei Stücke von Uha und den Umba Nyika-Niederungen.
In Mehrzahl von Umbugwe und S. Ruanda.
Nur ein Exemplar von den Umba-Niederungen.
Ein Exemplar von Katoto.
Ein schlechtes Exemplar aus den Kilimanjaro-Niederungen.
Nur ein Exemplar von Mwansa.
Ein Exemplar von Umba Nyika.
Ebendaher ein Exemplar.
Ein Exemplar von Majita.
Ein schlechtes Exemplar von Mwansa.
Ein ♂ vom Manyara.
Ein ♂ von Kisuani.
Ein Exemplar von Ikoma.
Bestimmt von Custos L. Ganglbauer.
Die Mehrzahl der Käfer gehört Arten an, die bereits von Professor Gerstäcker in den wissenschaftlichen Ergebnissen von Baron Carl Claus von der Decken's Reisen in Ostafrika (Dritter Band, zweite Abtheilung, 1873) aufgeführt oder beschrieben wurden. Einige Arten konnten nach Gerstäcker's Bearbeitung der von Dr. G. A. Fischer während seiner Reise nach dem Massai-Land gesammelten Coleopteren (Jahrb. Hamburg. Wissensch. Anstalten 1884, 40-63) und nach Léon Fairmaire: »Coléoptères des voyages de M. G. Revoil chez les Somâlis et dans l'intérieur du Zanguebar« (Ann. Soc. Ent. France 1887, 69-186, 277-367) eruirt werden, ein Theil blieb vorläufig ohne genauere Bestimmung. Unter den letzteren mögen sich wohl einige Nova befinden, doch bleibt deren Feststellung und Beschreibung besser künftigen Monographen der betreffenden Genera überlassen. Isolirte Beschreibungen einzelner neuer Arten aus heterogenen Gattungen erfordern sehr umständliche und zeitraubende Literaturstudien und sind überdies von sehr problematischem Werthe, wenn sie nicht auf grösserem Vergleichs-Materiale basiren.
Bestimmt vom Hofrath Brunner von Wattenwyl.
[350] Bestimmt von Franz Kohl.
Bestimmt von Anton Handlirsch.
Bestimmt von Professor Friedrich Brauer.
Von Dr. Leopold Adametz,
O. ö. Professor an der K. K. Universität in Krakau.
Auf seiner letzten Reise, in den Jahren 1891-1893 beobachtete Herr Dr. O. Baumann auf den 1500-2000 Meter hoch zwischen dem Tanganyika und Victoria-Nyansa gelegenen Plateau-Landschaften eine durch ungeheuere Hörnerentwickelung ausgezeichnete Rinderrasse. Dieselbe erweckte sein Interesse um so mehr, als östlich von dem geschlossenen Verbreitungsgebiete dieser Rasse durchaus nur die gewöhnlichen ostafrikanischen Zebus gehalten werden. Dr. Baumann fand diese Rasse namentlich in dem westlich von dem Victoria-Nyansa gelegenen Urundi und Ruanda, ferner in Ussui und Karagwe. Sie ist eine den Watussi- (Wahuma-) Stämmen charakteristische Rinderrasse.
Auf Grund der mir von Herrn Dr. O. Baumann freundlichst zur Verfügung gestellten Notizen, Photographien und eines wohlerhaltenen aus Urundi stammenden Stierschädels, liefere ich im Folgenden die Beschreibung dieser interessanten Rasse. Durch dies Material war ich in die Lage versetzt, ohne Schwierigkeit die Stellung dieser Rasse im zoologischen Systeme und die Zugehörigkeit derselben zur Sanga-Gruppe festzustellen.
Das Rind ist nach europäischen Begriffen von mittlerer Grösse, einfarbig röthlich bis dunkelbraun vorwiegend kastanienbraun und besitzt ein ähnlich dunkelpigmentirtes Flotzmaul. Desgleichen sind auch die übrigen, dem Auge zugänglichen Schleimhäute pigmentirt. Das Deckhaar ist kurz, ziemlich dicht gestellt und glänzend.
Der Höcker ist bei Kühen namentlich oft nur schwach entwickelt, wie dies auch die nach einer Photographie angefertigte Abbildung (pag. 85) erkennen lässt. Auf derselben ist der Höcker nach Dr. Baumann auffallend stark entwickelt, derselbe ist sonst oft kaum wahrnehmbar. Nur in gutem Ernährungszustande befindliche Stiere zeigen ihn.
Die feinknochigen Extremitäten zeigen nur mässige Muskelentwicklung und besonders die sogenannte Hosenparthie erscheint auffallend leer.
[352] Am Brustkorb fallen die weiten Rippenzwischenräume auf. Das Euter der Kühe ist nur sehr mangelhaft entwickelt womit die äusserst geringe Milchergiebigkeit im Einklange steht.
Der charakteristischeste Theil des ganzen Thieres ist der selbst bei Kühen mit ungeheueren Hörnern versehene Kopf. Derselbe erscheint gegen die Schnauze zu schwach zugespitzt und zeigt eine mächtig entwickelte ziemlich breite Stirne, von welcher die gewaltigen Hörner ausgehen. Der Verlauf derselben ist zunächst nach seitwärts oben gerichtet, während die Spitzen nach rückwärts und gewöhnlich auch etwas nach innen gewendet endigen.
Nicht nur der Verlauf der Hörner, über welchen übrigens die Abbildung (pag. 239) die beste Auskunft giebt, sondern weit mehr noch ihre ungeheuere Dickenentwicklung bedingt das charakteristische Aussehen dieser Rinderrasse. Auch bei dem ungarischen Steppenrind findet man ja oft Hörner von nahezu 1 Meter Länge; stets bleiben diese jedoch verhältnissmässig dünn und schlank. Beim Watussi-Rinde hingegen beträgt der Umfang an der Hornbasis 40-50 cm. Diese charakteristische Beschaffenheit des Hornes findet man nur bei den in Abessinien und den Galla-Ländern verbreiteten Sanga- oder Senga-Rindern wieder, mit welchem das Watussi-Rind, wie speciell aus der weiter unten mitgetheilten vergleichend osteologischen Betrachtung seines Schädelgefüges hervorgeht, identisch ist.
Früher war man der Meinung, dass die reine grosshörnige Sanga[35]-Rasse nur in Abessinien und den Galla-Ländern vorkommt. Das grosse centralafrikanische Verbreitungsgebiet dieser Rasse erlangt daher besonderes Interesse, welches durch die von allen Reisenden beobachtete auffallende Aehnlichkeit erhöht wird, welche zwischen den Vieh züchtenden Watussi-Stämmen und den Abessiniern besteht.
Was die Hornentwicklung der echten abessinischen Sanga anbetrifft, welche ich des Vergleiches wegen anführe, so zeigt ein von Salt dem »Museum of the Surgeons« geschenktes Gehörn folgende Maasse:
An der Aussenseite gemessen Hornlänge |
118,0 cm |
Abstand der Spitzen von einander | 101,0 cm |
Hornumfang | 38,0 cm. |
Thiere mit besonders grossen Hörnern sollen speciell die südlich von Endesta wohnenden Galla züchten und Salt berichtet über ein Gehörn, welches bei 120 cm Länge 53 cm Umfang an der Basis besass. — Jerom Lobo erwähnt sogar eines Sanga-Hornes, welches 11 Liter fasste.
