*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 46840 ***

Die Nackten

Eine Dichtung
von
Alfred Wolfenstein

Kurt Wolff Verlag • Leipzig

Bücherei „Der jüngste Tag“ Band 51
Gedruckt bei Dietsch & Brückner, Weimar

Inmitten eines leeren Platzes

Ein jugendlicher Mann

Von Dunkel brennt mir das Gesicht,

Voll Betten stehn die Straßen, Schweigen schimpft: Nach Haus!

Verschwinde, unzufriedener Mund, du mit dem Licht

Im Aug, vor luftiger Seele flackernd, störe nicht —

Hier ist es aus!

Ich aber, wenn die Stadt auch steht,

Jage die leere Zeit —

Hier meiner Lungen wache Flügel, weit

Gespannte Lider, noch von Stirn überweht.

Mein Schicksal, das mit knappem Hohn

Den Tag an mir vorüber führte, dämmernd Gift

In Hunger rührte

Und jetzt mit nächtlicher Keulenschwärze trifft:

Ah, glaubt mein hageres Schicksal, ich verzweifle schon?

Zwar blickte ich mich schon zu lang

Nach Fremden um —

Verwandt mit mir, Gesicht und Gang —

Doch nicht Genuß! wie unberührtes Kloster lag

Mein Gaumen stumm, als ich besprang

Ich Tier mit eines Gottes züngelndem Geist den Tag.

Denn euretwegen dacht ich euch

Gewillt und groß,

— Entsetzlich, wenn entzückter Schoß

Auf ödes Fleisch, auf kalter Lippen Lustgekeuch,

Er bis zu seinem Haupt entblößt

Auf steinernen Lärm und Bett entmenschter Arbeit stößt!

Andröhnte euer Morgenleib mit Rad und Knien,

Entlang den Häuserstrahlen kamen Augen schnell:

Der Straßen Spitze, in der Vorstadt nebelndem Grün,

Begann von Menschen neu zu glühn,

Zusammenschoß mit immer dickeren Keilen hell

Die Stadt, um rund des Platzes Tore aufzusperrn —

Die Strahlen schufen hier den Stern.

Doch als ein winzig Irrlicht über vielem Schlamm,

Knattern mit kaltem Blitz

Erschien er mir: Gewellt, gehöhlt, gebuckelt schwamm

Von Wagen auf und ab der Damm,

In Mäulern, Klingeln, Glocken, toll am toten Sitz,

In Häusern, Domen, Warenhäusern zu und auf,

In Zwergen, Riesen, starr im Lauf:

Das Licht erfror —

Das Sehen versank in brausendem Ohr.

Was ist uns Stadt?

Darf sie betäubend Herrin sein?

O packten wir sie — hielten das Haupt mit Macht hinein:

Sei Spiegel uns und Mittel, des Bewußtseins Bad!

Ihr aber drückt das vorgeschobene Kieferkinn,

Geschäftiges Knie, euer ganz verkäufliches Magazin

In ihren Stein,

Alltäglich prägt der Stahlschrank eure Hand sich ein,

In jede Sache wird gezeugt was Sache braucht,

Halblebend platzt ein Menschending aus ihrem Bauch,

Kriecht Zahlenbuch, thront Börsenschicksal, Wolken kratzt

Ein Menschendüngerhaus,

Maschine euer Held

Hat eure Faust

Und Fingerspitzen nimmt das Geld,

Und also macht ihr sie zu euch, die Stadt — die Welt!

Ihr wollt es? wollt euch nicht mehr sehn?

Der Welt, dem Ungewissen,

Soll nichts gegenüberstehn?

Der Tat Gewißheit, spiegelndes Gewissen

Verklebt von Massen,

Vom regungslos arbeitenden Sumpf,

Durchsichtigkeit stumpf,

Daß Gesicht verholzt

Und Phantasie im immergrünen Tische,

Daß Seele Sand wird und Mensch sinkt ein

Und nur um seinen Staub vermehrt

Steigt rings nur Land:

Ist das euer Wille,

Leidlos abgekartet —

Oder eines Unglücks

Bewußtlose Wüste,

Die schmerzlich auf des Denkenden Zurückkunft wartet?

Zu fest am Körper fühle ich nun meinen Arm,

Der euch zu halten wünschte, nicht bloß ich zu sein,

Und fest nur, daß er helfen könnte.

