The Project Gutenberg eBook of Arabische Nächte This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Arabische Nächte Erzählungen aus Tausend und eine Nacht Illustrator: Edmund Dulac Release date: March 24, 2025 [eBook #75699] Language: German Original publication: Potsdam: Müller & I. Kiepenheuer Verlag, 1920 Credits: Richard Illner and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ARABISCHE NÄCHTE *** ARABISCHE NÄCHTE ERZÄHLUNGEN AUS TAUSEND UND EINE NACHT MIT 20 FARBIGEN BILDERN VON EDMUND DULAC [Illustration: Druckerlogo] MÜLLER & I. KIEPENHEUER VERLAG · POTSDAM G. M. B. H. [Illustration: Schehersad] Gedruckt in der Offizin Haag-Drugulin AG. in Leipzig INHALT Seite Eingang 3 Geschichte vom Fischer und dem Geiste 14 Geschichte vom versteinerten Prinzen 36 Geschichte vom Zauberpferde 51 Geschichte vom Prinzen Chodadad 84 Geschichte des Prinzen Achmed und der Fee Pari Banu 100 Geschichte von Ali Baba und den vierzig Räubern 181 Ausgang 234 BILDERVERZEICHNIS Geschichte vom Fischer und dem Geiste. Bild auf Seite: 1, 20, 28, 32 Geschichte vom versteinerten Prinzen. Bild auf Seite: 40 Geschichte vom Zauberpferde. Bild auf Seite: 52, 60, 64, 72, 74, 82 Geschichte vom Prinzen Chodadad. Bild auf Seite: 102, 132 Geschichte des Prinzen Achmed und der Fee Pari Banu. Bild auf Seite: 160 Geschichte von Ali Baba und den vierzig Räubern. Bild auf Seite: 188, 196, 204, 208, 220, 224 EINGANG Im Namen Gottes, des Gütigen und Gnädigen, Friede sei mit unserm Herrn Mohammed, dem höchsten Gesandten Gottes, und über seiner Familie und seinen Freunden; Friede sei mit ihnen bis zum jüngsten Tage! Die Geschicke der Früheren seien eine Lehre den Kommenden, damit sie daraus lernen und in der Vergangenheit fleißig lesen mögen. In diesen Erzählungen, die »Tausend und eine Nacht« genannt sind, soll euch Belehrung und Weisung gegeben sein. So nämlich wird von dem berichtet, was sich ehemals bei den Völkern zugetragen hat: Vor langen Zeiten regierte ein König auf den Inseln Indiens und Chinas, der war reich und hatte viele Diener und Truppen. Seine zwei Söhne hießen Scheherban und Schahseman. Scheherban war der ältere; Schahseman herrschte über Samarkand in Persien und regierte zwanzig glückliche Jahre. Einst nun erfaßte den älteren König innige Sehnsucht nach seinem jüngeren Bruder; er rief seinen Wesir und befahl ihm, zu Schahseman zu reisen und ihn mitzubringen. Der jüngere Bruder gehorchte alsbald der Aufforderung, ließ Kamele und Maultiere rüsten und begab sich mit stattlichem Gefolge auf den Weg. Seinem Wesir aber übertrug er die Regierung, solange er abwesend sei. Da geschah es, daß er sich erinnerte, etwas in seinem Schlosse vergessen zu haben; rasch eilte er dorthin zurück und überraschte seine Frau in verbotener Liebe zu einem schwarzen Sklaven. Heiße Wut stieg in ihm empor, er zückte sein Schwert und erstach beide; darauf reiste er weiter bis vor die Hauptstadt seines Bruders. Er ließ durch einen Boten seine Ankunft melden, und Scheherban zog ihm mit Gepränge entgegen, umarmte und begrüßte ihn voller Freude. Aber die Erinnerung an die Untreue seiner Gemahlin nagte an der Seele des Königs Schahseman, so daß die Farbe seines Gesichtes verblich und die Kraft seines Körpers abnahm. Kein Fest vermochte seinen umdüsterten Sinn zu erheitern. Scheherban meinte, daß die Sehnsucht nach der Heimat an ihm zehrte und fragte ihn eines Tages voll Sorge: »Lieber Bruder, ich sehe, daß deine Wangen blaß werden, und daß ein heimlicher Kummer in deiner Seele wohnt.« Jener entgegnete: »Mich quält eine innere Krankheit,« und verheimlichte, was bei seiner Abreise geschehen war. Er ließ seinen Bruder allein zur Jagd reiten und blieb daheim voll Sorge und Verdruß. Es waren aber in dem Schlosse, das Schahseman bewohnte, einige Fenster, durch die er in den Garten seines Bruders blicken konnte. Da sah er, wie aus der Türe des Palastes zwanzig Sklaven und Sklavinnen heraustraten, und in ihrer Mitte schritt die Frau seines Bruders, die war von wunderbarer Schönheit und herrlichem Wuchse. Sie gingen zu einem Teiche, dort entkleideten sich die Sklavinnen und setzten sich zu den Sklaven. Die Königin rief Masud, einen schwarzen Sklaven, umarmte ihn und koste mit ihm. Und die anderen Sklaven und Sklavinnen taten desgleichen und verbrachten den Tag mit Küssen und in Liebe. Als Schahseman das erblickte, sprach er zu sich: »Wahrlich, meinem Bruder ist Härteres widerfahren als mir.« Sorge und Kümmernis wichen von ihm, und er aß und trank. Als der König Scheherban von der Jagd zurückkehrte und sah, daß sein Bruder die frühere Kraft und Farbe wiedererlangt hatte und mit Freuden aß und trank, sprach er zu ihm: »Lieber Bruder, gestern noch warst du schwach und bleich, und heute sehe ich dich in voller Gesundheit; wie ist das zugegangen?« Da entgegnete ihm jener: »Wisse, mein Bruder, als ich mit meinem Gefolge zu dir reisen wollte und schon meine Hauptstadt verlassen hatte, fiel mir ein, daß ich in meinem Schlosse etwas vergessen hatte; ich fand meine Frau in vertrautem Umgange bei einem Sklaven und erschlug sie beide voll Zorn. Weil ich immer dieses Vorfalles gedenken mußte, wurde ich blaß und schwach; warum ich aber mein früheres Aussehen wiedergewann, das möchte ich dir verschweigen.« Als jedoch Scheherban in seinen Bruder drang und mit Bitten nicht abließ, erzählte ihm jener, was er im Garten gewahrt hatte. Der Sultan rief voll Zorn und Ingrimm: »Ich will mit meinen eigenen Augen ihre Sünde sehen!« Schahseman gab ihm folgenden Rat: »Sag ihr, du wolltest zur Jagd reiten, und verbirg dich dann bei mir, damit du sie heimlich beobachten kannst.« So ließ Scheherban bekannt machen, daß er eine große Reise unternehmen wolle, und zog mit seinen Truppen zur Stadt hinaus. Im Lager sprach er zu seinem Pagen: »Laß niemanden zu mir herein«; dann verkleidete er sich und kehrte heimlich zu seines Bruders Schloß zurück. Dort setzte er sich ans Fenster und blickte erwartungsvoll in den blühenden Garten hinaus. Nach einer Weile öffnete sich das Tor, und seine Frau trat mit den Sklavinnen und Sklaven heraus, und sie taten so, wie ihm Schahseman erzählte hatte, bis das Nachmittagsgebet gerufen wurde. Als Scheherban dieses sah, war er fassungslos vor Schmerz und rief: »Mein Bruder, laß uns gehen; ich mag nichts mehr mit der Regierung zu schaffen haben! Wir wollen wandern, bis wir jemanden finden, dem es ebenso wie uns ergeht; wenn wir aber niemanden sehen, so möge uns der Tod von unserer Qual erlösen!« Sie machten sich auf und gingen aus einer versteckten Türe des Palastes hinaus und reisten viele Tage und Nächte. Eines Tages fanden sie eine friedliche Ebene; dort rauschten dichtbelaubte Bäume, und eine süße Quelle rieselte neben dem Meere durchs Gebüsch. Da tranken sie und ruhten. Plötzlich aber erhob sich ein Toben, und das Meer rauschte, und eine schwarze Säule wand sich zum Himmel empor, durchfurchte die Wellen und näherte sich der Ebene. Als die beiden Brüder das sahen, fürchteten sie sich sehr und erstiegen einen hohen Baum. Es kam aber ein Geist unseres Herrn Salomo (Friede sei mit ihm!), der war sehr lang und hatte einen großen Kopf und eine breite Brust. Auf seinem Haupte trug er einen Kasten aus Glas, der war mit vier Schlössern aus Stahl verschlossen. Der Geist setzte sich unter den Baum, auf den die beiden Brüder geklettert waren, nahm den Kasten vom Kopfe und öffnete die Schlösser mit vier Schlüsseln. Er zog aber ein wunderbares Mädchen heraus mit süßem Munde, schönem Busen und einem Gesichte, das dem Vollmond glich. Der Geist betrachtete sie liebevoll und sagte: »O Geliebte meiner Seele! Du schönste und vollkommenste aller Frauen, die ich entführt habe, ehe ein anderer dich kannte! Laß mich in deinem Schoße schlafen.« Er legte den Kopf auf ihre Kniee, streckte sich aus und schnarchte alsbald, daß es klang wie fernes Donnerrollen. Da hob das Mädchen von ungefähr ihr Haupt empor und erblickte Scheherban mit seinem Bruder auf dem Baume. Langsam legte sie den Kopf des Geistes auf die Erde und gab den beiden durch ein Zeichen zu verstehen, sie möchten doch zu ihr herabsteigen. Jene aber antworteten: »Herrin, entschuldige, wenn wir nicht kommen.« Da entgegnete sie: »Wenn ihr nicht herabkommt, so wecke ich den Geist, meinen Gemahl; er soll euch auffressen.« Als sie ihnen abermals freundlich winkte, kletterten die Brüder zu ihr herunter. Dann verlangte sie, daß ihr beide zu Willen sein möchten. Die Brüder aber sagten: »Beim Allmächtigen, verlange das nicht von uns, denn wir fürchten uns vor dem Geiste.« Sie sprach: »Wenn ihr mir nicht zur Seite liegt, so schwöre ich, daß ich den Geist aufwecke, damit er euch töte!« Da taten die Brüder, was sie von ihnen forderte. Sie aber zog einen Beutel aus ihrem Gewande hervor und entnahm ihm achtundneunzig Silberringe und sagte: »Wißt ihr, was diese Ringe bedeuten? Sie stammen von achtundneunzig Männern, die mir willfährig waren. Nun gebt mir auch eure Ringe, damit ich weiß, daß es hundert Männer waren, mit denen ich diesen schrecklichen, häßlichen Geist hintergangen habe. Denn er hat mich in diesen Kasten gesetzt und läßt mich im tiefen Meere wohnen, damit ich nur ihm gehöre und tugendhaft bleibe. Dieses Scheusal weiß nicht, daß der Wille der Frauen sich von niemandem bestimmen läßt!« Als die beiden Brüder dieses hörten, waren sie sehr verwundert und riefen: »Es gibt keinen Schutz, außer bei dem erhabenen Gotte! Deshalb wollen wir bei ihm gegen die List der Frauen Hilfe suchen; denn wahrlich! nichts kommt ihr gleich!« Das Mädchen aber sprach zu ihnen: »Gehet eures Weges!« Als sie nun weiterschritten, sagte Scheherban: »Sieh, lieber Bruder, dieses Abenteuer ist noch seltsamer als unseres, denn hier ist ein Geist, der ein Mädchen in der Hochzeitsnacht raubte und es in einen gläsernen Kasten eingesperrt hat. Er hat sie mit vier Schlössern eingeschlossen und in das tobende Meer versenkt, damit er sie dem Schicksal entreißen könnte, aber sie hat doch hundertmal Verrat geübt. Wahrhaftig, es gibt keine treuen Frauen! Wir wollen getrost in unser Königreich zurückgehen und den festen Entschluß fassen, nie mehr zu heiraten.« Also kehrten sie wieder um und gingen, bis die Nacht hereindämmerte; am dritten Tage aber trafen sie wieder in ihrer Heimat ein, traten unter die Zelte, setzten sich auf den königlichen Thron, und alle Fürsten und Großen des Landes versammelten sich um sie. Der König befahl nun, daß man in die Stadt zurückziehen möge; er aber begab sich in sein Schloß, ließ seinen Wesir kommen und befahl ihm, seine Gemahlin zu töten. Und alsbald brachte der Wesir sie um. Darauf ging der König zu den Sklavinnen und erschlug sie alle mit seinem Schwerte; dann ließ er sich andere kommen und schwur, daß er sich jede Nacht eine andere erwählen wolle und sie am folgenden Morgen hinrichten lassen würde, denn auf Erden gäbe es kein tugendhaftes Weib mehr. Sein Bruder Schahseman reiste sogleich ab und kehrte in sein Königreich zurück. — Sultan Scheherban gebot indessen seinem Wesir, ihm eine Sklavin für die Nacht zuzuführen; dieser brachte ihm eine der Fürstentöchter. Der König tat, wie er verheißen, und befahl dem Wesir, ihr am Morgen den Kopf abzuschlagen. Er gehorchte den Worten seines Herrn und brachte das Mädchen um. Darauf führte er ihm eine andere Tochter der Großen des Landes zu, und auch ihr wurde wieder am Morgen der Kopf vom Rumpfe getrennt. So ging es lange fort, bis es zuletzt keine Mädchen mehr gab; die Mütter und Väter klagten und weinten, verwünschten den König und erflehten vom Himmel Rache und Hilfe. Nun hatte der oberste Wesir, der auf Geheiß des Sultans die Frauen ermorden mußte, zwei Töchter. Die ältere hieß Schehersad und die jüngere Dinarsad. Schehersad kannte viele Bücher und besaß ein erstaunliches Gedächtnis; sie hatte Gedichte auswendig gelernt und wußte Geschichten und Reden der Könige und Weisen. Eines Tages sagte sie zu ihrem Vater: »Lieber Vater, ich will dir ein Geheimnis anvertrauen: ich verlange, daß du mich mit dem Sultan Scheherban verheiratest, denn ich möchte die Welt von seinen Greueltaten erlösen oder selber sterben, wie die andern Mädchen.« Als ihr Vater diese Rede hörte, erschrak er sehr und rief: »Weißt du denn nicht, was der König geschworen hat, du Törin? Wenn ich dich zu ihm bringe, so wird er dich töten lassen!« Schehersad entgegnete: »Führe mich zu ihm; mag er mich auch ermorden lassen.« Da wurde der Vater zornig und rief: »Warum willst du dich so trotzig in die Gefahr stürzen? Hast du den Verstand verloren? Wer nicht Klugheit in seinem Handeln walten läßt, der bringt sich ins Unglück, und wer nicht das Ende seiner Taten bedenkt, hat auf Erden keinen Freund. Das Sprichwort sagt: ich saß im Wohlbehagen, da hat mir der Übermut nicht Ruhe gelassen.« Schehersad aber antwortete: »Ich werde meinen Entschluß nicht ändern; wenn du mich nicht zum Könige führst, werde ich allein zu ihm gehen und Klage gegen dich erheben, weil du mich einem so großen Manne verweigerst und ein Mädchen, wie mich, ihm entziehen willst.« Der Erzähler berichtet nun, daß der Wesir, nachdem er vergeblich gedroht und gebeten hatte, sich entschloß und zum Sultan Scheherban ging, die Erde küßte und zu ihm sagte: »Mein Gebieter, ich werde dir in der nächsten Nacht meine Tochter zuführen.« Der Sultan erstaunte sehr und fragte: »Was bedeutet dies? Habe ich nicht bei Dem geschworen, der den Himmel droben gewölbt hat, daß ich sie morgen umbringen lassen werde? Und wenn du nicht gehorsam bist, so werde ich dich selbst ermorden lassen.« Der Wesir antwortete: »O mein König, ich habe ihr dies alles selbst gesagt und sie inständig beschworen, aber sie hat mich nicht hören wollen und wünscht nur, diese Nacht bei dir zu schlafen.« Der Sultan sprach: »So gehe denn, bereite ihre Ankunft vor und führe sie in dieser Nacht zu mir.« Der Wesir ging in sein Haus zurück, überbrachte seiner Tochter den Befehl des Herrn und sagte: »Gott gebe, daß ich keine Sehnsucht nach dir fühle!« Schehersad war hocherfreut, machte ihre Sachen zurecht und sprach zu ihrer jüngeren Schwester Dinarsad: »Liebe Schwester, höre meinen Rat. Wenn ich bei dem Sultan weile, werde ich nach dir schicken; wenn du dann kommst und siehst, daß sich der Sultan nicht mehr mit mir abgibt, sage zu mir: liebe Schwester, wenn du nicht schläfst, so erzähle uns doch einige deiner schönen Geschichten, damit wir dabei die Nacht durchwachen. Das allein kann meine und der Welt Rettung sein, nur so wird der König von seinem unseligen Beginnen lassen.« Dinarsad versprach das. — Als die Nacht hereindunkelte, ging Schehersad zu dem Sultan. Er empfing sie zärtlich und scherzte mit ihr, sie aber begann zu weinen. Scheherban fragte: »Warum weinst du?« Sie antwortete: »O König der Zeit, zu Hause habe ich eine Schwester; laß mich von ihr in dieser Nacht noch Abschied nehmen.« Da befahl der Sultan, daß man nach Dinarsad schicke. Sie kam und wartete, bis der Sultan mit ihrer Schwester gekost und ein wenig geruht hatte, dann stieß sie einen Seufzer aus und sprach: »Wenn du nicht schläfst, liebe Schwester, so erzähle uns einige von deinen schönen Geschichten, damit wir dabei die Nacht durchwachen. Wenn der Tag dämmert, will ich dir dann Lebewohl sagen, denn ich weiß ja nicht, ob ich dich morgen wiedersehen werde.« Schehersad erbat nun vom Sultan die Erlaubnis, und als er sie erteilt hatte, freute sie sich gar sehr und begann: DIE GESCHICHTE VOM FISCHER UND DEM GEISTE Man hat mir erzählt, daß vor Zeiten ein Fischer gewesen sei, der schon hoch bei Jahren war. Er besaß eine Frau und drei Töchter und war so arm, daß er nicht einmal seine tägliche Nahrung hatte. Viermal am Tage warf er gewöhnlich seine Netze aus. Einst, als der Mond leuchtete, ging er zum Dorfe hinaus bis an das Ufer des Flusses, streifte sein Hemd auf und watete bis zur Hälfte des Körpers in die Flut; dort warf er sein Netz aus und wartete, bis es untersank. Dann zog er es zu sich heran und wollte es langsam zusammenfalten, als er bemerkte, daß es durch etwas gehemmt wurde. Er zog also mit größerer Kraft, aber es gelang ihm nicht, es näherzubringen; er ging zurück ans Land, kleidete sich aus und tauchte in den Fluß hinab und bemühte sich so lange, bis er das Netz endlich ans Ufer brachte. Da fand er zu seinem großen Erstaunen einen toten Esel darin, der die Maschen des Netzes entzweigerissen hatte. Der Fischer war sehr traurig, seufzte und sprach: »Es gibt nur Hilfe und Macht beim allmächtigen Gott! Es geht doch mit dem Lebensunterhalt recht wunderlich zu.« Und darauf sprach er folgende Verse: »O du, der in das Düster der Nacht und der Gefahren hinabtaucht, mühe dich nicht zu sehr, denn der Lebensunterhalt wird nicht durch Anstrengung gewonnen. Sieh das Meer und den Fischer darin, der seinen Lebensunterhalt sucht, während die Sterne sich im Dunkel verstecken! Bis zur Hälfte des Körpers steigt er hinab in die Wellen, und sein wachsames Auge wendet er nicht ab von seinem Netze. Und wenn sich ein Fisch in den feindlichen Maschen gefangen, dann ist er zufrieden mit seiner Nacht. Denn seinen Fisch kauft ihm einer ab, der die Nacht in Behagen und Wohlleben, nicht in der Kälte verbracht hat. Gepriesen sei der Herr; er gibt dem einen und versagt dem andern; der eine fängt die Fische, und der andere ißt sie auf.« Als der Fischer diese Worte gesprochen hatte, löste er den Esel aus seinem Netze, ließ sich auf der Erde nieder und besserte die Maschen aus. Dann rang er es gehörig aus, watete wieder in den Strom, warf es aus und wartete, bis es niedersank. Doch als er es wieder an sich ziehen wollte, spürte er abermals einen starken Widerstand. Er freute sich sehr, denn er meinte, ein Fisch habe sich gefangen, entkleidete sich rasch und tauchte unter, um das Netz freizumachen. Mühsam brachte er es ans Ufer, aber er fand darin nur einen großen Topf mit Schlamm und Sand. Da weinte er heftig und rief betrübt: »Das ist wahrlich ein seltsamer Tag; aber ich vertraue auf Gott, der den Himmel erschaffen hat!« Dann sprach er diese Verse: »Du quälendes Schicksal, laß ab, sei mitleidig und verschone mich mit deiner Verfolgung! Ich warf mein Netz, um mir Lebensunterhalt zu suchen; aber jetzt weiß ich, daß er für mich verloren ist. Das Glück hat sich von mir gewandt, und die Arbeit meiner Hände ist fruchtlos. So mancher Törichte weilt bei den Gestirnen, und mancher Weise liegt unten im Staube!« Er schleuderte den Topf weit fort, rang das Netz wieder aus, rief den Namen Gottes, warf es zum dritten Male in die Wogen und wartete geduldig, bis es untersank. Als er es wieder heraufzog, fand er darin nur Kiesel, Muscheln und mancherlei Unrat. Da verzweifelte der Fischer, denn er war müde von der Arbeit und vom Unglück; er dachte daran, daß seine Frau und seine drei Töchter daheim ohne Nahrung blieben, verbarg den Kopf in den Händen und sprach folgende Verse: »Du kannst deinen Lebensunterhalt nicht lösen noch binden; Kunst und Bildung können dir ihn nicht verschaffen. Wahrlich, Glück und Lebensunterhalt sind nur Bestimmung; in dem einen Lande waltet Üppigkeit, und Mangel in dem andern. Das Schicksal wechselt; es wirft einen edlen Menschen nieder und erhöht einen, der wertlos ist. Nimm mich denn hin, o Tod; denn ist das Leben nicht abscheulich, wenn die Falken erniedrigt und die Gänse erhöht werden? Es ist nicht wunderbar, wenn du Armut beim Tugendsamen und Reichtum bei dem Lasterhaften siehst! Im Buche des Schicksals gleichen wir alle den Vögeln, die umherflattern und bald hier, bald dort ein Körnchen auflesen. Mancher Vogel fliegt um die Erde nach Westen und Osten, und ein anderer findet seine Nahrung, ohne den Flügel zu rühren.« Der Fischer wandte seine Augen zum Himmel empor; die Röte des Morgens zog schon herauf, der Tag begann zu glänzen. Da rief er: »Du weißt, o Herr, daß ich nur viermal am Tage meine Netze werfe; schon dreimal tat ich es, nun will ich es zum letzten Male versuchen. Erweise mir ein Wunder, großer Gott, wie du es Moses im Meere erwiesen hast!« Darauf flickte er wieder die Maschen seines Netzes, warf es in den Strom und wartete, bis es untersank. Als es hängen blieb und er es herausziehen wollte, vermochte er es nicht, denn es hatte sich am Grunde festgehakt und war ganz verwirrt. »Nur beim allmächtigen Gott ist Hilfe und Schutz!« rief der Fischer, zog die Kleider aus und tauchte hinab. Viel Arbeit kostete es ihm, bis er das Netz freimachen konnte. Als er wieder damit ans Ufer kam, entdeckte er darin etwas Schweres; mit großer Mühe löste er es aus dem Gewirr der Maschen und fand, daß es eine Messingflasche war, die mit dem Siegel unseres Herrn Salomo verschlossen war. Der Fischer freute sich des Fundes, denn er dachte bei sich: ich werde sie beim Kupferschmied verkaufen, sie ist gewiß zwei Malter Weizen wert. Er schüttelte die Flasche und bemerkte, daß sie gefüllt war. »Ich will doch sehen, was darin ist,« dachte er, »ich will sie öffnen und dann erst verkaufen.« Er durchstach darauf das Blei mit seinem Taschenmesser und mühte sich so lange ab, bis die Flasche geöffnet war; dann führte er sie an den Mund und schüttelte abermals, doch es kam nichts heraus, worüber der Fischer sehr erstaunte. Mit einem Male aber stieg aus der Flasche ein Rauch empor, schwebte und breitete sich über die Erde und nahm zu, bis er die Fläche des Meeres bedeckte und an die Wolken des Himmels hinaufstieg. Der Fischer war in großer Verwunderung, als er dies seltsame Schauspiel erblickte. Kaum war der letzte Rauch der Flasche entquollen, so verdichtete und sammelte er sich und wurde zu einem Geiste, dessen Füße auf der Erde standen, und dessen Haupt hoch bis in die Wolken hineinragte. Sein Kopf glich einem Brunnenloche, seine Vorderzähne waren wie eiserne Haken, sein Mund wie eine Höhle, seine Nasenlöcher wie Trompeten, sein Schlund wie eine Gasse, und seine Augen glichen Laternen. Er war ein ganz abscheulicher Geist; der Himmel bewahre uns davor! Der Fischer bebte an allen Gliedern, als er ihn erblickte, und seine Zähne schlugen aufeinander. Da sprach der Geist: »Salomo, du Prophet Gottes! Verzeihe mir! Nie mehr will ich dir ungehorsam sein, nie mehr deinen Befehlen entgegen handeln!« [Illustration: Der Geist erscheint] Der Fischer begriff diese Worte nicht und stammelte: »O Geist, was sagst du da von Salomo, unserm Herrn, dem großen Propheten Gottes? Ist er doch schon vor achtzehnhundert Jahren gestorben, und wir leben in viel späteren Tagen. Künde mir, was dir widerfahren ist. Auf welche Weise bist du in die Flasche hineingeraten?« Als der Geist diese Worte vernahm, rief er mit lauter Stimme: »Ich bringe dir gute Nachricht!« Der Fischer freute sich im stillen und dachte: o glückseliger Tag! Aber der Geist fuhr fort: »Ich bringe dir die Kunde, daß du sogleich umgebracht werden mußt.« Da erschrak der Fischer und sprach: »Möge dir Gottes Gnade und Huld ewiglich ferne bleiben, da du so abscheuliche Botschaft bringst! Warum willst du mich morden; habe ich dich nicht errettet und aus den Tiefen des Meeres an das warme Licht des Tages heraufgezogen?« Der Geist aber entgegnete ihm: »Ich will dir eine Bitte gewähren,« und der Fischer fragte voll Freuden: »Sag mir, um was ich dich bitten soll.« Und der Geist sprach: »Du kannst dir eine Todesart wählen, damit du sterben mögest, wie du es dir selbst bestimmt hast.« Der Fischer zitterte vor Furcht und fragte: »Was habe ich verbrochen, daß du meine gute Tat so schmählich belohnen willst?« — »Höre meine Geschichte,« sagte der Geist und erzählte: »Vernimm! Ich bin einer der abtrünnigen und bösen Geister, denn ich war dem Propheten Gottes, dem großen Salomo, ungehorsam. Er sandte mir seinen Minister Asaf, den Sohn des Berachja, der zu mir eilte und das Urteil an mir vollziehen mußte. Er fesselte mich und warf mich in Ketten und brachte mich mit Gewalt zu Salomo, dem Propheten Gottes. Der aber erschrak sehr, als er mich erblickte, denn er fürchtete sich vor meiner Gestalt, und rief Gott um Hilfe an. Er befahl mir, daß ich ihm gehorchen solle, aber ich weigerte mich seinen Worten; da ließ er diese Messingflasche bringen und sperrte mich hinein; dann verschloß er sie mit einem Bleisiegel, darauf er den Namen des erhabenen Gottes drückte, und hieß einem Geiste, die Flasche tief hinab in das Meer zu versenken. Als ich zweihundert Jahre so in den Fluten gelegen hatte, beschloß ich, dem Reichtum zu verschaffen, der mich in den nächsten zweihundert Jahren aus meiner Gefangenschaft erlösen würde. Aber die Jahre gingen hin, und keiner kam und erlöste mich. Und abermals verflossen zweihundert Jahre, und ich beschloß nunmehr, daß ich meinem Befreier alle Schätze dieser Erde zur Verfügung stellen wollte; aber wieder verging die Zeit, und es nahte mir kein Erretter. Und abermals beschloß ich, daß ich den, der in den folgenden zweihundert Jahren mich erlösen würde, zum Sultan machen, daß ich selbst sein Diener werden und ihm täglich drei Wünsche erfüllen wollte. Aber auch dieses Mal befreite mich niemand. Da ergrimmte ich, tobte und wütete und faßte den Entschluß, denjenigen umzubringen, der von jetzt an mich erretten würde. Er sollte des gräßlichsten Todes sterben oder selbst wählen, wie er verscheiden wollte. Kurz darauf hast du mich in deinem Netze aufgefischt und ans Land gezogen. Künde mir jetzt, auf welche Weise du sterben willst.« Als der Fischer diese Rede des Geistes vernommen hatte, rief er aus: »Nur Gott gehöre ich an, und nur zu ihm kehre ich zurück! Verflucht ist mein Schicksal, daß ich dich gerade jetzt erretten mußte! Doch sei gnädig und erbarme dich meiner, so wird auch Gott Erbarmen mit dir haben; laß mich am Leben, sonst wird Gott jemanden erwecken, der auch dich töten soll.« Der Geist aber antwortete: »Vergeblich flehst du um Gnade; sage mir, wie du sterben willst!« Da wurde der Fischer sehr traurig, brach in Tränen aus und schluchzte: »O mein Weib! O meine Kinder! Gott gebe, daß mein Herz stark bleibe um euch!« Und er bat abermals den Geist, daß er ihm verzeihen möge, weil er ihn aus dem Meere und aus der Messingflasche erlöst habe. Aber der Geist beharrte bei seinen Worten und ließ sich nicht durch Bitten erweichen. »Wahrlich!« rief der Fischer entrüstet, »du willst mir Böses tun, weil ich gut gegen dich gehandelt habe! Das Sprichwort lügt also nicht, welches sagt: Es sind ruchlose Menschen, die Gutes mit Bösem vergelten; wer Gutes tut an einem, der es nicht verdient, dem wird es wie dem ergehen, der einer Hyäne Obdach gewährt.« Der Geist aber rief: »Zaudere nicht, denn ich werde dich umbringen, wie ich es dir versprochen habe.« Der Fischer überlegte eine Weile im stillen und sagte zu sich selbst: »Ich bin ein Mensch, dieser aber ist nur ein Geist. Gott gab mir den Verstand, so will ich ihn auch mit meinem Verstande überlisten.« Und er wandte sich an den Geist und fragte: »Ist es dein fester Entschluß, daß ich sterben soll?« Und als der Geist nicht von seinem Willen wich, sagte der Fischer: »Im Namen des höchsten Gottes, der auf dem Siegel Salomos, des Sohnes Davids, eingedrückt war, willst du mir die Wahrheit künden, wenn ich dich jetzt um etwas befrage?« Der Geist erbebte, als er den Namen des gewaltigen Gottes hörte, und erwiderte: »Frage mich, aber sei kurz!« Da fragte der Fischer: »So sage mir im Namen des erhabenen Gottes, ob du in dieser Flasche eingesperrt warst oder nicht.« Und der Geist antwortete: »Im Namen des erhabenen Gottes, ich war darin eingesperrt.« Aber der Fischer rief: »Das lügst du, denn diese Flasche ist so klein, daß ich sie mit meiner Hand umspannen kann! Wie kann diese Flasche dich fassen, da sie schon durch deine Füße zersprengt würde?« Der Geist sprach darauf: »Ich schwöre dir, daß ich darin war! Willst du es nicht glauben?« — »Nein!« entgegnete der Fischer. Da löste sich der Geist langsam auf, verflüchtigte sich und wurde wieder zu einem Rauche, der emporschwebte und sich über dem Meere und dem Lande niederließ. Er zog sich zusammen und verschwand nach und nach in der Messingflasche, bis nichts mehr von ihm zu sehen war. Da kam eine Stimme aus der Flasche heraus: »Glaubst du mir nun, du dummer Fischer, daß ich in der Flasche bin?« Aber der Fischer langte rasch nach dem Blei, mit dem die Flasche geschlossen war, und drückte es wieder fest auf die Öffnung. Dann rief er: »Wähle du jetzt, du dummer Geist, wie du sterben willst, und wie ich dich wieder ins Wasser schleudern soll! Dann werde ich mir hier eine Hütte bauen und alle Fischer warnen, die hier ihre Netze auswerfen wollen, und zu ihnen reden: Hier unten liegt ein schlimmer Geist, der alle umbringen will, die ihn befreien, und sie nur wählen läßt, auf welche Weise sie sterben möchten.« Als der Geist nun sah, daß er wieder eingeschlossen war und nicht mehr entweichen konnte, weil ihn Salomos Siegel daran hinderte, merkte er wohl, daß ihn der Fischer überlistet hatte. Da bat er inständig und sagte: »Tue das nicht, guter Fischer, denn ich habe ja nur Scherz mit dir getrieben.« — »Du erbärmlichster und schändlichster aller Geister,« rief der Fischer entrüstet, »du lügst!« Und sogleich rollte er die Flasche wieder an das Meer, während der Geist ihn anflehte: »Nicht doch, nicht doch!« Aber der Fischer sagte: »Ja doch! ja doch!« und lachte. Der Geist wurde sehr kleinlaut und traurig und bat ihn demütig: »Tue das nicht mit mir, guter Fischer.« Der aber antwortete: »Ich werde dich doch ins Meer werfen! Da magst du abermals achthundert Jahre darin liegen bleiben, und nie mehr werde ich dich daraus befreien. Denn ich habe dich heiß und inständig gebeten, mich leben zu lassen, du aber hast mich nicht erhört und bist treulos gegen mich gewesen; nun werde ich Gleiches mit Gleichem vergelten.« Der Geist jammerte und sagte: »Öffne mir, lieber Fischer, denn ich will dir Reichtümer schenken und dir viel Gutes erweisen. Befreie mich aus diesem Gefängnis! Die Handlungen der Menschen sollen immer edler sein, als die eines Geistes. Denn ein Sprichwort sagt: Du sollst Böses mit Gutem vergelten, und nicht so handeln wie Imama mit Ateka.« »Was ist es mit Imama und Ateka?« fragte der Fischer. »Jetzt mag ich es dir nicht erzählen, so lange ich in dieser engen Flasche sitze,« sagte der Geist, »ich will es dir erzählen, wenn du mich wieder freiläßt.« Der Fischer antwortete: »Niemals werde ich dich herauslassen; ich habe dich auch vorhin lange gebeten, und du wolltest mich dennoch umbringen. Nun werfe ich dich wieder in das Meer, denn du bist ein boshafter Geist und wolltest Gutes mit Bösem vergelten. Ich werde aber an der Stelle, wo ich die Flasche ins Wasser geschleudert habe, ein Haus erbauen und darauf schreiben: Hier unten liegt ein schlimmer Geist; wer ihn heraufzieht, der wird von ihm umgebracht. Da kannst du noch fünfmal zweihundert Jahre dort unten bleiben, du erbärmlichster aller Geister!« Da sagte der Geist: »Ich bitte dich, laß mich noch einmal aus dieser engen Flasche, denn ich verspreche dir, daß dir kein Leid geschehen soll. Ich werde dich reich machen und dir viel Gutes erweisen.« Der Fischer sprach: »Schwöre mir das beim erhabenen Gotte, damit ich dir glauben kann.« Nach diesen Worten leistete der Geist einen Eid bei dem Namen dessen, der auf Salomos Siegel stand, und der Fischer öffnete die Flasche wieder und befreite den Gefangenen. Abermals quoll ein Rauch empor, aus dem sich die Gestalt des Geistes sammelte; der aber zertrümmerte die Flasche mit seinen Füßen, schleuderte sie in die Wellen und flog sodann auf das Meer hinaus. Da befiel den Fischer große Angst, denn er glaubte, daß der Tod ihm gewiß sei, und er kniete nieder und rief: »Du hast einen Eid geschworen, darum darfst du nicht treulos sein, sonst wird dich Gott bestrafen.« Der Geist lachte und antwortete: »Folge mir, Fischer!« Mutlos erhob sich der Fischer und folgte ihm, denn er glaubte, daß er nicht mit dem Leben davon kommen werde. Die beiden wanderten durch die Wüste einen langen Weg bis zu einem Berge; dort lag, zwischen vier kleine Hügel geschmiegt, ein wundersamer See. Der Geist blieb stehen und befahl dem Fischer, daß er hier sein Netz auswerfen möge, denn in dem Wasser schwammen viele bunte Fische, blaue, weiße, gelbe und rote. Der Fischer machte große Augen über diesen ungewohnten Anblick und tat, wie der Geist ihm geheißen. Als er das Netz wieder herauszog, lagen vier Fische darin, ein weißer, ein blauer, ein roter und ein gelber; und er freute sich sehr. Der Geist aber sagte: »Nun gehe hin zu deinem Sultan, er wird dich reich machen; doch beachte meine Worte, und wirf hier dein Netz nie mehr als einmal am Tage aus. Jetzt aber entschuldige mich, denn ich muß dich verlassen. So lange lag ich in der Tiefe des Meeres, daß ich jetzt auf der Erde ganz hilflos bin. Allah sei mit dir!« Nach dieser Rede stampfte der Geist mit dem Fuße, und alsbald öffnete sich die Erde und verschlang ihn. Der Fischer wanderte vergnügt und zufrieden in die Stadt zurück und verwunderte sich sehr über das, was er mit dem Geiste erlebt hatte. Er ging in den Palast des Sultans und brachte ihm die vier bunten Fische. Als der Sultan sie erblickte, sprach er mit heiterm Gesichte zu seinem Wesir: »Gehe hin und gib sie der geschickten Köchin, welche uns der König der Griechen geschenkt hat.« Der Wesir tat, wie ihm befohlen war, und sagte zu dem Mädchen: »Richte die Fische gut zu, denn sie sind soeben dem Sultan zum Geschenk gemacht worden.« Der Fischer erhielt vierhundert Dinare zum Geschenk; damit lief er nach Hause und war so glücklich, daß er oft auf dem Wege strauchelte und fiel, denn er meinte, es sei alles nur ein Traum. Es war aber kein Traum, sondern helle Wirklichkeit, denn er war nun reich und konnte seiner Frau und seinen drei Töchtern alles kaufen, was sie begehrten. — Soviel weiß ich bis jetzt von dem Fischer zu erzählen. Was aber die Köchin betrifft, so geschah folgendes: Als sie die Fische wohl gespalten und gereinigt hatte, setzte sie die Pfanne aufs Feuer, goß Öl hinein und wartete, bis sie heiß war; darauf legte sie die vier bunten Fische hinein, buk sie, bis sie auf der rechten Seite gar waren und drehte sie dann um. Da tat sich plötzlich die Mauer auf, und aus dem Spalt trat ein schönes Mädchen heraus, das war edel von Wuchs und ohne Makel, hatte ovale Wangen und mit Kohle bemalte Augen. Sie trug ein Oberkleid von blauem Atlas, auf welchem ägyptische Blumen abgebildet waren, an ihrem Arme und an den Ohren blitzten große Perlen und wundervolle Ringe. In der Hand hielt sie ein indisches Rohr, das steckte sie in die Pfanne und sagte dazu mit sanfter Stimme: »O Fisch, gedenkst du deines Versprechens?« Als die Köchin das sah und hörte, fiel sie vor Entsetzen in Ohnmacht. Das fremde Mädchen aber wiederholte ihre Frage, und die vier Fische erhoben ihre Köpfe und antworteten mit heller Stimme: »Ja, ja; wenn du wiederkehrst, so kehren auch wir wieder; wenn du treu bist, so sind auch wir treu; wenn du fliehst, so siegen wir und sind zufrieden.« Da stürzte das Mädchen die Pfanne um und ging durch den Mauerspalt zurück, wie sie vorher genaht war, und die Wand schloß sich wieder hinter ihr. Als die Köchin aus ihrer Ohnmacht erwachte, fand sie die Fische ganz verbrannt und verkohlt; da war sie sehr traurig und jammerte und sprach: »O König, dir ist der Lanzenschaft bei deinem ersten Kriegszuge zerbrochen« (d. h.: dir ist gleich zu Anfang ein Mißgeschick begegnet). In diesem Augenblicke trat der Wesir herein und sagte: »Gib mir deine Fische, denn der Sultan wartet darauf.« Die Köchin begann zu weinen und erzählte, welches Unglück sich mit den Fischen zugetragen habe. Der Wesir war sehr verwundert, schickte heimlich zu dem Fischer und ließ ihn holen. »Du mußt uns sogleich neue Fische besorgen,« sprach er zu ihm, »aber sie müssen den ersten gleichen, denn sie gefallen uns sehr.« Da machte sich der Fischer auf und ging, trotz der Weisung des Geistes, an den See zwischen den vier Hügeln, warf sein Netz aus und fing vier bunte Fische von ähnlicher Gestalt; damit kehrte er zurück zu dem Wesir. Der brachte sie der Köchin und sprach: »Nun backe die Fische in meiner Gegenwart, denn ich will selbst sehen, was du mir erzählt hast.« Die Köchin spaltete und salzte die Fische und legte sie in die Pfanne. Aber als sie gebacken waren, tat sich die Wand wieder auf, und das Mädchen trat in derselben Kleidung in die Küche; sie trug wieder die indische Rute in der Hand, langte damit in die Pfanne und sagte mit sanfttönender Stimme: »O Fisch, gedenkst du deines Versprechens?« Die Fische reckten abermals die Köpfe empor und erwiderten: »Ja, ja, wenn du wiederkehrst, kehren wir auch wieder; wenn du treu bist, so sind auch wir treu; wenn du fliehst, so siegen wir und sind zufrieden.« Als die Fische das gesagt hatten, stieß das Mädchen die Pfanne um und verschwand durch den Riß in der Wand, die sich wieder hinter ihr schloß. [Illustration: Die Pfanne kippt um und der Fisch fällt ins Feuer.] Der Wesir blickte der Erscheinung fassungslos nach und sprach: »Das kann ich meinem Sultan unmöglich verbergen.« Er ging zum Könige und erzählte ihm, welche wunderbare Begebenheit sich mit den vier Fischen zugetragen hatte. Der Sultan erstaunte gleichfalls und rief: »Das will ich mit meinen eigenen Augen sehen!« Er sandte sogleich einen Boten zum Fischer und ließ ihm sagen, er solle noch einmal vier Fische besorgen, die so schön und bunt wie die ersten wären, aber er möge sich damit eilen. Der Fischer ging wieder an den See zwischen den vier Hügeln, warf sein Netz und fing abermals vier Fische, einen blauen, einen weißen, einen gelben und einen roten, und brachte sie zu dem Sultan. Der schenkte ihm wieder vierhundert Dinare und ließ ihn streng bewachen. Dann befahl der Sultan dem Wesir: »Backe du selbst diese Fische in meiner Gegenwart.« Als er die Fische gespalten und gesalzt hatte, goß er Öl in den Tiegel, stellte ihn aufs Feuer und warf dann die Fische hinein. Kaum aber waren sie gebacken, da öffnete sich die Wand der Küche, und ein schwarzer Sklave trat daraus hervor, als käme er aus einem Berge. Der König und der Wesir fürchteten sich sehr, denn er war sehr groß und breit und trug einen grünen Zweig in der Hand; damit rührte er an die Pfanne und sprach: »O Fisch, gedenkst du deines Versprechens?« Die Fische reckten abermals die Köpfe empor und erwiderten: »Ja, ja, wenn du wiederkehrst, kehren wir auch wieder; wenn du treu bist, so sind auch wir treu; wenn du fliehst, so siegen wir und sind zufrieden.« Nach diesen Worten stürzte der schwarze Sklave die Pfanne um und entfernte sich durch die Wand, die sich sogleich wieder hinter ihm schloß. Die Fische aber waren verbrannt und verkohlt. Den Sultan ergriff heimliches Grauen, er erschrak und sagte: »Unmöglich kann ich mich wieder niederlegen, bevor ich dieses Wunder ergründet habe; sicherlich hat es eine besondere Bewandtnis mit diesen Fischen.« Sogleich schickte er wieder zu dem Fischer, ließ ihn holen und sprach zu ihm: »Sage mir, wo du diese Fische gefangen hast!« Der Fischer antwortete: »Außerhalb der Stadt liegt ein See zwischen vier Hügeln, dort habe ich sie mit meinem Netze herausgezogen.« Der Sultan wandte sich an den Wesir und fragte: »Weißt du etwas von diesem See?« Der aber antwortete: »Schon dreißig Jahre lang gehe ich auf die Jagd, durchstreife Ebenen und Gebirge, doch diesen See habe ich noch nie entdeckt.« Der Sultan sagte zu dem Fischer: »Wie weit geht man nach diesem See?« — »Zwei Stunden,« erwiderte der Fischer. Der Sultan befahl nun einigen Soldaten, ihn zu Pferde zu begleiten, und machte sich selbst mit dem Wesir auf die Wanderung. Der Fischer mußte sie führen; er ging gehorsam voran, im stillen aber fluchte er auf den Geist. Als sie an den vier Hügeln angelangt waren, erblickten sie den See und in dem durchsichtigen Gewässer die vielen buntfarbigen, glänzenden Fische. Der Sultan verwunderte sich sehr und sprach: »Dieser See liegt doch so nahe bei meiner Hauptstadt, und dennoch habe ich ihn noch niemals gesehen. Sagt mir, Soldaten, ob einer von euch jemals diesen Ort gekannt hat!« Aber alle Soldaten erwiderten, auch sie hätten ihn zum ersten Male erblickt. Da schwur der Sultan und rief: »Beim allmächtigen Gott, der den Himmel gewölbt hat, nicht eher kehre ich in die Stadt zurück, bis ich weiß, was dieser See und diese bunten Fische für ein außerordentliches Geheimnis bergen!