The Project Gutenberg eBook of Die Friedensburg bei Leutenberg

This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook.

Title: Die Friedensburg bei Leutenberg

Eine thüringische Grenzfeste und ihre Bewohner

Author: Berthold Rein

Release date: March 11, 2025 [eBook #75588]

Language: German

Original publication: Rudolstadt: Greifenverlag, 1925

Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE FRIEDENSBURG BEI LEUTENBERG ***

Anmerkungen zur Transkription

Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter oder unterstrichener Text ist so ausgezeichnet. Im Original in Antiqua gesetzter Text ist so markiert.

Rein / Die Friedensburg bei Leutenberg


Thüringer Heimatbücher

Veröffentlichungen des Thüringer Heimatbundes

Band I

Berthold Rein

Die Friedensburg bei Leutenberg

*

Signet

1·9·2·5

Der Greifenverlag zu Rudolstadt (Thür.)


Berthold Rein

Die Friedensburg bei Leutenberg

Eine thüringische Grenzfeste
und ihre Bewohner

*

Signet

1·9·2·5

Der Greifenverlag zu Rudolstadt (Thür.)


Die Ausstattung besorgte Willi Geißler

Alle Rechte vorbehalten. Copyright by Greifenverlag Rudolstadt 1925. Gedruckt von Mänicke & Jahn A.-G., Rudolstadt, in der Ehmcke-Fraktur. Buchbinderarbeit ebenfalls von dort.


[5]

Vorwort

Die Friedensburg ist oft das Ziel von Wanderungen oder der Ort, wo Erholung in der frischen grünen Bergwelt gesucht wird. Wer die eigenartige Stimmung genießt, die das Schloß vermittelt, empfindet dann auch den Wunsch, etwas von den vergangenen Geschlechtern zu vernehmen, die hier gelebt haben, und aus deren Lebensbedürfnissen heraus die Gebäude entstanden sind. Die Frage wird dann oft gestellt: Wann ist die Burg gebaut worden? – Die Antwort kann nur lauten: Eine Burg ist das Werk von Jahrhunderten! – Man hat ihre Geschichte abzulesen an der Form der Bauteile, am Baustoff, an gediegener oder flüchtiger Arbeit und an den Schmuckbeigaben ihrer Einrichtung. Aber diese Formenschrift zu entziffern, gelingt nicht ohne weiteres und ist nicht jedem geläufig. Dann erhebt sich die Frage nach geschichtlicher Belehrung in Büchern oder Urkunden. Gedruckte Literatur über Leutenberg ist nur ganz spärlich vorhanden. Einzelaufsätze sind in Fachschriften zerstreut. Die Urkunden der Stadt sind Opfer der Feuersbrünste geworden, mit denen Leutenberg heimgesucht wurde wie kaum eine zweite Stadt. Die Urkunden im ehemals Fürstlichen, jetzt Thüringischen[6] Staatsarchiv zu Rudolstadt sind noch nicht zusammenhängend durchforscht worden auf Leutenberger Nachrichten hin.

Durch das überaus gütige Entgegenkommen des Staatsarchivars Herrn Geheimen Rat Dr. Bangert, der auf Ordnung und Verzeichnisse der Archivschätze die Kraft eines vollen Manneslebens verwendet hat, war es mir möglich, die unter vielen Gesichtspunkten zerstreut liegenden Angaben zu finden und in knapper Fassung zusammenzustellen. Die Bilderschätze der Heidecksburg in Rudolstadt, die aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert erhalten geblieben sind, haben, soweit sie Leutenberg betreffen, die heimatliche Forschung noch wenig beschäftigt. Was davon deutlich zu erkennen und nachzuweisen war, habe ich hier mit verwertet und berücksichtigt.

Die Stammtafeln des Hauses Schwarzburg von Oskar Vater haben mir bei der Arbeit wesentliche Hilfe geleistet. Für das späte Mittelalter diente Paul Jovius, Chronicon Schwarzburgicum, als Wegweiser, doch war dabei manches zu berichtigen.

Meine Aufgabe erblickte ich nicht in gelehrter Deutung der Nachrichten, sondern in schlichter, allgemein verständlicher Schilderung des Lebens, das sich die Jahrhunderte hindurch auf der Burg abgespielt hat. Heimatliebe hat mich dabei geleitet. Heimatkunde tut uns not.

Rudolstadt, Frühjahr 1925.
Dr. Berthold Rein.


[7]

Schriftliche Urkunden über die Burg Leutenberg im frühen Mittelalter fehlen. Der Gipfel des steilen Berges eignete sich als Zufluchtstätte, hier konnten die Bewohner des Ortes Hab und Gut unterbringen, wenn im Tal Unruhen drohten. Der Blick reichte von hier über Täler und auf Höhen, wenn feindlicher Zuzug zu befürchten war. Als Fluchtburg und Wachtburg mag dann ein festes Haus entstanden sein für einen Burgvogt. Dieser übte den Landesschutz aus und überkam allmählich Herrschaftsrechte.

Der Reichtum der Gegend bestand in Feldbau und Viehzucht, Wiesen- und Waldflur, Wildbahn und Fischwasser, sowie im Bergwerk. Flößerei und Kohlenbrennerei wurden zeitig ausgeübt. Deutsche und sorbische Bevölkerung, Ackerbauer und Viehzüchter, wohnten nebeneinander und hatten oft einen Schiedsrichter nötig, um nachbarlich in Frieden auszukommen. Wander- und Handelsverkehr führte von Norden und Osten namentlich nach Süden vorüber, bedurfte sicheren Geleites und trug dafür Zollabgaben ein. Als Unterbehörden dienten die adeligen Gutsbesitzer, die auf Anruf Bewaffnete zu stellen hatten. Am lebhaftesten war der Verkehr und am stärksten die Verantwortung da, wo der Weg über den Roten Berg[8] in das Saaletal bei Eichicht einmündete und in das Loquitztal weiterlief. Das scharfe Auge und die starke Hand des Burggrafen überwachte und beschirmte die Ordnung der ganzen Herrschaft. Diese war nach Osten deutsches Grenzgebiet gegenüber dem stark gemischt deutsch-sorbischen Vogtland und dem bis in späte Zeit mangelhaft überwachten und unsicheren Böhmen.

Vom zwölften Jahrhundert an erscheinen Grafen aus dem Hause Schwarzburg als Bewohner des festen Hauses Leutenberg. Ein Heinrich von Leutenberg besitzt um 1187 den Wald Winthagen bei Ludwigstadt, ein anderer unterschreibt 1301 einen Kaufbrief als Zeuge.

Aus dem vierzehnten Jahrhundert stammt im wesentlichen der massive Westflügel der bis heute erhaltenen Burganlage. Er schmiegt sich im Grundriß als Viereck mit stumpfen und spitzen Winkeln dem Felsboden an, ist kräftig unterkellert und wurde von vier Rundtürmen flankiert, deren stärkster noch heute links am Torweg aufsteigt.

Am 30. Juli 1326 verkaufte der kinderlose Graf Günther XV., oberster Landrichter von Thüringen, auf einer Tagung der Schwarzburger zu Erfurt das Haus und die Stadt zu »Luthenberg« an seine Vettern Heinrich IX. und Günther XVIII. Seine Neffen, Heinrich X. in Arnstadt und Günther XXI. in Blankenburg, der spätere Deutsche König, stimmten zu, daß dieser Teil des Schwarzburgischen Erbes von dem gemeinsamen Besitz abgetrennt wurde. Das ließ sich insofern leicht ausführen, als nicht andere Lehensherren[9] dabei mitzusprechen hatten, denn die Herrschaft Leutenberg war unmittelbares Reichslehen.

Heinrich IX. war Pfleger und Oberamtmann in Thüringen, er starb 1361. In erster Ehe war er vermählt mit Helene von Schaumburg. Ein Jahr nach deren Tode schloß er 1342 eine zweite Ehe mit Helene, einer Tochter Friedrichs IV., des Burggrafen von Nürnberg. Sie brachte als Witwe Ottos V. von Orlamünde-Lauenstein den Leutenberger Grafen Beziehungen zu der Nachbarburg über dem Loquitztal ein.

Heinrichs IX. Söhne teilten 1362 ihren Besitz in der Weise, daß Günther XII. auf der Schwarzburg blieb und Heinrich XV. seinen Sitz in Leutenberg erhielt. Er heißt 1367 Graf zu Schwarzburg und Herr zu Leutenberg und ist der Stammvater der Leutenberger Linie, die bis 1564 blühte.

Die Leutenberger Grafen und Gräfinnen, die durch Beruf und Schicksal veranlaßt wurden, die heimatliche Burg zu verlassen, nehmen in der Kriegs- und in der Kirchengeschichte von Deutschland, wie in der Geschichte der Schwarzburgischen Länder, ehrenvolle Stellungen ein. Von denen, die in der Heimat ihr Leben beschlossen, wurden mehrere in einer Gruft an der Klosterkirche bestattet. Diese stand östlich von der heutigen Stadtkirche, wo sich jetzt die neue Schule erhebt, und erlag dem großen Brande im Jahre 1800.

Heinrich XV., 1359–1402, war noch ein Kind, als sein Vater starb. Seine Mutter, zum zweiten Male Witwe[10] geworden, mußte sich fürsorglich ihres Sohnes und seiner Erbschaft annehmen. Heinrichs Halbbruder Gerhard war erfolgreicher, tatkräftiger Staatsmann und streitbarer Held als Bischof von Naumburg und Fürstbischof von Würzburg. Heinrichs Gemahlin, Anna von Gleichen, pflegte besonders ihren Besitz Remda. Das Leutenberger Schloß wird 1375 kriegsbereit genannt. Es mag um diese Zeit für die kinderreiche Herrschaftsfamilie und deren Hofhaltung erweitert worden sein durch Anbau nach Norden hin, soweit heute das massive Haus am obersten kleinen Schloßhof reicht.

Heinrich XXII., 1375–1438, folgte seinem Vater 1402 in der Herrschaft. Er hatte den Bergbau auf Gold zwischen Saalfeld und Lauenstein zu verteidigen gegen die Übergriffe und Ansprüche der Markgrafen von Meißen, die von Saalfeld aus vordrangen. Seine Gemahlin Elisabeth von Orlamünde brachte ihm mit ihrem Heiratsgut Orlamünde auch den Lauenstein zu. Kriege und Aufläufe entstanden daraus namentlich um den Goldberg. Ein Vertrag zwischen den Schwarzburger, Orlamünder und Leutenberger Grafen sollte den Fehden 1404 ein Ende setzen durch die Grenze »bei der Geßra«. Die Erb- und Besitzstreitigkeiten ruhten aber nicht und machten richterliche Entscheidungen auf dem Konzil zu Konstanz nötig.

Das Urteil ist enthalten in einer Urkunde vom 30. April 1417. Im Augustinerkloster zu Konstanz verrichtet als Hofrichter König Sigmunds sein Amt Günther XXVIII., Graf von Schwarzburg und Herr zu Ranis. Heinrich von Leutenberg[11] klagt gegen Günther von Schwarzburg. Er fordert »alle die Brief, die do hielten über Lutemberg, Schloß und Stat, – über Lantzendorf, Jamen, Glide, Lemtze, Hersdorf, Grüne, Witensberg, Gortzbach, Ußel, Heuendorf, Smydbach und über die Gut, die er het zu der Lichtentann, Wittichendorf, Rode, Steinbach, Zelle und über die Pröpsty und Behusung doselbs, Cüschinde, Hogkenruwe, über die Smydt doselbs, über Lockuwitz, Lasen, Arembach, Dolen, Knobelichstorf, Fischersdorf, Bretternitz, Duswitz, Eichich, über die Fischwasser an der Sal und über die zwey Wasser, genant die Sorowitz, und die Loquwitz, über Lomen, Munswitz, Steisdorf, Swendichen, Ylmen, Aldengeseße, Rupelsdorf, Wisebach, Hersbach, Swymbach, Ezelrode, über die Fischwasser und Mülen, Wisewachs und über alle ire Tyche, wo die legen in den obgeschrieben iren Guten«.

Die Urkunden über den gemeinsamen Besitz, wie Langewiesen, müssen »in ein gemein Hand« gelegt werden, die über Remda, das Erbe von mütterlicher Seite, sowie über die Herrschaft Leutenberg müssen dem Kläger ausgeliefert werden.

Abgesehen von geringen Veränderungen hat das Leutenberger Gebiet seinen Bestand bis in die Neuzeit behalten. Nachbarländer waren im fünfzehnten Jahrhundert die Landgrafschaft Thüringen bei Saalfeld, die Markgrafschaft Meißen bei Ziegenrück, nach Osten die Grafschaft Reuß, nach Süden die Burggrafschaft Nürnberg und das Bistum Bamberg. Da die Grafen der Leutenberger[12] Linie zugleich Anteil an dem Stammgebiet Schwarzburg behielten, ergaben sich die vielfachen schwierigen Auseinandersetzungen bei jeder Erbteilung.

Heinrich XXV., 1412–1463, übernahm 1438 das Erbe seines Vaters und bahnte friedlichen Ausgleich mit der sächsischen Nachbarschaft an. Er war verheiratet mit Brigitte von Reuß-Gera, der Witwe eines Herrn von Schönburg zu Glauchau. Die Ansprüche von verwandten und verschwägerten Nachbarn wollten nicht zur Ruhe kommen. Als er vorübergehend von der Burg abwesend war, benutzte Graf Ludwig von Gleichen die Gelegenheit zu einem Überfall. Vom Lauenstein aus rückte er nächtlicherweile 1447 vor den Burgeingang, wurde hier aber gestellt. Die schwache Besatzung hielt ihn auf bis zum Anbruch des Tages. Dann zog er ab. Dieses mehr heiter als ernst zu nehmende Ereignis aus der Zeit des Faustrechts würde wohl vergessen sein, wenn es nicht 1793 in einer romantisch-scherzhaften Ballade dichterisch verherrlicht worden wäre.

Auf Fürstentagen zu Naumburg, Erfurt, Halle und Zeitz strengte man sich an, die Besitzstreitigkeiten um die Grenzgebiete beizulegen. Ein Vergleich kam schließlich in Gera zustande. Von diesem Friedensschluß will man die Benennung der Burg ableiten, doch kommt der Name Friedeburg tatsächlich erst in Schriftstücken des achtzehnten Jahrhunderts vor, als man anfing, im Auftrage der Staatsbehörde geschichtliche Aufzeichnungen zu sammeln.

Heinrich XXV. starb in Leutenberg und wurde in der[13] Grafengruft beigesetzt. Er hatte dem Kloster am Fuße seines Schloßberges vier Schock ewigen Zinses aus dem Dorf Laasen vermacht. Seine Witwe fügte für Prior und Konvent noch fünf Gulden jährlichen Zins hinzu. Ein gewaltiger Brand legte kurz vor seinem Tode fast die ganze Stadt in Trümmer. Die Burg bewährte sich dabei als Zufluchtstätte für Obdachlose.


[14]

Balthasar, 1453–1525

Heinrichs Sohn Balthasar war erst zehn Jahre alt, als er den Vater verlor. Seine Erziehung muß christlich, ritterlich und wissenschaftlich geleitet worden sein, doch sind nähere Angaben darüber nicht mehr aufzufinden. Gelehrte Schriftsteller, die ihn persönlich kannten, schildern ihn als ernsten Herrn von jähem und starkem Sinn, doch von rechtschaffenem und aufrichtigem Gemüt. Sein Schriftwechsel hat sich zu einem großen Teil erhalten. Wer sich in diese Berichte und Geisteserzeugnisse vertieft, empfindet den Leutenberger Grafen als Seelenverwandten seines großen Zeitgenossen Luther. Er war eine gerade Natur, streng rechtlich, kampfbereit, gütig und milde gegen Schwache, ritterlich-scherzhaft und begabt mit treffendem Mutterwitz.

