Title: 500 Schwänke
Author: Roda Roda
Illustrator: Walter Trier
Albert Weisgerber
Release date: June 8, 2023 [eBook #70945]
Language: German
Original publication: Germany: Dr. Eysler & Co. A. G
Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net
Anmerkungen zur Transkription
Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1922 so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke sowie Passagen in Dialekt bleiben ebenfalls unkorrigiert.
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500 Schwänke
Roda Roda
Umschlag von A. Weisgerber
Karikatur von Walter Trier
19. bis 24. Auflage
Dr. Eysler & Co. A. G., Berlin
Alle Rechte vorbehalten!
Copyright 1922 by Dr. Eysler & Co. A. G., Berlin.
Druck: Dr. Eysler & Co. A. G., Berlin.
Paul Busson
gewidmet
Die Karikatur ist den Lustigen Blättern entnommen
[S. 7]
hat man mich am 13. April 1872 geboren. Nur das Monokel ist etwas später hinzugekommen.
Meine Bildung, soweit von Bildung die Rede sein kann, verdanke ich dem Gymnasium zu Ungarisch-Hradisch. Doch bekam ich, als ich dreizehn Jahre alt war, eine Gouvernante —[S. 8] die bot mir manche Aufklärung, besonders auf biologischem Gebiet.
Anfangs wollt ich mich der Landwirtschaft widmen. Auch mein Vater war Agrarier gewesen — doch im vergeblichen Kampf mit dem Klima hatte er den Glauben an Gott verloren. Infolgedessen erbte ich nur etwas Uhrkette von ihm — die konservativ-patriotische Gesinnung der Landwirte hingegen in so homöopathischer Verdünnung, daß ichs mit ihr kaum elf Jahre beim Militär aushielt.
1901 verließ ich die Armee. Über meine Lebensführung in den folgenden vier Jahren verweigere ich die Aussage.
1905 etablierte ich mich in München als Schriftsteller.
Ich darf mich rühmen, ein selfmade-man zu sein; klomm den mühsamen Pfad der Lyrik hinan — bis es mir gelang, eines Julinachmittags 1906 sechsundvierzig Schüttelreime zu dichten. Dadurch gelangte ich zu einigem Wohlstand. Doch ich verpraßte das Geld nicht, das mir so in den Schoß gefallen war, sondern kaufte dafür ein ausgemustertes Pferd der Königlich Bayerischen Post. Bald konnte ich einen wohlfeilen Göpel erstehen und bespannte ihn mit meinem Pferdchen. Es hieß Sophie. Tagaus, tagein trottete Sophie im Hof rund um den Göpel; ein[S. 9] Transmissionsriemen reichte von unten in meine Stube und trieb hier sechs Schreibmaschinen.
Die Jahreswende 1907 machte Epoche in meinem Leben. Ich erwarb eine kleine Wasserkraft und verkaufte das Pferd an den Hofcharcutier Deininger. Gleichzeitig trat ich in das Alter der Geschlechtsreife und schrieb meinen Entwicklungsroman. Er hatte viel Erfolg. Schon 1908 konnte ich einen Explosionsmotor einstellen und sechs neue Schreibmaschinen mit automatischer Verstabulatur.
Seitdem dichte ich meistens dramatisch, wenigstens vormittags. Zum zweiten Frühstück verfasse ich gern eine Erholungsballade — seis über Konradin, den letzten Hohenstaufen, seis über Cesare Borgia oder König Etzel.
Die Zeit von eins bis fünf ist dem Humor geweiht. Auf dem Weg ins Café Stephanie lasse ich mich von einer jungen Dame begleiten, die neben mir hergaloppiert und meine Gedankensplitter aufzeichnet. Einer oder der andre erweist sich als mißlungen; den werfen wir dann weg.
Von sechs bis sieben plagiiere ich, dann schimpfe ich ein Stündchen über meine Verwandten.
Um acht halte ich meine Hauptmahlzeit — kalter Aufschnitt, den ich aus Pietät von Deininger beziehe. In der Verdauungspause diktiere ich eine feinpsychologische Novelle. Grade in[S. 10] der Annaliese der Frauenseele glaube ich es zu einiger Meisterschaft gebracht zu haben.
So verbringe ich meine Tage. Auf den Nobelpreis aspiriere ich nicht; ich sehe ein, daß da mein Talent ein unüberwindliches Hindernis bildet. Doch ich hoffe, daß es mir gelingen wird, noch zu Lebzeiten in Breslau anerkannt zu werden; ein Schicksal, das bisher keinem Dichter beschieden war.
Roda Roda
500 Schwänke
[S. 13]
Willem Reibetanz hatte eine Farm bei Windhuk und wollte gern auch eine Frau. Er gab ein Inserat ins Hamburger Echo auf.
Es kam zu einem Briefwechsel mit Lina und Käthe Tiedemann. Zuerst zum Spaß und dann im Ernst. Eines Tages reiste Lina zu ihrem Bräutigam nach Windhuk ab.
Lange warteten die Eltern auf eine Hochzeitskunde.
Endlich kam ein Kabel:
„lina ankam gestorbenem zustande verweigere annahme sendet kaethe.“
Wir zogen aus dem Wiener Rathauskeller heim — eine ganze Karawane, unbändig aufgelegt — und brüllten in die stille Nacht.
Da kam teufelswild ein Schutzmann auf uns zu und schrie: wir wären verhaftet.
Meine Kusine antwortete:
„Edite, bibite, collegiales ...!“
„Verzeihung,“ stammelte der Schutzmann, „Verzeihung! Die Herrschaften saan Ausländer.“
[S. 14]
Als Lütkes heirateten — Herrgott, war das eine Traurede!
„Aejje die Braautlojte in den haajligen Stand der Aejje träten ...“ — so fing die Rede an und floß unaufhaltsam fort — eine deutsche Meile. Immerzu von der Braut, die der Pastor getaauft, erzoogen und konfirmiirt hatte.
Dann eine kleine Abschweifung zum Bräutigam.
„Ond non, liebe Christen,“ sprach er, „kehren wir zorüück zo der so oft berührten Braaut ...“
Der Pfarrer kam zu armen Leuten.
„Eure Tochter ist doch hoffentlich brav und sittsam?“
„Naa, naa, Hochwürden — dazu reicht’s bei uns nöt.“
„Wer ist denn die Dame dort, die immer herüberblickt?“
„Meine Kusine.“
„So? Na, für eine Base sieht die Dame Sie aber merkwürdig unverwandt an.“
[S. 15]
„Nichts,“ sagte Komteßchen, „ärgert mich so sehr an der Unfreiheit meiner Mädchenjahre wie das Verbot, ein Varieté zu besuchen. Alle Welt geht ins Varieté — alle Welt redet davon — und ich kann mir nicht einmal im Entferntesten vorstellen, wie es dort aussehen mag.“
„Komteßchen — Varieté, das ist sehr einfach: oben quält ein Kerl wundervoll kluge Hunde, unten schreien die Leute: ‚Bravo‘, und die Musik spielt ‚Deutsche Wacht auf Helgoland‘.“
Der kleine Karl blättert im Modejournal.
„Sieh nur Mama, was für lange Beine jetzt modern sind!“
In Agram war ein Beamter der Landesregierung verurteilt worden und kam ins Zuchthaus nach Lepoglawa.
Er sollte sich eine Beschäftigung nach seinen Neigungen wählen.
„Wissen S’,“ sagte er, „am liebsten tu i halt alleweil regieren.“
[S. 16]
Mein Freund Kurz, der Architekt, wurde nach Tirol berufen — da hatte ein Berliner Kommerzienrat ein Schloß gekauft und wollte sichs einrichten lassen.
Am meisten Kopfzerbrechen machten dem Berliner die Wappen über den Türen. Die fremden Wappen verletzten seinen Besitzerstolz — ein eignes Wappen hatte er nicht — und leer konnten die Stellen auch nicht bleiben.
„Wie wärs,“ sagte Kurz, „wenn wir Ihre werten Initialen hinsetzten?“
„Aber Herr Architekt — ich heiße doch Walter Cohn.“
Auch die Frau hat ihre Flegeljahre: wenn ihre Tochter geheiratet hat.
„Was fehlt Ihnen?“
„Hinterm Ohr bin ich halt aufgekratzt, Herr Doktor.“
„Aber, Mann, das ist ja schrecklich! Wovon haben Sie denn das?“
„Halt von die schlechten Zeiten, Herr Doktor.“
[S. 17]
Wir fanden uns nach zehn Jahren zusammen, wir Abiturienten des Piaristengymnasiums. So wills ein alter Brauch.
Empfang, Festkommers; am nächsten Morgen Messe und Besuch der Schulräume.
Im Lehrerzimmer legte uns der Direktor das Goldne Buch der Mutteranstalt vor. Wir sollten einen klassischen Spruch einschreiben und unsre Namen.
Man einigte sich auf:
„Wir lernen nicht für die Schule, sondern fürs Leben.“
Doch keiner konnt es ins Lateinische übersetzen.
„Wirst du mir immer treu bleiben, Isidor?“
„Bin ich en Prophet, Geliebte?“
„Deine Braut hat ja fabelhafte Erfolge im Kunsthandwerk. Sie soll auf der Ausstellung einen Topf für dreißig Mark verkauft haben?“
„Erst nach der Verlobung. Ursprünglich hatte ich gar nicht beabsichtigt, eine Geldheirat zu machen.“
[S. 18]
Mein Freund Röhren, Ende der Fünfzig, hat ein siebzehnjähriges Mädel geheiratet.
Aber hübsch, das muß ich sagen. Ich hätt ihm so viel Geschmack nicht zugetraut.
Ich begegnete Röhrens fünf Wochen nach der Hochzeit.
„Na, Gnädigste ...“ begann ich ...
Er vermutete wohl, ich würde was Unanständiges sagen, und flüsterte mir rasch zu:
„Um Himmels willen — elle ne sait rien.“
„Guten Tag, Herr Meier!“
„Oh! Loben Sie den Tag nicht vor dem Abend!“
Wie wichtig doch alles war, was auf dem Balkan passierte!
Einmal, während der Wiener Delegationssitzungen, erhielt der Minister Kallay folgende Depesche:
„Gatzko in der Herzegowina.
Dem Jowan sind zwei Ochsen gestohlen worden. Was wird Europa dazu sagen?“
[S. 19]
Sagt man „que voulez-vous de cela“ oder „— pour cela“?
Als jeder anders entschied, suchten wir die Grammatik. — Nirgends zu finden.
Zum Glück wohnt eine französische Lehrerin im zweiten Stock — die will ich um eine Grammatik bitten.
Sie hatte keine.
„Denn,“ sprach sie mit bezauberndem Lächeln, „— ick hunterrichten nur Erren.“
„Was mir meine Söhne für Sorgen machen! Gleich möcht ich den Jakob drum geben, wenn ich nur den Gustav und Moritz nit hätt.“
Herr v. Mollnow kommt in die Buchhandlung und verlangt einen Globus.
Der Buchhändler bringt einen, zwei, sieben — sechzehn.
„Zu groß. Alles zu groß,“ sagt Herr v. Mollnow. „Ich möchte einen Globus, wo Astpreißen allein drauf is.“
[S. 20]
Wir haben Gäste bekommen — und Kathis, unsres Stubenmädchens gute Schürzen sind in der Wäsche.
„So nehmen Sie doch eins von den Zierhandtüchern vor!“ sagt meine Frau.
Kathi bringt die Suppe. Anstelle der Schürze trägt sie ein Handtuch mit der Aufschrift:
„Sag, Oskar — was wünschst du dir zum Geburtstag?“
„Das Skelett deiner Mama.“
„Hohorohoho! Rororohoho!“ dröhnte es vor dem Tor.
Ich schickte den Liftboy hinaus: man möchte die Hengste wegführen, sie störten mich durch ihr Gewieher.
Er kam zurück.
„Verzeihen,“ sagte er, „das sind die beiden Herren Gutsbesitzer aus Mecklenburg. Sie lächeln.“
[S. 21]
Mein Freund Pflanz, der berühmte Übersetzer, ist eben kolossal beschäftigt: er übersetzt Strindberg für einen Leipziger Verleger und Oskar Wilde für Berlin.
Leider kam gestern sein Töchterchen aus, geriet ins Arbeitszimmer und riß die Titelblätter von den Büchern.
Der arme Pflanz ist totunglücklich. Er ist nicht mehr imstande, festzustellen, welches Strindberg ist und welches Oskar Wilde.
Die Zweckmäßigkeit der Naturanordnungen äußert sich oft in den kleinsten Dingen. Wie weise, zum Beispiel, daß die Geruchsorgane nicht in den Unterleib verlegt sind!
Doktor Massek hat ein populäres Buch geschrieben. Nun kündigt der Verleger es an:
[S. 22]
Ich wußte nichts Rechtes zu beginnen.
Da sagte mir Mr. Parson:
„Wir in Amerika sind so weit, daß wir keinen Menschen auf den ungünstigen Platz stellen, und niemand braucht bei uns nachzudenken, welchen Beruf er ergreifen soll. Wir haben das Vokations-Bureau.“
„?“
„Ein Bureau zur Prüfung der individuellen Fähigkeiten. Eine Reihe von tüchtigen Psychologen prüft den Bewerber, stellt Übungen an — und die Art, wie er auf Fragen und Reizworte reagiert, die Form, in der er Gedankengänge entwickelt und Assoziationen knüpft — das alles gibt den Psychologen Anhaltspunkte für die Beurteilung des Bewerbers. Man stellt dem Beobachteten einen Schein aus, der das Ergebnis der Versuche auf eine knappe Formel bringt — und damit ist die Zahl jener Berufe abgegrenzt, die für den Bewerber in Betracht kommen; für die er begabt ist.“
Ich ließ mich im Vokations-Bureau untersuchen.
Mein Zeugnis lautete:
„Mädchenhändler.“
[S. 23]
Einer der stimmungsvollsten Abende, deren ich mich entsinne: der Vorabend des siebzigsten Geburtstags Onkel Theobalds.
Nachmittag hatte man den alten Herrn unter irgendeinem Vorwand aus dem Haus gelockt, die Nichten schmückten die Räume mit Tannengewinden. Die Familie versammelte sich im Salon. Auf dem Tisch waren die Geschenke aufgebaut.
Als Onkel Theobald ahnungslos seine Wohnung betrat, erkannte er sie nicht wieder: Licht, Glanz und Blumen überall. Edith und Marga spielten vierhändig Onkels Lieblingsstück, die Ouvertüre aus dem „Freischütz“. Die vielen Geschenke — das Wiedersehen mit langentbehrten Freunden: es war zu viel Glück, zu viel für den alten Herrn. Vor Glück und Rührung traf ihn der Schlag.
Was unsre Festfreude noch bedeutend erhöhte.
Es war ein herrlicher, ein wunderbar stimmungsvoller Abend.
„Saan Sö aber heut wieder unwirsch!“
„Haben S’ mi scho amol wirsch gsegn?“
[S. 24]
Ein Kerl in Prag hat sich von Pleiner porträtieren lassen und zahlt nun nicht.
Pleiner wollt ihn verklagen. Ich, der Klügere, riet:
„Mensch, erkundig dich doch erst, ob dein Schuldner auch was hat. Sonst mußt du am Ende die Gerichtskosten obendrein bezahlen.“
Richtig, Pleininger erkundigte sich.
Vom Kaufmännischen Kreditbureau kam folgende Auskunft:
„Angefragter kauft nur bei slawischen Firmen ein, unterstützt den tschechischen Schulverein, auch ist Verdacht des Antisemitismus nicht ausgeschlossen.“
Im Garten der Irrenanstalt, Zahlabteilung, trafen zwei Herren zusammen und stellten sich vor:
„v. Krowitz — Verfolgungswahn.“
„Sehr angenehm. Huber — weiße Mäuse.“
[S. 25]
Als ich Sextaner war, spielte sich eine Szene ab, die jetzt noch hie und da meine Träume beunruhigt:
Es war in einer sommerlichen Lateinstunde — ich hatte einen Kork auf mein Taschenmesser gespießt und trommelte damit leis unter der Bank. Der Lehrer, Doktor Weber, erwischte mich, schrieb mich ins Klassenbuch und sprach:
„Noch fehlt dir die Einsicht für dein Tun, unglückseliger Knabe! Doch je mehr dein Verstand reifen wird, desto furchtbarer wird dich die Reue verfolgen dafür, daß du einst mit einem aufgespießten Kork unter der Bank getrommelt hast.“
Wichtig für Fremdenhotels, Sommerfrischen, Wirte auf dem Land:
Patentbarometer „Tourist“,
stets steigend,
zeigt nur bestes Wetter an und verhindert dadurch vorzeitige Rückkehr der Sommergäste nach der Stadt.
[S. 26]
Mein Neffe ist auf dem Gymnasium. Gestern bringt er mir die Nachricht heim: er werde nicht in die nächste Klasse aufsteigen.
Ich wunderte mich sehr, denn der Junge hatte das Jahr über doch in allen Gegenständen soweit entsprochen.
Der Rektor gab es auch unumwunden zu, als ich ihn fragte. Karl wäre sogar ein verhältnismäßig begabter Schüler — in Untertertia.
„Aber,“ sagte er, „für Obertertia fehlt dem Jungen noch die nötige sittliche Reife.“
„Wenn ich ‚Jupon‘ höre, denk ich immer an was Elegantes — und bei ‚Unterrock‘ immer an was Schmieriges.“
„Haben Sie Kinder, Herr Baron?“
„Ja. Drei.“
„Und wie heißen sie?“
„Paul Schulz, Paul Wernicke und Paul Themaier.“
[S. 27]
Dem Kommandanten der Festungsfeuerwehr meldete man eines Tages Großfeuer — Fort 2, Objekt C.
„Unsinn,“ sagte er. „Das Objekt C im Fort 2 ist von feuersicherm Material erbaut, mit Asbest gedeckt und enthält ausschließlich imprägnierte Gegenstände.“
Er fuhr aber doch hin.
Als er hinkam, lag das Objekt da — ein rauchender Schutt.
Nur die Signalraketen fand man unversehrt unter den Trümmern.
Der Sprecher der Mittelpartei führte seinen neuen Kollegen, Herrn v. Jaritz, im Reichstagsgebäude umher.
Da sagte Herr v. Jaritz, der Neuling:
„Sitzungssaal, Büffett, Kommissionszimmer, Klosetts — allens schön un jut. Aber nu, Herr Parteijenosse, im Vertrauen: wo is die Regierungskrippe?“
Die alten Deutschen tranken immer nach eins.
[S. 28]
Im Dogenpalast sah ein Ehepaar aus Zwickau die Bilder an — sie sah hin, und er las ihr aus dem Baedeker vor.
Er hatte eine falsche Stelle aufgeschlagen, die Accademia di Belle Arti. Zum „Einzug Heinrichs III.“ las er:
„Giambino, Jesus unter den Heiligen.“
So gings durch sechs Säle. Endlich, vor Bellinis „Beweinung Christi“, sprach der Zwickauer:
„Hier steht: Molyn, Schlittschuhläufer. Gathrin, gloobe mir, das gann nich stimmen.“
Montag, den 15. August: Alimentationsklage der unverehelichten Helene Mahr gegen Kellermann und Genossen.
„Die Kulturentwicklung der modernen Menschheit erheischt im Interesse einer weitern Ausgestaltung der dem Manne immanenten Triebe ...“
„Sö! Noch Ein Wort — un i hau Eahna a Fotzen hinein.“
[S. 29]
Die Spinnerei von Moritz Keller steht in Flammen. Fiebernde Aufregung in der Stadt.
Moritz Keller ist verschwunden. Endlich, gegen Mittag, findet die besorgte Familie ihn im Kontor von Enesberger & Söhne, Wollwaren en gros.
„Vater,“ rufen die Söhne, „Moritz,“ schreit die Frau — „was treibst du hier, während dein Haus brennt?“
„Nu, wie ich gesehn hab anfangen den Brand, hab ich kalkuliert: nu krieg ich doch ä größere Summe von der Versicherung. Nu kann ich doch aber ä größere Summe nicht gleich verwerten, denn die Spinnerei wird verbrännt sein. Hab ich gemacht mit Enesberger Söhne en Eventualvertrag auf stille Beteiligung mit 300 Mille — für den Fall, daß meine Spinnerei abbrennt. Nu bin ich aber neugierig: is se richtig abgebrännt?“
„Denken Se sich — erhalte eben Depesche — bin Vater jeworden.“
„Na — und Jnädigste wohlauf?“
„Wenn die bloß nischt von erfährt.“
[S. 30]
Ähnlichkeit der Trachten führt oft zu unangenehmen Verwechslungen.
Im Flur des Hotels Britannia zu Braunschweig stand ein Mann in blauem Frack mit blanken Knöpfen.
Ich drückte ihm eine Mark in die Hand und ersuchte ihn, mir die Gummischuhe abzuziehen.
Erst als er mir eine Ohrfeige gab, bemerkte ich, daß er ein braunschweigischer Kammerherr war.
„Sie kündigen da eine neue Salbe gegen kalte Füße an, ‚kolossal wirksam, die beste der Gegenwart, der Tigel zu zwölf Mark in jedem Laden‘. — Sagen Sie mal aufrichtig: glauben Sie selbst an das, was Sie ankündigen?“
„Na, zum Teil glaub ichs schon.“
„Und was glauben Sie?“
„Daß der Tigel im Laden zwölf Mark kostet.“
„Wenn ich bei Tisch nur bequem sitze, liegt mir nichts daran, wenns auch ein Gericht mehr gibt.“
[S. 31]
Die Hysterie der Komtesse ist so schlimm geworden, daß man endlich einen berühmten Spezialisten konsultiert.
Er untersucht die Kranke — er reibt sich verlegen die Hände — wie soll ers der Gräfin-Mutter nur sagen?
Und endlich beginnt er:
„... Gräfin, es gibt ein Mittel, das die Heilige Schrift empfiehlt — in dem Vers: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. Komtesse müßte ... heiraten.“
„Glauben Sie, Herr Professor? Aber meine Tochter ist drei Jahre Hofdame gewesen, und es hat ihr nicht geholfen.“
„Ich habe zwei Häuser auf Abbruch gekauft.“
„Sind Sie denn Baumeister?“
„Nein, Paprikafabrikant.“
„Man muß an Napoleon mit Sympathie denken: er hat einen deutschen Verleger erschießen lassen.“
[S. 32]
Ich traf Frau Eder auf der Promenade.
„Wohin des Wegs, Gnädigste?“
„Ach, denken Sie sich: ich habe wieder einmal meine Galoschen verloren ...“
„Na, Gnädigste, das Polizeifundbureau ist ja nebenan — versuchen Sie doch Ihr Glück! Ich begleite Sie.“
Wir hatten noch kein Wort gesprochen — da überreichte uns der Beamte die Galoschen. Er kannte schon Frau Eder und kannte auch genau ihre Gummischuhe.
„Ick bin vor milde Handhabung des Militärstrafrechts. Dienst an sich is Strafe jenuch.“
Der alte Graf Bardy ließ sich endlich, endlich bewegen, ein Telephon anzuschaffen.
„Na, Papa,“ riefen die Söhne, „ist es nicht wunderbar? Jetzt hast du, ohne dich aus dem Haus zu rühren, mit der Agathetant gesprochen.“
„Ja,“ sagte der alte Bardy, „gesprochen hab ich schon mit ihr. Aber glauben? Glauben tu ich an den Schwindel deßtwegen net.“
[S. 33]
In der ersten Kavalleriebrigade dienten einmal zwei Prinzen: der eine war General und Chef der Brigade — der andre Oberst und Kommandant der Wilhelm-Ulanen. Der Oberst war also — seinem militärischen Rang nach — dem General unterstellt.
In der Hofrangliste aber standen Seine Kaiserliche Hoheit, der Oberst obenan.
Darauf taten sich Seine Kaiserliche Hoheit, der Oberst was zugut.
Darüber ärgerten sich wieder Seine Königliche Hoheit, der General.
Und schrieben in die Qualifikationsliste Seiner Kaiserlichen Hoheit: Seine Kaiserliche Hoheit, der Herr Oberst wären zum Regimentskommandanten völlig ungeeignet.
Im Präsidialbureau des Kriegsministeriums gabs infolge dieses unerhörten Vorfalls einige Verwirrung. Man konnte doch den hohen Herrn Obersten nicht davonjagen; noch weniger das harte Urteil des Prinzen und Generals ignorieren.
Endlich fand man einen Ausweg: man pensionierte den Oberstleutnant Zoufalik, zweitältesten Stabsoffizier des Regiments Wilhelm-Ulanen.
[S. 34]
Bei Sardiniendragonern stand ein Rittmeister Graf Trotzki.
Eines Tages große Aufregung: Trotzki hatte es mit der Paralyse.
Der Oberst ließ ihn beobachten, und der Stabsarzt meldete nach ein paar Wochen den Befund: von Paralyse wäre keine Rede; höchstens eine leichte Störung — doch: auch die sei schon behoben. Der Stabsarzt ließ durchblicken: Trotzki habe simuliert.
So ein Schlaumeier, der Trotzki! Die Garnison hatte ihm nicht gepaßt — da stellte er sich einfach paralytisch, um in den diplomatischen Dienst zu kommen.
„Ich höre, Sie sind Braut, Fräulein — ich gratuliere.“
„Gott, wenn man sich ein bißchen verlobt hat, ist man doch nicht gleich Braut.“
Es gibt, Gott sei Dank, noch Schauspielerinnen, die sich niemals in Hosenrollen zeigen würden: die schlecht gewachsenen.
[S. 35]
In Zara hatte ein Weinwirt seine Frau vergiftet. Man übergab die Giftreste einem Gerichtschemiker zur quantitativen Analyse, und er stellte fest:
Wasser
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91,0%
|
Arsenik
|
8,7%
|
Spuren von Kieselsäure.
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Ein andrer Chemiker sollte die Analyse nachprüfen. Er fand:
Wasser
|
93,0%
|
Strychnin
|
6,8%
|
Spuren von Kochsalz.
|
Man rief den Sanitätsrat um ein Endgutachten an. Das Gutachten lautete:
Wasser
|
92,0%
|
Arsenik
|
8,7%
|
Strychnin
|
6,8%
|
Spuren von Kochsalz und Kieselsäure.
|
„Ich angle jetzt. Sie können sich nicht denken, wie aufregend das ist.“
„Angeln — aufregend?“
„Ja. Ich habe nämlich keine Fischkarte.“
[S. 36]
Frau Bermann, die Philanthropin, hatte ein Säuglingsheim gegründet und lief bei den Spitzen der Gesellschaft um — mit einem Erpressungsbogen.
„Meine Gnädige,“ sagte der Hofmarschall, „zu einer Unterstützung aus der Allerhöchsten Privatschatulle können wir uns nicht verpflichten. Aber eine der königlichen Prinzessinnen fürs Ehrenpräsidium können Sie haben. Sogar eine junge, wenn die Säuglinge ehelich sind.“
„Herrgott, sieht die Mira nobel aus!“
„Na, sie ist ja jetzt auch das Verhältnis von Niki Pleininger und Baron Rosenbaum.“
Ich stellte ärgerlich meinen Wirt zur Rede: ich muß seit Monaten zehn Lire Pension bezahlen — und mein Nachbar, der Berliner, der heute gekommen ist, zahlt für das gleiche Zimmer, die gleiche Küche nur sieben.
Der Wirt zuckte die Achseln.
„Was wollen Sie,“ sagte er, „— e fortunato. Er hat eben Glück.“
[S. 37]
Oberleutnant Baron Seifert schmachtete elf Jahre in einem oberösterreichischen Dragonerregiment. Elf Generationen Mostschädelrekruten waren nach und nach eingerückt — er hatte sich bemüht, sie mit Reitergeist zu erfüllen.
Einmal stand Seifert mit seinen Leuten beim Pferdeschwemmen — da marschierte eine Husarenschwadron vorüber.
Seifert wandte sich an seine Mannschaft:
„Ihr Affenhengste — schauts nur an, wie schön die Husaren beisammen sein!“
Und ein Dragoner darauf:
„Ja — mir saan aber auch net so hoffärtig.“
„So, jetzt trink ich meinen Schnaps.“
„Hast du denn Durst?“
„Nein. Aber Schnaps.“
„Warum trage ich eigentlich nur bei Tage Trauer? Bei Nacht trauere ich doch am meisten um ihn.“
[S. 38]
„Moritz, kommst du, oder kommst du nicht?“
„Ich komme.“
„Ganz gewiß, Moritz?“
„Ganz gewiß, Liebste.“
„Schwör mir, daß du wirklich kommst!“
„Mein Ehrenwort, ich komm.“
„Dein Ehrenwort?“
„Mein Ehrenwort.“
„Nu sag aber im Ernst, Moritz: kommst du, oder kommst du nicht?“
„Fleimer hat sich aufs Plagiieren verlegt.“
„Seine Gedichte sind seither auch viel besser.“
Eines Tages versammelte ein Berliner Zirkusdirektor seine Leute in der Manege — Artisten, Stall- und Bureaupersonal — und verkündete:
„Meine Damen und Herren! Sie werden in der Zeitung lesen, daß ich durch die Gnade Seiner Hoheit, des Großherzogs von Sachsen-Weimar zum großherzoglich sachsen-weimarischen Kommissionsrat ernannt worden bin. Wer mich mit diesem Titel anredet, fliegt.“
[S. 39]
Ein ungeheuer kompromittierendes Buch war erschienen:
„Schandflecke der Gegenwart.“
„Enthüllungen aus dem Hofleben.“
Ein paar Tage später traf ich den General v. Warnhold. Er sprühte vor Entrüstung.