« Er ließ die Soldaten absitzen und die Zelte aufschlagen, denn er wollte hier bis zur Nacht an dem See verweilen. Dann rief er seinen Wesir, der ein sehr kluger und erfahrener Mann war, und sprach zu ihm, ohne daß die Soldaten es hörten: »Vernimm, was ich zu tun beabsichtige! Ich will abseits von den anderen gehen, um zu erfahren, was dies für Fische sind. Lebe wohl. Sage aber morgen den Truppen und meinen Beamten, ich sei krank, es könnte niemand bei mir vorgelassen werden. Wohne so lange in meinem Zelte; ich aber bleibe drei Tage lang fort, nicht länger.« Der Wesir erwiderte: »Es soll geschehen, wie du befohlen hast.« Der Sultan umgürtete sich nun mit seinem Schwerte und machte sich ohne Begleitung auf den Weg. Er ging jenseits der Berge, bis der Morgen zu dämmern begann. Als die ersten Strahlen der Sonne aufblitzten, erblickte er in der Ferne etwas Schwarzes; da freute er sich, denn er dachte: vielleicht wohnt dort jemand, den ich um Auskunft befragen kann. Er schritt rüstig zu, und als er nahe kam, sah er, daß es ein Schloß war aus schwarzem, geschliffenem Marmor und mit eisernen Platten belegt; er erkannte, daß es unter einem glücklichen Sterne gebaut war. Das Schloß hatte ein Tor, von dem ein Flügel durch den andern geschlossen war. Der Sultan trat heran und klopfte leise, aber niemand öffnete ihm. Er klopfte noch einmal etwas stärker, aber wieder vernahm er keine Antwort und erblickte keinen Menschen. »Ohne Zweifel ist dieses Schloß ohne Bewohner,« dachte sich der König, ging furchtlos weiter und rief: »Hier steht ein hungriger Reisender, der weit gewandert ist. Bewohner dieses Schlosses, habt ihr etwas für ihn zu essen? Der Herr aller Sklaven wird euch reichlich dafür belohnen.« Er rief diese Worte zwei- und dreimal, aber wieder hörte er keine Antwort. Da faßte er Mut und schritt in das Innere des Schlosses hinein, wandte die Augen nach rechts und links, aber niemand war zu erblicken. Er sah, daß das Schloß mit seidenen Teppichen und Stoffen geschmückt war, er sah auch goldene Vorhänge und schöne Polster. Mitten im Saale war ein großer Raum, an den noch andere Zimmer mit Nischen und Polstern grenzten. Ein Springbrunnen plätscherte, der war aus vier goldenen Löwen gebildet, die aus ihren Rachen helles, kühles Wasser spien. In einem goldenen Netze sangen viele Vögel gar lieblich durch den Saal; sie waren in den zarten Maschen gefangen und konnten nicht entweichen. Der König stand und blickte staunend umher, denn niemand war zu finden, den er fragen konnte. Er setzte sich müde auf ein Polster an der Seite des Saales und sann auf Rat, als er plötzlich eine klagende Stimme vernahm, welche voll Wehmut diese Worte sang: »Unseliges Schicksal, warum kennst du kein Erbarmen und kein Mitleid? Mein Leben schwebt ja zwischen Gefahr und Qualen. Warum habt ihr kein Mitleid mit einem Großen seines Volkes, der im Bunde der Liebe erniedrigt wurde, warum erbarmt ihr euch nicht des Reichsten unter seinem Volke, der arm geworden ist? Ich war eifersüchtig auf die Luft, die um euch wehte; aber wo das Schicksal niederfällt, da verdüstert sich das Gesicht. Was frommt dem Schützen die Kunst, wenn er seinem Feinde entgegentritt, und die Sehne zerreißt, wenn er den Pfeil abschleudern will? Und wenn sich ganze Scharen um den Tapfern häufen, wie könnte er der Macht des Schicksals entweichen?« [Illustration: Er kam in Sichtweite eines Palastes aus glänzendem Marmor an.] Als der König den Gesang und das heftige Schluchzen vernahm, folgte er dem Klang der Stimme; er sah einen Vorhang an der Türe eines Zimmers hängen, raffte ihn zur Seite und erblickte einen Jüngling, der auf einem Throne saß. Er war sehr schön gewachsen, hatte eine leuchtende Stirn, frische Locken und rote Wangen, auf denen ein Fleckchen wie Ambra glänzte, gleich wie der Dichter sagt: »Er war von schönem Wuchse, durch seine Locken und seine Stirn wandelte die Welt in Licht und Dunkelheit. Verleugnet nicht das braune Fleckchen auf seiner Wange, denn auch der Anemone ist es verliehen.« Der König trat heran und grüßte den Jüngling; der war in einen seidenen Mantel mit goldenen Stickereien gekleidet, und auf seinem Haupte glänzte eine ägyptische Krone. Er blickte traurig vor sich hin und hatte Tränen im Auge; er dankte für des Königs Gruß und sprach: »Wahrlich, es genügt nicht, daß ich nur vor dir aufstehe, denn du verdienst mehr; darum entschuldige mich.« Der Sultan entgegnete: »Ich komme als dein Gast zu dir, schöner Jüngling, und will dich über eine seltsame Angelegenheit um Rat fragen. Sage mir, welche Bewandtnis es mit dem See an den vier Hügeln und den bunten Fischen hat und mit diesem einsamen Schlosse, in welchem du allein hausest, ohne Diener und Gefährten, und mit deinem Kummer.« Als der Jüngling diese freundlichen Worte vernahm, rannen ihm die Tränen über Wangen und Brust, und er sprach folgende Verse: »Wieviel Unglück hat das Schicksal schon bereitet! Das wissen alle, die von ihm mißhandelt wurden. Magst du auch schlafen — wann schläft das Auge Gottes? Wer genoß ohn' Unterlaß die Gunst der Zeiten? Wem hat die Welt ewig gewährt?« Und wieder weinte der Jüngling und seufzte; der König aber fragte mitleidig: »Sage mir, warum vergießest du so heiße Tränen, Jüngling?« Sprach jener: »Wie sollte ich nicht weinen, da ich der Unglücklichste der Unglücklichen bin?« Er hob den Saum seines Kleides und ließ den Sultan sehen, daß er halb Mensch und halb ein schwarzer Marmor war. Da betrübte sich der König sehr über diesen schrecklichen Anblick. »Du hast meinen eigenen Kummer noch vermehrt,« sprach er zu dem Jüngling, »ich war gekommen, um über den See und die bunten Fische Kunde zu vernehmen, nun muß ich auch nach deiner Geschichte fragen, Unglücklicher. Es gibt kein Heil und keine Gnade außer bei dem höchsten Gott. Berichte mir, was du weißt.« Der Jüngling antwortete ihm: »Neige dein Ohr zu mir, und blicke mich an; denn wahrlich! eine wunderbare Geschichte hat sich mit mir und mit den Fischen zugetragen. Ich würde sie einem jeden willig erzählen, damit er daraus Mahnung und Belehrung schöpfen kann. Vernimm also: DIE GESCHICHTE VON DEM VERSTEINERTEN PRINZEN Mein Vater herrschte als König über diese Stadt; er hieß Sultan Mahmud und regierte siebzig Jahre über die Inseln dieser Berge. Als ihn der Tod hinweg genommen, folgte ich ihm in der Herrschaft. Ich heiratete meine Nichte; die liebte mich so sehr, daß sie weder Speise noch Trank zu sich nehmen wollte, wenn ich nur einen Tag von ihr entfernt war. Fünf Jahre unserer Ehe waren verflossen, als sie sich eines Tages in das Bad begab. Ich aber ging in dieses Schloß und schlief hier, an jenem Orte, wo du jetzt weilst. Ich befahl zwei Sklavinnen, mich zu salben und zu beräuchern. Die eine saß mir zu Füßen, die andere zu Häupten. Es geschah nun, daß ich nicht zu schlafen vermochte, denn es quälte mich eine Übelkeit; meine Augen waren zwar geschlossen, aber ich vernahm, was um mich vorging. Da hörte ich, wie die eine Sklavin zu ihrer Gefährtin sagte: »Blicke unsern armen Herrn an, Masuda! Wie ist er jung und schön, und doch muß er bei unserer verruchten Herrin weilen.« Die andere entgegnete: »Verflucht seien alle Verräterinnen! Wirklich, unsere Herrin ist eine Buhlerin, die keine Nacht in ihrem Schlosse schläft; es ist ein Unglück, daß unser junger König ihr angetraut ist.« — »Aber unser König ist sehr töricht,« sagte die erste wieder, »denn er merkt es nicht, wenn er nachts erwacht und sein Lager neben sich leer findet.« Darauf entgegnete die zweite: »Gott verfluche unsre Gebieterin, dieses verbuhlte Weib! Sie mischt ihm einen Schlaftrunk, und dann schläft er wie ein Toter. Und wenn sie morgens wieder heimkommt, dann hält sie ihm Räucherwerk unter die Nase, damit er wach wird. Wehe unserm Herrn!« Da ich diese Rede meiner beiden Sklavinnen hörte, reckte sich die Wut in mir auf. Als meine Frau aus dem Bade kam, wartete ich ungeduldig, daß die Nacht herannahen sollte. Ich aß nur wenig und ging darauf mit ihr zu Bett. Sie reichte mir wieder einen Becher; ich stellte mich, als ob ich ihn tränke, aber ich goß ihn heimlich zum offenstehenden Fenster hinaus. Darauf streckte ich mich auf mein Lager, schloß die Augen, und heuchelte, daß ich schliefe. Ich hörte jedoch, wie sie mit verhaltener Stimme sprach: »Möge fester Schlaf dich umfangen! Möchtest du doch nie mehr erwachen! Wahrlich, deiner Gestalt bin ich satt, und du wirst mir zum Überdruß.« Durch die halbgeschlossenen Lider sah ich, wie sie sich erhob, ankleidete und sich ein Schwert umhing; dann öffnete sie die Türe und verschwand. Sofort stand ich auf und folgte ihr durch alle Straßen der Stadt bis zu einem Tore; sie ging vor mir her und blickte nicht zurück. An dem Tore sagte sie einige mir unverständliche Worte; die Riegel fielen, und die Türe öffnete sich; sie ging hinaus, und ich folgte ihr, bis sie zu einer kleinen Hütte aus Ziegelsteinen gelangte, die zwischen einigen Schutthaufen lag. Ich kletterte sogleich auf das Dach des Hauses, um zu lauschen. Da sah ich meine Frau mit einem alten schwarzen Sklaven, der ganz in Lumpen gehüllt war und auf einem Bündel Rohr saß. Sie kniete nieder und küßte die Erde, der Sklave aber blickte zu ihr empor und sagte: »Warum säumst du so lange? Unsere schwarzen Vettern waren soeben hier und haben mit ihren Liebchen gekost und haben getrunken; ich aber rührte keinen Becher an, weil du nicht bei mir warst.« Meine Frau entgegnete: »Geliebter meiner Seele! Weißt du denn nicht, teurer Herr, daß ich mit meinem Vetter vermählt bin? Die Welt ist mir verhaßt, weil ich in sein Antlitz blicken muß. Wahrhaftig, ich möchte, daß diese Stadt in Trümmer fiele, ehe die Sonne hinter den Bergen aufsteigt, daß Raben und Eulen in ihren leeren Mauern herumstrichen und Füchse und Wölfe darin heulten und hausten! Ich würde die Steine bis ans Ende der Welt hinter den Berg Kaf schleudern.« Da schrie der Schwarze: »Du Schändliche, bei der Ehre der Schwarzen schwöre ich, daß du Lügen redest! Von dieser Nacht an werden wir nicht mehr mit unsern Vettern zusammen sein, ich werde dich nicht mehr berühren und dich hassen. Denn du hintergehst uns, du Stinkende, und wir sind nur da für deine schmähliche Begierde!« Als ich solches sah und vernahm, wankte die Erde vor meinen Blicken, und mein Blut wurde heiß. — »Mein Geliebter,« hörte ich meine Frau nun sagen, »warum ergrimmst du denn? Du Licht meiner Augen, wer wird mich aufnehmen, wenn du mich verstößt? Habe Mitleid mit mir!« Sie klagte und bat und vergoß Tränen, bis er wieder versöhnt war. Da wurde sie froh und sprach: »Sage mir, mein Herz, ob du nichts für deine Sklavin zu essen hast?« Er antwortete: »Gehe zu jenem Becken dort.« Sie legte einige Kleider ab, deckte darauf das Becken ab und fand darin ein Stück von einer Maus. Sie aß es und trank sodann aus einem Topfe noch etwas Bier, wusch ihre Hände und setzte ich zu ihm mitten unter die Lumpen. Sie schmiegten sich eng aneinander auf dem Bündel Rohr und küßten sich. Rasch schwang ich mich von dem Dache, rannte in das Haus und ergriff das Schwert, das meine Frau mitgenommen hatte; denn ich wollte die beiden umbringen. Zuerst schlug ich den Schwarzen auf den Hals und glaubte schon, ihn getötet zu haben; aber ich hatte nur die Haut und die Kehle durchschnitten und nicht die Halsader. Er schrie und sank schwer zur Erde, so daß ich wähnte, er sei ohne Leben. Meine Frau fiel vor Entsetzen seitwärts und lag hinter mir. Nachdem ich meine Rache ausgeführt hatte, ging ich wieder in die Stadt zurück und legte mich in das Bett, bis der Morgen in die Fenster schien. Nicht lange danach kehrte meine Frau zurück; sie trug Trauerkleider und hatte ihre Haare abgeschnitten. Sie sprach zu mir mit kummervoller Stimme: »Wisse, mir haben Boten gemeldet, daß meine Mutter gestorben ist, daß mein Vater im heiligen Kriege getötet wurde und daß der eine meiner Brüder durch einen Sturz und der andere durch einen Schlangenbiß umgekommen ist. Wie sollte ich da nicht seufzen und weinen, mein Vetter? Willst du dich meinem Schmerze widersetzen?« Ich aber winkte ihr zu gehen und sagte kurz: »Tue, was dir gut dünkt; ich will dich nicht stören.« Meine Frau brachte nun ein volles Jahr in Weinen und in Tränen zu, und ich hinderte sie nicht an ihrem Schmerze. Nach dieser Zeit trat sie zu mir und sprach: »Laß mir im Hause eine Grabstätte mit einem Zimmer bauen; dorthin möchte ich mich zurückziehen und mich meinen Tränen weihen.« — »Tue, was dir gut dünkt,« sagte ich, »denn ich will dich nicht hindern.« Alsdann befahl ich, ihr das Trauergebäude zu errichten, in dessen Mitte eine Kuppel emporragen sollte. Sie aber brachte den schwarzen Sklaven in dieses Tränenhaus. Er lebte zwar noch, denn seine Tage waren noch nicht abgelaufen; er konnte auch noch trinken, doch die Sprache war ihm geschwunden, seitdem ich ihn mit meinem Schwerte verwundet hatte, und er vermochte nicht mehr, sich aufrecht zu halten. Meine Frau ging jeden Abend und Morgen zu ihm und brachte ihm Suppe und Wein und jammerte um den Geliebten. Und wiederum war ein volles Jahr verflossen, und ich hatte alles geduldig mit angesehen. Eines Tages folgte ich ihr unbemerkt; sie klagte, seufzte und rief: »Mein Geliebter! Warum mußte mir das widerfahren? Warum muß ich dich in einem so traurigen Zustande erblicken? Warum gönnst du mir kein Wort, du Licht meiner Augen? O rede nur ein einziges Mal zu mir!« Und dann sagte sie folgende Verse: »Wahrlich, das war der Tag, der alle Wünsche erfüllte, an dem ich zuerst deine Nähe genoß; ein Tag des Unglücks aber war der, an dem ich von dir getrennt wurde! Und wenn auch Angst und Schrecken mich nachts überfielen, so ist deine Nähe mir doch süßer, als die sicherste Sicherheit. Und wenn ich alle Reichtümer der Welt mein eigen nennen könnte und lebte gleich den Großen der Erde, so würde es mir nicht so viel gelten, als der Flügel einer Mücke, wenn mein Auge dich nicht erblicken kann.« [Illustration: Die Königin der Ebenholzinseln.] Als ich diese Worte vernommen hatte, trat ich zu ihr und sprach: »Warum klagst du immer noch? Wahrlich, du hast genug umsonst geseufzt!« Sie erwiderte mir: »Störe mich nicht in meinem Tun, sonst werde ich dich umbringen.« Da schwieg ich und ließ sie weiter weinen; und sie trauerte abermals ein volles Jahr lang. Danach ging ich ihr wieder einmal nach; ich war aber erzürnt, weil mir ein unangenehmes Ereignis widerfahren war. Sie stand an der Trauerhöhle, und ich hörte, wie sie wehmütig sagte: »So soll ich niemals, Geliebter, ein einziges Wort aus deinem Munde hören? Drei Jahre sind verflossen, und noch immer schweigst du!« Und dann sprach sie folgende Verse: »O Grab! Sage mir, unbarmherziges Grab, ob seine blühende Gestalt verblichen ist! Sind seine Reize von ihm gewichen? Kein Himmel und keine Luft lächeln zu dir hernieder, und keine Sonne und kein Mond können dir ihre Strahlen ins Dunkel senden!« Bei diesen Worten übermannte mich die Wut, und ich schrie: »Soll dein Schmerz denn nie ein Ende finden!« Und dann erwiderte ich mit folgenden Versen: »O Grab! Ist seine abscheuliche Gestalt endlich dahingewelkt, unbarmherziges Grab? Ist sein nichtswürdiges Auge endlich matt geworden? O Grab, du bist ja kein Teich und kein Topf, wie können Schlamm und Schmutz zu dir hinabdringen?« Bei diesen Worten ergrimmte sie sehr und rief: »Was tatest du mir an, du Hund! Du hast meinen Geliebten, das Licht meiner Augen, verwundet und hast mich durch seinen Tod um seine Jugend betrogen. Schon drei Jahre liegt er hier und ist weder tot noch lebendig.« Ich aber antwortete und schrie: »Du Dirne! Du schmutzige Buhlerin du! Ja, ich habe dieses Ungeheuer bestraft!« Ich zog in rasendem Zorne mein Schwert und drang auf sie ein, um sie zu töten. Da lachte sie hohnvoll, als sie meine Wut sah, und sagte: »Was vergangen ist, kommt nicht wieder, bis die Toten auferstehen. Gott gab mir die Macht über den, der mir Übles getan hat, und über das, was in meinem Herzen wie ein ewiges Feuer zehrt. Weiche zurück, wie ein Hund!« Sie reckte sich in die Höhe, murmelte einige Worte, die ich nicht verstand, und rief: »Durch meines Zaubers Kraft sollst du halb Stein und halb Mensch werden!« Nun siehst du mich, Herr, so wie ich geworden bin. Ich kann nicht stehen, nicht sitzen oder schlafen; ich bin nicht tot bei den Toten und nicht lebendig bei den Lebendigen. Wahrlich, mein Herz ist voll Klage und Betrübnis! Als mich meine Frau so verzaubert hatte, erhob sie sich und verwandelte die Stadt mit allen Gassen und Marktplätzen und Häusern. Dies hier ist der verwunschene Ort, wo jetzt deine Zelte mit den Truppen stehen. Die Bewohner meiner Stadt waren Muselmänner, Juden, Christen und Feueranbeter. Das abscheuliche Weib verwandelte nun die Muselmänner in weiße, die Christen in blaue, die Juden in gelbe und die Feueranbeter in rote Fische, und die Inseln des Königreichs in jene vier Berge, die sie mit einem See umschloß. Aber damit begnügte sie sich noch nicht. Jeden Tag kommt sie zu mir, entblößt mich und gibt mir hundert Streiche, bis das Blut mir von den Schultern rinnt; dann legt sie ein härenes Kleid um meinen Leib und darüber dieses Prachtgewand. In meinem Schmerze sage ich dann folgende Verse: Dein Urteil und deinen Beschluß will ich standhaft tragen, mein Gott! Wenn du an meinem Unglück Gefallen hast, so will ich es geduldig erleiden. Schmach und Gewalt hat man mir angetan; aber das Paradies wird mir vielleicht doppelte Wonne bescheren. Vor deinem Auge kann kein Übeltäter entfliehen, allmächtiger Gott: befreie mich von der Qual, und beschütze mich vor meinen Peinigern!« Als der Sultan diese Erzählung vernommen hatte, war er gerührt und sprach zu dem verzauberten Jüngling: »Du hast mir Antwort auf meine Frage gegeben; mein Kummer und mein Schmerz um dich sind groß. Doch sage mir vor allem, wo weilt die Schändliche, und wo liegt der Sklave?« Der Jüngling antwortete: »Der Sklave ist in der Grabhöhle unter der Kuppel, sie aber hält sich wahrscheinlich in einem der gegenüberliegenden Säle auf. Jeden Morgen, wenn die Sonne aufgeht, besucht sie den Sklaven, und wenn sie zurückkommt, gibt sie mir hundert Streiche. Ob ich auch weine und klage, so kann ich mich doch nicht rühren, um mich zu verteidigen; denn die eine Hälfte meines Körpers ist ja aus schwarzem Stein. Und wenn mein Blut über Brust und Schultern geflossen ist, dann geht sie wieder zu dem verruchten Sklaven und bringt ihm Suppe und Trank; am Morgen aber kehrt sie zurück und peinigt mich aufs neue.« Da rief der König, von Mitleid ergriffen: »Wahrlich, Jüngling, es wird etwas geschehen, wovon man nach langen Jahren noch erzählen wird.« Dann setzte er sich neben den Weinenden und plauderte mit ihm bis zur Nacht. — Des Morgens aber machte er sich auf, zog sein Schwert aus der Scheide und begab sich zu dem Tränenpalaste. In der Grabstätte brannten viele Lampen und Wachskerzen, und die Düfte von Weihrauch und lieblichen Ölen wehten ihm entgegen. Er nahm sein Schwert, ging zu dem Bette des Sklaven und tötete ihn mit einem kräftigen Streiche; dann schleppte er den Leichnam hinaus und warf ihn hinab in den Schloßbrunnen. Darauf legte er die Kleider des Schwarzen an, kroch hinab in die Grabeshöhle und versteckte das blanke Schwert unter der Decke des Bettes. Nicht lange darauf vernahm er das Geschrei des Jünglings, denn die Zauberin war zu ihm gekommen, hatte ihn entkleidet und mit hundert Streichen gezüchtigt. Der Jüngling rief: »Erbarme dich meiner, liebe Nichte! Wahrlich, ich habe genug gelitten.« Sie aber entgegnete: »Hast du wohl Mitleid mit meinem Geliebten gefühlt, Elender?« Als sie ihren Gemahl geprügelt hatte, bis ihm das Blut von Brust und Armen rann, legte sie ihm ein härenes Kleid um und zog ihm darüber das Brokatgewand an. Dann nahm sie Wein und Suppe und ging zu dem Sklaven unter die Kuppel. Sie begann zu jammern und klagte: »Mein Geliebter, warum versagst du mir deinen Anblick? Verstoße mich nicht länger, sondern besuche mich wieder, denn dein Anblick allein verleiht mir Leben! O komme wieder in meine Arme, du meine Sonne, denn unsere Feinde frohlocken über uns. O Herr, entreiße mich meiner Pein, denn genug der Tränen hab ich vergossen! Du meine Seele, gib mir Antwort, und sprich zu mir!« Da rief der König aus der Grabkammer mit tiefer Stimme und schwerer Zunge, gleich dem Schwarzen: »Ach, ach! Es gibt kein Heil und keine Hilfe außer bei Gott, der den Himmel gewölbt hat.« Da die Zauberin ihn sprechen hörte, sank sie vor Freude in Ohnmacht; als sie wieder bei Besinnung war, sagte sie: »So ist es wahr, Geliebter: Du hast mit mir gesprochen? Ist es keine Täuschung der Sinne? O rede weiter!« Der König antwortete: »Du Nichtswürdige! Du bist nicht wert, daß man zu dir spricht! Denn du peinigst deinen Gemahl Tag für Tag, so daß er nicht schläft und jammernd um Hilfe schreit. Er weint und flucht mir und dir, daß sein Geheul durch die leeren Zimmer gellt. Ich vermag seinen Klageruf nicht mehr mit anzuhören, denn er raubt mir den Schlaf. Längst wäre ich genesen, wenn du mich von seinem Geschrei befreit hättest.« Sie antwortete: »Wenn du befiehlst, geliebter Herr, so will ich ihn erlösen.« Und der König sprach: »Befreie ihn, damit ich Ruhe finde und wieder mit dir reden darf.« Da ging die Zauberin rasch hinaus, ergriff eine Schüssel voll Wasser und raunte einige Worte darüber, bis es zu sieden begann; darauf bespritzte sie den Jüngling mit dem wallenden Wasser und sprach: »Bei der Allmacht des lebendigen Gottes! Wenn dir der Schöpfer der Welt diese Gestalt verliehen oder dich aus Zorn so geschaffen hat, so verändere dich nicht. Wenn aber die Kraft meines Zaubers dich verwandelt hat, so nimm durch die Macht des erhabenen Gottes deine frühere Gestalt wieder an!« Alsbald sprang der Jüngling empor, jubelte über seine Befreiung und rief: »Gelobt sei Gott, der Himmel und Erde gemacht hat!« Die Zauberin aber zürnte und sagte zu ihm: »Hebe dich hinweg und kehre nie mehr zurück; denn sobald dich meine Augen wieder erblicken, kostet es dir das Leben!« Als der Jüngling ihre Worte befolgt und sich entfernt hatte, ging sie zu dem Grabgewölbe zurück und sprach in die Gruft hinunter: »Komm doch heraus, mein Geliebter, damit ich mich wieder deiner schönen Gestalt erfreuen kann; denn ich habe getan, wie du mir geheißen.« Der König antwortete aus der Gruft mit tiefer Stimme: »Wohl hast du jetzt einen Ast zur Ruhe gebracht; nun aber bringe auch den ganzen Stamm zur Ruhe.« — »Sag mir, Herr, wer ist der Stamm?« — »Du Verruchte!« rief der König, »weißt du nicht, daß es die Bewohner der Stadt der vier Inseln sind? Zu jeder Mitternacht strecken die Fische ihre Köpfe aus dem Wasser und rufen um Rache und fluchen mir. Befreie sie, damit ich gesunden kann; eile dich und kehre schnell zurück! Dann gib mir die Hand und richte mich empor, denn die Genesung ist mir nahe.« Als die Zauberin diese Worte vernahm, war sie voll Hoffnung und Glück und machte sich schleunigst auf den Weg. Sie ging zum See, schöpfte mit der Hand etwas Wasser heraus und raunte darüber einige Worte. Da begannen die Fische zu tanzen, denn ihr Zauber war gelöst; sofort erschien die Stadt wieder, und die Bewohner gingen umher, plauderten und lachten, kauften und verkauften. Sie aber kehrte rasch zu dem Grabgewölbe zurück und sprach: »Nun gib mir deine erlauchte Hand, mein liebes Herz, und erhebe dich!« Der König rief mit einer Stimme, welche der des Schwarzen glich: »Tritt näher zu mir!« Und als sie heran kam, sagte er: »Tritt noch näher zu mir, Geliebte.« Als sie so dicht bei ihm war, daß ihr Gewand ihn berührte, reckte sich der König empor, spaltete sie in zwei Stücke und ließ sie so geteilt in dem Gewölbe liegen. Darauf eilte er hinaus zu dem Jüngling, der auf ihn wartete, ihm die Hand küßte und ihn zu seiner Rettung beglückwünschte. Der Sultan fragte ihn: »Sage mir, ob du in deiner Stadt bleiben willst oder mir folgen möchtest?« Der entzauberte Jüngling erwiderte: »Du großer und guter Herrscher! Du Meister deiner Zeit, weißt du auch, wie weit meine Stadt von deiner Stadt entfernt liegt?« Der König blickte ihn verwundert an und erwiderte: »Einen halben Tag bin ich hierher gereist.« Der Jüngling entgegnete ihm: »Du träumst, o Herr; denn ein volles Jahr braucht man von deiner Stadt zu meiner. Als du hierher gingst, war ja die Stadt verzaubert; darum war der Weg so kurz. — Jetzt aber will ich immer bei dir bleiben und dir folgen.« Der Sultan war sehr beglückt über diese Worte und sagte: »Preis sei dem Allmächtigen! Ich will dich zu meinem Sohne und Erben machen, da mir ein Sohn in meinem Leben versagt worden ist.« Und er umarmte ihn und küßte ihn unter Tränen. Als sie ins Schloß zurückgingen, verkündete der Jüngling den Großen seines Reiches, daß er sich hinweg begeben wolle; und alle Kaufleute und Emire brachten ihm, wessen er zur Reise bedurfte. Dann machte er sein Gepäck fertig und begleitete den Sultan, welcher sich gar sehr nach seiner Heimat sehnte, die er vor so langer Zeit verlassen hatte. Ein ganzes Jahr lang wanderten sie, Tag und Nacht, und hatten bei sich hundert Ladungen von Geschenken und fünfzig Sklaven. Sie kehrten wohlbehalten in die Hauptstadt des Königs zurück, und der Wesir zog mit allen Truppen und allen Bewohnern dem Sultan entgegen; denn schon war Angst und Trauer gewesen, weil man nicht mehr hoffte, daß er jemals zurückkehren werde. Alle Häuser der Stadt waren geschmückt mit seidenen Tüchern und Teppichen, und überall erschollen Jubellieder; der Wesir aber trat zum Sultan, küßte die Erde vor ihm und begrüßte ihn aufs treueste. Und alles Volk jauchzte und frohlockte. Der König erzählte nun, welche Bewandtnis es mit dem See und den Fischen gehabt habe, und was ihm mit dem Jüngling widerfahren sei; wie er die elende Zauberin getötet und die Stadt aus ihrem Bann erlöst hätte. Da neigte sich der Wesir auch vor dem jungen Manne und wünschte ihm viel Glück zu seiner Befreiung. Der König ließ Freudenfeste feiern und Geschenke und prächtige Kleider verteilen, denn er war sehr erfreut über seine Rückkehr. Er befahl, auch den Fischer zu holen, beschenkte ihn reichlich und fragte ihn, ob er Kinder habe. Als der Fischer sagte, er besäße drei Töchter, ließ sie der Sultan sofort zu sich kommen. Der König heiratete eine von ihnen und der Jüngling eine andere. Darauf machte der Sultan den Fischer zu seinem Schatzmeister; den Wesir aber schickte er als Sultan in die Stadt der vier Inseln und schenkte ihm die fünfzig Sklaven, die er mitgebracht hatte. Der König blieb mit seinem Erben in der Stadt, und beide herrschten noch lange zum Segen ihres Landes. Der Fischer aber war ein reicher Mann und lebte viele Jahre in Glück und Frieden. DIE GESCHICHTE VON DEM ZAUBERPFERDE In längst vergangenen Tagen lebte ein König in Persien, der hieß Sabur und war der gewaltigste und mächtigste Herrscher seiner Zeit, denn er besaß unermeßliche Reichtümer und viele Truppen, die sein Land beschützten. Sein Herz kannte Güte und Milde, und seine Hand tat sich den Armen auf und gab viele Almosen. Er war ein Trost der Kranken und Mühseligen; Verfolgte und Verirrte fanden bei ihm gastliche Unterkunft. Er war sehr klug und gerecht, er bestrafte die Bösen, zürnte allen, die unrecht handelten, und die Unterdrückten beschützte er großmütig vor Gewalt und Missetat. Seine Gattin schenkte ihm drei Mädchen und einen Sohn, die er von Herzen liebte, denn sie waren edel und wohlgestaltet. Der König Sabur feierte in jedem Jahre zwei Feste, die waren Niradj und Mihrdjan genannt. An diesen hohen Festtagen verteilte er Gaben, ließ seine Paläste und Gärten öffnen, so daß alle Untertanen freien Zutritt zu ihm hatten, ihm Geschenke bringen und ihre Anliegen vortragen konnten. Es geschah aber, daß an einem dieser Festtage drei sehr weise und gelehrte Männer in seiner Stadt erschienen, um ihm seltene und kostbare Geschenke zu bringen. Sie kamen aus drei verschiedenen Ländern und hatten alle verschiedene Sprachen. Der eine war ein Grieche, der zweite ein Perser und der dritte ein Indier. Dieser trat zuerst vor den König, beugte die Knie vor ihm, wünschte ihm Glück und Heil und übergab ihm eine goldene Bildsäule. Sie war ganz mit prachtvollen, funkelnden Edelsteinen geschmückt und trug in der Hand ein goldenes Horn. Der König Sabur freute sich sehr darüber, nahm sie in Augenschein und fragte sodann: »Sage mir, weiser Mann, wozu soll mir dein Geschenk dienen?« Der Indier erwiderte: »Großer König! Diese Bildsäule hat die Eigenschaft, daß sie sogleich in das goldene Horn stößt, wenn sich ein Spion in die Stadt einschleichen will. Alsbald beginnt er zu zittern und fällt tot zu Boden.« Der König verwunderte sich sehr über diese Rede und sprach: »Wahrlich, wenn deine Worte wahr sind, so werde ich dir alle Wünsche gewähren.« Dann kam der Grieche heran, küßte die Erde und übergab dem König ein Becken aus Silber; in der Mitte saß ein goldener Pfau, und um ihn herum waren vierundzwanzig Junge. Der König betrachtete das Geschenk mit Entzücken und fragte: »Sage mir, wozu mir dieses Kunstwerk dienen soll?« Der Grieche antwortete: »Mein König, wenn eine Stunde verflossen ist, wird dieser Pfau eines seiner Jungen aufpicken und dir so die Tageszeit anzeigen. Nach einem Monat aber wird er immer den Schnabel öffnen, und dann wird darin der Mond erscheinen.« Als der König dieses Wort vernahm, sagte er: »Wahrlich, wenn du wahr sprichst, so werde ich dir alle deine Wünsche erfüllen.« Dann nahte der persische Gelehrte, neigte sich tief und überreichte dem Könige ein Pferd aus Ebenholz; das war vollkommen ausgerüstet, hatte Zaum und Steigbügel und einen prächtigen Sattel und war ganz mit Gold und Edelsteinen geziert. Der König erstaunte sehr und fragte, welches der Zweck dieses kunstreichen, leblosen Tieres sei. »Mein König,« erwiderte der persische Weise, »es ist nicht das äußere Ansehen, warum ich dir dieses Pferd zum Geschenk bringe. Es birgt ein wunderbares Geheimnis; denn es legt mit seinem Reiter in einem Tage eine Strecke von einem Jahre zurück; es fliegt durch die Luft an jeden Ort der Erde, wohin du dich wünschest.« Der König war sehr verwundert über diese Worte und sprach zu dem Perser: »Beim allmächtigen Gott, der die Welt und die Menschen geschaffen hat, wenn du die Wahrheit gesprochen hast, so sei dir jede Bitte gewährt, die du an mich richten wirst.« Darauf nahm er die drei Weisen gastlich auf und prüfte ihre Gaben. Ein jeder von ihnen zeigte dem König, daß er wahr geredet hatte. Das Bildnis stieß in das goldene Horn, der Pfau pickte die Jungen auf, und das Zauberpferd schwang sich mit dem Perser hoch in die Lüfte und ließ sich darauf mit großer Leichtigkeit wieder zur Erde herab. Der König war in äußerster Freude über die seltenen Geschenke und sagte: »Da ihr die Wahrheit eurer Rede durch die Tat bewiesen und euer Versprechen erfüllt habt, so will ich euch jetzt gewähren, was ich vordem versprochen habe. Jeder von euch mag etwas fordern; ich werde es ihm sogleich gewähren.« Die Weisen aber hatten schon von den drei lieblichen Prinzessinnen vernommen und sagten daher: »Wenn du mit unseren Geschenken zufrieden bist, o Herr, und uns eine Bitte gewährst, so möchten wir, daß du uns deine Töchter zur Frau gibst und uns zu deinen Schwiegersöhnen machst.« — »Eure Bitte sei erfüllt,« sprach der König und ließ sogleich den Kadi rufen, damit er den Ehevertrag aufsetze. [Illustration: Angesichts einer so arroganten Behauptung brachen alle Höflinge in lautes Gelächter aus.] Hinter einem Vorhange hatten die drei Prinzessinnen gelauscht, denn sie waren neugierig, die unerhörten Schauspiele mit anzusehen; als die jüngste von ihnen den Perser erblickte, den sie heiraten sollte, erschrak sie sehr; denn er war ein hundertjähriger Greis und hatte viele Runzeln und Falten. Das Haupthaar starrte wie Borsten, aber die Augenbrauen und der Bart waren ihm ausgefallen. Seine Augen waren rot und triefend, seine Wangen ganz eingefallen und so gelb wie Leder, und die Backenknochen traten spitz und scharf hervor. Seine plumpe Nase sah einer Gurke ähnlich, die Zähne wackelten oder waren ausgefallen, seine Lippen waren blau und glichen den Kamelnieren, und seine Hände zitterten beständig. Wahrlich, er war der häßlichste aller Menschen und von Aussehen wie der Teufel, so daß selbst die Vögel des Himmels vor seinem Anblick flohen! Die Prinzessin aber war sehr schön und liebreizend, leichtfüßig wie eine Gazelle, mild wie der Zephir und sanft und leuchtend gleich dem Mondlichte. Sie tanzte zarter und wiegte sich leichter wie die Zweige der Büsche im Morgenwinde, und keine Gazelle glich ihr an Geschmeidigkeit und behendem Spiele der Glieder. Als das reizende Mädchen den ihr erwählten Bräutigam erspähte, war ihr Herz sehr bekümmert; sie eilte in ihr Zimmer, zerriß ihre Kleider, streute sich Asche aufs Haupt, schlug sich Brust und Gesicht und weinte bittere Tränen. Ihr Bruder aber, der sie vor allen seinen Schwestern liebte, kehrte soeben von einer Reise zurück. Als nun ihr Klagen bis in seine Gemächer klang, lief er zu ihr und fragte sie nach dem Grunde ihres Kummers. Sie aber warf sich ihm in die Arme und rief: »Was habe ich Schändliches getan, daß mein Vater so mit mir handelt? Ist ihm das Schloß zu eng geworden, so will ich mich gern von hier entfernen. Ach, mein Bruder, ich Unglückliche werde dich verlassen; aber es gibt ja einen allmächtigen Gott, der wird mich führen und mit mir sein!« Ihr Bruder schüttelte mißmutig den Kopf, denn er konnte die Worte der Schwester nicht begreifen, und bat sie, ihm deutlicher zu erklären, warum sie so verzweifelt und traurig sei. Da sagte sie: »Wisse, lieber Bruder, mein Vater hat mich mit einem alten, lahmen und runzeligen Zauberer verlobt, der ihm ein Pferd aus Ebenholz geschenkt hat. Wahrlich, er hat sich überlisten lassen! Ich aber verabscheue diesen jämmerlichen Alten, denn ich weiß, daß ich nicht seinetwegen zur Welt gekommen bin.« Ihr Bruder erschrak über das Vorhaben seines Vaters, sprach ihr Trost zu und eilte sofort zu dem Könige. »Wo ist der alte Zauberer, mit dem du meine liebe schöne Schwester verlobt hast? Ich will ihn strafen für seine unverschämte Forderung! Wo ist das Geschenk, um dessentwillen meine Schwester sich in Gram und Leid verzehren soll? Wie kannst du so grausam an deinem eigenen Kinde handeln!« Als der weise Perser diese Rede hörte, ergrimmte er in seiner Seele über die heftigen Worte des jungen Prinzen. Der König aber sagte: »Besichtige nur erst das Pferd; wenn du seine Kunst gesehen hast, wirst du gewiß verstummen und vor Verwunderung fast von Sinnen kommen.« Er ließ das Geschenk des Persers holen, und der Prinz ging um das Pferd herum und fand Gefallen daran. Er schwang sich sogleich auf seinen Rücken, denn er war ein guter Reiter, und stieß ihm den spitzen Sattel in den Leib. Das Tier aber rührte sich nicht und bewegte sich nicht von der Stelle. Da sprach der König zu dem Weisen: »Zeige ihm, wie man das Roß in Bewegung setzen muß, dann wird er sich dir gewiß nicht mehr widersetzen.« Der Perser, in dessen Seele grimmiger Haß gegen den Prinzen keimte, wies ihm nun einen Wirbel an der rechten Seite des Pferdes, dann verließ er ihn. Sofort rieb der junge Prinz den Wirbel, und alsbald erhob sich das Pferd mit rasender Geschwindigkeit und flog mit ihm davon, so daß er bald aller Augen entschwunden war. Der König ängstigte sich um seinen Sohn, und alle, die es sahen, erhoben ein lautes Geschrei der Verwunderung. Der König fragte den Alten: »Sage mir, wie der Prinz das Pferd wieder zur Erde lenken kann?« Der Weise aber entgegnete mit kalter Stimme: »Diese Kunst ist mir unbekannt, Herr; nicht meine und nicht seine Schuld ist es, wenn du ihn bis zum jüngsten Tage nicht wiedersiehst. Warum hat er auch aus unverständigem Hochmute verschmäht, mich um Rat darum zu fragen, auf welche Weise er wieder zur Erde zurückfliegen kann? Ich selbst war so bestürzt, als ich ihn plötzlich aufsteigen sah, daß ich den Gebrauch meiner Sprache verlor und nicht daran dachte, ihm das Geheimnis zu verraten.« Der König ergrimmte über diese Worte und sprach: »Ich kann dir nicht mehr trauen; darum soll dein Kopf mir für das Leben meines Sohnes haften,« und er ließ den Perser peitschen und in ein enges Gefängnis einschließen. Dann begab sich Sabur in sein Gemach, sorgte sich und seufzte und war in großer Betrübnis darüber, daß das Fest so schmachvoll zu Ende gegangen war. Alle Tore des Palastes wurden geschlossen, und in der ganzen Stadt herrschten Trauer und Klage. Der König, seine Gemahlin und seine Töchter weinten Tag und Nacht über den Verlust des geliebten Prinzen. Der Prinz aber war unterdessen mit schwindelnder Eile zum Himmel emporgeführt worden, so daß er nahe der Sonne schwebte und auf der Erde nichts mehr zu erkennen vermochte. Als er zurückkehren wollte, drehte er den Wirbel an der rechten Seite nach der verkehrten Richtung, jedoch das Pferd trug ihn immer höher. Da erschrak er, denn er meinte, daß er nun seinem gewissen Tode entgegenritte. Er war aber ein entschlossener und kluger Jüngling; deshalb faßte er Mut, untersuchte aufmerksam Kopf und Hals des Rosses und entdeckte auf der linken Seite einen zweiten, kleineren Wirbel, den er sogleich zu drehen begann. Augenblicklich senkte sich das Tier, und bald konnte er wieder Berge, Städte und Ströme auf der Erde unterscheiden. Dann rieb er wieder an dem rechten Hebel und stieg in geringe Höhe hinauf. Als die rote Sonne hinter den Bergen sank und der Abend dunkelte, kam er in eine blühende Ebene; dort wiegten sich viel bunte, duftende Blumen, und ein klarer, silberner Bach murmelte durch das Gras, und Gazellen sprangen leicht und lustig durch die Wiesen. Bald sah er unter sich eine große Stadt mit vielen Häusern, festen Türmen und starken Mauern. Auf der andern Seite der Stadt erhob sich ein prächtiger, stolzer Palast, um den vierzig bewaffnete Sklaven mit Bogen und Lanzen aufmerksame Wache hielten. Der Prinz blickte sich um und dachte: »In welches Land bin ich hier verschlagen worden; werde ich hier Freunde oder Feinde finden?« Nach einigem Zögern entschloß er sich, die Nacht im Dunkel der Terrasse zuzubringen, und bemühte sich, sein Pferd nach dem fremden Schlosse hinzulenken. Es war schon Nacht geworden, als er abstieg, hungrig und durstig und von Müdigkeit überwältigt. Er tappte durch die Finsternis und entdeckte endlich eine Treppe an der Terrasse, welche in das Innere des Schlosses führte. Er stieg die Stufen hinunter und trat auf einen Platz, der mit weißem Marmor gepflastert und vom Monde schwach beleuchtet war. Vorsichtig spähte er umher und sah ein Licht, das aus dem Innern des Schlosses glänzte. Er schritt darauf zu und kam an eine Türe, vor welcher ein Sklave schnarchte. Der war so groß wie ein Baum und so breit wie eine steinerne Bank und glich einem Geiste Solimans. Neben ihm brannte eine kleine Lampe, und an seiner Seite lag ein Schwert, das funkelte und blitzte wie eine Flamme. Der Prinz zögerte einige Augenblicke, denn dieser ungewohnte Anblick erschreckte ihn; dann aber faßte er Mut und sprach: »Allmächtiger Gott, dich flehe ich um Rettung an! Verleihe mir Kraft, und verschone mich vor allem Ungemach!« Nach diesen Worten ergriff er ein Tischchen mit steinernen Pfeilern, das neben dem schlafenden Sklaven stand, schob es zur Seite und nahm die Decke weg. Da fand er köstliche, duftende Speisen und Getränke, und er aß und labte sich daran, bis er gesättigt war. Dann trug er das Tischchen wieder zurück, schlich auf den Zehen zu dem Schlafenden und zog ihm leise das Schwert aus der Scheide. Langsam und vorsichtig schritt er weiter und entdeckte abermals eine Tür, welche durch einen Vorhang verschlossen war. Er zog den leichten Seidenstoff zur Seite und trat in das Gemach. Darin stand ein Thron aus weißem Elfenbein, der war mit Rubinen und Smaragden und anderen Edelsteinen geschmückt; um ihn herum lagerten vier schlafende Sklavinnen. Er schlich sich näher und sah auf dem Throne ein schlummerndes Mädchen; in ihr mildes Gesicht fielen die langen, glänzenden Haare, ihre Stirn leuchtete wie das Mondlicht, und ihre Wangen glichen den Anemonen. Der Prinz bewunderte ihre Anmut und ihren stolzen Wuchs; zaghaft und zitternd näherte er sich ihr und küßte sie leise auf die rechte Wange. Alsbald erwachte das Mädchen, öffnete die hellen Augen und blickte den Prinzen fragend an. »Wer bist du, Jüngling, und wo kommst du her?