In Anbetracht der ganz eigenartigen, bei keiner anderen Rinderrasse wiederzufindenden Hornentwicklung des Sanga-Rindes kann es füglich nicht Wunder nehmen, wenn dieselbe von manchen Reisenden als die Folge eines Krankheitsprozesses angesehen wurde. — So behauptete z. B. Bruce (citirt nach Vasey) die grossen Hörner seien die Folge einer [353] durch die Weiden und das Klima bedingten, mit dem Tode des Thieres endigenden Krankheit. Nach dem Genannten treiben die Eingeborenen, welche die grossen Hörner sehr schätzen, jene Thiere, welche die ersten Symptome des Leidens zeigen, auf die besten und ruhigsten Weideplätze. Nichtsdestoweniger magerten dieselben allmählich derart ab, dass sie »kaum mehr Fleisch genug um ihre Knochen zu bedecken« besässen und schliesslich nicht mehr im Stande seien, den Kopf mit seinen gewichtigen Hörnern zu erheben, wonach sie endlich der Tod von ihren Leiden erlöse.
Dem früher bereits genannten Reisenden Salt, der die ersten Sanga in den Galla-Ländern sah, gebührt das Verdienst, die Unrichtigkeit dieser Behauptung festgestellt und bewiesen zu haben, dass die mächtige Hornentwicklung auf einem vollkommen normalen Vorgang beruhe und dieser Rasse eben eigenthümlich sei.
Immerhin wäre es eine äusserst interessante Aufgabe, an Ort und Stelle nach den Ursachen zu forschen, welche diese eigenartige, die Thiere entschieden häufig benachtheiligende Hornentwicklung veranlassen konnten, besonders, da wir sie als Folge künstlicher, von Seiten des Menschen ausgeübter Zuchtwahl nicht unbedingt ansehen dürfen, weil wir aus den Angaben Stanley's und Keller's wissen, dass die Hirten ihren Thieren in manchen Gegenden, wie in Nkole häufig die Hörner abbrennen oder stutzen, um ihnen ein leichteres Eindringen in die Dickichte zu ermöglichen. In den von Dr. Baumann besuchten Gebieten geschieht dies allerdings nirgends.
Der Schädel des Watussi-Rindes erscheint in Folge der stark entwickelten, allmählich in die mächtigen Hornzapfen übergehenden Stirne nach unten zu verschmälert. Zwischen dem stärker entwickelten Stirntheile und dem sich verschmälernden, schwächer entwickelten Gesichtstheile des Schädels besteht ein auffallender Unterschied. Von der Seite aus betrachtet (im Profil) erscheint der Schädel in Folge der gewölbten Stirnpartien schwach geramst.
Wenn wir mit den bei Betrachtung des Kopfes zu allererst in die Augen fallenden gewaltigen drehrunden Hornzapfen beginnen, welche dem Kopfe das charakteristische Aussehen verleihen, so wäre zu erwähnen, dass dieselben ohne eigentliche Stiele, vielmehr durch allmähliche Verjüngung der seitlich oberen Stirnpartien entstehen. — Tiefe, mächtig ausgeprägte Längsfurchen und zahlreiche Knochenwärzchen bedecken die Oberfläche der knöchernen Hornzapfen. Dennoch kommt es nicht zur Ausbildung jenes aus dichtgestellten Wärzchen bestehenden Kranzes an der Basis der Hörner, wie dies z. B. beim Bos primigenius (Thür) und seinen Abkömmlingen der Fall zu sein pflegt.
Die den knöchernen Hornzapfen entsprechenden, einen Meter Länge und darüber messenden Hornscheiden sind ebenfalls drehrund und mit Ausnahme der etwas dunkleren Spitze hornfarbig. — An dem vorliegenden Schädel zeigt die Hornsubstanz eine eigenthümlich faserige Beschaffenheit, ist rauh und besitzt die Neigung sich [354] auszufransen. Diese Hornbeschaffenheit kommt nach Dr. Baumann's Beobachtungen der ganzen Watussi-Rasse normaler Weise zu.
Der obere Rand des Stirnwulstes verläuft nicht etwa mehr weniger horizontal, oder aber dachförmig, wie bei den europäischen Rinderrassen, sondern halbmondförmig; derartig, dass die horizontal gemessene Zwischenhornlinie mit diesem oberen Rande des Stirnwulstes ein Segment bildet.
Der Stirnwulst selbst, am vorliegenden Schädel 6 cm hoch, zeigt stets eine überaus starke Entwicklung.
Die Stirnplatte ist schwach nach aussen vorgewölbt, weist jedoch sonst keine wesentlicheren Unebenheiten auf. Namentlich fehlt hier die für viele Rinderrassen so charakteristische Aushöhlung im unteren Theile der Stirnplatte zwischen den Augenhöhlen. Desgleichen findet sich auch nicht die leiseste Andeutung eines Stirnbeinkammes. Die convergirend verlaufenden Supraorbitalrinnen sind oberhalb der oberen Augenlinie tief eingegraben; von da an beginnen sie seichter zu werden und reichen, nur mehr schwach kenntlich, bis zum Thränenbein. — Mit der Hinterhauptfläche bildet die Stirnbeinfläche nahezu einen rechten Winkel.
Die Thränenbeine sind ziemlich breit und zeichnen sich durch den fast in einer Geraden verlaufenden Rand aus. Die untere mediane Spitze der Thränenbeine befindet sich nahezu in der Mitte der Nasenbeinlänge. An jenem Punkte, in welchem das Thränenbein, Stirnbein und Nasenbein zusammenstossen, findet sich eine kleine Knochenlücke. Der Bau der Thränenbeine ähnelt somit ganz entschieden dem der europäischen Brachyceros-Rassen.
Die an ihrem Ursprunge breiten Nasenbeine verjüngen sich allmählich und endigen mit je zwei ganz kurzen Spitzen. Die auf diese Weise am vorderen Rande der Nasenbeine entstehende Bucht ist daher nur sehr seicht. Im Gegensatze zu anderen Rinderrassen weist der laterale Rand beider, nur eine flache Rinne bildender Nasenbeine, etwa in der halben Länge eines jeden eine starke Einbuchtung auf. — Am Wangenbeine fällt die starke Entwicklung des ziemlich deutlichen, eine dreiseitige Pyramide bildenden Wangenhöckers auf. — Die Nasenäste der Zwischenkiefer sind, was das Verhältniss ihrer Entwicklung zu den übrigen Schädelknochen (namentlich zur Gesammtkopflänge) anbelangt, ähnlich geartet wie bei den typischen Rassen der europäischen Brachyceros-Gruppe; sie sind nämlich äusserst kurz und reichen nicht nur bis an die Nasenbeine heran, sondern endigen im vorliegenden Falle sogar 2,1 cm unterhalb des seitlichen Nasenbeinrandes.
