*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 47054 ***

Der
Soldatenhandel deutscher Fürsten
nach Amerika.


Ein

Beitrag zur Kulturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts

von

Friedrich Kapp.


Zweite vermehrte und umgearbeitete Auflage.


Berlin.

Verlag von Julius Springer.

1874.

[S. ii]


[S. iii]

Seinem Freunde

Ludwig Bamberger


der Verfasser.



[S. iv]


[S. v]

Lieber Bamberger!

Als ich Dir vor nunmehr zehn Jahren diese Blätter zuerst übersandte, lebten wir beide gezwungen im Auslande, der Eine in Paris, der Andere in New-York. Damals war der Soldatenhandel ein noch ungesühntes Verbrechen an unsrer nationalen Ehre und darum lastete er auf jedem politisch zurechnungsfähigen Deutschen wie eine persönliche Schmach.

Seitdem ist der Einheitsgedanke, von welchem in unsrer Jugend verhältnißmäßig nur wenige Tausend Köpfe erfüllt waren, durch Millionen von Armen verwirklicht, seitdem ist er mit anderen Worten aus der Theorie zur Praxis unsrer Politik geworden und hat bei Düppel und Königgrätz, bei Sedan und Paris solche überwältigende Beweise für seine Berechtigung geliefert, daß er unser Staatsleben auf neuer nationaler Grundlage wieder aufbauen konnte.

Heute leben wir Beide wieder im Vaterlande und kämpfen im Reichstage, in Reih' und Glied mit vielen alten und neuen Freunden, für die freiheitliche Entwicklung, die Größe und Ehre unsers endlich nach Außen hin geeinigten Volkes.

Der Soldatenhandel ist jetzt eine glücklich überwundene[S. vi] Vergangenheit, über welche wir uns nicht mehr zu grämen brauchen.

Aber ist auch die Erinnerung daran so ganz überflüssig geworden, hat das schmutzige Geschäft gar keine Beziehungen mehr zur Gegenwart?

Das scheint mir eine Frage, welche sich wohl der Beantwortung lohnt.

Allerdings ist seit 1866 „der ganz unhistorische, gott- und rechtlose Souverainitätsschwindel deutscher Fürsten“ in seinen schlimmsten Auswüchsen beschnitten; allerdings können uns die Kleinstaaten, seit ihnen die unbeschränkte Souverainität entwunden, nicht mehr vor uns selbst erniedrigen, noch uns dem Spott und Hohn des Auslandes preisgeben; vor Allem aber tritt den Leidenschaften und den Gelüsten der Kleinen ein fester und großer Staatsgedanke entgegen. Allein das dürfen wir uns nicht verhehlen: der unpolitische Sondergeist ist seit Jahrhunderten zu tief, zu mächtig in das deutsche Volk eingedrungen und hat in dessen Seele eine gewisse zähe Anhänglichkeit an die engeren Stammeseigenthümlichkeiten, einen theils eigennützigen, theils sogar uneigennützigen Partikularismus erzeugt, der von den bewußter und planvoller handelnden dynastischen Intriguanten noch heute höchst erfolgreich ausgebeutet wird. Nur auf Grund dieser Denkweise eines großen Theils unsers Volkes wird der fürstliche Widerstand gegen den einheitlichen Staat, welcher — wenn ich anders unsre geschichtliche Vergangenheit recht verstehe — das letzte Ziel unsrer politischen Entwicklung ist, zu einer positiven[S. vii] politischen Macht, mit welcher wir wohl oder übel rechnen müssen.

Vorläufig freilich ist ein leidlicher modus vivendi hergestellt; aber es bedarf keiner großen Sehergabe, um zu erkennen, daß er nur so lange andauern wird, als ihm nicht mächtige Anstöße von Außen oder Innen zu Hülfe kommen. Nicht wir, die Reichstreuen, werden die Feindseligkeiten beginnen. Die Kleinstaaterei wird und muß, vermöge ihrer zentrifugalen Naturanlage, mit der konsequenten Fortentwicklung der Reichspolitik zusammenstoßen; sie wird den ersten günstigen Augenblick benutzen und den ersten besten Vorwand ergreifen, um, wenn auch unter sich nicht einig, desto einiger im Widerstreben gegen die nationale Einheit, die verlorene Souveränität möglichst wieder zu gewinnen. Das ist die einfache Schlußfolgerung aus der Prämisse des höchst unvollkommnen Bundesstaates. Im Gegensatz zu anderen Bundesstaaten, welche ähnliche Uebergänge zu bestehen hatten, ist glücklicher Weise bei uns die Zentralgewalt unter Preußens Führung stärker als alle Glieder zusammengenommen, so daß der Ausgang des Konfliktes, wenn die leitende Vormacht ihrer Aufgabe nicht untreu wird, keinen Augenblick zweifelhaft sein kann. Er wird mit dem Siege der Staatsidee, der korrekten Durchführung des einheitlichen Staates enden.

Möglich, daß die feindlichen Gegensätze noch lange schlummern, und daß wir ihren Zusammenstoß nicht mehr erleben werden; aber erspart wird Deutschland dieser Kampf nicht bleiben. Die Kleinstaaterei ist unvereinbar mit der fortschreitenden Entwicklung,[S. viii] mit der Ehre und Größe unsers Volkes; ja selbst einzelne ehrenwerthe Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Ihr eigentlicher Charakter, den sie im Soldatenhandel mit so erschreckender Offenheit, wenn ich so sagen darf, in puris naturalibus hervorkehrt, ist bis auf den heutigen Tag unveränderlich derselbe geblieben; höchstens sind die Fragen, in denen er sich äußert, andere geworden. Möge unser Volk darum nicht vergessen, daß mit diesen geborenen Widersachern des nationalen Staates nicht paziszirt werden kann und nicht paziszirt werden darf.

Von diesem Gesichtspunkte aus schien mir selbst im Jahre 1874 eine neue Auflage des Soldatenhandels nicht allein nicht überflüssg, sondern sogar politisch lehrreich und fördernd.

Mögest Du auch diese neue Auflage mit den alten freundschaftlichen Gesinnungen aufnehmen!

Dein

Berlin, 13. April 1874.

Friedrich Kapp.

[S. ix]

Aus dem Vorwort zur ersten Auflage.

The whole is a mere mercenary bargain, for the hire of troops on one side and the sale of human blood on the other; and the devoted wretches thus purchased for slaughter, are mere mercenaries in the worst sense of the word.

Lord Camden, in dem Hause der Lords, Sitzung vom 5. März 1776.