Kaum achtzehn Jahre alt kündigte er seinem Vetter Heinrich XXVI. die Vormundschaft und nahm die Verwaltung seines Besitzes zielsicher in die eigene Hand. Er fand viel aufzuräumen. Alte Überlieferungen hatten sich verschleppt und unhaltbare Zustände erzeugt. Sein ganzes Leben sollte ein Kampf werden, daheim in Grenz- und Rechtsverhandlungen, fern der Heimat in Kriegsdiensten.[15] Über die letzteren mögen die Akten in Süd- und Norddeutschland zerstreut liegen, über die ersteren werden wir gut unterrichtet durch die sorgfältige Art, wie er Briefentwürfe aufbewahrt.

Im Jahre 1472 vertritt der Neunzehnjährige seine Hoheitsrechte über die Rittergüter. Gegen Kunz und Reinhart von Mosen führt er einen Prozeß über die Einkünfte des Lauensteins bis vor die Feme, »den Freien Stuhl des Heimlichen Gerichts zu Volkmarsen«. Von 1474 an wahrt er seine Lehensansprüche in Verhandlungen mit dem Rat zu Erfurt. Zu gleicher Zeit läuft ein Rechtsstreit gegen seinen Vormund um Anteile an der gemeinsamen Herrschaft Schwarzburg, besonders um das Dorf Langewiesen. Heinrich schlägt die sächsischen Herzöge als Schiedsrichter vor, Balthasar weist sie zurück. Er mißtraut ihnen wegen der Saalfelder Nachbarschaft und erkennt sie überhaupt nicht als zuständige Behörde an, da er unmittelbarer Reichsgraf ist.

Als Freund des jungen Herzogs Georg von Bayern-Landshut nimmt er 1475 an dessen prunkvoller Hochzeit mit der Tochter des Polenkönigs Kasimir in Landshut teil. Fast alle Fürsten Mittel- und Süddeutschlands samt Kaiser Friedrich III. und seinem Sohn Maximilian waren zugegen. Balthasar muß sich gut eingeführt haben, denn Georg der Reiche empfiehlt ihn an Kurfürst Philipp nach Heidelberg, und beide setzen den Schwarzburger 1478 als Pfleger der Herrschaft Heideck ein, die südlich von Nürnberg liegt. So war Balthasar mit fünfundzwanzig Jahren[16] Verwaltungsbeamter und militärischer Befehlshaber geworden, und er behielt diese Würden inne bis 1505.

Inzwischen kämpft er auf eigene Faust hartnäckig gegen den Bischof von Würzburg um Ansprüche, die er von seinen Eltern ererbt hat. Dieser Feldzug endet zwar glücklich für ihn, setzt ihn aber in Schulden, da viel Kriegsvolk zu entlohnen ist. Rührend nimmt sich aus, wie er in einem Briefe an die Mutter in Leutenberg mit den Seinen daheim fühlt und sorgt: »Liebe Frau und Mutter, ich bitt Euch gar freundlich, Ihr wollet Euch Erhart von Waldenfels Hausfraue und das Seine lassen befohlen sein, angesehen daß er in meinem Dienst ist. Das will ich allweg um Euch verdienen.«

Bis 1486 steigert sich seine wirtschaftliche Bedrängnis. Auf Mittwoch nach Neujahr setzt er eine Tagung im Rathaus zu Leutenberg an, um die Herrschaft Leutenberg an seinen Vetter Heinrich XXVI. zu verkaufen. Dieser erscheint aber nicht und gibt später vor, er habe seinen Dienst bei Herzog Albrecht von Sachsen nicht verlassen können, außerdem sei Leutenberg beschwerlich von Leipzig aus zu erreichen. Als Balthasar hört, daß Heinrich sich Langewiesen vom Kaiser hat verschreiben lassen, sammelt er Streitkräfte. Darauf nehmen sich Kurfürst Friedrich der Weise und Herzog Johann von Sachsen ihres Rates und Vasallen Heinrich an und verwarnen seinen kampfbereiten ehemaligen Mündel. Trotzig antwortet dieser, er habe nicht zum Angriff, sondern zur Verteidigung gerüstet, und entschieden weist er die Sachsen auch nur als Unterhändler[17] zurück. Unfruchtbar verläuft daher ein besonderer Versöhnungsversuch in Torgau 1487. Als Heinrich XXVI. stirbt, ist Balthasar wieder in sein Amt nach Landshut zurückgekehrt. Er erklärt sich von dort aus bereit zu einem Vergleich, dann kann die Fehde 1488 in Jena beigelegt werden.

Auf der Burg Leutenberg beginnt drei Jahre später ein Neubau im Anschluß an das alte Haus. War Hofhaltung und landwirtschaftlicher Betrieb durch die Amtsleute stark erweitert worden? Waren die leichten Anbauten aus Vaters Zeiten verwittert? Hegte der bald Vierzigjährige trotz aller scherzhaften Abrede doch Heiratsgedanken? Einen Teil seiner landesherrlichen Befugnisse, das Jus patronatus, übertrug er dem Prior seines Klosters Johannes Ellinck, einem geborenen Leutenberger. War es christliche Andacht, war es der Wunsch, die Ritterschaft des Heiligen Grabes zu erwerben: er beschließt, nach Jerusalem zu wallfahren. Er errichtet sein Testament, nimmt 6000 Gulden auf bei den Äbten von Saalfeld und Paulinzelle und verschreibt ihnen dagegen den dritten Teil der Herrschaft Leutenberg. Auf dieser Palästinafahrt 1493–94, an der auch Friedrich der Weise und Lukas Kranach teilnehmen, lernt Balthasar die sächsische Ritterschaft kennen, darunter seine späteren Schwäger, die Grafen von Sack zu Mühltruff. Zurückgekehrt vermählt er sich 1495 mit deren Schwester Anna, einer feinen und sorgsamen Hausfrau und Landesherrin.

Schon 1496 zieht ihn der Waffendienst wieder in die[18] Ferne, obwohl das häusliche Glück durch ein Söhnchen befestigt worden war. Kaiser Maximilian rüstete gegen König Karl von Frankreich, und Balthasar folgt seinem Aufgebot nach Italien. Die Kosten für den Aufwand von Rittern und Knechten deckt eine Anleihe bei dem Abt von Paulinzelle.

Leutenberg erhielt in demselben Jahre ein neues Stadtrecht entsprechend den veränderten Lebensverhältnissen. Schon 1497 scheint Balthasar wieder daheim zu sein, denn seine schriftlichen Befehle an seinen Schreiber Johann Siebensun wettern über liederliche Wirtschaft mit Frauensleuten in Schwarzburg: »Dann ob du mehr dergleichen übest, so wollten wir dich strafen, ob du gleich neun Weihen auf der Platten sitzen hättest.«

Inzwischen waren Balthasars Beziehungen zu den Sachsen vertrauensvoll geworden, so daß er 1498 als Schiedsrichter zwischen Herzog Georg von Sachsen und dem Pfalzgrafen bei Rhein, Herzog Georg in Ober- und Niederbayern, angerufen wurde, als diese wegen Sitz und Stimme im Reichstag verhandelten.

Von Heideck aus beklagt sich der um die Heimat Besorgte, daß er von seinem Vetter Günther in dem Anteil an der Herrschaft Schwarzburg geschmälert wird. Er möchte dieses Anrecht am liebsten verkaufen. Seine Amtsleute weist er an, sie sollen auf der Hut sein, man hat ihm in Nürnberg berichtet, Leutenberg soll überfallen werden. Im Mai 1500 ist er bereit, seinen Teil an der Grafschaft Schwarzburg seinem Vetter abzutreten gegen 7000 Gulden[19] auf Wiederkauf. Für 1379 Gulden verkauft er Unterloquitz an den Abt Georg von Saalfeld.

Ein Aufgebot Georgs des Reichen ergeht 1501, der bayrisch-pfälzische Erbfolgekrieg bereitet sich vor. Auch Balthasar folgt dem Ruf. Er wird 1503 Hauptmann von Ingolstadt, und als sein fürstlicher Freund am Ende des Jahres stirbt, tritt er für dessen Schwiegersohn Ruprecht von der Pfalz ein, dessen Gegner von den Sachsen unterstützt werden. Dann löst er 1504 seine Beziehungen zu den Bayern und nimmt sächsischen Dienst an als Rat Friedrichs des Weisen und Johanns des Beständigen. Am 10. September 1505 verzeichnen seine Büchsenmeister Peter Vischer und Hans Kessel gewissenhaft das Kriegs- und Hausgerät, das von Heideck nach Leutenberg überführt worden ist. Es war eine stattliche Anzahl von Notschlangen und Büchsen in der Burg unterzubringen, Pulvervorräte und Geschosse waren im Turm zu verstauen, die Pulvermühle samt Zubehör fand im Pfarrhofe Platz, Rüstungen, Jagdzeug, Kleider und Betten waren zu versorgen.

Der Fünfzigjährige richtet sich neu in der Heimat ein, hat aber wie alle großen und kleinen Landesherren seiner Zeit viele Sorgen um die täglichen wirtschaftlichen Fragen. Er beginnt zu klagen, wie er »ytzo mit Vehden und großen Handlungen beladen« ist, und beruft sich gern auf seine ritterliche Ehre: »wir sind ein frummer und tugendlicher Graf zu Schwarzburg«.

In einem erregten Briefwechsel, bei dem die Boten zwischen Leutenberg und Saalfeld hin und her hasten, setzt[20] er dem Abt Georg zu, Spielschulden zu bezahlen an Leutenberger Untertanen. Er schont zunächst dessen geistliche Würde, erinnert ihn aber schließlich notgedrungen und immer kräftiger daran, wie »Spott, Beschämen und Schaden mag erwachsen«, wenn die Öffentlichkeit erfährt, »Ihr habt gespielt, seid trunken gewesen und Geld darob schuldig worden«.

Aus Balthasars Niederschriften geht als ergötzliches Sittenbild jener Zeit hervor ein Beleidigungsprozeß mit Klage und Wiederklage in den Jahren 1506–1508. Dr. Kitscher, ein geistlicher Beamter der sächsischen Kurfürsten, schleicht sich an den Generalvikar der Augustinerorden, Dr. Staupitz, auf einem Fürstentag zu Koburg heran, um ihm ein günstiges Urteil über seine Amtsführung zu entlocken. Staupitz, der scharfe Menschenkenner und später der Förderer Luthers, spielt aber vorsichtig darauf an, daß er erfahren hat, Kitscher lebt in unsittlichen Beziehungen zu einer adeligen Jungfrau aus Weida und zu einer Bübin in Altenburg. Kitscher, höchst enttäuscht und entrüstet, greift zur Feder und veröffentlicht eine urkräftige Schmähschrift gegen Unbekannt. Er will erzwingen, daß ihm der Urheber der Gerüchte genannt wird. Allmählich verlautet, daß der Leutenberger Graf scherzhaft derbe Ausdrücke über Kitschers blühendes Aussehen und weltliche Gewohnheiten geäußert hat. Nun spitzt sich die Feindschaft zu. Balthasar fühlt sich durch jene Schmähschrift getroffen und an seiner Ehre gekränkt. Wie um sich selbst Standhaftigkeit einzuflößen, zeichnet er in seinen Briefentwurf[21] zwei gekreuzte Degen mit der Umschrift: »Halt hart, liebe werte Schwarzburg!« Er setzt dann auch dem Gegner markig zu, bis dieser sich unter dem Druck seines nicht recht sauberen Gewissens windet und schließlich klein beigeben muß. Ein Vergleich kommt 1508 zustande und wird auf einem Blatt mit schönen gotischen Lettern von Weimar aus veröffentlicht.

In demselben Jahre gibt Balthasar seiner Stadt Leutenberg ein neues Stadtregiment »mit Rat und Bedenken der Bürgermeister und Ratspersonen«.

Im Jahre 1509 baut er eine neue Schmelzhütte mit sechs Öfen, und seitdem pflegt er auf Grund der Erfahrungen, die er in der sächsischen Verwaltung gesammelt hat, den Bergbau um Sormitz, Loquitz und Saale. Als Schutzherr der Kirche beweist er sich 1512, indem er das verfallene Gotteshaus am Fuße seines Burgberges zu Ehren der Maria Magdalena neu errichten läßt. Seinen Anteil an der Herrschaft Schwarzburg verpfändet er abermals, doch den Weinwachs zu Blankenburg läßt er sich wohlweislich nicht entgehen.

Aus seinem sächsischen Amt entlassen, erhält er ein Gnadengeld von 50 Gulden vierteljährlich »in Ansehung der treuen, willigen und nutzbaren Dienstbarkeit«. Feinsinniges Verhalten und bescheidenes Selbsturteil geht aus seinen Eingaben nach Weimar hervor.

Seine Klagen wiederholen sich, er fühlt sich »mit Schwachheit umgeben und mit schwerem Gemüt« beladen. Zu Schiedsrichterämtern ruft man ihn nach Bamberg,[22] Böhmen und Sachsen, er muß sich immer mehr wehren gegen Reisen nach auswärts: »Ich han so eine unlustige Krankheit, daß ich mich billich vor allen ehrenwerten Leuten schäme.«

Um Ordnung in seinen Haushalt zu bringen, greift der einst so Freigebige und Uneigennützige auf alte Außenstände zurück. Es entwickelt sich ein lebhafter Briefwechsel mit seinen Schwägern Hans und Kaspar Sack zu Mühltruff und deren Schwager Ulrich von Zedwitz. Balthasar hat »den Säck« auf ihrer Palästinafahrt Vorschüsse geleistet. An diese erinnert er jetzt eindringlich, auch erwartet er, daß seiner Frau nun endlich ihr Erbteil ausgezahlt wird. Die Schuldner schweigen sich aus. Später ergehen sie sich in trotzigen Reden gegen die Leutenberger Boten, erwidern die Briefe aber nicht. Tagungen werden ihnen vorgeschlagen in Saalburg, Remptendorf, Weißbach und Drognitz. Sie fürchten sich jedoch, sächsisches Gebiet zu verlassen, obwohl ihnen ihre Schwester freies Geleit zusichern will unter Balthasars Siegel oder Petschaft und Handzeichen. Anna fährt selbst nach Mühltruff: umsonst! Balthasar droht mit Klage an den Fürstenhöfen und mit Bekanntgabe in den Familien, wo Hans Sack als Brautwerber auftritt: umsonst! Anna beschwört sie in schwesterlicher Liebe: »Mit Wissen und Vorwillen meines lieben Vaters seliger Gedächtnus und Euer bin ich dem wohlgeboren, meinem lieben Herrn und Gemahl aus sunder Gunst und Neigung, die er zu mir gehabt, vermählt worden.« – »Mein Herze hat um das von meinem väterlichen und[23] mütterlichen Erb gefällig gewesen, getraut und glaubt mich darauf mit Vermächtnus wie bekannt versehen. So Ihr aber Euch dermaß erzeiget, so werden ungezweifelt alle Verwandte der Herrschaft Leutenberg nach wenig Verscheinung der Zeit mit ihren Pflichten, Eiden und Gelübden meinem Sohn Hans Heinrich zugewiesen und eingegeben. Alsdann, so der allmächtig Gott nach Geschehung seines Willens schicken wolle, so ich meinen Herrn überlebt, müßt ich meinem Sohn als eine Dienerin zu Gnaden leben, dann ich hätte nichts mir zuständig.« Die Not drängt sie, sie fürchtet, daß sie als Witwe »viel minder dann ein Dienstmaid« dasteht. Balthasar bewegt sich gelegentlich in Worten, die an Luthers Sprachweise anklingen: »Die Säck tun diese Ding mit Schweigen verschlucken, wie hungrig Säu Molken trinken.« »Man hätte fürwahr den Unflat nit erwarten dürfen zu seiner Zeit.« Lang ziehen sich die Verhandlungen hin, und noch im Jahre 1559 wechseln die Beamten von Mühltruff und Leutenberg Briefe, weil die Schulden noch nicht abgetragen sind.