[355] Die Augenhöhlen sind seitlich gestellt und ziemlich seicht; nie röhrenförmig. Die schmalen oberen Augenbögen liegen tiefer als der zwischen ihnen befindliche mittlere Theil des Stirnbeines. Legt man etwa in der Mitte der Augenbogengegend ein Stäbchen quer (senkrecht) zur Medianlinie des Schädels, so kommen die Augenbögen unter der so gebildeten Horizontalen zu liegen, d. h. wir finden in diesem Theile des Schädels ein ähnliches Verhältniss wieder, wie es für Bos primigenius und dessen reinblütigen Nachkommen, dem Steppenvieh, so charakteristisch ist.
Die Schläfengrube, am vorliegenden Schädel 5,5 cm tief, ist verhältnissmässig schmal. — Die Hinterhauptfläche ist ganz ähnlich wie bei den echten Primigenius-Rassen Europas verhältnissmässig niedrig; sie beträgt in Prozenten der Hinterhauptsenge ausgedrückt nur 106,8 pCt.
Der Unterkiefer, welcher ebenfalls grosse Bedeutung für die Lösung der Frage nach der Rassenzugehörigkeit gehabt hätte, stand leider nicht zur Verfügung, da er beim Transport zur Küste in Verlust gerathen war.
[356] Für die Bestimmung und Beurtheilung der Rinderrassen ist bekanntlich eine eingehende Betrachtung des Zahnbaues von grosser Wichtigkeit. Dieselbe ergiebt, dass wir es beim Watussi-Rinde mit einer sehr einfachen Bauart des Schmelzgerüstes und der Marken der Zähne zu thun haben. Der Verlauf der Buchten und die Form der Marken ist verhältnissmässig wenig komplicirt und erinnert merkwürdigerweise in manchen Stücken sehr an jene der Brachyceros-Gruppe. Wie dort so findet man auch hier die an der Medianseite der Oberkieferbackzähne befindliche grosse Schmelzfalte nur schwach entwickelt und von sehr einfachem Verlaufe. Am dritten (d. i. letzten) Molar-Zahn des Oberkiefers des vorliegenden Stierschädels ist diese Falte sogar vollkommen verschwunden. Dort, wo sich dieselbe sonst von der Medianseite des Zahnes ablöst, findet sich eine schmale, ziemlich tief nach dem Inneren des Zahnes zu sich erstreckende Bucht; in Folge dieser Einschnürung erscheint der ganze Zahn deutlich in eine vordere und hintere Hälfte getheilt.
Als besonders auffallend wäre hier ferner zu erwähnen, dass, wenn man afrikanische Rinderrassen zum Vergleiche herbeizieht, der Zahnbau des Watussi-Rindes am vollkommensten mit dem des schwachgehörnten oder ganz hornlosen Somali-Rindes übereinstimmt. Diese nicht zu übersehende Aehnlichkeit des Zahnbaues zwischen diesen beiden afrikanischen Rinderrassen ist deshalb so bemerkenswerth, weil dieselben sonst hinsichtlich des Körperbaues etc. so ungeheuer von einander verschieden sind.[36]
Aus den mitgetheilten charakteristischen osteologischen Verhältnissen ist mit Bestimmtheit zu ersehen, dass das Watussi-Rind dem abessinischen Sanga-Rinde nahe verwandt ist. Sehr auffallend ist hierbei die Thatsache, dass in inniger Mischung am Schädel solche Formen auftreten, welche für unsere europäischen grosshörnigen zur Primigenius-Gruppe gehörigen Rinderrassen charakteristisch sind neben anderen, welche wieder nur bei typischen Brachyceros-Rassen vorkommen. Während z. B. der Schädeltheil des Kopfskelettes fast vollkommen die Merkmale echter Primigenius-Rassen besitzt, finden wir am Gesichtstheile derselben und ferner an den Zähnen diejenigen der Brachyceros-Gruppe auftreten.
Nach den Erfahrungen Baumann's, Stanley's und anderer ist der wirthschaftliche Nutzen dieser Rinderrasse kein besonders grosser.
Das Fleisch des Watussi-Rindes schmeckt nach Baumann schlechter als das des ostafrikanischen Zebus und soll ein eigenthümliches, offenbar durch grobfaserigen Bau und Armuth an intermuskulärem Bindegewebe bedingtes, als »schlüpfrig« bezeichnetes Gefühl beim Kauen hervorrufen.
Hinsichtlich der Milchleistung lauten die Erfahrungen ebenfalls sehr ungünstig. Nach Baumann's Beobachtungen beträgt der durchschnittliche tägliche Milchertrag einer Kuh höchstens einen Liter; desgleichen [357] erwähnt auch Stanley, dass die Thiere namentlich in Anbetracht ihrer Grösse und der guten Weideverhältnisse nur recht wenig Milch liefern. Die Milch des Watussi-Rindes gilt jedoch für wohlschmeckender als jene der ebenfalls nicht viel besser melkenden ostafrikanischen Zebus.
Wie bei den meisten im halbwilden Zustande lebenden Rindern hält es auch bei dieser Rasse schwer, die Kühe zu melken, da dieselben unter gewöhnlichen Umständen die Milch zurückzuhalten pflegen. Nach Stanley pflegten Kavalli's Leute die Kühe in der Weise zu melken, dass sie den Thieren vorher die Hinterbeine zusammenbanden und das Kalb nach dem Kopfe der Mutter brachten.
Was die wirthschaftliche Leistung anbelangt, so hat es den Anschein, als ob fast alle mittelafrikanischen Rinderrassen mehr oder weniger ungünstig in dieser Beziehung sich verhielten. So erwähnt auch Schweinfurth[37] gelegentlich der Beschreibung des lang- und schlankhörnigen Buckelrindes der Dinkastämme, welches höchst wahrscheinlich ebenfalls in näheren Beziehungen zum Sangarinde stehen dürfte, die geradezu »miserablen« Milcherträge dieser Rasse, von denen die besten Kühe weniger Milch liefern, als bei uns mittelmässige Ziegen und ferner, dass zur Herstellung eines Pfundes Butter ganz erstaunliche Quantitäten von Milch nothwendig sind. Als ebenso interessant wie auch beachtungswerth erscheint hierbei die von Schweinfurth gemachte Bemerkung, wonach die trotz aller angewandten Sorgfalt und Pflege seitens der Dinka nicht zu verkennende Degeneration dieser Rasse theils eine Folge mangelnder Kreuzung, theils aber auch dessen sei, dass den Rindern niemals Kochsalz gereicht wird. Die von ihm selbst gemachte Erfahrung, nach welcher durch Kochsalzgaben den Thieren förmlich neues Leben und frische Kräfte eingeflösst und er hierdurch Kühe milchend und in gutem Ernährungszustande erhielt, sprechen wohl zu Gunsten der letzten Ansicht.