„Haben Sie das niederträchtige, verlogene Machwerk gelesen? Diesen Extrakt von Unwahrheiten, die alle aus der Luft gegriffen, glatt erfunden sind? Diese schwindlerischen Lügen? — Ich bin dreizehn Jahre bei Hof gewesen. Ich könnte noch ganz andre Dinge erzählen. Aber tut denn ein anständiger Mensch so was?“
Meine Braut bestellte sich ein Redoutenkleid.
Die Schneiderin fragte:
„Wie wünschen Gnädige die Dekolletage? Hoffähig oder mehr protestantisch?“
„Sie! Sie haben mir gestern was Schönes angetan mit dem Freibillet zu ‚Tristan‘! Diese brausende Musik! Und dann bringt mir der Kellner noch dunkles Bier.“
[S. 40]
Die ungarischen Staatslenker sind wieder einmal in Wien. Der österreichische Minister geht mit seinem ungarischen Kollegen über den Ballhausplatz.
Der Ungar fühlt sich heute ungewöhnlich wohl und schreitet wacker aus.
Der Österreicher:
„Exzellenz, hast du Eile?“
Der Ungar:
„So stinketes Vogel wird durch mich nicht gehalten.“
„Kolossaler Kerl, dieser Friemke! Hat schon wieder ein prachtvolles Ehebruchsdrama vollendet.“
„Kunststück — wenn man so ne Frau hat.“
„Haben Sie schon mein neuestes Werk gesehen — zwei Bücher in einen Band gebunden?“
„Ach, ist er von Ihnen — der neue doppelschläfrige Roman?“
[S. 41]
Die lieben Tanten besuchten mich in meiner Junggesellenwohnung.
Doch es war sehr ungemütlich; die Tanten blickten immerzu einander an und blickten sich auf die Stiefel.
Ein lahmes Gespräch vom Wetter kam zustande.
Endlich sagte ich:
„Verzeihung — stört es euch, wenn ich das Fenster öffne? Der Ofen riecht so sehr.“
Tante Klothilde darauf erleichtert:
„Der Ofen, lieber Neffe? Du hast uns einen Alp von der Brust genommen.“
„Wenn man eine Stunde wirklich angenehm schlafen will, muß man sich um acht Uhr wecken lassen und steht dann nicht auf.“
„Die einzige Art, sich im Staatsdienst eine sichere Existenz zu gründen: mit der Kasse durchgehen.“
[S. 42]
Mein Freund Antalffy beurteilt alle Welt nach seinen heimischen, den Budapester Verhältnissen.
Eines Tages standen wir im Zoologischen Garten.
„Herrgott,“ rief Antalffy, „is das großer Vogel!“
„Das ist ein Kondor.“
„Hat sicher früher Kohn geheißen,“ sagte Antalffy.
„Weißt du schon das Neueste? Ich lasse mich scheiden. Prost!“
„Prost — ich komme nach.“
Fräulein Mary erzählte mir.
„Denken Sie sich dieses Pech: meine Freundin lädt mich nach Wien — ich komme hin, da ist sie schwer krank. Fuß gebrochen.“
„Donnerwetter! Wird wohl beim Exerzieren mit dem Sporn hängen geblieben sein?“
„Nein, er ist Tenor.“
[S. 43]
Herzog Bernhard von Pillingen bereiste seine Staaten.
Er kam in irgendeinen Flecken — da wurde Seiner Hoheit die Geistlichkeit vorgestellt, das Offizierskorps und endlich auch die Staatsbeamten.
Seine Hoheit hatten für jedermann ein paar leutselige Worte.
Als der Direktor des Katasterbureaus an die Reihe kam, rief der Herzog:
„Ah — Katasterdirektor? Ungemein interessant. Sagen Sie ... ist es wirklich wahr, daß man davon eine so hohe Stimme bekommt?“
„Wie aufmerksam, Herr Kommerzienrat! Sie haben meinen Brief eigenhändig beantwortet.“
„Nu, wenn es sich handelt um einer Angelegenheit mit feinem Stil, nimm ich mr immer selber der Mühe her.“
„Blücher hieß mit Recht der Marschall Vorwärts.“
„Nanu — ooch en Sozialdemokrat?“
[S. 44]
Ich traf einst meinen alten Freund Oberleutnant Pleininger in Wien.
Er breitete die Geschichte seines Lebens vor mir aus.
„Du weißt ja, früher war ich beim Hengstendepot. Aber siegst: es war mir zu eintönig, immer die Beschäler pflegen — da hab ich mich zur Monturverwaltung übersetzen lassen. Heut laß ich Mäntel klopfen, morgen zähl ich den Unterhosenbestand, übermorgen überwichsen wir die Stiebel — es is doch eine ungeheure Abwechslung.“
Heine ist der Vater des Feuilletons, Ignatieff Vater der Lüge. In welchem Grad mögen Heine und Ignatieff verwandt miteinander gewesen sein?
„Meister, welche Methode des Gesangsunterrichtes halten Sie für die beste?“
„Die, wo das Honorar im vorhinein gezahlt wird.“
[S. 45]
Bei den Benziger-Dragonern hatten wir einmal Lagerübung mit Abkochen und Füttern.
Das Lager war bezogen — da stürzte Wachtmeister Plhal auf mich zu und meldete:
„Herr Leidnant, Gottes willen, mir ham Fleischkonserven z’ Haus vergessen.“
Saubagage! Aber was gehts mich an? Sie sollen sich helfen, wie sie können.
Eine Stunde später kommt der Oberst ins Lager, die Kochgräben und Kochmaschinen besichtigen.
Wachtmeister Plhal reicht ihm einen Löffel von unsrer Suppe — der Oberst führt ihn zum Mund.
„Jetzt kommts,“ dachte ich mir.
Allein der Oberst gab den Löffel zurück und sagte:
„Brav. Brav. Sehr schmackhaft und ausgiebig.“ — — —
„Wachtmeister! Wie haben Sie das angestellt?“ fragte ich, als der Oberst weit genug weggegangen war. „Wo Sie doch die Konserven zu Haus vergessen haben?“
„O, Herr Leidnant, bitt gehorsamst, macht nix. Hamme a bißl Hufkitt mit Stiewelwichs gekocht; schmeckte teischend wie Fleischkonserve.“
[S. 46]
Ärztekongreß in Berlin.
Nach der Sitzung findet man sich im Restaurant zusammen. Sanitätsrat Doktor Schabuschnigg-Graz erzählt einen interessanten Fall aus seiner Praxis.
„... Die Patientin hat also an Magenkrebs und zugleich a Schnürleber. Jetzt weiß ich ja net, wies in Norddeutschland is; aber bei uns in Österreich wird der Magen auf der rechten Seiten zum Teil vom Leberlappen bedeckt ...“
Man brachte dem Meister — er saß eben beim Mittagessen — die Nachricht vom Tode seiner Gattin.
Gramgebeugt, mit zitternder Stimme fragte er:
„Wird von meinem ungeheuern Verlust in den Abendblättern schon zu lesen sein?“
„Hunderttausend Mark Mitgift hat das Fräulein, malt auf Seide, spielt Klavier? Und will mich heiraten? Da muß sie doch irgendeinen Fehler haben?“
„Nu, sie kann ihre Kinder nix selber stillen.“
[S. 47]
Der interessante Fremdling heißt Iwan Iwanowitsch Pawloff. Er ist Redakteur in Tula.
„Eines Tages,“ erzählt er, „fing unsre Polizei drei Gauner. Ich hatte vor, mich auf guten Fuß mit der Polizei zu stellen — verschaffte mir die Bilder der drei Gefangenen, die Bilder unsrer drei höchsten Polizeibeamten und wollte das alles in der nächsten Nummer bringen.
Und was geschieht?
In der Druckerei verwechselt mans. Unter den Bildern unsrer höchsten Polizeibeamten steht:
‚Die gefährlichsten Verbrecher von Tula.‘
Unter den Gaunern:
‚Diese Männer haben die Verbrecher entlarvt.‘
Am selben Morgen waren unsre drei höchsten Polizeibeamten entflohen.“
In Linz war dereinst ein Oberst Kronholz, der hatte in seiner Qualifikationsliste stehen:
„Spricht und schreibt perfekt persisch.“
Als der Schah von Persien nach Österreich kam, kommandierte man den Obersten Kronholz zum Ehrendienst beim Schah.
Des Staunens war kein Ende, als er wirklich Persisch konnte.
[S. 48]
Leutnant Meidel — der Meidel von der Luftschifferabteilung — schilderte mir den Flugapparat, den er erfunden hatte.
Meidels Konstruktion beruht auf jahrelangem Studium des Vogelflugs.
Solche Beobachtungen haben auch andre Fachleute angestellt. Doch alle frühern Beobachtungen waren mangelhaft — das bewies mir Meidel haarklein.
Meidel hat ganz neue Theorien für die Mechanik des Vogelflugs gefunden — Erklärungen, die von allen bisherigen himmelweit abweichen.
Da flog draußen eine Taube vorüber.
„Siehst du,“ rief Meidel, „also, zum Beispiel: diese Taube fliegt falsch.“
Auf der Elektrischen in München. Alle Plätze besetzt. Eine dicke Marktfrau steigt mit ihrer Hucke ein; sie wird nicht müde, ihre bösesten Blicke einem Jüngling zuzuschleudern, der da sitzt und ihr nicht Platz macht.
Endlich mault sie:
„Junger Herr, wann Ihnen der Hintere weh tut, sagen S’ mirs — nachher setz i mich für Eahna hin.“
[S. 49]
Ich kenne Herrn v. Mollnow von meinem Aufenthalt in Pommern her — nun freute ich mich ungemein, ihm in Berlin zu begegnen.
„Ick bleibe nich lang,“ erzählte er mir, „ick fahre heute schon wieder nach meener Klitsche. Jestan abend, wissen Se, is mir nämlich hier in Balin ene sehr ene unanjenehme Jeschichte passiert.
Ick wohne doch imma int Christliche Hospiz — nich? Un wie ick nu bei Dressel soupiert habe, jehe ick in die Winzerstuben, un dort mache ick ne sehr ene interessante Bekanntschaft mit ner russischen Jräfin. Een Wort jibt det andre — sie erzählt, sie wohne nich jut un will janz jern diese Nacht ooch int Christliche Hospiz ...“
„Ah — und da hat man Sie wohl nicht eingelassen?“
„Rin ließ man uns schon — ick sagte, die Dame wäre meene Frau. Wie ick aber mit der Jräfin in meene Stube komme, wissen Se, da waren wa nich alleene. Ick hatte nämlich, wissen Se, in meenem Tran total vajessen, det ick meene richtije Frau mit nach Balin jenommen hatte.“
„Les amis de mon mari sont mes amis.“
[S. 50]
Ich sitze in meinem Arbeitszimmer — vor einem Berg von Korrekturen.
Das Mädchen meldet mir: draußen wär ein Herr, der mich zu sprechen wünscht.
„Fragen Sie ihn, wer er ist und was er will!“
Das Mädchen kommt im Augenblick wieder:
„Er sagt, er is Oberst und kommt in einer Privataffäre.“
„Sagen Sie ihm: ich bin aus dem Heeresverband entlassen — satisfaktionsunfähig — fünf Jahre Ehrverlust.“
Das Mädchen kommt zurück:
„Der Herr Oberst laßt bitten, es is eine dringende Familiensache.“
„Sagen Sie ihm, ich hätte meine Familie verstoßen.“
Das Mädchen kommt zum drittenmal:
„Der Herr Oberst muß den gnä Herrn unbedingt sprechen — in einer wichtigen literarischen Angelegenheit, was die Zukunft betrifft.“
„Sagen Sie ihm: ich bin schon versichert.“
Da ging er endlich.
„Na, und wie gehts Ihrer Tochter?“
„Sie fühlt sich Amme.“
[S. 51]
Als ich noch bei den Benziger-Dragonern diente, da pflegte ein Trainrittmeister oft bei uns zu frühstücken.
Er war ein ganz anständiger Mensch — gar nicht so, wie man denken sollte.
Eines Tages ließ er sich mit unserm alten Pleimschauer in einen Diskurs ein und sagte:
„Gott — was is denn weiter für a Unterschied zwischen uns? Du bist Rittmeister, und i bin aa Rittmeister. Ob Dragoner oder Train — Rittmeister is Rittmeister.“
„Wer sagt denn, daß a Unterschied is?“ antwortete unser Pleimschauer höflich. „Aaner von uns is wie der andre ... Nur natürlich, wann zufällig a Fremder kommet und möcht mich für an Trainrittmeister halten — no, so möcht ich ihn halt fordern.“
Die Habsburger waren nicht immer klerikal.
Rudolf, der Ahnherr des Hauses, hatte sein Pferd einem Priester geborgt.
Als der Priester am nächsten Tag das Pferd wiederbrachte, da sagte der Graf:
„Nö — ein Pferd, wo mal ein Priester draufgesessen hat, das reite ich nicht wieder.“
[S. 52]
Manche Leute, selbst in kulturfernen Zonen, sind von erstaunlicher Etikettewut besessen.
In Tetuan, zum Beispiel, lebte ein reicher Kaufmann, ägyptischer Untertan, der war Honorarkonsul von Österreich-Ungarn und Frankreich.
Am 18. August, Geburtstag des Kaisers Franz Josef, legte der Kaufmann die französische Uniform an, fuhr rund um sein Haus, ließ halten und gab auf dem österreichischen Konsulat seine Karte ab.
Fuhr weiter, kleidete sich um und machte in österreichischer Uniform dem französischen Kollegen eine Dankvisite.
„Miß Dorothee, können Sie sich entschließen, Ihre amerikanische Heimat zu verlassen und als meine Frau zu leben — im schönen Deutschland — an der Seite eines Mannes, der Sie anbetet und liebt — liebt, wie nur je ein Mann das Weib seiner Träume geliebt hat?“
„Ja.“
„Ich danke Ihnen. — Miß Dorothee, sagen Sie: ein Dollar sind wieviel Mark?“
[S. 53]
Meine Heimat ist ein Pflaumenland — man kocht dort Mus in kolossalen Kesseln.
Einst hatte Tante Julie anheizen lassen, und als es am schönsten brodelte, beugte sie sich über, um zu sehen, ob es richtig koche — da glitschte sie aus und fiel hinein.
Sie war sofort mausetot.
In der Familie erhob sich ein leidenschaftlicher Streit. Die einen sagten:
Von dem Mus, worin die gute Tante ersoffen ist, würden sie keinen Bissen essen können, es wär ein ewiger Vorwurf.
Die Töchter wieder sagten:
Ein Mus, wo so eine Familienerinnerung dran haftet, das dürfe man doch nicht fremden Leuten verkaufen, das wäre pietätlos.
Ich weiß, meiner Seel, nicht mehr, wie man sich einigte.
Meine Frau konnte nicht mit — da ließ sie mich aufs Sommerfest allein ziehen.
„Aber,“ sagte sie, „unterhalt dich wenigstens nicht sehr gut!“
[S. 54]
Unsre Großmama leidet seit Jahren an intensiver Darmträgheit. Darüber regt sie sich manchmal sehr auf. Wenn sie sich aber aufregt, kriegt sie Durchfall.
Seit wir das wissen, sparen wir die teuern Medikamente. Wir werfen ihr einfach jeden Morgen gegen neun Uhr vor, sie allein wäre schuld an Großvaters frühem Tod.
Darüber regt sie sich auf — und um halb zehn ist der Stuhl da.
Auf dem Molo San Carlo standen einst zwei Kapitäne der Segelmarine und betrachteten das Werk einer Taschenuhr.
„Ssön, ssön,“ rief der eine, „— aber was kann probabilmente F und S bedeuten?“
„Oh — du weißt nickt? Effe — for; Esse — ssurück.“
„Merkwürdig — ein Kind aus der ersten Ehe Ihrer Frau — und sieht Ihnen so ähnlich.“
„Darum hab ich sie ja heiraten müssen.“
[S. 55]
Einer der aufregendsten Momente meines Lebens: das Regimentsrennen der Benziger-Dragoner vor soundsoviel Jahren.
Bei der dritten Nummer, Steeplechase für Chargierer, stürzt Paul Kampff am Wassergraben. Kybeo, dicht auf, landet direkt vor ihm, stürzt natürlich ebenfalls, und die Reiter kommen unter die Gäule zu liegen.
Auf der Tribüne eine Panik, nicht zu beschreiben. Ein Herr von der Bahnaufsicht spritzt sofort hin zu den Gestürzten, kommt zurück und meldet:
„Beide Gehirnerschütterung. Aber zum Diner kommen sie.“
„Ich habe die Ehre.“
„Na, mit dieser Behauptung stehen Sie vereinzelt da.“
„Warum schreiben Sie denn Ansichtskarten an Pollaks — mit denen sind Sie doch bös?“
„Nu, Pollaks sollen sich doch ärgern, daß wir sind in Ostende.“
[S. 56]
Mein Freund Rittinger, der Kunsthändler, ist brillanter Laune.
„Ich hab,“ erzählt er, „ein kleines holländisches Bild entdeckt, aus dem 17. Jahrhundert, unzweifelhaft von Eeckhout.“
„Na — und?“
„Und jetzt brauch ich nur noch 20000 Mark Kapital und bin ein gemachter Mann.“
„Verzeih, Rittinger! 20000 Mark Kapital brauchst du? Wozu?“
„Damit ich nachweis, das Bild wär von Rembrandt.“
„Mir Weaner brauchen dö Schkandinavier nöt. Lang, eh daß der Ibsen gschrieben hat: ‚In Schönheit sterben‘ — ham mir Weaner gwußt: ‚Nobel muß d’ Welt zugrund gehn‘.“
„Herr, zum Teufel, können Sie nicht anderswohin sehen als in das Decolleté meiner Frau?“
„Nein.“
„Laura, zieh den Mantel an!“
[S. 57]
Unsre Tante, Frau Bark in Riga, hatte eine Näherin im Haus, und die Näherin war traurig.
„Erbaarmung,“ rief unsre Tante, „warum sind Sie so traurig, Freilein Ohsoling?“
„Wai, mein Mamming is jestorben.“
„Aber, Freileinchen, wo sie doch schon so ne alte Frau war und krank ...“
„Nu, man hat doch Kosten, Zematting ...“
„Freileinchen, haben Sie denn in keine Bejräbniskasse jezahlt?“
„Hab schon jezahlt. Hab auch zwanzig Rubelchen bekommen. Aber was kann man mit zwanzig Rubel mit ner Leich fir große Springe machen?“
„Wie ist denn Lenzers Première ausgefallen? Ich höre, das Theater war überfüllt?“
„Ja, aber nur im ersten Akt.“
Der kleine Fritz von Taussigs kam — zum erstenmal — aus der Schule heim, legte seinen Ranzen ab und seufzte:
„Also jetzt weiß ichs. Ich bin ein Jud.“
[S. 58]
Ich sprach eines Tages mit einem österreichischen Abgeordneten. Er schwärmte mir sehr von Berchthold.
„Sie glauben gar nicht,“ erzählte er mir, „wie tüchtig der Mann ist, unser Minister des Äußern. Schon sein Vorgänger, Ährenthal, war ein perfekter Diplomat — er brachte es fertig, die eigenen Botschafter über seine Absichten zu täuschen. Aber was ist das gegen Berchthold? Berchthold täuscht sogar sich selbst.“
„Seit der Kommerzienrat geadelt ist, sucht er sichtlich den alten Aristokraten zu spielen.“
„Ja. Sogar unter Kuratel hat er sich stellen lassen.“
„Sie auf dem Ball, Gnädigste? Und in Trauer?“
„Ach, der Schmerz um den Verlust meines teuern Gatten hängt mir schon zum Hals heraus.“
[S. 59]
Mir träumte — ich muß es vorher irgendwo gelesen haben — der Prophet Muhammed ließ mir eine Strickleiter aus dem Himmel nieder. Ich kletterte die Sprossen empor, sie waren von Rubinen — und oben empfing mich der heilige Alte und führte mich ins Paradies. Das Paradies aber war ein Garten voll Duft und Liebe, voll Huris, die mich in die Büsche lockten und mit köstlichem Sorbet tränkten und wieder lockten ...
... und ich erwachte.
Wahrscheinlich mit einem Ruck — denn meine Frau erwachte ebenfalls.
Ich erzählte ihr, berauscht von Glück, was ich gesehen hatte.
Dann schlief ich wieder ein.
Schlief wohl eine Stunde.
Meine Frau weckte mich.
„Du,“ sagte sie, „bist du mir am Ende wieder untreu?“
Das Genie baut Häuser für ungeborne Geschlechter. Bei dieser Bauspekulation muß man natürlich verhungern.
[S. 60]
Unser Tapezierer klagt seit drei Jahren über eine Baronin Veltzow — sie ist ihm ein paar hundert Mark schuldig und zahlt nicht.
Unlängst, erzählt der Tapezierer, war er wieder bei ihr jammern.
„Frau Baronin, ich bitt, i hab aa mei Außenständ — d’ Leut saan unbarmherzig un verklagen mi. Wann Sö mir möchten unter d’ Arme greifen, daß i wenigstens könnt das Dringendste begleichen ...“
Die Baronin sprach:
„Lieber Freund, ich komme nicht einmal dazu, meine eigenen Angelegenheiten zu ordnen — und nun sollte ich auch noch anfangen, Sie zu rangieren?“
„Man wird langsam alt und bequem. Wenn ich eine Dame kennen lern, und sie is häßlich, atme ich direkt auf.“
„Mama, welcher von den vielen Onkels is nu eigentlich mein Vater?“
[S. 61]
Wir hatten einen Major Grafen Ghöll im Regiment.
Die Ghölls, sagt man, sind so vornehm, daß sie nicht leben können. Sie sterben aus.
Einmal, beim Exerzieren, war Rast — Offizier und Mann abgesessen.
Major Graf Ghöll rief mich:
„Häär Leutnaant, bieete zuh mier! Aaabäär raaasch!“
Ich lief hin.
Major Graf Ghöll schickte mich indigniert zurück.
„Häär Leutnaant,“ sprach er, „aaajn Häär laaauft niiicht.“
Als der Hofrat Rossipal auf dem Sterbebett lag, sprach er:
„Kinder, ich fühle, daß meine letzte Stund geschlagen hat, es geht zu Ende. Aber ich scheide in dem Bewußtsein, nicht umsonst gelebt zu haben: Nackt bin ich auf die Welt gekommen — in Hofratsuniform und mit der Zivilverdienstmedaille zweiter Klasse am Band des Hubert-Salvatorordens verlaß ich sie.“
[S. 62]
Vor ein paar Jahren war nahe bei Valona in Albanien wieder einmal ein fremder Wandrer erschossen worden. Der italienische Pfarrer fuhr hinaus und machte den Bösewichten Vorwürfe.
„Wehe,“ rief er, „abermals habt ihr eure Seelen mit einer Blutschuld beladen! Habt einen harmlosen, friedfertigen Mann getötet. Warum? — Aus Rache? Er hatte euch nicht beleidigt. — Aus Habsucht? Ihr habt nicht mehr als vierzig Centesimi bei ihm gefunden. Lohnt es, den Zorn Gottes herauszufordern — um vierzig Centesimi?“
„Herr,“ sagten die Albaner, „du vergißt, daß eine Patrone nur zwanzig Centesimi kostet.“
Nachgelassene Werke sind Werke, bei denen die Schaffenskraft des Autors schon sehr nachgelassen hat.
Der Großherzog von Knarre-Springinsfeld ist ein wahrhaft fanatischer Kunstfreund. Sooft er von einem Dichter hört, der am Verhungern ist, schickt er seinen Ersten Adjutanten hin und läßt sich nach des Dichters Befinden erkundigen.
[S. 63]
Ich war junger Mann in der Redaktion der Wiener Universalkorrespondenz. Der Chef lehrte mich, Nachrichten erfinden.
„Sie schreiben also,“ sagte er, „zum Beispiel: Valparaiso, 18. August. Kabeltelegramm unsres Sonderberichterstatters. Folgenschweres Ozeanunglück. Auf der Höhe von La Vuelpa ist der Londoner Dampfer ‚Iris‘, Kapitän O’Connor, zusammengestoßen ...“
„... mit dem Torpedoboot ‚Argentinia‘,“ schlug ich vor.
„Nein,“ rief der Chef, „nur nicht übertreiben! Wir wollen nicht gleich zwei Schiffe zusammenstoßen lassen.“
„Heut sieht man ja hier Offiziere aller Waffen. Wohl ein Appell?“
„Nein, eine Scheidungsklage.“
„Alkoholabstinenz ist heilbar. Man nehme morgens, mittags und abends einen Kognak.“
[S. 64]
Eines Tags — vor Jahren — erhielt der österreichische Gesandte in Kopenhagen die Nachricht von einer gefährlichen Erkrankung seiner Mutter. Er mußte sofort abreisen.
Noch auf dem Bahnhof beauftragte er seinen Diener, den Sachverhalt sofort dem Kanzleioffizial zu melden; und der Herr Offizial möchte den Herrn Ersten Legationssekretär verständigen.
Der Offizial aber war nachlässig genug, diese Verständigung zu unterlassen.
Der Erste Legationssekretär lebte genau wie immer weiter: verkehrte beim englischen Konsul, spielte Polo mit Rumänien und Frau und aß am Abend mit Frankreich im Tivoli.
Er hatte nicht die leiseste Ahnung von der Abreise des Chefs.
Erst viele Monate später, als er plötzlich den Franz-Josefs-Orden bekam, wurde er gewahr, daß er „in höchst zufriedenstellender Weise ad interim die Dienstgeschäfte der k. und k. Gesandtschaft geführt hatte.“
„Wie lang sind Sie verheiratet, Gnädigste?“
„Drei Jahre. Aber eigentlich schon sechs.“
[S. 65]
Die Pastorskinder sind bei Großmama zu Besuch gewesen und ungewöhnlich früh zurückgekommen.
„Sicher wart ihr unartig,“ vermutet der Herr Pastor, „da hat Großmutter euch weggeschickt.“
„Oh, wir waren durchaus nicht unartig, wir haben ganz brav gespielt.“
„So? Was denn?“
„Wir haben gespielt: Großmamas Beerdigung.“
Die Zeiten ändern sich. Auf den Inschriften der alten Römer begegnen uns immer wieder die Lettern: S. P. Q. R.
Im neuen Deutschland heißt es: G. m. b. H.
„Sie verkehren nicht mehr mit Bumcke?“
„Nein. Der Kerl hat mich in die peinlichste Geldverlegenheit gebracht. Hat mir gepumpt und gepumpt — und plötzlich verlangt er alles wieder.“
[S. 66]
Der Pfarrer von Asch hatte einen Vortrag angekündigt:
„Die Wunder der heiligen Elisabeth.“
Alsbald kündigte auch der Bildungsverein von Asch einen Vortrag an:
„Die Wunder der heiligen Elisabeth.“
Sofort verbot die k. k. Bezirkshauptmannschaft den Vortrag des Bildungsvereins:
„da zu befürchten ist, daß der Vortragende den Gegenstand, im Gegensatz zu Seiner Hochwürden, vom Standpunkt des gesunden Menschenverstandes aus betrachten werde.“
Denken, um zu leben, ist schwer. Wer Grundsätze hat, lebt nach Grundsätzen — das ist leichter.
In Berlin war wieder einmal ein Theater gebaut worden.
Wermes, der kundige Thebaner, verschaffte sich und mir Eintritt zur Eröffnungsvorstellung.
„Amice,“ sagte Wermes nach dem zweiten Akt, „ich schlage vor: wir gehen. Sonst kommen unsre Überzieher in die Konkursmasse.“
[S. 67]
Ich fabriziere jetzt mein patentiertes Busol oriental — Mittel zur Erzeugung voller Körperformen.
Der Österreichische Diözesankurier schreibt mir:
„Wir bedauern, mit Rücksicht auf unsre seit jeher festgehaltenen Grundsätze, welche absolut unumstößlich sind, Ihr Inserat nicht bringen zu können, außer Sie würden selbes im doppelten Umfang und mindestens sechsmal bei Vorausbezahlung aufgeben. Doch können wir mit Rücksicht auf den unsittlichen Charakter des Inserats einen Rabatt nicht eintreten lassen.“
„Gnädigste haben wunderschöne Ringe.“
„Lauter Erbstücke. Nur der Ehering wird von Zeit zu Zeit erneuert.“
„Der Baron, der die Wechsel gefälscht hat, wird jetzt auf seinen Geisteszustand beobachtet. Glauben Sie, daß er für verrückt erklärt wird?“
„Dazu ist die Familie doch nicht vornehm genug.“
[S. 68]
Der Fachreferent ‚zur Festsetzung der Normen für die neue Feldadjustierung‘ beantragte eines Tages:
die Militärgeistlichkeit wäre, ebenso wie die Truppe, mit einer Uniform zu versehen, die sich vom Gelände möglichst wenig abhebt — um die Herren Superiore und Kuraten nicht unnötigerweis dem feindlichen Feuer auszusetzen.