Als üble Nachbarschaft war Balthasars Verhältnis zu dem Prior und den Mönchen des Klosters in Leutenberg angewachsen. Persönliche und sachliche Beweggründe kamen dabei ins Spiel. Von 1507 bis 1517 läuft ein Briefwechsel, den er mit der Ordensbehörde in Leipzig führt. Dorthin war Johannes Ellinck übergesiedelt, nachdem er zum Lesemeister der Heiligen Schrift aufgerückt war. Als Vertreter des Provinzials Hermann Rabe beantwortet[24] er die Briefe des Leutenberger Grafen. Die Gegnerschaft zwischen Burg und Kloster hatte klein begonnen. Balthasar hatte das eine Mal Leute, die zur Messe gehen wollten, zu sich gerufen. Das andere Mal hatte er einem Kirchenbesucher, während dieser niedergekniet war, zugewinkt, er möchte einem Priester, der gerade ohne Meßdiener amtierte, das Wasser zur Handwaschung gießen. Dafür beschimpfte ihn der Prior von der Kanzel herab, beschuldigte ihn des Kirchenfrevels und behauptete: der Graf achtet sich höher denn Gott. Besorgt um ihren kranken Gemahl hatte sich die Gräfin Anna von einem Heilkünstler und Wahrsager aus Tambach ein Amulett anfertigen lassen. Balthasar versichert zwar, daß er es nicht angelegt hat. Doch »Mönch Linck« verklagt ihn wegen Zauberei und Abgötterei und verkleinert so das Ansehen des Landesherrn. Balthasar macht geltend, was er Treues und Gutes schon dem Kloster gewährt hat, und versichert, gewißlich auch weiter will er die Diener Gottes fördern, wie er nur kann. Sein Wunsch ist, er möchte einmal in der Klostergruft, auf seinem väterlichen Erbe, bei seinen frommen Ahnen begraben liegen. Die Leipziger Ordensvorsteher hoffen, der Streit soll in Frieden allmählich ausklingen. Sie verleugnen auch wohl den Empfang eines Beschwerdebriefes und versprechen höchstens, persönlich einmal in Leutenberg einzutreffen, kommen aber nicht dazu.

Dann geht Balthasar zu schwereren Anklagen über. Er zeigt an, im Kloster wird widernatürliche Unzucht getrieben. Er beschwert sich, die Mönche haben einen heimlichen[25] Gang über die Klostermauer und den Stadtgraben angelegt, dadurch ist die Sicherheit der Stadt gefährdet. Ringsum in den Nachbarländern wütet Mordbrand, und die Leutenberger, genugsam gewarnt durch Schadenfeuer, müssen Posten an den Toren stellen, während den verborgenen Ein- und Ausgang im Kloster niemand überwachen kann. Am Kirchberg hat der Prior ackern und säen lassen, wo es ihm nicht zusteht, dadurch ist den Bürgern die Viehtreibe versperrt. Um das ganze Kloster sind Stangen errichtet mit Schlägen für 60–70 Paar Tauben, die schädigen die Feldflur im Übermaß. Die Brauhausverordnungen werden von den Brüdern wild übertreten. Der Graf droht, den Mönchen soll keine Hilfe mehr geleistet werden beim Einbringen der Ernte, nur mit eigenem Geschirr dürfen sie künftig im gräflichen oder städtischen Brauhaus brauen. Schlimmsten Falles wird er sich nicht bedenken, ihnen die Kirche und den Gottesdienst wieder zu entziehen. Immer wieder versichert er aber demütig, er will sich nicht mehr mit dem Kloster beschäftigen, als ihm zukommt. Als ein armer und kranker Mann möchte er nicht noch Leibes und Lebens beraubt werden, sondern in Frieden heimgehen. Ein Sittenbild jener Zeit: Altes versinkt, Neues steigt sturmgeladen herauf!

Ergreifende Kleinbilder entfalten sich in Bestellzetteln, die ausgehen, Bittschriften, die einlaufen, privaten und amtlichen Entscheidungen, die der alte Herr zu treffen hat. Mancher Seufzer entschlüpft seiner Feder: »Wenn der Wolf alt wird, so reiten ihn die Krähen!« Bald verhandelt[26] er in diplomatisch gefälligen Wendungen über Grenzfälle mit Ludwig von Aib, Hauptmann auf dem Gebirge in brandenburgisch-kulmbachischem Dienst, bald versichert er wortreich einem Beamten des Bischofs von Bamberg, wie er als ein armer gemeiner Diener dem geistlichen Fürsten wohl nach allem Vermögen in Treuen dienen möchte, aber seinen Untertanen muß ihr Recht werden. Der Wirt von Steinbach hat den Schäfer Klaus Müller von Roda um 40¼ Gulden für verkaufte Schafe betrogen. Die bischöflichen Räte wollen die Sache verschleppen. Balthasar gibt aber nicht nach, bis der Schuldige »durch den Nachrichter mit Ernst besprochen« wird und sein »armer Freund« 40 Gulden in Bamberg erheben kann.

Sein Schwarzburger Vetter hat Aufruhr niederzukämpfen gehabt und bietet den halben Teil der Herrschaft Schwarzburg aus. Darüber werden Tagfahrten in Leutenberg und Blankenburg gehalten, und Balthasar stellt ein Verzeichnis der Bergwerke um Leutenberg auf. Mit Rechtsbeiständen hat er nicht gern zu schaffen. Von einem derselben versichert er: »So iß ich auch nit gern heiß Suppen mit ihm.«

Die armen Leute von Munschwitz können ihr Land fast nicht erhalten. Balthasar nimmt sich ihrer an, als der Gutsherr auf Löhma ihnen zusetzt, weil sie bei einem Holzschlag auf dem Löhmberg die Grenze verletzt haben sollen. Der Kirchner von St. Jakob hat Holzfrevel begangen, der Key von Steinsdorf hat Beulwitzsche Eichen gefällt: »die soll man nicht ungestraft lassen, doch einen jeglichen nach Gehalt seiner Übung«.

[27]

Der Schmied Hofheinz in Wurzbach muß vor das Leutenberger Gericht geladen werden. Sein Sohn hat den Heberndorfer Untertan Blidler verwundet. Der Vater hat den schuldigen Sohn gehaust, geherbergt, geatzt, getränkt und gehalten. Dafür muß er zur Rechenschaft gezogen werden. Friedrich von Gahma und Nickel in Gleima sind in einen Messerdiebstahl verwickelt und sollen in Lobenstein vernommen werden. Dazu bedarf es herüber und hinüber erst der Genehmigung der Landesbehörden.

Von der Leipziger Messe bringt ein Leutenberger Kaufmann die Kunde mit, die Bamberger und Nürnberger Fuhrleute sollen überfallen werden. Darum müssen Hans von Thun auf dem Lauenstein und die von Beulwitz im Eichicht scharfe Wache aufstellen und ihre Leute in Bereitschaft halten.

Ein Aufruhr droht auch in das Leutenberger Gebiet überzugreifen. Deshalb hat Hans von Oberweimar in Weitisberge, genannt Ulfrich, mit seinen Leuten kriegsbereit auf der Burg anzutreten. Geleitsfragen sind umständlich zu regeln: kein Leutenberger darf Saalfeld betreten, der je gegen Sachsen gekämpft hat. Übergriffe am Fischwasser und im Wildbann erregen die Gemüter. Die Bürger sollen die Mauer unter der Badestube im Schloß aufrichten helfen und mit Schiefer decken. Die Bretter dazu liefert der Müller: »doch soll man dem Armen, ob es anders zu denken ist, hilflich sein«. Die Läden am Pulverturm soll man auftun, die Glasfenster zulassen: »doch daß man aufs Unwetter groß Achtung hab, daß dem Pulver[28] nichts widerfahr«. Zwei Wagenpferde soll man verkaufen, »dann ihrer ist genug an vieren«. Landsendorfer Untertanen haben durch Spiel, Trunkenheit und andere Leichtfertigkeit ihre Güter vernachlässigt: Schultheiß, Dorfmeister und die ganze Gemeinde werden scharf angelassen, bei 10 Gulden Strafe haben sie zu wachen, daß das unterbleibt.

Im Sommer 1520 will der Graf Günther von Schwarzburg seinem Vetter, den er auf dem Reichstag zu Worms vertreten muß, ein klein Pferdlein zusenden, ins Kloster und zu seinem Garten zu reiten. Balthasar wehrt jedoch ab, er braucht es nicht mehr, da ihm der Markgraf von Brandenburg ein Eselein geschickt hat.

Müde und mit Sorgen überladen tritt der erst achtundsechzig Jahre alte Kriegshauptmann, Friedensrat und Burgherr 1521 die Herrschaft an seinen Sohn Hans Heinrich ab und erwartet das Lebensende. Am 18. Juni 1525 erlöst ihn der Tod, dann nimmt ihn die Gruft seiner Väter auf.

Der Südflügel des Schlosses, wie er noch heute steht, der massive Teil des Nordflügels bis zu gleicher Länge, der starke Neue Turm, sowie der mittlere Schloßhof überhaupt stammen aus Balthasars Bauzeit. Daß außerdem noch Fachwerk- und leichte Holzgebäude vorhanden waren, die restlos verschwunden sind, muß immer bedacht werden. Bis 1491 ging die Zufahrt zur Burg über die Felsen hinauf, die gesprengt wurden, um Bauplatz für den Südflügel zu gewinnen. Dadurch entstand der Tunnel, über[29] dessen Eingang Balthasars Wappen und Namen prangten und, wenn auch zertrümmert, noch zu sehen sind.

Münzkundige kennen zwei kleine Münzen, die Graf Balthasar 1493 prägen ließ. Freunde des Kunsthandwerks oder der Waffenkunde werden sich gern durch zwei schöne Geschützrohre im Rudolstädter Schloßhof an den Leutenberger Artilleriehelden und seine bayrische Laufbahn erinnern lassen.


Johann Heinrich, 1496–1555

Balthasars Sohn Hans Heinrich war Vertreter einer neuen Zeit. Über sein Leben fließen die heimatlichen Geschichtsquellen spärlich. Er war humanistisch gebildet, mit Männern der Wissenschaft befreundet, verkehrte in Jena mit Lehrern der Hochschule und erwies sich als fromm und tapfer in Kirchen- und Staatsangelegenheiten.

Zum Verdruß des Vaters hatte er 1517 eine Palästinafahrt unternommen, um die Ritterschaft des Heiligen Grabes zu erwerben. Daraus waren neue drückende Verpflichtungen entstanden. Die kaiserliche Bestätigung seiner Herrschaft Leutenberg empfing er 1521 auf dem Reichstag zu Worms durch Karl V. Als die Bauernaufstände ringsum die Nachbargebiete in Unruhe versetzten, ließ er 1525 die Gewehre und Waffen seiner Untertanen einfordern. Wie es um diese Bewaffnung bestellt war, geht noch aus den Verzeichnissen darüber hervor. Jeder Bürger war von Pflicht und Rechts wegen gehalten, je nach der[30] Größe seines Besitzes »ein püchs, ein armbrust und wynd, oder ein helmpartn« in gutem Stand zu führen.

Durch die Ehe mit Margarete von Weida knüpfte er 1527 verwandtschaftliche Beziehungen auch zu den Mansfelder Grafen an. Als das Kloster Paulinzelle aufgelöst wurde, nahm er sich des Abtes an, trat aber selbst 1530 in Augsburg zur Reformation über und erfreute sich des Schutzes und der Freundschaft der sächsischen Kurfürsten und Herzöge, besonders Johann Friedrichs des Großmütigen.

Die Rechtsstreitigkeiten um das schwarzburgische Erbe liefen weiter und wurden 1541 durch ein kaiserliches Mandat auf dem Reichstag zu Regensburg verglichen; die Herrschaft Leutenberg war bereits 1536 wieder eingelöst worden. Diese Verpfändungen oder Verkäufe auf Wiederkauf hingen ganz allgemein mit dem Mangel an Zahlungsmitteln in jener Zeit zusammen: »Es will niemand bar Geld haben.«

Das Schloß Leutenberg bedurfte 1542 der Ausbesserung. Andreas Thiem, der Schieferdecker von Heberndorf, wird aus Selb, wo er arbeitet, dazu heimgerufen.

Als verlautet, daß Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig einen Überfall auf die sächsischen Lande vorbereitet, ergeht 1545 das Aufgebot, auch Hans Heinrich soll Montag nach Michaelis in Weimar erscheinen »mit allen Knechten und Pferden in blanker oder sonst guter Rüstung, Armzeug, Knie, Köpf, Spieß und Hauben und allem dem, so zum Ernst und Krieg gehörig«.

[31]

Aufgebote ergehen, und Anlässe zu Reisen mehren sich, da klagt der erst Zweiundfünfzigjährige, er ist »mit Schwachheit beladen und nie aus dem Bett gekommen«. Es war allgemein böse Zeit. Sein Amtmann Heinrich von Heldorff in Schwarzburg jammert: »Das Sterben will noch nit nachlassen und will immer weiter überhand nehmen. – Gott der Allmächtig wolle uns für die Straf seine Barmherzigkeit verleihen, und daß wir uns auch besserten.«

Als 1546 der Erbstreit der Mansfelder Grafen geschlichtet werden sollte, war mit Luther und Fürst Wolfgang von Anhalt auch Hans Heinrich von Leutenberg als Schiedsrichter und Berater in Eisleben tätig. Verwandtschaft, vielfache gemeinsame wirtschaftliche Beziehungen zu den Mansfeldern und die genaue Kenntnis von deren Bergwerksrechten um Leutenberg befähigten ihn zu einem friedlichen und sachlichen Urteile. Dabei wurde er Zeuge von Luthers Tod, über den er sofort in die Heimat berichtete.

Im Jahre 1551 befindet er sich mit Wolfgang von Anhalt im Lager des Kurfürsten Moritz von Sachsen, um dessen Streit mit der Stadt Magdeburg beilegen zu helfen.

In Vorahnung des Lebensendes erneuert er 1554 sein Testament: seine Gemahlin Margarete mit ihren drei Töchtern erhält Recht auf Behausung im Schloß und 500 Gulden Jahreszins auf ihr eingebrachtes Heiratsgut. Bei seinen schönburgischen Verwandten ereilt ihn der Tod in Glauchau am 14. März 1555. Zwei Tage darauf findet die Beisetzung in Leutenberg ohne Gepränge statt.

Zwei Bronzegeschütze im Schloßhof zu Rudolstadt erinnern[32] an die Zeit von Hans Heinrich, das eine trägt nur die Jahreszahl 1522, das andere die Anfangsbuchstaben von Ernst Peter Graf Mansfeld.