Als ein weiterer, für den Züchter höchst beachtenswerther Umstand muss endlich die relativ geringe Widerstandsfähigkeit des Watussi-Rindes gegenüber Schädlichkeiten klimatischer, wie auch anderer Natur hervorgehoben werden. Nimmt man das Watussi-Rind von seinen üppigen Hochweiden, so beginnt es zu kümmern und geht bald zu Grunde. In dieser Beziehung ist z. B. nach den Erfahrungen Baumann's, der Heerden sowohl des Watussi-Rindes, als auch des gewöhnlichen, kurzhörnigen ostafrikanischen Zeburindes auf seinen Reisen mit sich führte, letzteres ganz unvergleichlich widerstandsfähiger.
Dieser Umstand macht es erklärlich, dass überall dort, wo die Watussi-Stämme in engere Berührung mit Stämmen treten, welche das kleinere ostafrikanische Zebu züchten, dieselben theils freiwillig, theils unfreiwillig — wegen der die eigne Rasse in heftigerem Maasse [358] heimsuchenden Seuchen — zu ersterem übergehen. Unterstützt wird dieser Prozess des Verschwindens der Watussi-Rasse noch dadurch, dass bei Kreuzungen diese sonst so charakteristische Rasse nur schwache Durchschlagskraft besitzen soll.
So erklärt sich denn ziemlich einfach die Thatsache, warum die nördlich vom Victoria-Nyansa und bis zum Ostufer des Albert-Nyansa wohnenden Watussi-Stämme nicht mehr die echte alte Rasse besitzen, sondern ein Kreuzungsrind, innerhalb dessen nur ab und zu grosshörnige Individuen als Produkte atavistischer Vorgänge auftreten.
Wissen wir doch nach Baumann bestimmt, dass z. B. die vor wenigen Decennien erst in die Umgebung von Tabora gezogenen Watussi bei ihrer Ankunft ihre typische Rasse mit sich führten, während sie heute bereits aus den eben angeführten Gründen fast ausschliesslich im Besitze der gewöhnlichen ostafrikanischen Zebu sich befinden.
Was die Verbreitung des Watussi-Rindes anbelangt, so findet sich dasselbe überall in den sogenannten Wahuma-Staaten. Es reicht im Süden bis Ujiji und wird auf den Hochplateaus von Urundi, Ruanda, Ussui, Karagwe und Mpororo gehalten. Stuhlmann fand es am Süd- und Westufer des Albert-Edward-Sees; auch am Westufer des Albert-Sees ist es verbreitet. Von Uganda aus macht sich das Vordringen der grossbuckeligen ostafrikanischen Zebu-Rasse bemerkbar, welche in den Ländern des Zwischenseengebietes, also vor allem in Unyoro, immer mehr an Boden gewinnt und zur Entstehung verschiedener Kreuzungsprodukte mit dem Watussi-Rinde Veranlassung giebt. Unter diesen treten, wie schon erwähnt, grosshörnige Exemplare als Produkte atavistischer Vorgänge nur vereinzelt auf. Das allmähliche Verschwinden dieser weniger widerstandsfähigen Rasse ist daher nicht unwahrscheinlich.
Nach Aussage aller Reisenden ist das Watussi-Rind, das dem abessinischen Sanga so nahesteht, für die hamitischen Wahuma-Stämme charakteristisch, deren Abkunft ebenfalls aus den Gallaländern hergeleitet wird. Die Herkunft der Hamiten überhaupt ist jedoch aus sprachlichen und anthropologischen Gründen unbedingt aus Asien herzuleiten.
Wenn wir nun auch bezüglich dieser Frage unsere Zuflucht zur vergleichenden Beobachtung des afrikanischen und speciell des Sanga-Watussi-Rindes und der indischen Zeburassen nehmen, so ergiebt sich die Thatsache, dass eines der edelsten indischen Zeburinder, nämlich die sogenannte Götterrasse, einen Schädelbau besitzt, der in aller und jeder Beziehung mit dem des Watussi-Sanga-Rindes übereinstimmt. Die Hörner sind ebenfalls mächtig, wennschon sie nicht ganz jene ungewöhnlichen Dimensionen erreichen, wie bei so vielen Individuen der letztgenannten afrikanischen Rasse. So z. B. messen die Hörner einer solchen Götterkuh, deren Schädel mir durch die Freundlichkeit des Herrn Professor C. Keller zur Verfügung stand, immerhin 50 cm in der Länge und 24 cm im Umfange an der Basis. — Die Art des charakteristischen Schädelbaues im Allgemeinen und im [359] Speciellen und selbst der Hörner zeigten in jeder Beziehung die allergrösste, an Uebereinstimmung grenzende Aehnlichkeit mit dem des Watussi-Rindes, so dass trotz des als einzigen Unterschied zwischen beiden Rassen hervorzuhebenden etwas komplizirteren Zahnbaues beim indischen Zebu, die relativ nahe Verwandtschaft dieser Rinder unverkennbar ist.
Hieraus kann zwar nicht gefolgert werden, dass die Sanga-Rasse von jener erwähnten Varietät des indischen Zebus abstamme, sondern es ergiebt sich nur die Wahrscheinlichkeit, dass beide aus einer und derselben, früher verbreitet gewesenen Spielart ihren Ursprung nahmen und sich dann eventuell in Folge ähnlicher Daseinsbedingungen und sonstiger Umstände, trotz der sonst den Zebus im Allgemeinen zukommenden hochentwickelten Veränderungsfähigkeit, in ähnlicher Weise weiter entwickelten.
Wir wissen, dass das Wildrind, von welchem sämmtliche asiatischen Zeburassen abstammen, der Banteng, Bos soudaicus ist. Da in afrikanischer Erde bis zum heutigen Tage überhaupt keine fossilen Reste von Buckelrindern gefunden wurden (denn die in Algier aufgefundenen fossilen Rinderreste gehören dem Ur, Bos primigenius an, der mit der Gruppe der Höckerrinder in gar keinem Zusammenhange steht), so müssen wir uns zu der Annahme bequemen, dass die eben geschilderte Watussi-Rasse, sowie die afrikanischen Buckelochsen im Allgemeinen, ebenfalls vom asiatischen Banteng abstammen und von Asien aus erst nach Afrika gelangten.
Auch bezüglich dieser Frage sehen wir also völlige Uebereinstimmung herrschen zwischen den Folgerungen anthropologischer Forschung und den Resultaten der vergleichenden Hausthierkunde; beide weisen mit Bestimmtheit auf Asien hin als der ursprünglichen Heimath sowohl der hamitischen Hirtenvölker Centralafrika's, als auch der von ihnen gezüchteten Rinderrasse.
Von Prof. Dr. Zuckerkandl.
Mit 2 Tafeln (Tafel XXVI und XXVII).
Von den acht Schädeln sind fünf, No. 1-5 der Tabelle recent, No. 6 und 7 sind es nicht. Von den zwei Irakucranien konnte für anthropologische Zwecke nur der des Kindes verwerthet werden, da jener des Mannes in Folge von frühzeitiger Synostose der Pfeilnaht seine ursprüngliche Form eingebüsst hat.