Der Vorstand der 13. Abteilung des k. u. k. Kriegsministeriums trat den Akt an das Apostolische Feldvikariat ‚zur Äußerung‘ ab.
Der Feldvikar antwortete:
„Die Geistlichkeit steht unter dem besondern Schutz Gottes. Man stimmt gleichwohl dem Vorschlag des Fachreferenten zu — da bei der übergroßen Portée und Durchschlagskraft der modernen Feuerwaffen erhöhte Schutzmaßregeln rätlich erscheinen.“
„Seh, Moritz, de Abendröte! Wie ä rosa Seidenkleid, was sich der Himmel hat angezogen — unten ä Spitzenvolant von Brandung.“
„Nu, Jetty — un der Posten Möven is Schund?“
[S. 69]
Eines schönen Abends, gegen fünf Uhr früh, als kein Café mehr offen war, hielt Oskar Riedmann endlich Einkehr in sich selbst.
„Ich weiß,“ sprach er, „ich falle manchen Menschen zur Last — man sagt mir nach, ich drängte mich den Leuten der Gesellschaft auf. Aber warum dränge ich mich auf? Weil das die einzige Möglichkeit ist, anständigen Umgang zu haben. Denn wenn ich mich an die Leute halten wollte, die gern mit mir verkehren — sag selbst: in was für Kreise geriete ich da?“
In Venedig lernten wir ein nettes Ehepaar aus Deutschland kennen — doch die Frau war vom Reisen keineswegs entzückt. Sie wollte wieder heimkehren.
„Et is so peinlich,“ sagte sie, „mit meinem Mann. Er war doch ehemals maître d’hôtel — un wenn nu jemand an ’t Jlas kloppt, springt er unwillkürlich uff un rennt hin.“
„Moritz, ich höre, du hast dich taufen lassen?“
„Noch nich — gestern haben se erst angefangen.“
[S. 70]
Als ich noch bei der detaschierten Division in Petrinja diente, da kam uns einmal der Korpskommandant besichtigen.
Ein gütiger Herr, ein gescheiter Herr — doch voller Schrullen. Er wollte, zum Beispiel, daß die Leutnante in den Familien der ältern Offiziere verkehren.
„Herr Major,“ fragte er, „besuchen die Herren Offiziere auch Häuser?“
„Jawohl, Exzellenz,“ sprach der Major, „die jüngern Herrän schon. Ich als Stabsoffizier lasse die Mädchän zu mir kommän.“
„Du bist lustig, Janosch?“
„Jaj, Zigeuner hot gespielt so schöne Lied — hab ich ihm gleich hundert Gulden geben; aber nicht bei mir gehabt.“
„Is ’s wahr, Frau Huberin, Ihnere Tochter hat sich a Klaans aus der Stadt bracht?“
„Ja. Sie sagt, in der Säuglingslotterie hat sies gewonnen.“
[S. 71]
Wir sahen uns die großen Kavallerieübungen an. Doch als Laie versteht man nichts davon.
Zum Glück fanden wir einen fachkundigen Interpreten im Obersten Kutschera, einem Soldaten mit Leib und Seele.
Er erklärte uns:
„Der Zweck dieser grandiosen Übungen ist die Entscheidung der Frage: ob unsre Reiterei Anschnall- oder Anschlagsporen tragen soll. Beide Arten Sporen haben ihre Vorteile und Nachteile. Wie nun die Entscheidung auch immer lauten mag: wenn der Befehl des Allerhöchsten Kriegsherrn uns einst aufs Feld der Ehre ruft, wird Seiner Majestät altberühmte Kavallerie freudig ihr Leben opfern — ob mit Anschlag- oder mit Anschnallsporen, oberhalb oder unterhalb des Absatzleders — für Kaiser und Vaterland.“
„Was bist du denn so verstimmt?“
„Ah — schreib ich da ein Drama über den Einfall des Cortez in Mexiko — mit dem Kämmerer Montezumas als Hauptperson — und weiß nun keinen Titel für das Stück.“
„Nenn es doch einfach nach diesem Kämmerer.“
„Ha — der Mann heißt: Axtixcazintacatecatl.“
[S. 72]
Wir in Österreich hatten endlich ein Arbeitsministerium.
Seine Exzellenz der Arbeitsminister war von seiner Reise nach Dalmatien eben hochbefriedigt nach Triest zurückgekehrt.
Hochbefriedigt. Denn was er gesehen, ist herrlich gewesen: Orient und Okzident, Strand und See, alte Städte und Paläste, Fels und Schroffen, Zypressen, Olivenhaine.
„Warum,“ rief er, „sollte man dieses Dorado nicht dem Weltverkehr eröffnen können? Warum sollte sich der goldführende Fremdenstrom nicht nach Dalmatien lenken lassen? Warum die erlesene Pracht ...“
Da sah er nach der Uhr — er wollte ja den Zug erreichen.
Die Uhr stand still.
In das Räderwerk war eine Wanze geraten und lag zerquetscht darin.
„Johnny, ist es wahr? Sie starten morgen nicht?“
„Ich hab Urlaub genommen. In Familienangelegenheiten. Mein Bruder wird gehenkt.“
[S. 73]
In Wien lernte ich ein wunderniedliches Mädel kennen. Wir verstanden uns im Augenblick — und solang ich in Wien blieb — von Mittwoch früh bis Freitag abend, 9 Uhr 30 — waren wir Ein Herz und Eine Seele.
Als ich abreiste, nahm sie weinend Abschied.
Und sprach:
„Adieu, Herzischatz, adieu! Behalt mich in gutem Angedenken! Nie hab ich vorher geliebt, nie werde ich nachher lieben.“
Ich streichelte ihr bewegt das Haar.
„Und, Herzischatz, sei nicht bös, wenn ich dir ein kleines Andenken anbiete.“
Sie reichte mir drei silberbeschlagene Spazierstöcke.
„Mädi! Pfui! Wie darfst du dir Auslagen für mich machen? Und gleich drei Stöcke!“
„Oh, die kosten mich nichts — die hat man in der letzten Woche bei mir vergessen.“
„Fräulein — nicht wahr — Sie haben doch ein Kind von dem Marquis? Wo ist es denn geblieben?“
„Z’Haus hab ichs in einer Zigarrenschachtel.“
[S. 74]
Ein Gymnasiallehrer aus Leipzig war bei uns zu Besuch.
Wir gingen in den See baden und forderten ihn auf, mitzuhalten.
Er zierte sich.
„Das hätte ich vorher wissen müssen,“ sagte er.
„Aber warum denn, Herr Oberlehrer?“
„... Das erstemal im Jahr bade ich gern allein.“
Wenn ein Stück Erfolg hat, freut sich nur Ein Dichter.
Wenn es durchfällt, freuen sich alle.
Auf der letzten Redoute kriegte Doktor Groß Händel mit einem Studenten; tags darauf waren die Sekundanten da und drohten mit Pistolen.
„Meine Herren,“ sagte Doktor Groß, „vor vierzehn Tagen hätte ichs noch getan. Denn ich bin im Punkt der Ehre sehr empfindlich. Aber seither ist meine Tante gestorben. Und von einem so schönen Vermögen weg? — Nein.“
[S. 75]
Seine Königliche Hoheit geruhten, sich den Leutnant Grafen Saiblingen vorstellen zu lassen.
Der Prinz:
„Ha ... ha ... ha ...“
Der Leutnant — schmetternd:
„Zu Befehl, Kö’liche Hoheit!“
„Aber ... ich habe ... doch noch nichts gesagt. ...?“
„Dachte, Kö’liche Hoheit beabsichtigten zu fragen, ob ich schon mal nen Hamster geschossen habe.“
Unlängst ging ich von einer längern Vereinssitzung nach Haus und bemerkte eine einsame schlanke Dame knapp vor mir.
Natürlich hängte ich mich in sie ein.
Da fiel ein Schein Gaslicht auf sie, und ich ließ sie erschreckt wieder los.
„Ja,“ sagte sie wehmütig, „mir tuts auch sehr leid, daß ich schon so alt bin.“
Denkmal? Die einen brauchens nicht, die andern verdienens nicht.
[S. 76]
Im Kabarett zu vorgerückter Stunde. Ich kriegte Händel mit einem Studenten, der da zehn Flaschen Wein getrunken hatte und sich danach benahm.
Der Herr Kabarettdirektor ergriff Partei für meinen Gegner. Und ich hätte angefangen. Und man verbäte sich das. Dieses wäre ein Kunstlokal mit Andacht.
Ich bestellte drei Pullen Sekt.
Sofort schmiß man den Studenten hinaus.
Pfisterer, der Marinemaler, hatte Beziehungen zum Ministerium. Die gedachte er auszunutzen, um seine Kriegsflotte loszuwerden. Er bat Seine Exzellenz, den ‚Iltis‘ anzukaufen und als Staatspreis für die Yachtregatta zu stiften.
„Lieber Meister,“ sprach Seine Exzellenz, „als Staatspreis werden grundsätzlich nur Wertgegenstände gegeben — niemals Bilder.“
„Junger Mann — Sie sagen also, Sie sind vernünftig? Nun, die erste Aufgabe des Seelenarztes ist, Sie von diesem Wahn zu heilen.“
[S. 77]
Klagenfurt in Kärnten ist die Heimatstadt eines großen, großen Staatsmanns.
Als sein sechzigster Geburtstag herannaht, tauchen mannigfache Vorschläge auf, wie das Stadtkind zu ehren wäre; doch da eine starke Minderheit im Gemeinderat der Politik Seiner Exzellenz abhold ist, wird man über eine ehrende Depesche schwer hinausgehen können.
Selbst an dieser Depesche nörgelt die Opposition — bis endlich, nach langwierigen Verhandlungen, folgende Kompromißfassung zustande kommt:
„Genehmigen Eure Exzellenz die tiefergebensten Glückwünsche Ihrer in Liebe und Verehrung zugetanen Heimatstadt. Die hervorragenden Verdienste Eurer Exzellenz, die Ihren Namen weit über unsre Grenzen berühmt gemacht haben, erfüllen uns alle mit Stolz und Ergebenheit. Wir erwarteten aber bestimmt, daß Eure Exzellenz Ihre vaterlandsverräterische Tätigkeit nunmehr einstellen werden.“
Bei der Unsterblichkeit ist es wie auf der Straßenbahn: die wenigsten Passagiere fahren bis zur Endstation mit.
[S. 78]
In Berlin W., Ulmenstraße, spielte sich jüngst ein Unfall ab, der schreckliche Folgen hätte haben können, wenn die Beteiligten ihre Geistesgegenwart verloren hätten.
Ein Droschkengaul war scheu geworden und rannte quer durch das neugebaute Haus Nr. 60 in die benachbarte Maaßenstraße.
Infolge der heftigen Erschütterung fiel im vierten Stockwerk des beschädigten Hauses der Rentier Kuleicke vom Stuhl und störte die Leute zwei Treppen tiefer beim Mittagessen, indem er sich auf die Suppenterrine setzte.
Zum Glück war der Hauswirt besonnen genug, sofort auf den Dachboden zu eilen und helfend einzugreifen.
Denn — wär auch noch die schwere Hypothek eingestürzt, die auf Nr. 60 steht — die Hausbewohner hätten ihr Leben unter den Trümmern lassen müssen.
Der Bezirkskommissär Wyhlidal hat eine Braut. Täglich schreibt er ihr — täglich versichert er ihr, daß er sie wahnsinnig liebe.
Und unterstreicht das Wort ‚wahnsinnig‘ immer zweimal mit dem Lineal.
[S. 79]
Friedrich der Große wollte den Park von Sanssouci vergrößern, doch der Nachbar, ein Müller, gab seinen Grund und Boden für den vom König gebotenen Preis nicht her.
Erstaunt und empört rief der Große Fritz:
„Narr, der du bist! Wer wird dir mehr für deine elende Windmühle zahlen als ich, dein Herr, der König von Preußen?“
Und der Müller fest und bescheiden:
„Il y a des juifs à Berlin.“
kennt einen Satz, worin vierzehnmal ‚Mühsam‘ vorkommt:
„Mir is vor Mühsam mieß am Montag, mir is vor Mühsam mieß am Dienstag ...“
„Weib! Ich weiß, du bist mir untreu. Eines Tages werde ich dich ertappen, werde rasen, werde dich und ihn töten — und das Ende wird der Kerker sein ...“
Sie — lächelnd:
„Sei ruhig, Männchen — du wirst mich nie ertappen.“
[S. 80]
In manchen Staaten der Union ist das Verfahren der Ehescheidung ungemein ausgebildet.
Nach Dakota, zum Beispiel, braucht man nur zu depeschieren:
„Ankomme 7 Uhr 30 morgens. Mister and Mistreß Smith.“
Pünktlich um 7 Uhr 30 erscheint ein Standesbeamter auf dem Bahnsteig und übergibt Herrn und Frau Smith je eine Heiratsurkunde. Bei Herrn Smith ist der Name der zweiten Frau, bei Mistreß Smith der Name des zweiten Mannes offengelassen. Man kann ihn sofort hineinschreiben — der Beamte hat einen Tintenstift mit.
„Rätst du mir zu getrennten Schlafzimmern?“
„Gewiß — wenigstens, solang du noch Braut bist.“
Ein Satz mit ‚Furie‘:
Vurjen Freitag waren wir im Theater.
Ein Satz mit ‚Bestie‘:
Gestern hat mich meine Frau in flagranti ertappt.
[S. 81]
Meine Base, die Gertrud, war von Kind auf die eiternde Wunde am Körper unsrer Familie.
Mit vierzehn Jahren wußte sie durch schamloses Gebahren die Aufmerksamkeit eines Majors auf sich zu lenken, der gegenüber wohnte, und ließ sich von ihm zum Kaffee einladen.
Mit fünfzehn Jahren hatte sie ihr erstes Verhältnis, mit siebzehn ein Kind.
Dann sank sie immer tiefer in den Pfuhl der Sünde.
Jetzt ist sie dreißig Jahre alt und besitzt zwei Villen in Baden und ein dreistöckiges Haus in Wien.
Ein Verleger in Wien plante einen sensationell illustrierten Faust. Er wandte sich an Meister Pfisterer von der Sezession.
„Ja, hm,“ sagte Pfisterer, „kann i auswendi wissen, ob i ’n Faust illustrieren kann? Da müßt i eahm zerscht gelesen ham.“
[S. 82]
Fritz Megedow machte seiner Mutter, Exzellenz von Megedow, viel, viel Sorge.
Er verließ das Vaterhaus und trieb sich jahrelang, Gott weiß wo, umher.
Sogar in Argentinien soll er gewesen sein — direkt als Arbeiter.
In Paris war er jahrelang Koofmich und in London Agent.
Kurz: scheußlich.
Nun ist er endlich zurück und hat ein Fräulein Veilchenstein geheiratet.
Man kann, Jott sei Dank, wieder mit ihm verkehren — er lebt vom Gelde seiner Frau.
Wir waren auf Ankow zur Hochzeit geladen:
Kielows, Kerbows, die Malchensberger Pollnows ... kurz: halb Pommern.
Meine Frau teilte ein Zimmer mit der Braut.
Das Mädel wälzte sich schlaflos im Bett.
„Was ist dir denn, Trude?“ fragte meine Frau.
„Ach, ich soll doch nu morgen heiraten. Wie viel Schinken hat denn ’n Schwein?“
[S. 83]
Vor dem Strafgericht von Cadiz sollte ein deutscher Gymnasiallehrer Zeugenschaft ablegen.
Ein Dolmetsch für Deutsch war nicht aufzutreiben — man fragte den Zeugen, ob er sonst noch eine Sprache beherrsche.
Er sagte:
„Ich bin Lehrer für Französisch.“
Also holte man einen Franzosen.
Der Gymnasiallehrer schilderte nun den Hergang, dessen Zeuge er gewesen war — redete und redete ... Der Dolmetsch hörte zu und begann zu schwitzen und schwitzte endlich Bäche.
„Herr Richter,“ preßte er hervor, „ich fühle, der Herr spricht eine Art Französisch — aber — ich weiß nicht, was es ist — ich verstehe kein Wort.“
Da holte man eine Gouvernante herbei.
Die verstand das Französisch des deutschen Kollegen herrlich — sie hatte es auch aus dem Plötz gelernt.
„Ekelhaft dieses Leben auf dem Land! Keine Zeitung, überall frischer Luftzug. Sogar gute Betten gibts — nicht einmal ärgern kann man sich.“
[S. 84]
In Wien beriet jüngst ein Komitee über die Verleihung eines literarischen Preises.
„Wissen S’, meine Herren,“ sagte der Vorsitzende, „kan jungen Düchter geben mir den Preis nöt — denn wer waaß, was ’r no amal gegen d’ Regürung schreiben wird — daß er uns am End blamürt. Sondern dem Hofrat Hasenmichel geben mir den Preis, für seine ‚Vaterländischen Gedichte‘. Der is halb blöd, der wird sei Überzeugung sicher nimmer ändern.“
Wir sind auf dem besten Weg zur Bekämpfung des Krebses — eine Freudenkunde, die nur darum nicht überrascht, weil wir von unsern Ärzten nichts Geringeres erwartet haben.
Professor Tilow-Berlin hat hundert Patienten den Krebs künstlich eingeimpft, und es ist ihm nach jahrelangen Bemühungen gelungen, mit dem aus den hundert Patienten gewonnenen Serum ein Kaninchen zu heilen.
„In der Woche zwier — ich kann nicht anders — Gott helfe mir — Amen!“
[S. 85]
Als mein Oheim noch Bezirksadjunkt in Neutra war, stürzte eines Tages der Handelsmann Moische Affenhaut in die Kanzlei und schrie:
„Helfen Se, helfen Se, um Gottes willen, Herr Adjunktleben — draußen hat mä zwaa Jüden derschlogen.“
Mein Oheim winkte, und der Heiduck führte den armen Moische in den Kotter.
Nach einer Stunde ward Moische Affenhaut wieder vorgeführt.
„Nu, Moische,“ fragte mein Oheim, „wo sennen deine zwaa toiten Jüden?“
„Herr Adjunktleben — der aane bin iach, ün der andre ward jeden Augenblick kümmen.“
„August Junkermann hatte einen Schlaganfall.“
„Was ’ne Reklame für ihn!“
„Bei uns in der Familie hat jeder einen Sport: der Otto spielt Polo — der Ferdi sammelt Pfeifenköpf — un i bin Diplomat.“
[S. 86]
Solang sich Professor Kandeldorfer darauf beschränkte, sein philosophisches System mit Hilfe des alten Wortschatzes vorzutragen, kümmerte sich keine Katze um ihn.
Er fühlte das und änderte eines Tages seine Taktik.
Er nannte nun, was bisher Materie geheißen hatte, „die Quantitative“; Bewegung — „Ferment“; Absicht — „Logos“; Wille — „Exaltation“; Verstand und Vernunft zusammengenommen — „die psychische Vitalität“.
Heut ist Professor Kandeldorfer Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Ehrendoktor der Universitäten Oxford, Lissabon und Tiflis und wird demnächst gegen einen gleichwertigen amerikanischen Gelehrten ausgetauscht werden.
Eines Tages erhob sich der alte Rubens aus dem Grab und ging den Rubenssaal des Hofmuseums besehen.
„Ganz hübsch,“ sagte er. „Aber sagen Sie, Herr Musealdirektor: wer hat all das Zeug gemalt?“
[S. 87]
„Pasting,“ seggt John Tollin, „Se hebben dor sihr schön gegen den Alkoholgenuß spraken — äwer dat lett sick nich bestriden, dat de Alkoholgenuß ock sin goden Folgen hett.
Ick harr dor enen Matrosen up mine ‚Florida‘, Bob Janson, en utpicht Luder, weeten Se, de drünk sin Pint up enen Tog — dree morgens, twee an’n Middag un dree abends. En verfluchte Listung, weeten Se, een Imperial gallon Rum an eenen Dag.
Da förd nu mine ‚Florida‘ in ene Balje up — Ünnerwaterleck — un hurra, alle Mann int Boot. Bloot min leewe Bob Janson nich, dee wär to besapen, dat hee nich kunn.
Un wat meenen Se, wat dor geschüht, Pasting?
De Bargungsdamper kümmt un freut sick all up een Drüttel von de Ladung, wil de Besatzung, weeten Se, all weg is.
Un as nu allens schön verstäut is, da fallt min leewe Bob Janson ut sin Koje int koole Waater un waackt up un will mit sine Retters gahn.
Un dat Strandamt, weeten Se, hett seggt: Dat is keen Bergung na Artikel twintig — dat is en ganz gewöhnliche Hülplistung na Paragraf sößunddörtig, denn de Kahn weer doch vun de[S. 88] Besatzung nich verlaaten — un ick bün, dör Bob Jansons Pinten, mit dörtig Pund Hülpslohn davunkamen.“
„Da schminkt sie sich und donnert sich auf — daweil is s’ a Preißin.“
Unlängst wurde ich in Kissingen einem freundlichen alten Herrn vorgestellt und mußte ihm notgedrungen ein paar Worte sagen.
„Sind Sie ... schon lange hier?“ fragte ich.
„Das möcht sich mir wollen. Ich bin von Hälfte Mai.“
„Und ... bleiben Sie den ganzen Sommer über?“
„Da möchten wir uns gut haben — ich fahr morgen furt.“
„... Nach Rußland, nicht wahr?“
„Warum denn nach Rußland?“ rief er. „Ich bin doch Professor von daitscher Sprache af Prage Obrrgymnasium.“
„Es gibt zwei Brüder Skowronnek. Der andre hat Talent.“
[S. 89]
Ob Sanzeno war vom Monte Roen ein Tourist abgestürzt und wurde, arg zerschlagen, von barmherzigen Leuten nach Amblar gebracht. Nun hieß es, rasch einen Arzt beischaffen.
Aber woher?
Zum Glück erinnerte sich jemand, daß gestern abend im Hotel von Cavareno ein Arzt aus Dresden abgestiegen war. Und den holte man.
Er besichtigte den Verunglückten und sprach:
„Tja ...,“ sagte er, ... „wissen Se, ein Gutachten über Ihren Unfall gann ich Ihnen gern erstatten. Aber helfen gann ich Ihnen nich. Ich bin nämlich Gerichtsarzt.“
„Vorsicht ist die Mutter der Weisheit.“
Wenn sie aber wirklich die Vorsicht selbst wäre, wäre sie überhaupt nicht Mutter geworden.
„Sie leben in München? Kennen Sie da viele Dichter?“
„O — zum Beispiel Ludwig Thoma.“
„Kennen Sie auch Thomas Frau und Thomas Mann?“
[S. 90]
Auf dem Weg nach Rügen kamen wir in Berlin an, da gedachten wir eine Nacht zu bleiben.
Ich wollt unser Gepäck beheben, da zeigte sich, daß meine Frau den Aufgabschein verloren hatte. Wir hielten uns nicht weiter auf und fuhren ohne Gepäck ins Hotel.
„Nee,“ sagte der Portier, „Paare ohne Jepäck dürfen wa nich uffnehmen.“
Ich schlug Lärm und verlangte nach dem Wirt.
Er kam, ließ sich den Fall vortragen und zuckte die Achseln.
„Ick muß den juten Ruf von meenem Etablissemang wahren,“ sprach er. „So spät am Abend könn wa keen Zimmer jeben — an Paare, die wo nich wenichstens nen Hutkarton mithaben.“
Wir saßen auf der Terrasse des Kurhotels.
Die Salome aus Frankfurt betrachtete ihre Hände und sprach:
„Mä verwildert af ’n Land. Ich wer müssen zu ener Manikür nach München.“
Und der Professor aus Münster:
„Sachen Se, cheehrte Frau: chlauben Se denn wirklich an das Wahrsaachen aus der Hand?“
[S. 91]
Wir soupierten bei Pupp in Karlsbad, da erblickte ich im andern Saal ein Pärchen, das mir bekannt schien.
„Weißt du denn nicht —,“ sagte meine Frau, „— das ist doch Doktor Teimer aus Dresden — die hatten heute morgen Hochzeit.“
„Ah — richtig!“
Und wir gingen schlafen.
In der Nacht polterte jemand an unsre Tür.
Das war Doktor Teimer, ungeheuer erregt, und verlangte, meine Frau zu sprechen.
„Um Himmels willen, Gnädigste,“ rief er, „klären Sie meine Frau auf — sie heult und will zu ihren Eltern.“
„Ich blicke mit großer Besorgnis nach Berlin. Täglich kann von dort der lapsus belli kommen.“
„Ihr Dienstmädchen, Frau Rätin, kommt Sonntags immer erst so spät heim? Meins schon um neun Uhr abends.“
„Ah — eine Perle!“
„Nein. Aber meine Stiefel sind ihr so eng.“
[S. 92]
Prinz Theobald von Makedonien hat seine Umgebung schon so manchesmal in Schrecken versetzt: er stottert nämlich, und dadurch ergeben sich die unangenehmsten Mißverständnisse.
Unlängst war der Prinz unterwegs nach Paris. In Amstetten hielt der Zug, der Stationschef stand in Gala da.
Der Prinz ging auf ihn zu und sagte:
„I... i...ch be... be...schw..., i... i...ch be...schwere ...“
Der Beamte erbleichte.
Doch Seine Hoheit setzte leutselig fort:
„Ich beschwöre Sie, wo ist das Klosett?“
Junge hübsche Dame,
freidenkend und unabhängig, wünscht Briefwechsel mit älterm, reichen Herrn
— behufs Ehe. —
Zuschriften unter „Liebesglück 100“. Karte genügt. Komme sofort.
„Nicht jedes Mädchen fällt so rein.“
[S. 93]
Als ich nach Karlsbad kam, befragte ich Doktor Turner wegen meines Darmleidens.
Er verordnete mir sieben Mühlbrunnen.
Ich klagte ihm auch über meine Nieren.
„Sieben Mühlbrunnen,“ sagte er wieder.
Ich wollte weggehen und fand meinen Regenschirm nicht.
„Fehlt Ihnen noch etwas?“ fragte Dr. Turner ein wenig ungeduldig.
„Der Schi...“
„Trinken Sie noch sieben Mühlbrunnen!“
„Herr Direktor,“ sprach ich eines Tags zu Reinhardt, „bei all Ihrer Agilität verstehe ich nicht, wie Sie es fertigbringen, am 12. Mai in Helsingfors zu spielen und am 14. in Lissabon.“
„Sehr einfach,“ sagte Reinhardt — „ich habe im Kursbuch einige überflüssige Längen gestrichen.“
Der innerste Kern des Hasses ist die Furcht. Der Kater haßt die Maus nicht — mit ihr spielt er am liebsten.
[S. 94]
In Ischl lernte ich einen Herrn Wernicke aus Berlin kennen, einen feinen Beobachter und offenen Kopf.
„De janzen Alpen,“ sagte er mir eines Tages, „is der reene Mumpitz. Eene jrandiose Fremdenneppanstalt. Sehn Se, zum Bleistift, det Mächen da mit det Edelweiß! — Na, überhaupt det Edelweiß. Haben Sie so wat schon mal wachsen sehn? Ick nich. Un ick kann Ihn bloß sagen — ick, Wernicke aus Berlin: ene Blume Edelweiß jibt et jar nich un hat et ooch nie jejeben. En jeder intelljente Mensch muß et uff’n ersten Blick raushaben, det det Zeuch jar keene Möchlichkeit von ne Blume is. Edelweiß is de jesetzlich injetrajene Wortmarke for enen Industrieartikel — et wird in ene Fabrik in Plauen mit Maschinen aus dinnen Filz jestanzt un den Touristen in de Alpen als Blume anjedreht.“
In einem Vorort Wiens.
Ein Auto fuhr durch.
Zwei Bürger standen am Weg und blickten ihm sinnend nach.
Da sagte der eine:
„Wer aa wieder abkummen.“
[S. 95]
Ich schritt mit Dr. Leindl, dem Redakteur der Täglichen Nachrichten, über die Karlsbader Alte Wiese.
Da sagte Dr. Leindl plötzlich:
„Verzeihung, einen Augenblick ...“
„O — bitte, ich schließe mich an.“
Und wir bogen ab.
Als wir fertig waren, zahlte ich meinen Obolus.
Dr. Leindl aber zückte seine Brieftasche und legitimierte sich als Herr von der Presse.
Eine Dame aus Bonn war in Ägypten gewesen — nun schreibt sie ihre Eindrücke nieder.
Unglaublich interessant, zum Beispiel, eine arabische Schule:
„Nirgends ist wie bei uns eine Bank zu erblicken — mit gekreuzten Beinen hängen die Kinder an den Lippen des geliebten Lehrers.“
„Darf ich mich vorstellen, Herr Kommerzienrat?“
„Bitte — gern — wenn Sie kein Verwandter sind.“
[S. 96]
Der Großherzog von Weihburg-Dillingen ist ein ebenso hochherziger wie sparsamer Souverän.