« begann sie mit sanfter Stimme. Er antwortete: »Ich bin dein Geliebter und dein Sklave; der allmächtige Gott hat mich zu dir, du Schönste, geführt. Laß mich bei dir bleiben, und weise mich nicht ab!« [Illustration: Er sah schwarze Eunuchen schlafend liegen.] Die Prinzessin aber war kürzlich von ihrem Vater mit einem der vornehmsten Männer der Stadt verlobt worden und glaubte nicht anders, als daß der unbekannte Prinz ihr Bräutigam sei. Sie betrachtete ihn mit Wohlgefallen, und da er schön war wie der Glanz des Mondes, so entflammte er alsbald ihr Herz zu heißer Liebe. Sie plauderten traulich und scherzten miteinander. Plötzlich erwachten jedoch die vier Sklavinnen und riefen, als sie den fremden Mann neben ihrer Gebieterin erblickten: »Wer ist dieser Jüngling, der hier bei dir weilt, o Herrin?« Die Prinzessin erwiderte: »Ich weiß es nicht. Als ich erwachte, sah ich ihn neben mir stehen. Ohne Zweifel ist er mein Verlobter.« Die Sklavinnen aber sprachen: »Beim allmächtigen Gott! Wehe dir! Dein Verlobter kann nicht einmal der Diener dieses Mannes sein!« und sogleich liefen sie zu dem schnarchenden Sklaven, rüttelten ihn, daß er erwachte, und riefen: »Beschirmst du das Schloß so schlecht, daß du nicht siehst, wenn fremde Leute hier eindringen, während wir ruhen?« Bei diesen Worten sprang der Sklave erschrocken in die Höhe und griff nach seinem Schwerte; da er es aber nicht fand, stürzte er voll Angst und Entsetzen hinein zu seiner Herrin. Er sah den Prinzen bei ihr sitzen, lief auf ihn zu und schrie: »Du Dieb! Wie bist du hereingekommen, du Betrüger?« Bei diesen Schimpfworten reckte sich der Prinz empor, packte das Schwert und drang wie ein grimmiger Löwe auf den Sklaven ein; den aber trieb die Furcht, daß er floh und zitternd zu dem Könige eilte und ihm das Vorgefallene meldete. Der König erschrak und zückte in bebender Wut sein Schwert. »Du Hund!« rief er, »was bringst du mir für schlechte Kunde, du Nichtswürdiger!« Der Sklave wich zurück und erwiderte mit leiser Stimme: »Habe Mitleid, hoher Herr! Der Schlaf hatte uns überwältigt; als wir erwachten, erblickten wir einen vornehmen Mann neben meiner Gebieterin; wir wissen nicht, woher er kam, und wie er zu uns hereingedrungen ist.« Der König stürzte mit der Waffe in der Hand zu dem Zimmer seiner Tochter, und als er hereintrat, sah er den Prinzen in vertrautem Gespräch bei der Prinzessin sitzen. Da packte ihn sinnloser Zorn; er hob sein Schwert und wollte den Prinzen erschlagen. Der aber blickte ihm fest ins Auge, streckte ihm sein Schwert entgegen und sprach: »Weiche zurück! Bei Gott, dem Allmächtigen! wäre das Haus nicht heilig durch meinen Eintritt, so würde ich dich zu denen senden, die in der Gruft deiner Väter schlummern.« Der König rief: »Wer bist du, Elender? Wer ist dein Vater, du Niedriggeborener, daß du es wagst, meine Tochter heimtückisch zu überfallen? Ich bin der größte und mächtigste König der Erde, und du führst eine Sprache, als ob ich dein niedrigster Sklave wäre. Du Dieb, ich will dich zum Schrecken aller Welt auf die jammervollste Weise umbringen; das schwöre ich beim erhabenen Gott!« Der Prinz lächelte und sprach: »Herr, du zeigst eine grobe Art und einen recht schwachen Verstand! Denn was nützt es dir, wenn du mich töten läßt? Würde nicht ein Gerede bei allen Leuten umgehen, daß du einen Jüngling bei deiner Tochter gefunden und niedergeschlagen hast? Schmach und Spott würden dir folgen, und niemals wärest du vor Schande sicher. Aber auch wir sind Könige und Söhne von Königen und könnten dich leicht vom Throne stürzen. Doch Gott bewahre dich vor Unheil! Kannst du übrigens der Prinzessin einen bessern Mann wünschen? Wisse: Ich bin Kamr al Akmar, der Sohn des Königs von Persien.« Da fragte ihn der König etwas sanfter: »Warum bist du nicht zu mir gekommen und hast um sie angehalten, wie es die Sitte verlangt?« Der Prinz entgegnete mit ruhiger Stimme: »Was geschehen ist, das ist geschehen! Aber ich will dir einen günstigen Vorschlag machen. Gebiete allen deinen Truppen, sich zu versammeln, und ich will ganz allein gegen sie streiten; wenn ich besiegt werde, so bin ich schuldig, wenn ich sie aber in die Flucht schlage, so wirst du gewiß meine Würde erkennen und mir mit Achtung begegnen. Man kann die Menschen nicht wie Korn mähen und messen.« Der König freute sich im stillen über diese Wendung der Dinge, denn er war sehr in Verlegenheit gewesen, wie er den Fremden töten lassen sollte, ohne sich und seiner Tochter Schimpf und Spott zu bringen. »Dein Vorschlag ist mir angenehm,« antwortete er; und sobald der Tag begann, versammelte er seine Truppen und ließ sie in Schlachtordnung aufstellen. Der Prinz trat in glänzenden Waffen aus dem Schlosse und sprach: »Ich will mein eigenes Roß reiten, bringt es mir von der Terrasse, wo ich es in dieser Nacht angebunden habe!« Die Diener führten das Pferd herbei, und der König bewunderte seine Schönheit und sein künstliches Sattelzeug. Der Prinz stieg auf sein Roß, und sofort umringten ihn die Truppen und drangen auf ihn ein, um ihn zu erschlagen. Schnell rieb der Prinz den Wirbel an der rechten Seite des Pferdes, und augenblicklich stieg es mit ihm in die Luft und schwebte wie ein leichter Vogel. Der König rannte umher und schrie in einem fort: »Tötet ihn doch! Erschlagt ihn!« Aber die entsetzten Soldaten wichen und sagten: »Das ist ein Teufel, beim allmächtigen Gott! Wie sollen wir ihn ergreifen? Dank sei dem Erhabenen, daß er uns von diesem Zauberer befreit hat!« Betrübt und beschämt kehrte der König mit seinen Truppen in das Schloß zurück, er ging sogleich in die Zimmer der Prinzessin und erzählte ihr, was sich zugetragen hatte. Er schalt sehr auf den Prinzen und rief: »Dieser Elende! Daß ihn Gott verdammen möge, den Betrüger, den schändlichen Geist!« Der König wußte freilich nicht, daß seine Tochter in Liebe für den Prinzen entbrannt war. Als er ihre Tränen fließen sah, merkte er wohl, daß er sie schlecht getröstet hatte und verließ sie wieder. Die Prinzessin aber schloß sich ein, wehklagte und konnte nicht essen und trinken und schlafen. [Illustration: Die ganze Zeit über hatte die Prinzessin den Kampf vom Dach des Palastes aus beobachtet.] Indessen durchflog der Prinz Kamr al Akmar die Luft mit seinem Pferde, bis er wieder in das Land seines Vaters kam. Er ließ sich vor dem heimatlichen Schlosse nieder und stieg aus dem Sattel. Die Treppe lag mit grauer Asche bestreut, und überall war ein dumpfes Schweigen. Verwundert schritt der Prinz durch die Gemächer und fand dort seine Eltern und seine Schwestern in Trauerkleider gehüllt, bleich, mit tränengeröteten Augen. Sein Vater erblickte ihn zuerst und fiel mit einem lauten Schrei in Ohnmacht; als er wieder zur Besinnung kam, umarmte er seinen Sohn und weinte vor Freude. Die Königin und die Prinzessinnen eilten auf ihn zu, herzten und küßten ihn und fragten, wie es ihm ergangen sei. Er berichtete alles auf das genaueste und vergaß keine Einzelheit. Als er geendet hatte, rief sein Vater: »Es ist kein Heil und kein Schutz, außer bei dem allmächtigen Gotte! Gepriesen sei der Herr, der dich mir wiedergab, du Freude meines Herzens!« Überall in der Stadt war Jubel und Frohlocken; man blies die Trompeten und schlug die Pauken und legte Freudenkleider an; alle Häuser waren festlich geschmückt, und die Großen des Reiches kamen und brachten ihre Glückwünsche dar. Der König aber veranstaltete ein prunkvolles Fest, ließ alle Gefangenen frei und gab sieben Tage und sieben Nächte lang Mahlzeiten, bei denen jeder so viel essen konnte, wie er wollte. Als die Festlichkeiten zu Ende waren und der König mit seinem Sohne bei Tische saß, befahl er einer Sklavin, daß sie ein Lied zur Laute singen möchte. Sie griff in die Saiten und sang mit milder, wohltönender Stimme folgende Verse: »Ich habe dich nicht in der Ferne vergessen! Denn wie könnte ich noch denken, wenn ich dich vergäße? Die Zeit vergeht, aber meine Liebe zu dir ist ewig. Mit dir werde ich sterben, und mit dir werde ich auferstehen.« Bei diesen Worten weitete sich das Herz des Prinzen vor Schmerz und Sehnsucht; Trauer und Wehmut schlichen in seine Seele, und er verließ seinen Vater heimlich, schwang sich auf das Roß aus Ebenholz, stieg mit ihm empor und flog, bis er zum Schlosse der Prinzessin gelangte. Er ließ sich auf der Terrasse herab, stieg dieselbe Treppe hinunter, wie vormals, und fand den Sklaven, der, wie das erste Mal, schlafend lag und schnarchte. Vorsichtig schlich er an ihm vorbei und trat hinter den Vorhang, der die Türe zum Schlafgemach der Prinzessin bedeckte; hier blieb er stehen und lauschte, denn er hörte, daß sie laut jammerte. Die Sklavinnen erwachten durch die Klagen ihrer Gebieterin und sprachen zu ihr: »Warum trauerst du, geliebte Herrin, über einen, der doch deinen Gram nicht mit dir teilt?« Die Prinzessin antwortete: »Wie seid ihr unverständig, ihr Mädchen! Wer könnte diesen Mann jemals vergessen?« Sie brach von neuem in Schluchzen aus und weinte, bis sie darüber entschlummerte. Der Prinz, der hinter dem Vorhange stand und alles mit anhörte, war sehr erregt, und sein Herz pochte heftig. Er trat hastig in das Gemach und ging zu dem Throne, auf welchem die Prinzessin ausgestreckt lag. Er nahm sie leise bei der Hand und rief ganz heimlich ihren Namen. Sogleich erwachte sie und schlug die großen Augen auf. Ein leiser Schrei entfuhr ihr, als sie den ersehnten Prinzen vor sich stehen sah. Freudig sprang sie empor, warf sich ihm an die Brust, küßte ihn und rief: »Geliebter, wie glücklich bin ich, daß ich dich wieder habe!« Der Prinz fragte: »Sage mir, warum weinst du und bist du so betrübt?« Sie antwortete ihm: »Muß ich nicht klagen und Tränen vergießen, da ich so lange von dir getrennt war?« Der Prinz sprach: »Was geschehen mußte, das laß geschehen sein. Freue dich mit mir, daß ich dich wiedergefunden habe! Jetzt aber befiehl, daß mir Speisen und Getränke gebracht werden, denn ich bin sehr hungrig und durstig.« Als er seinen Hunger gestillt hatte, setzte er sich zu ihr, umarmte sie und plauderte mit ihr bis tief in die Nacht. Der Morgen dämmerte, und die erste zarte Röte schien durch die Fenster, da erhob er sich, um Abschied von ihr zu nehmen, ehe der Sklave vor der Tür erwachte. Die Prinzessin (sie hieß aber Schems ulnahar) fragte ihn verwundert: »Warum willst du mich schon verlassen? Wohin gehst du?« Der Prinz entgegnete: »Ich reite mit meinem Pferde zu meinem Vater zurück; aber ich verspreche dir, daß ich jede Woche einmal zu dir kommen werde, denn ich habe große Sehnsucht nach dir.« Da umschlang ihn die Prinzessin und rief: »Warum willst du allein von hinnen reiten? Ich beschwöre dich beim höchsten Gott, der den Himmel über uns gewölbt hat, nimm mich mit dir! Laß mich nicht allein zurück, Geliebter, denn die Trennung nagt an mir, und mein Herz verzehrt sich in Sehnsucht.« Als der Prinz diese tapferen Worte vernahm, war er hocherfreut und rief: »Ist es dein fester Wille, daß du mit mir ziehen willst?« Schems ulnahar blickte ihn vertrauend an und erwiderte: »Überall, wo du bist, da will auch ich sein, mein Geliebter.« Sie erhob sich eilends und ging zu einer großen Truhe, welche in einer Nische des Zimmers stand, und entnahm ihr viel köstliche Gewänder und gleißende Perlen und Edelsteine. Darauf schlichen die beiden leise hinaus, ohne daß die Sklavinnen erwachten, und gingen auf die Terrasse, wo schon die ersten Strahlen des Morgens schimmerten. Sie bestiegen das Pferd aus Ebenholz, und als der Prinz den Wirbel drehte, erhob es sich sogleich in die Lüfte und flog wie ein Vogel dahin. Es währte nur kurze Zeit, da sahen sie von fern die Hauptstadt des Perserkönigs im Sonnenlichte funkeln; der Prinz ritt darauf zu und ließ das Roß in einem Garten außerhalb der Stadt langsam nieder, hob die Prinzessin sorglich aus dem Sattel und geleitete sie in ein Lusthaus. »Warte hier auf mich,« sprach er, »ich will zu meinem Vater gehen und ihm dein Nahen melden. Denn du sollst mit Jubel und Ehren empfangen werden, und die Großen des Reiches sollen dir mit allem Volke entgegeneilen.« Er machte sich eilends auf den Weg, ging in das väterliche Schloß und erzählte seinen Eltern, was ihm in der Nacht begegnet war. Der König und die Königin schlossen ihn in ihre Arme, waren hochbeglückt und befahlen, ein Fest zu rüsten. Da erschollen Pauken und Trompeten in der Stadt, von allen Häusern wehten bunte Teppiche und Tücher, und das Volk sang und zog jubelnd hinaus in den Garten, wo die Prinzessin ihres Geliebten harrte. Es begab sich aber, daß der persische Gelehrte, der vom Könige nach der Rückkehr des Prinzen wieder in Freiheit gesetzt worden war, oft in jenem Garten spazieren ging, denn er war ein Freund des Gärtners. Er hatte von weitem mit angesehen, wie Kamr al Akmar mit einer fremden Jungfrau angekommen war, und näherte sich alsbald dem Lusthause. Dort fand er ein schönes Mädchen, das war so lieblich wie der Mond, und neben ihr stand das Pferd aus Ebenholz, welches er dem Könige zum Geschenk gemacht hatte. Er zürnte aber dem Prinzen noch wegen seiner heftigen Worte und sprach in seinem Herzen: »Dieser junge Mann hat ungehörig zu mir geredet und mich ergrimmt; wahrlich, ich will ihm Gleiches mit Gleichem vergelten und dieses reizende Mädchen sogleich mit meinem Pferde entführen.« Er näherte sich der Türe und klopfte bescheiden mit dem Finger an. Die Prinzessin fragte von drinnen: »Bist du es, mein Geliebter?« Der Perser erwiderte: »Ich bin der Diener und Sklave deines Herrn; er schickt mich zu dir und läßt dich bitten, mir zu folgen. Die Herrin, meine Königin, ist schon alt und kann nicht einen so weiten Weg zurücklegen; darum soll ich dich auf dem Pferde in die Stadt bringen, denn sie sehnt sich danach, dich in ihre Arme zu schließen und zu begrüßen.« Die Prinzessin, welche nicht an den Worten des Persers zweifelte und schon Sehnsucht nach dem Prinzen fühlte, öffnete die Türe und trat heraus. Als sie aber sah, daß der Bote sehr alt war und so welke Züge und gelbe Haut hatte, wurde ihr bange, und sie rief: »Hat die Königin keine angenehmeren Diener als dich? Warum wählte sie dich alten Weißbart und runzeligen Greis, um mich zu ihr zu geleiten?« Der Perser ärgerte sich über diese Worte und sagte: »Alle Sklaven meiner Herrin sind schöner als ich. Ich aber bin ihr ältester Diener, und sie hat mich aus Eifersucht zum Boten gewählt, denn du bist jung und sehr schön und gleichst der strahlenden Sonne.« Die Prinzessin glaubte der List des Alten und schwang sich mit ihm auf das Pferd. Der Perser, der hinter ihr saß, rieb an dem rechten Wirbel, und sogleich erhob sich das Tier pfeilgeschwind und schwang sich empor in der Richtung nach China. Indessen ordnete sich vor dem Palaste des Königs der festliche Zug, welcher die Prinzessin aus dem Lusthause abholen sollte. Der Prinz ritt in glänzender Rüstung an der Spitze seiner Truppen, und ihm folgten seine Eltern mit den Wesiren und den Großen des Reiches. Überall erschollen Jubelgesänge und der Klang der Trompeten und Trommeln. Als sie nun an dem Garten angekommen waren, stieg der Jüngling vom Pferde und trat zuerst in das Lusthaus, um seine Geliebte zu holen. Wie erschrak er, als er das Zimmer leer fand! Er rief, aber niemand antwortete. Da schlug er sich Gesicht und Brust, stieß tausend Verwünschungen aus und raufte sich verzweiflungsvoll die Haare. Zufällig kam der alte Gärtner vorbei und fragte, was hier geschehen wäre. Der Prinz schrie ihn an: »Du Schuft! Du Elender! Wo ist die Prinzessin? Sage mir, was du mit ihr begonnen hast, oder ich ziehe mein Schwert und schlage dir den Kopf vom Rumpfe!« Der Gärtner war sehr in Angst über den Zorn seines Herrn, und seine Knie wankten. »Mein Gebieter, ich weiß nicht, von was du redest,« sagte er demütig. »Beim Barte deines Vaters schwöre ich dir, daß ich nichts gesehen habe. Ich bin unschuldig: hab Erbarmen mit mir!« — »Wer ist heute in deinen Garten gekommen?« fragte der Prinz, denn er zweifelte nicht mehr an der Ehrlichkeit des Gärtners. Dieser antwortete: »Ich habe niemanden gesehen; nur der persische Weise ging heute unter den Bäumen auf und nieder.« Da erschrak der Prinz sehr und wußte sofort, daß der Perser Rache an ihm genommen hatte. Er bebte vor Wut, denn er schämte sich vor dem Volke. Nach einer Weile ging er zu seinem Vater zurück und sprach zu ihm: »Ziehe mit deinen Truppen wieder in die Stadt. Wahrlich, Gott hat ein großes Unglück über mich verhängt, und alles Unrecht findet seine Strafe! Ich bleibe hier, denn ich will ergründen, was sich zugetragen hat.« Der König seufzte und sagte: »Fasse Mut, mein Sohn, und vergiß dein Ungemach. Tröste dich über das, was dir widerfahren ist! Wähle dir eine andere Prinzessin zur Gemahlin, denn ich will, daß du glücklich werdest.« Dann zog er mit seinen Truppen wieder in die Stadt, und alle Freude verwandelte sich in Trauer und Wehklagen. Der Prinz aber blieb einsam zurück und sann auf Rat und Hilfe. Der persische Weise ritt unterdessen mit der geraubten Prinzessin durch die Lüfte, bis er in China war. Als er eine blühende Ebene unter sich entdeckte, lenkte er sein Zauberpferd in dieser Richtung und ließ sich an einer sprudelnden Quelle herab. Er hob die Prinzessin aus dem Sattel und setzte sich mit ihr zur Rast unter einen schattigen Baum. Die Prinzessin, welche meinte, daß sie nun bald bei ihrem Geliebten wäre, fragte erstaunt: »Sage mir, wo ist dein Herr, der Prinz, und wo sind seine Eltern?« Der persische Weise lachte höhnisch, daß sein gelbes Gesicht noch häßlicher wurde, und sagte: »Verdammt mögen sie alle sein, die Betrüger! Jetzt bin ich dein Gebieter. Denn dieses Pferd habe ich gemacht, und mir gehört es an. Niemals wirst du den Prinzen wiedersehen; vertraue dich mir an, denn ich werde alle deine Wünsche erfüllen und werde dir prächtige Gewänder schenken und Gold und Edelsteine, soviel du verlangst. Ich besitze große Schätze und reiche Güter; mir dienen hundert Sklaven und hundert Sklavinnen, und ich werde dir ebenso viele schenken.« Er wollte sie lüstern umarmen, doch sie stieß ihn entrüstet von sich, barg ihr Gesicht in den Händen und weinte bitterlich. Der Weise aber streckte sich auf den Boden und schlief rasch und unbekümmert ein. (Der Himmel möge ihn nie wieder erwecken!) [Illustration: Sie saßen am See und trösteten sich mit süßer Liebe.] Nun traf es sich aber, daß der Kaiser von China gerade in jener Gegend eine große Jagd abhielt. Da der Tag sehr heiß war und ihn der Durst plagte, kam er zu dieser Quelle unter dem Baume, um seinen Gaumen zu letzen und zu ruhen. Wie erstaunte er, als er ein sanftes, zartes Mädchen erblickte, und neben ihm ein schwarzes Pferd! Lange stand er und bewunderte ihre Schönheit und konnte sich nicht satt an ihr sehen. Da entdeckte er auch den Weisen, der nicht weit davon im Grase lag und schnarchte. Er stieß ihn mit dem Fuße an, bis der Alte erwachte und sich gähnend die Augen rieb. »Wer ist dieses liebliche Mädchen, und warum führst du es mit dir?« fragte der Kaiser. Jener gab mißgelaunt und kurz zur Antwort: »Es ist meine Frau.« Bei diesen Worten erhob sich die Prinzessin, und als sie den Fremden erblickte, trat sie auf ihn zu, küßte die Erde vor ihm und sprach: »Befreie mich von diesem argen Zauberer! Hab Erbarmen, Herr, und bestrafe ihn, denn er hat mich überlistet und gestohlen.« Der Kaiser rief seine Diener und befahl ihnen: »Gebt diesem Alten hundert Streiche, dann bindet ihn und werft den Schändlichen ins tiefste Gefängnis!« Der Perser winselte und heulte, aber die Diener taten, wie ihnen gesagt war, und züchtigten ihn, bis ihm das rote Blut vom Rücken rieselte. Der Kaiser von China hob das fremde Mädchen vor sich auf sein Roß und kehrte mit ihr in seine Hauptstadt zurück. Er fragte sie aber, was das für ein Pferd sei, das er bei ihr gefunden habe. Sie antwortete ihm: »Ich weiß es nicht, hoher Herr; es scheint ein wunderbares Tier zu sein, denn der Alte machte allerlei Kunststücke darauf und flog mit mir durch die Luft.« Als der König diese seltsame Kunde vernahm, befahl er seinen Dienern, das Pferd wohl zu hüten und in seine Schatzkammer zu bringen. »Lasset uns heimreiten!« rief er vergnügt, »denn wir sind ausgezogen, um wilde Tiere zu erlegen, und haben dafür eine menschliche Gazelle erjagt.« Sie kehrten im Trabe zu dem Palast des Kaisers zurück, und der Prinzessin wurden reiche und prächtige Gemächer zum Aufenthalte angewiesen. Der Kaiser hatte Wohlgefallen an dem Mädchen gefunden und begab sich noch an demselben Tage zu ihr, um ihr seine Hand anzutragen. Als die Prinzessin seine Worte hörte, erschrak sie sehr und stellte sich irrsinnig. Sie schrie allerlei unverständliche Worte, zerriß ihre Kleider, schwang die Fäuste in der Luft und stampfte die Erde mit ihren Füßen. Der Sultan entsetzte sich gewaltig bei ihrem Toben und sandte sogleich zu allen Ärzten und Sterndeutern. Er gab der Kranken viele Sklavinnen zur Bedienung und ließ sie sorgfältig hüten und bewachen. [Illustration: Viele Monate lang reiste er ahnungslos.] Soviel weiß ich jetzt von der Prinzessin zu erzählen. Was aber den Prinzen Kamr al Akmar betrifft, so irrte er trostlos von Land zu Land, von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf, und fragte und forschte nach der Verlorenen. Die Macht des allmächtigen Gottes führte ihn auch nach China. Nachdem er lange gegangen war, kam er in die Hauptstadt und wanderte suchend und traurig durch die Straßen. Er ging in alle öffentlichen Läden und besuchte alle Basare in der Hoffnung, daß er dort die Vermißte entdecken würde. Vor einem Laden standen einige Leute, die unterhielten sich eifrig und achteten nicht darauf, als sich der Fremde zu ihnen gesellte. Der Prinz erlauschte, daß sie von dem Kaiser sprachen und von einem Mädchen, das man allgemein in der Stadt bemitleidete. Da mischte sich der Prinz in das Gespräch und fragte, worüber sie sich so eifrig erregten. Ein alter Mann, der sehr geschwätzig war, begann sogleich zu erzählen: »Gewiß bist du ein Fremder, daß du noch nichts von dem gehört hast, was unserm Kaiser neulich auf der Jagd begegnet ist. An einer Quelle fand er ein schönes Mädchen mit einem alten Manne und neben ihnen ein hölzernes Pferd. Der Kaiser fragte den Alten, wer das Mädchen sei, der aber sagte, es wäre seine Frau. Doch die Jungfrau rief, der böse Zauberer hätte sie entführt, und bat den Kaiser um Hilfe. Da ließ er den Alten schlagen und ins Gefängnis sperren und nahm das Mädchen zu sich in das Schloß und wollte es zu seiner Frau machen. Die Jungfrau aber raste plötzlich und schrie und zerriß ihre Kleider, denn sie war wahnsinnig geworden. Alle Ärzte und Sterndeuter sind im Schlosse gewesen, aber keiner wußte Rat und konnte die Besessene heilen. Der Kaiser trauert, denn er liebt die Fremde aus tiefer Seele.« — Als der Prinz diese Erzählung vernommen hatte, jubelte er und rief: »Gepriesen sei der allmächtige Gott, denn er hat mich den rechten Weg geleitet und mich unerwartet finden lassen, was ich suchte!« Alsbald ging er in einen Laden und kaufte sich Kleider, denn er hatte beschlossen, nichts unversucht zu lassen, um in das Schloß zu gelangen. Er färbte seine Augenbrauen und seinen Bart weiß, setzte sich einen großen Turban auf und hing sich ein weites Gewand mit lang herabfallenden Ärmeln um. Dann nahm er ein dickes altes Pergamentbuch unter den Arm und steckte eine Schachtel mit Sand zu sich; in der einen Hand trug er seinen großen Stock und in der andern einen Rosenkranz. So durchwanderte er alle Straßen und zählte die Perlen des Rosenkranzes ab, wie die Astrologen zu tun pflegen. Dabei blickte er zu allen Fenstern empor und rief beständig: »Friede sei mit euch und mit eurem Hause!« Als er an das Tor des Palastes kam, meldete er sich bei dem Pförtner und sagte: »Gehe zu dem Kaiser und künde ihm, daß ein weiser Sterndeuter aus Persien angekommen sei. Ich habe die Geschichte von der Sklavin vernommen; zwar erscheint es keck von mir, daß ich noch einmal den Versuch wage, bei ihr eine Heilung zu bewirken, nachdem so viele gelehrten Ärzte es mit ihr versucht haben. Aber ich kenne sehr wirksame und eigentümliche Mittel, die, wie ich hoffe, von Erfolg sein werden.« Der Pförtner eilte sofort zu dem Kaiser und berichtete, was ihm der Fremde aufgetragen hatte. Der Prinz wurde vor den Thron des Herrschers geführt, verneigte sich tief und murmelte allerlei dunkle und unklare Worte, die keiner der Hofleute verstehen konnte. Der Kaiser begrüßte ihn und sprach: »Weiser Mann, in meinem Palaste habe ich ein Mädchen, das rauft sich die Haare und zerreißt die Kleider, denn es ist von Sinnen. Wenn du es heilen kannst, so darfst du jede Belohnung erwarten, die du von mir forderst.« Der verkleidete Prinz wurde in die Gemächer der Prinzessin geleitet und hörte schon von weitem, wie sie klagte und wehmütige Verse sprach. Er trat schnell in das Zimmer und sah sie auf dem Boden liegen, ganz entstellt, mit eingefallenen Wangen und geröteten Augen. Kaum erblickte sie den Fremden, da sprang sie wie eine Wütende empor, überhäufte ihn mit Schmähungen und suchte ihn aus dem Zimmer zu drängen. Er aber wehrte ihr und sagte halblaut: »Schems ulnahar, deine Erlösung ist nahe, denn der allmächtige Gott hat dein Flehen erhört. Vor dir steht Kamr al Akmar.« Als sie seine Worte vernahm, blickte sie ihn prüfend an und erkannte unter der Entstellung die Züge ihres Geliebten. Sie warf sich ihm an die Brust, küßte ihn und fragte: »Wie bist du zu mir gelangt? Denn ich bin weit entfernt von der Heimat und von dem Hause deiner Eltern.« Er entgegnete mit leiser Stimme: »Frage mich jetzt nicht darum; vor der Türe steht der Oberkämmerer und kann uns hören. Ich will versuchen, dich durch List zu erretten; wenn aber mein Vorhaben mißglückt, so kehre ich in meine Heimat zurück und werde Truppen sammeln, um dich mit Gewalt aus dem Palaste des Kaisers zu entführen.« Er wies ihr an, wie sie sich zu verhalten habe, eilte zu dem Kaiser und bat ihn, mit ihm zu der Prinzessin zu gehen. Als Schems ulnahar die Eintretenden gewahrte, schrie sie, schlug mit den Händen um sich und verdrehte die Augen. Da ging der Prinz mit würdigen Schritten auf sie zu, murmelte einige Beschwörungsformeln, blies ihr in die Augen und biß sie in das linke Ohr. Dann sagte er mit ernster und feierlicher Stimme: »Erhebe dich, du Unglückliche, gehe zum Kaiser und küsse ihm die Hand!« Das Mädchen tat, wie ihr der Geliebte geheißen hatte, heuchelte eine Ohnmacht und warf sich zu Boden. Darauf erhob sie sich, starr wie eine Schlafwandelnde, ging mit steifen Schritten auf den Kaiser zu, neigte sich vor ihm und küßte ihm die Hand. »Sei gegrüßt, erhabener Herr,« sagte sie zu ihm mit leiser Stimme, »welche Ehre widerfährt mir, daß du deine Sklavin besuchst?« Bei diesen Worten schlug der Kaiser vor Glück und Überraschung die Hände zusammen, hob die Kniende empor und strich ihr liebkosend über die wallenden Locken. Dann wandte er sich an den Sterndeuter und sagte: »Wahrlich, du hast ein Wunder vollbracht, denn dir ist gelungen, was kein anderer vor dir vermochte! Nun wünsche dir, was du willst, deine Bitte sei schon im voraus erhört.« Der Prinz überlegte eine kleine Weile und entgegnete darauf: »Noch weiß ich nicht, ob das Mädchen endgültig geheilt ist, denn die Möglichkeit besteht, daß ihre Krankheit von neuem ausbricht. Laß sie von zwölf Sklavinnen in das Bad tragen, und schmücke sie mit glänzenden Edelsteinen und blinkendem Geschmeide, damit sie ihren Kummer vergißt und wieder freudigen Herzens werde. Dann aber soll sie wieder an den Ort zurückgebracht werden, wo du sie gefunden hast, denn dort ist der böse Geist in sie gefahren.« Der König konnte sich nicht genug über die Worte des vermeintlichen Sterndeuters verwundern und rief: »O du weiser Mann! Du Gelehrter und Philosoph! Nie gab es einen geschicktern Arzt, als dich! Denn du weißt, daß ich das Mädchen außerhalb der Stadt gefunden habe.« Der Prinz runzelte die Stirn gewichtig und sagte mit bedeutsamer Stimme: »Mir ist noch mehr bekannt: der Ort, an dem du sie entdeckt hast, liegt in einer Ebene, wo eine silberkühle Quelle rieselt. Dorthin laß die Prinzessin führen, damit sie gesunde.« Der Kaiser tat sogleich, wie ihm der weise Mann befohlen hatte, schmückte die Prinzessin mit den herrlichsten Kleinodien und befahl, sie unter den Baum zu tragen, wo er sie mit dem alten Zauberer überrascht hatte. Dann begab er sich mit Kamr al Akmar und seinen Wesiren an diese Stelle. Der verkleidete Prinz ließ Räucherwerk bringen, entzündete die Pfannen, denen ein süßer, dichter Rauch entquoll, wandte die Augen zum Himmel und rief unverständliche Worte aus. Dann wandte er sich an den Kaiser und sagte: »Ich weiß jetzt, daß sich der böse Geist, von dem dieses Mädchen besessen war, im Leibe eines Pferdes verborgen hält, das aus schwarzem Ebenholz geschnitzt ist. Wir müssen nun das Tier auffinden, damit ich den bösen Geist vertreiben kann, denn sonst wird er das arme Mädchen immer wieder peinigen und irreführen.« Da rief der Kaiser voll Begeisterung: »O du göttlicher Meistert Du Weisester aller Weisen! Dir ist gegeben, auch das Verborgene zu erkennen. Denn ich sah neben dem Mädchen und dem alten Zauberer ein Pferd aus Ebenholz stehen; gewiß ist es das Tier, das du meinst.« Der Kaiser befahl sogleich, das Pferd herbeizuführen, und der Prinz prüfte es genau, um zu sehen, ob es noch unbeschädigt sei. Darauf entzündete er wieder die Räucherpfanne, warf ein Pulver hinein und beschrieb seltsame Zeichen mit den Händen. Dann gab er dem Kaiser die Büchse mit Sand, die er mitgenommen hatte, und sagte: »Streuet diesen Sand in die Flammen, sobald ich auf dem Pferde sitze, denn diesen Geruch liebt es sehr; aber der böse Geist wird dadurch bezaubert und muß von hinnen fahren.« — Flugs setzte sich Kamr al Akmar auf das Roß und hob auch die Prinzessin in den Sattel; er rieb an dem Wirbel, und das Pferd erhob sich und flog in die Lüfte wie ein Vogel. Der Kaiser traute seinen Augen nicht und rief seinen Dienern zu: »Haltet ihn fest!« Die aber sagten: »Der Himmel behüte uns, das ist ein Teufel oder selbst ein böser Geist!« Der Kaiser starrte den Entfliehenden unverwandt nach, bis das Pferd in weiter Ferne entschwunden war. Dann tobte er und rief: »Es gibt keine Hilfe und keine Macht, außer beim allmächtigen Gott! Hat jemals ein Auge erblickt, daß ein Mensch in den Lüften reiten kann? Wahrlich, ich bin hintergangen und von einem Zauberer geblendet worden!« Er kehrte mit seinen Truppen in die Stadt zurück, ließ den alten Perser aus dem Verließ heraufholen und schrie: »Du Erbärmlicher! Du hast mich betrogen, denn du verhehltest mir, daß dein hölzernes Pferd eine wundersame Kraft besaß. Nun hat ein hergelaufener Schwindler mir das Mädchen geraubt und all die kostbaren Perlen und Edelsteine, mit denen ich sie geschmückt hatte.« Der Perser warf sich zu Boden, weinte und rief: »Ich bin es selbst, der dieses kunstvolle Tier erbaut hat! Der die Jungfrau entführte, heißt Kamr al Akmar und ist der Sohn des Königs Sabur von Persien; kein anderer kannte das Geheimnis.« Als der Kaiser diese Worte vernahm, wurde er rot vor Wut, schloß sich in seine Gemächer und trauerte lange über den Verlust des schönen Mädchens. [Illustration: Sie gab den Befehl, ein reichhaltiges Bankett vorzubereiten.] Der Prinz aber durchflog mit seiner Geliebten die Luft, bis er zur Hauptstadt seines Vaters gelangte. Er stieg jedoch nicht wieder an dem Lusthause ab, denn er war durch Schaden klug geworden, sondern ließ sich im Schloßgarten seines Vaters nieder. Der König war hochbeglückt über die Ankunft der reizenden Prinzessin und verheiratete sie sogleich mit seinem Sohne. Das ganze Volk freute sich mit ihnen und jubelte, die Häuser waren geschmückt, und alle Großen des Reiches kamen in den Palast und begrüßten die Neuvermählten. König Sabur schickte Boten zu dem Vater der Prinzessin, gab ihnen die prächtigsten Geschenke mit und bat um seine Einwilligung zu der Verbindung. Sieben Tage und sieben Nächte lang dauerten die Lustbarkeiten. Das Zauberpferd aber wurde in der Schatzkammer aufgestellt und sorglich behütet. — Kamr al Akmar folgte seinem Vater in der Herrschaft und regierte noch lange und segensvoll über sein Land, bis ihn der Tod hinwegnahm, der auch die festesten Bande zu lösen vermag. DIE GESCHICHTE VON CHODADAD UND SEINEN BRÜDERN In der Stadt Harran herrschte einst ein sehr reicher und mächtiger König, der seine Untertanen ebenso liebte, wie er von ihnen geliebt wurde. Er war sehr weise und tugendsam, und nichts fehlte ihm zu seinem vollkommenen Glücke, als ein Erbe. Er hatte die schönsten und lieblichsten Frauen in seinem Serail, aber er konnte keine Kinder von ihnen erhalten. Täglich bat er den Himmel um seine Gnade, denn er sehnte sich sehr nach einem Sohne. Eines Nachts, als er in sanftem Schlummer lag, erschien ihm ein Mann, der blickte ihn sanft und gütig an, wie ein Heiliger, und sprach zu ihm: »Deine Bitte wird erfüllt; dir ist gewährt, wonach du verlangst. Sobald du erwachst, erhebe dich, sprich dein Gebet und beuge zweimal die Knie; dann gehe hinaus in den Garten deines Schlosses, und laß dir vom Gärtner einen Granatapfel pflücken; iß davon so viele Kerne, als dir beliebt, und deine Wünsche werden erfüllt werden.« — Als der König die Augen aufschlug, erinnerte er sich des verheißungsvollen Traumes, stand auf, verrichtete sein Gebet und dankte dem Himmel inbrünstig für seine Huld. Dann machte er zwei Kniebeugungen, ging in den Garten, nahm fünfzig Körner des Granatapfels und aß sie. Er hatte einen Harem von fünfzig Beischläferinnen, die wurden nun alle guter Hoffnung; eine aber von ihnen, die Piruza hieß, wurde nicht schwanger. Deshalb verabscheute der König sie so, daß er sie umzubringen beschloß. »Gewiß ist sie dem Himmel verhaßt, weil er sie nicht würdig findet, Mutter eines Knaben zu werden,« sprach er bei sich. Er hatte schon den Befehl gegeben, sie zu töten, als sein Wesir ihm sagte, Piruza könne wohl in gesegneten Umständen sein, auch wenn man es nicht deutlich an ihr bemerkte. »So soll sie am Leben bleiben,« entgegnete der König unwirsch. »Aber ich mag sie nicht mehr sehen; ich will, daß sie sogleich mein Schloß verlasse.« Er befolgte den weisen Rat seines Wesirs und schickte Piruza zu seinem Vetter, dem Prinzen Samer von Samarien, mit einem Briefe, in welchem er ihn bat, sie wohl zu empfangen und ihm Nachricht zu geben, falls sie eines Knaben genesen sei. Piruza war aber noch nicht lange fort, da erhielt der König von seinem Vetter, dem Prinzen Samer, ein Schreiben, das ihm die Geburt eines Sohnes meldete. Der König freute sich sehr darüber und antwortete folgendermaßen: »Lieber Vetter, da alle meine anderen Frauen hier ebenfalls einen Prinzen geboren haben, so haben wir jetzt hier eine so große Menge Kinder, daß ich Dich bitten muß, den Sohn der Piruza aufzuziehen. Nenne ihn Chodadad, und schicke ihn mir zurück, wenn ich Dich darum ersuche.« Der Fürst Samer sparte nichts, um seinem Neffen eine gute Erziehung angedeihen zu lassen. Er unterwies ihn im Bogenschießen, gab ihm Unterricht im Reiten und lehrte ihn alle Künste, die einem Königssohne zukommen, so daß Chodadad, als er achtzehn Jahre geworden war, mehr als alle seine Altersgenossen galt. Seine Kraft und sein Mut waren außerordentlich, dazu war er herrlich von Angesicht und von würdiger Gestalt. Da der Prinz einen männlichen Mut in sich fühlte, sprach er eines Tages zu seiner Mutter: »Liebe Mutter, ich beginne mich in Samarien zu langweilen; darum beurlaube mich und laß mich hinausziehen auf das Schlachtfeld, wo ich meine Tapferkeit erproben kann, denn ich weiß, daß ich hier niemals Ruhm ernten werde. Der König von Harran, mein Vater, hat viele Feinde, die es danach gelüstet, seinen Frieden zu stören und ihn mit Krieg zu überziehen. Ich wundere mich sehr, daß er mich nicht zu Hilfe ruft. Denn ich bin kein Kind mehr, und es frommt mir nicht, meine Kraft und Tapferkeit zu Hause erlahmen zu lassen. Warum hat er mich nicht schon längst an seinen Hof gezogen? Alle meine Brüder dürfen an seiner Seite kämpfen und dem Feinde entgegenreiten; warum soll ich hier mein Leben müßig versitzen?« Piruza antwortete: »Mein Sohn, die Trennung von dir schmerzt mich sehr; dennoch wünsche auch ich, daß dein Name überall mit Preis und Ruhm genannt werde. Es geziemt dir wohl, dich gegen die Feinde deines Vaters auszuzeichnen, aber du solltest warten, bis er um deine Hilfe ruft.« — »Wahrlich, liebe Mutter,« sprach Chodadad, »schon zu lange habe ich diese Verzögerung ertragen! Ich muß meinen Vater von Angesicht sehen, denn ich brenne vor Verlangen, ihm meine Dienste anzubieten; ich glaube, daß ich sterben werde, wenn ich nicht zu ihm eile und ihm die Füße küsse. Als ein Fremdling und ein Unbekannter will ich in sein Heer eintreten, und er wird ohne Zweifel mein Anerbieten nicht verschmähen. Mit Kraft und Ausdauer will ich ihm auf allen Feldzügen folgen, damit ich seine Achtung verdienen und ihm beweisen kann, daß ich wirklich sein Sohn und seiner würdig bin.« Der Fürst Samer aber verweigerte seine Einwilligung und wollte nicht dulden, daß Chodadad ohne Befehl des Königs aufbräche; der aber machte sich eines Tages auf den Weg unter dem Vorwande, er wolle auf die Jagd reiten. Er schwang sich auf ein weißes Roß, dessen Zügel und Hufbeschläge von Golde blinkten. Decke und Sattel waren aus blauem Atlas, mit Edelsteinen geziert und mit köstlichen Perlen. Er trug einen Säbel mit einem Griffe, der aus einem einzigen Diamanten bestand, und die Scheide aus Sandelholz war mit Rubinen und Smaragden eingelegt und haftete an einem edelsteinblitzenden Gürtel. Über seiner Schulter hing ein Bogen und ein Köcher, der ganz in Silber getrieben war. In dieser herrlichen Ausrüstung, geleitet von seinen Freunden, traf er in der Stadt Harran glücklich ein. Es gelang ihm auch bald, sich dem Könige vorzustellen. Der Sultan war entzückt von der Schönheit und dem stattlichen Wuchse des jungen Unbekannten und erwiderte gar gnädig seinen Gruß; vielleicht auch war es die Macht des Blutes, die sein Herz für diesen Jüngling wärmer schlagen ließ, — jedenfalls rief er ihn voll Huld an seine Seite und fragte ihn nach Stand und Namen. Chodadad neigte sich tief zur Erde und sprach: »Hoher Herr, ich bin der Sohn eines Emirs in Kairo; Reiselust und die Sehnsucht nach fremden Ländern trieben mich aus meinem Vaterlande; lange bin ich umhergezogen, bis mir neulich die Kunde wurde, daß deine Nachbarn dich mit Krieg überziehen wollen; sofort eilte ich an deinen Hof, denn es gelüstet mich sehr, dir meine Dienste anzubieten und meinen Mut zu beweisen.« Der König freute sich über diese mutigen und heldenhaften Worte und ernannte ihn sogleich zu einem Befehlshaber in seinem Heere. Der junge Prinz überwachte die Truppen des Königs aufs sorgfältigste und erwarb sich schnell die Achtung der Hauptleute und die Bewunderung und Zuneigung der Soldaten, denn er war milde und gütig zu ihnen und hielt sie alle in Gehorsam und strenger Zucht. Der König war entzückt, als er sein Heer in so trefflichem Zustand erblickte, und machte Chodadad zu seinem besondern Günstling; alle Emire und Wesire und die übrigen Höflinge bewarben sich um sein Wohlwollen und zeigten ihm, welch hohe Achtung sie ihm, dem Fremdling, entgegenbrachten. Die anderen Prinzen aber sahen dies nur mit Neid, und ihr Herz entbrannte in Ärger und Haß, weil sie vor dem Unbekannten an Bedeutung und Ansehen verloren. Der König dagegen freute sich von Tag zu Tag mehr über die kluge und einsichtige Rede und den Verstand und Geist seines Günstlings, so daß er ihn immer um sich haben wollte und ihm schließlich sogar die Erziehung und Aufsicht über die andern neunundvierzig Prinzen anvertraute, trotzdem Chodadad im gleichen Alter wie seine Brüder war. Ihr Haß wuchs durch diese Maßnahme des Vaters nur um so heftiger, und eines Tages traten sie zusammen und berieten sich: »Wie ist es möglich, daß unser Vater diesen Fremdling mehr liebt, als uns, und ihn sogar zu unserm Erzieher einsetzt? Wir müssen uns seinen Befehlen unterwerfen und dürfen nichts ohne seine Erlaubnis tun. Wahrlich, dieser Zwang ist unerträglich; wir müssen trachten, uns von ihm frei zu machen! Laßt uns darüber nachdenken, wie wir uns dieses unbequemen Hofmeisters auf die beste Art entledigen können.