Von den vier Watussi zeigen drei (No. 1-3) so ziemlich die gleiche Form; sie sind klein (siehe die Capacität), extrem dolichocephal und prognath, zwei auffallend chamaecephal, der dritte orthocephal, alle drei platyrrhin. Die Stirne ist niedrig und fliehend, ein Torus frontalis ziemlich gut ausgebildet. Der Nasenrücken ist schmal vorspringend und mit einer deutlichen sattelförmigen Vertiefung versehen, nur beim Kinde breit und flach. Der Zwischenkiefer zeigt eine schräge Lagerung. Der Unterkiefer, jener des Kindes ausgenommen, ist äusserst kräftig entwickelt, der aufsteigende Fortsatz von auffallender Breite, der Uebergang beider Aeste ineinander fast rechtwinklig. Die Prognathie der Unterkiefer gelangt in einer Vorbiegung des Alveolarfortsatzes im Bereiche der Schneide- und Eckzähne deutlich zum Ausdruck.
Die Profillinie des Gesichtes ist winkelig geknickt; es schneiden sich nämlich in der Mundregion die Profillinien des Ober- und des Unterkiefers unter einem stumpfen Winkel, dessen Knie nach vorne gerichtet ist. Die Mahlzähne sind kräftig und hinsichtlich der Zahl ihrer Höcker variant. Der vierte Watussischädel unterscheidet sich von den übrigen; er ist wohl auch dolichocephal, prognath, und chamaecephal, aber durch ungewöhnliche Grösse und Stärke ausgezeichnet. An dem durch besondere Länge auffallenden Gesichte tritt die Prognathie weniger hervor als an den anderen Watussischädeln.
TAFEL XXVI
TAFEL XXVII
Die zwei Massaicranien (No. 5 und 6 der Tabelle) sind nicht gleich geformt. No. 5 stimmt seiner ganzen Architektur nach mit den drei ersten Watussischädeln überein. Das Cranium ist extrem dolicho- [361] und chamaecephal, prognath, platyrrhin und chamäkonch. Seine Stirne ist niedrig und fliehend, der Torus frontalis gut ausgebildet, der Nasenrücken vorspringend und mit einer sattelförmigen Einschnürung versehen. Der Zwischenkiefer ist schräg gelagert und zu beiden Seiten der Spina nasalis inferior vertieft, der Unterkiefer sehr kräftig gebaut, sein aufsteigender Fortsatz ausnehmend breit, der Uebergang in den horizontalen Ast rechtwinklig. Der Aveolarfortsatz des Unterkiefers zeigt keine Prognathie, möglicherweise aus dem Grunde, weil die Alveolen der fehlenden Mittelschneidezähne verödet sind.
Dem anderen Massaischädel (No. 6 der Tabelle, Tafel XXVII) fehlt der Unterkiefer. Er ist dolicho-orthocephal, prognath, mesorrhin und hypsikonch. Die Prognathie fällt viel weniger auf, auch ist der Zwischenkiefer nicht schräg gelagert. Die Stirne ist gewölbt und senkrecht ansteigend, der Nasenrücken mässig vorspringend. Capacität beider Massaischädel gering.
Der Schädel des Irakukindes ist dolicho-orthocephal prognath, hyperplatyrrhin und hypsikonch. Die Stirne erscheint gut gewölbt, der Nasenrücken plattgedrückt, steil abfallend, der Zwischenkiefer schräg.
Resumé. Die geringe Anzahl der Cranien gestattet es nicht, sichere Schlüsse zu ziehen; ich beschränke mich deshalb auf nachstehende Bemerkungen: der Form nach stimmen die drei Watussischädel (1-3) und der Massaischädel No. 5 überein. Die Frage, ob diese vier Cranien dem Negerschädel an die Seite gestellt werden dürften, ist negativ zu beantworten. Watussischädel No. 4 und Massaischädel No. 5 weichen hinsichtlich ihrer Form von den vorigen wesentlich ab. Sie geben Typen wieder, wie solche auch bei uns angetroffen werden. Am meisten negerartig ist der Schädel des Irakukindes.
Herkunft, Geschlecht. | Watussi ♂ | Watussi ♂ | Watussi-Kind ♀ | Watussi ♂ | Massai ♂ | Massai ♂ | Iraku-Kind |
Hirnschädel | |||||||
Capacität | 1300 | 1250 | — | 1650 ap. |
1350 | 1240 | — |
Länge | 185 | 180 | 165 | 197 | 190 | 184 | 169 |
Breite | 129 | 131 | 114 | 143 | 139 | 125 | 124 |
Stirnbreite | 112 | 126 | — | 128 | 114 | 102 | — |
Höhe | 132 | 129 | 115 | 131 | 130 | 130 | 120 |
Ohrhöhe | 102 | 104 | — | 105 | 115 | 101 | — |
Länge Schädelbasis | 100 | 97 | 86 | 103 | 96 | 101 | — |
Horizontalumfang | 506 | 502 | — | 552 | 525 | 507 | — |
Sagittalumfang | 359 | 360 | — | 401 | 381 | — | — |
Querumfang | 283 | 292 | — | 305 | 307 | 284 | — |
Gesichtsschädel | |||||||
Gesichtsbreite | 94 | 96 | 77 | 108 | 98 | 94 | 85 |
Gesichtshöhe | 121 | 111 | 91 | 132 | 120 | — | — |
Obergesichtshöhe | 71 | 62 | 56 | 75 | — | 76 | 59 |
Jochbreite | 121 | 111 | 91 | 132 | 120 | — | — |
Höhe der Nase | 54 | 46 | 43 | 58 | 53 | 55 | 44 |
Breite der Nase | 28 | 25 | 22 | 29 | 28 | 26 | 28 |
Höhe der Orbita | 45 | 41 | 37 | 44 | 43 | 39 | 37 |
Breite der Orbita | 38 | 31 | 31 | 39 | 34 | 36 | 32 |
Profilwinkel | 79,5 | 80,0 | 73,0 | 75,0 | 67,5 | 77,0 | 81,5 |
Indices | |||||||
Längenbreiten- | 69,7 | 72,8 | 69,1 | 12,5 | 73,8 | 67,9 | 73,4 |
Längenhöhen- | 69,7 | 71,7 | 69,7 | 66,5 | 68,4 | 70,7 | 74,0 |
Nasen- | 51,9 | 54,3 | 51,2 | 50,0 | 52,8 | 47,3 | 63,6 |
Augenhöhlen- | 84,4 | 75,6 | 83,8 | 88,6 | 79,1 | 92,3 | 86,5 |
Von Dr. O. Baumann.
Da mir zu sprachlichen Studien nur wenig Zeit blieb, so beschränkte ich mich auf das Einsammeln kleiner Texte, die am ehesten geeignet sind, auf die linguistische Zugehörigkeit Licht zu werfen. Herr Prof. Dr. Leo Reinisch, welcher die Güte hatte, die Proben durchzusehen, konnte dieselbe auch in vielen Fällen vermuthen, nur die Sprache der Wassandaui bleibt unbestimmt. Leider konnten keine Interlinearversionen sondern nur Uebersetzungen erhalten werden, die jedoch ziemlich genau sein dürften. Als Orthographie wurde die Steer'sche Swahíli-Schreibart angewandt.
1 uáka, 2 sáre, 3 támu, 4 sía, 5 kówan, 6 láho, 7 faangu, 8 dagát, 9 gwelél, 10 míba, 11 miba na uáka, 20 miba sáre.