Als unlängst der pensionierte Oberhofsilberbeschließer Gerstel seinen hundertsten Geburtstag feierte, schlug der Minister vor: das Ruhegehalt Gerstels um hundert Mark zu erhöhen.
„Nein,“ sprach Seine Hoheit. „Hundert Mark wäre wenig vornehm. Wir erhöhen das Ruhegehalt um tausend Mark — dann trifft den alten Mann vor Freude der Schlag, und wir brauchen überhaupt nichts zu zahlen.“
Glückliches Habsburg! Als Karl VI. starb, gab es eine einzige Habsburgerin — Maria Theresia. Jetzt gibt es hundert. Nach aber 180 Jahren wird es 10000 geben.
„Sie, was is denn das für eine Maschine?“
„Das? Eine gewöhnliche Strampftatzensalve — eh, Stratzwampenfalze — nein, eine Wandstrafensalze, Paßstrampfenschwalbe — eine Staatstrampfenbalze — eine Straftanzenfalbe, Strampfpatzensalbe — Donnerwetter noch einmal — eine Dampfstraßenwalze.“
[S. 97]
In Esseg war einmal feudaler Ball — Kirchenbau mit entblößten Rückenwirbeln und einer angenehm parfümierten Gräfin im Komitee.
Zwei Jünglinge hatten sich den Rummel einige Zeit betrachtet, langweilten sich und sprachen zueinander:
„Weißt du was? Gehen wir lieber zur Lustigen Kreatur!“
Und holten die Überzieher.
Er regnete in Strömen. Zum Glück war ein Wagen da, ein halbgedeckter.
„He, Kutscher!“
Der Mann rührte sich nicht.
Die Jünglinge ehrten seinen Schlaf, setzten sich unters Dach, ergriffen die Zügel und kutschierten los.
Nun stand der Wagen vor der Lustigen Kreatur, und alle, die das Lokal verließen, fanden den Regen infernalisch und weckten den Kutscher.
Er antwortete regelmäßig:
„I kann nöt. I wart auf’n Herrn Kanonikus Krauthappel.“
Die Affäre war dem Herrn Kanonikus, als er davon erfuhr, sehr unangenehm.
[S. 98]
So oft ich ein Konzert besuchte, fiel mir ein alter Herr mit schönem, eisgrauem Haar auf. Er saß regelmäßig in einer der vordern Reihen, und vom ersten Bogenstrich an, vom ersten Tastenschlag hielt er, bis der Schlußakkord verklang, mit gesenkten Blicken still.
Unlängst lernte ich ihn zufällig kennen.
„Sie lieben wohl die Musik über alles?“ fragte ich ihn.
„Nöh. Nicht im geringsten. Ich bin überhaupt nicht musikalisch.“
„Aber Sie fehlen doch in keinem Konzert —?“
„Tjah — weil ich Musikreferent der Wiener Nachrichten bin.“
„Wir haben jetzt zwei große Parteien im Land: eine Regierungspartei und eine Opposition. Die Regierungspartei besteht aus Seiner Durchlaucht, unserm erhabenen Reichsverweser — die Opposition aus den Untertanen Seiner Durchlaucht.“
[S. 99]
Georg David Schulz und ich veranstalteten einmal in Berlin einen Wohltätigkeitsabend. Da brauchten wir vor allem Leute, die uns Billetts abnehmen.
„Keine Sorge,“ sagte Schulz. „Wir wenden uns an die alte Lewi, Kommerzienwitwe — die kauft sicher zwanzig Karten zu zwölf Mark.“
„Gut. Aber man muß den Leuten für ihr Geld doch auch was bieten?“
„Keine Sorge! Schreib einfach der Carmencitta. Nenn sie eine südliche Zaubergestalt und bitt sie, einen ihrer berückenden Fandangos zu tanzen.“
Ich schrieb.
Carmencitta antwortete eisig kühl: sie könne unmöglich kommen und sende anbei zehn Mark für unsre Kasse.
Der andre Brief, von Frau Lewi, lautete:
„Meine Herren! Ich bin einundsiebzig Jahre alt. Deklamieren will ich in Gottes Namen — weil es zugunsten der Armen ist. Aber einen Fandango — das können Sie nicht von mir verlangen.“
[S. 100]
Wir Kinder liebten unter allen Verwandten am meisten unsern Onkel Balthasar. Er war ein wunderschöner alter Herr, weiß wie ein Lamm, und hatte kobaltblaue Augen.
Mit Tante Berta war er immerzu im Krieg. Sie sparte gern mit Licht — und er wollte vier Lampen brennen haben — eine im Flur, zwei im Schreibzimmer und eine im Salon. Darüber grämte sie sich jeden Abend, vierzig Jahre.
Eines Abends, Tante Berta war vor Zorn weggegangen, saßen wir bei Onkel Balthasar und seinen Lampen.
„Eh,“ hatte er eben gesagt, „bei euerm Vater hab ich einmal einen Gansbraten ge...“
Und blieb mit offenen Augen still.
Da kam eine Fliege, setzte sich ihm auf die Pupille und spazierte unverfroren im Kreis umher.
Wir rüttelten ihn — er war mausetot.
Husch — liefen wir um die Tante.
Wir fanden sie am andern Ende der Stadt und sagten ihrs.
„Kinder,“ rief sie, „ich kann nicht, mir ists in die Glieder gefahren. Aber rennt ihr geschwind nach Haus und löscht die Lampen aus!“
[S. 101]
In Gumbinnen wollten sie einmal den Biberpelz aufführen.
„Nee,“ sagte der Polizeigewaltige, „en Stück, wo drin en Amtsrichter lächerlich jemacht wird, könn wa nich erlooben. Sie haben die Wahl, Herr Theaterdirektor: entweder Se machen aus Wehrhahn ’n bürgerlichen Refrendar: denn können Se det Stück vor jeladene Jäste jeben. Wollen Se aber ne öffentliche, richtiche Aufführung haben, denn müssen Se Wehrhahn schon als jüdischen Rechtspraktikanten spielen lassen.“
Die Kaiserin ist in Tränen aufgelöst.
„Was fehlt Ihnen, Majestät? Die Heere Ihres Gemahls haben gesiegt — treu und liebeglühend ist er in Ihre Arme zurückgekehrt — Zehntausende haben Ihnen gehuldigt ...“
„Ja, aber hinten stand ein halbblinder Bettler, der hat nicht einmal nach mir geguckt.“
„Sie reisen diesen Sommer nach Europa, Miß Ellis?“
„Nein. Papa verträgt nicht den Armeleutgeruch der europäischen Finanzwelt.“
[S. 102]
Die Fürstin Möllstorff läßt die Tochter ihres Portiers erziehen — das Mädel soll dereinst mal Kammerjungfer werden.
Eines Tages kommt der Portier mit einer Bitte.
„Eure Durchlaucht,“ sagt er, „wann S’ halt die Gnad hätten und taten mei Tini aa franzöisch lerna lassen.“
„Aber, lieber Johann, Französisch braucht sie doch nicht?“
„O ja, Durchlaucht. Segen S’, Durchlaucht, ewig kann s’ net Kammerjungfer bleiben — aamal muß s’ zu was besserm kummen. Un wann s’ a Maitresse werden will, braucht s’ französisch.“
„Du, Papa, was ist das?“
„Das ist das preußische Wappen.“
„Und warum tragen die beiden Männer Bruchbänder von Eichenlaub?“
„Der Kerl bestiehlt mich offensichtlich — er plagiiert auch Beardsley.“
[S. 103]
Vor sieben Wochen schrieb mir Herr von Zakrzewski: er bitte dringend um meine Pistolen — es handle sich um eine Ehrenangelegenheit.
Ich wollte nicht — aber: konnt ich Nein sagen? Ich schickte ihm die Pistolen.
Heute bin ich dem Kerl endlich begegnet.
„Na, Herr v. Zakrzewski? Wie steht die gewisse Angelegenheit?“
„Panje — ausgetrjaggen. Ljääängst ausgetrjaggen. Unjsr Geggnr tott.“
„Um Himmels willen —!?“
„Er chatt sichj geknjiffen. Morrallisch tott.“
„Und meine Pistolen?“
„Behalte ichj zu Anjdenken an verehrten Totten.“
„Wenn man an der Riviera billig leben will, muß man sich die Weiblichkeit von zu Haus mitbringen.“
„Herr Paster, die Traurede war sehr schön. Sie dürfen dafür zwei Stuten zu meinem Hengst schicken.“
[S. 104]
Als ich in Bosnien diente, wollt mich der Hodja Hadji Hafis Selim zum Islam bekehren.
„Anders,“ sagte er, „wirst du nicht in den Himmel kommen, Effendim. Es führt eine Brücke dahin, schmal wie eine Messerschneide und bogenförmig. Fünfhundert Jahre gehst du hinan — fünfhundert darüber — fünfhundert hinab — dann erst bist du im Paradies bei Muhammed.“
„Hodja, wann ist Muhammed gestorben?“
„Nach eurer Zeitrechnung: 632.“
„Hör mal — dann ist er ja selbst noch gar nicht drüben?“
Demeter Jopatz ist um drei Zoll gewachsen, seit er Trambahndirektor ist. Mit den meisten Menschen redet er überhaupt nicht mehr, und die wenigen, die er noch einer Anrede würdigt, schnauzt er französisch an.
Er hat sich auch neue Visitenkarten drucken lassen:
„Démétrius Yopâse,
Directeur des chemins de fer de Topchidère à
Belgrade et retour.“
[S. 105]
Wenn im Mai der Schnee auf den Bergen schmilzt, setzt sich der Fremdenstrom in Bewegung, und die jungen Damen aus Hannover erscheinen in den Alpen.
Erstaunt sehen sie das Lenztreiben auf dem Bauernhof mit an — besonders gewisse Vorgänge in der Tierwelt erwecken die Neugier.
Und die Bäuerin, von naiven Fragerinnen bestürmt, errötet schämig.
Bäuerin, du mußt nicht verlegen sein! Es gibt ein Buch, das dir aus der Klemme hilft. Der Lizentiat Bohn hat es verfaßt unter dem Titel:
„Wie sage ichs meinen Sommergästen?“
„Ja — ja, en Abenteuer macht den Abend teuer — un bei een Vahältnis stehn de Kosten in jar keen Vahältnis.“
„Unsre Herrscher verdanken ihren Thron immer einer verdienstlichen Tat: sie haben der Regierung des erlauchten Vorgängers ein Ende bereitet.“
[S. 106]
Nuttinger war von Kindheit auf verrückt — später, als die Familie zu Geld kam, nannte mans eine Nervenkrise und steckte ihn ins Sanatorium.
Darin stak er lange.
Eines Tages brach er aus, ging Unter den Linden spazieren und schrie, er wäre der Dalai-Lama.
Daraus erwuchsen der Familie zahlreiche Unannehmlichkeiten. Denn das Amtsgericht III zu Berlin verurteilte den Nuttinger wegen unrechtmäßiger Beilegung eines Amtscharakters.
Kellers kleiner Richard ist ein wahres Wunderkind. Er kann schon ein ganzes Stück vom ‚Lied von der Glocke‘ auswendig. Und deklamiert:
Der gesellschaftliche Verkehr ist ein Austausch von Vorurteilen und Halskrankheiten.
[S. 107]
Als mir die Ärzte allesamt nicht zu helfen wußten, ging ich mit meinem Beinleiden zu Kuhne nach Leipzig.
Kuhne in Leipzig ist ein wahrhafter Heilkünstler, Naturheilkünstler, und diagnostiziert aus den Augen.
Er sah mir in die Augen und sprach:
„Entzündung des linken Kniegelenks.“
Und gab mir Kräuter. Und sagte, ich solle nach einer Woche wiederkommen.
Ich kam wieder, zeigte ihm mein Bein, da meinte Kuhne:
„Kurzsichtig rechts — vier Dioptrien.“
Und gab mir wieder Kräuter.
Ein wahrer Künstler, ein Naturheilkünstler. Schade, daß ich die beiden Kräuter verwechselte. Ich wurde kurzbeinig rechts und bekam eine Entzündung des linken Auges.
„Fräulein Rose, ich biete Ihnen Herz und Hand fürs Leben.“
„Aber Sie sind doch verheiratet?“
„Ich werde mich scheiden lassen — Sie können solang auf dem Diwan schlafen.“
[S. 108]
pflegte nicht viel Federlesens mit Weibern zu machen.
Eines Tages lernte er Frau Katz kennen, die ihren Namen vollauf verdiente. Und unterbreitete ihr einen Vorschlag.
„Was??“ schrie sie pantherwild — „Sie frecher Mensch! Wie können Sie sich das mir gegenüber erlauben? Meinen Sie, ich bin die Frau Schöller?“
„Ich danke,“ antwortete Nuber leise.
Und ging.
Nämlich: zu Frau Schöller.
Die war noch viel empörter.
„Unverschämter Kerl! Wer sind Sie denn? Wie dürfen Sie so was wagen?“
„Entschuldigen Sie,“ sprach Nuber, „Frau Katz hat mir ausdrücklich gesagt: bei Ihnen darf ichs.“
Wenn einer uns nichts zu sagen hat, tut ers in Versen. Hat er aber gar nichts zu sagen, schreibt ers im Dialekt.
— — — Schade, daß Beaumarchais das schon vor mir entdeckt hat.
[S. 109]
Eine Freundin meiner Frau ist in Paris gewesen und hat uns was mitgebracht. Es steckt in einem Juchtenetui, die Firma eines Juweliers darauf — was mag es sein?
Ein Schuhlöffel und ein Stiefelknöpfer mit phänomenalen Silbergriffen.
Als sich meine Frau drei Fingernägel damit gebrochen hat, beschließen wir, das Ding weiterzuschenken. Am besten Hutterers — denen sind wir ohnehin was schuldig.
Hutterers laden uns dafür zum Mittagessen. Das Schuhbesteck prangt in der Salatschüssel.
„Schatz, wenn wir einander im Gedränge verlieren sollten: ich heiße Gertrud.“
„Segen S’, mir brauchen ka Barometer nöt; wann der Luftdruck sinkt, stinkt unser Abort.“
„Ihr Decolleté ist vielleicht zu tief, Lydia.“
„Bei mir richtet sich das je nach dem wärmern oder kühlern Vetter.“
[S. 110]
war Witwer und hatte eine Bonne für sein Kind.
Die Bonne war kokett wie ein Stieglitz, ausgelassen und auffallend.
Hollinger ist ein guter Kerl — er tat nichts dagegen.
Da kam seine Tante und sagte ihm:
„Mein Lieber, das geht nicht — du mußt die Bonne entlassen. Jeder Mensch meint, du hättest ein Verhältnis mit ihr.“
Hollinger ist sehr schwer von Entschlüssen. Er sagte, er wolle sichs überlegen.
Überlegte sichs drei Tage — und am dritten fing er das Verhältnis an.
„Die größten Portionen, sag ich Ihnen, kriegt man beim alten Postwirt. Wenn man da einen Rehrücken bestellt, tischen sie einem eine ganze Ziege auf.“
„Sö wollen a Modell sein, Fräulein? Stellen S’ Ihnen net a so prärafaelitisch her — sonst komm ich Ihnen gleich mit der Radfahrpumpe.“
[S. 111]
„Herr Direktor,“ sagte des Fräulein, „ich bitte um ein Engagement in Ihrem Theater. Ich habe noch nie gespielt, doch ich verfüge über wundervolle Toiletten. Ich beanspruche auch keine Gage, denn ich habe — im Vertrauen gesagt — einen millionenschweren Verehrer.“
„Fräulein,“ erwiderte der Direktor, „ich kann Sie nicht engagieren, denn ich bin komplett. Aber ...“ — er schritt auf und ab und überlegte — „wissen Sie was? Ich bitte um Ihre Hand.“
„Was können Sie uns zu essen geben, Frau Wirtin?“
„Oh, mir haben alles, Sö brauchen nur anzuschaffen. Da haben mir Rindsbraten — aber der ist noch net braten. Dann haben mir sauern Aal — der is noch net sauer. Un frischen Aal — der is net mehr ganz frisch ... Möchten S’ vielleicht a Butterbrod, wann mir a Butter haben taten?“
Zehn Helden entstehen, indem sich immer einer vor den neun andern seiner Feigheit schämt.
[S. 112]
Der Herr Redakteur plauderte:
„Mit der dichterischen Inspiration is das so ne Sache. Man muß ein wenig nachzuhelfen wissen. Ich, zum Beispiel, arbeite nur bei Nacht. Aber wenn mir um neun nicht gleich was einfällt — ich gebe den Abend noch lange nicht verloren. Nehmen wir den Fall mit gestern: Ich setze mich um neun hin — nichts. Da nehme ich den ersten Kognak. — Nichts. — Ich nehme den zweiten Kognak. — Nichts. — Ich nehme den dritten, den vierten Kognak. Endlich um Mitternacht — der Abend war gerettet.“
„Da ist Ihnen eine Dichtung geglückt?“
„Nö. Aber fünfzehn prachtvolle Kognaks hatte ich getrunken.“
Jüngst frühstückte ich mit meiner Frau auf der Halenseer Terrasse.
Wir schrieben auch eine Ansichtskarte — ich ging, sie zur Post bestellen.
Da, als ich wiederkam, fand ich meine Frau nicht vor. Sie hatte den Platz gewechselt.
Der Kellner sagte mir leise:
„Das gnädige Verhältnis befindet sich weiter vorn.“
[S. 113]
Frau Bamberger — fünfunddreißig Jahre alt, geschieden, israelitisch — stand uns beim Tennis so im Weg, daß wir beschlossen, ihr einen Kavalier zu suchen.
Ich nahm meinen Neffen vor und sprach zu ihm:
„Egon, du bist nahezu akademischer Bürger. Ich werde dich mit einer scharmanten Dame bekannt machen.“
Er ist eine verschlossene Natur und durch den Verkehr mit sich selbst etwas scheu.
„Was soll ich mit ihr?“ fragte er unmutig.
„Du sollst ihr den Hof machen, sie wird dir sehr dankbar sein.“
Frau Bamberger nahm den jungen Mann mit sichtlichem Behagen in Empfang und schwenkte mit ihm in die Kirchholzanlagen ab.
Ich war neugierig. Brennend neugierig. Die Bekanntschaft mit der Frau — das mußte doch ein historisches Erlebnis für Egon werden.
„Na,“ fragte ich ihn am Abend, „was sagst du zu Frau Bamberger?“
„Deutsch gut. Französisch befriedigend. Englisch minus kaum genügend.“
[S. 114]
Die Unionbank in Petersburg hat eine eigene Polizei eingerichtet, um sich vor räuberischen Überfällen zu schützen.
In einer schlaflosen Nacht fiel dem Direktor ein: ob denn die Bankpolizei auch etwas tauge?
Und er beschloß, sie auf die Probe zu stellen.
Er verkleidete sich und stürzte, mit einer Pistole in der Hand, in den Hauptkassenraum.
Die Polizei taugte nichts. Sie sah müßig zu, wie der verkleidete Direktor zwei Milliarden Rubel davontrug.
Seither fehlt jede Spur von ihm.
Leutnant Nikolaj Serafimowitsch erhält die Einberufung auf den östlichen Kriegsschauplatz.
„Verdammt,“ ruft er — „und ich Esel hab gestern alle meine Schulden gezahlt!“
„Denken Sie sich — dieses Glück! Meine Wachtelhündin wirft mir gestern vier Welpen — einen echten Leonberger, einen prachtvollen Mops und zwei reinrassige Dackel.“
[S. 115]
Der Gouverneur von Moskau sollte eine Fahrt auf der Wolga machen.
Große Verlegenheit: wo einen zuverlässigen Kapitän hernehmen?
Man mietete einen Engländer.
Der Engländer ließ die Kessel heizen — die Siederohre platzten, der Dampfer geriet in Brand.
Man wollte löschen — die Feuerspritze funktionierte nicht.
Man setzte das Rettungsboot aus — es lief voll Wasser.
Man packte den Gouverneur in einen Rettungsring — der Ring versank.
Man warf ihm ein Tau vom Ufer zu — das Tau riß.
Der Gouverneur ging unter.
Zum Glück war er kein echter Gouverneur gewesen, sondern ein Hochstapler.
Für sechs Uhr abend hatten sich die beiden Gärbers angesagt. Ich sah sie auch schon über die Straße kommen — beide höchst elegant, im Frack.
„Papa, Papa,“ schreit mein Kleiner draußen, „zwei Oberkellner sind da in Uniform.“
[S. 116]
Der alte Strakosch war mit einem wunderhübschen Mädchen, seiner Tochter, nach Berlin gekommen und stieg im Hotel Seidenberg ab, erster Stock.
Tags darauf kam der junge Strakosch mit seiner Schwester an und mietete sich ahnungslos im Hotel Seidenberg ein. Belleetage.
Am nächsten Mittag begegneten die vier einander.
Vater und Sohn erkannten sich sofort.
Die beiden Damen mußte man gegenseitig vorstellen.
Salomon Trompetenschleim bringt einen Brief an seine Braut zur Post.
„Da gehören noch fünfzig Pfennig drauf,“ sagt der Beamte, „das sind keine Geschäftspapiere.“
„Wie heißt — ä Brief an meine Braut keine Geschäftspapiere? Bin iach ä romantische Natur?“
[S. 117]
Ich besuchte meinen Onkel in seinem Parfümerieladen.
Da trat eine elegante Dame ein, kaufte einen Flakon zu hundert Mark und stahl — ich sah es deutlich — noch fünf andre Fläschchen.
„Onkel ...“ begann ich erregt, als sie gegangen war.
Er winkte ab.
„Laß man,“ sagte er. „250 Prozent sinn ooch en janz en scheener Reinjewinn.“
Die Heilsarmee hält Gottesdienst auf freiem Feld, mitten im Bergwerk.
Miß Young ist verzückt.
„Andächtige,“ ruft sie — „gestern noch schlief ich in den Armen des Satans. Heute ruhe ich am Busen des Engels ...“
Paddy, der besoffene Ire:
„Und für morgen, Jungfer — seid ihr da noch frei?“
„An meinen Kindern freut mich nur eins: die Gouvernante.“
[S. 118]
Unlängst lernte ich im Eisenbahnwagen ein Ehepaar Kunze aus Berlin kennen — er soll ein sehr berühmter Romanschriftsteller sein.
Wir sprachen von allerlei. Die Frau langweilte sich und zog ein Buch hervor, darauf stand groß und breit der Titel: ‚Die bleiche Gräfin.‘ Von Schmöcksdorf.
Da sagte Herr Kunze indigniert:
„Laura,“ sagte er, „Laura, ich verstehe dich nicht. Wie kannst du Reklame für andre Autoren machen?“
„Gestern — das muß ich dir erzählen — gestern hätte ich um ein Haar ein Duell gehabt.“
„Ah!“
„Ja. Kommt da auf einmal sporenklirrend ein kolossaler Dragonerleutnant grade auf mich zu ..“
„Und du?“
„Ich ... bin im letzten Moment weggesprungen.“
„Ich schwöre, mein Gaul kostet 250000 Em. — Auf 180000 Em geb ich fast Ehrenwort.“
[S. 119]
Der alte Moritz Vorderfuß ist ein sehr bequemer Mann. Wenn er sich seine lange Pfeife gestopft hat, muß immer eins von seinen Kindern bereitstehen und sie ihm anzünden. Heut ist die Reihe an Rosa, der Ältesten.
„Rosa,“ mahnt der Alte, „wo bleibt der Fidibus?“
„Laß mich doch, Papa! Siehst du nicht, daß ich studiere?“
„Rosa, mach mir e Fidibus und werd um fünf Minuten später Dokter!“
„Es war der schrecklichste Moment meines Lebens, Otto, als ich deinen Absagebrief bekam. Ich wollte mich erschießen — doch ich hatte kein Geld, mir einen Revolver zu kaufen.“
„Liebste, hättest du mir nur ein Wort gesagt ..“
„Die Korpulenz hat auch ihre Annehmlichkeiten. Meine Frau, zum Beispiel, setzt sich in die Wanne — dann gießt das Dienstmädchen einen Teekessel Wasser über sie — und das Vollbad ist fertig.“
[S. 120]
Festvorstellung in der Wiener Hofoper.
General Lindemann hat einen schlechten Parterresitz bekommen und ärgert sich darüber sehr. Wie immer, denn er ist ein grober General.
Er setzt sich kurzweg, eigenmächtig auf einen bessern Platz — in die erste Reihe.
Dieser Platz gehört einer Hofmätresse.
Sie kommt, tippt dem General mit dem Fächer auf die Schulter und flötet:
„Lieber Lindemann — Kavaliere pflegen Damen den Vortritt zu lassen.“
„Liebe Jenny,“ erwidert General Lindemann, „das hat mit unserm Fall nix zu tun. Sie sein kein Dame, und i bin ka Kavalier.“
„Maanst dü, daß der feine Herr, was is mit üns gefahren, war ä Jüd?“
„Natürlich — sonst hätt ers doch nix äso lebhaft abgeleugnet.“
„Als geistig normal haben wir jene Individuen zu bezeichnen, welche alle geistige Anomalien in richtiger Mischung vereinigen.“
[S. 121]
Pastor Wuckereit von Klein-Nustago hat eine Filiale in Ellistfer — da muß er jeden zweiten Sonntag predigen.
Einst war er wieder dahin unterwegs. Die Ellistferschen erwarteten ihn an der Straßenkreuzung und schlossen sich ihm an.
Ein heißer Tag — bis zur Kirche zwei Berge, und der Weg ohne Schatten.
„Err Baster,“ sprach Jürri Koiw, „zu fas weit gehen? Alten Sie Bredig ier an Stelle.“
Warum auch nicht? — Pastor Wuckereit erstieg ein Hügelchen und redete. Ergriffen hörtens die Ellistferschen und die andächtige Landschaft.
Minder erbaut aber war das Konsistorium, dem man die Sache hinterbrachte. Es zog den Pastor zur Verantwortung.
„Ich habe getan wie unser Herr Jesus Christ — auch er hat auf den Bergen und im Tal gepredigt.“
„Herr Amtsbruder,“ sprach der Oberkonsistorialrat, „wir sollen aber unsern Herrn Heiland nur in seinen guten Werken nachahmen.“
[S. 122]
Wagner aus Chemnitz hat eine Badehütte ergattert — die einzige in Maderno. Er ist sehr stolz darauf.
„Aber —,“ sagt er dem Padrone am nächsten Tag, „— in der Badehütte riechts so schlecht ...“
Der Padrone erklärt:
„Es riecht so schlecht, weil unter meiner Badehütte alle Kloaken von Maderno zusammenlaufen. Und bei dem lebhaften Fremdenverkehr ... Sie verstehen? Trösten Sie sich, Signor Wagner: in vierzehn Tagen sind die Fremden weg, dann riecht die Badehütte viel weniger.“
„Wer ist die schöne große Frau?“
„Lyrikerin aus München. Der Herr, der mit sie geht, wird von ihr zum Mann gehabt.“
„Komische Stimmung bei so’ner Uraufführung: lauter Leute vom Bau im Zuschauerraum, das Theater verdunkelt ...“
„Das geschieht mit Rücksicht auf den Verfasser — damit er nicht die schadenfrohen Mienen der Konkurrenten sehen muß.“
[S. 123]
Die Drosedower, treue Pommern, wollten einst dem Kaiser Friedrich ein Denkmal errichten und bezogen auch eins — von Moritz Köpenicker & Sohn in Leipzig-Plagwitz — zwei Meter hoch, edelste Bronze und garantiert unverwüstlich.
Leider kriegten sie nicht die Bewilligung zur Aufstellung.
Da sprach Willem Strehlow, der Kirchenälteste:
„Wißt ’r wat?“ sprach er — „wenn wa ’n Kaiser Friedrich nich ufstellen dürfen — nu, denn lassen wa ihm vom Klempner ’n Hut machen — denn is et der Turnvater Jahn.“
„Erlauben Sie, Gnädigste, daß ich Ihnen die Herrschaften vorstelle: meine Braut, die Frau Konsul — ihr Gemahl, der Herr Konsul — und ihr Freund, der Herr Vizekonsul.“
Der selige Baron Mundy hatte es immer sehr eilig. Wenn er ins Wirtshaus kam, rief er schon an der Tür:
„Kellner! Suppe, Fleisch, Gemüse, Mehlspeis, zahlen!“
[S. 124]
Eine Empfindlichkeit, die mit Hilfe unsrer physikalischen Gesetze nicht mehr erklärt werden kann, zeigt das Auto des Doktors Schachinger zu Neusiedel am Inn.
An jedem Ersten eines Monats versagt der Wagen ohne ersichtlichen Grund den Dienst, und kein Mechaniker vermag zu helfen.
Erst wenn der Gerichtsvollzieher dagewesen ist oder Doktor Schachinger die fällige Autorate durch gütliche Übereinkunft prolongiert hat, stöhnt der Motor befriedigt auf und funktioniert plötzlich wieder.