« Einer von ihnen meinte: »Wollen wir uns nicht vereinigen und ihn alle zusammen an einem einsamen Orte totschlagen?« Ein anderer wandte dagegen ein: »Nein! wenn wir ihn erschlügen, würden wir uns selbst zu Fall bringen, denn wir könnten unser Tun vor dem Könige nicht geheimhalten; er würde uns mit seinem Haß verfolgen und uns gewiß alle des Thrones für verlustig erklären. Ich habe einen andern Rat. Laßt uns zu einer List greifen. Wir wollen darum bitten, auf die Jagd reiten zu dürfen; wenn wir weit genug vom Palaste entfernt sind, dann wollen wir in irgendeiner Stadt bleiben und uns dort eine geraume Zeit aufhalten. Sicherlich wird dann der König über unsre Abwesenheit verwundert sein und sich grämen; und wenn wir nicht mehr zurückkehren, wird er Argwohn hegen und die Geduld verlieren und dann unsern Peiniger gewiß fortjagen oder töten lassen. Dies scheint mir der sicherste Weg zu sein, um den Verhaßten aus dem Wege zu räumen.« Dieser Vorschlag wurde allgemein anerkannt und fand ungeteilten Beifall. Die Brüder gingen nun zu Chodadad und ersuchten ihn darum, auf die Jagd ziehen zu dürfen, zugleich versprachen sie, mit Sonnenuntergang desselben Tages zurückzukommen. Er ging auch in die Schlinge und gewährte ihnen ihre Bitte. Sie ritten fort, kehrten aber weder an diesem, noch am nächsten Tage ins Schloß zurück. Drei Tage waren vergangen, da wurde der König unruhig und fragte Chodadad: »Ich vermisse die Prinzen sehr; warum zeigt sich keiner vor meinem Throne?« — »Erhabener Herr,« erwiderte dieser, »sie baten mich darum, auf die Jagd reiten zu dürfen; aber sie versprachen mir, bald heimzukehren, und ich bin selbst in Sorge, weil sie ihr Wort nicht gehalten haben.« Der König war ratlos, und seine Unruhe wuchs. Als auch der folgende Tag verstrich und die Prinzen nicht erschienen, konnte er seine Wut kaum zurückhalten und sprach zu Chodadad in hellem Zorne: »Nachlässiger Fremdling, wie konntest du so verwegen sein und meine Söhne allein zur Jagd reiten lassen, ohne sie zu begleiten? Wahrlich, du verwaltest das Ehrenamt schlecht, das ich dir anvertraut habe! Mache dich sogleich auf und suche sie; wenn du sie aber nicht zurückbringst, so werde ich dich des schrecklichsten Todes erbleichen lassen!« Bei diesen Worten erschauderte Chodadad und erschrak sehr; auf der Stelle schwang er sich auf sein Roß und ritt zur Stadt hinaus, um nach den Verlorenen zu forschen. Gleich einem Hirten, dessen Herde sich verirrt hat, zog er von Land zu Land, durchstreifte alle Gefilde und fragte in allen Dörfern; aber weder in der Wüste, noch in den Städten konnte er eine Spur von den Prinzen finden. Da wurde er sehr traurig und rief in heftiger Bekümmernis: »O meine Brüder, wohin seid ihr verschlagen? Hat euch ein grimmiger Feind erbeutet, oder ist euch ein anderes Unglück widerfahren? Niemals kann ich an den Hof von Harran zurückkehren, denn der König wird vor Herzeleid und Verdruß mir seine Gnade gewiß nie wieder zuwenden.« Er fand keinen Trost darüber und bereute bitterlich, daß er die Prinzen ohne seine Begleitung hatte auf die Jagd ziehen lassen. Schon lange war er von Feld zu Feld und Wald zu Wald gezogen, als er an eine sehr große und weite Ebene gelangte, in deren Mitte ein riesiger Palast aus schwarzem Marmor stand. Langsam und vorsichtig ritt er darauf zu und erblickte an einem Fenster ein Fräulein von wunderbarer Schönheit, das mit keinen anderen Reizen, als mit ihrer eigenen Lieblichkeit geschmückt war; denn ihre Kleider waren zerrissen, ihre Haare hingen gelöst und verwirrt, und auf ihrem Gesicht lagen die Züge tiefster Kümmernis und nagender Trauer. Als Chodadad so nahe herangekommen war, daß er ihre Worte hören konnte, vernahm er folgende Warnung: »Fliehe vor diesem verhängnisvollen Palaste, Jüngling, sonst wirst du in die Hände des Ungeheuers fallen, das hier wohnt! Ein schwarzer Menschenfresser haust in diesen Räumen; er ergreift alle Leute, welche das Unglück in diese Ebene geschickt hat, und sperrt sie in finstere, enge Kerker ein und befreit sie nur, wenn er sie auffressen will.« Chodadad verwunderte sich über diese Rede und rief: »Sage mir, Herrin, wer du bist und woher du stammst! Wegen mir sei unbesorgt.« Sie erwiderte: »Ich stamme aus einem edlen Hause und bin aus Kairo gebürtig; neulich, als ich auf einer Reise nach Bagdad in diese Ebene kam und an dem Schlosse vorbeizog, begegnete mir der Abessinier, erschlug alle meine Leute und schleppte mich in diesen Palast, wo er mich jetzt in Gewahrsam hält. Ich fürchte den Tod nicht, aber ein gräßliches Unglück steht mir noch bevor; denn dieses Scheusal verlangt von mir, daß ich mich seinen unreinen Liebkosungen ergeben soll! Wenn ich mich ihm morgen nicht willfährig zeige und mich seinen rohen Lüsten nicht ausliefere, wird er mich schänden und mir Gewalt antun. Eile von hinnen und rette dich, ehe der Schwarze zurückkommt! Er ist vorhin ausgegangen, um einige Wanderer zu verfolgen und wird bald heimkehren. Du darfst keine Zeit verlieren, denn das Ungeheuer sieht weit und breit, wer durch die Ebene zieht, und wird dich gewiß fangen und in eine dunkle Zelle werfen.« Kaum hatte die Jungfrau diese Worte gesprochen, als der Abessinier erschien; er war riesengroß und hatte furchtbare Züge, ritt auf einem mächtigen tatarischen Pferde und trug ein breites, langes Schwert, das niemand schwingen konnte, außer ihm. Der Prinz Chodadad entsetzte sich gewaltig über diese Erscheinung, und sein Herz krampfte sich zusammen; er betete leise und empfahl sich dem Schutze Gottes. Dann zog er sein Schwert und erwartete mutig und unerschrocken den Abessinier, welcher seinen Gegner für so schwach hielt, daß er ihm zurief, er möge sich ohne Widerrede ergeben, denn er wolle ihn lebendig fangen. Chodadad aber war entschlossen, um sein Leben zu kämpfen, sprengte auf ihn zu, packte seine Klinge und versetzte dem Schwarzen einen so kraftvollen Hieb in das Knie, daß er ein lautes Geschrei erhob und vor Wut schäumte, so daß die ganze Ebene von seinem Geheul erscholl. Rasend vor Schmerz, erhob sich der Schwarze in seinen Steigbügeln und ließ sein Schwert herabsausen, um Chodadad mit einem einzigen Streiche zu Boden zu schlagen. Der Prinz wäre wie Gurke gespalten worden, wenn er nicht seine Geschicklichkeit gezeigt hätte; aber mit einer gewandten Schwenkung seines Rosses wich er dem Hiebe aus und versetzte selbst dem Mohren einen zweiten Streich von solcher Gewalt, daß er ihm die rechte Hand abhieb, die den Schwertgriff gepackt hielt. Die Klinge fiel zugleich mit der Faust zu Boden, und der Schwarze war von der Heftigkeit des Schlages so erschüttert, daß er das Gleichgewicht verlor und aus dem Sattel sank, so daß die Erde weithin von dem Anprall erdröhnte. Behende schwang sich der Prinz von seinem Pferde, trennte den Kopf des Feindes vom Rumpfe und warf ihn in großem Bogen über das Feld. Das Fräulein hatte aus dem Fenster dem furchtbaren Kampfe zugeschaut und fortwährend innige Gebete für den tapfern Jüngling zum Himmel emporgeschickt; als sie den Fall des Ungetüms erblickte, schrie sie laut auf vor Überraschung und Entzücken und rief dem Prinzen zu: »Preis und Ehre sei dem allmächtigen Gott, der dir die Kraft und den Mut verliehen hat, dieses Ungeheuer zu vernichten: Wahrlich, nur bei Allah ist Schutz und Hilfe! Nun aber gehe hin zu dem Abessinier, und nimm die Schlüssel zum Palaste, die er bei sich trägt; öffne das Tor und befreie mich aus meinem Kerker!« Chodadad folgte ihren Worten und fand die Schlüssel am Gürtel des Erschlagenen, dann öffnete er die Pforte und trat in einen großen Saal, wo er das Fräulein antraf, daß ihm voll Jubel entgegeneilte. Sie wollte sich ihm aus Dankbarkeit zu Füßen werfen, doch er hinderte sie daran. Sie pries ihn wegen seines Mutes und erhob ihn über alle Helden der Erde; er aber erwiderte ihren Gruß und ihre Höflichkeit, denn er sah, daß sie in der Nähe noch reizender und liebenswürdiger war, als von ferne. Darum freute sich der Prinz ebensosehr über ihre Befreiung, als darüber, daß er sich dem schönen Mädchen hatte gefällig erweisen können; er setzte sich zu ihr, rastete und plauderte mit ihr. Plötzlich vernahm Chodadad Schreien und Jammern und Stöhnen und fragte das Mädchen erstaunt und erschrocken: »Woher kommen diese kläglichen Töne, die an mein Ohr dringen?« Sie deutete mit dem Finger auf eine niedrige Pforte in der Ecke des Hofes und sagte: »Mein Prinz, von dorther klingt das Geschrei. Dort härmen sich viele Elende in ihrem Kerker, die das Unglück in die Klauen dieses Ungeheuers fallen ließ; der Schwarze fesselte sie und warf sie ins Gefängnis, damit er jeden Tag einen von ihnen braten und fressen könnte.« Der Prinz freute sich über diese Kunde, und seine Augen leuchteten. »Wie glücklich bin ich,« rief er aus, »daß ich diesen Unglücklichen das Leben wiedergeben kann! Komm, Herrin, und zeige mir den Weg zu ihren Zellen; du wirst gewiß meine Freude teilen, da du selbst dem Unheil entronnen bist, das dir täglich drohte.« Sie näherten sich zusammen den Kerkertüren, und immer lauter wurde das Kreischen und Weinen der Gefangenen, so daß Chodadad erschauderte. Eilends stieß er einen der Schlüssel in das Schloß, aber er hatte nicht den rechten gefaßt und mußte einen andern nehmen; mit dem öffnete er hastig das Tor. Da die Unglücklichen das Rasseln der Schlüssel vernahmen, glaubten sie, daß der Mohr zu ihnen herabsteige, um ihnen wie gewöhnlich Speise zu bringen und sich einen von ihnen zur Nachtmahlzeit auszusuchen; jeder fürchtete, daß die Reihe an ihn käme, und so wuchs das Gestöhn und Geschrei, daß es klang, als ob aus dem Mittelpunkte der Erde unaufhörlich Seufzer und Klagelaute herauftönten. Als der Prinz die Türe geöffnet hatte, fand er eine sehr steile und tiefe Treppe, auf welcher er in eine finstere und feuchte Höhle hinabklomm; darin waren mehr als hundert Menschen mit gefesselten Gliedern an Pfähle festgebunden; durch ein kleines rundes Loch schien das spärliche Licht des Tages herein. Er rief ihnen zu: »Ihr armen Unglücklichen, fürchtet euch nicht mehr, denn ich habe das Ungeheuer erschlagen; preiset mit mir den erhabenen Allah, der euch durch meinen Arm erlöst hat! Ich komme, um euch die Fesseln abzunehmen und euch die Freiheit wiederzugeben.« Als die Gefangenen diese frohe Kunde hörten, erhoben sie vor Seligkeit und Entzücken ein lautes Geschrei. Chodadad und das Mädchen begannen nun, die Eingesperrten loszubinden, so daß sie bald alle ihrer Fesseln ledig waren. Sie küßten Chodadad die Füße, dankten ihm und stiegen mit ihm aus der tiefen Grube ans Licht herauf. Wie verwunderte sich Chodadad, als sie in den besonnten Hof traten und er unter den Gefangenen auch seine Brüder erkannte, die zu finden er so lange umhergeirrt war! Rief Chodadad: »Ruhm und Preis sei dem Herrn, daß ihr mir wiedergegeben seid! Täuschen mich meine Augen nicht? Seid ihr es, liebe Prinzen? Der König, euer Vater, trauert sehr und härmt sich über euer Ausbleiben; wie froh bin ich, daß ich euch meinem edlen Herrn zurückführen kann!« Die neunundvierzig Prinzen umarmten ihren Erretter und dankten ihm im Übermaße des Glückes; dann erzählten sie ihm, auf welche Weise sie in die Gewalt des grausamen Abessiniers gefallen waren. Chodadad bereitete allen Gefangenen ein Gastmahl, dann durchforschte er mit ihnen den Palast und entdeckte untermeßliche Schätze: chinesische Seidenstoffe, Atlas, Brokat, Gold und Silber und unzählige Warenstücke, welche der Mohr den Karawanen nach und nach geraubt hatte. Der Prinz forderte nun einen jeden auf, sein Eigentum zu suchen und wieder an sich zu nehmen, und was noch übrigblieb, das verteilte er zu gleichen Teilen unter sie alle. Dann sagte er zu ihnen: »Wie aber wollt ihr eure Ballen fortbringen, da wir hier in der Wüste sind und keine Lasttiere finden?« Sie antworteten: »Herr, der Abessinier hat uns mitsamt unseren Waren auch unsere Kamele geraubt; sicherlich stehen sie noch in den Ställen dieses Schlosses.« Sie begaben sich in die Stallungen und fanden nicht nur die Kamele der Kaufleute, sondern auch die neunundvierzig Pferde der Prinzen, die dort angebunden waren. In den Ställen hockten aber auch viele abessinische Sklaven; als sie sahen, daß die Gefangenen alle befreit waren, wußten sie, daß ihr Herr tot war und flohen vor Schrecken auf geheimen Wegen hinaus in den Wald; und keiner dachte daran, sie zu verfolgen. Die Kaufleute packten ihre Waren voll Freude auf die Rücken der Kamele, dankten dem Prinzen nochmals, wünschten ihm Glück und Segen und machten sich alsbald auf den Heimweg. Lange blickte ihnen Chodadad in Gedanken versunken nach, bis sie fern in der flimmernden Wüste verschwunden waren; dann wandte er sich an das Fräulein und sprach zu ihr: »Edle und schöne Dame, sag mir, woher du kamst, als der Abessinier dich überfiel, und wohin du jetzt zu reisen gedenkst. Ich will dich wieder in deine Heimat führen, und ohne Zweifel werden alle diese Prinzen dir gern das Geleit geben.« »Mein Retter,« entgegnete das Fräulein, »ich stamme aus einem fernen Lande, ich lebe in Ägypten, und der Weg ist so weit, daß ich dein Anerbieten abweisen muß, um deine Großmut nicht länger zu mißbrauchen. Vorhin sagte ich dir, ich sei ein Mädchen aus Kairo; aber da du mir das Leben gerettet und mir so viel Edles erwiesen hast, wäre es undankbar und stünde es mir übel an, wenn ich dir meine Geschichte länger verhehlen wollte. Ich bin die Tochter eines weitbekannten Königs, der über Said regiert; ein Räuber bemächtigte sich seines Thrones und nahm ihm das Leben; da entfloh ich, um meine Ehre zu retten.« Nach diesen Worten baten Chodadad und seine Brüder die Prinzessin, ihnen ihre Geschichte zu erzählen und was ihr widerfahren sei, und sprachen zu ihr: »Wir werden alles aufbieten, damit du hinfort in Glück und Wohlstand leben kannst, denn wir wollen dich schützen und dir dein Reich wieder gewinnen helfen.« Als sie sah, daß sie die Neugierde der Brüder befriedigen mußte, begann sie mit folgenden Worten: GESCHICHTE DES PRINZEN ACHMED UND DER FEE PARI BANU Es war einmal ein Sultan, welcher nach einer vieljährigen friedlichen Regierung im Alter die Freude hatte, zu sehen, daß seine drei Prinzen, als würdige Nachahmer seiner Tugenden, nebst einer Prinzessin, die seine Nichte war, die Zierde seines Hofes ausmachten. Der älteste von diesen Prinzen hieß Hussain, der zweite Aly, der jüngste Achmed und seine Nichte Nurunnihar. Die Prinzessin Nurunnihar war die Tochter des jüngsten Bruders des Sultans, der schon wenige Jahre nach seiner Vermählung gestorben war und sie als zarte Waise zurückgelassen hatte. Mit einer unvergleichlichen Schönheit und mit allen Vollkommenheiten des Körpers verband die Prinzessin einen ebenso außerordentlichen Verstand, und ihre fleckenlose Tugend zeichnete sie unter allen Prinzessinnen ihrer Zeit aus. Der Sultan, als Oheim der Prinzessin, der sich schon längst vorgenommen hatte, sie, wenn sie mannbar geworden sein würde, zu verheiraten und durch ihre Vermählung ein Verwandtschaftsbündnis mit irgendeinem benachbarten Fürsten anzuknüpfen, dachte jetzt um so ernsthafter daran, da er bemerkte, daß seine drei Prinzen dieselbe leidenschaftlich liebten. Er betrübte sich darüber außerordentlich, nicht sowohl deswegen, weil ihre Zuneigung ihn hinderte, die beabsichtigte Verbindung zu schließen, als vielmehr wegen der Schwierigkeit, sie alle drei über diesen Punkt zu einigen und die beiden jüngeren wenigstens zu veranlassen, die Prinzessin dem ältesten zu überlassen. Er sprach mit jedem von ihnen besonders, und machte ihnen die Unmöglichkeit klar, daß eine einzige Prinzessin drei Männer auf einmal heiraten könne, und zugleich, welche Uneinigkeit daraus entstehen würde, wenn sie alle drei bei ihrer Leidenschaft beharrten. Er bot alles auf, um sie zu bewegen, daß sie entweder der Prinzessin die entscheidende Wahl unter ihnen dreien überlassen oder selber von ihren Ansprüchen abstehen, an eine andere Wahl denken und sie mit einem auswärtigen Prinzen vermählen lassen sollten. Doch als er bei ihnen auf eine unüberwindliche Hartnäckigkeit stieß, ließ er sich alle drei kommen und richtete die folgenden Worte an sie: »Meine Kinder, da es mir nicht gelungen ist, euch zu eurem Glück und zu eurer Ruhe dahin zu vermögen, daß ihr euch nicht weiter um die Hand meiner Nichte bewerben möchtet, und ich von meinem väterlichen Ansehen nicht Gebrauch machen und sie einem von euch geben will, so glaube ich ein Mittel gefunden zu haben, um euch alle zufrieden zu stellen und die Einigkeit unter euch zu erhalten, sofern ihr anders auf mich hören und das, was ich euch sagen werde, tun wollt. Ich finde es nämlich am passendsten, daß ihr alle drei, doch jeder anderswohin, eine Reise macht, so daß ihr euch durchaus nicht treffen oder begegnen könnt, und da ihr wißt, wie neugierig ich auf alles bin, was in seiner Art selten und einzig ist, so verspreche ich die Prinzessin demjenigen zur Gemahlin zu geben, der mir die außerordentlichste Seltenheit mitbringen wird. Ihr sollt dann selber über die Vorzüglichkeit der von euch mitgebrachten Sachen entscheiden und euch selbst euer Urteil sprechen, indem ihr den Vorzug demjenigen unter euch gebet, der ihn verdient. Zu den Reisekosten und zu dem Ankauf von Seltenheiten, die ihr euch zu verschaffen suchen werdet, will ich jedem von euch eine eurem Stand angemessene Summe mitgeben. Indes, ihr dürft sie nicht auf Reisegefolge oder Reisegepäck verwenden, weil ihr dadurch verraten würdet, wer ihr seid und dadurch jede Freiheit einbüßen würdet, deren ihr nicht bloß zur Ausführung dieses Planes, sondern auch sonst noch bedürft, um alles das, was eurer Aufmerksamkeit wert ist, beobachten zu können.« [Illustration: Piruza, die Schönste und Ehrenhafteste von allen.] Da die Prinzen sich stets den Wünschen des Vaters willig gefügt hatten, und da überhaupt ein jeder von ihnen hoffte, das Glück werde ihm günstig sein und ihm den Besitz der Prinzessin Nurunnihar verschaffen, so antworteten sie ihm, daß sie ihm zu gehorchen bereit wären. Ohne Verzug ließ ihnen nun der Sultan die versprochene Summe auszahlen, und noch denselben Tag gaben sie ihre Befehle zu den Vorbereitungen zur Reise, ja sie nahmen sogar von ihrem Vater, dem Sultan, Abschied, um den folgenden Tag ganz früh schon abreisen zu können. Sie zogen alle drei, mit allem Nötigen wohl versehen und ausgerüstet und als Kaufleute verkleidet, zu einem und demselben Tore der Stadt hinaus, jeder bloß von einem einzigen vertrauten Diener in Sklavenkleidern begleitet. So gelangten sie miteinander bis zur ersten Nachtherberge, wo der Weg sich in dreifacher Richtung teilt und wo sich jeder einen Weg zur Fortsetzung seiner Reise wählen konnte. Als sie hier miteinander die Abendmahlzeit verzehrten, verabredeten sie sich untereinander, daß ihre Reise gerade ein Jahr dauern sollte, und sie bestellten sich nach Ablauf dieser Frist wieder in dieselbe Herberge, mit der Bedingung, daß, wer zuerst da einträfe, auf den andern, und beide dann auf den dritten warten sollten, so daß sie alle drei, so wie sie miteinander zugleich von ihrem Vater Abschied genommen, auch bei ihrer Rückkehr sich ihm alle zusammen wieder vorstellen könnten. Den folgenden Morgen stiegen sie bei Tagesanbruch zu Pferde, und nachdem sie sich umarmt und einander glückliche Reise gewünscht hatten, schlug jeder von ihnen einen von den drei Wegen ein. Der Prinz Hussain, der älteste von den drei Brüdern, welcher viel von der Größe, der Macht, dem Reichtum und dem Glanze des Königreichs Bisnagar hatte erzählen hören, nahm seine Richtung nach dem indischen Meere. Nach einer Reise von etwa drei Monaten, auf der er sich an verschiedene Karawanen anschloß und bald öde Wüsten und Gebirge, bald sehr bevölkerte, angebaute und fruchtbare Länder durchzog, gelangte er endlich nach Bisnagar, welches die Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs und zugleich der Sitz der Könige dieses Landes ist. Er kehrte in einen Chan ein, in welchem die fremden Kaufleute abzusteigen pflegten, und da er hörte, daß es hauptsächlich vier Orte in der Stadt gäbe, wo die Kaufleute und Verkäufer aller Arten von Handelswaren ihre Läden hatten, begab er sich gleich am folgenden Tage nach einem dieser Plätze. In der Mitte desselben lag das Schloß oder vielmehr der königliche Palast, welcher einen großen Raum einnahm und gleichsam den Mittelpunkt der Stadt bildete, die drei Ringmauern hatte und deren Tore zwei volle Stunden Weges weit voneinander entfernt waren. Der Prinz Hussain konnte das Stadtviertel, in dem er sich befand, nicht ohne Verwunderung betrachten. Es war sehr geräumig, und von mehreren Straßen durchschnitten, welche gegen die Sonnenglut oben überwölbt und doch alle sehr hell waren. Die Kaufläden waren alle gleich groß und von ein und derselben Form, und die Läden derjenigen Kaufleute, welche dieselben Waren verkauften, waren nicht zerstreut, sondern in ein und derselben Straße beisammen, und ebenso war es mit den Buden der Handwerker. Die Menge der Läden, welche mit derselben Gattung von Waren angefüllt waren, wie z. B. mit den feinsten indischen Schleiertüchern, mit buntgemalten Linnentüchern, welche in den lebhaftesten Farben ganze Landschaften, Menschen, Bäume und Blumen darstellten, mit Brokat und Seidenstoffen aus Persien, China und andern Orten, ferner mit japanischem Porzellan oder Fußteppichen von allen Gattungen und von jeder Größe, überraschte ihn so sehr, daß er nicht wußte, ob er seinen eignen Augen trauen dürfte. Doch als er zu den Läden der Goldschmiede und Juweliere kam — beide Gewerbe wurden nämlich von einer und derselben Klasse von Kaufleuten betrieben —, war er beim Anblick der ungeheuren Menge trefflicher Gold- und Silberarbeiten ganz außer sich und wie geblendet von dem Glanze der Perlen, der Diamanten, Smaragde, Rubine, Saphire und anderer Edelsteine, die hier in Fülle zum Verkauf ausgeboten wurden. Wenn er nun schon über so viele, an einem einzigen Orte aufgehäufte Reichtümer verwundert war, so mußte er sich noch mehr über den Reichtum des Königreichs im allgemeinen wundern, als er bemerkte, daß — mit Ausnahme der Brahmanen und der Tempeldiener, die es zu ihrem Berufe machten, fern von den Eitelkeiten der Welt zurückgezogen zu leben — es im ganzen Reiche nicht leicht einen Inder oder eine Inderin gab, die nicht Hals- und Armbänder, Schmuck an den Schenkeln und Füßen von Perlen und Edelsteinen gehabt hätten, die um so glänzender erschienen, als die Hautfarbe der sämtlichen Einwohner so schwarz war, daß sie den Glanz derselben bedeutend hob. Nachdem Prinz Hussain das ganze Stadtviertel von Straße zu Straße durchkreuzt und den Kopf ganz voll von den Reichtümern hatte, die sich seinen Augen darboten, empfand er endlich das Bedürfnis, etwas auszuruhen. Er sagte dies einem Kaufmann und dieser lud ihn sehr höflich ein, in seinen Laden einzutreten und sich zu setzen, was er denn auch annahm. Er hatte noch nicht lange dagesessen, als er einen Ausrufer vorübergehen sah, mit einem Teppich von etwa sechs Fuß ins Geviert, den er zu einem Preise von dreißig Beuteln ausbot. Er rief den Ausrufer heran und wünschte den Teppich zu sehen, der ihm nicht bloß wegen seiner Kleinheit, sondern auch in Hinsicht auf die Güte viel zu teuer ausgeboten zu werden schien. Als er den Teppich genug besichtigt hatte, sagte er zu dem Ausrufer, daß er nicht begreife, wie ein so kleiner und so unscheinbarer Fußteppich zu einem so hohen Preise feilgeboten werden könne. Der Ausrufer, welcher den Prinzen für einen Kaufmann hielt, antwortete ihm: »Gnädiger Herr, wenn Euch dieser Preis schon so übermäßig hoch vorkommt, wie werdet Ihr Euch erst wundern, wenn ich Euch sage, daß ich Befehl habe, ihn bis zu vierzig Beuteln zu steigern und ihn bloß für diesen Preis, und zwar in barem Gelde abzulassen.« »So muß er,« erwiderte der Prinz, »diesen Preis um irgend einer Eigenschaft willen wert sein, die mir unbekannt ist.« »Ihr habt es erraten, edler Herr,« antwortete der Ausrufer, »und Ihr werdet mir gewiß zugeben, daß der Preis nicht zu hoch ist, wenn Ihr erst wißt, daß, wenn man sich auf diesen Teppich setzt, man sich auf ihm überall hin versetzen kann, wohin man sich wünscht, und daß man augenblicklich da ist, ohne daß einem irgendein Hindernis unterwegs zustoßen kann.« Diese Äußerungen des Ausrufers bewirkten, daß der Prinz von Indien, mit Rücksicht darauf, daß der Hauptzweck seiner Reise ja doch nur der sei, seinem Vater, dem Sultan, irgendeine Seltenheit mitzubringen, der Meinung wurde, er könne nicht leicht einer Sache habhaft werden, die dem Sultan mehr Freude zu machen imstande wäre. »Wenn der Teppich,« sagte er zu dem Ausrufer, »wirklich die Eigenschaft hätte, die du ihm beilegst, so würde ich den dafür verlangten Preis von vierzig Beuteln nicht zu hoch finden, ja, ich könnte mich wohl selbst entschließen, auf diesen Preis einzugehen und außerdem dir noch ein Geschenk zu machen, womit du gewiß zufrieden sein würdest.« »Gnädiger Herr,« erwiderte der Ausrufer, »ich habe Euch die Wahrheit gesagt, und es wird mir leicht sein, Euch davon zu überzeugen, wenn Ihr erst den Handel für vierzig Beutel eingegangen seid, mit der Bedingung, daß ich Euch zuvor einen Versuch der Art machen lasse. Da Ihr nun die vierzig Beutel nicht hier habt, und ich Euch doch, um sie in Empfang zu nehmen, erst nach dem Chan begleiten müßte, wo Ihr als Fremder eingekehrt seid, so wollen wir mit Erlaubnis des Besitzers in diesen Laden treten. Dort werde ich den Teppich ausbreiten, und wenn wir uns beide darauf gesetzt haben und Ihr den Wunsch geäußert haben werdet, mit mir nach Eurem Zimmer in dem Chan versetzt zu sein und es nicht auf der Stelle in Erfüllung geht, so soll der Handel ungültig und Ihr zu nichts verpflichtet sein. Was das Geschenk betrifft, so werde ich es — da meine Mühe mir ja von dem Verkäufer bezahlt werden muß — als eine Gnade betrachten, die ihr mir erzeigt, und für die ich Euch stets verpflichtet sein werde.« Der Prinz ging im Vertrauen auf die Redlichkeit des Ausrufers auf diesen Vorschlag ein. Er schloß den Kauf unter der erwähnten Bedingung ab und trat mit Erlaubnis des Kaufmanns in den Laden ein. Der Ausrufer breitete den Teppich aus, beide setzten sich darauf, und kaum hatte der Prinz den Wunsch, in das Zimmer seines Chans versetzt zu werden, geäußert, so befanden sie sich auch schon dort, und zwar in derselben Lage. Da er weiter keine Versicherung für die Kraft des Teppichs mehr bedurfte, zahlte er dem Ausrufer die Summe von vierzig Beuteln in Gold aus und fügte noch für ihn besonders ein Geschenk von zwanzig Goldstücken hinzu. So war denn nun der Prinz Hussain Besitzer des Teppichs und hatte die Freude, gleich bei seiner Ankunft in Bisnagar ein so seltnes Stück an sich gebracht zu haben, das, wie er nicht zweifelte, ihm den Besitz der Prinzessin Nurunnihar verschaffen mußte. In der Tat hielt er es für unmöglich, daß seine beiden jüngeren Brüder etwas von ihrer Reise mitbringen könnten, daß mit demjenigen verglichen werden könnte, was er so glücklich gewesen war, zu finden. Er hätte sich jetzt nicht länger in Bisnagar aufzuhalten brauchen, denn der Teppich ermöglichte es ihm, sich in einem Augenblick nach dem verabredeten Zusammenkunftsort zu versetzen. Allein da er dann so lange hätte warten müssen, bechloß er, da er neugierig war, noch einige Monate zu bleiben, um den König von Bisnagar und seinem Hofe, sowie seine Streitkräfte, Gesetze, Sitten, die Religion und die Verfassung des Reichs kennen zu lernen. Das tat er denn auch und er sah so viele merkwürdige Dinge, daß er sich wohl bis zum Ablauf des Jahres hätte angenehm zerstreuen können, nach welchem er sich, der Verabredung gemäß, wieder mit seinen Brüdern zusammenfinden wollte; allein, da er auch durch das, was er gesehen, völlig befriedigt und beständig mit dem Gegenstand seiner Liebe beschäftigt war, dünkte ihm, sein Gemüt werde ruhiger und er selber zugleich seinem Glücke näher sein, wenn er durch eine geringere Ferne von ihr getrennt wäre. Nachdem er daher dem Wirte des Chans den Mietzins für das Zimmer, welches er innegehabt, bezahlt und ihm die Stunde bezeichnet hatte, wo er sich den Schlüssel seines Zimmers abholen könne, ging er, ohne ihm weiter zu sagen, wie er abreisen würde, in sein Gemach, machte die Tür hinter sich zu, ließ aber den Schlüssel darin stecken. Hier breitete er den Teppich aus und setzte sich mit seinem vertrauten Diener darauf. Sodann sammelte er seine Gedanken, und kaum hatte er recht ernstlich gewünscht, daß er doch in der Herberge sein möchte, wo seine Brüder mit ihm zusammentreffen sollten, als er auch schon da war. Er kehrte dort ein, indem er sich für einen reisenden Kaufmann ausgab, und erwartete die andern. Der jüngere Bruder Hussains, Prinz Aly, welcher sich eine Reise nach Persien vorgenommen hatte, war mit einer Karawane, an die er sich schon am dritten Tage nach der Trennung von seinen beiden Brüdern angeschlossen, dahin abgegangen. Nach einer Reise von beinahe vier Monaten kam er endlich nach Schiras, welches damals die Hauptstadt des persischen Reiches war. Da er unterwegs mit einer kleinen Anzahl von Kaufleuten Bekanntschaft und Freundschaft geschlossen hatte, doch ohne sich ihnen weiter zu erkennen zu geben, nahm er seine Wohnung in demselben Chan mit ihnen. Den folgenden Tag, während die anderen Kaufleute ihre Warenballen öffneten, zog der Prinz Aly andere Kleider an und ließ sich nach dem Orte führen, wo Edelsteine, Gold- und Silberarbeiten, Brokat, Seidenstoffe, feine Schleiertücher und andere seltene und kostbare Waren zu verkaufen waren. Dieser Ort, der sehr geräumig und sehr dauerhaft angelegt war, war oben überwölbt, und das Gewölbe wurde von dicken Pfeilern getragen; die Buden aber waren teils um diese herum, teils an den Mauern entlang, sowohl von innen, als von außen angelegt. Der Ort selbst war in Schiras allgemein unter dem Namen Besastan bekannt. Gleich anfangs durchstreifte der Prinz Aly den Besastan in die Länge und die Breite und nach allen Seiten und schloß voll Verwunderung aus der erstaunlichen Menge kostbarer Waren, die er ausgelegt sah, auf die Reichtümer, die da beisammen sein möchten. Unter allen Ausrufern, welche da kamen und gingen und die verschiedensten Sachen zum Kauf ausboten, sah er zu seinem Erstaunen auch einen, der ein elfenbeinernes Rohr in der Hand hielt, das etwa einen Fuß lang und von der Dicke eines Daumens war, welches er um einen Preis von dreißig Beuteln ausrief. Anfangs glaubte der Prinz, der Ausrufer sei nicht recht bei Verstande. Um sich darüber Auskunft zu verschaffen, trat er in den Laden eines Kaufmanns und sagte zu diesem, indem er auf den Ausrufer hindeutete: »Herr, sagt mir doch, ich bitte Euch, ob ich mich täusche. Ist jener Mann, der ein kleines elfenbeinernes Rohr zu einem Preise von dreißig Beuteln ausbietet, wohl bei völligem Verstande?« »Herr,« erwiderte der Kaufmann, »wenn er nicht etwa seit gestern seinen Verstand verloren hat, so kann ich Euch nur sagen, daß er der klügste unter allen unseren hiesigen Ausrufern ist und zugleich am meisten gesucht ist, wenn man Sachen verkaufen will, weil man zu ihm am meisten Zutrauen hat. Was indes jenes Rohr betrifft, das er zu einem Preise von dreißig Beuteln ausruft, so muß es wohl aus irgendeinem Grunde, den wir nicht wissen, soviel und vielleicht noch mehr wert sein. Er wird augenblicklich wieder hier vorbeikommen, wir wollen ihn dann anrufen, und Ihr mögt Euch selber über die Sache unterrichten. Unterdes könnt Ihr Euch ja auf mein Sofa hier setzen und etwas ausruhen.« Prinz Aly lehnte das höfliche Anerbieten des Kaufmanns nicht ab, und kaum hatte er eine Weile dagesessen, als der Ausrufer schon wieder vorbeiging. Der Kaufmann rief ihn beim Namen, und jener trat herein. Hierauf sagte er zu ihm, indem er auf den Prinzen hinwies: »Gebt einmal diesem Herrn da Antwort, der mich fragt, ob Ihr wohl bei Verstande wärt, daß Ihr ein elfenbeinernes Rohr, daß so wenig Wert zu haben scheint, für dreißig Beutel ausbietet. Ich würde mich selbst wundern, wenn ich nicht wüßte, daß Ihr ein verständiger Mann seid.« Der Ausrufer wandte sich jetzt zu dem Prinzen und sagte zu ihm: »Herr, Ihr seid nicht der einzige, der mich wegen dieses Rohres für einen Toren ansieht; doch Ihr mögt selber urteilen, ob ich einer bin, wenn ich Euch die Eigenschaft desselben gesagt haben werde. Ich hoffe, daß Ihr dann ein ebenso hohes Gebot darauf tun werdet, wie diejenigen, denen ich es bisher gezeigt und die eine ebenso üble Meinung von mir hatten als Ihr.« »Zuerst,« fuhr der Ausrufer fort, indem er dem Prinzen das Rohr überreichte, »müßt Ihr wissen, daß dieses Rohr an jedem Ende ein Glas hat, und daß, wenn man durch eines dieser Gläser sieht, man sogleich alles erblickt, was man irgend zu sehen wünscht.« »Ich bin bereit, Euch eine feierliche Genugtuung zu geben,« erwiderte der Prinz Aly, »wenn Ihr mir die Wahrheit dessen, was Ihr behauptet, beweisen könnt.« Und da er das Rohr in der Hand hatte, besah er sich die beiden Gläser und fuhr dann fort: »Zeigt mir doch, wo ich hineinsehen muß, um mir darüber Aufklärung zu verschaffen.« Der Ausrufer zeigte es ihm. Der Prinz sah hinein, und als er seinen Vater und Nurunnihar zu sehen wünschte, sah er die beiden augenblicklich in der vollkommensten Gesundheit auf dem Dache des Schlosses sitzen. Es bedurfte keiner Probe weiter, um den Prinzen zu überzeugen, daß dieses Rohr die kostbarste Sache wäre, die in der Stadt Schiras, ja in der ganzen Welt damals existierte, und er glaubte, daß wenn er diese zu kaufen unterließe, so würde er nie mehr, weder zu Schiras, wenn er auch zehn Jahre dabliebe, noch auch anderswo eine Seltenheit der Art antreffen, die er von seiner Reise mitbringen könnte. Er sagte daher zu dem Ausrufer: »Ich nehme meine unvernünftige Ansicht, die ich von Eurem Verstande gehabt habe, gern zurück. Da es mir leid tun würde, wenn ein anderer als ich das Rohr kaufte, so sagt mir aufs genaueste den Preis, den der Verkäufer dafür haben will. Ohne Euch mit Hin- und Hergehen zu ermüden, dürft Ihr dann nur mit mir kommen, und ich werde Euch die Summe bar auszahlen.« Der Ausrufer versicherte ihm mit einem Schwur, ihm sei befohlen, es durchaus für vierzig Beutel zu verkaufen, und wenn er daran zweifele, so wolle er ihn zu dem Verkäufer selber führen. Der Prinz glaubte seinem Wort, nahm ihn mit sich nach Hause, und als sie in seiner Wohnung in dem Chan angelangt waren, zahlte er ihm die vierzig Beutel in den schönsten Goldstücken aus und wurde so Besitzer des elfenbeinernen Rohres. Als der Prinz Aly diesen Kauf gemacht hatte, freute er sich um so mehr darüber, als er glaubte, daß seine zwei anderen Brüder gewiß nichts so Seltnes und Bewunderungswürdiges angetroffen haben würden, und daß folglich die Prinzessin Nurunnihar der Lohn für die Beschwerden seiner Reise sein werde. Er dachte jetzt bloß noch daran, unerkannt den Hof von Persien und die Merkwürdigkeiten der Stadt Schiras und ihrer Umgegend kennen zu lernen, bis die Karawane, mit welcher er gekommen war, wieder ihren Rückweg nach Indien antreten würde. Er hatte seine Neugierde vollkommen befriedigt, als die Karawane Anstalten zur Abreise machte. Der Prinz schloß sich an sie an und machte sich mit ihr auf den Weg. Kein Unfall störte oder unterbrach die Reise, und ohne weitere Unbequemlichkeit, außer den gewöhnlichen Beschwerden des Weges, kam er glücklich an dem bestimmten Ort an, wo der Prinz Hussain bereits eingetroffen war. Prinz Aly fand ihn schon vor und wartete mit ihm daselbst auf den Prinzen Achmed. Prinz Achmed hatte unterdessen seinen Weg nach Samarkand genommen, und gleich am folgenden Tage nach seiner Ankunft hatte er es wie seine beiden Brüder gemacht und war nach dem Besastan gegangen. Kaum war er eingetreten, als ein Ausrufer zu ihm trat, mit einem künstlichen Apfel in der Hand, den er zum Preise von fünfunddreißig Beuteln ausrief. Er hielt den Ausrufer an und sagte zu ihm: »Zeigt mir diesen Apfel und sagt mir, welche außerordentliche Kraft oder Eigenschaft er wohl hat, daß Ihr ihn zu einem so hohen Preise ausbietet?« Der Ausrufer gab ihm den Apfel in die Hand, damit er ihn in Augenschein nehmen möchte, und sagte dann zu ihm: »Herr, dieser Apfel, wenn man ihn bloß äußerlich betrachtet, ist wirklich etwas sehr Unbedeutendes, doch wenn man die Eigenschaften und Kräfte desselben in Erwägung zieht, so muß man sagen, daß er eigentlich unschätzbar ist. Es gibt keinen Kranken, er mag mit einer tödlichen Krankheit behaftet sein, mit welcher er nur immer will, mit anhaltendem Fieber, mit rotem Friesel, Seitenstechen, Pest und anderen Krankheiten der Art, der nicht, und läge er auch schon im Sterben, durch den Apfel geheilt würde. Er erhält seine Gesundheit so vollständig wieder, als wäre er niemals krank gewesen, und das auf die leichteste Art von der Welt, nämlich durch das bloße Riechen daran.« »Wenn man Euch glauben darf,« erwiderte der Prinz Achmed, »so ist das freilich ein Apfel von wunderbarer Kraft, ja man kann sagen, er ist unschätzbar; allein, wodurch kann denn ein rechtlicher Mann wie ich, der ihn gern kaufen möchte, sich überzeugen, daß bei Eurer Lobpreisung des Apfels keine Verstellung oder Übertreibung stattfindet?« »Herr,« erwiderte der Ausrufer, »die Sache ist in der ganzen Stadt Samarkand bekannt und bewährt, und ohne erst weit zu gehen, könnt Ihr ja alle hier versammelten Kaufleute befragen und zusehen, was sie Euch sagen werden. Ihr werdet darunter mehrere finden, die, wie sie es Euch selber versichern werden, heute nicht mehr am Leben sein würden, wenn sie nicht dieses treffliche Mittel gebraucht hätten. Es ist die Frucht der Studien und Nachtwachen eines sehr berühmten Philosophen dieser Stadt, der sich sein ganzes Leben hindurch auf die Erforschung der Kräfte der Pflanzen und Mineralien gelegt hatte und endlich auf den Punkt gelangt war, daraus diese zusammengesetzte Masse zu bereiten, die Ihr hier seht, und mit der er in dieser Stadt so erstaunliche Kuren bewirkt hat daß sein Andenken hier nie in Vergessenheit kommen wird. Vor kurzem raffte ihn der Tod so plötzlich hin, daß er selber nicht mehr so viel Zeit hatte, um von seinem Universalmittel Gebrauch zu machen, und seine Witwe, welcher er nur ein sehr geringes Vermögen und eine große Anzahl unerzogener Kinder hinterlassen, hat sich endlich entschlossen, diesen Apfel verkaufen zu lassen, um sich und ihre Familie etwas bequemer einrichten zu können.« Während der Ausrufer ihn von den Eigenschaften des künstlichen Apfels unterrichtete, blieben mehrere Personen stehen und umringten sie. Die meisten bestätigten das Gute, das er von demselben erzählte, und einer derselben sagte, er habe einen Freund, der so gefährlich krank sei, daß man an seinem Aufkommen zweifle. Dies bot eine sehr bequeme Gelegenheit, um einen Versuch damit zu machen, und Prinz Achmed nahm das Wort und sagte zu dem Ausrufer, er wolle ihm vierzig Beutel dafür geben, wenn der Kranke durch das bloße Riechen daran geheilt würde. Der Ausrufer, welcher Befehl hatte, ihn um diesen Preis zu verkaufen, sagte zu dem Prinzen: »Herr, wir wollen diesen Versuch machen, und der Apfel ist somit Euer, denn es ist gar kein Zweifel, daß er nicht diesmal ebensogut seine Wirkung tun sollte, als die früheren Male, wo man so oft Kranke, die schon aufgegeben waren, durch ihn wieder von den Pforten des Todes zurückrief.