Was ich in den folgenden Blättern erzählen will, ist ein trauriges Stück deutscher Geschichte, ein beschämendes und empörendes Bild unserer öffentlichen Zustände gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. Allein so demüthigend es für unser Nationalgefühl auch sein mag, die umständliche Beschreibung der nackten und baar bezahlten Schande zu lesen, welche von dem Namen deutscher Fürsten auf den des deutschen Vaterlandes zurückfällt, so muß dieses Kapitel doch geschrieben werden; denn es ist keine bloße Vergangenheit, die wir glücklich überwunden hätten, sondern handgreifliche Gegenwart, deren Leiden und Schmerzen heute noch ungeheilt sind. Das Verbrechen, dessen Erzählung ich mir vorgenommen habe, ist noch nicht gesühnt; ja es wird noch täglich, wenn auch in zivilisirteren, minder verletzenden Formen überall da begangen, wo das Volk, ohne um seinen Willen gefragt zu werden, für fremde, nicht selten antinationale Zwecke geopfert wird. Die Ursachen, die es erzeugt haben, sind noch heute in derselben zersetzenden Kraft vorhanden; sie wurzeln in unsrer nationalen Zersplitterung, in der deutschen Kleinstaaterei. Trotzdem,[S. x] daß wir gegenwärtig kaum noch drei Dutzend Souveraine haben, ist sie, wenn nicht noch unerträglicher, doch ebenso unerträglich und hinderlich für unser nationales Gedeihen, als vor nunmehr fast hundert Jahren, wo wir der Landesväter mehr als dreißig Dutzend zählten. Die Fortschritte auf allen übrigen Gebieten des Lebens, die Verwendung des Dampfes und der Elektrizität, die kolossale Verringerung von Raum und Zeit, die revolutionirenden Entdeckungen und Erfindungen in Kunst und Wissenschaft, sie alle haben das Uebel nur noch akuter gemacht, schroffer zum Bewußtsein gebracht und in grellern Widerspruch zu unsrer übrigen Existenz gesetzt. Was im vorigen Jahrhundert noch ein respektabler Mittelstaat war, der unter Umständen sogar nationale Bildungszwecke fördern konnte, ist heut zu Tage eine Anomalie, ein Gemeinschaden.

Die Großväter feilschten zur Aufrechterhaltung ihrer Scheinexistenz sogar noch um die zerschossenen Knochen ihrer Landeskinder und ließen sich ihre Leichen — 51 Thlr. 15 Sgr per Stück! — von England baar bezahlen. Die Söhne, die legitimen Herren von Gottes Gnaden, eilten, um sich nur noch eine Spanne süßen Daseins zu erkaufen, unter die schützenden Fittige des korsikanischen Advokatensohnes, des bürgerlichen Emporkömmlings, und stifteten unter seiner hohen Protektion den Rheinbund, wofür sie ihm ebenfalls ihre Landeskinder zu Hunderttausenden auf die von Spanien bis Rußland reichende Schlachtbank liefern mußten. Das Geschäft war ganz dasselbe, nur lautete der Kaufpreis anders und wurde dies Mal von Frankreich in deutschen Länderfetzen und Titeln, statt von England in baarem Gelde bezahlt. Der Kleinhandel des Jahres 1776 wurde eine Generation später Großhandel: das ist der ganze Unterschied. Und die Enkel? Sie sitzen noch auf den Thrönchen von Napoleon's Gnaden. Wenn sich nur ein Gewitter am politischen Himmel zeigt, so suchen sie natürlich Schutz beim Czaaren, bei Louis Napoleon, beim Kaiser von Oesterreich, oder beim Meistbietenden, wie es gerade das Interesse ihrer Person oder Dynastie erheischt. Die deutschen Fürsten also sind und müssen wegen ihrer Ausnahmestellung sein, was sie waren; sie können nicht anders, selbst wenn sie wollten. Was vor hundert Jahren von ihnen galt, gilt daher noch heute von ihnen.

[S. xi]

Das deutsche Volk dagegen strebt mit unwiderstehlicher Macht aus den feudalen Zuständen heraus. Seit der Reformation seinem Wesen und Beruf als Großmacht entfremdet, seit dem westfälischen Frieden durch die von diesem anerkannte Souverainität der früheren Reichsvasallen in sich uneins und schwach, darum zum Schleppenträger fremder ausländischer Interessen herabgesunken, in der französischen Revolution bei der ersten Berührung mit einem starken Feind haltlos in sich zusammenbrechend, beginnt Deutschland erst in neuester Zeit, sich aus seiner Zersplitterung und seinem trostlosen politischen Verfall allmälich wieder zu Wohlstand und nationaler Selbständigkeit emporzuarbeiten; es fängt an, einzusehen, daß es in sich einig und frei sein muß, wenn es in der europäischen Völkerfamilie die seiner Größe und Bildung würdige Stellung wieder einnehmen will.

Ein großes, freies und einiges Volk, wie es Deutschland dereinst werden muß und sein wird, ist sich Selbstzweck. Es kennt keine anderen als seine eigenen Interessen; aber diese seine Interessen, welche durch die freie Bethätigung seiner Bürger geschaffen und gefördert werden, sind eben dadurch, daß eine mächtige Volksindividualität sie aus sich herausarbeitet, im großen Ganzen die Interessen der zivilisirten Menschheit. Darum ist der Staat, um mit Hegel zu reden, die Wirklichkeit der sittlichen Idee — Macht, Größe und Selbständigkeit sind die einfachen Ergebnisse des Staates; fürstliche Domainen haben keinen Anspruch auf den Ehrennamen Staat — darum erzeugt der Staat öffentliche Charaktere, Hingabe an selbständige politische Ziele und tiefgehende politische Kämpfe. Jeder Bürger wird durch das Bewußtsein gehoben, daß die zwischen seinen ökonomischen, politischen und sittlichen Rechten und Pflichten herrschende Harmonie, deren bloßes Erstreben in jenen armseligen Afterstaaten ganz folgerichtig als Hochverrath gilt, ihm den weitesten Spielraum für die Verwerthung seiner persönlichen Kraft bietet. Ein großes und freies Volk kann sich deshalb auch gar nicht von Anderen und für Andere mißbrauchen lassen.

Es ist ein Augenblick der Sammlung und Selbstprüfung, an welchem diese Schrift sich mitbetheiligen will. Sie setzt sich die zeitgemäße Aufgabe, schonungslos die Schmach aufzudecken, welche die Kleinstaaterei auf unser Volk gehäuft hat, an den Auswüchsen[S. xii] des Systems dessen Verderblichkeit für Deutschland nachzuweisen, und die Nation dadurch anzuspornen, daß sie sich um jeden Preis aus diesem Labyrinth fort und fortwuchernder Schande und Erniedrigung befreie. — — — —

    New York, 6. Mansfield Place, 24. Februar 1864.