Da steht um mich des Dunkels Karussell, und ich

Den Schaum der Worte kauend, unbeschäftigt Pferd,

Nicht müde, denn ich tat nichts, denn ich drehte nicht

Die Lampen, Wagen, Tiere, Kinder dieser Stadt:

Doch aus dem bunten Kasten, der inmitten sitzt,

Zäh orgelnd wallt — frech pfeifend steigt — aus meiner Stirn

Musik des Tages — — eines andern Tages Traum —:

Da schwankt die Wand der Häuser, wie ein Motor bebt,

Dach flattert, Zimmer fahren an, und schneller noch

Rollt euer Bett den Fenstern zu und schwebt hinaus:

Es weht aus allen Vorhängen der Schlafesstadt —

Hierher — — In langen Mondesstrahlen schwenkt zum Platz,

Der purpurrot am Tage strahlte, kissenweiß

Geheimnisvoll durchsichtig eurer Wünsche Schar —

Fällt milchig her — und auf dem Pflaster liegts vor mir

Wie vieler Engel bittend flache Hände bleich.

Denn ihr erträumtet: einer führt hinweg von hier —

Und rief euch gut — und fremd — und gut: ich mache reich!

Ich mache reich

Doch was erblaßt ihr — fliehet — — und statt eurer schon

Tritt plötzlich aus dem nahen Prachtbau, reich verziert

Mit Gold und Kürassieren, niedrer Kuppelstirn,

Ein andrer Chor, von würdigem Bart und Gehrock schwarz —

Sie ähneln euch und sinds nicht — stampfen brüllend an —

Chor der Parteien

Wir haben von dir gehört,

Du kannst reich machen.

Chor der Partei der Stehenden

Zwar wir besitzen schon viel,

Der ganze Grund und Boden

Ist uns vererbt und heilig,

Drum glauben wir an Familie

Und pflanzen steif uns fort.

Wer sonst noch leben will,

Von Erde abgeschnitten,

Muß unser gehorsamer Knecht sein.

Wir wurzeln, wurzeln ständig

So treu und scharf und fromm,

Doch treffen wir in der Erde,

Auf der Erde, über der Erde

Noch andre Menschen an:

Dann knalln wir — denn wir können

Auch sehr aus uns herausgehn

Für unseres Vaters Land —

Sie weg von unsern Grenzen

Und noch viel weiter weg.

Wir schaffen außen Ordnung

Und innen nichts als Ordnung,

Drum wähle man unsere Partei.

Wohl duldet Eiche nicht Sträucher,

Erst in gemessner Entfernung

Fängt allemal das Gras an:

Doch jeder steht am Platze,

Immer an seinem Platze,

Ewig alles am selben Platze,

Gott will Abhängigkeit.

Chor der Partei der Schreitenden

Zwar wir sind weit gekommen

Aus eigenen bürgerlichen Kräften,

Die Erde ist beweglich,

Da sollten wir nicht drehn?

Wohl sieht man deren Lauf nicht,

Das kann uns nicht beirren,

Die Wissenschaft beruhigt.

So ist es auch mit Gott.

Der Mensch ist affenartig

Geschwind in Gang und Intelligenz,

Doch sei’s mit Maß, mit Maßen.

Er hat unzählige Rechte,

Wird ziemlich frei geboren,

Er gehet an der Kirche

Vorüber ins Kontor.

Er pafft aus seinen Schloten

Und pfeift durch Räderzähne,

Den Himmel klärt er auf,

Die Erde wird verraucht:

Da schützen wiederum Häuser

(Denn Zivilisation beschmutzt nur,

Ums wieder auszugleichen)

In immer besseren Zimmern

Stets fortschreitende Menschen,

In immer glatteren Kleidern

Stets amtlichere Bürger,

Drin geht hochaufgerichtet

Die reinste Vernunft dahin.

Alles geht und es geht alles,

Unser leichtes Programm besteht nicht

Wie Vorredner auf Scholle:

Wir machen alles zu Geld.

Geld rollt. Und heckt idyllisch,

Gleicht Brandung aus, Geld ölet.

Geld ist. Geld ist kein Schwindel,

So ausgedehnt und faßlich —:

Wir brauchen das Abstrakte

Bloß anzufassen: siehe,

Da werden schon Ideen

Für sichere Zwecke brauchbar,

Der Geist ein fester Körper

Und Zeit wird Geld.

Chor der Partei der Rennenden

Zwar wir, wir sind die Starken

Und reißen der ganzen Geschichte

Zusammenhang auseinander!