Der Oberst:
„Ich habe Ihnen schon viele — sagen wir: lose Streiche verzeihen müssen, Herr Leutnant — was Sie aber jetzt wieder angestellt haben, übersteigt alle Grenzen. Wie kommen Sie dazu, Anzeigen über Ihr Ableben zu verbreiten?“
„Habe meine Gläubiger ein wenig schrecken wollen, Herr Oberst.“
„Ich habe die sanften Frauen satt. Ich suche mir jetzt eine strenge, aber gerechte Masseuse.“
[S. 125]
Die Landsmannschaft Hercynia feiert ihr Stiftungsfest.
Beim Kommers hat der älteste Alte Herr den Vorsitz übernommen und gebietet Silentium.
Alles schweigt ehrfürchtig und gespannt.
Doch der Alte Herr rührt sich nicht.
Minuten vergehen in peinlicher Stille — man sieht einander befremdet an.
Endlich wagt einer der Festteilnehmer, dem Präsidenten zuzuraunen:
„Bitte, wenn Sie nichts zu sagen haben: heben Sie doch wenigstens das Silentium auf.“
„Ich möchte ja,“ sagt der Alte Herr verzweifelt. „Aber ich habe vergessen, wie das Gegenteil von Silentium heißt.“
Angermeyers haben eine sonderbare Köchin, die Leni. Sie ist links zwölf Jahre jünger als rechts und hinten größer als vorn.
Eines Sonntags bittet sie um Urlaub — sie wolle, sagt sie, tanzen gehen.
„Sie ...? ... tanzen?“ fragt Frau Angermeyer verblüfft.
„Oh, gnä Frau, in der Stadt trifft sich auf a jeds Madel,“ ruft Leni mit glühenden Wangen.
[S. 126]
Kandidat Schwämmlein, der Erzieher des jungen Grafen, erteilt auch dem Komteßchen Unterricht.
Einstens sucht er die stillste Klause des Schlosses auf.
Er findet sie unverschlossen.
Als er aber öffnet, sitzt Komteßchen drin und haucht errötend: „Pardon!“
„Komtesse,“ lehrt der Herr Kandidat, „in diesem Fall habe ich Pardon zu sagen. Sie antworten nur: ‚Ich bitte, Herr Kandidat‘!“
„Er hat sich für einen polnischen Grafen ausgegeben — und Sie haben ihm das ohne weitres geglaubt, Amelie?“
„Gott, ich hab mir gedacht: wann er wirklich ein Hochstapler wär, hätt er sich doch nicht für einen polnischen Grafen ausgegeben.“
„Sie wollen mich nicht erhören, Fräulein?“
„Lassen Sie mir doch Zeit, zu überlegen! Eine Verlobung ist ja keine Kleinigkeit — sie entscheidet oft über das Schicksal von Monaten.“
[S. 127]
Unsre Tante hat unglaubliche Taschen. Wenn sie ihr Geldbörschen vorholen will, muß sie ihre ganze Hinterfront durchstöbern.
Eines Tages verlangte das Söhnchen fünf Mark von ihr für Schokolade — Tantchen aber mochte vor der großen Gesellschaft nicht auf die Suche nach ihrer Tasche gehen.
„Später, Kind!“ sagte sie. „Ich habe jetzt kein Geld bei mir.“
Darauf der Kleine:
„Du hast schon, Mama — greif nur in ’n Popo.“
Ich weiß nicht mehr, wo es war — da wollten sie eine Hohenzollerneiche pflanzen.
„Nein,“ sagte einer von den Vaterlandslosen, „das Andenken an die glorreiche Regierung unsres erhabenen Herrschers wird besser durch einen Trompetenbaum versinnlicht werden.“
„Sind eure Möbel auch solid?“
„Ich glaube schon. Allerdings — heute habe ich eine Postkarte auf den Bücherschrank gelegt — da hat er etwas gekracht.“
[S. 128]
In Salzburg machte sich jüngst ein Mann verdächtig, weil er mit einer jungen Dame reiste. Man dachte, er wäre ein Mädchenhändler.
Er hatte keine Legitimation bei sich, behauptete aber, einen Gasthof in Berlin zu besitzen.
Die Salzburger Polizei erkundigte sich telegraphisch nach der Natur dieses Gasthofs.
Nachmittag traf aus Berlin die Auskunft ein:
„Angefragtes Restaurant hochanständig, in selbem verkehren Israeliten und Offiziere.“
Es gibt kein schlechtes Wetter — es gibt nur gute Kleider.
Harro, unser Söhnchen, hat seine erste Hausaufgabe zu machen: einen einfachen Satz zu bilden und ins Heft zu schreiben.
Harro fleht uns um Hilfe an, doch wir, die hartherzigen Eltern, verweigern sie; er solle sich helfen, wie er kann.
Als er schlafen gegangen ist, schlagen wir sein Heft auf und finden darin den „einfachen Satz“. Er lautet: „Meine Frau ist wasserreich“.
[S. 129]
Die alte Baronin Mohrenfeld ist verrückt eifersüchtig.
Sie schläft, da der Baron endgültig auf ihre Gesellschaft verzichtet hat, im Vorzimmer seines Schlafgemachs — natürlich mit ihrem geliebten Pudel Bruno.
Da hört sie eines Nachts leise Schritte.
„Bruno, bist du dä?“ fragt sie schlaftrunken.
„Jä, Mämä,“ antwortet eine Stimme.
Und die Baronin legt sich beruhigt aufs andre Ohr.
„Elegante Ottomane zu verkaufen — von feiner Dame wegen vorgerückten Alters.“
In Gmunden war mir eine Waschfrau dienstbar, die tat ungemein vornehm.
„O mei,“ sagte sie, „ma hat dös Ghörtsich scho so in der Natur, wann ma mit dö feinen Herrschaften aufgwachsn is. Mei Mann war zwanzig Jahr Kammerdiener beim hochseligen Herzog von Cumberland. Maanen S’, er möcht, mit Respekt, a Zeitung nehmen? Naa — grad Klosettpapier muß er haben.“
[S. 130]
„Küß die Hand, Euer Gnaden, an schön gun Morgen wünsch ich,“ rief der Diener des seligen Barons Mundy und schnitt ein ungemein freundliches Gesicht dazu.
Das fiel dem Baron Mundy auf.
„Was hast denn, Johann?“ fragte er — noch halb verschlafen.
„Euer Gnaden — heut saans grad fünfundzwanzig Jahr, daß ich die Ehre hab, bei Euer Gnaden zu dienen ...“ — Johann erwartete ein größeres Geldgeschenk.
Baron Mundy aber wurde vor Zorn blaß. Und langte nach dem Stiefelzieher.
„Seit du bei mir bist, Schurke, siehst du mich alle Tag nach rechts aus dem Bett steigen, und alle Tag stellst du mir die Pantoffel nach links. Ich hab bis heut noch kein Wort gesagt — ich hab sehen wollen, ob du endlich doch von selber draufkommst. Und das geht jetzt schon, sagst du, fünfundzwanzig Jahre so?“
Sprachs und krachte dem getreuen Johann den Stiefelzieher an den Kopf.
„Unser Prinz braucht keinen Sabberlatz — er hat die große Familienunterlippe.“
[S. 131]
In Preßburg sollt ein Mann hingerichtet werden, und nach der Verkündigung des Urteils bekam er das Henkermahl aufgetischt: Kalbsbraten mit Salat, Bier und Schweinshaxen mit Sauerkraut.
Freundlich lud er den Seelsorger ein, am Mahl teilzunehmen.
„Die Regeln meines Ordens verbieten mir ein so üppiges Essen,“ sprach der Franziskaner.
Da schlug der arme Sünder mit der Faust auf den Tisch und rief:
„Hab i’s endlich doch noch derzu gebracht, daß mich die Pfaffen ums Essen beneiden.“
„Ein kräftiges Volk, diese Oberbayern.“
„Ja. Aber merkwürdig, wo sie den Bizeps sitzen haben.“
„Herr Amtsrichter — der angeklagte Pöpelmann, dessen Fall so kompliziert ist, ist irrsinnig geworden.“
„Das Vernünftigste, was er tun konnte.“
[S. 132]
Jüngst war ich bei Herrn v. Mollnow zu Besuch.
Ein herrliches Gut, dieses Mollnow, seit Urzeiten im Besitz der Familie.
Als es Abend war, tranken wir noch zwei, drei Pullen — dann hieß es schlafen gehen.
Ich bin gewohnt, im Bett zu lesen.
„Können Sie mir was Gescheites geben?“ fragte ich.
Herr v. Mollnow, der Gastfreundliche, stand’ auf und rief, daß es weithin durchs Haus scholl:
„Das Buch! Das Buch! He, Minne, Trine, Line — wo is das Buch?“
Man suchte stundenlang.
Doch man fand kein Buch, trotzdem sich Herr v. Mollnow bestimmt erinnerte, eins gehabt zu haben.
Im Berliner Herrenfeldtheater hatten sie einen sehr tüchtigen Schauspieler, Schulze geheißen. Und entließen ihn.
„Denn,“ erklärte mir der Direktor, „von einem Schauspieler wird man doch verlangen dürfen, daß er Deutsch kann. Und bei unserm Repertoire ... — Sie verstehen? Dieser Schulze christelt.“
[S. 133]
Der Theaterkapellmeister hatte eine Operette komponiert — die Partitur war fertig und lag hochaufgeschichtet auf dem Schreibtisch.
Da geschah es, daß Mimi, das Äffchen der Frau Kapellmeisterin, auskam, auf den Tisch kletterte und die Partitur in Atome zerriß.
Kapellmeisters kamen heim und sahen die Bescherung.
Er wollte Mimi erdrosseln.
Die Kapellmeisterin aber legte ihm begütigend die Hand auf die Schulter und sprach:
„Geh, Franzl! Sei net gach! Es wiiird dir schon wieder was einfallen.“
„Herrgott, wann mich der Herrgott als künstlerischen Beirat ghabt hätt, wie er die Welt derschaffen hat! Da wäret des Abendrot net a so kitschig ausgfallen.“
„Gnädige Frau, hüten Sie sich vor Leutnant Andorff — er ist indiskret.“
„Um Himmels willen! Und das sagen Sie mir erst jetzt?“
[S. 134]
Eine Geschichte aus Galizien in Leitartikelüberschriften:
1921. Anregungen zu einer Regulierung der Weichsel.
1922. Das Volk wills.
1923. Kostenvoranschlag der Weichselregulierung.
1924. Die Weichselregulierung.
1925. Kostenüberschreitungen.
1926. Unterschleife bei der Weichselregulierung.
1927. Die Herren Regulierer auf der Flucht.
1928. Die Potemkinsche Regulierung.
1929. Im Überschwemmungsgebiet.
1930. Anregungen zu einer neuen Weichselregulierung.
„Hat er denn Erfolg?“
„Das will ich meinen — seine Bilder werden schon gefälscht.“
„Was heißt denn das: entre deux âges?“
„Wann man net waaß: möcht man schon die Tochter oder noch die Mutter.“
[S. 135]
Seine Exzellenz, der Divisionär hatte die beiden Brigaden gegeneinander kämpfen lassen. Nordpartei: Erzherzog Albrecht Ferdinand; Südpartei: Oberst Huber von Siegschwert.
Dann Besprechung der Übung.
Seine Exzellenz sagte im Ton wärmster Anerkennung:
„Über die Führung der Brigade Eurer kaiserlichen Hoheit verliere ich kein Wort. So und nicht anders hatte ichs erwartet. Jedermann hatte es so erwartet. Die Feldherrntalente Eurer kaiserlichen Hoheit sind ja bekannt. Aber wenigstens vom Herrn Obersten von Huber wird man doch, zum Teufel, ein Atom taktischen Verständnisses verlangen dürfen.“
„Zweimal hatte ich schon das Geld beisammen für eine Alkoholentziehungskur. Beidemal hab ichs versoffen.“
„Wenn Wein sich gut halten soll, muß der Keller gleichmäßig kühl sein, luftig, trocken und vor allem: fest versperrt.“
[S. 136]
Ich fuhr von München um 8 Uhr 17 ab — nach Augsburg. Im Abteil saß schon ein Herr.
Er hatte im ‚Berliner Kaufmann‘ gelesen, faltete das Blatt zusammen und wollt ein Gespräch mit mir anknüpfen.
„Ich glaube bereits das Vergnügen zu haben...,“ begann er.
„Ganz ihrerseits.“
Pause.
„Ich glaube, wir sind Landsleute.“
„Möglich. Ich bin Eskimo.“
Pause.
„Sie reisen wohl viel?“
„Ja. Aber immer stumm.“
„Ach so.“
Pause.
Ich hole mein Notizbuch vor und schreibe was ein.
Er sieht mir zu. Und ruft freudig:
„Ah, Gabelsberger! Da sind wir ja Kunstgenossen.“
„Beim Rennsport ist das so: die nix wissen, schreins aus — und die Wissenden därfens net sagen, sonst sperrt man sie wegen Betrugs ein.“
[S. 137]
Seit Tantchen Martha Witwe ist, fürchtet sie sich entsetzlich. ’s ist auch kein Wunder: so allein im dritten Stockwerk — unten die Bureaus, da ist bei Nacht kein Mensch — oben die Magazine, wo die Mäuse tollen.
Als ich unlängst zu Tantchen kam, sah ich eine Papptafel auf ihrem Nachtkasten. Die Tafel hing an einem langen, langen Bindfaden.
„Ja,“ sagte Tantchen, „das hab ich mir ausgedacht: wenn die bösen Menschen mich überfallen sollten, lasse ich das Täfelchen zum Fenster hinaushängen.“
Auf dem Täfelchen stand:
„Leider haben wir Diebe im Hause.“
Freund Zlamal klagt mir über sein verflossenes Berliner Theaterunternehmen.
„Ich war doch,“ erzählt er, „in Kompagnie mit einem gewissen Reiner. Unser Theater stand in voller Blüte. Mein Kompagnon aber war ein einsichtsloser Schurke — er nahm täglich zehn Mark aus der Kasse. Eine solche Schwächung des Betriebskapitals konnte unser Theater natürlich nicht überdauern.“
[S. 138]
Unser Harro hat Besuch bekommen: den kleinen Uli Plötz aus der dritten Klasse.
„Heute morgen,“ erzählt Uli, „war ich in einer furchtbaren Gefahr. Ich hatte einen großen Jungen angespuckt — der ist mir nachgelaufen und wollt mich prügeln. Da bin ich rasch in ein Haustor und hab mich versteckt.“
Harro großartig:
„Pfui — verstecken! Das ist ja feig. Da läuft man doch davon.“
Zum Kardinal von Wien kam eine sehr hohe Dame und regte an: Seine Eminenz möchte doch etwas gegen die gottlose Wiener Literatur tun.
„Ja,“ sagte der Kardinal, „da werden Eure Hoheit sich schon an meinen Kollegen wenden müssen, den Herrn Oberrabbiner.“
„Sind Sie der Busenfreund von Madame Scheu?“
„Madame Scheu kenn ich nicht; aber Busenfreund bin ich schon.“
[S. 139]
Professor Preyer, der berühmte Physiognomiker, besichtigte die Irrenanstalt von Egelfing. Es galt, die Schädelbildung der Kranken auf ihre Übereinstimmung mit der Preyerschen Theorie zu untersuchen.
Da fiel dem Gelehrten ein Mann auf, dessen Typus keine, aber auch nicht die geringsten Preyerschen Degenerationsmerkmale aufwies.
„Was fehlt dem Mann?“ fragte der Gelehrte. „Warum ist er interniert?“
„Oh, Herr Professor,“ antwortete der Assistent, „das ist ein ganz Verrückter; der betreibt Physiognomik.“
„Haben Sie hier in der Gegend auch schöne Sagen?“
„Halt nur, was die Kinder so in der Schul lernen.“
„Die arme alte Frau! Lassen Sie ihr doch den Bandwurm abtreiben!“
„Was fällt Ihnen ein? Ich bin leidenschaftlicher Angler.“
[S. 140]
Man kann über die Japaner verschiedener Meinung sein — eins wird man ihnen lassen müssen: sie sind ungemein kühl und vorsichtig im Urteil.
Anfangs des vorigen Monats kam Hauptmann Osaka mit der kaiserlich japanischen Sondergesandtschaft in Wien an. Heute lernte ich ihn kennen.
„Welchen Eindruck haben Sie von den Wiener Frauen?“ fragte ich ihn.
„Kann noch nifts sagen. Kenne elst im ganzen neunhundeltzwörf.“
Frau Gusti hatte mir immer wieder über ihren Mann geklagt — wie herrschsüchtig er sei, einsichtslos und knickrig.
Seit acht Tagen strahlt sie von Glück.
„Er ist total verändert,“ erzählt sie. „Ich habe ihn mit einer jungen Person erwischt.“
„Da ist auch das Ehepaar Schlei. Ekelhafte Menschen.“
„An ihr ist immerhin noch ein sympathischer Zug: sie pflegt ihren Mann zu prügeln.“
[S. 141]
In Venedig lebt ein Komponist, Sandro Mezzadri, ein ungemein begabter Kerl. Und sehr populär. Alle Welt grüßt ihn.
Unlängst geht er die Riva entlang — da hält Signor Parea ihn an und schreit:
„Sandro, Sie sind der gemeinste Hund und Schuft Europas. Sie haben mir dreißigmal versprochen, mir die Schuld abzutragen — dreißigmal haben Sie Ihr Wort gebrochen.“
Sandro Mezzadri steht still und hört aufmerksam zu. Die Leute sammeln sich an. Immer mehr und mehr. Ein ganzer Haufe.
„Sie sind kein Künstler, Sie sind ein Gauner und Hochstapler. Sie sind der Ruin meiner Familie. Ein nichtswürdiger Schwindler, ein Lump, ein Tunichtgut, ein ehrloser, niedriger Betrüger.“
Die Zuhörer füllen die Riva der ganzen Breite nach. Einige besonders Neugierige erklettern das Denkmal von Vittore Emanuele.
„Ein Schurk, der sich nicht scheut, das sauer erworbene Vermögen seiner Nebenmenschen zu verprassen — ein meineidiger Schuldenmacher, ein Dieb, den ich anspucke und verachte.“
Signor Parea schöpft Atem.
[S. 142]
Sandro Mezzadri mit unverschämter Ruhe:
„Ganz recht hatten Sie. Und was hat der andre darauf erwidert?“
„Sie wollen Rußland verlassen, Pjotr Mihajlowitsch?“
„Gewiß. Ich habe unsre Zustände satt. Ich sehne mich nach Ruhe, nach einem Lande, wo die Autorität der Behörden noch durch kein Gesetz erschüttert wird. Ich gehe nach München.“
Mord im Ostrauer Kohlenrevier. Auf die Ergreifung des Täters ist ein Preis von tausend Kronen ausgesetzt, der ‚unter allen Umständen‘ zur Auszahlung gelangt. Sollten mehrere gleich Verdächtige angemeldet werden, so entscheidet das Los.
„Treue ist was Erhabenes. Aber doch nicht immer ein und demselben?“
[S. 143]
Rottmann ist Charakterspieler am Hoftheater zu München. Er stammt aus einem Dörfchen bei Hollabrunn in Österreich.
Einst, als ihm eben der Titel eines königlichen Hofschauspielers verliehen worden war, beschloß er, sein Heimatdörfchen aufzusuchen. Fuhr hin und schwelgte in Sentimentalität und plauderte mit den Nachbarsleuten.
„Ah, also z’ München bist?“ rief der alte Mistelbauer. „Schauspieler bist? Geh, mach amal an Purzelbaum!“
Bankett des ungarischen Bankierstages.
Der zweite Vorsitzende ist in lebhaftem Flüstern mit seinem Nachbarn.
Man fordert ihn plötzlich auf, einen Trinkspruch auszubringen.
Er ruft verwirrt:
„Pardon — ich verweigere die Aussage.“
[S. 144]
Ich habe eine Tante in Steierisch-Mutzenbach.
Unlängst höre ich, sie wäre krank.
Ich setze mich sofort hin — in München — und schreibe an meinen Mutzenbacher Vetter: was denn die gute Tante treibe, und ich wünschte, Gott möge usw.
Gestern kommt plötzlich mein Vetter aus Steiermark daher.
„Weißt,“ sagt er, „ich hab mir gedacht: was soll ich da erst lang herumschreiben? Bin ich gleich lieber selber kummen. Alsdann: meiner Mutter gehts schon etwas besser.“
„Ich habe mich in Ostende zum Beispiel sechsmal verlobt.“
„Und das soll man Ihnen glauben?“
„‚Zum Beispiel‘ im Munde eines Kavaliers ist schon ein Ehrenwort.“
Mensur in Prag — Gunther (Bar-Kochbae) contra Cand. jur. Robitschek aus Trebitsch.
Plötzlich schreit einer der Sekundanten:
„Gott, der Gerechte, die Herren Paukanten fechten ja mit milchige Schläger!“
[S. 145]
Unlängst komme ich mit meiner Frau in Berlin an.
Ich will dem Träger meinen Gepäckschein geben — der Schein ist nicht zu finden.
Nun noch lang reklamieren und parlamentieren? Um drei Uhr nachts? Ich fahre ins nächste Hotel — und die Geschichte mit dem Gepäck werde ich bei Tage erledigen.
Das nächste Hotel war das Hotel Alemannia.
Am Morgen verlange ich meine Rechnung. Zweitausenddreißig Mark.
Donnerwetter! Zweitausenddreißig Mark für ein Zimmer, für eine Nacht!
„Ja,“ sagt der Wirt, „wa sin en anständiget Etablissemang. Paare, die wo keen Jepäck nich haben, entweda jar nich — oda wenn, denn nich for ne Butterstulle.“
„Gestern,“ erzählte Herr Bumcke, „lasse ich meinen schönen seidnen Schirm irgendwo stehen — Gott allein weiß, wo. Ich renne alle Läden ab, die ich gestern besucht habe — lauter erste Firmen — vergebens. Endlich im Gemüsekeller an der Ecke kriege ich meinen Schirm wieder. Ja, die armen Leute sind halt doch die ehrlichsten.“
[S. 146]
Im dreizehnten Regiment hatten wir einmal einen Major v. Drexler.
Ein guter Herr, ein untadeliger Offizier, nur etwas alt: dem Grundbuchsblatt nach 52 Jahre, dem Aussehen nach 104. Er hatte immer den Mund offen und schloß ihn nur, wenn er gefragt wurde.
Alles war einig darüber: der Herr Major ist ein irrtümliches Plusquamperfektum, ein Armeeskandal.
Die Kunde von der hoffnungslosen Verkalkung Drexlers drang bis zum Korpskommando. Prinz Albrecht Ferdinand, Chef des Korps, verlangte ‚die sofortige Vorlage eines Berichtes über die Fähigkeiten des Herrn Majors v. Drexler‘ — mit dem festen Vorsatz, den Greis augenblicklich zu vertilgen.
„Ha,“ rief unser Oberst, „Seine Kaiserliche Hoheit interessiert sich für den Major.“ Setzte sich auf die Hosen und schrieb — von Mittag bis Abend — einen Bericht.
Der Bericht muß glänzend ausgefallen sein. Denn Drexler ist dieser Tage Oberstleutnant worden.
[S. 147]
Ich habe eine Dogge, die heißt Millimixchen und ist immer mit mir.
Unlängst steige ich in Kufstein in den Eilzug, finde ein leeres Halbabteil und setze mich ans Fenster. Millimixchen macht sich ungefähr drei Meter lang und belegt die beiden übrigen Sitze.
Millimixchen hat etwas in ihrem Blick, was Fremde abhält, sie zum Verlassen eines Platzes aufzufordern.
Der Schaffner überwand seine unmännliche Scheu und trat ein.
„Ich bitte, der Hund därf net hier bleiben.“
„Warum?“
„Warum, weil Hunde laut Betriebsreglamaa därfen nur mitgenommen wern, wanns Hunderln saan un wann niemand von die Paschascheer was dagegen hat.“
„Es ist niemand da, also kann niemand was dagegen haben.“ Ich gab ihm zwei Zigarren.
„Gnä Herr,“ sagte er, „es is haaß — dö Hitz macht Durscht — i wer auf der näxten Station Ihnerm Hunderl a wengerl Wasser bringen.“
„Mein Name ist v. Uebel.“
„O, das ist noch gar nichts. Ich heiße v. Kotze.“
[S. 148]
Debretzin ist eine sehr hübsche, moderne Stadt und hat eigentlich nur einen Fehler: daß man dort jeden Morgen um vier Uhr die Schweine auf die Weide treibt.
Dies Austreiben der Schweine geschieht ziemlich geräuschvoll; der Hirt bläst dazu nämlich eine Trompete.
Als ich nach Debretzin in Garnison kam, blies der Hirt am dröhnendsten und längsten immer vor dem Haus Kossuthgasse Nr. 4. — Ich wohnte Kossuthgasse 4a.
Schon am dritten Morgen ließ ich mir den Hirt rufen.
„Onkelchen,“ sagte ich ihm, „ihr seht, ich bin Soldat. Ich muß jeden Morgen um vier Uhr aufstehen. Wollt ihr so freundlich sein, an meinem Fenster besonders laut zu blasen? Ich zahl euch gern was dafür. Ihr werdts jeden Morgen auf dem Fensterbrett zehn Kreuzer finden.“
Zweimal legte ich das Geld hin.
Und dann nicht mehr.
„So?“ sagte der Hirt zu meinem Burschen — „so ist die Sache? Umsonst soll ichs tun? Dann soll sich der Herr Leutnant nur hübsch selber blasen.“
Sprachs und tat nie, nie mehr einen Ton.
[S. 149]
Mein Freund Krottinger kam Mittwoch spät nacht aus Dresden heim nach München. Er fand die Wohnung finster, versperrt und verlassen.
Mittwoch nacht — er diagnostizierte ganz richtig: bal paré.
Er zog einen Frack an und ging ins Deutsche Theater. — Die Frau war nicht da.
Von bösen Ahnungen getrieben, suchte Krottinger sie im Hotel Westminster und erhielt durch Bestechung der Dienerschaft Zutritt in ihr Zimmer.
Frau Krottinger war nicht allein, sondern lag zu Bett.
„Gott, Männchen,“ sagte sie, „ich hatte sonne Kopfschmerzen ...“
Ich zeigte dem jungen Grafen Mollnow das neue Automobil.
Er fragte:
„Welches System?“
„Darraque.“
Da sprach er nachdenklich:
„Mein Bruder hat einen Benzwagen. Ich habe übrigens gar nicht gewußt, daß man das Zeug auch mit Arrak treiben kann.“
[S. 150]
Sofia ist eine ungemein interessante Stadt. Ich durfte dort auch einer gruseligen Geheimsitzung der makedonischen Komitadschi beiwohnen. Ich war Zeuge, wie vierzehn Todesurteile gegen Verräter und politische Gegner gefällt wurden.
Nach der Sitzung kreiste ein Teller — man sollte Beiträge stiften für die Komiteekasse.
Ich stiftete zehn Franken.
„Verzeihung,“ sagte der Präsident, „Sie müssen noch vier Franken zulegen; der Eintrittspreis beträgt einen Frank per Todesurteil.“
„Lieber Fähnrich, ich habe dich gestern mit einem Neunerulanen sprechen sehen. Bitte, sei etwas wählerischer! Für einen Siebzehnerhusaren ist ein Neunerulan kein standesgemäßer Verkehr.“
Herr Kommerzienrat Löwinger führte mich auf seinem Besitz um. Wunder-, wunderschön — die Villa und der Park.
Im Park zeigte er mir seine neueste Erwerbung, „was er in Rom gekauft hat: de Wölfin, wie se grad säugt ’n Romeo un de Julia.“
[S. 151]
Ich stand einst, im Manöver wars, auf der Dorfstraße und blickte in die Ferne.
Da sah ich — weit unten irgendwo — aus einem Tor einen Infanteristen rausfliegen. Offenbar durch einen Fußtritt befördert. — Na, so was kommt ja vor.
Nach einer Weile — was fliegt aus demselben Tor? Ein Infanterist.
Und eine Minute darauf ein dritter.
Ich fragte einen Unteroffizier:
„Um Himmels willen, was geht denn da unten vor?“
„Nichts besondres,“ sagte er. „Da hält unser Herr Regimentsarzt Krankenuntersuchung.“
Ein Hauptmann in Berlin schenkte seinem Offizierburschen ein Billett für den Zoologischen Garten.
„Na, Krischpinski,“ fragte der Hauptmann am Abend, „wie hat’s dir denn da gefallen?“
Krischpinski lächelte überlegen.
„Schwiendel, Cherr Chauptmann. Alljes Schwiendel. Ssolche Tiere in Wirkljichkeit gibts garr njicht.“
[S. 152]
Am 27. Oktober 1866 — Österreich hatte kurz vorher Venedig an Napoleon III. abgetreten — kam es zu einer Volksabstimmung über die Frage: ob Venedig an Italien fallen sollte oder nicht.