Philipp, 1540–1564

Drei Söhne von Hans Heinrich waren als Kinder gestorben, der vierte, Graf Albert, fünfundzwanzig Jahre alt als strebsamer, hochbegabter Student am 26. Januar 1555 in Jena. Sein Lehrer, Professor Stiegel, hat ihm in einem wortreichen Nachruf ein Denkmal gesetzt. Der fünfte Sohn, Philipp, folgte dem Vater in der Herrschaft. Über seine Ausbildung und Lebensschicksale sind nur vereinzelte Nachrichten auf uns gekommen. Der Magister Bonaventura Albrecht aus Saalfeld, bekannt als Liederdichter der Reformationszeit, war sein Lehrer. Studien in Jena scheinen dann gefolgt zu sein.

Graf Philipp war wohl auch von Jugend auf schwächlich. Außerdem lasteten die mißlichen Vermögensverhältnisse schwer auf ihm. Seine drei Schwestern verheirateten sich nach Braunschweig, Hohnstein und Plauen, sein jüngerer Bruder, Sighart, verunglückte noch als Knabe in Schwarzburg durch einen Sturz aus dem Fenster. Kaum 19 Jahre zählte der Graf, als er sich vermählte mit Katharina, einer geborenen Herzogin von Braunschweig-Grubenhagen. Sie war 16 Jahre älter als er und verwitwet aus einer Ehe mit Johann Ernst von Sachsen-Koburg.

In Leipzig, wo er sich zur Kur bei einem Spezialarzt aufhielt,[33] starb der letzte Graf von Leutenberg am 8. Oktober 1564. Die Beisetzung erfolgte in Leutenberg. Seine Witwe war ein unglücklicher Charakter, überstolz auf ihre Abstammung, unruhig und führerlos. Sie starb in Saalfeld 1581. Mit ihren Anliegen beschäftigte sie lebhaft die schwarzburgischen, sächsischen und kaiserlichen Behörden, so daß sich die Verhandlungen lang hinzogen und erst nach ihrem Tode beigelegt wurden.


Das Schloß als Witwensitz

Bereits seit 1554 stand das Schloß nur unter der Aufsicht von Schloßhauptleuten. Doch wohnte die Dienerschaft von zwei Witwen und drei nach auswärts verheirateten Gräfinnen noch da, die sich das Recht auf einen Wohnsitz vorbehalten hatten. Es entstand daher große Not, als im Sommer 1567 fast das halbe Schloß abbrannte, und die stehengebliebenen Teile zusammenzubrechen drohten.

Herrenloser Betrieb war in der Burg eingerissen. Am 18. März 1567 schreibt die Gräfinwitwe Margareta: »An meine getreue Dienerin Martte uff unserem Haus zu Leutenberg: Daß Du auch aus dem Schloß nit gehest, sondern wir Dich und die andern, die wir noch im Schloß beneben unserm Vieh haben, darin behalten wollen bis auf unser Zukunft. – Desgleichen hat mir die alte Gräfin zu Schwarzburg gesagt, wo ihr Gesinde essen, so sollt Ihr auch mit ihnen essen, denn ich Euch nichts schicken kann, bis ich mit ihnen verglichen werde, Ihr Euch auch wollt[34] gegen den Hauptmann haben, so daß er nicht über Euch zu klagen habe.«

Ein Brief des Schössers Johann Schüffener an den Schloßhauptmann vom 26. März erwähnt die Gräfin Katharina: »Daß sie aber Euer Gnaden bei unserer alten Gräfin übel ausgetragen, ist hier nicht neu, denn es ist ihr alter Brauch. – Wann sie ihr wesentlich Bleibens wieder hier anstellen würde, ich wollt eher auf allen Vieren davonkriechen.«

Aus dem Briefe eines Grafen Günther an den Schösser in Leutenberg geht hervor, daß Graf Philipps Witwe oft gemahnt worden ist, das Schloß zu erneuern. »Wenn sie in das Haus einziehen will, Du wollest sie mit glimpflichen Worten abweisen und vermahnen, daß sie solches müßig zeihe und etwan in ein Wirtshaus bis auf unseren ferneren Bescheid einziehen wolle. – Und Du wollest ihr Gesind alsbald aus dem Haus abschaffen und sie etwan in ein anderes Haus ziehen und das Ihrige, so sie bedürfen, aus dem Haus folgen lassen und alsbald alle Türen und alles verschließen.« Die Gräfin Katharina selbst war zur Kur in Karlsbad und beklagt sich auf der Heimreise von Hof Pegnitz aus am 1. November bei ihrem »Schwager«, daß der Schösser ihr Gesinde »kompellieren« will, sie ist bereit, in ein, zwei, drei Bürgerhäuser zu ziehen, weil der Feuersunfall im hintern Schloß auch ihre Wohnräume daneben verderbet hat.

Da auch »beinahe die ganze Stadt in Feuersnöte geraten« ist, wird der Schriftwechsel dringender, und am[35] 16. November gibt Christoph von Enzenberg dem Schloßhauptmann Eitel Kurt Glock den Auftrag, der Neubau soll vorbereitet werden. Der Bauanschlag sieht 700 bis 800 Taler vor, einen Betrag, der ziemlich viel bedeutet nach damaligem Wert, und neben dem noch die vertragsmäßig zu leistenden Frondienste und Sachlieferungen anzusetzen wären. Es muß demnach ein stattlicher Oberbau oder ein Anbau im Nordflügel entstanden sein.

Die Herrschaft Leutenberg wechselte nun rasch ihre Landesherren. Schon 1563 ließ Friedrich der Mittlere, Herzog von Sachsen, Landgraf in Thüringen und Markgraf zu Meißen, durch drei Weimarische Räte die Gemeinde Leutenberg den Huldigungseid leisten. Vier Jahre später wurde diese Abhängigkeit gelöst. Nach Graf Philipps Tode ging das Leutenberger Erbe an Albrecht VII. zu Rudolstadt und seinen Bruder Johann Günther von Sondershausen über. Graf Albrecht nahm sich 1571 des Amtes Leutenberg an und regelte die »Gerechtigkeiten, Mannschaft, Zugehörungen, Einkommen und Nutzungen«. Dem Stadtrat erteilte er 1578 das Privileg, auf dem neu erbauten Rathaus Bier und Branntwein zu schenken. Die Dörfer müssen das Bier in der Stadt nehmen, schoß- und zinsbare Güter dürfen nicht an Auswärtige verkauft werden. Nur Hausgenossen, nicht angesehene Bürger haben mehr als Treiber zur Hasenjagd und als Fröner zu dienen. Im Frühjahr darf der gräfliche Schäfer keinen umzäunten Grasgarten mehr öffnen und betreiben.

Graf Philipps hinterlassene Schulden ließen sich aber[36] so bald nicht tilgen, und die Schwierigkeiten in der Landesverwaltung wuchsen übermächtig an. Deshalb verkaufen 1598 Graf Albrecht von Rudolstadt und seine vier Neffen von Sondershausen ihre Hoheit über die Herrschaft Leutenberg, Schloß, Stadt, Vorwerk Roda und 13 Dörfer für 56100 Gulden auf Wiederkauf nach sechs Jahren. Käufer war Melchior von Bodenhausen, auf Arnstein, Mühldorf und Almen, Kurfürstlich sächsischer Rat und Hauptmann, der auch Blankenhain innehatte. Der ausführlich abgefaßte Kaufvertrag sieht besonders vor, das »bishero in ziemlichen Abfall gekommene Schloß« von Jahr zu Jahr »zu rektifizieren und auszurichten« – »gegen Tilgung notdürftiges Bauholzes und Erstattung der Baukosten«. Während der Bodenhausenschen Verwaltung, die bis 1607 dauerte, sind tatsächlich Bauten im Schloß ausgeführt worden »an der alten Kirche«, die eingegangen war, »am vorderen Bau«, am Turm und am Brunnen. Doch läßt sich Genaueres nicht erschließen.

Im Jahre 1605 starb Albrecht VII. in Rudolstadt und hinterließ vier Söhne und sechs Töchter aus erster Ehe, sowie eine erst siebenunddreißig Jahre alte Witwe aus zweiter Ehe, die ihren Pflegekindern eine treue Erzieherin blieb.


[37]

Elisabeth, 1568–1617

Elisabeth stammte aus dem pfälzischen Grafengeschlecht von Leiningen-Westerburg, hatte ihrem um 31 Jahre älteren Gemahl reiche Mittel eingebracht, und ihre Stiefsöhne waren nun bestrebt, sich dankbar zu beweisen. Sie ließen das Schloß Leutenberg neu herrichten, setzten bei den Grafen in Schwarzburg durch, daß ihrer Pflegemutter das Reichslehen Leutenberg zugewiesen wurde, wozu Kaiser Rudolf Konsens erteilte, und 1608 zieht die neue Herrin in ihr Wittum ein.

In Schloß, Stadt und Amt stehen ihr Hoheitsrechte zu, ausgenommen sind die Nutzungen an Bergwerken, die ritterschaftlichen und die freien Mannslehen. Vornehme Ausstattung und reiche Schätze barg das Schloß, wie die Inventarien von 1608 und 1618 ausweisen.

Die Gräfin »beschwert ihr Gewissen damit«, unter den Geistlichen der Umgegend »eine genugsam geklärte Person« zu finden als Schulmeister für Schloß und Stadt. Günther Brömel aus Ilm, zuletzt in Königsee, hält Probepredigt, erwirbt die Anerkennung der Gräfin und beweist sich als treuer Seelsorger bis an ihr Sterbelager.

Wir erhalten Einblick in die Wirtschaftsführung des großen Haushaltes, wenn 55 Gulden für Fische aus Erfurt zu verrechnen sind, für »Halbfisch, Bricken, Hering, Lachs, Bickling, Sbierollen und Stockfisch«. Wir müssen staunen über ihre Gewänder, ihre Pelze, ihre mit Æ W gezeichneten Wäschevorräte, ihren Reichtum an Schmuck,[38] und wir erfahren, daß ein Positiv und zwei Clavicordia zum Mobiliar der Burg gehören. Eine Apotheke im Schloß verwaltet die Gräfin selbst, und besorgt schickt sie Arzeneien nach Rudolstadt, als dort die Pest ausbricht. Bloche aus der Mühle, Wein aus Rudolstadt, die Erträgnisse des Schafhofes Roda erscheinen in ihren Schriftstücken für die Hofhaltung.

Die alten Teile des Schloßbaues bereiten Kummer. Die Küche unter dem Gemache der Gräfin ist feuergefährlich: »Weil auch dise stunde wider ein balcken in der Küchen entzwey geglummet und herunter gefallen, welcher auch gleich den andern mit blech beschlagen gewesen, undt wir befürchten, es mechte eins mals gros Unheill doraus entstehen, als bitten wir, Euer Liebden wollen doch die Anordnung thun, darmit gantz Eisern stebe an stadt solcher balcken mechten eingemauert werdenn.« Der Sturm hat das Gebäude »bey dem alten Dorme« verschoben, den Kachelofen im Frauenzimmer umgestoßen, eine getäfelte Stube ist Mäusegeniste, die Wände werden mit schwarzgrünen Teppichen beschlagen. Hans Pfau aus Krölpa besorgt den »neuen Bau« und richtet die Kapelle, die düster und öde liegt, wieder zu. Auch die Kirche in der Stadt ist baufällig, der Pfarrer kann auf der Kanzel nicht lesen bei dunklem Wetter, »der Rat und das arme Völklein hat kein Vermögen«, die Gräfin hilft und stiftet auch eine neue Orgel.

Treuherzig und pfälzisch-witzig nehmen sich ihre Briefe aus in der Schreibung ihrer Heimatsprache, so wenn sie[39] sich an den nur wenige Jahre jüngeren Stiefsohn wendet eines Reitpferdes wegen für die Reise: »ich bitte Euer Liebden helffe ia das bestde dozu, das ich ia das pferdt mochtde bekommen, atder es mosch auch ein ansehen habben, E. L. wissen wol, wi es sein soll, E. L. scuchen mir ein schon pert auß, ich wil E. L. ein mall weider ein schon freulin weider helffen außscuchen, E. L. haben es mir nicht vor ebel, das ich E. L. selber nicht weider habben geschriben, den der bott gar ser weider gros eile hatt. So hei mitt wil ich E. L. in schutz und schirm des almichtigen befellen«.

Von 1613 ab vernehmen wir Klagen über Unpäßlichkeit, obwohl die Gräfin erst fünfundvierzig Jahre alt ist. Sie vertröstet sich, ihr Leiden werde »mit dem abgewiesenen Märzen verschleichen«, vorläufig gibt sie sich zufrieden, sie kann noch »umbschleichen, spazieren gehen und fahren«. Nach und nach wird es einsam um sie, die Pflegekinder fliegen aus in die Welt, und als ihre letzte Stunde herannaht, äußert sie dringendes Verlangen nach dem altbewährten Seelsorger, der von Ilm herbeigerufen wird.

Am 26. Oktober 1617 befreit ein sanfter Tod die opferfreudige Schloßherrin von ihren Sorgen. Heikle Rechtsfragen erheben sich um ihren reichen Nachlaß. Die Beisetzung in einem kostbaren Zinnsarg findet statt, aber erst am 24. Dezember erfolgt mit stattlichem Zuge die Überführung der Leiche nach Rudolstadt.

Dort wurde sie in der zwiefachen Höhle unter dem Fürstenstand der Stadtkirche beigesetzt, wo bereits ihr[40] Vater und ihre Schwester Hermanna ruhten. Auf dem goldenen Reliefbild am Fürstenstand ist Elisabeth dargestellt hinter Juliana, der ersten Gemahlin Albrechts.

Der älteste Stiefsohn Karl Günther zu Kranichfeld übernimmt die Herrschaft Leutenberg und läßt die Beamten vereidigen. Die Burg und der große landwirtschaftliche Betrieb stehen wieder unter Aufsicht von Schloßhauptleuten. Als einer derselben tritt Daniel von Watzdorff im Jahre 1628 auf. Er erhält am 27. Januar Befehl, daß die Lehensleute und ihre Hintersassen »eine halbe Kompagnie Reuter einlogieren und akkomodieren« sollen. In der Tat rückte jedoch eine ganze Kompagnie ein und lag elf Wochen in Burg und Stadt.

Leutenberg und die Amtsdörfer hatten 5175 Taler Kontribution aufzubringen. Was sonst noch an Lasten zu tragen und an Schäden zu erleiden war, darüber sind die unmittelbaren Nachrichten durch Feuersbrünste zugrunde gegangen. Aus dem Jahre 1640 verlautet, daß die Pfarrwohnung eingeäschert wurde.

Die Salvagardie, die der regierende Graf Ludwig Günther 1641 bei dem kaiserlichen Kriegsrat Generalfeldmarschall Hatzfeld für seine Schwarzburgischen Länder auswirkte, mag auch dem Leutenberger Gebiet zugute gekommen sein. In Vorahnung des Todes wies er die Herrschaft Leutenberg seiner Gemahlin Amilie als Wittum zu und das Schloß, wo er gute Jugendjahre bei seiner zweiten Mutter Elisabeth verlebt hatte, als Wohnsitz.