« Der Versuch glückte, und der Prinz erwartete nun, nachdem er die vierzig Beutel dem Ausrufer, der ihm den künstlichen Apfel überließ, bar ausgezahlt hatte, mit Ungeduld den Abgang der ersten besten Karawane, um nach Indien zurückzukehren. Er benutzte die Zwischenzeit unterdes, um in Samarkand und dessen Umgebung alles zu besehen, was irgend seine Neugierde reizte, besonders das Tal Sogd, welches von dem gleichnamigen Flusse seinen Namen hat, und das die Araber wegen der Schönheit seiner Gefilde und seiner Gärten und Paläste, sowie auch wegen seines Überflusses an Früchten aller Art und wegen der Annehmlichkeiten, welche man da während der schönen Jahreszeit genießt, für eines der vier Paradiese der Welt halten. Dann reiste er ab, und ungeachtet der Unbequemlichkeiten, die bei einer langen Reise unvermeidlich sind, gelangte er dennoch bei vollkommener Gesundheit in der Herberge an, wo die Prinzen Hussain und Aly ihn erwarteten. Prinz Aly, welcher etwas früher als Prinz Achmed dort eingetroffen war, hatte den Prinzen Hussain, welcher zuerst angekommen war, gefragt, wie lange er schon da sei. Und als er erfuhr, daß es fast schon drei Monate her wäre, hatte er zu ihm gesagt: »Du mußt also wohl nicht weit gewesen sein.« »Ich will jetzt,« erwiderte Prinz Hussain, »von dem Orte, wo ich gewesen bin, weiter nichts sagen; allein ich kann dir versichern, daß ich mehr als drei Monate gebraucht habe, um hinzukommen.« »Wenn das der Fall ist,« sagte darauf der Prinz Aly, »so mußt du dich sehr kurze Zeit da aufgehalten haben.« »Mein Bruder,« antwortete ihm der Prinz Hussain, »du täuschest dich. Mein Aufenthalt daselbst währte länger als vier bis fünf Monate, und es hing bloß von mir ab, ihn noch zu verlängern.« »Wofern du nicht etwa zurückgeflogen bist,« erwiderte darauf Prinz Aly, »begreife ich nicht, wie es schon drei Monate her sein kann, daß du hier bist, wie du mich überreden willst.« »Ich habe dir die Wahrheit gesagt,« fuhr der Prinz Hussain fort, »und das Rätsel werde ich dir erst bei Ankunft unseres Bruders Achmed lösen, wo ich dir sogleich sagen werde, welche Seltenheit ich von meiner Reise mitgebracht habe. Was dich betrifft, so weiß ich nicht, was du mitgebracht hast, aber es mag wohl eben nichts Bedeutendes sein; ich sehe nicht, daß dein Reisegepäck ansehnlicher und größer geworden wäre.« »Und was dich betrifft,« erwiderte der Prinz Aly, »so kommt es mir vor, daß, wenn ich den unscheinbaren Teppich ausnehme, womit dein Sofa überdeckt ist, ich deinen Spott durch einen gleichen erwidern könnte. Indes, da du, wie es scheint, aus der mitgebrachten Seltenheit ein Geheimnis machen willst, so wirst du es mir nicht übelnehmen, wenn ich es ebenso in Hinsicht auf die meinige mache.« Der Prinz antwortete: »Ich setze die Seltenheit, welche ich mitgebracht, so weit über jede andere, von welcher Art sie auch sein mag, daß ich sie dir ohne Schwierigkeiten zeigen und dich durch eine nähere Angabe ihres Wertes leicht dahin bringen würde, mit mir übereinzustimmen, ohne zu fürchten, daß die, welche du vielleicht mitgebracht, ihr vorgezogen werden könnte. Doch es ist am passendsten, daß wir erst die Ankunft unseres Bruders Achmed abwarten; dann können wir mit mehr Rücksicht und Anstand uns einander das Glück mitteilen, das uns zuteil geworden ist.« Prinz Aly wollte sich mit dem Prinzen Hussain nicht weiter wegen des Vorzugs der von ihm mitgebrachten Seltenheit in Streit einlassen, und so verabredete er mit ihm, mit dem Vorzeigen bis zur Ankunft des Prinzen Achmed zu warten. Als der Prinz Achmed bei seinen beiden Brüdern wieder eingetroffen war und sie sich einander zärtlich umarmt und sich zu dem glücklichen Wiedersehen an diesem Orte Glück gewünscht hatten, nahm Prinz Hussain als der älteste das Wort und sagte: »Meine Brüder, wir werden noch Zeit genug übrig haben, um uns von den einzelnen Umständen unserer gegenseitigen Reisen zu unterhalten. Für jetzt wollen wir davon reden, was uns zu wissen am wichtigsten ist, und wollen uns nicht verhehlen, was wir mitgebracht. Und indem wir es uns gegenseitig vorzeigen, wollen wir im voraus jedem sein Recht widerfahren lassen und zusehen, welchem von uns wohl der Sultan, unser Vater, den Vorzug erteilen könnte.« »Um euch mit gutem Beispiel voranzugehen,« fuhr Prinz Hussain fort, »will ich euch nur sagen, daß die Seltenheit, die ich von meiner Reise in das Königreich Bisnagar mitgebracht, in dem Teppich besteht, worauf ich sitze. Es ist freilich ein sehr gewöhnlicher und unscheinbarer, wie ihr seht; doch wenn ich euch seine Eigenschaft auseinandergesetzt habe, werdet ihr euch um so mehr wundern, da ihr wohl nie von etwas Ähnlichem der Art gehört habt, wie ihr selbst eingestehen werdet. Wenn man sich, wie wir jetzt, darauf setzt und an irgendeinen Ort hin versetzt zu werden wünscht, wie entfernt er auch sein mag, so ist man fast in einem Augenblicke da. Ich habe es selber versucht, ehe ich die vierzig Beutel, die er mich kostet, bezahlte, und habe es nicht bereut. Als ich meine Neugierde am Hofe und im ganzen Königreiche Bisnagar befriedigt hatte und heimkehren wollte, bediente ich mich keines Fahrzeugs weiter als dieses Wunderteppichs, um sowohl mich hierher zurückzubringen, als auch meinen Reisegefährten, der euch sagen wird, wieviel Zeit ich gebraucht habe, um hierher zu gelangen. Ich werde euch beiden, sobald ihr es nur haben wollt, eine Probe davon zeigen. Ich erwarte nun, daß ihr mir sagt, ob das, was ihr mitgebracht habt, mit meinem Teppich irgendwie verglichen werden kann.« Prinz Hussain hörte mit diesen Worten auf, seinen Teppich anzupreisen, und Prinz Aly nahm das Wort und sprach: »Mein Bruder, man muß gestehen, daß dein Teppich eines der wunderbarsten Dinge ist, die man sich nur denken kann, wenn er wirklich, wie ich nicht zweifle, die Eigenschaft besitzt, die du von ihm ausgesagt hast. Indes, du wirst zugeben, daß es noch andere Dinge geben kann, die, wenn auch nicht noch mehr, doch wenigstens ebenso wunderbar in ihrer Art sind, und um dich zu dieser Ansicht zu bekehren, — fuhr er fort, — so ist zum Beispiel dies elfenbeinerne Rohr hier, so gut wie dein Teppich, eine Seltenheit, die alle Aufmerksamkeit verdient. Ich habe sie minder teuer gekauft, als du deinen Teppich, und ich bin mit meinem Kauf nicht minder zufrieden, als du mit dem deinigen. Wenn man nämlich in das eine Ende hineinsieht, so erblickt man alles, was man nur irgend wünscht. Du darfst mir nicht auf mein bloßes Wort glauben,« fügte der Prinz Aly hinzu, indem er ihm das Rohr überreichte, »hier ist es, siehe zu, ob ich dir bloß etwas vorspiegele oder nicht.« Der Prinz Hussain nahm das elfenbeinerne Rohr aus der Hand des Prinzen Aly, hielt es mit dem von ihm bezeichneten Ende ans Auge und wünschte die Prinzessin Nurunnihar zu sehen und zu erfahren, wie sie sich befinde. Der Prinz Aly und der Prinz Achmed, welche die Augen auf ihn geheftet hatten, gerieten in das äußerste Erstaunen, als sie ihn plötzlich die Farbe verändern sahen, und zwar auf eine Weise, die die höchste Bestürzung und eine große Betrübnis verriet. Der Prinz Hussain ließ ihnen nicht erst Zeit, um ihn nach der Ursache dieser Erscheinung zu fragen, sondern rief aus: »Brüder, es ist umsonst, daß wir alle drei eine so beschwerliche Reise unternommen haben, in der Hoffnung, durch den Besitz der reizenden Nurunnihar dafür belohnt zu werden; sie wird binnen wenigen Augenblicken nicht mehr am Leben sein. Ich sah sie eben in ihrem Bette, umgeben von ihren Frauen und Verschnittenen, die alle in Tränen schwammen und jeden Augenblick zu erwarten schienen, daß sie den Geist aufgeben würde. Da nehmt und seht sie selber in diesem traurigen Zustande und vereinigt eure Tränen mit den meinigen.« Der Prinz Aly nahm das elfenbeinerne Rohr aus der Hand des Prinzen Hussain, sah hinein und gab es, nachdem er zu seinem tiefen Schmerz dasselbe erblickt hatte, an den Prinzen Achmed weiter, damit dieser ebenfalls ein so trauriges und betrübendes Schauspiel, das sie alle drei gleich nahe anging, betrachten möchte. Als der Prinz Achmed das elfenbeinerne Rohr aus den Händen des Prinzen Aly empfangen und beim Hineinsehen ebenfalls die Prinzessin Nurunnihar dem Tode nahe erblickt hatte, nahm er das Wort und sagte zu den beiden anderen Prinzen: »Brüder, die Prinzessin Nurunnihar, welche der gemeinsame Gegenstand unserer Wünsche ist, befindet sich wirklich in einem höchst beunruhigenden Zustande, indes, wie es mir scheint, ist es wohl noch möglich, wenn wir nur keine Zeit verlieren, den Tod von ihr fernzuhalten.« Zugleich zog der Prinz Achmed aus seinem Busen den künstlichen Apfel, den er sich gekauft hatte, zeigte ihn seinen Brüdern und sagte: »Der Apfel, den ihr hier seht, hat mich nicht weniger gekostet als der Teppich und das elfenbeinerne Rohr, das ein jeder von euch von seiner Reise mitgebracht hat. Um euch nicht länger in gespannter Erwartung zu halten, sage ich euch hiermit, er hat die Kraft, daß jeder Kranke, und läge er auch schon in den letzten Zügen, durch das bloße Daranriechen seine Gesundheit auf der Stelle wiedererlangt. Der Versuch, den ich selber damit angestellt, läßt mich nicht daran zweifeln, und ich kann euch selber die Wirkung desselben an der Prinzessin Nurunnihar zeigen, wenn wir die nötige Eile anwenden, um ihr zu helfen.« »Wenn dies der Fall ist,« sagte hierauf Prinz Hussain, »können wir nicht schneller dahin kommen, als wenn wir uns vermittelst meines Teppichs augenblicklich in das Zimmer der Prinzessin hinversetzen. Laßt uns keine Zeit verlieren, kommt und setzt euch mit mir hierher, er ist groß genug, um uns alle drei ohne Unbequemlichkeit aufzunehmen; doch vor allen Dingen muß jeder von uns seinem Diener anempfehlen, daß er mit den andern sogleich abreise und uns dort im Palaste aufsuche.« Als dieser Befehl gegeben worden war, setzten sich die Prinzen Aly und Achmed nebst dem Prinzen Hussain auf den Teppich, und da sie alle drei dasselbe Interesse hatten, wünschten sie sich alle drei, in das Zimmer der Prinzessin Nurunnihar versetzt zu werden. Ihr Wunsch ward erfüllt, und sie wurden so schnell dahingebracht, daß sie es nicht eher merkten, als bis sie an dem erwünschten Ort angelangt waren. Die unerwartete Erscheinung der drei Prinzen erschreckte die drei Frauen und die Verschnittenen der Prinzessin, welche nicht begreifen konnten, durch welche Zauberei auf einmal drei Männer in ihrer Mitte erschienen. Sie erkannten sie sogar anfangs nicht einmal, und die Verschnittenen waren schon im Begriff, auf sie loszustürzen, als auf Leute, die sich an einen Ort eingedrängt hatten, wohin sie nicht gehörten; allein sie kamen sehr bald von ihrem Irrtum zurück und erkannten die Prinzen. Kaum sah sich Prinz Achmed in dem Zimmer der sterbenden Nurunnihar, als er nebst seinen Brüdern von dem Teppich aufstand, sich ihrem Bette näherte und ihr den Wunderapfel vor die Nase hielt. Einige Augenblicke später schlug die Prinzessin die Augen auf, wandte den Kopf nach beiden Seiten, sah die Umstehenden an, setzte sich dann aufrecht und verlangte angekleidet zu werden, und zwar mit derselben Unbefangenheit, als ob sie bloß von einem langen Schlaf erwache. Während sich die Prinzessin ankleidete, gingen die Prinzen von ihr aus zu ihrem Vater, um sich ihm zu Füßen zu werfen und ihm ihre Ehrerbietung zu bezeigen. Als sie vor ihm erschienen, fanden sie, daß der Oberaufseher der Verschnittenen der Prinzessin ihnen bereits zuvorgekommen war und ihm ihre unvermutete Ankunft und die durch sie erfolgte vollständige Heilung der Prinzessin gemeldet hatte. Der Sultan umarmte sie um so freudiger, da er in dem Augenblick, wo er sie wiedersah, auch zugleich erfuhr, daß seine Nichte, die er wie seine eigne Tochter liebte, nachdem sie von den Ärzten bereits aufgegeben worden, auf eine so wunderbare Weise ihre Gesundheit wiedererhalten habe. Nach den Begrüßungen zeigte ihm jeder der Prinzen die mitgebrachte Seltenheit vor: der Prinz Hussain seinen Teppich, der Prinz Aly das elfenbeinerne Rohr und der Prinz Achmed den künstlichen Apfel. Nachdem jeder das Seinige gepriesen, händigten sie ihm der Reihe nach alle drei Stücke ein und baten ihn, zu entscheiden, welchem von den drei Stücken er den Vorzug erteile und welchem von ihnen er, seinem Versprechen gemäß, die Prinzessin Nurunnihar zur Gemahlin gebe. Nachdem der Sultan von Indien wohlwollend alles, was ihm jeder der Prinzen zum Lobe der von ihm mitgebrachten Seltenheit gesagt hatte, angehört und sich nach allem, was bei der Heilung der Prinzessin Nurunnihar vorgegangen, erkundigt hatte, schwieg er eine Weile still, als überlegte er, was er ihnen antworten solle. Endlich unterbrach er dieses Schweigen und hielt folgende sehr weise Rede an sie: »Meine Kinder, ich würde sehr gern einen unter euch nennen, wenn ich es mit voller Gerechtigkeit tun könnte; allein überlegt selber, ob ich es kann. Dir, o Achmed, und deinem künstlichen Apfel verdankt freilich meine Nichte ihre Heilung; aber ich frage dich selber, würdest du sie haben bewirken können, wenn nicht zuvor das elfenbeinerne Rohr Alys dir Gelegenheit gegeben hätte, die Gefahr kennen zu lernen, in der sie schwebte, und wenn nicht der Teppich Hussains dir seine Dienste geleistet hätte, um ihr schnell zu Hilfe eilen zu können? Dein elfenbeinernes Rohr, o Aly, hat wiederum dazu gedient, dir und deinen Brüdern zu zeigen, daß ihr auf dem Punkte standet, die Prinzessin zu verlieren. Doch mußt du auch gestehen, daß dir deine Kenntnis für die Erreichung deines Zwecks nichts genützt hätte, wenn nicht der Teppich und der künstliche Apfel gewesen wären. Und was dich, Hussain, betrifft, würde die Prinzessin sehr undankbar sein, wenn sie dir nicht wegen des Teppichs, der zur Bewirkung ihrer Wiederherstellung so nötig gewesen, vielen Dank wissen sollte; allein bedenke selbst, daß er dir hierzu von gar keinem Nutzen gewesen sein würde, wenn du nicht durch das elfenbeinerne Rohr Alys ihre Krankheit erfahren und Achmed nicht seinen Wunderapfel zu ihrer Heilung angewendet hätte. Da nun also weder der Teppich, noch das elfenbeinerne Rohr, noch der künstliche Apfel irgend einem von euch einen Vorzug vor dem andern geben, sondern vielmehr euch alle einander gleichstellen, und da ich die Prinzessin Nurunnihar doch nur einem einzigen geben kann, so seht ihr selber, daß die einzige Frucht, die ihr von euren Reisen geerntet habt, in dem Ruhm besteht, daß ihr alle auf gleiche Weise zur Herstellung ihrer Gesundheit beigetragen habt.« »Wenn dies nun so ist,« fuhr der Sultan fort, »so seht ihr zugleich ein, daß ich zu einem andern Mittel meine Zuflucht nehmen muß, um mich über die Wahl, die ich unter euch treffen soll, bestimmt zu entscheiden. Geht und nehmt ein jeder einen Bogen und einen Pfeil, und begebt euch aus der Stadt hinaus auf die große Ebene, wo die Pferde zugeritten werden; ich werde mich auch dahin begeben, und ich erkläre, daß ich die Prinzessin Nurunnihar demjenigen zur Gemahlin geben werde, welcher am weitesten schießen wird.« Die drei Prinzen wußten gegen diese Entscheidung des Sultans nichts einzuwenden. Als sie sich von ihm entfernt hatten, verschaffte man jedem von ihnen einen Bogen und einen Pfeil, und dann gingen sie, von einer unzähligen Menge Volk begleitet, auf die Ebene hinaus, wo die Pferde zugeritten wurden. Der Sultan ließ nicht lange auf sich warten. Sobald er angekommen war, nahm Prinz Hussain, als der älteste, Pfeil und Bogen und schoß zuerst. Darauf schoß Prinz Aly, und man sah seinen Pfeil viel weiter fliegen und niederfallen als den des Prinzen Hussain. Der Prinz Achmed schoß zuletzt. Aber man verlor seinen Pfeil aus dem Gesicht, und niemand sah ihn niederfallen. Man eilte hin, man suchte, allein wieviel Sorgfalt alle und auch der Prinz Achmed selber anwandten, es war nicht möglich, den Pfeil weder in der Nähe, noch in der Ferne aufzufinden. Obwohl man glauben mußte, daß er am weitesten geschossen und folglich verdient habe, daß ihm die Hand der Prinzessin Nurunnihar zugesprochen würde, so war dennoch, um die Sache augenscheinlich und gewiß zu machen, die Auffindung des Pfeiles erforderlich, und der Sultan unterließ daher nicht, ungeachtet aller Gegenvorstellungen Achmeds, sich zugunsten seines Bruders Aly zu entscheiden. Er gab nun sogleich Befehl, daß zu der Hochzeitsfeier die nötigen Anstalten getroffen würden, und wenige Tage darauf ward die Hochzeit mit vielem Glanze gefeiert. Der Prinz Hussain beehrte das Fest nicht mit seiner Gegenwart. Er empfand im Gegenteil ein so tiefes Mißfallen darüber, daß er den Hof verließ und auf sein Recht der Thronfolge Verzicht leistend, hinging und Derwisch wurde und sich zu einem sehr berühmten Scheich in die Lehre gab, der wegen seines musterhaften Lebenswandels in hohem Ansehen stand und in einer anmutigen Einöde seine und seiner Schüler Wohnungen aufgeschlagen hatte. Der Prinz Achmed war aus denselben Gründen wie Hussain ebenfalls bei der Hochzeit des Prinzen und der Prinzessin Nurunnihar nicht zugegen; doch er entsagte deshalb nicht der Welt wie jener. Da er gar nicht begreifen konnte, wie der von ihm abgeschossene Pfeil sozusagen unsichtbar geworden sei, entfernte er sich von seinen Leuten, und mit dem Entschlüsse, ihn so eifrig zu suchen, daß er sich nichts vorzuwerfen habe, begab er sich an den Ort, wo die Pfeile der Prinzen Hussain und Aly von der Erde aufgehoben worden waren. Von da ging er in gerader Richtung vorwärts, immer rechts und links blickend. Und ohne zu finden, was er suchte, war er endlich so weit gekommen, daß er seine Mühe für ganz vergeblich hielt. Indes, gleichsam wider seinen Willen weiter fortgezogen, verfolgte er dennoch seinen Weg immer weiter, bis er zu sehr hohen Felsen kam, bei denen er offenbar seitwärts ablenken mußte, wenn er noch weitergehen wollte. Diese Felsen waren außerordentlich steil und lagen in einer öden und unfruchtbaren Gegend, etwa vier Stunden von da entfernt, wo er ausgegangen war. Als der Prinz Achmed sich diesen Felsen näherte, bemerkte er einen Pfeil, hob ihn auf, betrachtete ihn und sah zu seiner großen Verwunderung, daß es der von ihm abgeschossene war. »Er ist es wirklich,« sprach er bei sich selbst, »aber weder ich, noch ein Sterblicher auf der ganzen Welt kann die Kraft haben, einen Pfeil so weit zu schießen.« Da er ihn auf der Erde liegend und nicht mit der Spitze darin fest steckend gefunden hatte, schloß er, daß er an den Felsen geflogen und von da zurückgeprallt sei. »Es steckt hinter dieser seltsamen Sache,« dachte er bei sich selbst, »irgend ein Geheimnis.« Da die äußere Form der Felsen vorspringende Spitzen und auch tief sich hineinziehende Schluchten hatte, trat der Prinz unter solchen Gedanken in eine der Vertiefungen hinein, und während er dort seine Augen von einem Winkel zum andern gehen ließ, zeigte sich ihm eine eiserne Tür, an welcher aber kein Schloß zu sehen war. Er fürchtete, sie würde wohl verschlossen sein, doch als er daran stieß, öffnete sie sich nach innen zu, und er erblickte einen sanft abschüssigen Weg ohne Stufen, den er sofort mit dem Pfeile in der Hand hinabstieg. Er glaubte hier in tiefe Finsternis zu geraten; allein an die Stelle des entschwindenden Tageslichtes trat ein anderes ganz verschiedenes Licht. Nach fünfzig bis sechzig Schritten gelangte er auf einen geräumigen Platz, auf welchem er einen prachtvollen Palast erblickte, dessen Wunderbau zu bewundern er aber nicht Zeit hatte. Denn in demselben Augenblick trat eine Frau von majestätischem Anstand und Wesen und von einer Schönheit, die durch den reichen Anzug und durch den Edelsteinschmuck, den sie trug, nicht noch mehr gehoben zu werden vermochte, unter die Vorhalle, begleitet von einer Anzahl von Frauen, unter denen aber die Gebieterin leicht zu unterscheiden war. [Illustration: Die Dame kam ihm entgegen.] Sobald der Prinz Achmed die schöne Frau bemerkt hatte, beschleunigte er seine Schritte, um ihr seine Ehrerbietung zu bezeigen; doch die schöne Frau, welche ihn kommen sah, kam ihm ihrerseits durch die Anrede entgegen: »Prinz Achmed, tretet näher, Ihr seid hier willkommen.« Die Überraschung des Prinzen war nicht gering. Er warf sich zu den Füßen der schönen Frau und redete sie auf folgende Weise an: »Gnädige Frau, darf ich wohl so dreist sein, Euch zu fragen, welch seltsamem Zufall ich es verdanke, daß ich Euch nicht unbekannt bin, Euch, die Ihr zwar in unserer Nachbarschaft wohnt, doch ohne daß ich jemals bis zu diesem Augenblick etwas davon erfahren hätte?« »Prinz,« erwiderte die schöne Frau, »laßt uns in den Saal treten, dort werde ich mit größerer Bequemlichkeit für mich und Euch Eure Frage beantworten können.« Mit diesen Worten führte die Dame den Prinzen in den Saal hinein. Der wundervolle Bau desselben, das Gold und das Himmelblau, womit das kuppelförmige Gewölbe geschmückt war, und der unschätzbare Reichtum des Geräts erschienen ihm als etwas so ganz Neues, daß er seine Verwunderung darüber an den Tag legte und ausrief: er habe noch nie etwas der Art gesehen, und er glaube nicht, daß man in der Welt irgend etwas sehen könne, was diesem hier gleichkäme. »Gleichwohl versichere ich Euch,« erwiderte die schöne Frau, »daß dies das unbedeutendste Zimmer meines Palastes ist, und Ihr werdet meiner Ansicht beistimmen, wenn ich Euch erst die übrigen alle gezeigt haben werde.« Sie stieg einige Stufen empor und setzte sich auf ein Sofa, und als der Prinz auf ihre Bitten neben ihr Platz genommen hatte, sagte sie zu ihm: »Prinz, Ihr seid, wie Ihr sagt, darüber erstaunt, daß ich Euch kenne, ohne daß Ihr mich kennt; doch Eure Verwunderung wird nachlassen, wenn Ihr erst wissen werdet, wer ich bin. Euch wird ohne Zweifel nicht unbekannt sein, daß die Welt ebensowohl von Geistern, als von Menschen bewohnt wird. Ich bin die Tochter eines dieser Geister, und zwar eines der mächtigsten und ausgezeichnetsten, und mein Name ist Pari Banu. So wirst du dich denn also nicht mehr wundern, daß ich dich, deinen Vater, den Sultan, und deine beiden Brüder kenne. Ich weiß sogar von deiner Liebe und von deiner Reise, deren einzelne Umstände ich dir alle hier wiedererzählen könnte, weil ich es eben war, die zu Samarkand den künstlichen Apfel, den du gekauft hast, zum Verkauf ausbieten ließ, so wie zu Bisnagar den Teppich, den der Prinz Hussain bekommen hat, und endlich zu Schiras das elfenbeinerne Rohr, welches der Prinz Aly von da mitgebracht hat. Dies mag hinreichend sein, um dir begreiflich zu machen, daß nichts von alledem, was dich betrifft, mir unbekannt ist. Ich will nur dies eine hinzufügen, daß du mir ein glücklicheres Los zu verdienen schienest, als das war, die Prinzessin Nurunnihar zu besitzen, und da ich zugegen war, als du den Pfeil, den du da in der Hand hast, abschossest, und voraussah, daß er nicht einmal so weit als der des Prinzen Hussain fliegen würde, faßte ich ihn in der Luft und gab ihm den erforderlichen Schwung, so daß er an die Felsen anprallen mußte, neben denen du ihn gefunden hast. Es wird nun bloß von dir abhängen, die Gelegenheit, die sich dir jetzt bietet, zu benutzen, um noch glücklicher zu werden.« Prinz Achmed erriet sehr leicht, welches Glück hier gemeint sei. Er überlegte, daß die Prinzessin Nurunnihar nicht mehr die Seine werden könne und daß die Fee Pari Banu an Schönheit, Anmut und Reiz, sowie durch einen überwiegenden Verstand und durch ihre unermeßlichen Reichtümer, soweit er nämlich aus der Pracht des Palastes auf diese schließen konnte, jene unendlich weit überträfe. Er segnete den Augenblick, wo ihm der Gedanke eingekommen war, noch einmal den abgeschossenen Pfeil zu suchen, indem er sich ganz der Neigung hingab, die ihn nach dem neuen Gegenstände seines Herzens hinzog. Er näherte sich ihr, um ihr den Saum ihres Gewandes zu küssen. Sie ließ ihm indes nicht Zeit, dies zu tun, sondern reichte ihm ihre Hand, die er küßte, und indem sie die seinige festhielt und sie drückte, sagte sie zu ihm: »Prinz Achmed, gebt Ihr mir nicht Euer Wort, wie ich Euch das meinige gebe?« »Ach, gnädige Frau,« erwiderte der Prinz voll freudigem Entzücken, »was könnte ich wohl Besseres und Freudigeres tun? Ja, meine Sultanin, meine Königin, ich gebe es Euch nebst meinem Herzen, ohne Rückhalt!« »Wenn das ist,« antwortete die Fee, »so seid Ihr mein Gemahl und ich bin Eure Gemahlin. Die Ehen werden bei uns Feen ohne weitere Zeremonien geschlossen, sind aber weit fester und unauflöslicher, als die der Menschen, ungeachtet letztere mehr Förmlichkeiten dabei anwenden. Jetzt — fuhr sie fort — während man für heute abend die Anstalten zu unserem Hochzeitsmahle trifft, wird man Euch, da Ihr offenbar heute noch nichts zu Euch genommen habt, vorerst einen leichten Imbiß vorsetzen, dann werde ich Euch die Zimmer meines Palastes zeigen, und Ihr mögt dann selbst entscheiden, ob es nicht wahr ist, was ich Euch sagte, daß nämlich dieser Saal gerade das schlechteste Zimmer darunter ist.« Einige von den Frauen der Fee, die sich bei ihr im Saale befanden, hatten kaum ihren Wunsch vernommen, als sie auch schon hinausgingen und bald darauf einige Speisen und trefflichen Wein hereinbrachten. Als der Prinz Achmed zur Genüge gegessen und getrunken hatte, führte ihn die Fee Pari Banu aus einem Zimmer in das andere, und er sah darin Diamanten, Rubine, Smaragde und alle Arten der feinsten Edelsteine im Verein mit Perlen, Achat, Jaspis, Porphyr und dem kostbarsten Marmor von allen Gattungen angebracht, ganz von dem Zimmergerät zu schweigen, welches alles von einem unschätzbaren Reichtum war. Alles war in so erstaunlichem Überfluß angebracht, daß er, weit entfernt, je etwas gesehen zu haben, was dieser Pracht auch nur nahe gekommen wäre, vielmehr eingestand, daß es nichts der Art auf der ganzen Welt geben könne. »Prinz,« sagte hierauf die Fee, »wenn Ihr schon meinen Palast so sehr bewundert, der wirklich sehr schön ist, was würdet Ihr erst zu den Palästen unserer Geisterfürsten sagen, die von ganz anderer Pracht und Schönheit sind? Ich könnte Euch auch noch meinen Garten bewundern lassen, allein — fuhr sie fort — das mag lieber ein andermal geschehen. Die Nacht kommt schon, und es ist Zeit, daß wir uns zur Tafel setzen.« Der Saal, in den die Fee den Prinzen führte, wo die Tafel gedeckt war, war das letzte Zimmer des Palastes und zugleich das einzige, was der Prinz noch nicht gesehen hatte; es stand indes hinter keinem derjenigen zurück, die er bereits in Augenschein genommen hatte. Beim Hereintreten bewunderte er den Lichtglanz unzähliger, von Ambra duftender Wachskerzen, deren Menge, anstatt zu verwirren, vielmehr so symmetrisch aufgestellt war, daß man sie mit Vergnügen ansah. Ebenso bewunderte er einen großen Schenktisch, besetzt mit goldenen Gefäßen, welche durch ihre kunstreiche Arbeit einen noch weit höheren Wert hatten als durch ihren Stoff; ferner mehrere Chöre der schönsten und reichgekleidetsten Mädchen, welche ein Konzert, aus Gesang und harmonischen Instrumenten bestehend, begannen, so schön, als er es nur je in seinem Leben gehört. Sie setzten sich zu Tische. Da Pari Banu sich ganz besonders bemühte, dem Prinzen Achmed die wohlschmeckendsten Speisen vorzulegen, und sie ihm jedesmal wenn sie ihn zum Zulangen aufforderte, mit Namen nannte, da ferner der Prinz noch nie etwas von denselben gehört hatte und sie ganz ausgesucht wohlschmeckend fand, lobte er dieselben außerordentlich und rief aus, daß dies treffliche Mahl, womit sie ihn bewirte, alle Mahlzeiten der Menschen weit überträfe. Auch war er ganz entzückt über die Vortrefflichkeit des Weines, welcher aufgetragen wurde, und wovon er und die Fee erst beim Nachtisch, der aus Früchten, Kuchen und anderem dazu passendem Imbiß bestand, zu trinken anfingen. Nach dem Nachtisch standen die Fee Pari Banu und der Prinz Achmed von der Tafel auf, die sogleich weggetragen wurde, und setzten sich bequem auf das Sofa, indem sie den Rücken an Polster von Seidenstoff lehnten, die mit großem, vielfarbigem Blumenwerk, alles von der feinsten Stickerei, bedeckt waren. Sogleich trat nun eine große Anzahl von Geistern und Feen in den Saal und begannen einen herrlichen Tanz, welcher so lange dauerte, bis die Fee und der Prinz Achmed aufstanden. An das Hochzeitsfest schloß sich eine lange Reihe festlicher Tage, in die die Fee Pari Banu die größte Mannigfaltigkeit zu bringen wußte, durch neue Speisen und Gerichte bei den Mahlzeiten, durch neue Konzerte, neue Tänze, neue Schauspiele und neue Ergötzlichkeiten, die alle so außerordentlich waren, daß der Prinz Achmed während seines ganzen Lebens unter den Menschen, und hätte es auch tausend Jahre gedauert, sich dergleichen nicht hätte erdenken können. Nach Verlauf von sechs Monaten fühlte endlich Prinz Achmed, welcher stets seinen Vater geliebt und verehrt hatte, ein heftiges Verlangen, ihn zu besuchen, und bat die Fee, ihm das zu erlauben. Pari Banu aber fürchtete, er wollte sie verlassen und antwortete: »Mit was habe ich denn Euer Mißfallen erregt, daß Ihr Euch gedrungen fühlt, mich um diese Erlaubnis zu bitten? Sollte es möglich sein, daß Ihr Euer mir gegebenes Wort vergessen hättet und mich nicht mehr liebtet, die ich Euch doch so zärtlich liebe?« »Meine Königin,« erwiderte der Prinz Achmed, »ich tat meine Bitte nicht, um Euch zu kränken, sondern bloß aus Ehrfurcht für meinen Vater, den Sultan, den ich gern von seiner Betrübnis zu befreien wünsche, in die ich ihn durch eine so lange Abwesenheit unfehlbar versetzt habe; denn ich habe Grund zu vermuten, daß er mich für tot hält. Da ihr indes nicht erlaubt, daß ich hingehe, so will ich tun, was Ihr wollt.« Prinz Achmed, der sich nicht verstellte und sie wirklich liebte, drang nicht weiter in sie, und die Fee zeigte ihm, wie sehr sie über seine Nachgiebigkeit erfreut war. Übrigens verhielt es sich wirklich so, wie Prinz Achmed vermutet hatte. Der Sultan von Indien war mitten unter den Lustbarkeiten bei der Hochzeit des Prinzen Aly und der Prinzessin Nurunnihar durch die Entfernung seiner beiden Söhne tief betrübt worden. Es dauerte nicht lange, so erfuhr er den Entschluß, den der Prinz Hussain gefaßt hatte, die Welt zu verlassen, und auch den Ort, den er sich zu seinem künftigen Aufenthalte gewählt hatte. Als ein guter Vater, der einen Teil seines Glückes darin sieht, seine Kinder um sich zu haben, hätte er es freilich lieber gesehen, wenn er bei ihm geblieben wäre. Indes aus Liebe zu seinen Kindern ertrug er seine Abwesenheit mit Geduld. Er wandte alle Sorgfalt an, um Nachricht von dem Prinzen Achmed zu erhalten; doch alle Mühe hatte nicht den gehofften Erfolg, und sein Kummer wurde, anstatt abzunehmen, nur noch größer. Oft besprach er sich darüber mit seinem Großwesir. »Wesir,« sprach er einst zu ihm, »du weißt, daß Achmed derjenige unter meinen Söhnen ist, den ich immer am zärtlichsten geliebt habe, und du weißt, welche Mittel und Wege ich eingeschlagen habe, um ihn wiederzufinden, doch stets ohne Erfolg. Der Schmerz, den ich darüber empfinde, ist so lebhaft, daß ich ihm am Ende erliegen werde. Wenn dir nur irgend etwas an der Erhaltung meiner Gesundheit liegt, so beschwöre ich dich, daß du mich mit deinem Beistand und deinem Rat unterstützt.« Der Großwesir sann auf Mittel, um ihm etwas Beruhigung zu verschaffen, und da fiel ihm eine Zauberin ein, von weicher man Wunderdinge erzählte. Er schlug ihm vor, diese kommen zu lassen und zu befragen, und der Sultan erlaubte es. Der Großwesir ließ sie also aufsuchen und führte sie selbst bei ihm ein. Der Sultan sagte zu der Zauberin: »Die Betrübnis, in der ich mich seit der Hochzeit meines Sohnes Aly mit der Prinzessin Nurunnihar wegen der Abwesenheit des Prinzen Achmed befinde, ist so allgemein bekannt, daß du ohne Zweifel darum wissen wirst. Kannst du mir nun nicht vermöge deiner Kunst und Geschicklichkeit sagen, was aus ihm geworden ist? Ist er noch am Leben? Was macht er? Darf ich hoffen, ihn noch einmal wiederzusehen?« Die Zauberin antwortete: »Herr, welche Geschicklichkeit ich auch immer besitzen mag, so ist es mir doch nicht möglich, sofort der Anfrage Eurer Majestät zu genügen; doch wenn Ihr mir bis morgen Zeit lassen wollt, so werde ich Euch Bescheid geben können.« Der Sultan gestattete ihr diesen Aufschub und entließ sie mit dem Versprechen, sie gut zu belohnen. Die Zauberin kam den folgenden Tag wieder, und der Großwesir stellte sie wiederum vor. Sie sagte zu dem Sultan: »Herr, ich habe nichts weiter ermitteln können, als daß der Prinz Achmed nicht tot ist. Dies ist ganz gewiß, und Ihr könnt Euch darauf verlassen. Wo er sein mag, habe ich jedoch nicht entdecken können.« Der Sultan von Indien war genötigt, sich mit dieser Antwort zu begnügen, die ihn wegen des Schicksals des Prinzen fast in derselben Ungewißheit ließ, als er zuvor war. Um wieder auf den Prinzen Achmed zurückzukommen, so unterhielt sich dieser oft mit der Fee Pari Banu über seinen Vater, den Sultan, doch äußerte er nie den Wunsch, diesen wiederzusehen, und aus dieser Absichtlichkeit erriet die Fee seine innere Gesinnung. Da sie nun seine Zurückhaltung und seine Furcht, nach jener abschlägigen Antwort noch einmal ihr Mißfallen zu erregen, bemerkte, wußte sie, daß seine Liebe zu ihr aufrichtig sei, und so beschloß sie, ihm das zu bewilligen, was er so sehnlich wünschte. Sie sagte daher eines Tages zu ihm: »Prinz, die Erlaubnis, um die Ihr mich batet, daß Ihr nämlich Euren Vater besuchen wolltet, hatte mir die Besorgnis eingeflößt, daß dies bloß ein Vorwand sei, um mich zu verlassen; es war der einzige Beweggrund, warum ich Euch Eure Bitte abschlug. Doch heute bin ich anderer Ansicht geworden und gewähre Euch diese Erlaubnis, doch nur unter der Bedingung, daß Ihr mir zuvor schwört, daß Ihr sehr bald wieder zurückkehren werdet.« Der Prinz Achmed wollte sich der Fee zu Füßen werfen, um ihr deutlicher an den Tag zu legen, wie sehr er von Dankbarkeit gegen sie durchdrungen sei, allein die Fee hinderte ihn daran. »Prinz,« sagte sie zu ihm, »Ihr könnt abreisen, sobald es Euch beliebt; aber erwähnt gegen Euren Vater nichts von unserer Verbindung, von meinem Stande, oder von dem Orte, wo Ihr Euch niedergelassen habt. Bittet ihn, daß er sich mit der Nachricht begnüge, daß Ihr Euch nichts weiter wünscht, und daß der einzige Grund Eurer Reise zu ihm bloß der gewesen, daß Ihr ihm seine Besorgnis über Euer Schicksal nehmen wolltet.« Dann gab sie ihm zu seiner Begleitung zwanzig wohlgerüstete und stattliche Reiter. Als alles bereit war, nahm der Prinz Achmed von der Fee Abschied, indem er sie umarmte. Man führte ihm das Pferd vor, welches sie für ihn hatte in Bereitschaft halten lassen: dies war nicht bloß reich angeschirrt, sondern auch sehr schön und von einem noch höheren Wert als irgendeines in dem Marstall des Sultans von Indien. Er bestieg es mit vielem Anstande, winkte ihr sein letztes Lebewohl zu, und sprengte von dannen. Da der Weg nach der Hauptstadt nicht weit war, langte Prinz Achmed binnen kurzer Zeit dort an. Sobald er in die Stadt einritt, empfing ihn das Volk, voll Freude über sein Wiedererscheinen, mit lautem Beifallruf, und ein großer Teil begleitete ihn bis an die Zimmer des Sultans. Der Sultan empfing und umarmte ihn voll Freude, beklagte sich gleichwohl aber über die Betrübnis, in die ihn seine lange Abwesenheit versenkt habe. »Herr,« erwiderte der Prinz Achmed, »es liegt hier ein Geheimnis vor, und ich bitte Euch, es nicht ungnädig aufzunehmen, wenn ich darüber stillschweige. Ich bin glücklich und mit meinem Glücke zufrieden. Da in meinem Glücke nichts war, was mich beunruhigen und dasselbe zu stören vermochte, als der Gedanke an den Kummer, den Eure Majestät über mein Verschwinden haben mußte, so hielt ich es für meine Pflicht, Euch denselben zu benehmen. Dies ist der einzige Grund, warum ich komme. Die einzige Gnade, die ich mir für die Zukunft von Eurer Majestät erbitte, besteht darin, daß Ihr mir erlaubt, von Zeit zu Zeit hierher zu kommen, um Euch meine Ehrerbietung zu bezeigen und mich nach Eurem Befinden zu erkundigen.« »Mein Sohn,« antwortete der Sultan von Indien, »ich kann dir diese Erlaubnis nicht verweigern, doch würde ich es weit lieber gesehen haben, wenn du dich hättest entschließen können, hier in meiner Nähe zu bleiben. Indes sage mir wenigstens, wo ich von dir Nachricht erhalten kann, wenn du mir selber keine zukommen lässest, oder wenn deine Gegenwart einmal nötig sein sollte.« »Herr,« erwiderte der Prinz Achmed, »das, wonach Eure Majestät mich fragt, gehört mit zu dem erwähnten Geheimnis, und ich bitte Euch daher, mir zu gestatten, daß ich über diesen Punkt schweige.« Der Prinz Achmed blieb am Hofe seines Vaters nicht länger als drei Tage, und schon am vierten reiste er sehr früh wieder ab. Einen Monat nach der Rückkehr des Prinzen bemerkte die Fee Pari Banu, daß, seitdem der Prinz ihr von seiner Reise Bericht erstattet, er nie mehr mit ihr über den Sultan gesprochen hatte, was er früher doch so oft getan hatte, gerade als ob er nicht mehr auf der Welt wäre. Sie mutmaßte, daß er bloß aus Achtung gegen sie dies vermiede, und nahm daher eines Tages Gelegenheit, folgendes zu ihm zu sagen: »Prinz, sagt mir doch, habt Ihr Euren Vater, den Sultan, denn so ganz vergessen?« »Verehrte Frau,« erwiderte der Prinz Achmed, »ich fühle mich einer solchen Vergeßlichkeit nicht fähig, indes ich wollte lieber diesen Euren Vorwurf unverdient ertragen, als mich einer abschlägigen Antwort aussetzen, wenn ich Euch gegenüber eine Sehnsucht nach etwas blicken ließe, was Euch irgendwie hätte in Unruhe versetzen können.« »Prinz,« sagte die Fee zu ihm, »ich will nicht, daß Ihr länger diese Rücksicht gegen mich nehmt, und so dächte ich, da Ihr Euren Vater seit einem Monate nicht gesehen, Ihr ließet keine längere Frist verstreichen und stattet ihm den schuldigen Besuch ab. Fangt also morgen damit an, und fahrt so von Monat zu Monat fort, ohne daß Ihr mir deshalb jedesmal etwas sagt oder von mir eine Äußerung erwartet.« Prinz Achmed reiste schon den folgenden Tag mit demselben Gefolge ab, das aber weit prächtiger ausgerüstet und gekleidet war, als das erstemal. Er wurde von dem Sultan wieder ebenso freudig empfangen. So setzte er denn seine Besuche mehrere Monate lang fort, und immer erschien er in einem reicheren und glänzenderen Aufzuge. Endlich wußten einige Wesire die Freiheit, die ihnen gestattete mit dem Sultan zu reden, dazu zu mißbrauchen, daß sie in ihm Argwohn gegen den Prinzen weckten. Sie stellten ihm vor, die Klugheit erfordere es, zu wissen, wo der Prinz seinen eigentlichen Aufenthalt habe, und wovon er seinen großen Aufwand bestreite, dann fuhren sie fort und sagten: »Habt Ihr recht bemerkt, daß jedesmal, wenn er ankommt, er und seine Leute ganz frisch und munter und ihre Kleider, die Decken der Pferde und der übrige Schmuck so blank aussehen, als wären sie soeben erst neu gemacht? Sogar ihre Pferde sind nicht müder, als kämen sie nur von einem Spazierritt. Dies sind alles Beweise, daß sich der Aufenthaltsort des Prinzen in der Nähe befindet, und wir glauben unsere Pflicht zu verletzen, wenn wir Euch dies nicht untertänigst vorstellten, damit Ihr zu Eurer eigenen Erhaltung und zum Wohl Eures Reichs die erforderliche Rücksicht darauf nehmen könnt.« Der Sultan geriet durch die Reden der Günstlinge in einige Unruhe und beschloß, die Schritte des Prinzen Achmed beobachten zu lassen, doch ohne seinem Großwesir das mindeste davon zu sagen. Er ließ die Zauberin zu sich kommen und sagte zu ihr: »Du hast mir die Wahrheit gesagt, als du mir versichertest, daß mein Sohn Achmed nicht tot sei, und ich danke dir dafür; allein du mußt mir noch einen Gefallen tun. Seitdem ich ihn nämlich wiedergefunden habe und er wieder jeden Monat einmal an meinen Hof kommt, habe ich noch nicht von ihm erfahren können, an welchem Ort er seine Wohnung hat. Du weißt, daß er jetzt eben hier ist, und da er von hier immer wieder abzureisen pflegt, ohne von mir oder irgendeinem an meinem Hof Abschied zu nehmen, so verliere keine Zeit, begib dich noch heute auf den Weg und beobachte ihn so gut, daß du erfährst, wo er jedesmal hingeht, und mir darüber Antwort bringen kannst.