Es entschieden sich
Es ist einwandfrei festgestellt, daß jene 69 Freunde Österreichs Uniformschneider waren, die noch große Vorräte von dunkelblauem Tuch liegen hatten.
Der Herr Präsident würdigte mich einiger leutseliger Worte.
„Sie sind wohl ’n Künstler?“
„Jawohl, Herr Präsident; Schriftsteller.“
„So. Na — und was schreiben Sie denn?“
„Für die ‚Jugend‘ ...“
„Ach — ene männliche Thekla v. Jumpert?“
„Bitte, zeigen Sie mir mal Armbänder! Aber ganz was billiges — es ist für meine Frau.“
[S. 153]
Dereinst verbot die Wiener Zensur ein Stück von mir und Väterchen Rößler.
Ortskundige rieten uns: wir sollten uns beschweren gehen.
Wir gingen auf die Statthalterei.
Ein wilder Regierungsrat empfing uns.
Und schrie:
„Beschwerde?? Schön. Aber das sag’ ich Ihnen: Ihr Stück wird nicht aufgeführt werden, solang Österreich steht.“
Da sagte Väterchen Rößler:
„Gut, dann warten wir halt noch die paar Wochen.“
Als Kulicke (Vandaliae) das Delirium tremens kriegte, hatten wir im Sanatorium unsre liebe Not mit ihm. Er wollte durchaus kein Veronal nehmen.
Zum Glück war unter den Assistenzärzten ein alter Korpsier. Er brummte dem Patienten einen Bierjungen, und die Sache war gemacht.
„Herrgott, heut muß a hohes Tier hier sein. Heut riechen sogar die Exzellenzen nach Schweiß.“
[S. 154]
— so lautet die goldne Inschrift an der Gedächtniskirche.
Eines Tages löste sich einer der goldnen Buchstaben, das K, irgendwie ab. Der Pastor ließ einen Maurer holen und gab ihm den Auftrag: die Inschrift in Ordnung zu bringen.
Am nächsten Tag las man:
‚LERNE ZU KLEIDEN OHNE ZULAGEN‘.
Der selige Schönaich saß einst in Karlsbad auf einer Bank am Ufer der Tepel.
Da kam ein Fremder und setzte sich dazu.
Lange blieb der Fremde stumm.
Endlich sprach er:
„De Brück is ä Glück über dem Wasser.“
Und ging.
Der selige Schönaich hat bis an sein Ende der Bedeutung jenes Ausspruchs nachgesonnen.
Gebildete Menschen sprechen leise — — weil man das nicht laut erzählen kann.
[S. 155]
Major Wandel fuhr von Krakau nach Wien.
Unterwegs stieg ein Mann mit Ringellöckchen ein.
Der Mann breitete zahlreiche Zeitschriften vor sich aus: Berliner, Wiener Journale, illustrierte Blätter und ein Fachblatt für Aviatik.
Und der Mann las.
Der Herr Major langweilte sich, gähnte, streckte sich, rauchte und dachte:
„Dieser Mann ist ein Jud. Aber offenbar ein besserer: er fährt erster Klasse und interessiert sich für das Flugwesen. Ich werde ihn anreden.“
„Na,“ sagte der Herr Major leutselig, „jetzt kommt ja bald die Zeit, wo wir beide fliegen werden.“
Darauf der Mann erstaunt:
„Beide fliegen? Haben denn Sie auch nur ä Billett dritter Klasse?“
Instruktionsstunde bei Molinariinfanterie in Budapest.
Der Herr Hauptmann:
„Soldaten! Disziplin ist die schwellende Knospe, aus der die köstliche Rose Subordination sprießt. Feldwebel, übersetzen Sie das ins Ungarische!“
[S. 156]
Als ich noch in Essegg diente, mußt ich einmal ein Pferd verkaufen und verkaufte es einem Mann mit Namen Kuhner.
„Was?“ riefen die Thebaner, „Kuhner haben Sie ein Pferd verkauft? Von dem kriegen Sie niemals Geld.“
Nachmittag kam Kuhner und zahlte den Kaufpreis bei Heller und Pfennig.
Er machte runde, gerührte Augen dazu und sagte:
„Wissen S’ — es is nur wegen ein andresmal.“
„Fräulein, ich bete Sie an. Verraten Sie mir, wo und wann Sie wohnen.“
Ich sah bei Leutnant Wukowitsch — der doch, bei Gott, kein Multimillionär ist — eine prachtvolle Uhr.
„Ja,“ sagte er, „die Uhr ist schön. Mein Großvater, Korporal Wukowitsch, hat sie im Jahr 48 beim Sturm auf Mailand zum Geschenk bekommen.“
[S. 157]
Kurz vor dem Weltkrieg ist in Skutari Monsieur Ibrahim Popowitsch gestorben.
Nach einem bewegten Lebenslauf (er war von Geburt Serbe und hatte sich aus einem frommen Moslem zum glaubenseifrigen Katholiken entwickelt) — nach schrecklichen Anfeindungen seiner Mitbürger (die sieben Völkern angehören) endete Popowitsch als einer der mutigsten Vorkämpfer Österreichs auf dem Balkan.
Monsieur Ibrahim Popowitsch war die österreichische Partei in Albanien; er war jene ungeheure Volksmenge, die an habsburgischen Festtagen jubelnd und huldigend vor dem österreichisch-ungarischen Konsulat wogte; er trug jene vielberufene Sehnsucht der Balkanvölker nach dem österreichischen Befreier im Herzen.
Und all das für einen Ehrensold von 2 K 30 h täglich. Möge die Erde seiner vielgeprüften Asche leicht werden!
„So’n Manöver ist wohl sehr anstrengend, Herr Leutnant?“
„Im Dienst nich mal — da jiebt es Rasttage. Aber täglich ne andre Familie amüsieren.“
[S. 158]
Vor vielen Jahren einmal forderte der Regierungspräsident in Breslau von einem seiner Landräte Bericht ein über Herrn v. Wozinski.
Der Landrat schrieb:
Wozinski sei ein untadeliger Ehrenmann, doch eine Poloniusnatur.
Hierauf ließ der Regierungspräsident Herrn v. Wozinski rufen; und sagte:
„Mein lieber Herr, ich muß Sie dringend ersuchen, Ihre politischen Quertreibereien einzustellen. Ich dulde in meinem Amtsbereich keine Poloniusnaturen. Finis Poloniae, mein lieber Herr!“
Mein Freund Fedor Dawidowitsch ist Maler.
Einst saß er — auf dem Land, in der Nähe von Kiew — vor seiner Staffelei und pinselte einen Sommermorgen.
Da kamen die Bauern und guckten ihm zu und staunten.
„Väterchen,“ riefen sie, „was mußt du Prügel bekommen haben, eh du dies Handwerk erlernt hast!“
[S. 159]
Gestern kam Kornauer zu mir (der Schwankdichter Kornauer, nicht der Fahrradhändler) — legte mir den Stoff zu einem neuen Lustspiel vor und fragte mich: ob ich mit ihm in Kompagnie gehen wolle?
Ich las das Ding und sprach:
„Herr Kornauer, Ihr Stück wird Aufsehen erregen. Eine verteufelt wirkungsvolle, köstlich originelle Fabel. Reizend, packend, interessant. Aber — mit Ihnen daran arbeiten kann ich nicht. Denn die Art, wie Sie Probleme stellen und lösen, widerspricht meiner Lebensanschauung.“
„Ach, wenn Ihnen sonst alles paßt,“ sprach Kornauer mild und höflich, „— meine Lebensanschauung kann ich gern in dem von Ihnen gewünschten Sinn ändern.“
Unlängst bekam ich eine Preisliste aus Galizien:
[S. 160]
Der Sekretär der Alten Galerie in Palermo, mein lieber Freund, kam eines Morgens merkwürdig aufgeräumt daher.
„Denk dir,“ rief er, „einer unsrer Tintorettos hat sich als echt entpuppt.“
„Und?“
„Und nun verkaufen wir ihn nach London.“
Am nächsten Tag kam er wieder und seufzte:
„Ach, es war nur Täuschung.“
„Und?“
„Und nun geht er nach Berlin.“
Religion ist die Aktie eines riesenhaften Syndikats. In Zeiten der Not schneiden die Gläubigen Coupons ab.
Ich besuchte in Berlin meinen Verleger.
Wie denn meine Bücher gingen?
„Gott,“ sagte er, „soso lala. Aber ich verliere den Mut nicht. Sehen Sie, Bierbaum wird erst gekauft, seit er tot ist. Auch Ihre Zeit wird kommen, lieber Roda!“
Und er sah mich mit zuversichtlichen Augen an.
[S. 161]
Die nervösen Anfälle meiner Tante haben mich eines Tages in eine ziemlich peinliche Lage gebracht.
Tantchen besuchte mich — ich lebte damals in Graz — und bekam ihren nervösen Anfall. Ich räumte ihr sofort mein Schlafzimmer ein, verdunkelte es und bat Tantchen, ein wenig zu ruhen. Ich würde unterdessen arbeiten — meine Maschinschreiberin kommt um zehn Uhr.
Um zehn Uhr kam meine Maschinschreiberin. Huschte auf leisen Zehen gradenwegs in das verdunkelte Zimmer und drückte einen warmen Kuß auf Tantchens zitternden Mund.
„Heute war bei uns ein Mann angeklagt wegen Beleidigung des Herrn Ministers. Wir mußten ihn verurteilen. Wir haben ihm aber unwiderstehlichen Zwang zugebilligt.“
Das Fräulein:
„Sie sind ja ein so gewandter Mensch, Herr Pfleiderer: raten Sie mir, wie ich mich Ihrer erwehren könnt.“
[S. 162]
Eines Tages wollte der Herr Primararzt auf Urlaub fahren. Ließ den Assistenten kommen und sagte ihm:
„Sie, Doktor Grünfeld — der Mann da im dritten Bett wird morgen sterben. Er hat eine ungemein interessante Leber — bitte, präparieren Sie mir sie heraus und härten Sie sie in Formalin — ich brauche die Leber nächste Woche zu einer Vorlesung.“
Und dann fuhr der Herr Primararzt.
Als er nach acht Tagen wiederkam, war seine erste Frage:
„Grünfeld! Wo ist meine Leber?“
„Entschuldigen, Herr Professor — der Mann lebt.“
Da wurde der Primararzt aber wild.
„Natürlich,“ schrie er. „Den haben Sie wieder nach eigenem Kopf behandeln müssen.“
Es gibt nur einen wirklich guten Detektiv: die Dummheit der Verbrecher.
„Der Mann weiß etwas über uns. Hängen wir ihn auf!“
[S. 163]
Mein Vetter kam als Einjähriger zu Sardiniendragonern. Da fragte ihn der Schwadronschef:
„Sie sind Archäolog, Einjähriger? Wo haben Sie denn studiert?“
„In Berlin, Herr Rittmeister, in Paris, Wien, London und Rom.“
„Na, hören Sie, Einjähriger — dieses Herumvagabundieren wirft aber nicht grade das günstigste Licht auf Ihren Charakter.“
Ich trat um elf Uhr abend ins Restaurant. Kein Mensch mehr da.
„Kellner, eine Pulle Sekt!“
Er knipste die Beleuchtung an, verbeugte sich und sagte:
„Eine Pulle Sekt — jawohl — bitte sehr.“
„Halt, Kellner! Kann ich nicht eine halbe Flasche haben?“
Er drehte stumm die Hälfte der Lampen ab.
„Einer schönen Frau kreditiere ich gern. Sie trägt die Sicherstellung in sich.“
[S. 164]
Als ich noch in Essegg diente, hatten wir einen Hauptmann, der war ein überzeugter Junggeselle.
Einmal, beim Batterierapport, sagte er einem Ersatzreservisten:
„Sie sind Familienvater — nicht wahr? Möchten heute bis zwölf Uhr nacht ausbleiben — nicht wahr? Ein kleines Liebesabenteuer während der Waffenübung — was? Krank werden, heimkommen, Frau und Kinder unglücklich machen — he? Ja, mein Lieber, ja, gern. Ich gebe Ihnen die Erlaubnis bis zwölf Uhr, Sie Schwein!“
An Deutschlands politischem Verfall ist Ein Mann schuld: du.
Wir erörterten im Café ein beliebtes Thema: die künstlerische Kultur von Wien und Berlin.
„Segen S’,“ sagte Mitterhuber, „ein ungeheurer Unterschied is scho: wann in Berlin a Künstler verhungert, kümmert sich ka Mensch um eahm; in Wien, wanns passiert, stengen Hunderte um eahm herum und bedauern eahm, mit die Händ in die Taschen.“
[S. 165]
„Herr Graf, Sie schulden mir seit Monaten zwanzigtausend Mark. Da wärs doch endlich an der Zeit, daß Sie mir wenigstens einen Wechsel über die Summe ausstellen. Das Formular hab ich gleich mitgebracht.“ —
„Mit Vergnügen, Herr Silberstein. Aber ich mache Sie aufmerksam: solch ein Formular kostet fünf Mark. In dem Augenblick aber, wo ich meine Unterschrift darauf gesetzt habe, ist es völlig entwertet.“
„Heute geben wir ein Souper. Zwanzig Menschen kommen. Achtzehn davon sind mir verhaßt.“
Als Maxim Gorki die Nachricht von Tolstois Tod empfing, fiel er in Ohnmacht — und als man ihn laben wollte, weigerte er sich, Nahrung zu sich zu nehmen.
Man erzählte diesen Vorgang dem großen Gabriele d’Annunzio.
Er rief:
„Himmelherrgottsakra — diese Komödie habe doch grade ich aufführen wollen.“
[S. 166]
Wir jagen unserm Willi nach — er soll doch heute den Glückwunsch an Onkel Ulrich schreiben.
„Fällt mir nicht ein,“ sagt er frech.
„Aber, Willi! Wo Onkel Ulrich immer so freundlich gegen dich ist? Erst gestern hat er dir das schöne Schiff geschenkt. Da müßtest du dich wohl sehr schämen, ihm nicht gratuliert zu haben.“
„Ach was,“ sagt Willi, „eh ich mich hinsetz und zwei Stunden schreib — lieber schäm ich mich.“
Auf der Villa meines Freundes steht ein hübscher Hausspruch:
Und darunter:
„Was halten Sie von unserm jüngsten Dichter?“
„Eine schwache Begabung — alles nur halb, nichts ganz. Nicht einmal ganz talentlos ist er.“
[S. 167]
Wir berieten, was wir Tante Laura zum Geburtstag schenken sollten, und konnten nicht übereinkommen.
„Wißt ihr — was?“ schlug ich vor. „Tante Laura soll sich einfach selber was wünschen.“
Sie zierte sich lang.
Endlich sprach sie:
„Ihr lieben Kinder — wenn es wirklich sein muß — und wenn ihr durchaus wollt — und wenns nicht zu teuer ist — so möchte ich gern einen kompletten Beethoven.“
„Aber Tantchen,“ rief ich, „was fängst du mit einem kompletten Beethoven an? Du bist ja gar nicht musikalisch.“
„So?“ sagte Tantchen ganz verdutzt. „Ist das Musik? Ich dachte, es wäre ein heizbares Betpult.“
[S. 168]
Mein Freund Pick war auf der Jagd in Ödenburg.
Plötzlich, beim ersten Trieb, kriegt Pick ein paar Schrote an die Beine.
Pick lacht und sagt seinem Nachbarn, einem Husaren:
„Herr Rittmeister, wann S’ mi umbringen wollen, müssen S’ scho a wengerl höher halten.“
Beim zweiten Trieb prescht der Rittmeister dem Pick eine in den Lodenrock.
Krawall: Pick verbittet sich das — der Husar wird unartig. Andre Herren suchen zu vermitteln.
„Nein,“ sagt Pick, „i will mich mit ihm schießen. Aber jetzt komm i dran — er hat schon zweimal geschossen.“
„Herr Kandidat, legen Sie mir den Unterschied dar zwischen Privatehrenbeleidigung und Majestätsbeleidigung.“
„Bei Majestätsbeleidigung darf man nicht den Wahrheitsbeweis führen.“
„Ist Ihre Braut brünett, Herr Rittmeister?“
„Nee — Schweißfuchs, stark stichelhaarig.“
[S. 169]
Mein Freund Peter trinkt ein wenig. Da quälten die Tanten ihn so lange, bis er sich zu einer Entziehungskur bequemte.
„Wieviel Wein konsumieren Sie täglich?“ fragte der Anstaltsarzt.
Freund Peter pflegt fünf Flaschen zu trinken, sagte aber vorsichtshalber: zehn.
Hierauf gab man ihm eine Woche lang acht Flaschen, dann sieben und sechs.
Als er wieder bei fünf angelangt war, seiner alten Tagesgebühr, wurde er gebessert entlassen.
„Edgar,“ sprach sie, „du hast mich vor meinem Personal kompromittiert — wenn du ein Ehrenmann bist, wirst du mich heiraten.“
„Kind, genügt es nicht, daß du das Stubenmädchen wechselst?“
„Siegfried, mein Kind, deklamier ämal das scheene Gedicht, was anfangt mit: Wie? Wos? Wo?“
„Vater, meinst du: Vivos voco, fulgura frango ...?“
„Ja, mein Kind.“
[S. 170]
Einmal gabs in Wien ein ‚Rosenfest unter dem Protektorat Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Durchlauchtigsten Erzherzogin X...‘ (der Name ist mir entfallen). Man wählte eine Rosenkönigin und umgab sie mit einem Hofstaat von vierundzwanzig jungen Damen der Gesellschaft.
Bald aber stellte sich heraus, daß die Rosenkönigin von Wien niemand anders war als die bekannte angestrichene Anna von der Kärntnerstraße.
Wieder ein Beweis, wie sehr die Professionals den Amateuren überlegen sind.
„Frau Rummel, um Himmels willen, Sie kriegen a Kind? An ehrsame Wittib — in Ihrem Alter?“
„Von meinem Zimmerherrn, dem Gauner. Wann i net mag, sagt er, ziegt er aus.“
„Sie in Ihren Greisenjahren reisen noch ins Bad?“
„Ich bin ja hier als ältester treuer Kurgast engagiert.“
[S. 171]
Ich fuhr mit Mr. Smith nach dem Hofbräuhaus.
Mr. Smith ließ sichs nicht nehmen, die Droschke zu bezahlen.
„Uiviel?“ fragte er.
Der Kutscher sagte:
„92 M. 50.“
„Aber der Taxameter beueist 71 M. 80.“
Gut, 71 M. 80.
Eh er wegfuhr, fragte mich der Kutscher:
„Jetz wieso kann der Engländer dö deutschen Ziffern lesen?“
„Hüten Sie sich vor geistiger Arbeit.“
„Oh, da feit si nix, Herr Dokter — i bin Dialektlyriker.“
Redaktionssitzung der ‚Wiener Tagespost‘. Sie galt einem wichtigen Tagesereignis, dem Hirtenbrief des Kardinals.
Der Herr Chef befahl dem Volontär:
„Isidor, rufen Sie erein den Portier! Denn warum? Mir kennen uns in Kirchenangelegenheiten doch nix aus.“
[S. 172]
Mein Freund Kromar und ich durchquerten einmal Montenegro.
Da kamen wir zu einem Wojwoden und blieben bei ihm.
Wir fühlten uns wohl. Schnaps, Brot, sogar Fleisch — nichts fehlte zu unserm Glück.
Nur störte mich, daß der Wojwode meinen Freund auffallend bevorzugte. Er redete ihn ehrfurchtsvoll an, mich aber duzte er.
Warum?
„Ja,“ sagte der Wojwode, „dein Freund Kromar ist ein vornehmer Herr, er kann nur deutsch. Du aber? Dich verstehe ich. Und ich weiß, was ich von Leuten zu halten habe, die meine Sprache reden.“
„Herr Silberstein, warum heiraten Sie nicht — ein so strammer, junger, reicher Mann?“
„Stramm, jung und reich — das sind doch drei Gründe, ledig zu bleiben.“
„Sie sind Schwedin, Gnädigste? Wann waren Sie mit Strindberg verheiratet?“
[S. 173]
Herr Willibald Dräsicke, Fabrikant aus Hannover, kam in sein Berliner Stammhotel und sprach:
„’n Zimmer!“
„Ein oder zwei Betten, Herr Dräsicke?“
„Zwei. Meine Frau kommt mit dem Nachtzug aus Hannover nach.“
„Können wir der Gnädigen vielleicht nach ihrer Ankunft gleich das Zimmer anweisen? Wie sieht die Gnädige aus? Blond? Schwarz? Klein? Groß?“
„Donnerwetter,“ sagte Dräsicke, „das kann ich doch jetzt noch nich wissen.“
„Polo spielen muß net a jeder Gebildete; aber Reschpekt vor an Polospieler muß a jeder Gebildete haben.“
„Herr Professor haben den Winter in Borneo verbracht?“
„Ja — wir haben Grabungen veranstaltet, um das Zwischenglied zu finden zwischen Menschen und Affen.“
„Unter der Erde?“
[S. 174]
Der Bezirkshauptmann von Lopatow in Ostgalizien erhielt von der Statthalterei den Auftrag: ‚die ruthenische Propaganda im Bezirk zu unterbinden, insbesondere auch dahingehende Volksversammlungen nach Tunlichkeit zu verhindern‘.
Er erschien ein paar Tage darauf persönlich auf der Statthalterei.
„Nun, Herr Bezirkshauptmann?“
„Exzellenz, alljes georjdnet. Versammljungen schonj verbottjen.“
„Aus gesetzlichen Gründen?“
„Weggen Scharlach, Exzellenz.“
Der Statthalter atmete auf.
„Richtig, wir haben ja, Gott sei Dank, Scharlach. Für diesmal ists also gegangen. Was werden wir aber nächstens tun, Herr Bezirkshauptmann?“
Da warf sich der Bezirkshauptmann in die Brust.
„Exzellenz,“ rief er, „so weitj verdinne ichj Ihren Vertrauen, daß so lang ichj die Erre chabbe, zu sein Bezirkschauptmann von Lopatow, wirr werrden immer chabben den nötigen Scharlach.“
[S. 175]
Man hatte mir in Wien ein Stück verboten.
Ich ging aufs Polizeipräsidium und sagte:
„Ich werde natürlich Einspruch gegen das Verbot erheben.“
Der Herr Polizeipräsident lächelte. Und fragte mich:
„Wie wollen Sie denn das machen?“
„Nun,“ sagte ich, „ich werde die Gründe des Verbots widerlegen.“
„Wissen Sie denn die Gründe?“
„Sie stehen doch in der amtlichen Entscheidung.“
Da lachte der Herr Polizeipräsident aber, daß er fast geborsten wäre.
„Mensch,“ rief er, „die amtliche Entscheidung enthält doch nur Ausreden. Die Gründe behalten wir immer für uns.“
„Kerl, Sie sind doch nicht der Schwadronskoch, daß Sie dreckig wie eine Sau herumlaufen dürfen.“
„In Berlin ham wa vier Genies: Scherl, Aschinger un Sudermann.“
[S. 176]
Unlängst erhielt ich die Erlaubnis, die Landesirrenanstalt zu besichtigen. Ich durfte durch alle Säle gehen und mit allen Kranken sprechen.
Im siebenten Saal begegnete mir ein Mann in langem, grauem Kittel, mit entsetzlich stierem Blick.
„Sie Armer,“ fragte ich ihn erschüttert, „wie lang sind Sie denn schon hier?“
Er lächelte und sagte:
„Verzeihen Sie, ich bin der Anstaltsarzt.“
Ich war bodenlos verlegen und erschöpfte mich in Entschuldigungen.
„Oh, bitte, bitte,“ sagte der Vorstand, „eine solche Verwechslung kann einem Fremden bei uns schon passieren. Die Ärzte in den Irrenanstalten unterscheiden sich ja von den Patienten nur durch die Vorbildung.“
Die Frau Legationsrätin erzählte mir:
„Der französische Botschafter hat uns zweimal nacheinander zum Frühstück geladen. Wir müssen uns revanchieren.“
„Sie geben nun auch ein Frühstück, Gräfin?“
„Es macht zu viel Umstände. Wir werden Konzessionen in Persien machen.“
[S. 177]
Drei Insassinnen der Troppauer Irrenanstalt hatten beschlossen, auszurücken. Sie schnürten ihre Bündelchen, legten sie gegen Abend an die Gartenmauer — und wenns dunkel wird, gehts los.
Eh es aber losging, flüsterte die gute alte Heubauerin:
„Warts noch ein bißl!“
Lief hinauf in die Direktion und sagte:
„Entschuldigen schon, Herr Primararzt — ich küss die Hand. Un ich dank auch scheen für alles Gute, was Sie mir erwiesen haben. Nämlich: mir fliehen jetzt.“
„Herr Leutnant,“ rief der General, „Herr Leutnant, wo haben Sie Ihren Kompaß?“
Ich erbleichte. Ich hatte keinen.
„Herr General, ich dachte ... bei dem klaren Wetter ... die Sonne stets sichtbar ...“
„So,“ höhnte der Herr General, „die Sonne! Mensch, an der Sonne können Sie höchstens erkennen, wo Süden ist — aber niemals, wo Norden ist.“
[S. 178]
Das Personal des Hoftheaters war zu einer intimen Festvorstellung ins herzogliche Schloß befohlen. Nach der Vorstellung: Tee und Cercle Ihrer Hoheit, der Herzogin.
„Ah, mein lieber Knipping!“ rief die Herzogin, „Wir freuen Uns, Sie wiederzusehen, Unsern beliebten Heldendarsteller. Irren wir Uns? Wollte man Sie Uns nicht im letzten Winter nach Berlin entführen?“
Da sagte Knipping:
„Hoheit, wo mir die Gnade der höchsten Herrschaften gewiß ist, bleibe ich lieber da — auf dem Lokus, wo ich schon seit zwanzig Jahren sitze.“
Kadettenschule in Prag. Eines Tages kam Herr Oberst Nastupil, um dem Unterricht in der tschechischen Sprache beizuwohnen.
„Zögling Heinzl, schreiben S’ auf: ‚Pferd hat sich gut in ärarische Stall, wird sich gepflegt von die Kopf bis Füß.‘ — Haben S’ geschrieben? — So übersetzen S’!“
„Ins Deutsche oder ins Tschechische, Herr Oberst?“
[S. 179]
Rittmeister v. Pakosdy — zum Tee bei Mänzels.
Frau Mänzel zwitschert wieder einmal aufs lieblichste — ein Dutzend Geschichten, die sie alle heute früh erlebt hat.
„Ich gehe die Kärntnerstraße entlang — plötzlich rutsche ich aus und sitze da auf meinen vier Buchstaben ...“
Pakosdy voller Interesse, aber ganz und gar verständnislos:
„Sitzen auf Ihre vier Buchstaben, Gnädigste? Wie is dos gemeint, ich bitte?“
Man erklärt es ihm pantomimisch.
„Ach so!“ ruft Pakosky.
Und nach einer Pause des Nachdenkens:
„Entschuldigen — das sein aber fünf Buchstaben.“
Ein Gespräch auf der Schweizerischen Bundesbahn, in der Nähe von Basel.
„Wenn ma halt e Zit lang im Usland gsi isch, gwöhnt me sich daheime so schwer wieder i.“
„Sin Sie lang im Usland gsi?“
„Jo — drei Wuche im Appezäll.“
[S. 180]
Als Edelsheim Korpskommandant in Pest war, traf er einmal auf der Promenade einen Leutnant mit Rasselgeräuschen.
„Sie,“ sagte Seine Exzellenz, „Sie habe sich Ihren Sporn abgetrete — richte Sie sich ihm emol!“
Worauf der Leutnant in einen Hausflur trat und auf alle Art versuchte, den Sporn einzurenken.
Doch es ging nicht.
Ach was — der Korpskommandant ist sicher schon weit weg — los auf die Promenade!
Der erste Mensch, dem er begegnete, war der Korpskommandant.
„Herr Leutnant,“ sagte Seine Exzellenz, „Ihr Sporn ischt noch immer abgetrete. Sie müsse sich Zeit nehme. Bleibe Sie emol drei Tag zu Haus un richte Sie ihm ordentlich!“
Der Leutnant meldete den Vorfall pflichtgemäß dem Regiment und trat seinen Zimmerarrest an.
Als er ihn verbüßt hatte, ging er auf die Promenade.
Und wer kam ihm entgegen?
Seine Exzellenz, der General der Kavallerie Freiherr v. Edelsheim.
[S. 181]
Und was schleifte Seiner Exzellenz nach?
Die Hosenstrupfe.
„Exzellenz, ich erlaube mir, gehorsamst aufmerksam zu machen ...“
„Ah, da schau her! Mei Strupfe ischt abgetrete? Und grad Sie habe es gemerkt? Mein Spornleutnat? Ich danke Ihnen.“
Nächste Begegnung.
„Exzellenz, ich erlaube mir, gehorsamst aufmerksam zu machen ...“
„Was? Mei Strupfe wieder abgetrete? Da verdien ich ja ... Wieviel Arrest habe Sie damals für Ihren Sporn kriegt, Herr Leutnant?“
„Drei Tage, Exzellenz.“
„Drei? Na, da verdien ich wenigschtens acht. Aber ich als Korpskommandant hab ja nit Zeit. ... Wissen Sie was, Herr Leutnant? Sitze Sie emol die acht Tag für mich ab!“
Ich besuchte einst in Pest den Major Ischbary von Forgatschhusaren. Er las eben in einem Buch.