[41]

Amilie Antonie, 1614–1670

Am 30. und 31. März 1647 zählt ein genaues Inventarium des Schlosses und Amthauses die einzelnen Räume auf und berichtet sowohl über den baulichen Zustand wie auch über die Wohngeräte. »Vors erste ist das Schloß, an Dach und Fach, wie auch sonsten noch, auser was die Schwedischen eine Zeitlang darauf gelegene Trajouner an Fenstern, und Ofen, sowohl Ständen in Reisigen- und Gutschstellen verwüstet, in guthen baulichen Weßen.« Nur »die Grundmauer unter dem Waschhaus befindet sich also mangelhafftig, daß sich das Obergebäude darnach gesenkt«, weshalb die große Feueresse auseinanderzubrechen droht.

Es werden außer den Wohnungen für Herrschaft, Gäste Amtsleute und Dienerschaft, nebst den Stallungen, namentlich Räume genannt, die einen Schluß auf die Größe des Betriebes gestatten, wie Wollengewölbe, Brenngewölbe, Kornböden, Kelterhaus, Darr- und Brauhaus, Kontore, Apotheke mit Laboratorium und Niederlage, Wasch- und Badehäuser, Zeughaus, Reithaus und Gewächshäuser. Der unterste, heute mit Gras überzogene Schloßhof trug den größten Teil dieser Wirtschaftsgebäude.

Amilie Antonie, geborene Gräfin von Oldenburg-Delmenhorst, hatte am 15. Juni 1614 das Licht der Welt erblickt. Sie war 1637 als Kanonissin in das Stift Quedlinburg eingetreten und kurz darauf zur Taufe ihrer Nichte[42] Amilie Juliane von Barby und Mühlingen nach Rudolstadt gekommen. Hier lernte sie der um dreiunddreißig Jahre ältere Graf Ludwig Günther kennen, und am 4. Februar 1638 führte er sie als seine Gemahlin in die Heidecksburg ein. Sie sollte seinem Hause und seinem Lande in schwerer Zeit eine umsichtige und treusorgende Mutter und Herrin werden. Ihr Delmenhorster Erbe brachte große Barmittel und reiche Ausstattung ein. Dagegen wurde ihr eine ansehnliche Leibrente und für den Witwenfall Haus, Stadt und Amt Leutenberg zugeschrieben.

Sie regte geistiges Leben und wirtschaftlichen Verkehr im Lande an und förderte durch zahlreiche Aufträge Kunst und Handwerk. Mit der Delmenhorster Heimat blieb sie in reger Verbindung. Der Handelsmann Martin Sommer aus Mellenbach besorgt Einkäufe für sie in Bremen. Johann Gerstenberger in Erfurt, Ratsoberster und Handelsmann, vermittelt ihr »Convoy«, das heißt Speditions- und Bankgeschäfte, mit Gerhart Arndt in Hamburg, dem Faktor ihres Vaters. Waren, die in Rudolstadt nicht zu beschaffen sind, läßt sie durch Boten auswärts holen, Schmuckwaren in Nürnberg, Kleiderstoffe in Leipzig.

Von 1639 bis 1646 schenkte sie ihrem Gemahl vier Töchter und einen Sohn, Albert Anton. Zu den eignen Kindern nahm sie dann ihr verwaistes Patenkind von Barby auf. Diese Pflegetochter wurde 1665 ihre Schwiegertochter. Mitten in den Drangsalen des Dreißigjährigen Krieges verlor Amilie Antonie 1646 den Gemahl. Tapfer nahm die junge Witwe Vormundschaft und Regentschaft[43] in die Hand, beraten und unterstützt durch Heinrich II. von Reuß-Plauen.

Über ihren Witwensitz Leutenberg ließ sie Inventur aufnehmen als Grundlage für weitere Bauarbeiten, die bis 1656 laufen. Dann fand am 16. Juni ein feierlicher Einzug statt, bei dem die Ritterschaft der Lehensgüter aufwarten mußte. Siegmund und Ludwig von Dobeneck ritten ihr entgegen mit Gefolge, Christoph Georg Ernst von Beulwitz auf Löhma und Christoph Albrecht von Watzdorf aus Weitisberge versahen den Ehrendienst bei der Schloßherrin auf der Burg. Die Festgäste bezogen ihre Quartiere in der ganzen Stadt, ebenso die Lobensteiner Musikanten, die aufzuspielen hatten. Im Amt Leutenberg waren zu dieser Zeit 399 Untertanen lehenspflichtig, in der Stadt selbst 71 Mannespersonen und 31 Witwen.

In das Jahr 1659 fällt eine Besuchsreise nach Oldenburg, zwei Jahre später fährt sie zu ihrer Schwester Juliana, Herzogin zu Würtemberg und Teck, nach Weildingen. Als ihr Sohn, volljährig geworden, die Regierung übernimmt, zieht sie sich gänzlich auf ihr Schloß Leutenberg zurück. Fünf Jahre, bis zu ihrem Tode, herrschte nun reges Leben auf der Burg, und großer Segen ging als Rat und Tat hinaus in Stadt und Herrschaft.

Während der Friedensverhandlungen 1646 bis 1648 wendet sie sich in einem offenen Schreiben an den schwedischen Legaten in Osnabrück um »Abwendung der hiesigen Orts einlogierten Löwenhauptischen Völker«. Elias[44] Augustinus Hüffler, Schwarzburgischer Rat und Abgesandter zu den Friedenstraktaten, soll einen Schutzbrief auf die Ober- und Unterherrschaft auswirken. Er vertröstet, die Verhandlungen gehen nur schwerfällig vorwärts. Dann wendet sich die Gräfin an Heinrich Christoph von Griesheim, den Pfalz-Neuburgischen Geheimen Rat beim schwedischen Hofe, um ein Protektorium. Endlich schreibt sie selbst wiederholt an die Königin von Schweden. Sie ist besorgt um ihr Leibgut Leutenberg, »darzu ein kleines Städtlein und ezliche geringe Dörfer, so anizo mit gar wenig Leuten besetzt, bei Durchzügen mit Einquartierung, Proviant- und Gold-Pressuren beschweret, auch wohl durch Plünderungen vollends gänzlichen ruinieret werden«. Die Königin möchte sich doch gnädigst willfährig erweisen, Ludwig Günther sei aus dieser schnöden Trübseligkeit abgefordert, sie selbst mit den kleinen unmündigen Kindern in Herzeleid und Trauer versetzt.

Der amtliche Schriftwechsel zieht sich hin, unterdessen sind vier Kompagnien von je hundert Dragonern samt 87 gemeinen Knechten zu verpflegen. Auf jede Kompagnie entfallen monatlich 1431 Gulden ohne Servis und Fourage. Von Erfurt aus wird unerträgliche Kontribution gefordert, und in Hof wirkt ein Bittgesuch nur höhnische Antwort der Kriegshauptleute aus. Dem Kommandanten des Regiments aber geht der scharfe Befehl zu, das zur Unterhaltung Nötige einzutreiben wie in Feindesland.

Als die Friedensglocken läuteten, waren noch lange[45] Jahre hindurch Not und Krankheit und wüste Lebensführung in Palast und Hütte, in Stadt und Land zu überwinden, und doch erfüllte Dankgefühl das Herz der Gräfin, und sie suchte sichtbaren Ausdruck dafür.

In der eigenen Familie sorgte sie für gewissenhafte Ausbildung und religiöse Erziehung der Jugend. Seit 1650 war eine stattliche Reihe von Lehrern tätig. Im Schlosse Leutenberg wird unter den Räumen eine Schulstube und ein Präzeptorstüblein aufgeführt. Einen Ehrenplatz nimmt Johannes Hedwig ein, der sieben Jahre lang die älteren Kinder unterrichtet, bis er als Pfarrer nach Königsee übersiedelt. Mit ihrem »Magister«, seiner Frau und seiner Tochter stehen die Gräfinnen in vertrautem, freundschaftlichem Verkehr. Er überlebte sie alle. Von ihm war christliche Lebensauffassung, ernste Wissenschaft und fließende Latinität namentlich auf Amilie Juliane und Ludämilie Elisabeth übergegangen.

Von 1651 bis 1657 wurden die Lehrer der älteren gräflichen Kinder und der Pagen stets mit peinlich genauen Instruktionen versehen. Es waren dies die Theologen Johannes und Nikolaus Molwitz, Johann Valentin Schneider und Johann Heinrich Schröter. Als Sprachmeister des jungen Grafen erscheinen die Franzosen Pasté und Bersoy, als Berater und Repetenten die Rechtskandidaten Johann Christoph Falkner und Ahasverus Fritsch. Für die jüngeren Gräfinnen treten von 1658 bis 1661 als Lehrer die Theologen Christian Metzel und Georg Haucke ein. Inspektion übte die Gräfinmutter persönlich[46] aus, und sie fand dabei umsichtige Hilfe an dem Oberhofmeister Hermann von Biesenrod.

Freunde der Literatur und Heimatgeschichte seien nur einen Augenblick daran erinnert: Amilie Juliane als Dichterin reifer Frauenlieder, Ludämilie Elisabeth mit jungfräulich zarten Gesängen, der Oberhofmeister Niklas Ernst von Günderode, der Magister und Hofprediger Johann Georg Roth, der Rechtsgelehrte und Staatsmann Ahasverus Fritsch, sie alle gehören der Geschichte des deutschen Kirchenliedes an und sind der Wissenschaft dieses Literaturzweiges bekannt. Daß sie in Leutenberg miteinander verkehrten und von dort ihre Geistesrichtung auf die nachfolgenden Geschlechter vererbten, verdient mit Heimatstolz festgehalten zu werden.

Die Kirchen der Nachbardörfer versorgte Amilie Antonie mit würdiger Ausstattung, bald mit einem Predigtstuhl, bald mit einem Tauftisch, bald mit einem Orgelwerk. Sie fühlte, das Gotteshaus war die Stätte, wo auf eine Stunde der Jammer und die Wüstenei des Alltags vergessen werden konnten. Auch die Stadtkirche von Leutenberg bedurfte wieder der Hilfe. Dort erinnerten die Wappenschilder der früheren gräflichen Schutzherren an vergangene Geschlechter. Eine Tafel mit lateinischer Inschrift in Versen berichtete über das Schicksal der ausgestorbenen Grafenfamilie. Eine andere Tafel war Kriegsdenkmal aus jüngster Zeit. Ein schwedischer Offizier hatte Frau und Kinder aus Stendal nachreisen lassen. Bei der Fahrt von Saalfeld herauf waren sie mit dem Wagen gestürzt und in der[47] Sormitz ertrunken. Die Beisetzung war in Leutenberg erfolgt. Für Pfarrer und Adjunkt, die bisher im Kloster hatten wohnen müssen, kaufte die Gräfin am 13. Februar 1661 das »Schieferhaus gegenüber der Kirche samt Gärtlein« um 300 Gulden von den Erben des verstorbenen Pfarrers Johann Bock. Eine neue Lehrerstelle und das Rektorat stiftete sie aus eigenen Mitteln. Das war Kriegsfürsorge für die Jugend, die schwer gelitten hatte.

Von 1647 bis 1670 tritt kein »Diener« der Gräfin in ein Hofamt ein, ohne genaue Abgrenzung seiner Rechte und Pflichten. Christian von Heidenreich wird Wittumsrat und Oberhofmeister. Er hat im Schloß alles zu überwachen, den Burgvogt zu befehligen, führt die Aufsicht über die Vorwerke Cumbach, Roda und Geschwende, hält den Förster in Leutenberg an, auf Jägerei und Fischerei zu achten, muß bei Kriegsbeschwerung Salvagardien auswirken und hat »allen etwa einreißenden Lastern zu steuern, unordentliche Gefräße und Winkelgesäufe abzuschaffen«. Sein Nachfolger wird 1669 Niklas von Günderode aus Zopten. Unter den Wittumsräten gewinnt das Vertrauen und die Freundschaft der Gräfinnen Volkmar Happe, ebenso der Schösser und Verwalter im Wittum Johann Oberländer. Johann Köllner aus Schleiz amtiert als Burgvogt und Küchenschreiber, Wilhelm Konrad Straubel als Verwalter von Herschdorf und Rosental, Johann Stölgefuß aus Rittersdorf als Kornschreiber. In stetem Verkehr, persönlich oder schriftlich, erteilt der Hofmedikus Dr. Anton Mack von Rudolstadt aus Rat in Gesundheitsfragen und[48] ebenso in der Führung der Apotheke, aus der die Gräfinnen angelegentlichst die Kranken in Stadt und Land während jener seuchenreichen Zeit versorgen. Gottfried Schreck ist Amtsschreiber, Heinrich Balthasar Rückhardt Hofschneider, rückt aber später zum Burgvogt auf. Als Lakaien dienen Hans Bunsold und Werner David, der letztere zugleich als Gärtner. Nikodemus Ruhland als Koch, Hans Heinrich Grahmann als Schlächter, ihnen zugeteilt Hieronymus Müller von Cumbach als Bankkoch, das heißt Schlachtgehilfe, Erhart Friedrich und Nikol Lißmann als Hofkellner besorgen Küche und Wein- und Biervorräte. Kurt Knabe erhält als Bäcker eingehende Unterweisung über den Bedarf von Brot und Feingebäck für den Haushalt. Anton Heußler und der Förster zu Lichtentanne Christoph Kreutzer führen die Aufsicht über das Wittumsgehölz, dürfen »Wildpret schießen und fällen«, müssen aber die Hälfte davon an die Hofstatt abliefern. Häute von Bären und Luchsen geben sie »gegen Rekompenz« an die Herrschaft, Bälge von Wölfen und Füchsen behalten sie für sich. Christoph Ernst Vogler hat Köhler, Holzfäller und Schneidemüller zu beaufsichtigen, auch den Wildgarten und das Fischwasser. Hans Streitberg in Kaulsdorf ist Hoffischer, Andreas Ziermann Hausknecht, Anselm Röber Schlotfeger und Hans Wagner Schafmeister. Eine vollkommene Rangordnung ließe sich abstufen nach den Gehältern, die, außer reichlichen Naturalien, von 150 Gulden bis herab zu 18 Gulden betragen.

Mit Lebensnahrung und -notdurft mußten auch die[49] versorgt werden, die nicht Angestellte waren, aber als Taglöhner in Burg, Stadt, Flur und Wald dienten. Zur täglichen Nahrung gehörten die Getränke, die jedem nach fest überliefertem Satze zustanden und beschafft sein wollten. In den Kellereien lagerten Neckarwein, Frankenwein, Frankenhäuser, Blankenburger, Landwein, Kräuterwein, Naumburger und Leutenberger Bier.

Welche Handwerker, Künstler und Gelehrte in Stadt und Land bei der Gräfin Beschäftigung fanden, darüber geben ihre Hausakten genaue Auskunft.

Auf drei Terrassen erhoben sich die Burgbauten. Vor dem heutigen Eingang, links und rechts unter der Zugbrücke, lagen die Blumengärten mit Gewächshäusern, in denen Zitronen und Feigen reiften und Granat- und Lorbeerbäume gediehen. Küchengärten nahmen die Terrassen nach Osten hin ein, in das Ilmtal hinunter erstreckte sich der Tiergarten. Darin stand eine große Heuschopfe und ein Lusthaus, neu wieder aufgebaut vom Zimmermann Hans Thieme aus Heberndorf. Ein Rundgang führte in Stockwerkhöhe um einen Turm, dessen Spitze einen kupfernen Drachen als Windfahne trug. Ein Wandbild im Obergeschoß der Burg hat treulich die Erinnerung daran bewahrt. Der ganze Schloßberg nach Süden trug Garten- und Weinbergterrassen.