Friedrich Kapp.



[S. xiii]

Vorwort zur zweiten Auflage.

Außer den von mir im Vorwort zur ersten Auflage bereits namhaft gemachten Quellen, nämlich: den Dokumenten des englischen Staatsarchivs (State Paper Office), mehr als fünfzig handschriftlichen Tagebüchern und Briefen deutscher Soldaten und Offiziere, den amtlichen braunschweigischen Berichten und den englischen Parlamentsverhandlungen habe ich für die vorliegende Auflage noch benutzt: die aus vier Foliobänden bestehenden handschriftlichen Manual-Akten des anspachischen Ministers von Gemmingen, „betreffend den zwischen Ihro Königlichen Großbritannischen Majestät und Serenissimo abgeschlossenen Subsidien-Traktat und was dahin einschlägt.“ Diese wertvolle Sammlung bot mir eine reiche Ausbeute von Privatbriefen, amtlichen Berichten und öffentlichen Kundgebungen, unter welchen letzteren ich einen äußerst wichtigen, bisher noch nirgend gedruckten Brief Friedrich's des Großen an den Markgrafen ganz besonders hervorhebe. Außerdem habe ich auch aus den anspacher Akten manche an sich zwar untergeordnete, aber für die geschilderte Zeit charakteristische kleine Thatsachen mitgetheilt, welche den Gang der Geschichte, die Motive der handelnden Personen und die Stellung ihrer Untergebenen besser veranschaulichen als Staatsschriften oder sonstige öffentliche Urkunden. Auch in dem von mir eingesehenen Tagebuche eines zerbster Offiziers fand ich einige wertvolle Züge zu dem Bilde, welches ich von den Zuständen in Anhalt-Zerbst entworfen habe.

Meine Bemühungen, die ehemaligen hessischen Archive zu benutzen, sind leider fast ganz erfolglos gewesen. Trotz der sorgfältigsten und zuvorkommendsten amtlichen Nachforschungen, waren in Kassel keine[S. xiv] Aktenstücke mehr zu finden, welche auf die Theilnahme hessischer Truppen am amerikanischen Kriege Bezug haben; dasselbe war in Hanau der Fall. Seit dem Sommer 1873 sind die Akten der kurhessischen geheimen Kriegs-Kanzlei dem Provinzial-Archiv in Marburg einverleibt worden. Allein auch hier war die Ausbeute gering. Die auf mein Gesuch von Marburg hierher gesandten Akten habe ich im hiesigen Geheimen Staatsarchiv eingesehen. Sie enthalten Briefe und Theile einer regelmäßigen Korrespondenz des Landgrafen mit seinen Generalen und Obersten in Amerika, sowie einige Berichte der letzteren, und werfen einige nicht uninteressante Streiflichter auf die mich beschäftigende Periode, enthalten aber sonst nichts Neues oder Bedeutendes.

Ich sage den Herren Beamten des Geh. Staatsarchivs für ihr freundliches Entgegenkommen meinen verbindlichsten Dank.

Um Raum für die neu aufgefundenen, interessanten Materialien zu gewinnen und um den Rahmen dieser Schrift nicht zu sehr zu erweitern, habe ich in den Anhang, welcher in der ersten Auflage über siebenzig Seiten einnimmt, nur die wichtigsten Briefe und Dokumente aufgenommen; dagegen andere Aktenstücke und die Zusammenstellung der englischen Zahlungen an die deutschen Fürsten, wie sie sich in den Bänden 35–40 der Journals of the House of Commons finden, ganz weggelassen. Aus demselben Grunde der Raumerspaniß sind auch die Zitate in der gegenwärtigen Auflage nicht wiederholt, zumal die von ihnen nachgewiesenen Quellen den meisten Lesern nicht zugänglich sind.

    Berlin, 13. April 1874

Friedrich Kapp.

[S. xv]

Inhalts-Verzeichniß.

Erstes Kapitel.Seite
Geschichtlicher Rückblick auf das Söldnerwesen1–22
Zweites Kapitel.
England's vergebliche Bemühungen um Truppen in Rußland und Holland. Uebernahme von fünf hannoverschen Bataillonen23–31
Drittes Kapitel.
Der Vertrag mit dem Herzog von Braunschweig. Personen und Zustände in Braunschweig31–48
Viertes Kapitel.
Die Verträge mit dem Landgrafen von Hessen-Kassel. Personen und Zustände in Kassel48–70
Fünftes Kapitel.
Die Verträge mit dem Erbprinzen von Hessen-Kassel und dem Fürsten von Waldeck. Personen und Zustände in Hanau und Arolsen71–86
Sechstes Kapitel.
Anerbietungen von Bayern und Würtemberg. Personen und Zustände in München und Stuttgart. Gescheiterte Hoffnungen87–106
Siebentes Kapitel.
Der Vertrag mit dem Markgrafen von Anspach. Personen und Zustände in Anspach und Bayreuth107–131
Achtes Kapitel.
Zusatz-Vertrag mit dem Erbprinzen von Hessen-Kassel. Vertrag mit Anhalt-Zerbst. Ein fürstlicher Narr131–147
[S. xvi]
Neuntes Kapitel.
Truppentransporte. Landesväterliche Fürsorge. Friedrich der Große und der Soldatenhandel. Folgen seiner Politik147–177
Zehntes Kapitel.
Das englische Parlament, die öffentliche Meinung Europa's und deutsche Stimmen über den Soldatenhandel177–207
Elftes Kapitel.
Gewinn- und Verlust-Konto. Charakteristik der deutschen Soldaten. Seume208–227
Zwölftes Kapitel.
Charakteristik der deutschen Offiziere. Das Haus Rothschild. Tapferkeit Einzelner. Gneisenau. Versöhnender Schluß227–242
Anhang,
enthaltend Briefe und Dokumente243–259

[S. 1]

Erstes Kapitel.

Geschichtliche Ereignisse werden nur dann richtig begriffen und beurtheilt, wenn man sie im Lichte und Geiste ihrer Zeit betrachtet. Will nun der Leser den Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika seinem historischen Verständniß näher rücken, so muß er sich vor Allem die ihn ermöglichenden Zustände vergegenwärtigen. Es wird also zunächst erforderlich sein, einen kurzen Rückblick auf die mit dem Ableben des Mittelalters beginnende Entwicklung der deutschen Heereseinrichtungen und der sie bedingenden politischen Zustände zu werfen.