„Störe ich Sie am Ende, Herr Major? Studieren Sie Taktik?“
„Oberr liieberr Fraind! Ich?? Taktik studieren?? Wo sich die Taktik doch in unserm nächsten Krieg als grundverfehlt erweisen wird?“
[S. 182]
Ich saß mit Nuttinger im Volkskeller.
Die Damenkapelle spielte.
Wir brüteten.
„Freunderl,“ sagte Nuttinger plötzlich, „ob du mirs jetzt glaubst oder net — es ist ein historischer Augenblick in meinem Leben. Nie hab ichs glaubt, wann die Leut von einer Liebe aufn erschten Blick reden — aber ich bitt dich, schau dir die Bassistin an! Hast du schon so was von Anmut gesehn? So eine schlanke Fülle? So ein volles Schlankerl? Meiner Six, ich wer die Person heiraten un wer ihr Schklave sein fürderhin. Du verstehst? Fürderhin. Pikkolo! Pikkolo! Obst hergehst, Lausbua?! Siegst des Fräuln oben, die was Baß spielt? Augenblicklich sagst ihr: ‚Fräuln‘, sagst ihr, ‚unten is a Herr‘, sagst ihr, ‚in geordnete Verhältnisse, der bietet Ihna Herz und Hand fürs Leben.‘ Hast verstanden, Lausbua? ‚Herz und Hand fürs Leben.‘ Der Bassistin. Oder weißt was, Pikkolo? Sags lieber der Trommlerin.“
„Wie hießen jene jungfräulichen Priesterinnen im alten Rom, die das heilige Feuer nährten?“
„Das waren die Westfalinnen.“
[S. 183]
Paulchen ist erwacht, Paulchen ist angekleidet worden und erscheint glückstrahlend im Salon — im Kreis der Tanten, Großtanten und Basen.
„Ach, Paulchen! Das süße Paulchen! Wie hast du denn geschlafen?“
Paulchen hat herrlich geschlafen — und noch mehr: Paulchen hat geträumt.
„Zum erstenmal in seinem Leben,“ jubelt Mama. „Erzähl doch, erzähl doch, wie es war!“
Paulchen:
„Also, mich bin geträumt, es war Nacht, da is die Tür gegangen, da is ein Engel kommen in ein langes Hemd.“
Chor der Tanten:
„Ach, Paulchen, wie reizend!“
„Ja, in ein langes Hemd. ’s war aber gar kein Engel, ’s war Papa.“
„Was? Kein Engel? Es war Papa? Nein, wie niedlich!“
„Ja, un er is gar nicht zu Paulchen, er is gangen an Fräuleins Bett. Un hat gesagt: ‚Weißt was, Fräulein? Du bist gar kein Fräulein, du bist ein Engel.‘“
Mutti ist ein wenig verwirrt:
„Hör, Paulchen, Träume sind Schäume — Lügen. Die muß man auch nicht erzählen.“
[S. 184]
„Oh, Mama,“ sagt Paulchen, „frag nur ’s Fräulein und Papa — denen hat das alles genau ebenso geträumt.“
Eine betrübende Kunde kommt aus Hamburg. Der Direktor einer dortigen Margarinefabrik hat, verzweifelt über die Verleumdungen, die in der Presse über das Unternehmen umgehen, Selbstmord versucht: er öffnete eine zur Versendung an die Kundschaft bereite Kiste, schmierte sich ein Butterbrot und verschlang es hastig. An dem Aufkommen des Bedauernswerten wird gezweifelt.
„Weune nicht, mein Sohn! Weunen geziemt den Weubern. Wir Männer halten in diesem Falle Reden.“
Die kleine Trude will wieder einmal, allem Zureden zum Trotz, ihre Suppe nicht essen.
Da sagt Mama:
„Wie manches arme Kind wäre froh, wenn es nur die Hälfte hätte!“
„Ich auch,“ antwortet Trude seufzend.
[S. 185]
Ich besuchte meinen Freund, den Legationssekretär. Er empfing mich auf seinem Bureau.
Das Bureau ist sehr behaglich eingerichtet: Ottomane, Klubsessel, Bärenfell, Rauchservice ... und nirgends ein Schreibtisch. Ein Möbel, das ich anfangs für einen Dokumentenschrank gehalten hatte, erwies sich bald als Schnapsaltar.
Der Legationssekretär verstand — als Diplomat — meinen fragenden Blick sofort und erklärte mir:
„Siehst: die Akten, soweit sie nicht dringend sind, nehme ich nicht zu mir — die haben Zeit. Und die dringenden Akten? Ihre Eigentümlichkeit ist doch grad, daß sie sich durch Nichtbeantwortung von selbst erledigen.“
Vor ein paar Jahren war ich in Cetinje. Da sagte mir der Konsul:
„Sie wollen hier was durchsetzen? Da müssen Sie mit gewissen kleinen Eigentümlichkeiten des Landes rechnen: wenn Ihnen der Unterrichtsminister sein Ehrenwort gibt, hält ers bestimmt nicht; der Kriegsminister ist ganz unverläßlich — er hälts manchmal.“
[S. 186]
Baron Meyringer sah, daß es so nicht weiterging — sein Vermögen war tschari, nur seine drei Autos waren ihm geblieben — da gründete er die Erste Wiener Autounternehmung.
Wenn man aber in Wien ein Lohnfuhrwesen betreiben will, muß man eine Lizenz haben.
Eine Lizenz bekommt man nur, wenn ‚die fraglichen Fuhrwerke in ihrer Gänze oder den überwiegenden Teilen nach inländischen Ursprungs sind‘.
Meyringers Wagen waren französischen Ursprungs.
Was tun?
In solchen Fällen geht der Österreicher auf die Statthalterei, ‚um sich das zu richten‘. — Meyringer ging auf die Statthalterei.
Jede höhere österreichische Behörde hat einen sogenannten Präsidialisten, dessen Aufgabe es ist, wenig erfahrenen, jedoch durch ihre Geburt bevorzugten Klienten die Wege zu weisen zur Umgehung der Gesetze.
Der Präsidialist ließ sich den Fall Meyringer vorlegen und dachte lange nach.
Dann aber sprach er:
„Also so viel is gwiß, daß der überwiegende Teil der Wagen heimischer Erzeugung sein muß.[S. 187] Könnten S’ net, zum Beispiel, für Ihnere Wägen Wiener Laternen anschaffen?“
„Was mach ich mit den alten?“ wandte Meyringer ein.
„Oder Wiener Fußteppiche?“
„Drei Stück ... Es kostt halt Geld ...“
Der Präsidialist sann und sann.
„Eine Idee, Herr Baron: das Wasser im Kühler; wir haben das berühmte Wiener Hochquellwasser ...“
Meyringer nickte.
Und bekam die Lizenz.
„Die arme Frau kann keinen Ball mitmachen, keine Unterhaltung — sie hat zwei Kinder ...“
„Ja, wenn die nicht wären, hätte sie bei ihrem Temperament schon lang ein drittes.“
In Gleichenberg war einmal ein alter Apotheker, der pflegte zu sagen:
„Zwischen zwanzig und vierzig freute ich mich am meisten über ein schönes Weib. Zwischen vierzig und sechzig über einen guten Stuhl. Und seitdem freue ich mich am meisten, wenn mein Nierenleiden manchmal nachläßt.“
[S. 188]
Hauptmann Patrontaschewitsch vom Grenzerregiment ist beim Kassagang gewesen. Nun sitzt er in der Kompagniekanzlei und zählt das Geld nach, die Löhnung für die Mannschaft.
Es pocht. Der Oberleutnant tritt ein.
Hauptmann Patrontaschewitsch räumt das Geld hastig in die Tischlade und sperrt ab.
„Pardon, Herr Hauptmann!! Was soll das?? Ich verbitte mir dieses beleidigende Mißtrauen.“
Und der Hauptmann begütigend:
„Aaber, Bruudär! Kein Mißtrauän. Nur Erfahrung: mehr wird es auf keinen Fall.“
In Wien soll ein neues Gebäude für das Patentamt errichtet werden. Doch die im Finanzministerium sind dagegen.
„Denn,“ erzählt mir ein Finanzhofrat, „das jetzige Gebäude is freilich zu klein — bei zehntausend Patentanmeldungen im vorigen Jahr. Aber ich bitte: wissen wir, obs im nächsten Jahr wieder so viele werden? Jetzt — wo das meiste, was man überhaupt braucht, schon erfunden is?“
[S. 189]
Als Onkel Anton gestorben war, kamen wir alle, so weit wir auch wohnten, zu seinem Begräbnis. Denn wir hatten ihn geliebt.
Und wir trösteten die Tante, und als wir vom Friedhof kamen, geleiteten wir sie noch nach Haus und trösteten sie wieder und blieben bei ihr — bei ihr im einsamen Heim, wo jedes Winkelchen, jeder Gegenstand an den Heimgegangenen gemahnte.
Die Tante brachte uns Wein und Biskuit, und wir tranken und sprachen von dem teuern Toten — und tranken wieder und sprachen wiederum und tranken zwischendurch.
Da stand Onkel Felix auf, klopfte ans Glas und hob es hoch und sagte:
„Tante Anna! Ich glaube im Sinne aller zu sprechen: der selige Onkel Anton soll leben!“
Sonntag nachmittag; die beiden Apothekerlehrlinge haben Ausgang.
„Sag mal, was is da auf der Handelskammer für eine Statue?“
„Das weißt du nicht? Das ist Merkur.“
„Waas? Für so eine Salbe macht man ihm eine so schöne Statue?“
[S. 190]
Die Bevölkerung von Galizien ist von der Unbestechlichkeit ihrer Gerichte nicht so tief überzeugt, wie es im Interesse der Staatsautorität zu wünschen wäre.
Unlängst erhob sich der Vorsitzende des Landesgerichts von Tarnopol, Zivilsenat, und begann die Urteilsbegründung zu lesen:
„Der Gerichtshof hat angenommen ...“
„Hab ich mir gleich gedacht,“ unterbrach der abgewiesene Kläger.
Meine Schwester sagt: nach dem langwierigen Souper müsse sie Luft schöpfen — ich sollte mit ihr in den Tiergarten fahren.
Herrliche Autofahrt im Mondschein.
Wir kommen zurück und halten.
Ich will den Chauffeur entlohnen.
„Wat?“ sagt er. „Nach dem Taxameter kieken Se? Hab ick mir eenmal umjekiekt?“
„Knetschke, lassen Sie die Gelenke los! Noch mehr! Was kneifen Sie denn die Beine zusammen wie eine Gouvernante?“
[S. 191]
Ich ging dereinst auf der Furschtadtskaja in Petersburg spazieren — mit dem kaiserlich russischen Stabskapitän Kojuhoff.
Er sprach mir vom russischen Militär. Glühend, begeistert.
„Was sind eure Soldaten?“ rief er. „Wehrpflichtige Sozialdemokraten, im besten Fall wehrfähige Puppen. Das Urra Suwaroffs kennen sie nicht, sie haben kein Herz. — Bei uns? Der letzte Mann stirbt freudig für seinen Zaren, seinen Offizier.“
Eine Infanterieabteilung näherte sich in Schritt und Tritt.
„Hörst du sie, Fremdling? Hörst du unsre Soldaten singen? So folgt der Slawe seinem Führer — in blindem Vertrauen, in Liebe, in Ehrfurcht, im Glauben an ihn.“
Die Abteilung kam immer näher. Und sang:
[S. 192]
Deutsch:
Ritschel sah zum Erschrecken aus.
„Mensch,“ rief ich, „bist du unter die Stachelwalze geraten?“
„Nein — weißt: gestern komm ich spät nach Haus — mein Hund erkennt mich nicht und springt mir ins Gesicht ...“
„Hör mal, Freunderl — von dem Hund tät ich mich scheiden lassen.“
„Hat Jraf Pantzow seine Cancaneuse noch?“
„Nee — hat sich mit seiner Frau versöhnt und lebt mit ihr.“
„Lebt mit der eejenen Frau? Also Blutschande.“
[S. 193]
Erzherzog Albrecht reiste einmal durch Ungarn. Ward begeistert empfangen und freute sich sehr.
Nur eins wunderte ihn: die Leute schrien immer: Vivat. Warum nicht Eljen, wie sie sonst doch pflegen?
Der Erzherzog befragte den Obergespan.
Und der Obergespan antwortete ehrerbietig:
„Kaiserliche Hoheit, wir haben ihnen Vivat eingelernt. Denn warum? Wann wir sie lassen Eljen schrein, schrein s’ immer: Eljen Kossuth!“
„Was is mit unsan ollen Freund Willem — is er nu endlich vanünftich worden?“
„Eben wollt er vanünftich wern — da kam der Altersblödsinn.“
„Haben Sie eine Zigarre für mich, Herr v. Hoffmann?“
„Sagten Sie denn nicht, Sie wollten sich das Rauchen abgewöhnen?“
„Gewiß — aber das geht nicht so plötzlich. Das Rauchen eigener Zigarren hab ich mir schon abgewöhnt.“
[S. 194]
Ich hatte einen Onkel in Wien, den Onkel Aloys.
Er war eine Zierde der Familie, er war Großkaufmann.
Und dieses vorbildliche Leben: vier Tage wöchentlich verbrachte er im Kreis der Familie. Samstag, Sonntag, Montag aber — im Sommer, im Winter, ob schön, ob Regen: Samstag, Sonntag, Montag stieg er auf die Rax. Atmete die frische Bergluft ein, schrieb uns regelmäßig eine Ansichtskarte von den Gipfeln — und kam Dienstag früh zurück, gradeaus in die Kontore.
Immer frisch und guter Dinge. Wenn die Tante ihn lobte, wie prächtig er aussehe, da setzte sie auch gleich hinzu:
„Na ja, bei deiner Lebensweise?“
Unlängst legte sich Onkel Aloys hin und war krank zum Sterben.
Eh er aber starb, faßte er mich an der Hand und sprach:
„Lieber Neffe! Ich weiß, du hast ein Frauenzimmer. Aber, glaub mir, es is nichts mit den Frauenzimmern. Sie machen uns alt. — Höre, mein Junge, was ich dir rate: geh drei Tage in jeder Woche in die Alpen. Sieh dir meinen Buchhalter an, wie gut es ihm getan hat! Er ist[S. 195] stark und jung. Seit Jahren hab ich ihn auf die Rax geschickt, meine Ansichtskarten aufgeben. Und sieh mich an: wie elend sie mich gemacht haben — die Stadtluft und die Frauenzimmer ...“
Onkel Aloys tat einen schweren Seufzer und verschied.
„Sein Sie Englishman?“
„Nein.“
„Well, mein Beileid.“
„Herr Graf, kennen Sie den Sektionschef im Eisenbahnministerium?“
„Wenn Grjaff — so ja; wenn njicht Grjaff — so njein.“
„Für meine ‚Schlacht an der Katzbach‘ hab ich in Berlin keinen Käufer gefunden. Ich mal jetzt grüne Federn auf die Mützen und brings nach Wien als ‚Schlacht bei Aspern‘.“
[S. 196]
Ich bin seit ein paar Tagen in Berlin.
Als ich gestern nacht, gegen zwei, in mein Hotel zurückkehrte, stand auf dem Podest des ersten Stockwerks ein Mann; ein Mann, der mangelhaft bekleidet war und seine Siebensachen unterm Arm trug; Angstschweiß stand ihm auf der Stirn; und er schrie:
„Källner! Källner! Aber Kääällner!“
Endlich meldete sich wer.
„Källner!“
„Ja, was wollen Sie denn?“
„Aber Käällner! Meine Räächnung! Ihh ljasse miir njicht gefaallen. Ihh gehhe auf Kabinet — steht: ‚Biitte ziiehen!‘ Ihh ziehhe — koomt mit großem Gepoolter Waasser durch eine Rohrr. Was siind das für Wiitze, einen Kavalier so erschreecken?“
„Sowie meine Geliebte sich von ihrem Mann scheiden läßt, hebe ich unsre Verlobung jedesmal als zwecklos auf.“
„Johann, ich geh jetzt schlafen. Machen Sie übermorgen mittag Wiederbelebungsversuche.“
[S. 197]
Leutnant Hederhasy hatte drei Tage Urlaub nach Budapest gehabt und kam erfrischt und angeregt zurück.
Der Oberst — jovial:
„Nun, Herr Leutnant? Haben Sie sich gut unterhalten? Wo sind Sie denn abgestiegen?“
„Abgestiegen, Herr Oberst?“
„Na, Sie werden doch in irgendeinem Hotel gewohnt haben?“
„Hotel, ich bitte gehorsamst? Bei Tag war ich im Café und bei Nacht im Tingältangäl.“
„Mei Sohn is akademischer Maler, mei Tochter Klaviervirtuosin. Aber ernähren muß i’ s’ alle zwaa.“
Ins Garnisonsspital Nr. 1, Wien, rückte einst der Einjährige Doktor Wimmer ein, um sein Halbjahr als Assistenzarzt abzudienen.
„Einjähriger — sein Sie Spezialist?“
„Jawohl, Herr Oberstabsarzt — Gynäkologe.“
„No — dann übernehmen S’ halt die Herren Trainoffiziere.“
[S. 198]
Ich bot einem Wiener Operettendirektor ein neues Singspiel an.
„Von wem komponiert?“ fragte er.
„Von La Touche.“
„So, von La Touche. Sagen S’: is der Herr ein Israelit?“
„Ich glaube nicht.“
„Ja, dann wer i’s kaum aufführen können. Eine Operett von an Christen? Des wär Religionsstörung.“
„Ich bin eigentlich ein merkwürdiger Mensch: immer wieder tu ich die verlornen Mädchen aufsuchen.“
„Käthe, heut hatte ich einen wundervollen Traum: ich gab Cicero einen Fünfer in Latein.“
„Der herrliche Tag — der Sonnenschein — begeistert es dich nicht, Otto?“
„Ja. Ich werde was aus dem Bulgarischen übersetzen.“
[S. 199]
In der Wiener Konsularakademie, Diplomatenklasse.
Kandidat: Erlaucht Rainer Maria Graf Putitzki zu Putitz ab Rima.
Erste Frage: „Schlacht bei Leipzig.“
Der Kandidat schweigt.
Zweite Frage: „Schlacht bei Königgrätz.“
Der Kandidat schweigt.
Dritte Frage: „Wo sind Sie geboren?“
„In Ljembärg.“
„Wissen Sie das sicher?“
„Ja, ganz siicherr.“
„Na, dann haben Sie wenigstens eine Frage richtig beantwortet.“
„Mir gangst mit dera Jagerei! Dö Wildsau, wo mir einkreist ham, dös war a Maler aus München.“
„Jetzt muß also der arme Hauptmann richtig mit Gehirnerweichung ins Garnisonsspital.“
„Ich habs lang geahnt. Er war so freundlich zur Mannschaft.“
[S. 200]
Die Frau Rentmeisterin von Obradowo war in gesegneten Umständen. Und fühlte sich höchst sonderbar — anders als sonst.
Der Gemeindearzt untersuchte sie, getraute sich aber mit keiner Diagnose hervor. Er telegraphierte um den Physikus nach Gutta.
Der Physikus untersuchte die Schwangere ebenfalls.
„Gnä Frau,“ sagte er, „dösmal saans Zwilling. Aber ’s pressiert nöt.“
Und reiste ab.
Kaum war er weg — vier Uhr nachmittag — da kam der erste Junge.
Der Gemeindearzt ließ ihn baden, tuschierte ihm die Augen — setzte sich ans Bett und wartete.
Wartete bis fünf. Bis sechs. Bis Mitternacht. Bis zum Morgen.
Nichts. Absolut nichts.
Mittags bekam der Physikus von Gutta folgendes Telegramm:
„ein bub da wöchnerin ansonsten leer was tun gemeindearzt.“
„Fuchs, jewöhn dir keene Fremdwörter an; wenn de besoffen bist, kannst de se nich aussprechen.“
[S. 201]
Ich bleibe dabei: nur eine gute Kinderstube gibt uns Fond fürs Leben.
Baron Frimmel, Oberleutnant Berghammer — aber in Zivil — und ich — wir gingen einmal im Prater spazieren. Eigentlich kein Spaziergang, sondern ein Gewaltmarsch zum Zweck des Lokalwechsels — drei Uhr früh — und wir hielten einander um die Schultern gefaßt, um nicht den Anstrengungen des Tages zu erliegen.
Drei Uhr früh. Frimmel hatte eine Dogge mit, Berghammer einen Gummiknüppel, und ich etwas Jiu-jitsu.
Hierauf wurden wir verhaftet, weil der Raseurgehilfe Kamillo Lendecke (ledig, katholisch, Novaragasse 26) mehrfache Verletzungen davongetragen hatte.
Vom Augenblick der Verhaftung an hatten wir kein Wort miteinander gewechselt.
Trotzdem sagten wir, einzeln befragt, übereinstimmend aus: Lendecke habe sich, unserm gütlichen Zureden zum Trotz, mit dem Kopf in einen Zaun von Stacheldraht gelegt.
Die drei identischen, mit ruhiger Sicherheit vorgetragenen Aussagen bewirkten denn auch unsre Freilassung.
[S. 202]
Und wir hatten uns doch gar nicht verabreden können.
War auch nicht nötig. Was ein taktvoller Mensch ist, wird sich in jeder, noch so diffizilen Lebenslage richtig zu benehmen wissen.
„Sehn Se: die Amerikaner haben ihren Yellestonnationalpark; un wir in Deutschland haben die beiden Mecklenburg.“
„Du bist nun alt genug, mein Sohn — sieh dich um eine Frau um!“
„Um wessen Frau, Papa?“
„Also sieh nur, in was für Ungelegenheiten du mich bringst, Melanie! Jetzt muß ich mich mit meinem besten Freund schießen.“
„So — das also sind Ihre Brüder. Und die Dame? Ist wohl eine Schwägerin?“
„Nein, eine Norwegerin.“
[S. 203]
Als der König von Italien zum erstenmal bei seinem Schwiegervater in Montenegro einzog, Nikolaus dem Ersten — hei, war das ein Empfang! Jung und alt begeistert — und Viktor Emanuel warf Gold- und Silbermünzen in die Menge.
Viktor Emanuel sah nach seinem Schwiegervater, um ihm zu danken — — kein Nikolaus weit und breit.
Nikolaus hatte sich unters Volk gemischt und balgte um die Münzen.
Der Dirigent hat mit seiner Kapelle geprobt.
„Es geht vorzüglich, meine Herren,“ sagt er, „ich bin sehr zufrieden. Nur eins: es ist D-Dur, meine Herren — D-Dur, nicht G-Dur.“
„Hast du alles eingepackt, Mieze?“
„Ja. Nur den Kamm hab ich dir draußen gelassen. Du wirst ihn vielleicht noch brauchen.“
„Ich bin doch nicht wahnsinnig, daß ich mich zweimal kämmen werde.“
[S. 204]
Einmal in der Kadettenschule fragte mich Oberleutnant Zwertschek, Lehrer der deutschen Sprache:
„Zeegling! Was fir ein Unterschied is zwischen den Zeitwertern ‚bekommen‘ und ‚erhalten‘?“
Ich sagte: ‚bekommen‘ und ‚erhalten‘ — eins wär wie das andre.
„Schlecht,“ sagte Oberleutnant Zwertschek, „es is nicht dasselbe. Denn bekommen kann man bald eine Frau; aber darum muß man sie nicht gleich erhalten.“
Ich fragte:
„Hierzuland nennt man die Kellnerinnen Saaltöchter?“
„Sie irren,“ sagte mir ein Kenner. „Saaltochter und Kellnerin ist nicht dasselbe. Die Kellnerin kann man nachher sitzen lassen — die Saaltochter muß man heiraten.“
„In erster Linie kommt et uff ene diskutable Mitjift an; det Licht im Schlafzimmer kann man ja abdrehn.“
[S. 205]
Der Diplomat muß Komplikationen einfach aus der Welt zu schaffen wissen.
Einst bekam der russische Gesandte in München einen ziemlich lästigen Auftrag aus Petersburg: er sollte den Untertan Ossip Nikolajewitsch Bninski verhaften lassen; als welcher Bninski zurzeit im Münchner Orpheum als Damenimitator auftrete und bezichtigt sei, in seiner Heimat etliche Taschendiebstähle verübt zu haben.
Wenn Bninski verhaftet wird, muß der Gesandte die Auslieferung betreiben. Endlose Schreiberei steht bevor — ein Zustand, der mit allem Herkommen der Diplomatie auf das peinlichste kontrastiert.
Nach einiger Überlegung begaben sich Seine Exzellenz ins Orpheum und ließen sich diesen Bninski vorführen; wobei Seine Exzellenz die Brieftasche unaufhörlich mit der Hand festhielten.
Hierauf verschwand Bninski, von dem humanen Gesandten freundschaftlich gewarnt, nach Salzburg.
Bei seiner Ankunft in Salzburg wurde er verhaftet — auf Grund der Anzeige der Münchener Gesandtschaft.
Und die Auslieferung hatte der russische Botschafter in Wien zu betreiben.
[S. 206]
„Papa,“ sprach der Jüngling, „es ist mein unumstößlicher Wille: ich werde Literat.“
Der Herr Hofrat antwortete:
„Edgar, wenn du uns dö Schand durchaus antun mußt un dei Glück derbei findst — gut — i bin ka Unmensch: geh hin un wer in Gottes Namen Literat. Nur aans, Edgar, bitt i mir aus als dei alter Vater: Israelit därfst du darum net wern.“
„Tate, was is das: ä Pantomime?“
„Ä Pantomime, mei Kind is: ma redt ganz wie mä gewehnlich redt — nur halt mä dabei äs Maul.“
„Fräulein, ich liebe Sie.“
„Sprechen Sie mit meiner Mama.“
„Was fällt Ihnen ein — die darf kein Sterbenswort davon erfahren.“
„Unsre Gouvernante hat ein Kind gekriegt. Nun weiß ich nicht: ist das mein Enkel oder mein Sohn?“
[S. 207]
Wir hatten einen jungen Marquis im Regiment, einen ungemein netten, fröhlichen Menschen. Wenn er um sieben in die Kaserne kam, ging er von Batterie zu Batterie und schmetterte überallhin seinen Gutenmorgen.
Bis eines Tages der Oberst wütend aus dem Stall schoß und schrie:
„Sie, Herr Leutnant! Hier bin fein ich der Gutenmorgensager.“
„Darum, Genossen, haltet fest an den Idealen: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit — oder, wie die Franzosen sagen: puberté, légalité, paternité.“
„A so a Sauschwindel! Da kummt der Mensch her ins Fariété, daß ma fesche Weiber siecht — daweil san dö Brothers Estrella Männer.“
Nimm nie Fremdwörter in den Mund. Man kann nie wissen, wer sie vorher im Mund gehabt hat.
[S. 208]
„Da Könich von Preußen hat wieda keenem Dichta den Schillapreis valiehen.“
„Ob er wohl prämiiert würde, wenn die Dichter einen Königspreis zu verleihen hätten?“
„Herr Leutnant, Sie haben das Manöver im vorigen Jahr nicht mitgemacht, weil Sie Typhus hatten. Gut. Aber jedes Jahr werde ich solche Ausreden nicht dulden.“
„Ich hab vier Passionen, wissen Se: Pferde, Hunde, Damen un Weiber.“
„Und in was reisen Sie?“
„In Barchent.“
„Als mein Vater starb, vererbte er jedem von uns etwas: Otto kriegte das Gut, Robert das Barvermögen und ich die Arterienverkalkung.“
„Satt bin ick wie en Schwein. Frage: wat nu essen?“
[S. 209]
Eines Tages standen wir in Reih und Glied im Kasernhof — schon seit sieben — und warteten auf den Herrn General. Es war halb neun.
Da trat der Schwabe Furtinger, Rekrut-Unterkanonier, aus der Front, legte seine Flinte hin und sprach mit freundlichem Lächeln:
„Dem Furtinger dauerts allweil z’ lang.“
— — — Tags darauf war Furtinger als ‚schwachsinnig, auch zu jedem Landsturmdienst ungeeignet‘ aus dem Heeresverband entlassen.
Schnürte sein Bündel und zog ab.
Der Oberst blickte ihm sinnend nach.
Und sprach:
„Mir scheint — mir scheint, meine Herren; den Allerschwachsinnigsten ham mir da allweil nit entlassen.“
„Schreckliches Leben; mein Mann ißt so viel — und die Kinderchen sind so schlecht aufgelegt.“
„Gnädigste, schaffen Sie sich eine Gouvernante an mit pulsierenden Glotzaugen!“
„Wirf das Silberpapier vom Käs nicht weg, Ottochen. Mein Mann sammelts.“
[S. 210]
Im Bahnwagen war ein Streit ausgebrochen. Der Engländer war nicht zu bewegen, das Fenster zu schließen.
„Ich habs Reißen,“ rief der Herr aus Wien.