Und vereinigen doch jeden Vorzug

Dieser feinen Parteien

Und sprechen noch viel schneller

Und sind nur scheinbar Pack.

Was eigentümliche Klassen

Frech lange zusammenpackten,

Wir packens wieder aus.

Das kommt! das kommt von selber,

Denn unser kalter Keller

Wächst groß wie Warenhäuser,

Steigt unsichtbar aufs Dach —

Bis plötzlich auf ein Zeichen

Das ganze reiche Gebäude

Zerfällt — — in unsern Schoß.

So kommts mit Riesenschritten,

Indem wir einfach rennen

An unsere Riesenarbeit,

Wir mästen euch für uns.

Es trappelt morgens Erde

Vom Regen unsrer Beine

— Und manchmal schweigts an manchen

Stellen — kleiner Vorschreck!

Zum ganzen Fressen fehlte

Bisher die Einigkeit.

Man sieht, eure Welt ist unsre,

Ein wenig breit geschlagen,

Ihr pflegtet sie zu rund.

Auch unsre schnelleren Füße

Werden so langsam wie ihr,

Wenn unser Gewicht sich steigert —

Wir, nicht besessen wie manche,

Die nicht besitzen wollen,

Wir sehen nur die Geister,

Die Genossen sind,

Wir werden steif wie Raupen,

Wenn Fremdes uns berührt —

Kurz, wünschen sicheren Boden

Unter unseren Füßen

Und über unseren Köpfen

Sicheres Geld und Heu.

Wir müssen nicht mehr stehlen,

Wir sind nur unsere Knechte,

Nicht zweifeln, träumen, denken,

Die Zukunft macht der Staat.

Chor aller Parteien

Zwar ist das wie gesagt —

Doch können wir immer noch mehr gebrauchen.

Wir haben von dir gehört,

Du willst reich machen.

Der Mann

Mich schmerzen meine Ohren, meine Augen auch,

Wie wenn man hinter Kulissen einige Leute sieht

Als Menge Volk, das da mit Absicht etwas brummt,

Und sei es Welt und sei es Geld es klingt da gleich.

— Wohin, die mich verstanden, seid ihr, Träumende —?

Die schoben sich wie fremde falsche Kleider dick

Auf eure Blöße, drängten zwischen euch und mich —

Da leuchten plötzlich wieder mit entwolktem Mond

Die Häuser milchig gläsern auf —: Und Schatten drehn

Sich zitternd gleich Spiralen aus den Winkeln drin,

Durch ihre blassen Glieder scheinen Mauern durch,

Wo Wasser wie die einzige Nahrung niedertropft,

Sie werfen ihrer Seele Schein einander zu,

Unzählige Armen, ein durchspiegelt Krankenhaus,

Ihr Schmerz nur, als ein starrer Knochen, läßt sich sehn.

Durch andre wieder schimmert reiche Seidenwand,

Die ruhlos über Teppich wandern hin und her.

Am Pflaster, hoch im Himmel oder ganzen Haus

Durchkrümmen bittre Würmer die geweißte Stadt,

Es zeichnen sich die vielen Arme stehend ab,

An jener dicken Kuppel zart vorbeigestreckt,

Vorbei an diesen — auf zur aufgewölbten Nacht —

O welche Menge — überall —

Chor der Armen

Der Lichtraum sank. Ein Loch gähnt ihm nach,

Wir atemlos starrn —

Es stecken darin steife Gesichter

Wie Zähne scharf, ein wuchriges Maul,

Das dick mit erstickend bequemem Gesetz

Und Verordnung polstert den Abgrund.

Doch wissen wir lang, es beißt wie ein Tier,

Gehorchen wir nicht und sehen es fremd

An, so fremd wie wir sind.

Und schleudern ihm stumm ins schallende Haus

Auf Tribünen voll Speichel des Tagesprogramms,

Auf Zungen, wo klappernd ein Schild klebt: Ich

Spreche für Hunderttausend — schleudern

Ins Auge, das ausweicht zum Fenster hinaus,

In den Aufbau der Bravos und klingelnden Lärm

Die Fackel des Blicks,

Der fragt: Vertrittst du den Menschen?