Das Lehnswesen bildet die Grundlage aller staatlichen Verhältnisse des Mittelalters und beherrscht auch die militärischen Einrichtungen Deutschlands, sowie aller germanischen Länder. Das Heer war vorzugsweise ein Lehnsheer und bestand aus Reitern und Rittern. Die Hussitenkriege machten den ersten Riß in dieses System. Die Ritter und selbst die befestigten Städte unterlagen der in Banden organisirten und theilweise disziplinirten Volkskraft, den Bauern und dem losen Volke der Städte, den Abenteurern von bürgerlicher Herkunft und Ritterart. Nach der Hussitenzeit waren die böhmischen Söldner, der Schrecken des zünftigen Kriegerstandes, überall gesucht und zu finden; sie machten den Krieg selbst zum Handwerk und standen sonst außerhalb der öffentlichen Ordnung. Die Erfindung und täglich allgemeiner werdende Anwendung des Schießpulvers, die Reformation und die mit ihr zusammenfallenden Entdeckungen und Erfindungen zersetzten und zerbröckelten vollends den alten Feudalstaat. Die Welt strebte aus dem losen Nebeneinander staatlicher Embryonen zur festen zentralisirten Staatsgewalt, die moderne Monarchie übernahm die Erbschaft des verfallenden Lehnswesens und trat langsam, aber sicher und bewußt weiter schreitend, ihre Herrschaft über Europa an. Der Lehnsadel entzog sich, je länger die Einzelkriege dauerten, desto lieber dem ihm[S. 2] unbequem gewordenen Waffendienste und suchte sich in dem erworbenen Besitze zu behaupten. In Folge dieser allmälich eintretenden, aber tief eingreifenden Umwälzungen traten an die Stelle des alten Heerbannes und des spätern Lehnsaufgebotes, an die Stelle der bis dahin die Entscheidung gebenden Ritter und Reiter die zunächst blos für einen Feldzug angeworbenen, aus Fußvolk bestehenden Söldnerheere. Den Grund dazu legte in Deutschland Kaiser Maximilian I. Verlassen vom Adel seiner Erbstaaten, nicht unterstützt von den Unterthanen seiner Gemahlin Maria von Burgund und zu arm, um die theuren, ihm wegen ihres Abfalls vom Reiche verhaßten Schweizer anzuwerben, stellte er zuerst aus dem Stadt- und Landvolk von Vorder-Oesterreich, Schwaben, Tyrol und seinen übrigen Erbstaaten ein deutsches Kriegsvolk auf, welches er, weil es weder von den Ständen noch von den Vasallen gestellt, sondern eben aus den freien Bürgern und Bauern des Landes gebildet war, Landsknechte nannte. Die Wehrhaftigkeit des deutschen Volkes, die seiner Jugend innewohnende Ueberfülle an Kraft, Abenteuersucht und Thatendrang kamen dem Kaiser dabei sehr zu Statten. So gelang es ihm, in verhältnißmäßig kurzer Zeit in diese Landsknechtshaufen Zucht und Ordnung zu bringen und sie vortheilhaft im Gefecht zu verwenden. Diese Landsknechte, welche das Ende des Ritterthums in der Kriegsführung bezeichnen, sind das erste geordnete Fußvolk; sie betreiben den Krieg wie zünftige Handwerker. Die merkwürdigen Einrichtungen ihres Gemeinwesens bilden die Grundlage aller späteren militärischen Organisationen. Sie waren tapfer, ungestüm und, so lange sie ihren Sold erhielten, zuverlässig, aber auch wegen ihrer Rohheit und Beutegier gefürchtet und durch ihre Zügellosigkeit, namentlich im Trinken und Spielen, übel berüchtigt. Sie wurden in der Folge sowohl von deutschen, als von ausländischen Kriegsherren angeworben. Schon zu den Zeiten der Reformation war derjenige der mächtigste Fürst, welcher das meiste Geld hatte und die meisten Miethstruppen aufbringen konnte. Als Ludwig XII. von Frankreich im Jahre 1499 in Neapel erschien, bestand sein Heer vorzugsweise aus deutschen Landsknechten und Schweizern. Das von Gonsalvo von Cordova, dem großen Kapitain, am Ende des 15. Jahrhunderts gebildete und befehligte spanische Heer war ebenfalls aus ganz modernen Elementen, aus angeworbenem deutschen, italienischen und spanischen Fußvolk zusammengesetzt. Von der Mitte des fünfzehnten bis über die Mitte des achtzehnten[S. 3] Jahrhunderts hinaus bildeten deutsche Söldner einen Hauptbestandtheil der großen Heere des Kontinents.

Wenn nun die Landsknechte in den ersten Zeiten ihres Auftretens noch mit ehrbaren Elementen, wie wohlhabenden Bürgerssöhnen oder anständigen Handwerkern versetzt und deshalb eines gewissen, ehrenwerthen Sinnes nicht ganz baar waren, so arteten sie nur zu bald im Laufe der Zeiten in ein wüstes und raubgieriges, verkäufliches und gesinnungsloses Gesindel aus, das heute für und morgen gegen eine und dieselbe Sache, aber immer für fremde Interessen seine Haut zu Markte trug und stets da sich sammelte, wo lose Disziplin, gute Bezahlung und reiche Beute lockte. So begegnen wir ihnen denn von den Reformationszeiten an bis zum dreißigjährigen Kriege an der Seite der Schweizer in aller Herren Ländern und Diensten. Sie wurden mit jedem Jahre eine größere Landplage, die durch beständige Kriege genährt, sich heuschreckenmäßig über ganz Deutschland ausbreitete, dabei aber ein notwendiges Uebel, da die aufstrebenden Territorialherren, von der gewaltigen Wehrkraft der Bauern aus den Bauernkriegen her erschreckt, ihre Unterthanen zu bewaffnen fürchteten und deshalb in immer größerer Ausdehnung zu den Landsknechten ihre Zuflucht nahmen, die gerade durch die treulose Behandlung der Fürsten täglich mehr verdorben wurden. Diese fanden nämlich bei ihrer beständigen Geldnoth gar kein Bedenken darin, die armen Landsknechte durch Verschlechterung der Münze um die versprochene Löhnung zu kürzen, ja sie ließen zu ihrer Auszahlung besonders leichtes Geld schlagen und demoralisirten die armen Teufel, die sich nun wieder durch Plündern, Betrügen und Beraubung von Bauer und Bürger schadlos zu halten suchten „Ein Landsknecht muß Essen und Trinken haben, bezahle es der Küster oder der Pfaff.“ Im siebenzehnten Jahrhundert verlor sich der Name Landsknechte, weil fortan nicht mehr bloß der Knecht, der Angehörige des Landes, sondern Volk aller Nationen den Bestand der Söldnerheere ausmachte.