« Die Zauberin entfernte sich aus dem Palast des Sultans, und da sie erfahren hatte, an welchem Orte der Prinz Achmed seinen Pfeil gefunden hatte, begab sie sich augenblicklich dahin und versteckte sich bei den Felsen. Den folgenden Tag reiste der Prinz Achmed mit Anbruch des Morgens ab, ohne daß er vom Sultan oder von einem anderen Manne des Hofes Abschied nahm, wie er dies gewöhnlich tat. Die Zauberin sah ihn kommen und begleitete ihn mit den Augen so weit, bis sie ihn und sein Gefolge aus dem Gesicht verlor. Da die Felsen wegen ihrer Steilheit jedem Sterblichen unzugänglich waren, schloß die Zauberin, eines von beiden könne hier nur der Fall sein, nämlich daß der Prinz sich hier entweder in eine Höhle zurückzöge, oder an einen unterirdischen Ort, wo Feen und Geister wohnten. Sobald sie nun vermuten konnte, daß der Prinz und seine Leute verschwunden und in die Höhle oder in das unterirdische Gemach hineingegangen sein müßten, kam sie aus ihrem Versteck hervor und ging geraden Weges auf die Schlucht los, wo sie dieselben hatte hineintreten sehen. Sie ging in diese hinein, schritt bis dahin, wo dieselbe in allerlei Krümmungen endigte, sah sich nach allen Seiten um und ging mehrere Male auf und ab. Allein ungeachtet aller Sorgfalt bemerkte sie doch weder eine Höhlenöffnung, noch die eiserne Tür, welche früher den Nachforschungen des Prinzen Achmed nicht entgangen war — und zwar darum, weil diese Tür nur für Männer, und zwar nur für die, deren Gegenwart der Fee Pari Banu angenehm war, aber nicht für Frauen sichtbar war. Die Zauberin ging also wieder zurück, um dem Sultan Antwort zu bringen, und nachdem sie diesem über alle ihre Schritte Bericht abgestattet hatte, fügte sie hinzu: »Herr, ich will Euch gegenwärtig noch nicht sagen, was ich denke, sondern ich will Euch lieber eine so klare Kenntnis von der Sache verschaffen, daß Ihr nicht mehr zweifeln könnt. Um dies bewirken zu können, erbitte ich mir bloß Zeit und Geduld, nebst der Erlaubnis, daß Ihr mich handeln laßt, ohne nach den Mitteln zu fragen, deren ich mich hierzu bedienen muß.« Der Sultan sagte zu ihr: »Ganz nach deinem Belieben! Geh und handle so, wie du es für angemessen findest, ich werde die Erfüllung deiner Versprechungen ruhig abwarten.« Da der Prinz Achmed, seitdem er von der Fee Pari Banu die Erlaubnis erhalten hatte, dem Sultan von Indien seine Aufwartung zu machen, nicht unterlassen hatte, dies regelmäßig alle Monate einmal zu tun, wartete die Zauberin, bis der laufende Monat zu Ende ging. Ein oder zwei Tage vor dem Ende desselben begab sie sich an den Fuß der Felsen, und zwar an die Stelle, wo ihr der Prinz mit seinen Leuten aus dem Gesicht verschwunden war, und wartete da, um den Plan, den sie entworfen hatte, auszuführen. Schon am folgenden Tage ritt Prinz Achmed, wie gewöhnlich, aus der eisernen Tür heraus, und zwar mit dem Gefolge, das ihn immer zu begleiten pflegte; er kam dicht an der Zauberin vorbei, die er nicht für das erkannte, was sie war. Da er bemerkte, daß sie den Kopf auf den Felsen gelegt hatte und wie eine schwer Leidende jammerte, bewog ihn das Mitleid, seitwärts abzulenken, um sich ihr zu nähern und sie zu fragen, was ihr denn fehle und was er zu ihrer Linderung tun könne. Die arglistige Zauberin sah den Prinzen, ohne den Kopf emporzuheben, mit einer Miene an, die sein schon gewecktes Mitleid noch vermehrte. Sie antwortete ihm in abgebrochenen Worten, und als könnte sie kaum atmen, sie sei von Hause weggegangen, um nach der Stadt zu gehen. Unterwegs sei sie von einem heftigen Fieber befallen worden, die Kräfte seien ihr geschwunden, und sie sei genötigt gewesen, auszuruhen und in dieser unbewohnten Gegend, ohne Aussicht auf menschlichen Beistand, in der Lage zu bleiben, in der er sie gefunden. »Gute Frau,« erwiderte der Prinz Achmed, »Ihr seid nicht so weit von aller menschlichen Hilfe entfernt, als Ihr denkt; ich bin bereit, Euch an einen Ort zu bringen, wo Ihr nicht bloß alle mögliche Pflege finden, sondern auch bald geheilt werden sollt. Ihr dürft bloß aufstehen und zugeben, daß einer von meinen Leuten Euch hinter sich aufs Pferd nimmt.« Bei diesen Worten des Prinzen Achmed stellte sich die Zauberin, als suche sie sich mit vieler Mühe aufzurichten. In demselben Augenblick stiegen zwei von den Reitern ab, halfen ihr auf die Beine und setzten sie hinter einen anderen Reiter aufs Pferd. Während sie sich wieder aufsetzten, sprengte der Prinz an der Spitze seiner Reiterschar den Weg wieder zurück und kam bald an die eiserne Tür, welche ihm durch einen vorausgeeilten Reiter geöffnet worden war. Der Prinz ritt hinein, und als er in den Hof des Feenpalastes gelangt war, ließ er, ohne selber abzusteigen, durch einen seiner Reiter der Fee melden, daß er sie zu sprechen wünsche. Die Fee Pari Banu eilte um so schneller herbei, als sie nicht begreifen konnte, was den Prinzen Achmed sobald wieder zur Umkehr veranlaßt haben könnte. Ohne ihr Zeit zu lassen, nach dem Grunde zu fragen, sagte der Prinz zu ihr, indem er auf die Zauberin wies, die zwei seiner Leute vom Pferde herabgehoben hatten und nun unter den Armen geführt brachten: »Meine Prinzessin, ich bitte Euch, dieser Frau dasselbe Mitleid zu schenken, das ich ihr geschenkt habe. Ich habe sie in dem Zustande, in dem Ihr sie seht, unterwegs getroffen und habe ihr den Beistand versprochen, dessen sie bedarf.« Die Fee Pari Banu, die während der Rede des Prinzen ihre Augen auf die angebliche Kranke geheftet hatte, befahl zweien ihrer Frauen, die ihr gefolgt waren, sie aus den Händen der Reiter zu übernehmen, sie in ein Zimmer des Palastes zu führen und für sie ganz ebenso zu sorgen, als ob sie es selber wäre. Während die beiden Frauen den empfangenen Befehl vollzogen, näherte sich die Fee Pari Banu dem Prinzen Achmed und sagte mit niedergesenkten Augen zu ihm: »Prinz, ich lobe Euer Mitleid; es ist Euer und Eures Standes würdig, und ich freue mich, Eurer guten Absicht entsprechen zu können: allein erlaubt mir, Euch zu sagen, daß ich sehr fürchte, diese gute Absicht werde uns übel belohnt werden. Es scheint mir nämlich nicht, daß diese Frau so krank ist, als sie vorgibt, und ich müßte mich sehr täuschen, wenn sie nicht ausdrücklich dazu hergekommen ist, Euch großes Unheil zu bringen. Indes laßt Euch das nicht kümmern. Was man auch immer gegen Euch anzetteln mag, Ihr könnt versichert sein, daß ich Euch aus allen Schlingen, die man Euch irgend legen mag, befreien werde. Geht daher und setzt Eure Reise fort.« Diese Äußerungen der Fee beunruhigten den Prinzen weiter nicht und er antwortete: »Meine Prinzessin, da ich mich nicht erinnern kann, jemandem etwas zuleide getan zu haben, und da ich auch gegen niemanden etwas Böses vorhabe, so glaube ich nicht, daß irgend jemand dergleichen mir zuzufügen gedenkt. Wie dem aber auch sein mag, ich werde nicht aufhören, Gutes zu tun, so oft sich mir die Gelegenheit dazu bieten wird.« Hierauf nahm er Abschied von der Fee und setzte seine Reise weiter fort. Nach wenigen Stunden langte er am Hofe des Sultans an, der ihn fast so wie sonst empfing, indem er sich soviel als möglich zwang, um weder seine Unruhe, noch den Argwohn merken zu lassen, den die Äußerungen der beiden Günstlinge in ihm geweckt hatten. Unterdes hatten die beiden Frauen, denen die Fee Pari Banu die Sorge für die Zauberin aufgetragen, diese in ein sehr schönes und reichgeschmücktes Zimmer geführt. Zuerst betteten sie sie auf ein Sofa; dann machten sie ihr eine Lagerstatt zurecht, deren Kissen aus Atlas waren, die Stickereien aus Seide trugen; das Bettuch war von der feinsten Leinwand und die Oberdecke von Goldstoff. Als sie ihr nun ins Bett geholfen hatten — denn die Zauberin tat, als ob ihr Fieberanfall sie so quäle, daß sie sich selber nicht helfen könne —, ging eine von den Frauen hinaus und kam bald darauf mit einem sehr feinen Porzellangefäß in der Hand zurück, welches mit einer Flüssigkeit angefüllt war. Sie reichte es der Zauberin, während die andere Frau ihr half, sich im Bette aufzusetzen, und sagte zu ihr: »Da, nehmt die Flüssigkeit, es ist Wasser aus der Löwenquelle, ein Universalmittel gegen jede Art von Fieber. Ihr werdet binnen einer Stunde die Wirkung davor, empfinden.« Um noch kränker zu erscheinen, ließ sich die Zauberin lange bitten und tat, als hätte sie eine unüberwindliche Abneigung gegen diesen Trank. Endlich nahm sie das Porzellangefäß und schluckte die Flüssigkeit hinunter, während sie den Kopf schüttelte, als ob sie sich große Gewalt antäte. Als sie sich wieder gelegt hatte, deckten die beiden Frauen sie gut zu, und die, welche den Trank gebracht hatte, sagte zu ihr: »Bleibt jetzt ganz ruhig und schlaft, wenn Ihr Lust habt. Wir wollen Euch jetzt verlassen und hoffen, Euch bei unserer Wiederkehr nach einer Stunde vollkommen genesen zu finden.« Die Zauberin, die nicht darum gekommen war, um hier lange die Kranke zu spielen, sondern bloß um den Aufenthalt des Prinzen Achmed auszuspähen, hätte jetzt gern erklärt, daß der Trank seine Wirkung getan habe, so groß war ihr Verlangen, zurückzukehren und den Sultan von dem glücklichen Gelingen des Auftrags, den er ihr gegeben, zu benachrichtigen; indes, da man ihr nicht gesagt hatte, daß der Trank auf der Stelle wirke, mußte sie wider ihren Willen die Rückkehr der Frauen abwarten. Die beiden Frauen kamen nach Verlauf der angegebenen Zeit wieder und fanden die Zauberin aufgestanden und angekleidet auf dem Sofa. Bei ihrem Eintritt stand sie sogleich auf und rief: »O der bewunderungswürdige Trank! Er hat weit schneller gewirkt, als ihr mir sagtet, und ich erwarte euch schon seit einer Weile voll Ungeduld, um euch zu bitten, mich doch zu eurer mildtätigen Gebieterin zu führen, damit ich ihr für ihre Güte meinen Dank abstatte.« Die beiden Frauen, welche ebenfalls Feen waren, freuten sich mit ihr über die Wiederherstellung ihrer Gesundheit und führten sie durch mehrere Zimmer, die alle weit prächtiger waren als das, woraus sie eben kam, in den prachtvollsten und reichgeschmücktesten Saal des ganzen Palastes. Pari Banu saß in diesem Saal auf einem Thron von gediegenem Golde, der mit Diamanten, Rubinen und Perlen von ungewöhnlicher Größe reich verziert war und neben dem rechts und links eine große Anzahl von Feen stand, die alle reich gekleidet waren und einen entzückenden Anblick boten. Durch solchen Glanz und solche Majestät ward die Zauberin nicht nur ganz geblendet, sondern sie ward auch so verwirrt, daß sie, nachdem sie sich vor dem Throne niedergeworfen, nicht einmal den Mund zu öffnen vermochte, um der Fee ihren Dank abzustatten. Pari Banu ersparte ihr diese Mühe und sagte zu ihr: »Gute Frau, ich will Euch nicht länger zurückhalten; doch es wird Euch nicht unlieb sein, zuvor meinen Palast zu besehen. Gehet mit meinen Frauen, sie werden Euch begleiten und Euch denselben zeigen.« Die Zauberin, welche noch immer ganz verwirrt war, verneigte sich nochmals mit der Stirn bis auf den Teppich herab, welcher die Stufen des Thrones bedeckte, und nahm Abschied. Sie vermochte kein einziges Wort vorzubringen, und ließ sich von den beiden Feen, die sie begleiteten, herumführen. Sie sah nun zu ihrem Erstaunen und unter beständigen Ausrufen der Verwunderung dieselben Reichtümer und dieselbe Pracht, welche die Fee Pari Banu dem Prinzen Achmed, als er das erstemal vor ihr erschien, hatte zeigen lassen. Was ihr aber die größte Bewunderung einflößte, war, daß die Feen, nachdem sie das ganze Innere des Palastes in Augenschein genommen, ihr sagten, daß alles das, was sie soeben bewundert habe, nur eine Probe von der Größe und Macht ihrer Gebieterin sei, und daß sie in ihrem Bereich noch andere unzählige Paläste habe, die alle von verschiedener Form und Bauart, doch nicht minder stattlich und prächtig wären. Indem sie sich mit ihr unterhielten, führten sie sie bis zur eisernen Tür, durch welche der Prinz Achmed sie eingeführt hatte, öffneten dieselbe und wünschten ihr, nachdem sie von ihnen Abschied genommen und gedankt hatte, eine glückliche Reise. Als die Zauberin einige Schritte weit gegangen war, drehte sie sich um, um sich die Tür zu merken, doch sie suchte dieselbe vergebens; sie war bereits wieder für sie unsichtbar geworden. Sie begab sich nun also ganz zufrieden zum Sultan zurück. Der Sultan ließ sie vor sich kommen, und da er sie mit einem sehr traurigen Gesicht erscheinen sah, mutmaßte er, die Sache sei ihr nicht gelungen, und sagte zu ihr: »Deinem Aussehen nach schließe ich, daß deine Reise fruchtlos gewesen und daß du mir die Aufklärung nicht mitbringst, die ich von deinem Diensteifer erwartete.« »Herr,« erwiderte die Zauberin »der traurige Zug, den Ihr vielleicht in meinem Gesichte bemerkt, rührt aus einer anderen Quelle als daher, daß mir meine Aufgabe nicht gelungen wäre. Welches die eigentliche Ursache ist, sage ich Euch nicht; der Bericht, den ich Euch abstatten werde, wird Euch alles erklären.« Nun erzählte die Zauberin dem Sultan alles, was sie gesehen, und schilderte ihm besonders die Majestät der Fee, die auf einem von Edelsteinen blitzenden Throne gesessen, deren Wert leicht die Reichtümer ganz Indiens übersteige, und endlich die übrigen unermeßlichen und unschätzbaren Reichtümer, welche in dem großen Palast enthalten wären. Hier beendete die Zauberin ihren Bericht und fuhr dann fort: »Herr, was denkt nun Euer Majestät von diesen unerhörten Reichtümern der Fee? Vielleicht werdet Ihr sagen, Ihr freut Euch über das hohe Glück des Prinzen Achmed, der dieselben mit der Fee gemeinschaftlich genießt. Ich will gern glauben, daß der Prinz Achmed vermöge seiner guten Gemütsart nicht fähig ist, etwas gegen Euer Majestät zu unternehmen, allein wer kann dafür Zeuge sein, daß nicht die Fee durch ihre Reize, ihre Liebkosungen und durch die Gewalt, die sie bereits über ihren Gemahl erlangt hat, ihm den verderblichen Plan eingibt, Euer Majestät zu verdrängen und sich der Krone Indiens zu bemächtigen?« Wie sehr auch der Sultan von dem guten Gemüt seines Sohnes überzeugt war, regten ihn dennoch die Äußerungen der Zauberin sehr auf. Als man dem Sultan die Ankunft der Zauberin gemeldet hatte, unterhielt er sich gerade mit denselben Günstlingen, die ihm bereits früher Argwohn gegen den Prinzen Achmed eingeflößt hatten. Er gebot nun der Zauberin, ihm zu folgen, begab sich zu den beiden Günstlingen und teilte diesen mit, was er soeben vernommen. Einer von den beiden Günstlingen nahm das Wort und antwortete: »Herr, da Euer Majestät denjenigen kennt, welcher dies Unglück zustande bringen konnte, da er mitten an Eurem Hofe lebt und in Euren Händen ist, so solltet Ihr ihn ungesäumt verhaften und in einen engen Kerker werfen lassen.« Die übrigen Günstlinge gaben dieser Ansicht einstimmig ihren Beifall. Die Zauberin fand indes diesen Ratschlag zu gewaltsam; sie bat den Sultan um Erlaubnis zu reden, und als sie dieselbe erhalten, sagte sie folgendes zu ihm: »Herr, bei Verhaftung des Prinzen müßte man auch zugleich seine Begleiter mit verhaften, die aber nicht Menschen, sondern Geister sind. Wird es aber leicht sein, sich dieser zu bemächtigen? Würden sie sich nicht auf der Stelle unsichtbar machen und augenblicklich die Fee von der ihrem Gemahl angetanen Beleidigung unterrichten, die diese Schmach nicht ungerächt lassen würde? Wäre es daher nicht angebrachter, wenn der Sultan sich durch ein anderes Mittel gegen die bösen Anschläge, die der Prinz Achmed etwa haben mag, sicher stellen könnte? Da die Geister und die Feen Dinge vermögen, welche weit alle menschliche Kraft übersteigen, so könnte Seine Majestät den Prinzen Achmed ja bei seiner Ehre fassen und ihn verpflichten, ihm durch Vermittelung der Fee gewisse Vorteile zu verschaffen, unter dem Vorwande, daß er, der Sultan, davon großen Nutzen haben und ihm dafür stets dankbar sein würde. Zum Beispiel, so oft Euer Majestät zu Felde ziehen will, seid Ihr genötigt, einen ungeheuren Aufwand zu machen, nicht bloß an Pavillons und Zelten für Euch und Euer Heer, sondern auch an Kamelen, Mauleseln und andern Lasttieren, um dieses ganze Gerät fortzubringen. Könntet Ihr ihn nun nicht verpflichten, daß er Euch einen Pavillon verschaffte, der in der Hand Platz hätte, unter dem aber Euer ganzes Heer Obdach finden könnte? Wenn der Prinz diesen Pavillon herbeischaffen sollte, so bleiben Euch immer noch so viele andere Forderungen an ihn zu stellen übrig, daß er am Ende dennoch der Unmöglichkeit der Ausführung wird unterliegen müssen. So wird er sich dann aus Scham nicht mehr sehen lassen und gezwungen sein, sein Leben bei der Fee, fern vom Verkehr mit der Welt, hinzubringen, und so wird dann Euer Majestät nichts mehr von seinen Anschlägen zu befürchten haben.« [Illustration: Sie rief: »O elender Mensch, was ist das für eine traurige Wache, die du da aufbewahrst.«] Als die Zauberin ausgeredet hatte, frug der Sultan seine Günstlinge, ob sie ihm etwas Besseres vorzuschlagen wüßten, und da sie stillschwiegen, so beschloß er, den Rat der Zauberin zu befolgen. Als der Prinz Achmed am folgenden Tag vor seinem Vater erschien und neben ihm Platz genommen hatte, ließ sich dieser durch seine Gegenwart nicht abhalten, sein Gespräch über allerlei gleichgültige Gegenstände noch eine Weile fortzusetzen. Dann erst wandte er sich zum Prinzen Achmed und sagte zu ihm: »Mein Sohn, als du erschienst und mich von der tiefen Traurigkeit, in die mich deine lange Abwesenheit versenkt hatte, befreitest, machtest du mir ein Geheimnis aus dem Orte, den du dir zum Aufenthalt gewählt hattest, und in der ersten Freude, dich wiederzusehen, wollte ich nicht weiter in dein Geheimnis eindringen. Ich kenne jetzt dein Glück, freue mich dessen und billige deine Wahl, daß du eine Fee geheiratet, die so liebenswürdig, so reich und mächtig ist. Dem hohen Range eingedenk, zu welchem du jetzt erhoben bist, bitte ich dich, daß du deinen ganzen Einfluß, den du bei deiner Fee haben magst, aufbietest, um mir in Fällen der Not ihren Beistand zu verschaffen und du wirst mir erlauben, daß ich diesen deinen Einfluß noch heute auf die Probe stelle. Du weißt, mit welchen ungeheuren Kosten meine Heerführer, Offiziere und ich selber, so oft ich in Kriegszeiten ins Feld zu ziehen genötigt bin, Pavillons und Zelte, sowie auch Kamele und andere Lasttiere zum Fortbringen derselben, anschaffen müssen. Deshalb bitte ich dich, mir von deiner Fee einen Pavillon zu verschaffen, der gerade in einer Hand Platz hat, und unter welchem dennoch mein ganzes Heer Obdach finden kann.« Der Prinz Achmed hatte sich dessen gar nicht versehen, daß sein Vater von ihm eine Sache verlangen würde, die ihm gleich von vornherein sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich schien. Er war daher wegen der Antwort, die er jetzt geben sollte, in nicht geringer Verlegenheit. »Herr,« erwiderte er endlich, »ich bin Gemahl der Fee, von der man Euch gesagt hat, ich liebe sie, und bin überzeugt, daß sie mich ebenfalls liebt; doch was meinen Einfluß bei ihr anbetrifft, wie Euer Majestät anzunehmen scheint, so weiß ich davon nichts zu sagen. Ich habe diesen nicht nur niemals versucht, sondern noch nicht einmal daran gedacht, ihn zu versuchen. Indes der Wunsch eines Vaters ist Befehl für einen Sohn. Obwohl höchst ungern und nur mit unbeschreiblichem Widerwillen, werde ich dennoch nicht unterlassen, meiner Gemahlin die Bitte, die Euer Majestät hat, vorzutragen. Indes ich kann Euch nicht versprechen, daß sie mir wirklich erfüllt werden wird, und sollte ich daher aufhören, vor Euch zu erscheinen und Euch meine Ehrerbietung zu beweisen, so wird dies ein Zeichen sein, daß ich nichts ausgerichtet habe, und ich bitte daher im voraus, daß Ihr es mir verzeihen möget.« Der Sultan von Indien antwortete dem Prinzen: »Mein Sohn, ich sehe schon, daß du die Gewalt nicht kennst, die ein Mann über seine Frau hat. Die deinige würde beweisen, daß sie dich wenig liebt, wenn sie dir bei der Macht, die sie als Fee hat, eine so geringfügige Sache abschlagen wollte. Geh, bitte sie nur, und du wirst sehen, daß die Fee dich weit mehr liebt, als du es glaubst.« Der Prinz reiste voll Verdruß zwei Tage früher ab, als er sonst zu tun pflegte. Sobald er zu Hause angekommen war, frug ihn die Fee, welche ihn bisher immer mit heiterem Angesicht hatte kommen sehen, nach der Ursache der Veränderung, die sie an ihm bemerkte. Der Prinz sträubte sich lange dagegen, indem er ihr versicherte, es sei weiter nichts; allein je mehr er sich sträubte, desto mehr drang sie in ihn. Endlich vermochte er nicht länger den inständigen Bitten der Fee zu widerstehen und sagte also zu ihr: »Meine Gemahlin, Gott verlängere das Leben des Sultans, meines Vaters, und segne ihn bis an das Ende seiner Tage! Ich verließ ihn vollkommen frisch und gesund. Dies ist es also nicht, was mir die Bekümmernis veranlaßt, die Ihr an mir wahrgenommen habt, sondern der Sultan selber ist die Ursache davon. Erstlich, meine Gemahlin, wisset Ihr, wie sorgfältig ich ihm mein Glück zu verhehlen gesucht habe; gleichwohl hat er alles erfahren.« Bei diesen Worten unterbrach die Fee Pari Banu den Prinzen Achmed und sagte zu ihm: »Erinnert Euch an das, was ich Euch in betreff der Frau vorausgesagt habe, die sich krank stellte und mit welcher Ihr so großes Mitleid hattet; diese ist es, die dem Sultan, Eurem Vater, alles berichtet hat, was Ihr ihm verhehlt. Indes erzählt nur weiter.« »Meine Gemahlin,« fuhr der Prinz Achmed fort, »Ihr werdet bemerkt haben, daß ich bis zu diesem Augenblick nie eine Gunstbezeigung von Euch verlangt habe. Was könnte ich auch bei dem Besitz einer so liebenswürdigen Gemahlin noch weiter wünschen? Es war mir keineswegs unbekannt, wie groß Eure Macht sei, allein ich hatte es mir zur Pflicht gemacht, dieselbe nie auf die Probe zu stellen. Bedenkt also, ich beschwöre Euch darum, daß nicht ich es bin, sondern mein Vater, der Sultan, der die unbescheidene Bitte an Euch tut, ihm einen Pavillon zu verschaffen, der ihn, seinen ganzen Hof, und sein ganzes Heer, so oft er im Felde ist, gegen das Ungemach der Witterung schützt, aber dabei in der Hand Platz hat.« »Prinz,« erwiderte die Fee lächelnd, »es tut mir leid, daß eine solche Kleinigkeit Euch so viel Unruhe und Herzenspein verursacht hat.« Nach diesen Worten befahl sie, ihre Schatzmeisterin zu rufen. Die Schatzmeisterin kam, und die Fee sagte zu ihr: »Nurdschihan« — so hieß nämlich die Schatzmeisterin — »bringe mir den größten Pavillon, der in meinem Schatze ist.« Nurdschihan kam binnen wenigen Augenblicken wieder und brachte einen Pavillon, der nicht bloß in der Hand Platz hatte, sondern den man sogar in der Handfest verschließen konnte; sie überreichte ihn ihrer Gebieterin, die ihn nahm und dem Prinzen Achmed einhändigte, damit er ihn besehen möchte. Als der Prinz Achmed hörte, daß die Fee Pari Banu einen Pavillon holen ließ, und zwar den größten Pavillon aus ihrem Schatze, glaubte er, daß sie seiner spotten wolle, und die Spuren seines Befremdens verrieten sich in seinen Mienen und Gebärden. Pari Banu, die es bemerkte, lachte laut auf und rief: »Wie, Prinz, Ihr glaubt also, daß ich Euch bloß verspotten wolle? Ihr werdet bald sehen, daß ich keine Spötterin bin. Nurdschihan,« sagte sie zu ihrer Schatzmeisterin, indem sie den Pavillon aus den Händen des Prinzen nahm und ihn ihr wiedergab, »geh und spanne ihn aus, damit der Prinz sehen kann, ob sein Vater, der Sultan, ihn so groß finden wird, als er ihn verlangt hat.« Die Schatzmeisterin ging aus dem Palaste und entfernte sich so weit, daß beim Ausspannen das eine Ende desselben gerade bis an den Palast reichte. Als sie dies nun getan, fand ihn der Prinz Achmed so groß, daß zwei Heere, wenn sie auch ebenso zahlreich wären als das des Sultans von Indien, darunter Platz gehabt hätten. »Meine Prinzessin,« sagte er jetzt zu Pari Banu, »ich bitte Euch tausendmal um Verzeihung wegen meines Unglaubens; nach dem, was ich jetzt gesehen, glaube ich, daß unter allem, was Ihr irgend unternehmen möget, nichts ist, was Euch unerreichbar wäre.« »Ihr seht,« erwiderte die Fee, »daß der Pavillon größer als nötig ist; jedoch Ihr werdet bemerken, er hat die Eigenschaft, daß er größer oder kleiner wird, je nach dem Maße dessen, was darunter Platz finden soll, ohne daß man dabei irgendwie Hand anzulegen braucht.« Die Schatzmeisterin legte den Pavillon wieder zusammen, brachte ihn in seine vorige Lage und gab ihn dann in die Hände des Prinzen. Der Prinz Achmed nahm ihn, und schon den folgenden Tag setzte er sich, ohne länger zu zögern, zu Pferde und eilte in Begleitung seines gewöhnlichen Gefolges von dannen, um ihn dem Sultan, seinem Vater, zu überreichen. Der Sultan, welcher geglaubt hatte, ein Pavillon, wie er ihn verlangt hatte, könne gar nicht gefunden werden, war über die schnelle Wiederkehr seines Sohnes nicht wenig erstaunt. Er empfing den Pavillon, und nachdem er die Kleinheit desselben bewundert hatte, geriet er in Erstaunen, als er ihn in der Ebene errichten ließ und sah, daß zwei Heere, so groß als das seinige, darunter reichlich Platz hatten. Dem äußern Scheine nach bezeigte der Sultan von Indien dem Prinzen seine Dankbarkeit, indem er ihn bat, der Fee Pari Banu in seinem Namen dafür herzlich zu danken. Und um ihm zu zeigen, wie hoch er es schätzte, befahl er, es in seiner Schatzkammer sorgfältig aufzuheben. Allein in seinem Herzen faßte er eine weit ärgere Eifersucht, als ihm seine Schmeichler und die Zauberin zuvor eingeflößt hatten, indem er überlegte, daß sein Sohn mit Hilfe der Fee Dinge ausführen könnte, die weit über die Grenzen seiner eigenen Macht und seines Vermögens hinausgingen. Dies veranlaßte ihn, alles zu versuchen, um ihn zugrunde zu richten. Er fragte deshalb die Zauberin um Rat, und diese riet ihm, den Prinzen aufzufordern, daß er ihm Wasser aus der Löwenquelle bringen solle. Als der Sultan am Abend, wie gewöhnlich, seine Hofleute um sich versammelt hatte und der Prinz Achmed sich ebenfalls zugegen befand, redete er diesen mit folgenden Worten an: »Mein Sohn, ich habe dir schon gesagt, zu welchem Dank ich mich dir wegen des Pavillons verpflichtet fühle; du mußt mir zuliebe noch etwas anderes tun, das mir nicht minder angenehm sein wird. Ich höre nämlich, daß deine Gemahlin, die Fee, sich eines gewissen Wassers aus der Löwenquelle bedient, welches alle Arten von Fieber heilt; da ich nun vollkommen überzeugt bin, daß meine Gesundheit dir sehr teuer ist, rechne ich mit Gewißheit darauf, daß du dir von ihr ein Gefäß voll solchen Wassers erbitten und es mir dann bringen wirst, als ein Universalmittel, das mir jeden Augenblick gute Dienste tun kann. Erzeige mir also auch noch diesen wichtigen Dienst und setze dadurch deiner kindlichen Liebe zu mir die Krone auf.« Der Prinz Achmed, welcher geglaubt hatte, der Sultan, sein Vater, werde sich mit dem Besitz eines so einzigen und brauchbaren Pavillons begnügen und ihm nicht einen neuen Auftrag aufbürden, war bei dieser zweiten Aufforderung ganz verwirrt, ungeachtet ihm die Fee versichert hatte, sie werde ihm alles gewähren, was irgend in ihrer Macht stände. Nach einem Stillschweigen von einigen Augenblicken erwiderte er: »Herr, ich bitte Euer Majestät versichert zu sein, daß ich alles zu tun bereit bin, um Euch alles zu verschaffen, was irgendwie zur Verlängerung Eures Lebens beitragen kann; indes ich wünschte bloß, daß es ohne die Vermittlung meiner Gemahlin geschehen könnte. Aus diesem Grunde wage ich denn auch nicht, Euer Majestät zu versprechen, daß ich dies Wasser bringen werde. Alles, was ich tun kann, ist, Euch zu versichern, daß ich darum bitten werde, obwohl mit demselben Widerwillen wie damals, als ich um den Pavillon bat.« Als der Prinz Achmed den folgenden Tag zu der Fee Pari Banu zurückgekehrt war, stattete er ihr einen aufrichtigen und treuen Bericht von alledem ab, was am Hofe seines Vaters bei Überreichung des Pavillons vorgegangen war, den der Sultan mit vielem Dank für sie angenommen hatte. Er unterließ nicht, ihr die neue Bitte, die er in seinem Namen ihr zu machen beauftragt war, vorzutragen, und schloß mit den Worten: »Meine Prinzessin, ich teile Euch dies bloß als einfachen Bericht über das mit, was zwischen meinem Vater und mir vorgefallen; im übrigen steht es ganz in Eurem Belieben, seinen Wunsch zu erfüllen oder nicht, ich werde mich gar nicht darein mischen, sondern will bloß das, was Ihr wollt.« »Nein, nein,« erwiderte die Fee Pari Banu, »es ist mir sehr lieb, wenn der Sultan von Indien erfährt, daß Ihr mir nicht gleichgültig seid. Ich will seinen Wunsch befriedigen, und welche Ratschläge ihm auch immer die Zauberin eingeben mag — denn ich sehe wohl, daß er nur auf sie hört —, wir wollen ihm gegenüber stets auf der Hut sein. Es liegt in seiner diesmaligen Forderung etwas Boshaftes, wie Ihr aus meinem Bericht bald ersehen werdet. Die Löwenquelle befindet sich nämlich mitten in dem Hofe eines großen Schlosses, dessen Eingang von vier ungeheuren Löwen bewacht wird, von denen immer zwei schlafen, während die andern wachen. Indes, das darf Euch nicht in Schrecken setzen. Ich werde Euch ein Mittel an die Hand geben, vermöge dessen Ihr ohne Gefahr mitten durch sie hindurchgehen könnt.« Die Fee Pari Banu war gerade mit Nähen beschäftigt, und da sie in ihrer Nähe mehrere Zwirnknäuel liegen hatte, nahm sie eines davon, überreichte es dem Prinzen Achmed und sagte: »Zuerst nehmt dieses Knäuel; ich werde Euch bald den Gebrauch lehren, den Ihr davon machen könnt. Zweitens, laßt Euch zwei Pferde anschirren, eines, um selber darauf zu reiten, das andere, um es neben Euch her als Handpferd zu führen, beladen mit einem in vier Teile zerhackten Hammel, der heute noch geschlachtet werden muß. Drittens verseht Euch mit einem Gefäß, das ich Euch geben lasse, damit Ihr es morgen dort voll Wasser schöpfen könnt. Ganz früh setzt Euch dann zu Pferde und führt das andere Pferd am Zügel nebenher, und sobald Ihr aus der eisernen Tür hinaus seid, werft das Zwirnknäuel vor Euch her; dies wird dann anfangen zu rollen und so immer fort rollen bis an das Tor des Schlosses. Folgt demselben bis dahin nach, und wenn es stillsteht und das Tor sich öffnet, werdet Ihr die vier Löwen erblicken. Die beiden wachenden werden durch ihr Gebrüll die beiden andern schlafenden sogleich wecken. Fürchtet Euch indes nicht, sondern werft einem jeden ein Hammelviertel hin, ohne vom Pferde abzusteigen. Ist dies geschehen, so spornt ohne Zeitverlust Euer Pferd und reitet im gestreckten Galopp zur Quelle hin, füllt dann Euer Gefäß, ohne abzusteigen, und eilt dann mit derselben Schnelligkeit wieder zurück. Die Löwen werden noch mit Fressen beschäftigt sein und Euch einen freien Rückweg gestatten.« Der Prinz Achmed reiste am folgenden Morgen um die Stunde, welche die Fee Pari Banu ihm bestimmt hatte, ab und vollzog pünktlich, was sie ihm vorgeschrieben hatte. Er kam an dem Tore des Schlosses an, verteilte die Hammelviertel unter die vier Löwen, und nachdem er unerschrocken durch sie hindurchgeritten war, drang er bis zu der Quelle vor und schöpfte das Wasser ein. Sowie er das Gefäß gefüllt hatte, wandte er um und gelangte wohlbehalten und gesund wieder aus dem Schlosse hinaus. Als er etwas davon entfernt war, sah er sich um und erblickte zwei Löwen, die gerade auf ihn losstürzten. Ohne zu erschrecken zog er seinen Säbel und setzte sich zur Wehr. Doch da er unterwegs bemerkte, daß der eine in einiger Entfernung seitwärts ablenkte und mit Kopf und Schweif zu verstehen gab, daß er nicht komme, um ihm etwas zuleide zu tun, sondern bloß, um vor ihm herzulaufen, und daß der andere ihm folgen würde, steckte er seinen Säbel wieder ein und setzte so seinen Weg bis nach der Hauptstadt von Indien fort, wo er in Begleitung der beiden Löwen ankam, die ihn nicht verließen, bis an die Tür des Palastes des Sultans. Dort ließen sie ihn hineingehen und kehrten sodann denselben Weg wieder zurück, den sie gekommen waren, zum großen Entsetzen des Volkes und aller derer, die sie erblickten. Mehrere Palastbeamte, welche sogleich erschienen, um dem Prinzen Achmed vom Pferde herabzuhelfen, begleiteten ihn bis an das Zimmer des Sultans, wo dieser sich eben mit seinen Günstlingen unterhielt. Hier näherte er sich dem Throne, setzte das Gefäß zu den Füßen des Sultans, küßte den reichen Teppich, welcher die Stufen desselben bedeckte, stand dann wieder auf und sagte: »Herr, hier ist das heilsame Wasser, welches Euer Majestät in der Sammlung von Kostbarkeiten und Seltenheiten zu besitzen wünschte, die eine Zierde Eurer Schatzkammer sind. Ich wünsche Euch übrigens eine vollkommene Gesundheit, daß Ihr niemals davon Gebrauch zu machen nötig habt.« Als der Prinz seine Anrede beendet hatte, ließ der Sultan ihn zu seiner Rechten Platz nehmen und sagte dann zu ihm: »Mein Sohn, ich bin dir für dein Geschenk großen Dank schuldig, da du dich mir zuliebe in so große Gefahr begeben hast. Tue mir jetzt den Gefallen, mir zu sagen, durch welche Geschicklichkeit oder durch welche unglaubliche Kraft du dich dagegen sichergestellt hast?« Der Prinz erzählte ihm nun alles, und als er geendet hatte, stand der Sultan, der ihn mit den größten Freudenbezeigungen, doch innerlich mit derselben, ja mit noch größerer Eifersucht angehört hatte, von seinem Sitze auf und zog sich in das Innere seines Palastes zurück, wo die Zauberin, nach welcher er sogleich geschickt hatte, vor ihn geführt wurde. Die Zauberin hatte bereits ein — wie sie meinte — unfehlbares Mittel ausgedacht. Sie teilte dies Mittel dem Sultan mit, und der Sultan zeigte es dem Prinzen Achmed mit folgenden Worten an: »Mein Sohn, ich habe nur noch eine einzige Bitte an dich, nach dieser will ich dann nichts mehr, weder von deinem Gehorsam, noch von deiner Gemahlin, der Fee, verlangen; diese Bitte besteht darin, daß du mir einen Mann herbeischaffst, der nicht über anderthalb Fuß hoch ist, einen Bart von dreißig Fuß Länge hat, und der auf der Schulter eine fünfhundert Pfund schwere Eisenstange trägt, die ihm als Stab dient, und welcher reden kann.« Prinz Achmed, welcher nicht glauben konnte, daß es auf der Welt einen Menschen gäbe, der so wäre, wie sein Vater ihn verlangte, wollte sich entschuldigen, doch der Sultan blieb bei seiner Forderung, mit der Begründung, daß die Fee noch weit unglaublichere Dinge vermöge. Den folgenden Tag, als der Prinz in das unterirdische Reich der Fee zurückgekehrt war, teilte er derselben das neue Begehren seines Vaters mit. »Mein Prinz,« erwiderte die Fee, »dieser Mann ist mein Bruder Schaïbar, welcher, obwohl er mit mir denselben Vater hat, anstatt mir zu ähneln, von einer sehr heftigen Gemütsart ist, daß nichts imstande ist, ihn zurückzuhalten, daß er nicht sogleich blutige Beweise seines Rachegefühls gibt, wofern man ihm mißfällt oder ihn beleidigt. Übrigens ist er der beste Mensch von der Welt und stets bereit, gefällig zu sein, wo und wie man es irgend wünscht. Er ist ganz so gestaltet, wie der Sultan, Euer Vater, ihn beschrieben hat, und trägt keine anderen Waffen als die fünfhundert Pfund schwere Eisenstange, ohne die er niemals ausgeht. Ich werde ihn gleich kommen lassen, und Ihr mögt dann selbst urteilen, ob ich wahr gesprochen habe. Doch vor allen Dingen bereitet Euch vor, daß Ihr nicht vor seiner seltsamen Figur erschreckt.« Die Fee ließ sich in die Vorhalle ihres Palastes ein goldenes Räucherpfännchen mit glühenden Kohlen und eine Kapsel von demselben Metall bringen. Aus der Kapsel nahm sie wohlriechendes Räucherwerk, und als sie es in die Räucherpfanne geworfen, stieg ein dicker Rauch daraus empor. Einige Augenblicke nach diesem Verfahren sagte die Fee zu dem Prinzen Achmed: »Mein Prinz, da kommt mein Bruder, seht Ihr ihn?« Der Prinz sah hin und erblickte Schaïbar, welcher nicht mehr als anderthalb Fuß hoch war und mit seiner fünfhundert Pfund schweren Eisenstange und seinem stattlichen, dreißig Fuß langen Barte, der sich nach vorn zu aufstützte, feierlich einhergeschritten kam. Sein verhältnismäßig dicker Knebelbart war bis zu den Ohren aufgestülpt und bedeckte ihm fast das ganze Gesicht; seine Schweinsohren steckten tief im Kopfe, der ungeheuer dick und mit einer nach oben spitz zulaufenden Mütze bedeckt war; außerdem war er vorn und hinten bucklig. Hätte der Prinz es nicht vorher erfahren, daß Schaïbar der Bruder der Fee Pari Banu sei, hätte er ihn nicht ohne das größte Entsetzen ansehen können. Doch durch diese Nachricht beruhigt, erwartete er ihn festen Fußes mit der Fee und empfing ihn, ohne eine Spur von Schwäche blicken zu lassen. Schaïbar, der beim Näherkommen den Prinzen mit einem Blicke ansah, der ihm das Herz im Leibe hätte in Eis verwandeln können, frug die Fee sofort, wer der Mann da sei? »Lieber Bruder,« erwiderte sie, »es ist mein Gemahl, sein Name ist Achmed, und er ist der Sohn des Sultans von Indien. Der Grund, warum ich dich nicht zu meiner Hochzeit eingeladen habe, war der, daß ich dich nicht von deinem Kriegszuge abhalten wollte, den du damals vorhattest, und von dem du, wie ich mit vielem Vergnügen höre, jetzt so siegreich zurückgekehrt bist. Bloß um seinetwillen bin ich so frei gewesen, dich rufen zu lassen.« Bei diesen Worten sagte Schaïbar, indem er den Prinzen Achmed mit einem freundlichen Blicke ansah, der indes sein stolzes und wildes Aussehen nicht im geringsten milderte: »Liebe Schwester, kann ich ihm mit irgend etwas dienen? Er darf es bloß sagen.« »Der Sultan, sein Vater,« erwiderte Pari Banu, »ist neugierig, dich zu sehen; ich bitte dich also um die Gefälligkeit, dich von ihm hinführen zu lassen.« »Er darf bloß vorangehen,« antwortete Schaïbar, »ich bin bereit ihm zu folgen.« »Lieber Bruder,« erwiderte Pari Banu, »es ist wohl schon zu spät, um noch heute diese Reise zu unternehmen, du wirst sie also wohl gefälligst auf morgen früh verschieben. Indes, da es gut ist, daß du von dem unterrichtet wirst, was zwischen dem Sultan von Indien und dem Prinzen Achmed seit unserer Verheiratung vorgefallen, so werde ich dich diesen Abend davon unterhalten.« Am folgenden Morgen brach Schaïbar, von allem, was ihm zu wissen nötig war, unterrichtet, sehr zeitig auf, begleitet von dem Prinzen Achmed, der ihn dem Sultan vorstellen sollte. Sie erreichten die Hauptstadt, und sobald Schaïbar sich am Tore zeigte, wurden alle die ihn sahen, beim Anblick eines so scheußlichen Menschen von Entsetzen ergriffen, und versteckten sich teils in Buden und Häusern, deren Türen sie hinter sich zuschließen ließen, teils ergriffen sie die Flucht und teilten allen, denen sie begegneten, dasselbe Entsetzen mit, die dann sogleich umkehrten, ohne sich weiter umzusehen. Je weiter Schaïbar und Prinz Achmed mit abgemessenen Schritten vorwärts kamen, je öder und menschenleerer fanden sie alle Straßen und öffentlichen Plätze bis zum Palaste des Sultans. Dort aber ergriffen die Pförtner, anstatt Vorkehrungen zu treffen, daß Schaïbar nicht hereinkäme, nach allen Seiten hin die Flucht und ließen das Tor offen stehen. Der Prinz und Schaïbar gelangten ohne Hindernis bis an den Saal der Ratsversammlung, wo der Sultan auf seinem Throne sitzend jedem Gehör gab, und da auch die Türsteher beim Erscheinen Schaïbars ihren Posten im Stich ließen, traten sie ungehindert hinein. Schaïbar näherte sich stolz und mit erhobenem Kopfe dem Throne, und ohne erst zu warten, bis Prinz Achmed ihn vorstellte, redete er den Sultan von Indien mit folgenden Worten an: »Du hast mich zu sehen verlangt; hier bin ich. Was willst du von mir?« Der Sultan hielt sich, anstatt zu antworten, die Hände vor die Augen, und wandte das Gesicht seitwärts, um eine so fürchterliche Gestalt nicht ansehen zu müssen. Schaïbar, voll Unwillen darüber, daß man ihn erst herbemüht habe, und ihn nun auf eine so unhöfliche und beleidigende Weise empfing, hob seine Eisenstange empor, und mit den Worten: »So rede doch!« ließ er sie ihm auf den Kopf herabfallen, und schlug ihn tot, ehe noch der Prinz Achmed daran denken konnte, für ihn um Gnade zu bitten. Er vermochte nichts weiter zu tun, als zu verhindern, daß er nicht auch den Großwesir totschlug, der nicht weit von der Rechten des Sultans entfernt war, indem er ihm vorstellte, daß er mit den guten Ratschlägen, welche derselbe seinem Vater gegeben, nicht anders als zufrieden sein könne. »Diese beiden also sind es,« sagte Schaïbar, »die ihm immer so schlechte Anschläge eingegeben.