Der Engländer rührte sich nicht.
„Sö, wann Sö meine Gicht hätten ...“
Auf den Engländer machte es keinen Eindruck.
„Himmelherrgottsakra und Fixneusiedel — wern Sö dös Fenster zumachen? Oder i ruf ’n Konduktör.“
Der Schaffner kam, schob den Engländer beiseite und schloß.
Der Engländer zückte seinen Spazierstock — tuck, tuck, tuck — und schlug die Scheibe aus.
„A sauberer Herr, der Herr Kunstmaler! Jetz is mei Nelli scho vier Monat in der Hoffnung — aber ’s Modellgeld hat er ihr noch immer net zahlt.“
„Liebe Mitchristen, eine gute Predigt muß sein wie ein guter Kalbsbraten: Sonntag wird er angeschnitten und labet uns die ganze Woche.“
[S. 211]
Einst berief Menilek II., Herr von Abessynien, die Vertreter der europäischen Mächte zu sich und eröffnete ihnen: er habe seinen Großneffen zum Nachfolger auf dem Thron bestimmt.
„Warum den Großneffen, Majestät? Warum nicht den Neffen?“
„Weil mein Neffe zu dumm ist.“
— — —
Die Gesandten gingen heim. Unterwegs sprach Marquis A zu Baron B:
„Geben wirs auf, Exzellenz! Wir werden dieses sonderbare Volk doch nie begreifen lernen.“
„Der Herr der Heerscharen ist mißgestimmt. Wir müssen ihn erheitern.“
„Abonnieren wir einfach eine theosophische Zeitschrift.“
„Nun hab ich endlich das Hemd gefunden.“
„Wo ist es denn gewesen?“
„Im Wäscheschrank.“
„Na, wer kann denn auch auf diese Idee kommen?“
[S. 212]
Doktor Karlinger hatte einem jungen Kavalier aus der Schlammastik geholfen — allerdings zu ungeheuerlichen Bedingungen: zweihundert Prozent Zinsen ungefähr.
Nun stand Karlinger vor dem Ehrenrat der Niederösterreichischen Advokatenkammer, angeklagt des Wuchers.
„Meine Herren,“ sprach Karlinger, „angenommen, ich bin in der Schlacht bei Bosworth; König Richard schreit: ‚Ein Pferd! Ein Pferd! Ein Königreich für ein Pferd!‘ — Ich liefere ihm das Pferd. — Was geschieht? Es kommt der Ehrenrat der Niederösterreichischen Advokatenkammer und diszipliniert mich wegen Wuchers.“
„Auf welchem Gleis kommt der Zug aus Bopfingen, Herr Stationschef?“
„Ja, das kommt ganz drauf an, ob der Zug 9 Uhr 55 früher kommt oder der 11 Uhr fünfer.“
„Die Majorin ist hübsch, geistreich, jung — ich hätte nichts gegen sie einzuwenden — wenn sie nur nicht schnarchte.“
[S. 213]
Als ich noch bei den Benzigerdragonern diente, rief man uns einmal nach Tarnopol. Reichsratswahl — wir sollten die Ordnung aufrecht halten.
„Verdammt,“ sagte ich am Morgen dem Bezirkskommissär, „heut wirds was zu tun geben.“
„Absoljutt njicht, Herr Leitnant, absoljutt njicht. Bei unjs njicht. Wir wällen onnje Miljitärrassistenz unjd soljche Mittel. Gaanzer Wahlbeziirk hatj 3000 Wäller, und wirr chabben schonj übberr 6000 Stiimmzättelj fürr Regirrungskandidatten inj der Urne.“
Wominski war eines Tages gefürstet worden.
Der Diener:
„Befehlen Durchlaucht dieselben Hosen, was gräfliche Gnaden gestern getragen haben?“
„Wer ist die Dame, mit der Sie hier sind?“
„Das ist meine Schwester.“
„Und der Herr?“
„Das ist ihr Bruder.“
[S. 214]
Fahrkanonier Lendecke hatte sich auf listige Art um die Osterbeichte gedrückt.
Der hochwürdige Herr Feldkurat erfuhr es und redete dem schlechten Christen also ins Gewissen:
„Lendecke,“ sprach er, „Lendecke — genügt es, ein mutiger Soldat zu sein, ein guter Stangenreiter? Nein, mein Sohn! Mit diesen militärischen Tugenden kannst du Geschützvormeister werden, vielleicht auch Korporal. So du aber eingehen möchtest in die ewige Seligkeit, o Lendecke, wenn du teilhaftig werden willst des Paradieses — wohin mußt du vorher deine Schritte lenken?“
„Ins Garnisonspital Nr. 1,“ sprach Lendecke.
„Das Bureau des Freidenkervereins bleibt am Montag und Dienstag der jüdischen Feiertage wegen geschlossen.“
„Wir haben in Dakota Eilzüge, die machen 250 Kilometer in der Stunde. Und sie machen nur 250 — nicht etwa weil die Maschinen zu schwach sind, sondern weil die Stunde zu kurz ist.“
[S. 215]
Ich war nach Aussig berufen worden, um eine Vorlesung zu halten. Der Unternehmer sagte sie im letzten Augenblick ab.
Ich verlangte Schadenersatz. Es kam zum Prozeß. Der Unternehmer siegte.
In der Begründung des Urteils heißt es:
„Der beklagte Unternehmer beruft sich mit Recht darauf, daß ihm die Veranstaltung der Roda Roda-Vorlesung von seiten des k. k. Bezirkshauptmanns verboten worden ist, demnach eine schuldbare Unterlassung des Unternehmers nicht vorliegt. Ein Verbot des k. k. Bezirkshauptmanns ist vielmehr einer vis major gleichzuachten, da es, wie ein Elementarereignis, einen nicht vorhersehbaren blinden Zufall bildet, welchen abzuwehren die menschlichen Kräfte übersteigt.“
„Wirr in Archangelsk chabben genjau, abber ge—njau das gljeiche Klimma. Nurr fehllt bei unjs die Kurrtaxe.“
„Deutschmann heilt jeden vierten Fall von Amotio retinae. Theoretisch ist das allerdings unmöglich.“
[S. 216]
Es war eine erhebende Feier — Dr. Walter (Isidor) Mandels Taufe. Der Pfarrer hielt eine wunderschöne Rede — Matth. 26, 61:
„Ich kann den Tempel Gottes abbrechen und denselben wieder aufbauen.“
Man wünschte dem Neophyten Glück, und die Frau Gräfin sagte: nun sei die Vergangenheit ausgelöscht, und ein neues Leben fange an im Schoß der heiligen Kirche.
Alle gingen gerührt.
Da fragte der Pfarrer den Mesner:
„Hat dir der Jud auch Trinkgeld gegeben?“
„Bedaure, gnädige Frau, wir haben nur ein Zimmer zweiter Klasse frei.“
„Oh, das macht nichts.“
„Natürlich nicht. Wir werdens auch als erste Klasse berechnen.“
„Wenn man diese verschiedenen Enzykliken liest — es macht beinah den Eindruck, als ob der Papst selbst an den Katholizismus glaube.“
[S. 217]
Eines Tages ließ der Breslauer Zensor den Konzertdirektor Kattinger kommen und sagte ihm:
„Sie haben ein Konzert des Böhmischen Streichquartetts angekündigt?“
„Jawohl, Herr Assessor.“
„Sind Sie auch sicher, daß die Leute sich jeglicher politischer Demonstration enthalten werden?“
„Aber gewiß, Herr Assessor.“
„Na, zur Sicherheit muß ich doch die Texte vorgelegt bekommen.“
„Herr Tauber, gehen Sie zum five o’clock zu Geheimrats?“
„Naa. Zwegen dem bißl haaßen Wasser wer i mir nöt zwaa Stund die hochdeutsche Pappen einhenken.“
„Wer ist denn die Dame?“
„Meine zweite Frau.“
„Ah! Was ist denn mit deiner ersten Frau geschehen?“
„Zu Haus gelassen.“
[S. 218]
In Graz im Garnisonsspital wollten sie mir einst einen Knochensplitter entfernen.
Schon setzte der Regimentsarzt das Messer an — da erlaubte ich mir, aufmerksam zu machen:
„Ich glaub, du hast das Messer nicht sterilisiert.“
„Ja, lieber Freund,“ sagte der Regimentsarzt, „da hätten mir beim Militär viel zu tun, wann mir sollten a jede medizinische Modenarrheit mitmachen.“
„Kann Ihre Sekretärin schon selbständig Briefe schreiben?“
„Ja — aber einstweilen nur die groben.“
„Wer sind die zwei?“
„’n ganz junges Ehepaar. Noch nich mal verheiratet.“
„Das soll ein Schwefelbad sein? Das Wasser ist doch ganz klar.“
„Oh, nur zu Beginn der Saison.“
[S. 219]
In Esseg stand ein Kanonier vor dem Kriegsrecht — er war angeklagt, einen Feldwebel bei Nacht und Nebel schwer verprügelt zu haben.
Zu allgemeiner Verwunderung kam er mit anderthalb Jahren Kerker davon.
In der Urteilsbegründung hieß es aber ausdrücklich:
Dem Angeklagten hätte nach dem Wortlaut des Gesetzes eine viel, viel härtere Strafe gedroht; wenn das Gericht diesmal so ungewöhnliche Milde walten ließ, geschah es nur aus der Erwägung: daß dem Angeklagten seine Täterschaft in keiner Weise, nicht einmal im entferntesten, nachgewiesen werden konnte.
Wenn der Papst von der Christenheit wenig entzückt ist, gibt er eine Enzyklika heraus.
„Huber? Nein, Huber hat kein Talent. Er hält nicht mal unsern Professor für ’nen Esel.“
„Ich saß also im Restaurant, ich aß ...“
„Da haben S’ recht — dös san S’.“
[S. 220]
Man soll sich ein wenig um seine Kinder kümmern.
Mein Oheim, Ignaz Roda, der Konsistorialrat, ist Witwer. Er brachte vor ein paar Jahren sein Söhnchen in ein Knabeninstitut nach Lausanne.
Diese schweizerischen Institute sind ausgezeichnet organisiert: man braucht nur ein Kind beizustellen, die Erziehungskosten und einen Wunsch — nach ein paar Jahren kriegt man das Kind wieder — genau nach Wunsch fertig erzogen.
Der Sohn des Konsistorialrats Ignaz Roda sollte Feldprediger werden.
In diesem einen Fall muß in Lausanne eine Verwechslung passiert sein: Ignaz der Zweite ist eben zurückgekommen, fertig ausgebildet — leider irrtümlich als Rabbiner.
Der Richter ist der Kapellmeister, das Gesetz die Partitur. Wenn Ihr Diskorde hört — wer mag da schuld sein?
„Der Kerl hat mir geschworen, daß er ledig is — daweil is er wegen Bigamie bestraft.“
[S. 221]
Es kam eine Frau zu Rothschild und bat um Unterstützung.
Rothschild blickte sie prüfend an und schrieb eine Anweisung:
80 M.
Schon während er schrieb, sprach die Frau:
„Herr Baron, ich bin aus gutem Haus, aus jüdischem Haus ...“
„Ach so,“ murmelte Rothschild — riß sinnend den ersten Zettel in Stücke und schrieb sinnend einen andern:
310 M.
Die Frau fuhr fort:
„Wie gesagt: aus gutem, jüdischem Haus, eine Frankfurterin.“
„Sie sind Frankfurterin? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?“
Und Rothschild kritzelte einen dritten Zettel:
2779 M.
„Sie vergessen, Herr Baron, daß Ihre Tante Berta die Gliedkusine meines verstorbenen Mannes war.“
„So ist die Sache?“ rief Rothschild — musterte die Frau noch einmal und schrieb:
49607 M. 10 Pf.
[S. 222]
„Ich mache Sie aber aufmerksam, liebe Frau: wenn Sie sich auch noch für meine Tochter ausgeben, lasse ich Sie verhaften.“
„Herr Leutnant, meine Eltern sind so verschlossen, und Sie wissens bestimmt — sagen Sie mir, bitte: wieviel kriege ich denn mal mit?“
„In zwanzig Häusern bin ich nun gewesen — in neunzehn haben mir die Herren nachgestellt. Der zwanzigste konnte nicht — er lag in Agonie.“
„Herr, Sie sehen ja ganz verkatert aus. Leben Sie denn so unregelmäßig?“
„Bewahre! Gehe regelmäßig dreihundertmal im Jahr schlafen.“
„Nun, Helene, bist du mit deiner neuen Köchin zufrieden?“
„Soweit ja. Aber sie heißt unglückseligerweise so wie ich — und wenn ich nun ‚Helene‘ rufe, kommen wir alle beide.“
[S. 223]
In Salonik wirkte eine Ärztin — ein wahrer Segen für die islamitischen Frauen, die sich ja von männlichen Ärzten nicht untersuchen lassen mögen.
Wenn die Ärztin ein Rezept geschrieben hatte, trugen die Hanüms es — gleichwie einen Kor’anvers — als Amulett am Hals — gingen aber nicht etwa in die Apotheke, um das Medikament anfertigen zu lassen.
Dadurch wurden viele vom sichern Tod errettet.
„Ick rate Ihnen, jehn Se nich bei Arnows. Da kommt man vor lauter feinem Benehmen nich zum Essen.“
„Ja, v. Schwelbow hats jut. Voriges Jahr die jrößten Kartoffeln — heuer Profithagel, versicherte Scheune abjebrannt — dann noch Manöver mit Flurschaden — der reenste Ring des Polykrates.“
[S. 224]
Mein Name ist Schmidt.
Meine Schwiegermutter wohnt bei uns — sie heißt Frau Mertens.
Meine Schwester ist die Witwe Spahn.
Mein Söhnchen — aus der ersten Ehe meiner Frau — heißt Siegmund Vogel.
Gestern ist uns ein kleines Mädchen geboren worden. Es wird Martha heißen.
„Und wie noch?“ fragt der kleine Siegmund.
„Martha Schmidt natürlich,“ antworte ich. „Ich heiße doch auch Schmidt.“
„Nanu,“ ruft Siegmund, „was is det nu wieda vor ne Mode, det de Kinda nach ’m Vater heeßen?“
„Eben nem Zivilisten auf’n Fuß jetreten.“
„Nu — ntschuldigte er sich wenigstens?“
Elsbeth, ein Backfisch mit feurigen Augen, hört, daß die ältere Schwester einen Freier abgewiesen hat.
„So ne Gans!“ sagt sie. „Wenn um mich einer anhalten käm — ich kniff ihn vor Freude ins Bein.“
[S. 225]
Wenn Exzellenz von Pfannenstiel seine Husaren besichtigt, da übt er eine besondre Methode: ihm genügt nicht, die Ausbildung im großen zu prüfen, er will grade die kleinsten Zweige des Dienstes beurteilen. Vor allem sieht er darauf, daß auch der einzelne Mann ausrichtsam sei.
Zu einem Korporal:
„Sehen Sie dort weit am Horizont den Bauernwagen? Reiten Sie hin, fragen Sie den Bauern, wie er heißt, von wo er kommt, wohin er fährt und was er führt.“
Drei Stunden später.
„Ist der Korporal noch nicht da?“
„Jawohl, Exzellenz.“
„Nun, was hat der Bauer gesagt?“
Der Korporal schweigt.
„Hören Sie nicht? Was hat der Bauer gesagt?“
Der Korporal schweigt.
„Himmelkreuzmillionenelement, Korporal, was hat der Bauer gesagt?“
„Exzellenz, ich bitt gehorsamst, er hat gesagt: er heißt Steuerzahler und fahrt auf die Kirchweih, damit Exzellenz ihn dort besuchen können.“
[S. 226]
Ob das Rauchen schädlich ist?
Gustav Meyrink, der doch nächst Gott am meisten weiß, raucht nicht.
Die berühmte Gräfin Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem aber ist eine passionierte Raucherin.
Das sind zwei Indizien gegen den Tabak.
Andrerseits:
Mein Großvater hat geraucht und ist dreiundneunzig Jahre alt dabei geworden.
Mein jüngerer Bruder hat nie geraucht und ist mit vier Wochen gestorben.
Da kenne sich aus, wer kann.
„Habe jestern Dame überritten.“
„War se hübsch?“
„Ein elender Aufschneider, dieser Flotow! Was meinen Sie — er hat sogar doppelt so viel Einkommen zur Steuer angemeldet, wie er hat.“
[S. 227]
„O, Sie hier, Herr Pleininger?“ rief ich. „Was machen Sie denn in der Stadt?“
„Einkaufen. Tausend Sachen einkaufen.“
„Da haben Sie wohl einen langen Besorgungszettel mit?“
„I — wo — ich merk mir alles. Is ja nit so schwer: einen Südwester für die Schwester, Munition für den Sohn, Butter für die Mutter, der Kusine eine Gardine, für Tantchen etwas Proviantchen und ein Schwammerl fürs Ammerl.“
„Sieh den Stern da oben, Oskar — das ist unser Glücksstern.“
„Du irrst, Geliebte! Das ist Alpha im Kleinen Hund.“
Neid ist der Ärger über den Mangel an Gelegenheit zur Schadenfreude.
„Ich bin ein so leidenschaftlicher Feind der Ehe, daß ich sogar die schon bestehenden Ehen zu stören suche.“
[S. 228]
Oberleutnant Glauber vom Eisenbahnregiment hatte einen Vortrag gehalten:
„Die Elektrizität im Kriege.“
Seine Exzellenz, der Herr Kavalleriedivisionär, schüttelte Glaubern die Hand.
„Wirklich sehr klar und instruktiv, Herr Oberleutnant! Man hat doch jetzt eine Vorstellung von diese Sachen. — Nur eins, Herr Oberleutnant: Sie haben von Kilowatt gesprochen; das ist ein kleiner Irrtum; ich kenne den Mann, er ist mein Freund; er heißt Graf Kolowrat.“
„Kellner, einen Gamsbraten!“
„Sofort wird einer frei, bitte.“
„Bringt denn Ihre Zeitschrift auch moderne Bilder?“
„Gewiß — im Anzeigenteil.“
„Tragen hier im Dorf die Mädchen noch die Volkstracht?“
„Nur, wenn sie als Ammen in die Stadt gehen.“
[S. 229]
„Dieser Goethe ist immer unsittlich. Da schreibt er:
„Wo steckt denn da die Unsittlichkeit?“
„Na, erlauben Sie? ‚Vätern‘ in der Mehrzahl?“
„Wat loofen denn hier for ne Türken herum?“
„Det is doch die Deputation aus Konstantinopel. Allah is ja à la suite des Jarderements jestellt worn.“
„Lieber Rößler,“ sagte ich eines Tages, „du sollst ja ein Drama vollendet haben. Was für einen Stoff behandelt es?“
„Unverstandene Frau mit tötlichem Ausgang.“
„So ein Glückspilz, der Baron Mendelberg! Seine Geliebte hat ihm die Frau erschossen — jetzt ist er beide auf einmal los.“
[S. 230]
Der junge Doktor aus Boston sprach:
„Ich verstehe mich ganz gut in Deutschland. Nur eins ueiß ich nicht: daß ich immer höre reden von eine Ausspruch von Götz von Berlichingen. Uas hat Götz Besondres gesagt? — — — Ach, Sie uollen nicht Auskunft geben? Ist es am Ende das, was Bayern immer rufen, uenn man sie narkotisiert?“
„Da unlängst komm ich nach Haus — ich klingel und klingel — es klingelt nicht. Ich öffne die Tür — is sie zu. Ich tret ein und seh meine Frau an — is sie nich da. Na, da hab ich mich zusammengepackt und bin zurück ins Wirtshaus.“
Weisheit ist Konsequenz, Klugheit — Kompromiß.
„Was, Herr? Zwanzig Jahre sind Sie schon bei mir angestellt und haben noch niemals Urlaub gehabt? Ja, warum wollen Sie dann jetzt plötzlich Urlaub haben?“
[S. 231]
Der General a. D. v. Kämitz pflegt seinen Frühschoppen im Tirolerstübchen zu trinken.
Eines Tages findet er alle Tische von Fremden besetzt; bleibt in der Tür stehen und murmelt — etwas zu laut:
„Keen eenziger anständiger Mensch hier.“
Da fliegt ihm ein Bierfilz an den Kopf.
„Pardon. Eener,“ sagt der General.
„Superbes Weib! Ich wollt, ihr Mann hätte Grund, mich zu züchtigen.“
„Ach, Mama, kauf mir doch für fünfzig Pfennig Schokolade!“
„Ich habe kein Geld.“
„Kauf nur, Mama — du kannst mirs später von der Mitgift abziehen.“
„Nun, Herr Brinkmann — reisen Sie noch immer mit Ihrer Akrobatentruppe?“
„Ja. Nur die Großmutter kann das Doppelsalto nimmer recht schaffen.“
[S. 232]
Herr Hofrat Neuhäusel hat eine Abordnung streikender Eisenbahnarbeiter empfangen.
„Nun,“ fragt der Minister, „haben Sie mit den Leuten unterhandelt, Herr Hofrat?“
„Ich habe es wenigstens versucht, Exzellenz. Aber ich kann nur feststellen: die Leute eignen sich gar nicht für den Verkehr mit der Behörde.“
Kranke sind unvernünftig, Gesunde sind leichtfertig, Genesene weise.
Am ersten Tag im Gymnasium fragte der Herr Oberlehrer einen Schüler:
„Wie heißen Sie?“
„Fontane.“
„Wie??“
„Fontane.“
„Na, warten Sie — Ihren Adelsstolz werden wir Ihnen schon austreiben.“
„Gunigunde und Garl — nu seht hibsch grob drein — das gehört zum Gostüm!“
[S. 233]
Der Herr Oberst ist allen so recht aus dem Herzen pensioniert worden — aber ein Liebesmahl muß man ihm dennoch geben und eine Rede dabei halten. Das muß man.
Der Herr Major feiert also den Scheidenden:
„So fasse ich denn alles zusammen, meine Herren, in den dreifach donnernden Ruf: ‚Der Herr Oberst lebe hoch! hoch!...‘“
Alles schweigt eisig.
Der Herr Major kleinlaut:
„Wegen zu geringer Beteiligung der Herren entfällt das dritte Hoch.“
Man muß den Kämpfer an seiner Idee messen. Wer ist Held und wer ist Fanatiker?
„Mein Mann hat sich in mich verliebt, als wir zum erstenmal zusammen im Bett frühstückten.“
Der pensionierte General: Auflösung einer großen Erwartung in eine lange Pfeife.
[S. 234]
Eines Tages kam ein sehr eleganter Herr zum Herrn Obersten v. Nagel und bat um eine Unterredung.
Eine Viertelstunde später geleitete der Oberst seinen Besucher an die Tür und sagte:
„Herr Baron — so peinlich der Fall ist — seien Sie versichert: was an mir liegt, wird gewiß geschehen, um die Angelegenheit in Ordnung zu bringen.“
Nachmittag ließ der Herr Oberst v. Nagel seine Offiziere antreten.
Und hielt eine lange Rede an sie.
Der Herr Oberst sprach von einem gebeugten Vater, der um das Glück seiner Tochter zittere ...
Und der Herr Oberst sprach von den Pflichten des Kavaliers — einer Dame gegenüber, die vielleicht in einem Augenblick des Selbstvergessens zu weit gegangen sein könnte — eben mit diesem Kavalier ...
Und der Herr Oberst sagte: er wolle keinen Namen nennen und die Angelegenheit überhaupt möglichst diskret behandeln — der betroffene Herr würde schon selbst fühlen, was er zu tun habe.
Am selben Abend hielten drei Leutnante und fünf Rittmeister um die Hand der Oberstentochter an.
[S. 235]
Schauplatz der Begebenheit: Riva, Café ... — na, wie hieß es doch gleich? Kurz: ein Café in Riva.
Ich bin von den Ponalefällen gekommen und möchte den Wagen bezahlen. Dazu muß ich ein Goldstück wechseln.
Rasch ins Café. Da, als ich eintrete, ist der Cafetier knapp vor mir eingetreten, schmeißt die Tür zu — mir entgegen ... Klirr! Ratsch! Die Glastafel ist zerbrochen, meine Hand blutet. Blutet immer ärger.
„’tschuldigen schon,“ sagt der Wirt.
„O, bitte — es war mir ein Vergnügen.“
Fünf Minuten später bringt man mir eine Rechnung:
„1 lastra di vetro decorata ... 12 L.—“
Ein Blick auf die Uhr: es ist drei. Mein Dampfer geht um vier. Ich weiß nicht, wie ich diese Stunde amüsanter und lehrreicher verbringen könnte als auf einem südtirolischen Bezirksgericht.
„Eine Glastafel — zwölf Lire? Ich zahle nicht.“
Nach mannigfachem Hin und Her schreiten wir dem Gerichtsgebäude zu. Zeugen sind der Münchener[S. 236] Maler Wilm und eine junge Dame, die zufällig dabei war. Wirklich zufällig dabei war. (Sowohl Wilm wie ich sind verheiratet.)
Der Wirt bringt seine Klage vor.
Ich erwidere: die Schuld läge nicht an mir; der Wirt habe mir die Tür entgegengeworfen; übrigens müßten Glastüren durch Gitterchen, Messingstangen oder dergleichen verwahrt werden.
Grade dieser Einrede schenkt der Richter — wie erstaunlich — besondres Gehör. Und Richter, Kläger, Angeklagter und Zeugen unternehmen einen Streifzug durch Riva, um festzustellen, ob die Sicherung von Glastüren durch wagrechte Messingstäbchen ortsüblich wäre.
3 Uhr 45. Der Streit ist nicht entschieden. Noch lange nicht.
Ich beantrage Vertagung. Der Richter ist einverstanden, wenn ich mich legitimieren könne. Ich kann mich legitimieren: Roda Roda aus München.
„Waaas?“ ruft der Wirt — „Wie? Roda Roda? Nein, Herr, von Ihnen nehme ich nichts. Nein, nicht einen Heller.“
Ich verstehe plötzlich Dionys, den Tyrannen, der Möros, seinem Feind, verzieh. Ich wachse um zwei Zoll. Mein deutsches Wams wird mir[S. 237] zu enge. Ich spende zwölf Lire der Armenkasse von Riva und reiche dem Wirt stumm, bewegt die Hand.
Und vor der Tür sagt mir der Wirt:
„Sie sind giornalista. Mit einem giornalista aber will ich keine Händel haben. Ich bin einmal im Corriere della sera jämmerlich verrissen worden.“
„Kinder, freut euch, es gibt bald wieder Kartoffel — Vater ist inspiriert.“
Von Roda Roda sind erschienen
bei Dr. Eysler & Co. A.-G. in Berlin:
Der Schnaps, der Rauchtabak und die verfluchte Liebe. 34. Auflage.
Ihre Gnaden und die Bäuerinnen (Kaiserliche Kämmerer — Adlige Geschichten). 19. Auflage.
Schummler, Bummler, Rossetummler. 24. Auflage.
Der Pascha lacht. Morgenländische Schwänke. 25. Auflage.
Die Kummerziege. 4. Tausend.
Der Feldherrnhügel. Schnurre in drei Akten von Roda Roda und Carl Rößler. 17. Auflage.
Der Sanitätsrat. Komödie in drei Akten von Roda Roda und Gustav Meyrink. 2. Tausend.
Bubi. Lustspiel in drei Akten von denselben. 2. Tausend.
Die Sklavin aus Rhodus. Lustspiel in drei Akten, nach dem Eunuchus des Terenz, von Roda Roda und Gustav Meyrink, Musik von Eugen d’Albert, Ausstattung von Olaf Gulbransson. 2. Tausend.
Die Staatsgewalten. Drei lustige Akte. 2. Tausend.
So jung und schon ... 40. Tausend.
Die verfolgte Unschuld. 68. Tausend.
bei Rösl & Co. in München:
Irrfahrten eines Humoristen. 5. Tausend.
Die Streiche des Junkers Marius. Ein Buch für Backfische. 15. Auflage.
Schwabylon oder Der sturmfreie Junggeselle. 10. Tausend.
bei Philipp Reclam jun. in Leipzig:
Die Uhr. Ein Spiel in zwei Akten. 3. Auflage.
bei Ullstein & Co. in Berlin:
Frau Tarnotzis feinster Coup. 40. Tausend.
Serbisches Tagebuch. 50. Tausend.
im Rikola-Verlag zu Wien:
Das Rosenland. Bulgarische Gestalter und Gestalten. 4. Tausend.
Die sieben Leidenschaften. 10. Tausend.
Von Bienen, Drohnen und Baronen. 27. Auflage.
bei Paul Steegemann in Hannover:
Eines Esels Kinnbacken. 28. Auflage.
im Weltbücher-Verlag München:
Weisheit des Morgenlandes. 10. Tausend.
Romane der Eleganten Welt
Diese vornehm ausgestatteten Bände haben sich mit ihrem hochinteressanten spannenden Inhalten die Gunst der deutschen Leserwelt gewonnen, mit den reizvollen Titelbildern erster Künstler sind sie eine Zierde für jede Bücherei, für jeden Lesetisch ... ... ... ... ... ... ... Wir empfehlen besonders:
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