Zu seiner höchsten Blüthe gelangte dieses Söldnerwesen im dreißigjährigen Kriege, wo der Auswurf von ganz Europa gegen guten Lohn und reiche Beute Deutschland verwüstete. Außer denen, welche ein anderes Handwerk nicht gelernt hatten, zogen auch viele „freiledige Pursche“ der Werbetrommel nach; die bisher ein solches betrieben, muthige und unnütze Handwerksgesellen und anderes Gesindel, für welches sonst kein Platz in[S. 4] der Welt war, fanden freudiges Willkommen bei Feldwebeln und Hauptleuten. Dem armen Bauernvolke, wenn es von Freund und Feind rein ausgesogen worden, blieb oft schon in den ersten Jahren des Krieges nichts übrig, als die Pflugschaar in den Säbel zu verwandeln und, selbst ruinirt, Andere ruiniren zu helfen. Es ist allgemein bekannt, daß Wallenstein sich für unfähig erklärte, ein Heer von 20,000 Mann anzuwerben, daß er aber statt ihrer innerhalb dreier Monate 40,000 Mann auf die Beine brachte, weil, wie er bemerkte, sich diese durch Beute und Plündern selbst ernähren könnten. Bis auf 100,000 Köpfe schwoll dieses Heer an und mußte von den Landschaften, durch deren Gebiete es zog, unterhalten werden. Wenn die Schweden unter Gustav Adolph sich anfangs durch bessere Mannszucht, größere Sittlichkeit und eine höhere taktische Bildung auszeichneten, so verloren sie diese Vorzüge doch bald nach dem Tode des Königs, denn in der zweiten Hälfte des Krieges zählten sie ebensoviel verlaufenes und ruchloses Volk in ihren Armeen, als die Kaiserlichen.

Vom dreißigjährigen Kriege datirt für das ganze damalige Europa der Umschwung in seiner Heeresverfassung; aus ihm heraus bildeten sich die bisherigen nur für einen Feldzug angeworbenen Söldnerschaaren zu den auf längere Zeit geworbenen, darum stehenden Heeren um. Zwar waren diese schon damals vereinzelt vorgekommen. Im Osten Europas traten die Janitscharen des gegen den Westen vordringenden türkischen Reiches als die ersten stehenden Truppen auf. Im Norden hatte unter den tonangebenden Mächten Gustav Adolph das erste stehende Heer, und Schweden sowohl, als Türken zeigten sich durch diese Einrichtung denjenigen Staaten bedeutend überlegen, die mit ihren auf nur einen Feldzug angeworbenen Söldnern fochten. Allein erst in Folge des dreißigjährigen Krieges wurden die stehenden Heere zu einer beständigen Staatseinrichtung; die politischen Verhältnisse förderten ganz ungemein ihre allmälige Verbreitung, und namentlich bediente sich ihrer das vom Ausland in seinen Anmaßungen gegen Kaiser und Reich unterstützte Territorialfürstenthum zur Befestigung und Erweiterung seiner Macht.

Es ist jene traurige Periode, welche um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts beginnend, mit dem Ende des achtzehnten schließt und die Entwicklung und Blüthe des „Landesvaterthums“ bezeichnet. Der dreißigjährige Krieg hatte die nationale Kraft unsres Volkes gebrochen; sein mittelalterlicher Reichthum, seine persönliche und staatliche Selbständigkeit[S. 5] und sein reiches glänzendes Leben waren in Gräuel und Blut erstickt. Der Krieg hatte den deutschen Mittel- und Bürgerstand und damit die Energie der Nation wenn nicht vernichtet, so doch auf Jahrhunderte hinaus geknickt und lahmgelegt. Es trat zunächst eine allgemeine Zersetzung und erst allmälich ein Umbildungsprozeß unsres bürgerlichen und öffentlichen Lebens ein. Die politische Auflösung der Nation prägte sich erschreckend und deutlich in der täglich unbeschränkter und frecher auftretenden Viel- und Kleinstaaterei aus. Der Kleinstaat wurde zur individuellen Form und zum unverhüllten Ausdruck des deutschen politischen Elends. In unserer Nation hatte seit uralten Zeiten der Einzelne, das Individuum immer Alles gelten, immer selbstherrlich sein wollen. Jetzt aber war es die Nemesis der Geschichte, daß diese Tausende und Millionen von Selbstherrlichkeiten heruntergehetzt wurden zu macht-, recht- und willenlosen Menschenleibern, um als Waare auf dem Weltmarkte feilgeboten zu werden. Dieses Schicksal traf den Bauer wie den Bürger, den Adligen wie den Fürsten, den Einzelnen wie die Staaten, nur nicht zu gleicher Zeit und nur jeden in seiner Art. Das Ende aber war der allgemeine Zusammensturz. Aus den Ueberresten der verarmten, heruntergekommenen Bevölkerung wurde der gehorsame, in sein Schicksal ergebene und duldende Unterthan dressirt; der Staat war nichts als eine Domaine, welcher die Mittel für die Saturnalien und das bon plaisir des Landesherrn liefern mußte. Und wie klein, wie jämmerlich war dieses Landesvaterthum mit seinem Egoismus! Es gab kein Band politischer Macht und Einheit, welches, wie in Frankreich, Herrscher und Beherrschte verknüpft und dem Auslande geachtet und gefürchtet gegenübergestellt hätte. Das Land war in eine Unzahl kleiner Souverainitäten zersplittert und das Volk kam nur als Gegenstand des Seelen- und Quadratmeilen-Schachers in Betracht. Die rohen, unwissenden und habsüchtigen Territorialherren hielten durch ihre unsinnige und engherzige Politik, sowie durch ihre nationalökonomischen Verkehrtheiten das an sich so reiche Land in beständiger materieller Erschöpfung und schnitten ihm jede Gelegenheit zur Entwicklung seiner Hülfsquellen ab. Je ärmer und abhängiger das Volk, desto leichter ist es zu beherrschen, desto eher kann der Herr von Gottes Gnaden als ein Wesen höherer Art gelten, desto stolzer ragen also auch aus dem allgemeinen Schiffbruch die übriggebliebenen fürstlichen Spitzen hervor. Durch die Waffen und durch das Bündniß mit Fremden gegen Kaiser und Reich[S. 6] hatten sie ihre Stellung gewonnen; durch dieselben Mittel mußte diese erhalten und erweitert werden: das stehende Heer lieferte ihnen zunächst die Mittel zur Behauptung und Befestigung ihres Territorialbesitzes und zur Geltendmachung der ihnen vom westfälischen Frieden garantirten Souverainität.