« Mit diesen Worten schlug er die andern Wesire zur Linken und Rechten tot, die sämtlich Günstlinge und Schmeichler des Sultans und Feinde des Prinzen Achmed waren. So viel Schläge, so viel Leichen gab es, und nur diejenigen entkamen, deren Schrecken nicht so groß war, daß er sie regungslos gemacht und sie gehindert hätte, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Als das schreckliche Gemetzel zu Ende war, ging Schaïbar aus dem Versammlungssaale heraus, und als er mit seiner Eisenstange auf der Schulter mitten in den Hof gekommen war, sah er den Großwesir an, der den Prinzen Achmed, seinen Lebensretter, begleitete und sagte: »Ich weiß, daß es hier auch noch eine Zauberin gibt, die eine weit ärgere Feindin des Prinzen, meines Schwagers, ist als die unwürdigen Günstlinge, die ich soeben bestraft habe. Ich will, daß man diese Zauberin vor mich führe.« Der Großwesir ließ sie holen, und man brachte sie geführt. Schaïbar schlug sie mit der Eisenstange und sagte: »Ich will dich lehren, verderbliche Ratschläge zu geben und die Kranke zu spielen.« Die Zauberin blieb auf der Stelle tot. »Aber das ist noch nicht genug,« fügte Schaïbar hinzu, »sondern ich werde jetzt auch noch die ganze Stadt totschlagen, wenn sie nicht augenblicklich den Prinzen Achmed, meinen Schwager, für den Sultan von Indien anerkennt.« Sogleich ließen alle, die zugegen waren und diesen Urteilsspruch vernahmen, die Luft von dem lauten Ausruf ertönen: »Es lebe der Sultan Achmed!« In kurzer Zeit hallte die ganze Stadt von diesem Ruf und Ausruf wieder. Schaïbar ließ ihm das Kleid des Sultans von Indien anlegen und setzte ihn feierlich auf den Thron, und nachdem er ihm hatte huldigen lassen, ging er und holte seine Schwester Pari Banu, führte sie mit großem Pomp ein und ließ sie ebenfalls für die Sultanin von Indien erklären. Was den Prinzen Aly und die Prinzessin Nurunnihar betrifft, die an der Verschwörung gegen den Prinzen Achmed, die soeben gesühnt worden, keinen Teil, ja nicht einmal die geringste Kenntnis davon gehabt hatten, wies ihnen der Prinz Achmed ein bedeutendes Jahresgehalt nebst einer Hauptstadt an, um darin ihre Lebenstage zuzubringen. Auch schickte er einen seiner Diener an seinen älteren Bruder, den Prinzen Hussain, ab, um ihm die eingetretene Veränderung anzuzeigen und ihm das Anerbieten zu machen, er möge sich im ganzen Reiche irgendeine Provinz nach Belieben auswählen, um sie als sein Eigentum in Besitz zu nehmen. Doch der Prinz Hussain fühlte sich in seiner Einsamkeit so glücklich, daß er den Abgesandten auftrug, seinem jüngeren Bruder, dem Sultan, in seinem Namen herzlich für die Gefälligkeit zu danken, die er ihm zugedacht, ihn seiner Unterwürfigkeit zu versichern und ihm anzuzeigen, daß er sich die einzige Gnade ausbäte, ihm zu erlauben, daß er hinfort in seiner selbstgewählten Zurückgezogenheit verbleiben könne. DIE GESCHICHTE VON ALI BABA UND DEN VIERZIG RÄUBERN, DIE DURCH EINE SKLAVIN UMS LEBEN KAMEN In alten Zeiten lebten in einer Stadt Persiens zwei Brüder; der eine hieß Casim und der andere Ali Baba. Ihr Vater hatte ihnen nur wenig Vermögen hinterlassen, und da sie es zu gleichen Hälften untereinander geteilt hatten, so sollte man meinen, daß ihre äußere Lage ziemlich gleich gewesen sein müßte; aber der Zufall fügte es anders. Casim heiratete die Tochter eines Kaufmanns, die nach dem Tode ihres Vaters einen Laden mit vielen Waren erbte, ein wohlgefülltes Lager und viele seltene Teppiche und Tücher; daher gehörte Casim bald zu den reichsten Leuten in der ganzen Stadt. Ali Baba aber nahm eine Frau, die sehr arm war, so daß er sehr dürftig in einer engen Hütte lebte und seinen Lebensunterhalt damit verdienen mußte, in einem nahen Walde Bäume zu fällen, die er auf drei Esel lud und in der Stadt zum Verkaufe ausbot. Eines Tages war Ali Baba wieder im Walde und hatte soviele Äste gebrochen, daß er die Esel, sein einziges Besitztum, damit voll laden konnte — da erblickte er auf einmal in der Ferne eine mächtige Staubwolke, die hoch emporwirbelte und sich ihm näherte. Er sah aufmerksam und genau nach ihr hin und entdeckte bald, daß es eine Reiterschar war, die rasch und scharf auf ihn zukam. Da Ali Baba fürchtete, die Reiter könnten etwa Räuber sein, die ihn ermorden wollten, trieb er seine Esel in ein Gebüsch, um sie ihrem Schicksale zu überlassen, und erkletterte darauf einen starken, alten Baum, dessen Äste so dichtes Laub trugen, daß er sich bequem darin zu verstecken vermochte. So sah er alles, was unter ihm vorging, während ihn keiner von unten erspähen konnte. Der Baum aber stand an einem schroffen Felsen, der seine Äste überragte und so groß war, daß man ihn auf keiner Seite zu ersteigen vermochte. Die Reiter, junge und stattliche Männer, die wohlbewaffnet waren, führten ihre Pferde dicht unter den Felsen und saßen dort ab. Ali Baba zählte, daß es ihrer vierzig waren und erkannte aus ihren Gesichtern und ihrem Gebaren, daß es wirklich Räuber waren, die hier wahrscheinlich ihre Beute in Sicherheit bringen wollten. Jeder von ihnen schirrte sein Roß ab, band es an einen Baum und warf ihm einen Sack voll Gerste vor. Dann nahmen sie ihre Reisetaschen ab, und Ali Baba sah, daß sie schwer von Gold und Silber waren. Der kräftigste und stattlichste von ihnen, der ihr Hauptmann zu sein schien, legte seine Satteltasche auf die Schulter, näherte sich dem Felsen, der dicht an dem Baume stand, auf den Ali Baba hinaufgeklettert war, bahnte sich den Weg durch Sträucher und Dornen und sprach die wundersamen Worte: »Sesam, öffne dich!« Sofort tat sich eine große Türe auf, durch welche alle Räuber in den Felsen hineingingen; der Hauptmann trat zuletzt ein, und das Tor schloß sich hinter ihm von selbst. Lange Zeit blieb die Bande in der Höhle, und Ali Baba mußte notgedrungen oben auf dem Baume hocken und warten; denn er hatte Angst, hinabzuspringen, weil vielleicht gerade einige der Räuber zurückkehren, ihn fangen und töten könnten. Seine Gedanken gingen schließlich so weit, daß er beschloß, sich eines der Pferde zu bemächtigen, seine Esel vor sich her zu treiben und so rasch wie möglich nach Hause zu reiten — da öffnete sich das Tor wieder, der Hauptmann trat heraus, zählte seine Leute, die er an sich vorbeiziehen ließ, und sprach zuletzt die Zauberworte: »Sesam, schließe dich!« worauf sich die Tür wieder von selber zutat. Dann nahm jeder sein Pferd, zäumte es, band die leere Satteltasche darauf, und alsbald ritten sie hastig denselben Weg zurück, auf dem sie gekommen waren. Ali Baba wagte noch nicht, von seinem Aste herabzusteigen, bis sie alle seinen Blicken entschwunden waren. »Einer von ihnen könnte etwas vergessen haben,« dachte er, »dann wird er zurückkehren, mich hier entdecken, und ich wäre trotzdem verloren.« Dann aber ließ er sich auf den Boden herab, blickte um sich, und als er alles leer fand, sagte er zu sich: »Ich habe mir die Worte wohl gemerkt, die der Räuberhauptmann vorhin gesprochen hat, und will sehen, ob sie bei mir dieselbe Wirkung haben und ob sich auf meinen Befehl ebenfalls das Tor öffnen und schließen wird.« Er kroch also durch das Gebüsch, entdeckte die verborgene Türe, stellte sich davor und rief mit lauter Stimme: »Sesam, öffne dich!« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, da sprang die Türe angelweit auf, und er konnte eintreten. Wie erstaunte er, als er statt einer finstern und engen Höhle eine weite und geräumige Wölbung fand, die so hoch wie ein Mensch war und von oben durch runde Fenster in der Decke erleuchtet wurde. Da sah er viele Warenballen und köstliche Seidenstoffe, Brokat, bunte Teppiche und viel Mundvorrat. Besonders aber verwunderte er sich über eine unermeßliche Menge von Gold und Silber, das teils auf dem Boden in Haufen aufgeschüttet, teils in ledernen Beuteln und Säcken wohlverwahrt lag. Als er diese unzählbaren Schätze erblickte, erkannte Ali Baba sofort, daß diese Höhle nicht erst seit ein paar Jahren, sondern schon seit Jahrhunderten den Dieben als Zufluchtsort und als Speicher für ihren Raub gedient haben mußte. Er ging mutig vorwärts, und sofort schloß sich die Türe hinter ihm; doch er fürchtete sich nicht, denn er hatte das Zauberwort nicht vergessen und wußte, wie er sich wieder ins Freie retten konnte. Der Teppiche und Silbermünzen achtete er wenig, sondern machte sich sofort an die Beutel, in denen das gemünzte Gold lag. Er nahm so viele, als er tragen und seinen drei Eseln glaubte aufladen zu können. Er trieb sie wieder zusammen, packte ihnen die Säcke auf und legte Holz und Reisig darüber, um seinen Raub gut zu verbergen. Dann stellte er sich vor die Türe, rief: »Sesam, schließe dich!« und alsbald schloß sich der Felsen wieder von selbst; denn jedesmal, wenn einer die Höhle betrat, ging die Türe von selber zu, wenn er aber hinausging, blieb sie so lange offen, bis das Zauberwort gesprochen war. Ali Baba trieb seine Esel schnell in die Stadt zurück, und als er vor seinem Hause anlangte, führte er sie in den kleinen Hof hinein. Er schloß die Türe sorgfältig hinter sich zu, lud dann das Reisig ab, mit dem er seinen Schatz verdeckt hatte, nahm die Säcke herunter, trug sie ins Haus und legte sie vor seinem Weibe auf den Tisch. Seine Frau betrachtete die Beutel, wog sie in der Hand, und als sie fühlte, daß Münzen darin waren, glaubte sie, Ali Baba habe das Geld geraubt. Sie schalt ihn aus und rief: »Du solltest nicht so gottlos und sündhaft handeln!« Ihr Mann aber unterbrach sie und sagte: »Tadele mich nicht, liebes Weib, und sei außer Sorge; ich bin kein Räuber, aber ich habe dieses Geld Räubern abgenommen. Freue dich über unser Glück, und höre, was mir begegnet ist.« Er schüttete die Säcke aus und legte das Gold auf einen Haufen zusammen, so daß seine Frau von dem Glanze ganz geblendet wurde; dann erzählte er ihr sein Abenteuer von Anfang bis zu Ende und befahl ihr besonders, die Sache wohl geheimzuhalten. Die Frau aber, die vor Freude und Erstaunen wie verwirrt war, begann den ganzen Geldhaufen, Stück für Stück, zu mustern. Ali Baba wurde ungeduldig und rief: »Törichtes Weib, was fällt dir ein? Du kannst ja eine Woche lang diese Münzen wenden und zählen! Ich will lieber hinausgehen und ein Loch graben, damit wir unsern Schatz darin verstecken können; laß uns nicht zaudern und warten.« Antwortete das Weib: »Du hast recht; doch möchte ich gern wissen, wieviel dieser Schatz wert ist. Darum will ich bei einer Nachbarin ein Maß borgen und ihn damit messen.« — »Liebe Frau,« entgegnete Ali Baba, »ich rate dir, davon abzulassen. Tue aber, was du willst, doch achte darauf, daß du das Geheimnis gut bewahrst und verschwiegen hältst.« Sofort eilte sie zu ihrem Schwager Casim, der in der Nähe wohnte. Er war nicht daheim und darum bat sie sein Weib, ihr auf kurze Zeit ein Maß zu borgen. Die Schwägerin fragte: »Willst du ein großes oder ein kleines?« und sie entgegnete: »Gib mir ein kleines.« Die Schwägerin sagte: »Ich will dir gern den Gefallen erweisen; warte einen Augenblick, damit ich das verlangte holen kann.« Mit diesen Worten ging Casims Frau hinaus, holte das Maß und bestrich den Boden heimlich mit etwas Teig und Wachs, denn sie kannte Ali Babas Armut und war begierig zu erfahren, was seine Frau in dem Gefäße messen wollte. Dann brachte sie das Maß und entschuldigte sich, daß sie solange ausgeblieben wäre, sie habe es aber nicht sogleich finden können. Ali Babas Frau dankte und ging nichtsahnend nach Hause, stellte das Maß auf den Tisch und begann, es mit dem Golde zu füllen und dann auf dem Fußboden auszuleeren. Als sie damit fertig war, freute sie sich sehr über ihren großen Schatz, trug die Münzen hinaus in den Garten und verbarg sie in der Grube, die ihr Mann soeben vollendet hatte. Während er das Geld sorgfältig mit Erde bedeckte, trug seine Frau ihrer Schwägerin das Gefäß zurück, ohne zu merken, daß außen am Boden ein Goldstück kleben geblieben war. »Liebe Schwägerin,« sagte sie, »hier gebe ich dir dein Maß zurück; ich bin dir sehr dankbar dafür und hoffe, daß ich es nicht zu lange behalten habe.« Sofort betrachtete Casims Frau das Maß und untersuchte es genau; wie erstaunte sie, als sie am Boden das Geldstück entdeckte! Neid und Wut erfüllten ihr Herz, und sie sprach zu sich selber: »Wie geht das zu? Ohne Zweifel hat Ali Baba Gold gemessen; aber woher mag er es genommen haben?« Sie konnte kaum die Zeit erwarten, bis Casim zurückkehrte, der tagsüber in seinem Laden war und erst abends wieder nach Hause kam. Kaum war er ins Zimmer getreten, da lief ihm seine Frau entgegen, zog ihn sogleich am Arme herein, stellte sich vor ihn hin und sagte mit zornfunkelnden Augen: »Du glaubst, ein wohlhabender Mann zu sein; aber du irrst dich, denn Ali Baba, dein Bruder, ist tausendmal reicher als du! Er hat eine solche Menge Geldes, daß er es nicht mehr zählen kann, sondern messen muß.« Casim war sehr erstaunt über diese Nachricht und bat um genauern Bescheid; sie erzählte ihm nun, wie sie Ali Babas Frau hintergangen habe und zeigte ihm das Goldstück, das am Boden haften geblieben und so alt war, daß es die Inschrift und das Bild eines Königs trug, der ihnen völlig unbekannt war. [Illustration: Sobald er hereinkam, begann sie, ihn zu verspotten.] Casim wurde von Neid und Habgier ergriffen und konnte die ganze Nacht keinen Schlaf finden; andern Tages aber, schon früh am Morgen, machte er sich auf und ging zu seinem Bruder, den er seit langer Zeit weder gesehen, noch gesprochen hatte; denn Casim war stolz und hochmütig geworden, seitdem er die reiche Frau geheiratet hatte. Er sagte: »Höre, Ali Baba, du spielst den Notleidenden und Bedürftigen und gibst dir den Anschein, ein Bettler zu sein; aber in Wahrheit bist du so reich, daß du dein Gold in Maßen messen mußt.« Ali Baba tat sehr verwundert und sagte: »Ich weiß nicht, was du meinst; sprich deutlicher, denn ich verstehe dich nicht.« Da wurde Casim zornig und sagte mit wütender Stimme: »Glaubst du, mich täuschen zu können? Sieh hier das Goldstück, das meine Frau an dem Maße gefunden hat; wieviel hast du davon?« Bei diesen Worten erschrak Ali Baba, denn er sah ein, daß durch den Starrsinn seiner Frau Casim und sein Weib bereits um sein Geheimnis wußten; da nun der Fehler nicht wieder gutzumachen war und er Verdruß und Unheil fürchtete, erzählte Ali Baba seinem Bruder die ganze Geschichte, wie er durch Zufall den Schlupfwinkel der Banditen und den Schatz darin entdeckt habe; er war sogar bereit, sein Gold zu teilen, wenn Casim nur nichts verlauten lassen und das Geheimnis gut hüten wollte. »Ich muß alles wissen,« sagte Casim trotzig, »beschreibe mir den Ort genau, wo der Schatz verborgen liegt, und nenne mir das Zauberwort, das ich sprechen muß; wenn du mir aber nicht alles der Wahrheit gemäß gestehst, so werde ich dich beim Richter anzeigen. Dann wirst du deines Schatzes verlustig gehen und Schande auf dich laden; und ich werde für meine Anzeige eine gute Belohnung erhalten.« Ali Baba fürchtete sich keineswegs vor der frechen Rede seines Bruders, aber aus Gutmütigkeit erzählte er ihm alles, was er verlangte, und nannte ihm auch die Zauberformel, durch die er in den Felsen hinein und wieder hinaus gelangen konnte. Kaum hatte Casim alles erfahren, so eilte er nach Hause, denn er wollte seinem Bruder zuvorkommen und den herrlichen Schatz für sich allein behalten. Als die ersten Strahlen des Morgens leuchteten, brach er auf und trieb zehn Maulesel vor sich her, die er mit großen Kisten bepackt hatte; denn er gedachte, so viel von dem Golde nach Hause zu schleppen, als ihm irgend möglich war, und vielleicht noch einmal zu der Höhle zu gehen, um auch das Übrige mitzunehmen. Er wählte den Weg, den Ali Baba ihm angewiesen hatte, und gelangte bald an den Felsen; er erkannte ihn an dem Baume, in dem Ali Baba sich vor den Räubern versteckt hatte. Sogleich entdeckte er auch die Türe und rief mit freudiger Stimme: »Sesam, öffne dich!« Alsbald sprang das Tor weit auf, er trat ein in die Grotte und sah in hellem Erstaunen, daß weit mehr Juwelen und Reichtümer darin angehäuft waren, als er vermutet hatte. Kaum hatte er die Höhle betreten, als sich der Felsen von selbst hinter ihm schloß. Sprachlos wanderte er umher; bestaunte und betastete die unermeßlichen Schätze, die er gern den ganzen Tag lang bewundert hätte, wenn ihm nicht eingefallen wäre, daß seine zehn Maultiere mit den Kisten warteten, um die gefüllten Beutel nach Hause zu tragen. Er nahm also so viele Säcke, als er schleppen konnte, und ging damit auf den Eingang zu, um sie draußen den Eseln aufzubürden; aber über allem Staunen und Erraffen war ihm gerade das entfallen, was für ihn am bedeutungsvollsten war; er hatte das Zauberwort vergessen, und rief: »Gerste, öffne dich!« Aber wie bestürzt und erschrocken war er, als die Türe seinem Rufe nicht gehorchte, sondern verschlossen blieb! In seiner Angst rief er alle Getreidenamen, die ihm gerade einfielen, nur nicht den richtigen, der seinem Gedächtnis entschwunden war — aber die Höhle blieb nach wie vor verschlossen. Bestürzung und Angst beschlichen wachsend seine Seele, und je mehr er rief und schrie, desto verwirrter und ratloser wurde er; das Wort »Sesam« war seiner Erinnerung so entschlüpft, als hätte er es niemals nennen hören. Er rannte verzweiflungsvoll in der Höhle auf und nieder, nach vorn und zurück, und warf die Säcke zornig auf die Erde, denn all die Schätze, die ihn vorher mit Gier und neidischer Freude erfüllt hatten, waren jetzt nutzlos und bereiteten ihm Schmerz und Furcht. Hoffnungslos setzte er sich auf eine der Kisten, die mit wertvollen Teppichen vollgepackt war, raufte sich die Haare und versank in tiefes, dumpfes Brüten. So wollen wir Casim verlassen, denn unseres Mitleids ist er nicht würdig. Gegen Mittag kamen die Räuber durch den Wald auf den Felsen zugeritten und erblickten schon von ferne die mit Kisten bepackten Maulesel, die ungefesselt im Walde grasten und weideten. Bestürzt über diesen Anblick sprengten die Räuber näher, trieben die Tiere auseinander und achteten ihrer nicht weiter, denn ihre erste Sorge war, den Besitzer aufzufinden. Sie schlichen sich also um den Felsen herum und suchten alle Gebüsche ab, spähten auf alle Bäume, aber vergebens. Der Hauptmann schwang sich vom Pferde, zog den Säbel, trat auf die Türe zu und sprach das Zauberwort. — Casim hatte von drinnen das Getrappel und Stampfen der Pferde gehört und ahnte, daß es die Banditen seien, welche neue Beute bringen wollten. In seiner Angst stellte er sich dicht vor die Türe, denn er hatte beschlossen, den letzten Versuch zu seiner Rettung zu wagen, ehe er dem sichern Tode anheimfiele. Als sich der Felsen auftat, stürzte er hastig hinaus und prallte so ungestüm gegen den Hauptmann, daß er ihn heftig zu Boden warf. Aber sofort ergriffen ihn die übrigen Räuber, packten ihn, warfen ihn nieder und schlugen ihm auf der Stelle mit dem Säbel den Kopf entzwei. Dann stürmten sie in die Höhle hinein und fanden die Säcke, die Casim am Tore hingeworfen hatte; sie legten alles wieder an die vorige Stelle zurück, achteten aber nicht darauf, daß noch andere Beutel fehlten, die Ali Baba vorher weggetragen hatte, denn sie waren sehr bestürzt und verwundert. Sie dachten nun darüber nach, wie der Fremde wohl in die Höhle gekommen wäre; durch die Fenster an der oberen Wand, durch welche das Licht des Tages schimmerte, hatte er unmöglich einsteigen können, denn der Felsen war zu glatt und hoch; sie verstanden aber auch nicht, wie Casim durch das Tor hatte hereinkommen können, denn nur sie allein kannten die Zauberformel, um es zu öffnen. Sie wußten ja nicht, daß Ali Baba sie auf dem Baume belauscht hatte. Um aber künftighin vor Spähern sicher zu sein, vierteilten sie den Leichnam Casims und hingen die Stücke zu beiden Seiten des Tores auf, zwei zur rechten, zwei zur linken, damit ein jeder abgeschreckt und gewarnt würde, der etwa in die Grotte einzudringen wagte. Sie kamen überein, nicht eher an diesen Ort zurückzukommen, bis sich der Leichengeruch verflüchtigt hätte, schlossen das Tor wieder, bestiegen ihre Rosse und ritten durch den Wald der Straße zu, um neue Karawanen abzufangen und auszuplündern. Als nun die dunkle Nacht kam und Casim nicht nach Hause zurückkehrte, ängstigte sich sein Weib und wurde unruhig. Sie lief zu Ali Baba und sagte: »Weißt du, lieber Schwager, wohin dein Bruder gegangen ist? Es ist bereits finster, und er ist noch nicht wieder daheim; ich fürchte sehr, daß ihm draußen im Walde irgendein Unglück widerfahren ist.« Ali Baba war an diesem Tage nicht fortgegangen, weil er erriet, daß sein neidischer Bruder schleunigst die Höhle aufsuchen würde; er vermutete wohl, daß Casim irgendein Unheil zugestoßen sei, blieb aber äußerlich heiter und ruhig, tröstete seine Schwägerin, so gut er es vermochte, und sagte ihr, daß ihr Mann vielleicht mit Absicht erst spät und auf Umwegen in die Stadt zurückkehre, um seinen Raub geheimzuhalten. Casims Frau ging nach Hause zurück und wartete, bis die Mitternacht verstrichen war; aber ihre Sorge und Angst wuchsen, da der Vermißte noch immer ausblieb; sie wagte nicht zu schreien und laut zu weinen, damit nicht eine der Nachbarinnen ihr Geheimnis erführe. Sie bereute sehr ihren Neid und ihre Neugierde und verwünschte ihre Eifersucht, die sie dazu getrieben hatte, sich in fremde Angelegenheiten zu mischen. Als der Tag anbrach, lief sie zu Ali Baba und bat ihn unter heißen Tränen, seinen Bruder im Walde zu suchen. Mit drei Mauleseln machte sich Ali Baba auf den Weg und ging hinaus in den Wald, nachdem er seiner Schwägerin zugeredet und sie mit freundlichen Worten besänftigt hatte. Als er nun zu dem Felsen kam, staunte er sehr darüber, als er die frischen roten Blutspuren am Eingang entdeckte, und ahnte sofort Unheil. Er blickte um sich, aber auch die Maultiere des Bruders waren nirgends zu sehen. Er trat nun vor die Türe, sprach die Zauberformel und ging hinein. Wie erschrak er aber, als er in der Höhle den gevierteilten Leichnam seines Bruders hängen sah, zwei Teile zur rechten und zwei zur linken! Vor Staunen und Schmerz blieb er lange reglos stehen; dann aber beschloß er, seinem Bruder die letzten Ehren zu erweisen, nahm aus den Warenballen einige kostbare Tücher, hüllte die vier Teile seines Bruders hinein und lud alles einem seiner Tiere auf. Darüber aber legte er Reisig und Holz, damit niemand Argwohn schöpfen sollte. Dann bepackte er die beiden anderen Esel mit Goldsäcken, die er ebenfalls unter Reisig versteckte, schloß das Tor wieder mit der Zauberformel und zog ohne Umstände nach Hause zurück. Als er mit Anbruch der Nacht die Stadt erreichte, übergab er die zwei mit Gold beladenen Esel seinem Weibe und befahl ihr, den Schatz schleunigst zu vergraben. Mit dem andern Tiere aber, auf welchem Casims Leiche lag, ging er zu dem Hause seiner Schwägerin. Er klopfte vorsichtig an das Tor, und alsbald öffnete ihm Casims Sklavin Morgiana, ein kluges und verständiges Mädchen; sie schob leise den Riegel zurück, führte Ali Baba in den Hof und lud das Holz ab, nebst den eingehüllten Leichenteilen. Dann sprach Ali Baba leise zu ihr: »Höre, Morgiana, was ich dir jetzt sage. In diesen beiden Teppichen liegt der Leichnam deines Herrn; wir müssen sogleich die Bräuche zur Beerdigung vollziehen, als ob er eines natürlichen Todes gestorben wäre. Vor allem aber sei verschwiegen, denn das Geheimnis ist sehr wichtig und könnte deiner Herrin Unglück zuziehen. Jetzt führe mich hinein, damit ich mit deiner Gebieterin reden kann.« Ali Baba trat in das Gemach seiner Schwägerin, die ihm verstört und ungeduldig entgegenkam. »Gewiß bringst du mir schlechte Nachrichten von meinem Manne,« rief sie, »denn dein Gesicht ist umdüstert und kündet mir nichts Gutes.« Ali Baba erwiderte: »Nicht eher kann ich dir etwas erzählen, als bis du mir gelobst, kein Wort laut werden zu lassen über das, was nun einmal geschehen ist; für dich und für mich geziemt es sich gleichermaßen, Verschwiegenheit zu bewahren.« Bei diesen Worten weinte die Schwägerin und versetzte: »Nun weiß ich, daß mein Gatte nicht mehr unter den Lebenden weilt; aber ich erkenne, daß Verschwiegenheit nötig ist und gebe dir das Versprechen, das du von mir forderst.« Hierauf erzählte Ali Baba, was sich mit Casim zugetragen hatte und fügte noch hinzu: »Was Allah bestimmt hat, müssen wir ruhig hinnehmen. Hab' Geduld, und betrübe dich nicht allzusehr, denn das Unglück ist unabänderlich! Wenn du aber deinen Gatten nach Gebühr betrauert hast, so will ich dich gern zum Weibe nehmen, wenn dir das einen Trost geben kann; du brauchst nicht zu fürchten, daß meine erste Gattin dich durch Eifersucht quälen wird, denn sie ist freundlich und wird dir gewiß mit Zärtlichkeit entgegenkommen. Vor allem aber müssen wir jetzt darauf halten, daß die Leiche meines Bruders verbrannt werde, als ob er eines natürlichen Todes gestorben wäre; überlaß nur alles deiner Sklavin Morgiana, ich werde mit ihr beraten, was zu tun ist.« Casims Witwe war gern bereit, auf Ali Babas Vorschlag einzugehen, denn außer dem Vermögen, das sie von ihrem ersten Mann ererbte, erhielt sie ja noch einen sehr reichen Mann; sie trocknete ihre Augen, tröstete sich rasch und entließ ihren Schwager mit der Versicherung, daß sie sein Anerbieten nicht ausschlagen würde. Der aber setzte sich auf seinen Esel und ritt gemächlich seiner Wohnung zu. [Illustration: Mustapha zweifelte stark an seiner Fähigkeit, sich keine Fragen zu stellen.] Als Ali Baba das Haus verlassen hatte, eilte Morgiana hinüber in den Laden eines Apothekers; sie klopfte bei ihm an und verlangte eine gewisse Arzenei, die man bei den gefährlichsten Krankheiten anwendete. Er gab ihr, was sie verlangte, und fragte sie: »Wer ist denn im Hause deines Herrn so krank, daß ihr dieses seltenen Heilmittels bedürft?« Sie erwiderte mit betrübter Stimme: »Ach, ach, mein armer Herr Casim selbst liegt danieder! Er ißt und trinkt nichts und spricht seit einigen Tagen kein Wort mehr, so daß wir fürchten, daß es mit ihm zu Ende geht.« Damit nahm sie die Arzenei, die dem toten Casim nichts mehr nützen konnte, und ging. Am nächsten Morgen trat Morgiana wieder bei dem Kräuterhändler ein, weinte und seufzte sehr und verlangte einen noch kräftigem Saft, den man den Kranken nur in der letzten Not einzugeben pflegte, damit der Sterbende schmerzlos entschlafen sollte. »Ach, ach!« rief sie, »mein armer Herr, mein guter Herr! Er wird gewiß nicht mehr die Kraft haben, die Arzenei zu trinken, und ich fürchte, sie wird ebensowenig nützen, wie die gestrige.« Den ganzen Tag über gingen Ali Baba und seine Frau mit betrübten und klagenden Gesichtern umher und warteten schon darauf, daß das Jammern der Schwägerin und ihrer Sklavin ihnen das Zeichen geben sollte, Casims Begräbnis ehrenvoll und feierlich zu begehen. Am Morgen des zweiten Tages lief Morgiana zu der Bude eines alten Schusters, der seinen Laden stets sehr früh, vor den anderen öffnete, grüßte ihn freundlich und drückte ihm ein Geldstück in die Hand. Der Schuhflicker, der in der ganzen Stadt Baba Mustapha genannt wurde, war ein fröhlicher und lustiger Geselle, wendete die Münze hin und her, weil es noch etwas dämmerig war, und sagte dann: »Schönen Dank, mein Fräulein! Das ist ja ein gutes Handgeld! Was steht zu Diensten?« Morgiana sagte: »Lieber Baba Mustapha, mache dich auf und folge mir; nimm auch alles Handwerkszeug mit, das du zum Flicken brauchst. Du mußt dir aber die Augen verbinden lassen, bis wir an dem Orte angekommen sind, wohin ich dich jetzt führen werde.« — »Ach nein, lieber nicht,« wehrte Baba Mustapha ab, »gewiß forderst du etwas, was gegen das Gesetz oder gegen mein Gewissen verstößt! Laß mich lieber hier in meinem Laden bleiben.« Morgiana gab ihm ein zweites Goldstück, beruhigte ihn und sagte: »Wie kannst du so etwas von mir glauben? Ich werde nichts verlangen, was du nicht in allen Ehren vollbringen dürftest. Hab' keine Angst und folge mir getrost.« Baba Mustapha weigerte sich noch ein wenig, dann aber ließ er sich ein Tuch um die Augen binden, nahm Morgianas Hand und ließ sich von ihr bis zu dem Hause Casims führen; als sie in dem Zimmer angelangt waren, in welchem der Leichnam lag, nahm ihm Morgiana die Binde von der Stirn und sagte: »Baba Mustapha, du sollst die vier Stücke dieses Toten zusammennähen; eile dich mit der Arbeit; wenn du dein Werk getan hast, werde ich dir noch ein Goldstück geben.« Baba Mustapha tat, wie sie ihm gesagt hatte, und als er fertig war, bekam er die versprochene Münze. Dann ließ er sich wieder die Augen verbinden und eine Strecke Weges begleiten. Als ihm Morgiana das Tuch abgenommen hatte, hieß sie ihn nach Hause gehen und verfolgte ihn mit ihren Augen, bis er verschwunden war; denn sie fürchtete, er könnte etwa umwenden und ihr heimlich nachgehen. Als Morgiana nach Hause zurückkam, bereitete sie warmes Wasser, um den Leichnam zu waschen, und Ali Baba, der zu gleicher Zeit mit ihr eingetreten war, half ihr dabei, salbte und beräucherte ihn und hüllte ihn dann in das Leichentuch. Bald kam auch der Schreiner und brachte den Sarg, den Morgiana an der Türe abnahm; sie legten den Leichnam hinein und stellten ihn feierlich in dem Zimmer auf. Dann gingen sie in die Moschee und meldeten, daß alles zum Begräbnis fertig wäre. Sie sagten, daß die Leiche bereits gewaschen sei und die Dienste der dazu bestimmten Leute also unnötig wären. Kurze Zeit darauf kam der Imam mit seinen Dienern, vier Nachbarn hoben den Sarg auf die Schultern und trugen ihn hinter dem Imam und den übrigen Trauernden, indem sie fortwährend Gebete sprachen, bis sie an den Begräbnisplatz kamen. Morgiana ging barhäuptig, jammernd und weinend vor dem Sarge, schlug sich die Brust und raufte sich die Haare. Ali Baba und die Nachbarn, die von Zeit zu Zeit die Sargträger ablösten, schritten hinter ihr her. Casims Frau war zu Hause geblieben und erhob mit den Nachbarinnen ein großes Wehegeschrei, so daß das ganze Stadtviertel von ihren Klagen widerhallte. So blieb Casims Tod verborgen, und niemand, außer Ali Baba, dessen Frau, Morgiana und Casims Witwe, wußte etwas von dem Geheimnis. — Wenige Tage nach dem Begräbnis brachte Ali Baba seinen Hausrat und das Geld, welches er aus der Räuberhöhle gestohlen hatte, zur Nachtzeit in das Haus von Casims Witwe, wo er fortan zu leben gedachte. Damit vollzog er seine öffentliche Vermählung mit der Witwe seines Bruders, über die niemand irgendwelche Verwunderung oder Argwohn hegte. Casims Laden aber mußte Ali Babas Sohn übernehmen, der bei einem reichen Kaufmann in die Lehre gegangen war und sich ein tüchtiges Wissen angeeignet hatte; er sollte den Handel weiterhin betreiben und später, wenn er seine Geschäfte gut und erfolgreich führte, eine vermögende Frau erhalten. — Was nun die vierzig Räuber anbetrifft, so kehrten sie nach einer bestimmten Frist wieder in die Höhle zurück und waren höchst verwundert, als sie keine Spur mehr von Casims Leiche fanden und auch bemerkten, daß eine Menge von den schweren Goldsäcken fortgetragen worden war. Sie sagten untereinander: »Wehe, wir sind verraten! Wir müssen jetzt die Sache genau untersuchen und auf der Hut sein, sonst werden wir allmählich den ganzen Schatz verlieren, den unsere Väter und wir selbst in vielen Jahren, unter so großen Gefahren und Beschwerden, hier angesammelt haben.« Der Hauptmann sprach: »Sicherlich wußte der Dieb, den wir in der Höhle erschlugen, das Zauberwort, durch das sich die Türe auftut, aber noch ein anderer muß Kenntnis davon haben, denn wer sollte sonst den Leichnam des Ermordeten weggetragen haben? Auch sind viele Beutel fortgeschleppt worden, so daß unsere Reichtümer sehr zusammengeschmolzen sind. Wir haben den ersten Dieb gefangen und getötet, nun wollen wir überlegen, wie wir auch den andern finden und aus dem Wege räumen können. Sagt mir euere Meinung, Kameraden, und beratet mit mir.« Einer von ihnen sagte: »Du hast recht, Hauptmann; unser erstes Streben muß dahin gehen, den Dieb ausfindig zu machen; laß uns alle Kräfte daran setzen, seiner habhaft zu werden.« — »Klug hast du geredet,« versetzte der Hauptmann, »nun aber höret folgenden Vorschlag, meine wackeren Leute! Einer von euch muß sich verkleiden und in der Tracht eines fremden Reisenden in die Stadt begeben, um in allen Straßen zu forschen, ob nicht kürzlich einer der Städter gestorben ist, und wo er gewohnt hat. Ein tapferer und unternehmungslustiger Mann soll sich sofort dem Wagnis unterziehen, denn es ist wichtig für uns, daß wir nicht in dem Lande verraten werden, in dem wir so lange unsern Unterschlupf hatten. Damit aber derjenige, der die Sendung übernimmt, keine falsche Kunde bringt, die uns etwa Unheil und Verderben zufügen kann, so soll über ihn die Todesstrafe verhängt werden, wenn er unserer Sache untreu wird und Verrat übt.« Sofort meldete sich einer der Räuber und sagte: »Laß mich in die Stadt ziehen und auf Kundschaft ausgehen! Wenn es mir nicht gelingt, etwas zu erforschen, so sei mein Leben verwirkt; aber ihr seht dann doch, daß ich tapfer und guten Willens war.« Der Hauptmann und seine Kameraden lobten ihn sehr und freuten sich über seinen Wagemut; dann halfen sie, ihren Kameraden zu verkleiden, so daß ihn auch sein bester Freund nicht wiedererkennen konnte. Der Räuber zog aus und kam gerade in die Stadt, als der Tag zu dämmern begann. Er begab sich sogleich auf den Marktplatz, wo noch alle Läden geschlossen waren, außer dem des Baba Mustapha. Der Schuster saß auf seinem Schemel, mit dem Pfriemen in der Hand, und wollte eben seine Arbeit beginnen. Der Räuber bot ihm einen Gutenmorgen, trat näher und sagte freundlich zu ihm: »Du bist sehr alt und fängst doch schon so zeitig dein Geschäft an. Unmöglich kannst du gut sehen, da es noch graue Frühdämmerung ist.« Der Schuhflicker antwortete: »Ich merke, daß du nicht aus der Stadt stammst, denn du kennst mich nicht. Zwar bin ich schon sehr betagt, aber meine Augen blicken noch scharf. Was sagst du dazu, daß ich vor nicht langer Zeit eine Leiche zusammengeflickt habe, und zwar in einem Zimmer, das noch dunkler war, als dieser Morgen?« Der Räuber freute sich sehr, als er diese Worte hörte, weil er ahnte, daß er sogleich den richtigen Mann gefunden hatte; deshalb wollte er ihn noch ein wenig ausfragen und sagte: »Du darfst nicht so mit mir scherzen, lieber Freund! Warum solltest du denn eine Leiche zusammennähen? Gewiß hast du dich versprochen und meintest das Leichentuch, in das sie eingewickelt wurde.« Baba Mustapha lachte verschmitzt und sagte obenhin: »Laß mich nur zufrieden; ich weiß sehr gut, was ich meine. Ich sehe, du möchtest mich gern mit Fragen beschwatzen, aber ich werde dir nichts erzählen.« Der Räuber, dem viel darauf ankam, genauere Auskunft zu erhalten, zog ein Goldstück aus der Tasche und drückte es Mustapha in die Hand. »Es liegt mir fern, deine Geheimnisse auszuspüren,« sagte er, »obschon du glauben kannst, daß mein Herz und mein Mund sehr verschwiegen sind, wie es sich für einen Mann geziemt. Nur das eine möchte ich gerne wissen, und du wirst mir die Antwort gewiß nicht verweigern: wo ist das Haus, in welchem du den Leichnam genäht hast? Kannst du es mir zeigen und mich dorthin führen?« Baba Mustapha zauderte und steckte das Goldstück nicht in die Tasche, sondern wollte es dem Räuber wiedergeben; er entgegnete: »Was nützt mir die Belohnung, wenn ich dir keinen Dienst erweisen kann? Es steht gar nicht in meiner Macht, deinen Wunsch zu erfüllen. Eine Sklavin führte mich an eine bestimmte Stelle und verband mir da die Augen; von dort brachte sie mich in jenes Haus und in das dunkle Zimmer; und als ich meine Arbeit vollendet hatte, legte sie mir wieder das Tuch um die Augen und führte mich an denselben Ort zurück, wo sie mich abgeholt hatte. Du siehst also selbst, daß ich dir das Haus nicht weisen kann; darum nimm hier dein Geldstück wieder.« Der Räuber entgegnete: »Wenn du auch das Haus nicht kennst, so erinnerst du dich vielleicht des Weges, den dich die Sklavin geführt hat. Bitte folge mir bis zu der Stelle, wo sie dir die Augen verband; dann werde ich dich dieselben Gassen und Querstraßen leiten, und vielleicht weißt du noch, welche du damals gegangen bist. Damit du aber deine Arbeit im Laden nicht unnütz liegen läßt, gebe ich dir hiermit ein weiteres Goldstück.« Baba Mustapha nahm die zweite Münze, wog sie lange in der Hand, besah sie aufmerksam und überlegte, was er tun sollte. Dann steckte er sie zufrieden in seinen Beutel, erhob sich und folgte dem Räuber, indem er sagte: »Zwar kann ich dir nicht versprechen, deinen Wunsch zu erfüllen; aber ich werde mich anstrengen und mich besinnen.« Er verschloß seinen Laden nicht erst, weil er darin nichts Wertvolles liegen hatte, und führte den erfreuten Räuber an jenen Ort, wo ihm die Sklavin damals die Augen verbunden hatte. Als sie dort angelangt waren, legte ihm der Räuber ein Tuch um die Stirn und ließ sich von dem Schuster führen, indem er ihn an der Hand hielt und allen seinen Schritten folgte. Baba Mustapha ging vorsichtig und berechnend die Straße entlang; plötzlich machte er halt und sagte: »Ich glaube, daß wir hier vor dem richtigen Gebäude stehen.« Der Räuber zog sofort ein Stück weißer Kreide hervor und machte ein Zeichen an die Haustüre, um sie wiederzuerkennen, dann nahm er Baba Mustapha das Tuch von den Augen und fragte, wem das Haus gehöre. Der Schuhflicker entgegnete: »Ich kenne mich in diesem Stadtviertel nicht aus, denn ich wohne nicht hier, darum kann ich dir keine Antwort geben.« Der Räuber sah, daß er nichts weiter in Erfahrung bringen konnte, dankte Baba Mustapha für seine Freundlichkeit und schickte ihn wieder in den Laden. Dann machte er sich eilends auf und kehrte in den Wald zurück, wo seine Kameraden auf ihn warteten. [Illustration: Indem er sich verkleidete, verwandelte er sich.] Nicht lange danach trat Morgiana aus dem Hause, um eine Besorgung zu machen; als sie zurückkam, erblickte sie das Zeichen, das der Räuber mit weißer Kreide an der Türe angemerkt hatte. Sie blieb verwundert stehen und betrachtete es gedankenvoll. »Was bedeutet das?« fragte sie sich selbst. »Gewiß will jemand meinem Herrn einen Streich spielen. Oder sollte ein Mißgünstiger oder Neider irgend etwas im Schilde führen? Auf jeden Fall ist es gut, wenn man vorsichtig ist.« Mit diesen Worten nahm sie ebenfalls ein Stück Kreide und bemalte die Türen der Nachbarhäuser, die fast ebenso aussahen, mit demselben Zeichen und an derselben Stelle; dann ging sie wieder an ihre Arbeit, ohne ihrem Herrn oder ihrer Herrin irgend etwas von dem Vorgefallenen mitzuteilen. Indessen war der Räuber im Walde angelangt und kehrte vergnügt zu seinen Kameraden zurück. Er erzählte ihnen sein Abenteuer und den guten Verlauf seiner Reise und freute sich über das Glück, daß er sogleich den richtigen Mann gefunden hatte, von dem er das Nötige erfahren konnte. Der Hauptmann war voll Lobes und sagte zu seinen Leuten: »Wir wollen jetzt ohne Säumen und unbemerkt nach der Stadt aufbrechen. Bewaffnet euch gut, und laßt Vorsicht walten! Während ich mit unserm Kameraden, der uns eben jetzt so erfolgreiche Kunde gebracht hat, zu dem Hause gehe, das er ausgekundschaftet hat, sollt ihr von verschiedenen Seiten aus auf dem Marktplatze zusammenkommen, wo ich euch dann alles weitere mitteilen werde.« Diese Worte fanden allgemeinen Anklang. Zwei und zwei zogen die Räuber in die Stadt, ohne irgendwie Verdacht zu erregen, da sie auf der Hut waren und getrennt voneinander gingen. Zuletzt kam der Hauptmann mit seinem Führer und ließ sich sogleich zu Ali Babas Haus geleiten. Hier wies ihm der Räuber das Zeichen am Tore, sie musterten das Haus unauffällig, aber genau, und gingen dann ruhig weiter, als ob sie, wie Fremde, zufällig diese Straße durchwanderten. Da bemerkte der Hauptmann, daß auch die folgenden Türen dasselbe Zeichen an derselben Stelle trugen und sprach entrüstet und barsch zu dem Führer: »Nun sage mir, du Schuft, welches das richtige Haus ist!« Der Räuber geriet in Verwirrung und Verlegenheit und wußte keine Antwort. Er fluchte heftig und rief: »Wahrlich, ich habe nur eine einzige Türe bezeichnet und verstehe nicht, woher die übrigen Kreidestriche stammen. Nun aber kann ich nicht mehr mit Sicherheit angeben, welches Haus ich anmerkte, denn ich habe es nicht genau betrachtet.