Anikáti íti abara dówale barashéa Wildniss kéra asagáto áw afúni law tóaw á lu afunisaa odegéti aniktíma mii degetíka sáw kakaáti anikusáa umfunilée tuáw obardokéra Dorf antekahár adabáradu nafunéï nahareróse funikaohe hare.
Ich verliess das Haus (Dorf?) ich ging in die Wildniss, ich erreichte die Wildniss, ich bekam Wild. Hier ist das Wild ich habe es getödtet, ich kehre ins Dorf zurück, ich komme um Leute zu suchen um das Fleisch zu tragen. Ich habe diese Leute. Ich ging mit ihnen in die Wildniss wir gingen und zerlegten das Wild. Wir binden es an Stöcke und tragen es ins Dorf.
Dagéï kahéma miti barashéa iláya íla íla birikaháw birikaawséa ilasare zwei Augen uáka bráséa ila iloáka barafuneï Wild adawagéMassai deru.
Ihr Jünglinge, wenn ihr in die Wildniss wandert, wandert mit zwei Augen, ein Auge in der Wildniss, ein Auge sehe nach dem Wild, denn die Wildniss hat Massai.
[364] Anikati iti ahare letoaw aduχethaa pnikatukharie ilimin kaseer alkalagwel galagwel dage hintikati itisaa nanairus babarus na mamarus kakutha barado babarus mothoχáki barahoato.
Ich ging aus und suchte eine Frau; ich will sie heirathen; ich habe sie geheirathet, ich habe sie zu mir gebracht. Sie wurde schwanger sie gebar einen Knaben und ihr Vater und ihre Mutter wollten sie herausnehmen damit sie dann wieder zu ihrem Mann zurückkehre.
nai Kind, adus Frau (Gattin), he uáka ein Mann, he usare zwei Männer, etie uaka ein Weib, etie isare zwei Weiber.
Geshómo ndatwa nigibwedubó nigibwa ldángan nigibwalugai kishómo ndátu nemiryó nigíngwa ldóngara tómon. Nikium mbelegénye nigiwo leibóni nelo leigwenáni ne leíbonenjore nerigiang ningiligwéna gedáa enossa ngiriesset sowatiFleisch. nelotusehr leigbonari nigibon neiwéri nigibwai edubó el mañgati lelegeréri nigiserian nigiraw nigishuañg neboleigedala neibono arangodjit nigibono abo njore nigiduvó suwati nigiserian nigivonuang nigingila genjore nigiriny gessajon nigiduvó nigisserian nigidogeigil nigisserián nigeingeláge namerwa io nigweri ldoñgana tikitam nigim belegänye nigivonuang nigivonueri ligedala nigivo lombogishi nigiduvó nigivonulang nigivo lguróto nigibwadubo nigisseryán nigivonuáñg nigisseryán nigivonuáñg nigivonuére erïe legedalak nigivo l'mossiko nigisseryan kituduvó nigivonuáñg nigivoneivér al mañgati lol donyo nyoki namirio nigingwa ldoñgana ldomon nivon airéa leigbonán nigivon abó gajo laibón nigivo aibonisho nigivon amerio evónu aingwa ldóñgana tikitam nigivon [365] ai lbelegenye nigivonai leigwenan nondábiro njóre nigiruk wawu nigibonjóre nigivon lmañgati lengewai nigibwaiduwó suvadi nigea ngishu atikitam haïp. Nigivo lborori ongwán nigibwara nigiar elborrú nigivonuai ngishu haïp niginaw ngishu ang nigivonuwai enossu ngiri nigíshai njóre alodoiviri lmañgati leïreri naladuvó naiengishe atómon nigivonuang neibere Súkuma naduró vai sovati neiangíshe atikitam neigelak Súkuma nalodod etóduve nerïu ngishuañg niginossa ngiri et elmorán etuduvoti neigelak ekéssajon málodod atóduve neie ngishu aumïet nigim belegénye neiwere leissanga nalodor duvé neiwéra lmañgati lenaguró neilotú etúduve neiwera lmañgati lossoïebus nálodor etuduve neia ngishu aongwan neiwére lmañgati lolduléta nalotu etoduve naia ngishu áre nesserian nigivónulang nigivonu dabaigyang nálotu eitoniyang nálotu etonáng olmúruo námisho nárigu ngoroyon neilodu vaiáng nigivóduvai otoreti yang ata olmóruo mãmishu wai.
Sie gingen in den Krieg nach Ndatwa (bei Umbugwe?) und wurden geschlagen es blieben vier Mann.
Sie kehrten heim und gingen zum Leibon (Zauberer). Als der Anführer (leigwenán) hinkam, trug er viel Laub am Kopf. Als er hinkam sagte er (der Zauberer) esset Fleisch sehr. Nachdem sie gegessen zogen sie aus gegen Lelegereri; sie trieben die Rinder heim und schickten einen Mann aus, sie gingen und kehrten glücklich zurück.
Sie gingen nach Gessajon und kämpften; es fielen 20 Mann sie kehrten zurück und heim.
Sie beriethen, sie schickten einen Mann aus. Sie gingen nach Lombogishi, sie bekamen und kehrten heim. Sie gingen nach Lguroto und bekamen.
Sie beriethen: gehen wir nach Mossiko sie bekamen und kehrten heim. Sie kehrten auch vom Kriege beim Donyo Nyoki zurück, sie wurden geschlagen und es fielen 10 Mann. Sie fragten den Anführer um Rath, er sagte, ich gehe zum Leibon. Sie kamen und liessen 20 Mann und kehrten zurück. Sie beriethen mit dem Anführer, sie gingen und erreichten Lengewai. Sie bekamen sehr viel, jedermann bekam 20 Rinder. Ungeheuer! (100 haïp).
Es gingen 400 Mann, sie kämpften unter einander, einige kehrten um und bekämpften Elborru; sie assen Fleisch.
Sie gingen andererseits sofort nach Leïreri, sie bekamen jeder 10 Rinder; heimgekehrt zogen sie nach Usukuma, sie bekamen je 20 Rinder, sie bekamen, sie trieben sie in ihre Dörfer, sie assen Rindfleisch; die Krieger zogen gleich nach Kessajon. Sie schlugen glücklich, jeder bekam 5 Rinder; als sie kamen blieben sie nicht, sondern zogen gegen Leïsanga. Als sie kamen zogen sie aus gegen El Naguro, sie bekamen und zogen gegen Soïebus, sie bekamen jeder vier Rinder, sie zogen gegen Lolduleta, jeder bekam zwei Rinder. Sie kehrten glücklich heim und blieben im Dorf. Sie heiratheten eine Frau, sie holten sie und führten sie heim, sie wurden ansässig, sie wurden alte Leute mit ihren Weibern.
aïshwa, aishwadā aidiwa.
Zufrieden: Ende.
Loye óba kihoménjore kira móron leloto nigiriaba nigiár ltongana tikitam werewegyar nigia ngishu tikitam matosho mahómmo memolgos.