Die neue Praxis schlich sich um so leichter und unbemerkbarer ins Leben ein, als seit Jahrhunderten schon Einzelne sich als Soldaten vermiethet hatten und als die Fürsten jetzt nur zu befehlen brauchten, was früher blos als ein freiwilliger Akt geleistet worden war. Dazu kam, daß seit der Krieg zu einem regelmäßigen Handwerk ausgebildet worden, diese Söldner eine nie aussterbende Klasse von Abenteurern, Landstreichern und gar Räubern ausmachten, die nach jedem Friedensschlusse ihrer Heimath wieder zur Last fielen und ihren verderblichen Einfluß auf die heranwachsenden Geschlechter ausdehnten. Es war also zunächst eine Wohlthat für das Land, wenn diese ruchlosen Banden durch die stehenden Heere möglichst unschädlich gemacht wurden. Uebrigens würde die neue Einrichtung trotzdem nicht sobald festen Fuß gefaßt haben, wenn sie nicht gleich im Anfange auch andere wesentliche Vortheile gewährt hätte. Sie brachte Ordnung in die Finanzen und sicherte die Ruhe während des Friedens. Sie schien also den Interessen der Unterthanen und Fürsten zu entsprechen; in der That aber hatten diese den wesentlichen Nutzen, jene aber nur neue Lasten davon. Der verarmte, ausschließlich mit seinen nächsten Sorgen beschäftigte Bürger ließ sich leicht einreden, daß ihm mit der Einrichtung der stehenden Heere, die ihn in seinem friedlichen Erwerbe schützen würden, eine große Last von den Schultern genommen werde. Die Fürsten selbst erhielten durch die stehenden Heere eine kaum berechenbare Machtverstärkung. Ihre eigenen Mittel reichten selten aus, eine nur halbwegs respektable Streitmacht ins Feld zu stellen; zu einem ordentlichen Kriegszug mußten sie sich von den Ständen Geld bewilligen lassen. Erlangte nun der Territorialherr das Recht, ein stehendes Heer zu halten, so konnte und mußte er dafür auch feste Steuern einziehen, wodurch er eine unendlich gesteigerte Verfügung über die Steuerkraft des Landes gewann. Dann aber gehörte ihm das Heer unbedingt, und es ließ sich damit jeder Widerspruch der eigenen Unterthanen zum Schweigen bringen.

Es dauerte nicht lange, so erklärte der Fürst das ganze Land für sein Eigenthum, mit dem er nach Belieben schalten und walten könne; er[S. 7] verlangte unbedingten Gehorsam und hob zuletzt jeden jungen Mann, der ihm zusagte, für Lebenszeit zum Kriegsdienste aus. Dahin ward die alte Heerbannpflicht verkehrt, welche mit Recht jeden freien Bürger zur Führung der Waffen für das allgemeine Beste, für den Staat verpflichtete. Jetzt war die fürstliche Domaine das allgemeine Beste, der Staat geworden, und an die Stelle jener politischen und sittlichen Pflicht trat die polizeilich brutale Pressung, die Aushebung der Landeskinder, mit welcher die freie Werbung der Fremden Hand in Hand ging. Das Landeskind war zwar billiger als der Fremde und einmal gehörig dressirt, auch für die Zukunft brauchbarer; allein der Fremde konnte nicht leicht entbehrt werden, weil die blos auf die Unterthanen beschränkte Werbung das Land leicht entvölkert hätte. Zudem gab es gewisse Exemtionen für die Vermögenden oder sozial oder amtlich höher Gestellten. Die Last der Dienstpflicht ruhte ausschließlich auf den Aermeren, den Bauern und den Ungebildeten. Uebrigens dauerte es noch geraume Zeit, ehe die Regierenden es wagten, jeden Mann aus dem Volke zu langjähriger Dienstpflicht heranzuziehen. Montecuculi, welcher zuerst den Habsburgern die Einführung stehender Heere klar zu machen trachtete, suchte mit höchster Sorgfalt nach Individuen, die man wohl zum Kriegsdienste verpflichten könne, ohne dadurch eigentlich individuelle Rechte zu verletzen und die Steuerkraft des Landes zu beeinträchtigen. Die Brutalität in der Rekrutirung stehender Heere wagte sich nur schrittweise heraus; Deutschland wurde erst allmälich in kaum scheinbaren Uebergängen das Jagdrevier, auf welchem die fürstlichen Jäger ihre Werbehunde auf das täglich wehrloser werdende Volk losließen.

Es ist vor Allem für das richtige Verständniß der hier in Betracht kommenden Epoche unerläßlich, sich diesen verhältnißmäßig neuen Ursprung der stehenden Heere und der damit verbundenen Mißbräuche zu vergegenwärtigen, umsomehr, da die Vertheidiger des kleinstaatlichen Gottesgnadenthums thun, als ob die Welt diese durchaus neue Einrichtung seit Jahrtausenden nicht anders gekannt habe und als ob nur die ungemüthliche Gegenwart ihre hohen Segnungen nicht zu würdigen vermöge. Es sei also gleich hier darauf hingewiesen, daß kaum die Großväter und Urgroßväter derselben Fürsten, welche den Soldatenhandel nach Amerika getrieben, es zu stehenden Heeren gebracht hatten, und daß das historische Recht, welches im Munde ihrer Vertheidiger die einzige Entschuldigung für jenen Unfug bildet, statt „keinen Datum nicht zu haben“ so modernen Ursprungs[S. 8] ist, daß man Jahr und Tag seiner Entstehung genau nachrechnen kann. Der älteste hessische Subsidienvertrag mit einem auswärtigen Fürsten ward 1676 vom Landgrafen Karl mit König Christian V. von Dänemark, also gerade hundert Jahre vor der uns beschäftigenden Zeit abgeschlossen. Der älteste Vertrag überhaupt, mittelst dessen deutsche Truppen in einer für sie ganz fremden Welt, an der äußersten Gränze Europa's gegen baare Bezahlung verwandt wurden, war der sächsische von 1685, in welchem Jahre der Kurfürst Johann Georg III. dreitausend sächsische Soldaten um 120,000 Thaler auf zwei Jahre an die Republik Venedig verhandelte. Diese schickte sie gegen die Türken nach Morea hinüber, wo während der Feldzüge 1685 und 1686 die meisten von ihnen elend zu Grunde gingen. Die Wenigsten fielen auf dem Schlachtfelde; die Meisten erlagen der Pest und rothen Ruhr, und nur 761 von den ausmarschirten 3000 Mann kehrten im August 1687 in die Heimath zurück.