Das erste Eingangstor war als Ehrenpforte für den Einzug 1656 gebaut worden, der Kalkverputz zeigt noch die rot und weiß aufgemalten Steinquadern und unter dem Vorsprung des Schutzdaches die Jahreszahl in Barockzügen.[50] Das Torwächterhäuschen rechts war 1656 bereits errichtet worden auf alten Grundmauern aus Balthasars Zeit. Es brannte 1658 nieder und wurde dann neu aufgebaut. Der zweite Torbogen stammt aus der Zeit der Gräfin Elisabeth. An dem mittelalterlichen runden Turme links fällt aufmerksamen Besuchern oft der ährenförmige Verband der Steine auf. Er wird als römisches opus spicatum für besonders alt gehalten, rührt aber doch wohl erst von Balthasars Bauzeit her. Als man 1491 den Burgeingang, der, wie ausdrücklich in den Bauakten gesagt wird, vorher weiter rechts hinauf führte, hier hart an dem Erdgeschoß des Turmes anlegte, mag das Mauerwerk durch vorgesetzte Schichten gegen Verschiebung geschützt worden sein. Der Tunnel trägt Balthasars Wappen und Namen über dem Torbogen. Die Ställe rechts im Tunnel waren für die Reisigenpferde bestimmt.

Das Obergeschoß des Südflügels wird von der obersten, ältesten Hofterrasse aus betreten. Es enthielt das große Rote Gemach, das hauptsächlich zu Besuchszwecken diente. Als Kammer gehörte dazu der nach der Stadtseite hin anstoßende Raum. Bei jedem Schlafraum war ein »Sekret«, ein Abort, vorgesehen.

Nach der Hofseite stößt an das Rote Gemach das heute so eigenartig genannte Apfelzimmer. Es wird oft angestaunt und mit mehr Dichtung als Wahrheit gedeutet. In den Bauakten führt es den Namen Buntes Gemach oder auch Pappstube. Die Abrechnung über die Arbeiten darin befindet sich bei dem Inventar 1667 mit Angaben der[51] Einzelposten. Wände und Decke waren mit Holzlatten beschlagen, darüber war grobe Leinwand gespannt. Für 8 Taler 9 Groschen 8 Pfennig Papier wurde zerstoßen und, mit Leim und Kreide vermischt, zu den Tafeln geformt, die ein Blumenmuster flach erhaben tragen und den Wandschmuck bilden. An die Decke ließ die Gräfin ein Kreuz malen und in den vier Feldern die verschlungenen Buchstaben I H S. Das sind die Anfangsbuchstaben der Worte in hoc signo <vinces>, in diesem Zeichen (wirst du siegen). Die Legende sagt, daß dem Kaiser Konstantin das Kreuz und die drei Buchstaben in den Wolken erschienen und ihn zum Übertritt in das Christentum veranlaßten. Später galten die drei Buchstaben einfach als Christusmonogramm, und als solches setzte es Amilie Antonie regelmäßig über jedes Schriftstück, das aus ihrer Hand hervorging. Für die Arbeit im Bunten Gemach erhielt der Hofmaler Hans Heinrich Siegfried 12 Taler, ein Leutenberger Maler 9 Taler 16 Groschen. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 8 Taler 13 Groschen 1½ Pfennig.

Der nach Osten angrenzende Raum hieß die Bunte Kammer, er liegt jetzt wüst. Von da aus führte eine Treppe höher der Zugang zu Balthasars Neuem Turm. Einen Treppenturm in Fachwerk ließ Amilie Antonie anlegen zum Schloßhof hinunter. Ein jetzt vollständig verschwundener Gang überbrückte von der Bunten Kammer aus den Hof und endigte in der Grünen Kammer. Seine Spur zeigt sich an den ausgehackten Stellen am Turm. Dieser Gang[52] war überdacht, er empfing Licht durch vier Fenster an der Hofseite und durch zwei vergitterte Öffnungen auf der Stadtseite. Die Grüne Kammer lag in einem Anbau, der gleichfalls nicht mehr erhalten ist. Er erhob sich auf der Terrasse vor der Kirchtür. Im Oberstock führte eine Verbindungstür zum Grünen Saalgemach, für den die Grüne Kammer als Vorraum diente.

Unter dem alten Westbau auf dem obersten Schloßhof bilden starke, wiederholt erneuerte Tonnengewölbe die Keller. Von dem einen aus lief ein unterirdischer niederer Gang früher ins Freie am alten Burgweg. Jetzt ist er halb verfallen und endet in einem Stall des Südbaues. Die zwei Räume im Erdgeschoß des alten Baues dienten als Kleiderkammer und Rollenkammer. Die Kleiderkammer stößt westlich an den Alten Turm und führt östlich in das Erdgeschoß eines ebenfalls mittelalterlichen Turmes, dessen Oberteile abgetragen und durch einen Fachwerkbau mit Spitzhaube ersetzt wurden. Eine Tür aus der Kleiderkammer mündet in das kleine Gelbe Gemach über dem Tunneleingang, das mit dem Roten Gemach in Verbindung steht. Es war wiederholt Hofmeister-Amtsstube. An die Rollenkammer stieß ein Beigewölbe.

Der neue Fachwerkturm mit geschweifter Haube führt »den Wendel hinauf« links zu den Räumen des alten Baues. Dieser enthielt im ersten Obergeschoß nach Süden zu das Eßzimmer für gemeinsame Mahlzeiten, mit Ausblicken in den Schloßhof und in das Sormitztal, nach Norden zu lag die Wohnung der älteren Gräfinnentöchter[53] mit dem Blick in das Ilmtal. Das zweite Obergeschoß war für die Schneiderei eingerichtet und enthielt sonst noch Schlafzimmer.

Am obersten Schloßhof lagen ferner zu ebener Erde Vorratsgewölbe und ein kleines Kontor. Die Bauten, die vom alten Bau stumpfwinkelig nach Nordosten und dann nach Osten hin weitergeführt worden sind, gehören mit ihrem massiven Mauerwerk dem Mittelalter bis zu Balthasars Zeit an. An den Fachwerkbauten sind mehrere Perioden abzulesen. Eine ältere wird man der Zeit Melchiors von Bodenhausen um 1600 zuweisen dürfen, eine jüngere der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, die jüngste im obersten Stockwerk des Ostflügels gehört nachweislich erst der Zeit an, als Amilie Antonie bereits gestorben war. Sie lassen sich unterscheiden an der Ausführung des Balkenwerks und der Fensterumrahmung.

»Den Wendel hinauf« nach rechts gelangte Amilie Antonie zu ihren Gemächern. Als Wohnzimmer diente ihr der saalartige Raum eine Treppe hoch. Er hieß der Weiße Saal und seit 1800 der Gerichtssaal. Er empfing Licht von Norden durch vier, von Süden durch fünf Fenster. Ein Vorbau bildete ein liebliches kleines Gemach, wo die Schloßherrin ihren Arbeitstisch hatte und den Betrieb im Schloßhof überwachen konnte. Die Heizung erfolgte vom »kleinen Heizgemach« aus auf dem Gang. Zur Linken nach Norden hin lag ihr geräumiges Schlafzimmer mit vier Fenstern in den lauschigen Nischen des alten dicken Gemäuers. Einige Stufen höher erreichte sie eine[54] kleine Küche für persönlichen gelegentlichen Gebrauch. Ein Kochkamin ist noch, wenn auch in Trümmern, erhalten. Durch eingezogene Wände und Verlegung von Tür- und Fensteröffnungen ist im Jahre 1800 an diesen Räumen manches verändert worden. Auch der Ofen in Empireform stammt aus diesem Notjahre des großen Stadtbrandes.

Vom Wohnzimmer der Gräfin führen in den neueren Flügel über dem großen Schloßhof Räume weiter, die durch die Brandunfälle von Elisabeths Zeiten bis 1800 wiederholt Veränderungen erlitten haben. Sie dienten im siebzehnten Jahrhundert für die Schloßherrschaft als Zugang zum Großen Saal. Die Decke desselben zeigt noch schönes Stuckwerk in Renaissanceformen, die Wände waren mit Tuchtapete verkleidet, 120 Gemälde bildeten den künstlerischen Schmuck. Sie zeigten Bildnisse aus der gräflichen Familie und der weiteren Verwandtschaft; auch Landschaften, »historische Stücke« und Wappen waren dabei. Eine Empore für die Trompeter konnte auf einer schmalen Treppe in einem engen Anbau vom Untergeschoß herauf erreicht werden.

An den Großen Saal stieß das Grüne Saalgemach, ebenfalls ein Prunkraum, mit Bildern und »Landtafeln« geziert. Beide Säle hatten vom Schloßhof her noch einen Zugang für Gäste in Gestalt einer überdachten Treppe da, wo sie rechtwinklig aneinanderstoßen.

Zurück zum Wendel! Im zweiten Obergeschoß dehnte sich das Gebiet der Jugend aus. An dem langen geknickten[55] Gang lagen die Zimmer der jüngeren Kinder und ihrer Pfleger, sowie das Präzeptorstüblein. Weiter reihte sich die Hofapotheke an mit Alkoven und Nebenraum. Dann schloß ein Kornboden diese Flucht ab. Erst nach dem Tode von Amilie Antonie wurde er zu den fünf Kammern und Stuben ausgebaut, die wir jetzt dort finden.

In dem letzten dieser Zimmer hat eine Falltür zu gruseligen Wahngebilden verführt. Mißliebige Gäste sollen hier meuchlings versenkt und in das mit Stacheln versehene Burgverlies gestürzt worden sein. Wer sehen kann und will, sieht: von hier führte eine schmale Treppe hinunter zum Trompeterchor am Festsaal und von da zu einem Raum ebener Erde und endlich zu der tiefer liegenden Kirche. Da diese in älteren Zeiten Brauhaus gewesen war, wird die schmale Treppe auch als Verbindung zum Kornboden gedient haben. Sie blieb dann beibehalten für den Verkehr der Dienerschaft und konnte jederzeit betreten werden, ohne daß Herrschaftszimmer zu durchschreiten waren.

Die Dachgeschosse des alten wie des neuen Baues waren durch Schadenfeuer oft heimgesucht worden, die ausgebauten Giebelstuben dienten als Heim für Dienerinnen.

Im großen Schloßhof führt eine Spitzbogentür jetzt zu den großen Kellern, eine zweite, rundbogige zur Küche, die mit Butter- und Mehlgewölben in Verbindung stand. Dann folgte ein großer Raum, früher als Kelter-, später als Backraum benutzt, und in der Ecke nach dem Ilmtal zu befand sich die Junker- oder hintere Kirchstube, die an die Empore der Kirche anstieß.

[56]

Schon unter der Gräfin Elisabeth wird erwähnt, daß das frühere Brauhaus Kirche geworden war, aber in Unordnung lag. Der Ausbau dieses Raumes sollte Amilie Antonies Dank für den wiedererlangten Frieden werden. Trotz der Furcht vor der Türkengefahr, die auf das tägliche Leben drückte, betreibt die Gräfin zwei Jahre hindurch lebhaft die Arbeiten, bis am 1. Advent 1664 der Hofprediger Roth die feierliche Einweihung vornehmen kann. Verwüstet und verwahrlost liegt auch heute wieder dieser Raum da. Aber er vermittelt die Stimmung des siebzehnten Jahrhunderts, ähnlich wie ein zermürbtes Pergament uns Geist und Form aus längstvergangenen Zeiten fühlbar nahebringt. Vorbildliches Handwerk in Stein- und ganz besonders in Eisenarbeit zeigt die Eingangstür vom Süden her. Wenn die Sonnenstrahlen durch die Baumwipfel huschen und mit Licht und Schatten um die altersgraue Tür und das junge Grün spielen, ist Weihestimmung gegeben. Der Altertumsfreund sucht im Boden der Terrasse und am Gemäuer die Spuren der Vorbauten und Aufgänge, die einst hier standen.

Der Fußboden des Kirchschiffes war mit glasierten Ziegeln ausgelegt. Die Tischlerarbeit am Gestühl und an den Brüstungen der Emporen bewegt sich in breiten Barockformen, die Bildschnitzerei ist gutgemeinte Leistung. Wenn sie nicht vom Standort des hohen Kunstgewerbes bewertet wird, legt sie Zeugnis ab von Geschmack und Geschick ehrlicher heimatlicher Meister. Dann ist auch die Kanzel in ihrer Formensprache, vom Moses, der sie trägt, bis zum[57] triumphierenden Christus, der sie krönt, ein Geistesdenkmal, genau wie ein Kirchenlied jener Zeit, das uns in manchen Zügen befremden mag, aber doch immer wieder anzieht.

Dann rauschen die Hofdamen herein und betreten ihren Stand neben dem Engel, dann sitzen die Dienerinnen jede abgemessen auf dem ihr zukommenden Platz, dann wacht der gestrenge Oberhofmeister von der Empore aus über die Seinen, und hoch oben schauen die Köpfe der Küchenjungen über die Brüstung. Eben haben die Gräfinnen in ihrer Empore die hohen Lederstühle erreicht und schauen hinüber zur Kanzel und zur Sakristei. Da nickt die Perücke des Herrn Organisten zwischen den Prospektpfeifen »des Positivs mit dem Brustwerklein«, dann klingt es: »Bis hierher hat mich Gott gebracht durch seine große Güte!«

An der Wand, die zur gräflichen Empore aufsteigt, ist eine Ahnenprobe angebracht, nicht ein Stammbaum, wie die meisten Besucher es sich erklären. Der Stammbaum würde von einem Ahnenpaare ausgehen und dessen Nachkommen anführen. Die Ahnenprobe hier ging von Amilie Antonie aus und stieg bis zu sechzehn standesgemäßen Voreltern auf. Studiosus Büchner aus Leutenberg hat Wappen und Inschriften 1748 noch vollständig gesehen und nachgezeichnet.

Sechs größere Bilder zierten die Kirche: 1. die vier Evangelisten, 2. die Taufe Christi, 3. der gute Hirt, 4. der Einzug in Jerusalem, 5. das kananäische Weib, 6. das samaritanische Weib. Sie sind verschwunden.

[58]

Ein Sandstein mit schönen Schriftzügen ist hinter dem Altar in die Wand eingelassen: In solius Dei vere sancti honorem sacram hanc aedem extruxit illustris comes et domina domina Aemilia comes in Schwartzburg et Honstein nata comes in Oldenburg et Delmenhorst etc. Vidua. Jovae humiliter confidens. (Zur Ehre Gottes, des allein wahrhaft heiligen, errichtete dieses geweihte Haus die erlauchte Gräfin und Herrin Frau Amilie, Gräfin in Schwarzburg und Honstein, geborene Gräfin in Oldenburg und Delmenhorst usw. Witwe. Dem Ewigen in Demut vertrauend.)


Sie war die Letzte ihres Stammes.


Die Künstler und Handwerker in der Leutenberger Kapelle sind zum Teil dieselben, die die Stadtkirche in Rudolstadt hatten ausschmücken helfen. Als Maler haben mitgearbeitet Jakob Martini, Johann Heinrich Siegfried und Adam Förtsch. Die Orgel lieferte Wolfgang Bartholomäus Albrecht: wie schade, daß sein Werk verschwunden ist! Schloß Gehren besitzt noch ein liebliches kleines Instrument aus derselben Zeit. Als Glockengießer wird Hiob Breitinger genannt. Daneben quittiert Hans Rosa über einen Betrag. Er gehört der Volkstedter Glockengießerfamilie an, die nach Apolda übersiedelte. Eisenarbeiten leisteten Hans Bühl und der Hofschmied Ahmann, Holzarbeiten Asmus Valtin Fleck, Glaserei Christoph Möller. Außer ihnen bestätigen noch den Empfang von Zahlung Jakob und Gabriel Fleck, Andreas Schrött, Nikol Schmiedigen,[59] Philipp Hofmann und Barthol Methfessel ohne nähere Angaben ihrer Lieferungen.