Als ich ausging und ein junger Krieger war, gingen wir und beriethen, wir gingen und tödteten 20 Mann, als sie getödtet, bekamen wir 20 Rinder, wir trieben sie und gingen um auszuruhen.
Loye mátam maysholtómana evualiki mdóngana euo njore edúruga emúta bawa emúta loye ewenjore nesseryan etúduwe.
Auf! Geht voraus, einer gehe voran, er gehe bis ins Dorf und sage, die Razzia kommt. Auf! Die Razzia ist glücklich zurückgekommen und hat bekommen.
Kawaizagät gobara hobrjét goagossaréna wanyék asa gwátago, kwasagäta góbara mwásita singiét gobára singiét, gobara dara wéda gobara ghait, góbara saramadet gedyak sit akóa kosaréna wanyég gwata wanyega gwátago gevarindiai gosarena ko-ou.
Ich verliess das Dorf ich tödtete ein Nashorn, tragen wir das Fleisch ins Dorf. Ich tödtete einen Elephanten in der Wildniss, ich tödtete einen Büffel, ein Zebra eine Antilope (kisw. swara) eine Giraffe, eine Antilope (kisw. sigiro); ich schicke einen Mann ins Dorf, dass er gehe und Leute rufe um das Fleisch zu holen, sie sind gekommen.
Komaijenaweda washwasht Tatoga áhou kaminaw washwasht tagushéla gobalejalúda Tatoga wamadedáhaw walejaboga madaχ bunededábyar gonyeres ababoganyaw kidubógasa Mtinginya lugudKrieg goshäla worjed hamnejaluda gushäla gwa wárabu ed jalur amanda washwasht damenda gushälla geyusanga shegañg.
Sie (Sagiro und Mtinginya) stritten sich wegen des Weges. Die Tatoga tödteten seine Leute in ihrer Bosheit, er erzürnte, er ging aus Mtinginya um Krieg zu bringen. Jetzt haben die Tatoga keine Bosheit mehr. Sie sind durch Hunger zu Grunde gegangen. Dir (dem Europäer) steht das Wort zu.
1 aki, 2 iyeni, 3 samak, 4 angwan, 5 mut, 6 lla, 7 sukwa, 8 sis, 9 segäs, 10 taman, 11 tamanaki, 20 tikitam.
1 napu, 2 ennya, 3 uni, 4 ongwan, 5 mot, 6 lei, 7 oner, 8 sissie, 9 naudó, 10 gaget, 15 gaget aχ mot, 20 tegenos, 30 tegenos aχ gaget.
Ehorra evehóssore eméta emehoréta imidátene evoharyét engírie koraá engátena háho panawádaga gigu utie kiutïe Zebra leïdos moo egiténaha hamúmia enoloïdugo nadodoivire kodonuha.
Wir gingen aus und trugen unsere Pfeile und Bogen und Köcher. Wir gingen bis zu einem Baume und blieben. Wir machten eine Einzäunung und liessen 2 Mann dort zurück; wir sahen Zebras. Hier gingen 10 Mann, dort 10 Mann, und umgingen das Wild. Die Zebra waren darin und wurden getödtet.
Nagenavéna kavendá gawédia totowó kióno kinávesik kiono kinevésse tégenos kisilie kópowa hádanyen kópowa damaréta hádanyen kópowa damaréta daveïe, daveïe kaldeni kanda kinavésse ártam.
Wir gingen kämpfen, bekamen Rinder, tödteten 20 Mann. Als wir ins Dorf kamen gaben wir 10 Rinder dem Zauberdoktor.
kinavéta napó
ein Rind.
1 ajyed, 2 arío, 3 adék, 4 angwan, 5 abíd, 6 audyéd, 7 abirío, 8 abóro, 9 abúngwan, 10 apáre, 11 aparéko ajyed, 20 pirarío.
di el ma dópi
ami di (o) el pi
pi
die Ziege trinkt Wasser.
ich gebe der Ziege Wasser.
Wasser.
Adidororingo mondagó ongúkwan ngwango kuruadugó leongetimBusch kwambinomanapájo waod aχ moth kíni kenderópio ondoáduar kumabúr koangwan obíro kángo koanongwan nidetim kwarumachaübermorgen wáwiro nyóchaneno wadióngo kwanángwan kenyasai angokwatam kwanángwan kwabiropájo oromékare wárito daladék etim nichim odwaró wagójo ajyét odómuga kwadalyejElephanten korwaduogo.
Gehen wir jagen um etwas zu erlegen. Wenn wir nichts bekommen kehren wir um. Es ist ein Wild im Busch. Wenn wir erlegt haben, werden wir müde sein, sei gegrüsst (wir lagern). Morgen gehen wir dann wieder suchen; wir suchen weit, wenn wir erlegen, werden wir zurückkehren, wenn nicht werden wir im Busch schlafen, übermorgen kehren wir um. Vorgestern haben wir nichts erlegt, obwohl wir vier Tage schliefen. Gott wird geben. Wenn wir erlegen kehren wir heim. Schluss. Wir warten drei Tage im Busch, morgens schiessen sie ein Nashorn, einen Büffel, einen Elephanten, wir kehren heim.
Utikóbiro kurupénjo aj watikónego durutim nobetepácho uchám kwa kodómbogaKürbis uakérolingo udurukado jomofobed pacho ojomalyeg okerolingo nyassai chinyotang únwan.
Wir haben erlegt, fragt ihr uns darüber aus? Wir haben Wild erlegt, es liegt im Busch, bleibt ihr im Dorf? Ihr esst nur Brei und Kürbis, wir haben Fleisch gebracht. Jetzt wollt ihr Fleischspeisen? Ihr Narren bleibt im Dorf. Wir sind Verständige, wir haben Wild erlegt, Gott hat es gegeben.
1 tzeχe, 2 kisoχe, 3 somekeχ, 4 hakaχ, 5 kwanaχ, 6 dandatzeχe, 7 dandakisoχe, 8 dandasomekeχ, 9 dandahakaχ, 10 dandakum, 11 dandakum na tzeχe, 20 kumi kisoχe.
! motho tzeχe
! motho kisoχe
! motho mantha
tamisi deīa
tzā tză tzewa
etzā tză evatze
! methe ala thawe
! methe ala χa
! methe lathména ziduguy
tzagu kuninkui kuχanté ematza
tzahe hui
tzavete koχanté
taki matza tzētzē
ein Mann.
zwei Männer.
der Mann isst.
viele Frauen (tamisi Frau).
die Ziege trinkt Wasser.
ich gebe der Ziege zu trinken.
dieser Mann ist gut.
dieser Mann ist schlecht.
der Mann liebt seinen Bruder.
ich koche Essen und esse.
wer ist der Besitzer dieser Ziege?
ich will essen.
ich werde nur Wasser trinken.
Tzekana, siki kisusu sumkisunze tza kuna !ti tazanunga !ti tamezu mkula niunatikā pumatzā sokia pera esotō moko putumane suzaga tzunga !ti ngoko putumane !akun !aku.
Wir gingen zwei Mann, drei Mann, wir kehrten zurück. Ich sah die Frau. Ich bin zurückgekehrt, ich esse; die Kinder sind gesund. Wir mahlen Getreide, Du bist zurückgekehrt.