« Sie gingen also unverrichteter Sache zum Marktplatze zurück, und dort sagte der Hauptmann zu einem seiner Leute: »Sage den übrigen, daß unser Weg erfolglos war, und daß sie alle wieder nach dem Sammelpunkte im Walde zurückkehren sollen.« Er selbst folgte ihnen und ging zu der Felsenhöhle, wo er die Räuberbande beisammen traf. Sie hielten Gericht über den ungeschickten Führer und erkannten ihn einstimmig für des Todes schuldig; ohne Widerrede und Furcht hielt der Unglückliche seinen Hals hin und ließ sich den Kopf abschlagen. Dann trat ein anderer aus der Bande auf und sagte, er würde es besser machen; man solle ihm die Ehre erweisen und ihn das Haus suchen lassen. Man war es zufrieden und schickte ihn ans Werk. Auch er traf Baba Mustapha auf dem Markte, schenkte ihm Goldstücke und ließ sich von ihm zu Casims Hause geleiten, wo er die Türe an einer verborgenen Stelle mit roter Kreide zeichnete, um sie von den anderen weißgezeichneten unterscheiden zu können. Aber wieder sah Morgiana das rote Zeichen, als sie aus dem Hause ging, und bemalte sofort die übrigen Türen ebenfalls mit Rötel, da sie noch stärkern Verdacht hegte. [Illustration: »Herr,« sagte er, »ich habe mein Öl von einer weiten Strecke mitgebracht, um es morgen zu verkaufen.«] Der Räuber kehrte fröhlich und zufrieden in den Wald zurück, erzählte, wie schlau er zu Werke gegangen sei und forderte den Hauptmann auf, sogleich mit ihm in die Stadt zu gehen. Vorsichtig und in derselben Ordnung, wie am vorigen Tage, begaben sie sich auf den Weg, und der Hauptmann wanderte mit seinem Führer zu Ali Babas Wohnung. Aber hier bemerkten sie mit Erschrecken und Staunen, daß auch die Nachbartüren mit Rötelstrichen versehen waren, und so mußten sie enttäuscht und bestürzt wieder den Rückweg antreten. Der törichte Spion wurde gleichfalls enthauptet, wie der erste. Der Hauptmann war bekümmert darüber, daß er nun schon zwei seiner tapferen Leute hatte hingeben müssen und fürchtete, daß auch noch andere ihm verloren gehen könnten, denn sie waren mehr für Angriff und Raub geeignet, als zu geschickten und listigen Unternehmungen. Er beschloß daher, selbst auf Kundschaft zu gehen, bestach gleichfalls den Schuster Baba Mustapha und ließ sich von ihm zu Ali Babas Behausung führen. Er vermied es aber, irgendein äußeres Zeichen anzubringen, sondern ging verschiedene Male an dem Hause vorüber und betrachtete es so genau, daß es sich seinem Gedächtnis unverlierbar einprägte. Dann kehrte er wieder in den Wald zurück und sagte, als er in der Felsengrotte war und die Bande um sich versammelt sah: »Jetzt werden wir sicherlich das Haus wiederfinden, denn ich habe es mir genau gemerkt; es wird uns gewiß nicht mehr schwer fallen, den Dieb zu finden. Nun hört, was ich mir überlegt habe! Vor allem darf niemand etwas von unserer Höhle und dem Schatze erfahren, denn sonst würden wir uns ins Verderben stürzen. Gehet hin in die umliegenden Dörfer und kauft dort neunzehn Maulesel, nebst achtunddreißig großen ledernen Ölschläuchen, von denen der eine gefüllt, die anderen aber leer sein müssen, und bringt alles hierher; dann soll jeder von euch, wohl bewaffnet, in einen Schlauch hineinkriechen, und so werde ich euch unbemerkt in die Stadt hineinbringen; das andere überlaßt mir.« In kurzer Zeit hatten die Räuber alles beisammen. Nachdem sie in die Schläuche hineingekrochen waren und sich durch eine kleine Ritze, die sie auftrennten, Luft verschafft hatten, nahm der Hauptmann Öl aus dem vollen Schlauche und befeuchtete die übrigen Schläuche damit, um die Täuschung besser zu vollenden. Dann lud er alle Schläuche, in denen je einer von den Räubern stak, sowie den mit Öl gefüllten auf die Maulesel und zog, als Händler verkleidet, in der Abenddämmerung nach der Stadt. Er nahm sogleich seinen Weg zu Ali Babas Haus, denn er hatte die Absicht, bei ihm anzufragen, ob er ihm und seinen Maultieren ein Nachtquartier gönnen wollte. Ali Baba saß behaglich vor der Türe, denn er hatte soeben sein Abendessen eingenommen und wollte noch ein wenig frische Luft atmen. Der Räuber grüßte ihn, hielt die Maultiere an und sprach: »Herr, ich komme von weit her und möchte morgen mein Öl, das du hier siehst, auf dem Markte zum Verkaufe ausbieten. Ich bin leider etwas zu spät in die Stadt gekommen und weiß nicht, wo ich zur Nacht ein Unterkommen finden kann. Habe Mitleid und nimm mich für diese Nacht in deinem Hause auf; ich will dir nicht lästig fallen.« Ali Baba hatte zwar den Banditen damals im Walde, als er auf dem Baume saß, gesehen und auch seine Stimme gehört, aber infolge der Verkleidung konnte er in dem Ölhändler den Räuberhauptmann nicht wiedererkennen; er sagte also: »Tritt ein, Fremder, und sei mir willkommen; du magst hier nächtigen.« Und er führte den Händler mit seinen Mauleseln in den Hof. Dort ließ er die Tiere von seinem Sklaven anbinden und mit Heu und Gerste füttern; er selbst ging in die Küche zu Morgiana und sagte zu ihr: »Bereite schnell für unsern Gast, der soeben angekommen ist, ein gutes Nachtmahl, und richte in einem der Zimmer ein Bett für ihn her.« Dann begab er sich wieder in den Hof und in den Stall, wo der Hauptmann seine Esel abgeladen hatte. »Du darfst nicht unter freiem Himmel schlafen, Fremder,« sagte er. »Komm mit herein in meinen Saal, damit ich dich würdig als meinen Besuch aufnehmen kann.« Der Räuber weigerte sich, denn er wollte lieber im Hofe bleiben, um sein Vorhaben desto besser und ungestörter ausführen zu können; aber auf die Bitten des Hausherrn, denen er nicht länger widerstehen konnte, folgte er ihm in das Haus. Dort unterhielt ihn Ali Baba aufs beste und ließ ihm ein leckeres Abendessen auftragen; er leistete ihm so lange Gesellschaft, bis er sein Mahl beendet hatte; dann stand er auf und sagte: »Ich muß dich leider jetzt verlassen; wenn du etwas brauchst, so rufe nur, es soll dir alles im Hause zu Diensten sein.« Darauf ging er hinaus zu Morgiana und sprach: »Sorge auch weiterhin für unsern Gast, daß es ihm an nichts fehle. Morgen früh, vergiß es nicht, will ich ins Bad gehen; lege die Tücher zurecht, und gib sie meinem Sklaven Abdallah; ferner bereite mir eine gute, kräftige Fleischbrühe, damit ich sie trinken kann, wenn ich wieder nach Hause komme.« Nach diesen Worten begab sich Ali Baba auf sein Zimmer und legte sich ins Bett. Der Räuberhauptmann war indessen in den Hof hinausgetreten, um im Stalle nachzusehen, ob seine Maultiere Futter und Wasser erhalten hätten. Er flüsterte seinen Leuten, die in den Schläuchen staken, heimlich und vorsichtig zu: »Wenn ich um Mitternacht aus meinem Zimmer kleine Steine herabwerfe, so schneidet mit euren scharfen Messern den ledernen Schlauch von oben bis unten auseinander, und kriecht sofort heraus. Ich werde dann augenblicklich zu euch kommen.« Leise ging er in das Haus zurück, und als er an der Küche vorüberkam, ergriff Morgiana das Licht, führte ihn in seine Kammer und fragte ihn, ob er noch irgend etwas brauche, dann solle er nur seine Wünsche äußern. Der fremde Händler aber dankte, löschte das Licht und legte sich angekleidet auf das Bett, um ein wenig zu ruhen. Morgiana ging nun an den Schrank und legte die weißen Badetücher zurecht, die sie dem Sklaven Abdallah übergab; dann stellte sie den Topf aufs Feuer, um die Fleischbrühe zu bereiten. Während sie nun damit beschäftigt war, verlosch plötzlich ihre Lampe, und die Magd bemerkte mit Schrecken, daß keine Lichter mehr bereit standen und auch alles Öl verbraucht war, das sie vorrätig hatte. Sie war ratlos und wußte sich nicht zu helfen; Abdallah bemerkte ihre Verlegenheit und Bestürzung und sagte: »Warum trauerst du? Gehe doch in den Hof und hole dir aus einem der vielen Schläuche etwas Öl; der fremde Händler wird dich gewiß nicht darum schelten, zumal er die Gastfreundschaft unseres Herrn genießt.« Morgiana dankte für den guten Rat, und während Abdallah sich behaglich niederlegte, um zu schlafen, weil er in der Frühe Ali Baba ins Bad begleiten mußte, nahm sie die Ölkanne und ging damit in den Hof. Als sie nun zu dem ersten Schlauche kam, fragte der Mann, der darin verborgen war, mit Flüsterstimme: »Ist es jetzt Zeit, Hauptmann?« Der Räuber hatte sehr leise gesprochen, aber Morgiana hatte trotzdem seine Worte verstanden, stutzte und wunderte sich um so mehr, weil sie sich jetzt erinnerte, daß der Händler vorher alle Schläuche geöffnet hatte, damit seine Leute, welche kaum Atem schöpfen konnten, etwas frische Luft genießen sollten. Die Sklavin war zwar sehr erschrocken, als sie statt des Öls einen Mann in dem Schlauche fand, aber sie bezwang sich und vermied es sorglich, Lärm zu schlagen. Sie war kühn und wußte sogleich, daß eine Gefahr für Ali Baba und seine Familie im Anzuge wäre, und daß sie schnell und sicher handeln müsse. Ohne irgendwie zu zittern oder zu zaudern, antwortete sie mit tiefer Stimme, indem sie die des Räuberhauptmanns nachahmte: »Die Zeit ist noch nicht gekommen; aber bald.« Dann ging sie auch zu den anderen Schläuchen und überall, wo dieselbe Frage erscholl, gab sie dieselbe Antwort, bis sie zu dem letzten Schlauche kam, der mit Öl gefüllt war. Dort goß sie schnell ihren Krug voll und ging damit in die Küche zurück, wo sie die Lampe wieder putzte und entzündete. Sie sprach aber zu sich selbst: »Wahrlich, das ist kein Händler, sondern der Räuberhauptmann mit seinen siebenunddreißig Gesellen, die wir beherbergen; der Himmel schütze und bewahre uns vor Unheil!« Dann nahm sie einen großen Kessel, setzte ihn auf den Herd und füllte ihn mit Öl aus dem Schlauche; sie schürte das Feuer zu einer gewaltigen Flamme auf, indem sie immer neues Holz aufhäufte, bis das Öl kochte und wallte. Rasch ergriff sie den Kessel, ging damit in den Hof hinaus und schüttete das siedende Öl in jeden Schlauch, so daß die Räuber, die nicht entfliehen konnten, verbrüht und erstickt wurden. Nachdem Morgiana diese Tat geräuschlos vollbracht hatte, kehrte sie in die Küche zurück, verschloß die Türe, löschte das Feuer, bis nur noch eine kleine Flamme brannte, und kochte die Fleischbrühe für Ali Baba. Dann blies sie ihre Lampe aus und setzte sich ans dunkle Fenster, denn sie wollte alles beobachten, was vor sich ging. Nicht lange darauf erwachte der Räuberhauptmann, stand auf und blickte in den Hof hinunter, der nachtschwarz und still vor ihm lag. Kein Licht war zu sehen. Sofort warf er kleine Steine hinab, um das verabredete Zeichen zu geben; an dem Schalle merkte er, daß einige die Schläuche trafen, und er horchte begierig; aber nichts regte sich, kein Ton war zu hören. Zum zweiten und dritten Male schleuderte er die Steinchen auf die Schläuche, doch abermals blieb alles stumm, und kein Laut antwortete ihm. Erstaunt und bestürzt ging er möglichst leise in den Hof hinaus und trat an den ersten Schlauch; ein übler Geruch von kochendem Öl und verbranntem Fleische quoll ihm entgegen, und auch alle übrigen Schläuche waren sehr heiß und in dem gleichen Zustande. Als er aber den vollen Ölschlauch leer fand, wußte er, was geschehen war, verzweifelte, kletterte über die Mauer in einen Garten und entfloh, so schnell er vermochte. Morgiana hatte alles vom Fenster mitangesehen, und als es still geworden war und der Hauptmann nicht zurückkehrte, wußte sie, daß er über die Mauer gestiegen war und die Flucht ergriffen hatte, denn die Haustüre war doppelt verschlossen. Beruhigt legte sich die wackere Sklavin nieder und schlief sogleich heiter und zufrieden ein. Am nächsten Morgen ging Ali Baba mit seinem Sklaven Abdallah in das Bad, ohne irgendwelche Kenntnis von dem gräßlichen Abenteuer, denn Morgiana hatte weder ihm, noch Abdallah etwas erzählt, weil sie ihren Herrn nicht stören und beunruhigen wollte. Die Sonne stand schon hoch und strahlend am Himmel, als Ali Baba wieder nach Hause kam und die Ölschläuche noch im Stalle stehen sah; er wunderte sich, daß der Händler noch nicht mit seinen Maultieren auf den Markt gegangen war, und fragte Morgiana darum, die nichts im Hofe verändert hatte, damit ihr Herr um so deutlicher sehen könnte, aus welcher Gefahr sie ihn gerettet hatte. Sie sagte: »Der allmächtige Gott erhalte dich und dein Haus noch lange in Frieden und Sicherheit! Was du von mir zu wissen verlangst, wirst du am besten aus eigener Anschauung erfahren; darum folge mir, und gehe mit mir in den Hof hinaus!« Die Sklavin führte ihn an die Ölschläuche, verschloß aber vorher die Türe sorgfältig und sagte dann: »Sieh einmal in diesen Schlauch hinein, gewiß hast du noch niemals derartiges Öl erblickt.« Ali Baba tat, wie sie gebeten hatte, und als er in dem Schlauche einen Mann entdeckte, entsetzte er sich sehr, sprang zurück und schrie laut auf, als ob er auf eine giftige Schlange getreten hätte. Morgiana sprach: »Ängstige dich nicht; dieser Mann wird dir kein Leid zufügen, denn er ist tot; er hat keine Kraft mehr, etwas Böses zu tun.« Rief Ali Baba: »O Morgiana, sage mir, welchem Unheil wir entgangen sind! Beim allmächtigen Gott, ich staune und zittere vor Überraschung!« Morgiana versetzte: »Sprich nicht so laut, Herr, damit die Nachbarn nichts hören und unser Geheimnis nicht etwa erfahren. Jetzt aber betrachte dir auch alle übrigen Schläuche.« Ali Baba prüfte sie der Reihe nach, untersuchte sie und fand in jedem einen toten und verbrühten Mann. Ratlos blieb er vor Morgiana stehen, betrachtete bald sie, bald die Schläuche mit weit geöffneten Augen und wußte nichts zu sagen, so groß war seine Verwunderung. Als er sich ein wenig erholt hatte, fragte er: »Sage mir doch vor allem, wo der Ölhändler geblieben ist.« — »Dieser Händler,« erwiderte Morgiana, »war kein Kaufmann, — ebensowenig wie ich eine Händlerin bin. Ich will dir jetzt alles erzählen, was sich zugetragen hat und wer jener Nichtswürdige war. Vorerst aber geh hinein in dein Zimmer, denn du kommst eben aus dem Bade, und trinke deine Fleischbrühe; so erfordert es deine teuere Gesundheit.« Ali Baba begab sich hinein, und Morgiana holte die Fleischbrühe und setzte sie ihm vor. Ali Baba war sehr ungeduldig, und während er trank, sagte er: »Erzähle mir nur die wunderbare Begebenheit sehr ausführlich, denn ich bin unruhig, bevor ich nicht alles erfahren habe.« Morgiana begann zu erzählen und sagte: »Wie du befohlen hattest, legte ich gestern die Badetücher zurecht und übergab sie dem Sklaven Abdallah. Dann bereitete ich deine Fleischbrühe, aber die Lampe erlosch plötzlich, weil das Öl zu Ende gegangen war. Abdallah riet mir, neuen Vorrat aus den Schläuchen des Händlers zu holen, und sein Rat dünkte mich gut. Als ich zu dem ersten Schlauche trat, hörte ich eine Stimme darin fragen: ›Ist es jetzt Zeit?‹ Ich durchschaute sofort die List des fremden Kaufmanns und antwortete, indem ich seine Stimme nachahmte: ›Die Zeit ist noch nicht gekommen; aber bald.‹ Und so ging ich von einem Schlauche zum andern, und auf jede Frage gab ich dieselbe Antwort. Als ich meine Lampe aus dem letzten Schlauche wieder gefüllt hatte, kehrte ich rasch in die Küche zurück, nahm den größten Kessel und goß ihn voll Öl. Dann machte ich es kochend und siedend über dem Feuer und schüttete davon in jeden Schlauch, in dem ein Räuber versteckt war, so daß sie alle verbrüht und getötet wurden. Nicht lange danach gab der Hauptmann das verabredete Zeichen; aber als ihm niemand antwortete, ging er selbst hinunter und entdeckte zu seiner Bestürzung, was geschehen war. Er muß über den Gartenzaun gestiegen sein, denn ich habe ihn nicht wiedergesehen, und ganz gewiß ist er vor Verzweifelung entflohen. — Ich will dir nun noch etwas anderes mitteilen; denn ich habe vor einigen Tagen eine sehr seltsame Entdeckung gemacht, die in mir einen Verdacht erregt hat. Ich bemerkte nämlich an der Haustüre ein Zeichen mit weißer Kreide und tags darauf ein rotes. Ich wußte zwar nicht, zu welchem Zwecke sie angebracht waren, aber aus Vorsicht bemalte ich unsere Nachbarhäuser ebenso. Ich glaube, wenn du alles genau überdenkst, wirst du selbst einsehen, daß es sich um die Räuber aus dem Walde handelt, von denen jedoch zwei nicht mehr unter ihnen weilen; warum, weiß ich nicht. Jedenfalls sind höchstens noch drei von ihnen am Leben; du mußt also sehr sorglich und vorsichtig sein, denn du weißt nun, daß sie dir nach dem Leben trachten. Glaube mir, daß ich alles daransetzen werde, um dich vor Unglück und Schaden zu bewahren, wie es einer ergebenen und getreuen Sklavin zukommt. Dies, Herr, ist die Geschichte, nach der du mich gefragt hast.« Über diese Worte war Ali Baba hocherfreut und rief: »Wie dankbar bin ich dir, Morgiana, denn du hast mir einen sehr wichtigen Dienst erwiesen! Du hast mich vor Gefahr und Tod bewahrt; darum will ich dir die Freiheit schenken und dir Gutes tun, soviel ich immer vermag. Preis und Lob sei Gott, dem Erhabenen, daß er mich so glücklich aus der Hand der vierzig Räuber befreit hat! Möge er mich auch ferner behüten und vor ihren Nachstellungen schützen, denn wahrlich, sie sind Schurken und müssen von der Erde getilgt werden! Jetzt aber geziemt es uns vor allem, die Leichen der Nichtswürdigen zu begraben, damit niemand unser Geheimnis erfahren und uns in das Gerede der Leute bringen kann.« Nach diesen Worten ging Ali Baba mit seinem Sklaven hinaus in seinen großen Garten, der von hohen und alten Bäumen umzäunt war; unter einem dieser Bäume schaufelten sie eine breite und tiefe Grube; da der Boden sehr locker und frisch war, hatten sie in kurzer Zeit ihr Geschäft beendigt. Dann nahmen sie die Leichen aus den Ölschläuchen heraus, entkleideten sie ihrer Waffen und schleppten sie an das Ende des Gartens; dort warfen sie die Toten, einen nach dem andern, in das Grab hinein, schütteten die Gartenerde über sie hin und machten darauf den Boden wieder eben und sauber, wie zuvor. Die wertvollen Waffen und die Lederschläuche verbargen sie sorgfältig; die Maulesel aber ließ Ali Baba an verschiedenen Tagen auf den Markt bringen und durch Abdallah verkaufen. So blieb alles aufs beste verborgen, und niemand erfuhr, daß Ali Baba so plötzlich zu einem unermeßlichen Reichtume gekommen war. Der Hauptmann war inzwischen in den Wald zurückgekehrt; in seinem Herzen nagten Wut und Ärger, weil seine Unternehmung, auf deren glücklichen Ausgang er so feste Hoffnungen gesetzt hatte, ein so trauriges und schmähliches Ende genommen hatte. Sein Geist war umdüstert; in tiefen und schwermütigen Gedanken wanderte er einsam durch den Wald, bis er wieder zu der verlassenen Höhle kam. Da wartete keiner der Gefährten mehr auf ihn, und er mußte bekümmert und verstört einen Unterschlupf in dem Zauberfelsen suchen. Er rief: »Ihr treuen Gefährten, ihr wackeren Kameraden und Genossen meiner Raubzüge, wo seid ihr? Nun muß ich ohne euch auf Abenteuer ziehen, und mit euch ist ein Teil meiner Kraft und Freudigkeit gewichen, als hätte einer meiner Feinde mir den rechten Arm vom Leibe geschlagen! Nicht war es euch vergönnt, in hitzigem Streite und mit dem Schwerte in der Faust als mutige Männer zu sterben; ein klägliches und unwürdiges Geschick hat euch hinweggenommen. Nie mehr werde ich eine Schar so tüchtiger und tapferer Leute um mich sehen! Und euer Tod ist nicht mein einziger Kummer: der elende Dieb hat mir auch die köstlichsten meiner Schätze gestohlen, ohne die ich machtlos bin und nichts unternehmen kann. Aber ich will euch rächen und allein ausführen, was euch versagt war; ich will den Schatz zurückgewinnen und den Nichtswürdigen töten, der ihn uns entwendet hat!« Nach diesen Worten legte sich der Hauptmann zur Ruhe und sank bald darauf in tiefen Schlaf; denn die Klagen hatten seinen Schmerz gelindert und sein bedrängtes Herz erleichtert. [Illustration: Sie goss nacheinander in jedes Gefäß eine ausreichende Menge des kochenden Öls, um den Insassen zu Tode zu verbrühen.] Als die Morgenröte zwischen den alten Bäumen des Waldes schimmerte, erhob sich der Hauptmann und legte ein prunkvolles Gewand an; dann begab er sich in die Stadt und suchte Wohnung in einer Karawanserei, da er erwartete, irgend etwas Bestimmtes von dem Morde in Ali Babas Hause zu vernehmen. Er fragte also den Besitzer des Chans, welche Neuigkeiten sich jüngst in der Stadt zugetragen hätten, und der Wirt erzählte ihm die verschiedensten Dinge, die er gehört und gesehen hatte; aber von dem, was der Hauptmann am sehnlichsten zu wissen wünschte, konnte er nichts in Erfahrung bringen. Er ersah daraus, daß Ali Baba sehr vorsichtig zu Werke gegangen war, weil er vermutlich den Reichtum, den er in so kurzer Zeit erworben hatte, geheimzuhalten wünschte, um keinen Verdacht damit zu erwecken. Der Hauptmann beschloß also, alles daranzusetzen, um den Verhaßten sobald wie möglich aus dem Wege zu räumen. Er ritt zu verschiedenen Malen in den Wald, wo er aus der Höhle bunte Teppiche, schimmernde Seidenstoffe und feine Schleier holte, und als er die Ballen beisammen hatte, mietete er sich einen Laden, der ihm günstig erschien, brachte seine Waren dorthin und bezog ihn ungesäumt. So begann er, das Gewerbe eines Kaufmanns zu betreiben, um seine List möglichst schnell und geschickt ausführen zu können. Er nahm den Namen Chogia Husein an und stattete seinen Nachbarn der Sitte gemäß alsbald einen Besuch ab; seine übertriebene Gefälligkeit und seine höflichen Sitten verschafften ihm bald ihre Freundschaft und Achtung. Gegenüber dem Laden des Hauptmanns lag der des verstorbenen Casim, wo jetzt Ali Babas Sohn seine Geschäfte trieb. Der war über die Freundlichkeit und Huld des neuen Ankömmlings sehr erfreut und unterhielt sich lange mit ihm, denn es ließ sich angenehm mit ihm plaudern. Wenige Tage darauf besuchte Ali Baba seinen Sohn und traf ihn in dem Laden des Chogia Husein; der Hauptmann erkannte seinen Feind sofort wieder und fragte den Jüngling, als sein Vater wieder nach Hause gegangen war: »Sage mir doch, lieber Freund, wer dieser Mann gewesen ist?« Jener antwortete: »Er ist Ali Baba, mein Vater, und er besucht mich von Zeit zu Zeit in meinem Laden.« Da erwies ihm der Hauptmann noch größere Gefälligkeiten, beschenkte ihn reichlich, überhäufte ihn mit Gunst und lud ihn oft an seine Tafel, wo er ihm erlesene Gerichte vorsetzen ließ. Der Jüngling überlegte sich nun, daß er die Höflichkeiten seines Nachbars erwidern müsse; aber er bewohnte nur ein enges und kleines Haus und war nicht vornehm genug eingerichtet, um Chogia Husein auf würdige Weise bewirten zu können. »Es schickt sich wohl, daß ich meinen Nachbar einmal zum Nachtmahl einlade,« sagte er zu seinem Vater. Jener erwiderte: »Mein Sohn, es ist recht, wenn du deinem Freunde vergelten willst, was er dir Gutes erwiesen hat. Morgen ist Freitag, da magst du deinen Laden schließen, wie es alle großen Kaufleute tun; führe Chogia Husein am Nachmittage in der Stadt spazieren und zeige ihm alles, was er zu sehen wünscht; richte es aber so ein, daß du ihn auf dem Rückwege unversehens zu meinem Hause bringst. Bitte ihn dann, bei uns einzutreten, denn ich möchte, daß wir eine förmliche Einladung umgehen. Ich werde Morgiana Befehl geben, ein gutes Abendessen herzurichten und alles bereitzuhalten, was unsern Gast ergötzen kann.« Am kommenden Tage, dem Freitag, unternahmen also Ali Babas Sohn und Chogia Husein einen Spaziergang durch die Stadt und betrachteten alle Paläste und prangenden Gärten; auf dem Rückwege aber gingen sie durch die Straße, wo Ali Baba wohnte, und ab sie vor der Haustüre anlangten, blieb der Jüngling stehen, pochte an und sagte zu seinem Gefährten: »Hier ist das Haus meines Vaters, lieber Freund; ich habe ihm schon viel von deiner Liebenswürdigkeit und Güte erzählen müssen, und er wünscht sehr, deine Bekanntschaft zu machen. Erweise mir nun die Ehre, hier einzutreten und ihm einen Besuch abzustatten; du würdest damit meinem Vater eine große Gefälligkeit erzeigen.« Der Hauptmann freute sich im Innern sehr, daß er endlich zum Ziele seiner Wünsche gelangt war und Zutritt in das Haus seines Feindes erhalten hatte, wo er ihn ohne allzu großes Aufsehen beiseite schaffen konnte; dennoch zögerte er eine Weile, suchte allerlei Entschuldigungen hervor und stellte sich so, als wollte er weitergehen. Da aber öffnete ein Sklave das Tor, der Jüngling ergriff seinen Gast bei der Hand und führte ihn höflich und artig ins Haus, so daß er nicht weiter widerstreben konnte. Ali Baba empfing ihn mit Ehrfurcht und Freundlichkeit, dankte ihm für die Ehre seines Besuches, wünschte ihm Glück und Wohlergehen und sagte dann: »Wir sind dir sehr verpflichtet, weil du meinem Sohne so viel Aufmerksamkeit und Güte erwiesen und ihm aus den Schätzen deiner Erfahrung mitgeteilt hast.« Der Fremde erwiderte Ali Babas Gruß und Höflichkeit und sagte: »Zwar schmückt deinen Sohn noch nicht die Weisheit der Greise, da er noch jung an Jahren ist; aber sein Verstand ist schnell und gesund, so daß ich mein Wohlgefallen an ihm gefunden habe.« So plauderten sie noch eine Weile heiter und ungezwungen über mancherlei Dinge, dann aber erhob sich Chogia Husein, um sich zu verabschieden. Ali Baba hielt ihn jedoch sanft und bittend zurück und ließ ihn nicht gehen; er sagte: »Wohin willst du ziehen, mein Freund? Ich wollte dich bitten, das Nachtmahl bei mir einzunehmen; erweise uns die Gunst und speise an unserer Tafel. Zwar wird das Essen nicht so glänzend und lecker sein, als du es gewohnt bist; aber ich denke, du wirst es dennoch annehmen, da ich es dir mit dankbarem Herzen anbiete.« — »Herr,« erwiderte Chogia Husein, »ich bin dir sehr verpflichtet für dein höfliches Anerbieten und bin vollkommen von deiner huldvollen Gesinnung überzeugt; glaube mir, daß ich mit Vergnügen deiner Einladung folgen würde und daß ich sie nicht aus Mißachtung oder Unhöflichkeit ausschlage, aber ein besonderer Umstand zwingt mich dazu, nach Hause zurückzukehren.« Erwiderte Ali Baba: »Sage mir, Herr, was für ein Grund das sein mag?« Der Kaufmann entgegnete: »Ich will es dir mitteilen; ich darf nämlich kein Fleisch und keinerlei Fische essen, die mit Salz bereitet sind; gewiß würde ich dir bei Tisch nur Unannehmlichkeiten bereiten.« — »Wenn dies allein der Grund ist,« sagte Ali Baba und bat noch dringender, »so sollst du uns nicht der Ehre deiner Gesellschaft berauben. An unserm Brote, das du bei uns essen wirst, ist niemals Salz, und was den Fisch und das Fleisch betrifft, so werde ich der Köchin Befehl geben, bei ihrer Zubereitung ebenfalls kein Salz zu gebrauchen. Entschuldige mich einen Augenblick, denn ich will der Köchin selbst Bescheid bringen; ich kehre im Augenblick zu dir zurück.« Sogleich begab sich Ali Baba in die Küche zu Morgiana und gebot ihr, in keine der Schüsseln, die sie heute auftragen würde, Salz zu tun und außerdem noch einige Gerichte zu bereiten, die ebenfalls ungesalzen wären. Morgiana erstaunte höchlich über diesen neuen Befehl und war sehr unzufrieden darüber; mit verdrossenem Gesicht wandte sie sich um und fragte ihren Herrn: »Wer ist denn dieser seltsame Mann, der alle Speisen ungesalzen haben will? Das Essen wird verderben, wenn ich es nicht sogleich auftragen kann.« — »Sei nicht böse, Morgiana,« besänftigte sie Ali Baba, »sondern tu nur nach meinem Geheiß. Ein redlicher, wackerer Mann ist bei uns eingekehrt.« Morgiana befolgte, was Ali Baba gesagt hatte; aber sie war widerwillig und wunderte sich im stillen; auch plagte sie die Neugierde, den Mann zu sehen, der so wunderliche Forderungen stellte. Als das Essen bereitet war, half sie dem Sklaven Abdallah, der soeben den Tisch gedeckt hatte, die Speisen hineinzubringen. Sie betrachtete Chogia Husein mit scharfen und mißtrauischen Blicken und erkannte sofort, wer er war, trotz seiner Verkleidung; zudem bemerkte sie, als sie ihn aufmerksam von der Seite musterte, daß er einen Dolch unter seinem Gewande verborgen hatte. »Nun weiß ich,« sprach sie entrüstet in ihrem Herzen, »warum dieser Gottlose kein Salz mit meinem Herrn essen mag: er ist sein Todfeind und trachtet ihm nach dem Leben, darum verschmäht er das Sinnbild der Treue und Unverletzlichkeit. Aber ich will ihm zuvorkommen und ihn auf immer daran hindern, meinem Herrn ein Böses zuzufügen.« [Illustration: Als Morgiana die ganze Zeit auf der Hut gewesen war.] Nachdem Morgiana alle Speisen hineingebracht hatte, ging sie wieder in die Küche zurück und überlegte, während die Herren aßen, wie sie ihren Plan am besten und sichersten ausführen könnte. Während sie noch nachdachte, kam Abdallah herein und meldete, daß Ali Baba befohlen habe, den Nachtisch zu reichen. Der Sklave räumte den Tisch ab, und Morgiana trug frische und getrocknete Früchte auf, stellte sie auf ein kleines Tischchen, zugleich mit einer Flasche Wein und drei Schalen und ging dann mit Abdallah hinaus, um die Schmausenden nicht etwa beim vertraulichen Gespräche zu belästigen; sie stellte sich so, als wollte auch sie nun ihr Nachtmahl einnehmen. Da freute sich Chogia Husein, oder vielmehr der Räuberhauptmann, denn er glaubte, daß endlich der günstige Augenblick nahe sei, und sprach bei sich selbst: »Jetzt ist die Luft frei, und ich kann Rache nehmen! Ich will die beiden betrunken machen und dem Dieb mein Messer in die Brust stoßen; seinen Sohn will ich gern verschonen, wenn er sich nicht widersetzt oder Lärm schlägt. Ich muß aber warten, bis die Köchin und der Sklave ihr Abendbrot gegessen und sich zur Ruhe begeben haben. Ich werde wie das erstemal über die Mauer steigen und in den Nachbargarten entfliehen.« Morgiana, welche die Absicht des falschen Kaufmanns mit klugem Sinne durchschaut hatte, war darauf bedacht, ihm keinen Vorteil zu gewähren und ihn sobald wie möglich an der Ausführung seines arglistigen Planes zu hindern. Sie legte rasch ein reizendes Kleid an, wie es die Tänzerinnen zu tragen pflegen, schmückte sich mit einem schillernden Kopfputze und umgürtete sich mit einem golddurchwirkten Gürtel, in welchem sie einen Dolch befestigte, dessen Scheide mit herrlichen Edelsteinen geschmückt war; ihr Gesicht verhüllte sie mit einem fließenden Schleier. Als sie sich so verkleidet hatte, sprach sie zu dem Sklaven Abdallah: »Geh und hole deine Schellentrommel, und laß uns vor unseren Gästen tanzen und ein fröhliches Spiel aufführen, damit wir sie nach Gebühr erheitern.« Der Sklave tat, wie sie befohlen hatte, spielte die Schellentrommel und ging so vor Morgiana her in den Saal hinein. Morgiana verneigte sich tief und mit Anmut und erbat sich die Erlaubnis, zu tanzen und zu singen. »Unterhaltet nur unsern werten Gast,« sagte Ali Baba lächelnd, und zu dem Kaufmanne gewandt, fuhr er fort: »Glaube nicht, mein Freund, daß dieses Vergnügen mir große Unkosten bereitet; du siehst, es ist niemand anders als meine Köchin und der Sklave, die uns oft ihre Tänze zum besten geben. Ich hoffe, auch du wirst dich ein wenig durch die beiden belustigen lassen.« Chogia Husein war über diesen Zwischenfall sehr verstimmt, denn er glaubte, daß ihm der günstige Augenblick nun entglitten sei; er verwünschte die beiden Tänzer, stellte sich aber so, als wäre er sehr erfreut über diese unerwartete Unterhaltung und sagte: »Ich bin dir sehr dankbar für deine Überraschung; was dir Vergnügen bereitet, lieber Gastgeber, das will ich nicht verschmähen, denn auch ich werde gewiß viel Vergnügen daran finden.« Sofort begann Abdallah aufs neue die Schellentrommel zu schlagen und ein frisches Lied zu singen. Morgiana erhob sich und fing an zu tanzen; sie wiegte sich und beugte sich, hüpfte vorwärts und zurück in zierlichsten Schritten, bewegte sich heiter und ungezwungen und erntete bei allen Anwesenden besondern Beifall. Nur der falsche Kaufmann beachtete ihre Kunst sehr wenig und blickte oft verdrossen und enttäuscht vor sich hin. Nachdem Morgiana verschiedene schwierige Stellungen ausgeführt hatte, zog sie plötzlich den Dolch aus dem Gürtel, schwang ihn in der Hand und begann einen neuen Tanz, der den drei Zuschauern am meisten gefiel. Sie bildete die verschiedensten und kühnsten Figuren, streckte bald den Dolch wie zum Stoße empor, richtete ihn bald auf ihren eigenen Busen und ließ ihn in der Luft blitzen und funkeln. Dann riß sie dem Sklaven Abdallah die Schellentrommel aus der Hand, während sie in der Rechten noch den Dolch hielt und bot den Zuschauern die hohle Seite der Trommel dar, um Geld einzusammeln, wie es die gewerbsmäßigen Tänzer und Tänzerinnen zu tun pflegen. Ali Baba warf ihr ein Goldstück in die Trommel; dann trat sie vor seinen Sohn hin, der ihr auch eine hohe Münze gab, und schließlich vor Chogia Husein, der schon seinen Beutel hervorzog, als er sie auf sich zukommen sah. Eben wollte er eine Gabe in die Trommel werfen, als Morgiana mit Mut und Entschlossenheit ihm den blitzenden Dolch mitten durch das Herz stieß, so daß der Räuber tot wie ein Stein zurücksank. Ali Baba und sein Sohn sprangen entsetzt empor und erhoben ein lautes Geschrei. »Unselige!« rief Ali Baba und packte Morgiana heftig bei der Hand, »was hast du getan! Du hast mich und meine ganze Familie in das Unglück gestürzt!« Morgiana blieb sehr ruhig und sagte: »Du irrst dich, Herr, ich habe dich vielmehr vor einem Unglück errettet; merk auf, was ich dir zeige.« Damit löste sie Chogia Huseins Kleider und zeigte Ali Baba den Dolch, den der falsche Kaufmann in seinem Gewande verborgen hatte. »Blick ihn dir genau an,« fuhr Morgiana fort, als Ali Baba voll Staunen und Erschrecken zurückwich; »du siehst, daß du deinen Todfeind vor dir hattest. Erkennst du nicht den Ölhändler wieder und den Hauptmann der vierzig Räuber? Nun weißt du, warum der Schändliche kein Salz mit dir zu essen wünschte; ich schöpfte Argwohn wider ihn und blickte ihm prüfend ins Angesicht, denn ich war davon überzeugt, daß er dich verderben wollte. Mein Verdacht war nicht grundlos, wie du dich soeben überzeugt hast; dem Himmel sei Preis und Lob, daß er dich aus der Gefahr befreit hat!« Ali Baba war tief gerührt über ihre Wachsamkeit und Treue und überschüttete Morgiana mit Dankesbezeigungen, weil sie ihm zum zweiten Male das Leben gerettet hatte. »Ich habe dir die Freiheit geschenkt; nun möchte ich dich auch fest an unsere Familie binden, denn ich will dich mit meinem Sohne vermählen.« Dann wandte er sich zu seinem Sohne und sprach: »Ich glaube, du wirst meinen Wunsch gutheißen und dich nicht widersetzen, wenn ich dir Morgiana zur Frau gebe. Denn auch du bist ihr zu Dank verpflichtet; Chogia Husein hat ja deine Freundschaft nur darum gesucht, damit er desto leichter Gelegenheit fände, mich meuchlings zu ermorden. Aber Morgiana hat uns durch ihren Mut und ihre Entschlossenheit gerettet, und du wirst erkennen, daß ihre Pflichttreue und ihre Klugheit unserer Familie zur Zierde gereichen werden bis ans Ende unserer Tage.« Der Jüngling zeigte nicht das geringste Widerstreben, sondern erklärte sich ohne Umschweife bereit, Morgiana zu heiraten, nicht nur aus Gehorsam gegen den Vater, sondern auch aus inniger Zuneigung zu dem wackern Mädchen. Dann nahmen alle drei die Leiche des Räuberhauptmanns, trugen sie hinaus in den Garten und vergruben sie in aller Stille und mit Eile neben den übrigen Banditen, so daß erst nach langen Jahren, als niemand von den Beteiligten mehr am Leben war, die Geschichte dieses wunderlichen Abenteuers bekannt wurde. Kurze Zeit darauf feierte Ali Baba die Hochzeit seines Sohnes mit seiner ehemaligen Sklavin; er richtete ein glanzvolles Fest her und verschönte es durch Tänze und mancherlei Lustbarkeiten. Er freute sich aber besonders, daß alle Nachbarn, die er geladen hatte, die Vorzüge Morgianas priesen, ohne die wahren Beweggründe zu ihrer Vermählung zu kennen. Seitdem Ali Baba zum letzten Male in der Höhle gewesen war und dort die Leiche seines Bruders gefunden hatte, war er nie wieder an den Felsen zurückgekehrt, da er sich vor den Räubern fürchtete und beständig in der Gefahr lebte, er könnte vielleicht von ihnen überrascht werden. Noch lange Zeit nach dem Tode des Hauptmanns hütete er sein Geheimnis, weil er besorgte, daß noch die beiden übrigen Banditen am Leben sein könnten. Erst nach einem Jahre, als ihm keine Unannehmlichkeiten wieder begegnet waren, bestieg er eines Morgens sein Pferd und ritt vorsichtig hinaus in den Wald nach der Grotte; er fand weder Spuren von Menschen, noch von Tieren und freute sich über dieses gute Vorzeichen; sein Roß band er an einem Baume fest, näherte sich dann der Türe und sprach die Worte, die er nicht aus dem Gedächtnis verloren hatte: »Sesam, öffne dich!« Sofort tat sich die Türe auf, er trat ein und sah die Waren und den Schatz noch unberührt; daraus konnte er erkennen, daß niemand mehr in dem Felsen gewesen und daß keiner von den Räubern mehr am Leben war. Dies überzeugte ihn, daß er allein um das Geheimnis der Höhle wußte; er war Herr all der Schätze, die in unermeßlichen Mengen vor ihm ausgebreitet lagen. Er nahm einen Sack, füllte ihn mit soviel Gold, wie sein Tier zu tragen vermochte, und kehrte dann vergnügt und zufrieden in die Stadt zurück. Er lebte noch lange in Glanz und Reichtum; und als er sein Ende nahen fühlte, weihte er seinen Sohn in das Geheimnis ein, so daß durch den Segen des Schatzes von Kind zu Kindeskindern Glück und Wohlstand blühten, weil sie ihren Reichtum mit Mäßigung und durch Wohltun genossen. AUSGANG Also erzählte Schehersad dem Könige Scheherban viele wundersame Märchen in den tausendundein Nächten; als sie das letzte beendet hatte, kniete sie vor dem Sultan nieder und sprach: »Hoher Gemahl, König der Zeit, darf ich dich nun um eine Belohnung bitten und mir eine Gnade erwirken?« Der Sultan erwiderte: »Du hast mich mit deinen Erzählungen aufs höchste beglückt, Schehersad; darum will ich dir deine Wünsche gern gewähren.« Da rief sie die Ammen herein und befahl ihnen, ihre drei Söhne zu bringen, die sie während der Zeit geboren hatte; der eine konnte noch nicht laufen, der andere kroch noch am Boden, und der dritte lag noch an der Brust seiner Wärterin. Sprach Schehersad: »O Herr deines Jahrhunderts, sieh hier unsere Kinder: schenke mir um ihretwillen das Leben, damit sie nicht mutterlos werden!« Der König weinte vor Rührung, umarmte sie und sprach: »Ich habe deinen edlen und klugen Sinn erkannt und hatte schon längst beschlossen, dich vor dem Tode zu bewahren. Allah sei mit dir und unseren Kindern!« Schehersad kniete nieder vor dem König, küßte ihm die Hand und wünschte ihm Glück und ein langes ruhmvolles Leben. Als die freudige Nachricht in der Stadt bekannt wurde, herrschte überall Jubel und Frohlocken. Am nächsten Morgen rief der König seine Truppen zusammen und schenkte dem Wesir, seinem Schwiegervater, ein Prunkgewand und stattete ihm seinen Dank dafür ab, daß er ihm seine gute und weise Tochter zur Gemahlin gegeben habe. Er verteilte viele Almosen, beschenkte auch alle übrigen Emire und Hofleute und ließ in der Stadt Spiele und Lustbarkeiten veranstalten. Noch lange Jahre herrschte er voll Güte und Weisheit, bis ihn der Tod hinwegnahm, der alle irdischen Bande unerbittlich löst. * * * * * Preis und Ehre sei dem, der über aller Zeit herrscht; gelobt sei er mit seinem Gesandten Muhammed, der Zierde aller Sterblichen! Anmerkungen des Bearbeiters Das Inhaltsverzeichnis und das Bilderverzeichnis wurden an den Anfang des Textes verschoben. Die Bilder wurden passend zum Text neu positioniert. Unterschiedliche Schreibweisen desselben Wortes wurden vereinheitlicht. Geringfügige Zeichensetzungsfehler wurden stillschweigend korrigiert. Seite 141: Ein abschließendes Anführungszeichen wurde hinzugefügt zu: und deinem Rat unterstützt.« Seite 162: "uud" geändert zu "und" in: Offiziere und ich selber Seite 162: Ein einleitendes Zitat wurde hinzugefügt zu: erwiderte er endlich, »ich bin Gemahl der Fee Seite 166: "irdendwie" geändert zu "irgendwie" in: ohne daß man dabei irgendwie Hand« Seite 195: "ihm" geändert zu "ihr" in: befahl ihr, den Schatz schleunigst zu Seite 205: "selbt" geändert zu "selbst" in: Was bedeutet das?« fragte sie sich selbst. Das Umschlagbild wurde vom Bearbeiter gestaltet und in die Public Domain eingebracht. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ARABISCHE NÄCHTE *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the trademark license is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. 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