In harter Arbeit war dieses kleine Friedensdenkmal entstanden. Ganze Dörfer und Güter lagen verlassen, Häuser standen verwahrlost, Mittel und Mut fehlten, lichtscheues Raubgesindel schlich durch die Flur. Pest, Pocken und Masern wüteten, Aberglaube blühte, neue Kriegsqual drohte von Osten her. Die Landesmutter in Leutenberg, durch die Schule der Leiden gegangen, mit klarem Blick, mit warmem Herzen, mit festem Vertrauen, wies ihrem Hause und Lande den Weg zum Aufstieg.

Das schwerste Schicksal ihrer Familie sollte sie nicht mehr erleben. Im Jahre 1672 erlagen drei ihrer Töchter innerhalb kurzer Zeit der Masernseuche.

Amilie Antonie war nicht weltfremd. Treuherzig klingt ihre Sprache, wenn sie die kleinen Angelegenheiten des Tages verhandelt: »Haben zwei dage auch wider gewider gehabet, so genedich voruber gangen, aber zu Gleimen, wo es schloßen alß die hiener eiher geworffen, hat es denen ihr getrehde zuschlagen, gott helfe, das es sich den armen leiden wider vorhole.« Sie schickt ihren Töchtern »ein ieder ein paar hendischgen, weil der herbest nicht weit ist. Es sein auch 3 hornnebfchgen hierbei zu entfangen. Gott laß euch wol bekommen«. Sie ist sich den hochgelehrten Töchtern gegenüber bewußt, daß ihre eigene Schreibart unvollkommen bleibt, und setzt unter einen Brief die Bitte: »Nach dem leßen ins feuhr!«

Nach zärtlichem Abschied von den Ihrigen gab sie am[60] 4. Dezember 1670 den Geist auf. Mit fürstlichen Ehren erfolgte die Überführung der Leiche nach Rudolstadt. Am 14. Februar 1671 verfaßte Johann Georg Roth ihr das »Ehrengedächtnis«, und am 1. März wurde sie in der Gruft unter der Stadtkirche beigesetzt.

Sichtbare Erinnerungen an Amilie Antonie sind vorhanden in Gemälden. Ein Brustbild der Gräfin ist von Rudolstadt als Leihgabe auf die Friedensburg zurückgekommen. Es könnte der Erscheinung nach dasselbe sein, das Jeremias Heider im November 1644 gemalt hat, und ist in Auffassung und Darstellung einem zweiten verwandt, das auf der Heidecksburg bewahrt wird. Aus ihrem Delmenhorster Erbe stammen die sechs Bilder von der Hunosage, ebenfalls in Rudolstadt. Andere Zusammenhänge werden sich noch erschließen lassen. In der Münzkunde sind die Sterbetaler bekannt, die Graf Albert Anton zur Erinnerung an die Mutter prägen ließ.


Nach dem Tode der Gräfinmutter bewahrten ihre Kinder dem Schlosse Leutenberg ein dankbares Andenken. Sophie Juliane, Gelehrte, Dichterin, Apothekerin und tüchtige Wirtschafterin, starb am 14. Februar 1672 in Rudolstadt. Briefe, die sie empfangen hat, sind erhalten geblieben. Ludämilie Elisabeth, in der Geschichte des Kirchenliedes hochgeschätzt, Braut des Fürsten Christian Wilhelm von Sondershausen, verschied am 12. März. Christiane Magdalene war ihr an demselben Tage vorangegangen. Die jüngste, Maria Susanna, lebte bis 1688. Sie scheint musikalisch[61] tätig gewesen zu sein, bei ihrer Bestattung führte der Hofkapellmeister Erlebach eine von ihr komponierte Abschiedsarie auf.

Die Pflegetochter Amilie Juliane, seit 1665 dem Grafen Albert Anton vermählt, nimmt eine ehrenvolle Stellung in der Geschichte des Kirchenliedes ein. Kaum wird sich ein evangelisches Gesangbuch finden, in dem nicht ihr Sterbelied: »Wer weiß, wie nahe mir mein Ende!« enthalten ist. Mit der Friedensburg und ihren Bewohnerinnen steht sie in stetem Gedankenaustausch. Sie begleitet alle Ereignisse dort mit regem Anteil, gibt Aufträge an Künstler weiter, holt Ratschläge für die Apotheke ein und weiß in der Bevölkerung Bescheid. Der alte getreue Magister in Königsee steht hoch in Ehren, über die Fortschritte ihres Söhnchens müssen die Basen immer auf dem laufenden bleiben.

Malerei, Dichtkunst und Glaubensleben sind seltsam vereinigt auf den Bildern, zu denen sie ihre Maler begeistert.

Graf Albert Anton baut die letzten Räume vom Obergeschoß im Leutenberger Schloß noch aus, vermutlich entsprechend den Absichten der verstorbenen Mutter. Dann läßt er die Zimmer, die sie hauptsächlich benutzt hat, als Erinnerungsräume mit Wandgemälden ausstatten. Es sind biblische Vorgänge, für unser Gefühl manche eigenartig befremdend, andere wieder anziehend dargestellt. Auf alle Fälle sollten sie als ehrenwerte Zeugnisse des Barockgeschmacks geschont werden.

Von den Hofmalern dieser Zeit ist nur einer in der[62] Überlieferung bekannt geblieben, nämlich Seyfarth Lammers, 1647–1711. Von ihm stammen unzweifelhaft die jüngeren Bilder, besonders die Szenen aus den Türkenkriegen mit der Jahresangabe 1698. Sie sind lebhaft in der Bewegung, reich in der Erfindung und wirkungsvoll in der Perspektive. Gute Bildnisse weisen die Szenen aus Davids Leben auf, David mit Jonathan und David mit dem Haupte des Goliath, sowie eine Freundschaftsgruppe bestehend aus zwei jugendlichen Gestalten. Sie alle spielen auf Ereignisse aus dem Leben Albert Antons an.

Von den Ölgemälden, die im Rudolstädter Schloß auf Lammers zurückzuführen sind, stellt eines die Kinder der Leutenberger Gräfin im Jünglings- und Jungfrauenalter dar. Ein anderes ist eine große Kreuzigungsgruppe, ein ideales Erinnerungsbild an das Leutenberger Jahr 1668. Am Fuße des Kreuzes sind alle die Personen vereinigt, die dem Grafen Albert Anton im Leben besonders nahestanden. Außer seinem Vater und seinem Lehrer Ahasverus Fritsch: seine Gattin mit zwei Kindern, seine Mutter und seine vier Schwestern.

Über das Schloß Leutenberg schweigen die Jahrzehnte. Nur vereinzelte Nachrichten sind erhalten über die Unternehmungen, die früher vom Schlosse aus verwaltet wurden. Das Schwefel-, Alaun- und Vitriolwerk in Leutenberg, das seit 1580 bestand, wird 1683 an eine Gewerkschaft verkauft. Über das Messingwerk Grünau schließt Albert Anton 1691 einen Vertrag mit Otto Wilhelm von Günderode auf Weitisberge.

[63]

Noch einmal wurde, von 1726 bis 1732, die Friedensburg Herrensitz, als Prinz Wilhelm Ludwig von Schwarzburg den Wunsch hegte, sein Leben in der Stille zuzubringen. Er hatte unter dem Prinzen Eugen an den Türkenkriegen in Ungarn teilgenommen und war dann Oberst eines sächsischen Infanterieregiments in Freiberg gewesen. In Leipzig verheiratete er sich mit Henriette Karoline Gebauer, mit der er die Familie von Brockenburg gründete. Als er den Wohnsitz in Leutenberg aufgab, bezog er seine Güter in Gräfinau, Bücheloh und Geilsdorf.

Ein großes Reiterbild im Schlosse Rudolstadt erinnert an ihn.

Auch aus dem achtzehnten Jahrhundert kommt nur geringe Kunde über das Schloß Leutenberg und seine Umgebung auf uns. Der Glockenturm der Stadtkirche wird 1716 erneuert, 1749 wird die Kaplanei erbaut. Das Erbbegräbnis der Grafen verursacht Ausbesserungsarbeiten, die Dächer auf der alten Kapelle und auf dem Vorhaus zu den herrschaftlichen Ständen läßt Fürst Johann Friedrich 1749 wiederherstellen.


Geistliche und weltliche Behörden erhalten von ihm den Auftrag, alles zu sammeln, was sich auf die Geschichte von Burg und Stadt bezieht. Daraufhin stellt der Amtmann Kriebel 1754 eine »Historische Nachricht von der Herrschaft Leutenberg« zusammen. »Da man von Leutenberger Nachrichten gar zu sehr bloß ist«, werden »die Kästen, in welchen archivische Nachrichten sein mögen«, aus der Kirche[64] auf das Rathaus gebracht, es findet sich jedoch wenig Wertvolles darin. Kriebels Bericht faßt aber alles gewissenhaft zusammen.

Über den landwirtschaftlichen Betrieb der Güter kommen vereinzelte Angaben zum Vorschein, das Messingwerk Grünau verursacht 1755 Nachfrage, ob es weiterbetrieben oder als Hammerwerk eingerichtet werden soll.

Am 16. Juni 1760 holte der Kammerdiener und Hofmaler Johann Christoph Morgenstern »59 Porträts mit schwarzen Rahmen, 7 historische Stücke mit weiß und goldenen Rahmen, 6 Stücke Hunoische historische Gemälde, 6 dazu gehörige historische Tafeln, 3 einzelne historische Stücke, 1 Porträt in Lebensgröße und 4 Küchenstücke« aus Leutenberg nach Rudolstadt. Sie waren zum Teil zerbrochen und sollten wiederhergestellt werden. Sie sind, wenigstens eine Anzahl von ihnen, noch vorhanden, mehrere auch gut erhalten, andere gehen ihrer Deutung und Auffrischung entgegen. Sie besitzen als kultur- und heimatgeschichtliche Denkmäler hervorragende Bedeutung.

Über die Friedensburg erstattet der Landbaumeister Schellenschläger am 6. September 1763 ausführlichen Bericht. Sämtliche Fenster sind fast durchweg ruiniert, die Schieferbedachung ist aber noch ohne Hauptfehler, auch am Mauerwerk noch kein Schade. Es sei zu bedauern, wenn das Schloß verfallen sollte. Vom Dachboden bis unten hinaus muß der Schutt von Ofen, Kalk und Strohgeniste ausgeräumt werden. Der Schieferdecker Kaupert soll jährlich zweimal das Dach besteigen. Im Stallgebäude sind[65] einige Kleibefelder herzustellen, Waschhaus und Reithaus sind abzutragen.

Die Schloßuhr aus dem Turm mit der Wendeltreppe wird 1783 an die Gemeinde Unterloquitz für 20 Taler verkauft.

Bei Stadtbränden 1726, 1734 und 1796 mag die Burg wiederum Zufluchtstätte für Obdachlose gewesen sein. In ganz großem Umfange wurde sie als solche in Benutzung genommen, als Leutenberg im Jahre 1800 vollständig niederbrannte.

Am 7. Mai brach ein Schadenfeuer aus und sprang von einem Schindeldach zum andern, bis in zwei Tagen fast alle Häuser in Asche gelegt waren. Nur zwei von ihnen blieben unversehrt. Entsetzlich war die Not der Bewohner, die auf den Dörfern Unterschlupf suchen mußten. Großes Verdienst erwarb sich der Amtmann North in der Fürsorge für die Obdachlosen. Damit die Behörden ihre Arbeit rasch wiederaufnehmen konnten, richtete er Diensträume im Schlosse ein. Er selbst, sein Sekretär Frosch und noch andere Beamte erhielten dort auch Notwohnung. Bis unter das Dach war das Schloß plötzlich wieder besetzt. Für das dritte Stockwerk mußte eine besondere Nottreppe angelegt werden. Zimmereinrichtungen ließ Fürst Ludwig Friedrich aus Schwarzburg und Paulinzelle kommen, bewegliche Gegenstände überwies er den Beamten als Eigentum, alles Niet- und Nagelfeste wurde in das Inventar Leutenberg überschrieben.

Am 2. Dezember trug er nach einem Besuche auf dem[66] Schlosse in sein Tagebuch ein, es sei alles recht schön geworden. Er war Fürst im friderizianischen Geist, und in der Art, wie er das Leben anschaulich erfaßte und verarbeitete, Zeit- und Gesinnungsgenosse Goethes. Sein Skizzenbuch zeigt drei Landschaftsaufnahmen von Leutenberg und zwei kleine Zeichnungen nach Gestalten aus den Wandgemälden des Schlosses.

Ein und ein halbes Jahr dauerte der Notzustand auf der Burg. Dann war die Stadt neu erstanden mit breiter angelegter Hauptstraße.

Im neunzehnten Jahrhundert wurde es ganz still auf der Burg. In das Torwächterhäuschen zog der Schieferdecker Frech ein, er hatte die Aufgabe, die Dächer in gutem Stand zu halten. Sohn und Enkel von ihm führten familientreu diesen Dienst bis heute fort.

Blitzschläge trafen die Burg mehrmals, Schadenfeuer versetzten die Bürger noch öfter in Schrecken und Not, ein großer Brand verursachte 1865, daß der Markt und seine Umgebung neue Gestalt erhielten.

Die eingesessene Bevölkerung ging ihrem Gewerbe nach, stieg wohl gelegentlich zur Burg hinauf, erfuhr aber wenig von deren Vergangenheit. Rohe Hände richteten sinnlos Zerstörung an. Dann nahm der Rentamtmann Truppel, ein hochbegabter und selbstloser Heimatfreund, das Schloß in Schutz und Pflege. Er fertigte Zeichnungen und Pläne an, die er als Mappenwerk dem Fürsten Georg widmete.

In breiterer Öffentlichkeit wurde Stadt und Burg wieder genannt, als Fürst Friedrich Günther seinen Kindern[67] Sizzo und Helene 1860 den Titel Prinz und Prinzessin von Leutenberg beilegte.

Fürst Günther und seine Gemahlin Anna Luise hielten und halten das Haus ihrer Ahnen hoch in Ehren.

Künstler wie Ernst Liebermann und Adolf Männchen begeisterten sich an dem eigenartigen Zauber, den die Burg ausströmt.

Seit einigen Jahrzehnten wird Leutenberg als Erholungsort immer mehr aufgesucht, und immer stärker erhebt sich die Frage nach geschichtlicher Auskunft über die Burg und ihre Bewohner. Die Friedensburg hat dabei das Schicksal anderer Burgen erfahren: was an Kenntnis der Vergangenheit fehlte, ersetzte man durch schwärmerische Gemütsdichtung. Das hängt uns heute noch an, und wir sollten diese Neigung uns durch nüchterne Prüfung ersetzen oder mindestens ergänzen. Der deutsche Burgherr im guten Mittelalter war Grundbesitzer. Deutsches Erwerbsleben beruhte auf der Landwirtschaft. Als dieser Betrieb für eine einzelne Familie zu groß wurde, entstand das Lehenswesen. Der Burgherr gewährte Schutz und empfing als Gegenleistung Naturalabgabe oder Dienst durch Arbeitskraft. Wer sich heute das Alltagsleben in einer Burg zu einem Gedankenbild aufbauen will, soll sich die Einzelzüge dazu auf einem großen Gutshof suchen.