Tzougwa !ninkho é !aunoχe tzekatzoχe ninkha kwaw zektzoñg a !ti !oχẽ.
Ich schoss einen Büffel in der Steppe, ich bringe das Fleisch ich komme in das Dorf.
!ni
!anoχe
tzekatzoχe
Wild.
tragen.
komme von der Wildniss.
Hangawniziehen aus angitreffen !senonizusammen hangkuni !aki hungihomasie kämpfen tangimuosie fliehen tangikwa wir sind geschlagen. bagribe gribá.
Wir ziehen aus, treffen (mit dem Gegner) zusammen. Sie kämpfen, sie fliehen. Wir sind geschlagen worden.
[369] Tzakon !o kambógo kótoa erénde !nin kwewesa ewe wákwaHolz kwi !oa (evesi-i) !inkweFeuer !keweanmachen (evesi-i) niñgatassatt sein !eve niñgatasa eve tzake !ninke venuage χantéBrei mekentogeKochlöffel !ame (evesi-i) asisun tweaUntergang (evesi-i) neea aki veronaausziehen niō veronii !ima povereñg kamberoLager !nati ataka tzágnunigehen wir heim ankong tzakon !oe.
Wir machen einen Zaun. Jetzt macht Feuer um zu schlafen. Bringt Holz (kwa) wir sind satt, der Topf ist am Feuer. Kocht Brei mit dem Kochlöffel; (mekento) die Sonne geht unter.
!anko evesse vakwa mosobi-i ngwa hukwa !!sou vesi-i !mesetzo !!se tankigo giriba na giribā !akun !nati nuku χanté omantzaa tameze o aχanté omantzā a !tamego a !tamo. —
Wir kämpfen, wir haben einen Mann getödtet. Er ist durch den Pfeil (sobii) verwundet. Wir bringen ihn, aber er ist krank. Wir sind geworfen, verfolgt worden. Weiber kocht Essen. Wir sind satt, gehen wir nach unseren Gefährten und sehen, vielleicht ist einer verwundet.
Osano nange henakono osanon !ē tamezuχ sē !neapo tzakonotu.
Wir haben geackert. Wir gehen mit den Weibern. Gehen wir hinaus arbeiten.
Name | Ort der Anwerbung | Rang | Anmerkung |
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Pangani | 1. Mnyapara | |
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" | 2. Mnyapara | |
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Mtangata | Massai-Dolmetsch |
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Sansibar | Swahíli-Ombascha | |
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Massaua | Sudanesen-Ombascha |
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" | Sudan.-Soldat |
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Massaua | Sudan.-Soldat |
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Aden | " |
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" | Arabischer Kameeltreiber |
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Bagamoyo | Swahíli-Askari und Koch |
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Tanga | Swahíli-Askari u. Schuster | |
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" | Swahíli-Askari | |
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" | Swahíli-Askari und Schneider | |
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" | Swahíli-Askari | |
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" | Swahíli-Askari und Schreiber | |
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Mtangata | Swahíli- Askari und Fahnentr. |
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Tanga | Swahíli-Askari | |
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Bagamoyo | " |
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Mtangata | Swahíli-Askari und Fahnentr. | |
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Tanga | Swahíli- Askari |
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Pangani | Ruga-Ruga | |
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Bagamoyo | " | [372] |
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Tanga | " | |
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Pangani | " | |
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Sansibar | " | |
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Pangani | " | |
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Tanga | Ruga-Ruga und Büchsenmacher | |
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" | Ruga-Ruga | |
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Pangani | Ruga-Ruga und Hirt | |
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Aruscha | Aeltester der Massai-hirten |
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Bagamoyo | Träger |
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Bagamoyo | Träger[373] |
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Tanga | Träger | [374] |
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Pangani | " |
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Pangani | Träger[375] |
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Tanga | " | |
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Mtangata | " | |
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Pangani | Träger | [376] |
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Mtangata | " |
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Pangani | Trommler | |
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Tanga | Hornist | |
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Mwansa | Diener |
Ausser den Genannten, dem Stande der Expedition angehörigen Leuten, hielten sich stets zahlreiche Freiwillige (Elephantenjäger und Wanyamwesi) bei derselben auf. Der Lohn war
für | den | 1. Mnyapara | Rps. | 25 |
" | " | 2. Mnyapara | " | 16 |
" | " | Massai-Dolmetsch | " | 25 |
" | " | Sudanesen-Ombascha | " | 16 |
" | " | Swahíli-Ombascha | " | 16 |
" | die | Sudanesen-Soldaten | " | 15 |
" | " | Swahíli-Soldaten | " | 12 |
" | " | Ruga-Ruga und Träger | " | 10 per Mann und Monat. |
Ausserdem hatte jeder Mann Anspruch auf Verpflegung in natura und erhielt auf Verlangen Vorschuss in Tauschwaaren, so weit der Vorrath reichte. Vorschüsse in Zeug wurden den Leuten berechnet
am | Kilimanjaro | die | Gora | Merikani | Bombay | Rps. | 10 |
in | Irangi | " | " | " | " | " | 10 |
" | Tabora | " | " | " | " | " | 10 |
am | Victoria-See | " | " | " | " | " | 18 |
" | Tanganyika | " | " | " | " | " | 22 |
Vorschüsse in anderen Zeugarten wurden im Verhältniss zu diesen Sätzen ausgegeben, welche dem Landesgebrauch entsprachen und die Leute vollkommen zufriedenstellten.
Die Gesammtkosten der Expedition beliefen sich auf rund Mk. 80000.
Ein † kennzeichnet die Abhandlungen, welche Angaben oder Beiträge zur Fauna des Tanganyika-Sees enthalten.
Gedruckt bei OTTO ELSNER, Berlin S.,
Oranienstrasse 58.
Durch ein Versehen des Herrn Dr. Hassenstein wurden dem Autor keine Korrekturabzüge der Farbenplatten der Karte zugesandt, wodurch einige störende Fehler stehen geblieben sind. Dieselben werden nachfolgend richtig gestellt:
Auf der ethnographischen Skizze, Zeichenerklärung, sind die »Bantu mit nordsüdlicher Wandertendenz« mit grünem Ton, die »mit südnördlicher Wandertendenz« mit blau schraffirtem Ton statt umgekehrt zu lesen. Auf derselben Skizze ist die Landschaft Burunge mit dem Ton der »Hamiten mit hamitischer Sprache«, also roth punktirt, zu bezeichnen. Auf dem geologischen Karton ist das Alluvium des Wembere-Grabens auf die Sohle dieses Grabens zu beschränken, und nördlich vom Manyara-See eine kleine Kalkzone anzubringen.
Dr. Oscar Baumann.
KARTE
DES
FORSCHUNGSGEBIETES DER MASSAI-EXPEDITION
DES
DEUTSCHEN ANTISKLAVEREI-KOMITE
Nach den Original-Aufnahmen von
Dr. OSCAR BAUMANN
reduziert von Dr. Bruno Hassenstein
Maßstab 1 : 500.000