Die Ausbildung der stehenden Heere begann mit dem Ende des siebenzehnten und vollendete sich im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts. Ludwig XIV., der für jeden kleinen deutschen Zaunkönig bald das leuchtende Vorbild staatsmännischer Hoheit wurde, bediente sich der kleineren Fürsten gern gegen Kaiser und Reich, und ließ es sich große Summen kosten, um bei seinen gegen Deutschland gerichteten Plänen ihrer Mithülfe sicher zu sein. Diese fremde Bundesgenossenschaft wurde auch für die anfänglich nicht bei ihr Betheiligten bald sehr einträglich, denn sie hatte zugleich den Vortheil, daß sie gute Angebote aus der Heimath verschaffte. Die Subsidien der fremden und einheimischen Mächte schmeckten vortrefflich. Das Subsidienwesen stand deßhalb auch schon zu Anfang des letzten Drittels des siebenzehnten Jahrhunderts in voller Blüthe. Als Großhändler unter seinen zahlreichen fürstlichen Konkurrenten ragt an der Schwelle dieser Periode der kriegerische Bischof von Münster, Bernhard von Galen (1650–1678), hervor, ein Autokrat von nicht gewöhnlichen Gaben, aber mit äußerst beschränkten Mitteln. In dem kurzen Zeitraum von zwölf Jahren (1665–1677) vermiethete er gegen entsprechende Subsidien seine aus allen Weltgegenden zusammengetriebene 6000–8000 Mann zuerst an England, dann an Frankreich, ferner an den Kaiser, darauf an Spanien und endlich an Dänemark, blieb aber am längsten der Vasall und Kunde Frankreich's.

Um also ihre Einkünfte zu vergrößern und ihr Ansehen unter ihres[S. 9] Gleichen zu erhöhen, vermietheten die Landesväter ihre Soldaten gern gegen reichliche entsprechende Bezahlung an den Meistbietenden. Was kümmerte es sie, wenn ihr ruchloses Thun Deutschland zu einem Menschenmarkte erniedrigte, wo gegen Geld und gute Worte immer Soldaten zu haben waren? Ueber solche, höchstens der Kanaille verzeihliche Vorurtheile, wie Vaterlandsliebe und das Gefühl politischer Würde war die Mehrzahl der Lenker deutschen Geschickes oder vielmehr Mißgeschickes vom dreißigjährigen Kriege an bis auf die französische Revolution erhaben.

Wer nicht genug Truppen hatte, um einen einträglichen Handel damit zu treiben, hielt sich wenigstens ein „stehendes Heer“, das oft freilich nur aus einer Handvoll Leute bestand. Während es im achtzehnten Jahrhundert kein oder im besten Falle ein erbärmliches Reichsheer gab, weil seine Aufstellung lediglich vom guten Willen der einzelnen Reichsfürsten abhing, hatte jeder kleine Reichsgraf oder Reichsfürst, das vom „grand Louis“ gegebene Beispiel ängstlich nachahmend, seine Trabanten, Hatschiere, Schweizer-Garden, Musketiere, Gardes du Corps und Gensdarmen, und wenn auch nicht alle diese Waffengattungen in Wirklichkeit existirten, so erzeugten doch die für dieselben Soldaten vorhandenen verschiedenen Uniformen den Schein der Wirklichkeit. So hielt — um hier aus den tausend Lächerlichkeiten nur ein paar herauszugreifen — der Landgraf von Hessen ein Dutzend Haiducken, mehrere lange Kammerhusaren und Leibjäger. Diese Leute steckten während des Exerzierens in der Montur des ersten Bataillons Garde und formirten das erste Glied der Leibkompagnie während des Vormittags, des Nachmittags aber erschienen sie wieder in der Hoflivree, warteten an der Tafel auf oder standen auf der Kutsche. Der Herzog Karl Eugen von Würtemberg hatte noch 1782 zwei Kavallerieregimenter, das Grenadierregiment zu Pferde, v. Phull, von dessen 150 Mann keiner beritten war, während vom Husarenregiment v. Bouwinghausen, das 250 Mann stark war, 50 beritten waren. Ein anderer kleiner Fürst — kaum wird man die Sache glauben, und doch ist sie wahr — hielt 50 Mann Leibgrenadiere, welche, um größer zu erscheinen, alle hohe Absätze tragen mußten und eine Zeit lang nur zwei Grenadier-Bärenmützen hatten, welche die beiden Schildwachen an dem Portal des Schlosses immer den sie Ablösenden überlieferten und gegen die Zuckerhüte (Blechkappen) austauschen mußten. Noch Einer gab seiner Garde drei verschiedene Monturen: als Grenadiere, Kuirassiere und Jäger, in welchen sie abwechselnd[S. 10] erscheinen mußten. Ein Dritter hielt einige Regimenter unberittener Dragoner, welche dann und wann die Kavallerie-Evolutionen zu Fuß machen mußten und wobei ihnen während des Chocks erlaubt war, gleich den Pferden zu wiehern.

Die größeren Fürsten brachten es aber bald dahin, daß es von Rußland bis Spanien, von den Niederlanden bis zur Türkei kaum einen Feldzug und eine Schlacht mehr gab, in welcher deutsche Hülfstruppen und Soldaten sich durch ihre Roheit und Beutegier, ihren Ungestüm und ihre Unverwüstlichkeit nicht hervorthaten. In der Regel wurden die Heere des achtzehnten Jahrhunderts durch Werbung zusammengebracht und ergänzt; nur Friedrich Wilhelm I. von Preußen hatte durch die Eintheilung seines Landes in abgegränzte Kantone, aus welchen seine Regimenter ihre Rekruten bezogen, eine gewisse territoriale Grundlage für seine Armee geschaffen. Den Hauptkern derselben bildete aber auch hier das angeworbene Volk. Die Werbeoffiziere trieben sich vorzugsweise in den geistlichen Fürstenthümern, den freien Städten, an den Gränzen verschiedener Staaten und in den kleineren Territorien herum. Wie wenig übrigens ein solcher Beruf als unehrenvoll galt, mag der folgende Auszug aus einem Brief zeigen, welchen der als Preußischer Major bei Kunersdorf rühmlich gefallene Dichter des Frühlings, Ewald v. Kleist, am 12. Juli 1752 an seinen Freund Gleim schrieb. „Wenn Sie, heißt es dort, im Zerbstischen, Sächsischen und Braunschweigischen oder anderen Orten, wo sie oft hinkommen, etwa große Leute antreffen sollten, die freiwillig und vor Handgeld Dienste nehmen wollen, so engagiren Sie sie doch vor mich; ich will sie gut halten und sie sollen gar nicht unglücklich durch mich werden, nur den Abschied kann ich ihnen nicht geben; doch wenn ihre Kapitulationsjahre um sind, sollen sie auf's Neue Handgeld haben, nebst einer neuen Kapitulation. Ersuchen Sie doch zum Spaß Ihre braunschweigischen Freunde auch, daß sie vor mich werben, wiewohl mir dieses nicht ganz Spaß ist. Der Zufall kann einem zuweilen einen Goliath zuführen, der Lust zum Dienen hat, und dem noch ein Gefallen damit geschieht, wenn man ihm Dienste schafft. Ich will zur Vergeltung für Sie und Ihre Freunde bei Gelegenheit Mädchen werben, in welcher Werbung ich glaube Praktik zu haben.“