Ich nackt, ganz nackt, arm und nackt,

Ich reich und doch arm und nackt,

Ich stählern das Haar von Hunger gesträubt,

Ich den Spalt in der Stirn, die vom Lichtanprall sprang,

Ich durchgraben die Schläfe von Qual im Glück,

Vom ruhlosen Gedanken, der schöpft und strömt,

Ich Tänzer im Nichts, in Traum und Buch,

Ich, Milch in der Brust, die küßte den Schmerz,

Ich von williger Liebe schmal und verblüht,

Ich knochiger Rest des verschenkten Golds,

Ich Mauer für Händler, ich Wiese dem Tier,

Ich schwarz vom Kampf mit Nacht und Gewalt,

Vom nie mich durchdringenden Kerker.

Und seht auch mich, mit Maschinen zerfleischt,

Den Blick unversehrt,

Mich taub von Fabrik, das Ohr voll Gesang,

Mich gekreuzigt von Mann zu Mann, mit fernem Schoß,

Mich jung genagelt ans lange Büro

Mit fernem Gesicht,

Mich alt, doch im Untergang euch brennend nah,

Mich, die Füße ins Loch der Holzbank gezwängt

Doch lehrerlos federnd zum Himmel.

Und ich bin schwach und schlage mein Herz,

Es arbeite noch für dich, und ich,

Den Flüstern erschreckt, lasse den Tod

Wie Dampfhammer mir in die Ohren schrein,

Ich gegen das Maul, das Geister bespuckt,

Werfe mich Schüchternen rasend, und ich

Durchbohre mein Glück mit Schicksal.

Ich spreche und stehe in Einsamkeit

So wahr wie vor andern, und ich bin schön

Um ein Tier zu erfreun, ich sterbe im Fest,

Ich blühe im Schlamm, ich nicke entzückt,

Wenn Gebärde das Dunkel des Innern erschließt,

Ich enthülle mein Haupt den Häuptern.

Wir Nackten und Armen, so fühlen wir nicht

Sachen, nur Kampf, der daran sich fühlt!

Gewißheit des Menschen, ragend erkämpft

An der schwankenden Erde der Sachen.

Umrandete Welt umfängt grenzenlos

Ein Mensch und außer sich, reich an sich,

An riesigem Schmuck

Der Armut und Kraft,

Gewillt und willig dem Schicksal.

So brennt er in Blitzen des kurzen Besitz

Als Sonne, allein rings und ist rings alles

Und ist nackter Mensch, der über sie auf

Sich schwingt und bewältigt die Welten.

Der Mann

Ein Wald von guten Geistern dicht umflüstert mich

Wie ein Vertrauens wertes zugehöriges Tier —

O ihr Vergessenen, Fremden, Unvertretenen,

Und unsichtbar wie Lüfte über Ländern hin,

Für alle Welten stimmend, doch in eurem Volke

Überzählig, im Gesetze nie genannt,

Weil ihr bei jeder Wahl ja schutzlos übrig bleibt —:

So blickt an diesem Hause — nicht an mir vorbei!

Dort bröckeln schon die schwärzlichen Gestalten ab

Und ducken sich, vom heiligen Worte Mensch gekreuzt,

Verschwindend —. Aber purpurrot von Ungeduld,

Wild und bescheiden aufgerichtet: bleibe ich!

Und zügle mich und sage: Wohl seid ihr allein

Die wahre Welt, o ihr ins Herz Entzückenden,

Und Seligkeit, die, um zu sein, nicht sterben muß,

Und seid ja auch die Irdischen wie Himmlischen

Und duldet, auch zyklopisches Geschick zu sein,

In dem ein helles Auge mitten aus der Stirn,

Ein Wille, stammt und opfert seines Stoffes Scheu.

Zu lieben auf der Möglichkeiten Leibern wird

Mit ewig jungem Samen euer Geist nicht matt —

Ihr seid so neu

Und auch des Ganzen niemals satt:

Und daß ihr doch so starr untätig seid!

Ihr Wundersamen — so allein?

Ihr streckt die Menschenarme weit

Hinauf aus eurer Wohnungen gekreuzten Reihn,

So marmorn parallel euch meidend zur Unendlichkeit?

Wohl rühret ihr einander mit den Herzen an,

Doch dies ist nicht genug,

Verwebt auch eurer Schicksalshäupter Licht und Flug!

Und laßt es nun die Erde fühlen, daß ihr mehr

Als jene seid, kein Volk sich euch vergleichen kann.