Wer Freude empfindet am Sehen und Sinnen, dem tritt Menschenwerk und Natur in lieblichem Verein entgegen. Aus den launischen Schieferschichten sind die Platten gebrochen, die das trotzige Mauerwerk bilden, an[68] jede Biegung des Untergrundes schmiegt es sich an. In dem Kalkverputz der Wände haben Wind und Wetter ein feines Spiel von silbernen und goldenen Tönen erzeugt. Regen hat klobiges Balkenwerk fahl verwaschen, Sonne hat zierliche Zimmermannskunst mit roter Glut überhaucht. Gelbe Algen und braune Moose wuchern auf dem blauen Schieferpanzer. Aus allen Ritzen und Fugen grünen und blühen Kräuter, Stachelbeerbüsche nicken im Lufthauch, über dunklen Holderbüschen flattert das lichte Gewand der Birke. Aus Tannendüster und Buchenlust hat der Wald einen Mantel um den jähen Berghang gewoben.

Graf Balthasar und seine Ahnen haben Ostmark geschützt. Gräfin Amilie Antonie hat treue Sitte gewahrt, als Europa in welsches Wesen versank. Deutsche Geschichte im engen Rahmen der Heimat!


[69]

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Seite 5
Balthasar, 1453–1525 14
Johann Heinrich, 1496–1555 29
Philipp, 1540–1564 32
Das Schloß als Witwensitz 33
Elisabeth, 1568–1617 37
Amilie Antonie, 1614–1670 41

Zu den Bildern

1. Die Friedensburg von Südost. Waldgrünes Thüringland! (J. V. von Scheffel, Im Lager vor Akkon). – 2. Torwächterhäuschen. – 3. Burghof nach Westen. – 4. Burghof nach Osten. – 5. Kaufbrief 1326. – 6. Auf dem Wendel. – 7. Ausschnitt aus dem großen Wandbild. – 8. Lagerszene von S. Lanzmers (F. Freiligrath, Zelte, Posten, Werdarufer!).

Zwei Anlagen zu Seite 46 und zu Seite 8

[70]

Details

Zu Seite 46

In monumenta generosorum comitum Schwarzburgensium et Leutenbergensium, patris, filii et nepotum, qui in familia fuerunt ultimi.

Hoc generosa loco comites Schwarzburgia condit
Leutenbergiacae gentis alumna domus,
Quos generis propiore sui sub fine supremos
Ultimus ex ista stirpe creavit avus.
Cognitus in Bavaros animosis Balthasar armis,
Preses in Heidecca cum ditione fuit,
Cujus consiliis usus Fridericus in aula est,
E septem Sao providus ille viris.
Quem moriens habuit comitem quoque mortis, agresti
Rustica cum mota est seditione cohors.
Natus Joannes Henricus filius illi,
Nec patris consilio nec pietate minor.
Sancta Palestinae juvenis qui regna secutus
Auratae rediit nobilitatis eques.
Saxonicae factus quoque consiliarius aulae,
Fautor evangelii tunc orientis erat,
Fautor et Aonidum, quarum se docta facetus
Saepe jocabatur philtra bibisse senex.
Junctus Anhaldino mediator foedera pacis
Inter Mauricium Parthenopemque tulit.
Arbiter Islebiae juvit simul acta Lutheri,
[71]
Mutua lis comitum cum dirimenda fuit.
Octo pater postquam natorum funera vidit,
Extremum Glauchae clausit et ipse diem.
Mortuus Henricus cum Balthasar atque Gerhardus
Et cum Siggardo fratre Philippus erat.
Moesta Rutenorum domus est miserata Brigittam,
Margaridam Lunae castra professus Otho.
E quibus Alberti nimium miserabile fatum
Addictum studiis dum fera parca rapit.
Jamque adeo matris spes una sed ampla Philippus,
Qui genus assereret, prole superstes erat,
Qui patris insistens vestigia justus in omnes
Que pius in Christi templa scholasque fuit.
Quod duce Stigelio musas cum fratre secutus
Ornasset veris cor juvenile bonis,
Cum celebri notus fama per castra, per aulas
Facta tueretur gentis avita suae,
Conjugium subiit dignatus principe sponsa
Brunsviacae stirpis, quae Catharina fuit.
Sed sine prole illum morientem Lipsia vidit,
Lustra sub aetatis quinque peracta suae.
Usque adeo nihil est generi durabile nostro,
Sola dei bonitas fine paterna caret.

[72]

Zum Gedächtnis der edeln Grafen von Schwarzburg und Leutenberg, des Vaters, des Sohnes und der Enkel, die in ihrer Familie die letzten waren.

Das edle Haus Schwarzburg in seiner Nebenlinie bestattet hier die Grafen, die vor dem nahenden Ende seines Geschlechtes der Urahn als die letzten seines Stammes erzeugte. Balthasar, bekannt durch seine mutvollen Waffentaten bei den Bayern, war Statthalter in Heideck mit Waffengewalt. Seinen Rat gebrauchte am Hofe Friedrich von Sachsen, jener weise Mann aus der Zahl der Sieben. Er starb mit ihm zusammen, als der Bauernstand durch den Bauernkrieg in Aufruhr war. Sein Sohn Johannes Heinrich stand dem Vater weder an Einsicht, noch an Frömmigkeit nach. Jung folgte er in der Regierung, und er kehrte aus dem Heiligen Lande als ein Ritter von vollendetem Adel zurück. Auch wurde er Rat am sächsischen Hofe, er war ein Beschützer des damals erwachenden Evangeliums und ein Freund der Musen, und oft scherzte der witzige Greis, er habe aus dem Becher ihrer Gelehrsamkeit getrunken. Zusammen mit dem Anhalter stiftete er als Vermittler Frieden zwischen Moritz und Magdeburg. Als Schiedsrichter unterstützte er in Eisleben Luther bei seiner Tätigkeit, als der beiderseitige Zwist der Grafen zu schlichten war. Acht[73] Todesfälle mußte er als Vater erleben, seinen letzten Tag beschloß er selbst in Glauchau. Gestorben war Heinrich nebst Balthasar und Gebhard und mit dem Bruder Sighard auch Philipp. Das erhabene Haus der Reußen betrauerte die Brigitta, Otto der Bekenner in Lüneburg die Margareta. [?] Von diesen traf Albert ein überaus beklagenswertes Geschick: er hatte sich den Studien gewidmet, da entführte ihn die grausame Parze. Nunmehr war zur Weiterführung des Geschlechts von den Kindern nur noch Philipp am Leben, die einzige aber reiche Hoffnung der Mutter. Er trat in die Fußstapfen des Vaters und war gerecht gegen alle und fromm gegen Kirchen und Schulen. Weil er unter Anleitung Stiegels mit dem Bruder den Musen gefolgt war und sein junges Herz mit wahrem Gut bereichert hatte, und da er rühmlich bekannt in den Kriegesheeren und an den Fürstenhöfen die alten Ruhmestaten seines Geschlechtes mehrte, wurde er bei seiner Eheschließung einer fürstlichen Braut braunschweigischen Geschlechts für würdig erachtet. Sie hieß Katharina. Aber Leipzig sah ihn ohne Nachkommen sterben kurz vor Vollendung seines 25. Lebensjahres.

Für unser Geschlecht gibt es bis heute nichts von Dauer, nur Gottes Vatergüte hat kein Ende.

[74]

Zu Seite 8

Wir, Gunther, von Gotis gnadin Grefe von Swartzburg der elder, Herre czu Blankenburg, Bekennen offenlich an disme genwertigin Briefe offenlich unde tun kunt allen den, di in gesen unde horen lese, daz wir rechte unde redelich virkouft habin unse hus und di Stad czu Luthenberg unse rechte eigen den Ediln mannen grefin Heinriche unde grefin Gunther den gebrudirn, der Swartzburg ist, unsen liben vetern, unde irn Erbin mit alleme rechte mit allen den eren, alse wir is wider si habin gekouft, und alse wir iz nu selber han. Also bescheidelich, daz iz in gevalle und uffe si trete schal, und uffe ir Erbin nach unsem tode, wanne Gott ubir uns gebutet. Wir bekennen ouch, daz in gehuldit habin unse Voyte unde Huslute unde Guterhandelute unde Kouflute und alli di, di czu der vorgnantin vesten gehoren, eine rechte und eine ware Hulde von unseme geheize. Also bescheidelich, daz si in nach unseme tode der selbin Hulde phlictic si schullin unde sich an si halde schullin alse an ihre rechte herrin, unde wolde wir si irgin anders wise, do[75] in schullin si sich nicht ane kere, sundirn an daz erste globede und an den erstin Eyt. Wir globin ouch, daz wir kein voyt nicht setze noch intsetze schullin wie on tuns mit irme rate und mit irme willen. Wir globin ouch, daz wir daz vorgnante Erbe czu Lutenberg schullen an allin stucken bessere und nicht ergere. Wir globin ouch, ob die vorgnante vestin verlorn werde, des Got nicht enwolle, daz wir in helfe schullen mit gantzen truwin unde si uns widir, daz wir ein recht darume truigen unde darume nicheine sune nemen, iz in si dan wol unser beidir wille. Ouch globe wir alle dise vorbeschriben rede mit gantzen truwin unde bi unser warheit stete unde gantz czu haldene an alle argelist. Des gebe wir den vorgnantin unsen liben vetirn czu eime rechtin orkunde mit unseme Insigele und mit der ediln mannen Grefin Heinrichs und Grefin Gunthers unses Brudir Sone unsir vetern Insigiln bevestent unde wir di vorgnanten grefin Heinrichs sone bekennen, daz wir czu eime geczucnisse und durch bede unser liben vetern, den Swartzburg ist, und[76] durch unses liben vetern grefin Gunthers des eldirn unse Insigel gehenget habin an disen selbin Brief. Ouch sint geczuge allir dirre vorgnanten rede der edile Herre Grefe Gunther von Kevernburg, unser liber ome, und diese Erbarn Rete H Otte von Wechmar, H Fritsche von Witzeleybin, H Albrecht von Rochusin, H Borchart von Bulverstete, H Herman von Grizheim, H Fritsche von Ischstethe, H Albrecht von Hophgartin, H Thiczel von Elcheleybin, H Heinrich von Lengevelt, H Ditherich von Kircheim und dise frome Knechte Ditzel und Otte von deme Hofe und andere frome Lute. Dirre Brief ist gegebin czu Erforthe nach Gotis gebort Dritzenhundirt Jar in dem sechsundczweincigisten Jare an der nestin Mittewochen nach sente Jacofes tage – – –

(30. Juli 1326.)

Die drei Siegel:

1. Graf Günther XV. zu Pößneck, oberster Landrichter in Thüringen, gest. nach 1352, begraben in Stadtilm.

2. Graf Heinrich X. zu Arnstadt, geb. um 1296, gest. 1336.

3. Graf Günther XXI. zu Blankenburg, geb. 1304 in Blankenburg, gest. 14. Juni 1349 in Frankfurt a. Main als Deutscher König.


Der Greifenverlag zu Rudolstadt

Gustav Schröer

Wie das Herz es ihnen eingibt

Neue Erzählungen

Preis kart. M. 0.70, in Halbleinen gebunden M. 1.50

Deutsches Tageblatt: Wir brauchen solche Erzähler, denn seine Kunst ist nicht papierne Literatur, sondern warmes pulsierendes Leben.

Gustav Schröer

Das Stärkere und andere Erzählungen

Preis kartoniert M. 0.60

Thür. Allg. Ztg.: Schröer verdient, daß man ihn liest. Er versteht die Kunst, die heute fast ausgestorben ist: das Erzählen …

Ernst Ludwig Schellenberg

Die Bekehrung

Legenden und Erzählungen / Einband von Willi Geißler

Preis kartoniert M. 1.50

Der Wächter: … Die Sprache ist edel, geklärt, fließend, voll Rhythmus. Seine Bücher leuchten von durchsichtiger Fülle.

Ernst Ludwig Schellenberg

Von Zeit und Ewigkeit

Reimsprüche / Buchausstattung von Willi Geißler

Preis kart. M. 1.—, geb. M. 1.60

Hier spricht einer zu uns, der gerungen und gelitten hat, der helfen und retten möchte, der sein deutsches Volk innig liebt und zugleich niemals vergißt, daß die bleibenden Werte in einem überirdischen Reiche blühen und wirken und allein für Aufstieg und Gesundung maßgebend und förderlich sind.


Luft- und
Gebirgskurort

Leutenberg

in Thüringen

*

Inmitten ausgedehnter Tannenwaldungen
in idyllischer Lage im schönen Sormitztal

Talsohle 302,
umliegende Wälder 500–700 Meter über N. N.
Sieben Seitentäler

Nähe der Hauptstrecke Berlin–Leipzig–München

Mäßige Preise

Illustrierte Prospekte von der

Kurverwaltung


Schloß Friedensburg / Leutenberg

Perle des Sormitztales

Pension und Restaurant

eine der schönsten Burgen Thüringens in herrlichstem Hochwald 100 m über der Stadt gelegen, auf schattigen, gepflegten Waldwegen bequem in 15 Minuten erreichbar

Staubfreie Höhenluft. – Alter Burggarten mit schönen Ausblicken und lauschigen Plätzchen. – Geschützte Veranden und gemütliche, originelle Gastzimmer. – Zwangloser Aufenthalt. – Logierzimmer in jeder gewünschten Lage. – Elektrisches Licht. – Wannen- und Sonnenbad. – Küche und Keller rühmlichst bekannt. – Forellen auf Bestellung. – Mäßige Preise. – Telephon Nr. 11

Oskar Frech

Apotheke Leutenberg i. Thür.

Besitzer: Apotheker Fr. Rathing

Fernsprecher Nr. 19

Lager gangbarer Spezialitäten und Toilette-Artikel

Homöopathische und biochemische Mittel

Photo-Artikel

Entwickeln und Anfertigung von Abzügen


Der Greifenverlag zu Rudolstadt

Carl Seelig, Nachtgeschichten

Aus der guten alten Zeyt

Umschlagholzschnitt von Willi Geißler.

Auf bestem holzfreien Papier. Halbleinen M. 3.—, Ganzleinen M. 3.50, Halbpergament M. 4.50

Deutsches Volkstum (Wilhelm Stapel): … derber und guter Humor, bewußt in der Nachfolge Hebels … machen mir viel Vergnügen. Eine sehr angenehme Lektüre, im Gegensatz zu dem vielen schleimigen Feuilleton.

Jens Peter Jacobsen, Novellen

Mit Bildern von Ulrich Hallerstede

Halbleinen M. 3.—

Es ist wohl nicht nötig, ausführlich auf die Schönheit dieser zarten, innigen und von seelischer Hellsichtigkeit erfüllten Erzählungen hinzuweisen, besonders da sie zwei bisher wenig bekannte Stücke bergen. Es sind reife Gaben des berühmten dänischen Dichters.

Ludwig Bäte, Das ewige Vaterland

Geschichten u. Bilder m. Radierungen v. Franz Hecker

Buchausstattung von Willi Geißler

Preis geschmackvoll gebunden M. 4.—

Wilhelm Scharrelmann in der »Weserzeitung«: Wahre kleine Meisterwerke der Stimmungskunst finden sich in dem schön gebundenen Bande, der, mit Heckers Bildern geschmückt, eine eigenartige und wunderschöne Gabe darstellt.