Und gegen jedes riesenhohle Kuppelhaus

(Darin ihr so gut fehlt, ihr füllt das Offne aus)

Zusammenziehet euren Bann! gegen des Scheins

Vertreter, o Partei der Sterne,

Ihr müßt euch ja nur zeigen, denn ihr seid schon eins,

Müßt nur den inwendigen Glanz aufwenden

Und euren Blick, der erst am Firmament

Sich traf, ins ungewölbte Leben senden,

Tief in euch greifen, wo es brennt

Von Wirklichkeit,

Und opfern aus den eigenen guten Sternen

Dem Kampf! euer Denken

Dem Kampf ums himmlisch Menschliche!

Die willenlose Erde

Mit eurer Schicksalswilligkeit durchtränken,

Ausstoßen eurer leise singenden Sphären Schrei,

Damit euer Ewiges unsterblich sei,

Und daß auch dieser wuchtigen Welt

Wucht gegenüberrückt,

Der Schwebenden gesammelte Schwere sich eindrückt

Und Hülle und Besitztum von ihr füllt.

Denn euch allein

Ist es gegeben, Schein

Von allem abzuheben, — ich auch fühlte

In eurem Sang letztes Kleid.

Niederstürzen von meinem Gesicht,

Die fremden Zutaten, die seit der Kindheit

Mich bedeckten mit Schutt der Zeit,

Daß die eigenen Säulen mir

Immer schwerer sich öffneten,

— Gruben sich auf!

Und dieser Lügen täglicher Schmutz,

Die letzte der Hüllen ist nun nieder,

Die Fäuste, die mich lähmend packten,

Die steinerne Bemäntelung auch des Elternhauses,

Denn ich begriff euch ganz. O nur

Dies unterscheidet mich von euch, ihr Nackten:

Daß ich es sage!

Und glaube, dieser Wunsch sei nicht wider den Sinn,

Den innig ich zu wünschen wage:

Verwirklicht euch!

Laßt euch — euch nicht verloren gehn,

Setzt eure Schönheit ein in die Gewalten,

Die Erde macht mit eurem Sehen sehn!

Und ihr Entblößten, auch des Führers bloß,

Die aufgesprungene Frühlinge durchfliedern,

Und die mit aller Seel und Kraft

Vor mir stehn, mit allen weißen Gliedern

Eures Schicksals, namenlos besonnt,

Und eingefaßt nur geisterhaft

Vom ewig unfaßbaren Horizont,

Euer Schoß ein Meer, zum Himmel ohne Deich —:

Ihr seid reich,

Und darum kann ich euch reich machen,

Lenken in ein Land,

Das blühend liegt über der Sündflut Sachen.

Ihr — sichtbar — sichtbar,

Und sehet selbst euch grenzenlos erhellt,

Ihr laßt zwischen euch und Schöpfung nichts mehr klaffen.

Denn euer Leiden, euer Jubeln, ganzgeschwellt,

Euer ganz Überwaltigtsein: ist schon die Welt —

Und ihr sollt ihre Wirklichkeit

Nur noch erschaffen!

Weil ihr nicht Gott sondern Menschen seid.

Es dämmert, blinkt,

Wind wirft der Stoß der Sonne auf,

Der Boden summt, die Erde beginnt sich zu drehn,

Der Morgen steigt aus tiefem Ton.

Doch eure Häuser, mit des Mondes fliehendem Licht,

Schließen mir erstarrend wieder ihr Gesicht,

In blinden Stein entschwindet ihr — ummauert schon —

Und ich will gehen

Und euch im Tage wiedersehen —

Und glauben:

Daß in eines neuen Reiches Tag,

In hallendem Haus,

Von Weltenfenstern hell wie freier Himmel,

Wir plötzlich gleich Gewählten stehen —

Weil unser Kampf, der fest hinaus

Ins Sichtbare aus unserer Seele springt

Und nun sein Feld entfaltet als die Fahne

Gelingt — und in dem großen Haus

Die Rede immer leiser klingt,

Doch donnert Tat und nie genug getane

Liebe, nie genug geliebter Geist,

Der jedes nun geschriebene Gesetz durchdringt,

Das immer neuen Jubelsturmes angenommen

Stets Freiheit heißt.

An die gebeugten Rücken Flügel heftend winkt

Der Geist sie ewig-täglich aus der langen Blendung

Hinweg und in das nackte Licht hinan —:

Und mit dem strahlenden Gesicht

Des Schicksals und des Menschen

Vertritt ihn dann

Das gute Volk, noch unerfüllter Sendung.

*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 46840 ***