Da die Bande, welche die geworbenen Soldaten an ihre Kriegsherren knüpften, vorzugsweise von der List und Gewalt geknüpft waren, also stets[S. 11] locker blieben, so entschied lediglich der persönliche Vortheil für ihr Bleiben und Gehen. Aus diesem Grunde tritt gewöhnlich die ganze Besatzung einer Festung oder ein großer Theil derselben, nachdem sie kapitulirt, in die Reihen der Sieger. Die Befehlshaber aufgelöster Heere trieben förmliche Spekulation mit kriegerischen Haufen und suchten durch allerlei Kunstgriffe die höchst möglichen Preise für ihre Waare zu erhalten. In der Regel bildeten darum auch die stehenden Heere des achtzehnten Jahrhunderts die Sammelpunkte des verworfensten Gesindels, das man sich nur denken kann. Es fehlte ihnen jedes nationale Element, jeder moralische Halt, und es galt als das größte Unglück für einen nur halbwegs anständigen Menschen, dem „Kalbfell folgen“ zu müssen. Die Behandlung des Soldaten war roh, die Bestrafung barbarisch, jedes Ehrgefühl wurde methodisch in ihm erstickt. Der Gemeine wurde vom Offizier, wie heute noch in England und den Vereinigten Staaten, verachtet, mißhandelt und durch eine unübersteigliche Kluft getrennt. Die Offiziersstellen wurden fast ausschließlich vom Adel bekleidet, wenn man die heruntergekommenen, verarmten und dadurch von den herrschenden Dynasten abhängig gewordenen Junker überhaupt Adel nennen darf. Er fand in dem Heere Ansehen, Ehre und Geld und konnte die verlorengegangenen Herrenrechte an den armen Soldaten im höchsten Maße ausüben. Natürlich war bei einem solchen Stoffe an individuelle Bethätigung des einzelnen Soldaten nicht zu denken. Dieses dünkelhafte System, welches nur durch Ehre und Ruhm für die Befehlenden, aber durch Zwang und Furcht für die Befohlenen zusammengehalten wurde, fand auch äußerlich in der Lineartaktik seinen Ausdruck und galt namentlich, seit es sich in der schöpferischen Hand eines Genies, wie Friedrich des Großen bewährt hatte, als das höchste Ideal eines Heerwesens, bis es zuerst in der amerikanischen Revolution den unordentlichen Massen schlecht ausgerüsteter und noch schlechter eingeübter Bürger und Bauern unterlag und schließlich bei Jena einen schmählichen Bankerott erlitt.

Das letzte Drittel des vorigen Jahrhunderts, oder vielmehr die Zeit vom Hubertusburger Frieden bis zur ebengenannten Schlacht bei Jena entwickelte dieses grausame und geistlose Kamaschenthum — denn etwas anderes war die damalige Heeresorganisation nicht — zu seiner höchsten Blüthe, und gerade die Werbungen für die nach Amerika bestimmten Truppen offenbarten schroffer als je zuvor oder später die[S. 12] Nichtswürdigkeit des Systems mit allen seinen Auswüchsen und Härten. Es würde heut zu Tage kaum noch möglich sein, sich einen nur annähernden Begriff von der Erhaltung und Vervollständigung der damaligen stehenden Heere zu machen, wenn es nicht eine bändereiche Literatur über die Rekrutenwerbung und die damit zusammenhängenden Dienstzweige gäbe.

Es ist zum Verständniß der uns beschäftigenden Epoche unerläßlich, wenigstens einen flüchtigen Blick in diesen nichtswürdigen gedruckten Schund zu werfen, der trotz seiner reichen Beiträge zur Erkenntniß der damaligen Zeit dem Kulturhistoriker, wie es scheint, kaum dem Namen nach bekannt geworden ist. Das Schinderhannesthum, auf Seiten der herrschenden Mächte in System und Ordnung gebracht, starrt uns aus diesen vergilbten Scharteken entgegen, die namentlich seit Mitte des vorigen Jahrhunderts zu jeder Ostermesse dutzendweise in Deutschland erschienen und vorzugsweise junge auf Beförderung hoffende Lieutenants zu Verfassern hatten.

Zum Beweise dessen mögen dienen: „Briefe des Herrn v.S., worin derselbe seinem in C. zurückgelassenen Freunde verschiedene Werbehistörchen nebst einigen seiner eigenen Begebenheiten bis zu seiner Vermählung vor Augen legt. Leipzig 1765, bei Johann Gottlob Rothen, Buchhändler in Kopenhagen.“ Herr v.S. ist einer jener zahlreichen und gewissenlosen Werbeoffiziere, welche von den Soldaten bedürftigen deutschen und selbst auswärtigen Staaten, z.B. England, in jeder günstig gelegenen, größeren Stadt unterhalten wurden und die Aufgabe hatten, mit List und Gewalt, Versprechungen und Geld, Wein und schönen Kleidern arme Teufel und leichtsinnige oder arglose junge Menschen als Soldaten anzulocken. Der Hauptheld dieser Werbehistörchen ist der Bursche des Herrn v.S., ein gewisser Schwarz, den sein Herr nicht müde wird, als ein Muster von Schlauheit, Verschmitztheit und Frechheit zu preisen. Der tugendhafte Schwarz bethört mit den gewöhnlichen Mitteln seine Opfer in den Wirthshäusern, entführt „wohlqualifizirte Subjekte“ mit Gewalt oder verkleidet sich selbst in einen Handwerksburschen und läßt sich von einem nichts Böses ahnenden, neben ihm sitzenden Schustergesellen an einen Werbeunteroffizier, der im Geheimniß ist, verkaufen, worauf dann Schwarz das Heft umkehrt und seine Beute desto sicherer packt. Natürlich jubelt Herr v.S. über den reichen Fang und schafft ihn, von seinem Vorgesetzten ob seines Diensteifers und Erfolges[S. 13] belobt, rasch nach der Garnison. Ein ander Mal beraubt Schwarz gemeinschaftlich mit zwei Unteroffizieren einen Handlungsdiener, dem von ihnen die Wahl zwischen Soldatwerden und Auslieferung seines Beutels gelassen wurde, um hundert Dukaten und andere Kostbarkeiten. Der Kaufmann beschwerte sich bei Herrn v.S. Was thut dieser? Er geräth in solche Wuth, daß er seinen an der Wand hängenden Degen ergreift und den herbeigerufenen, ihres Verbrechens geständigen Unteroffizieren einige zwanzig Hiebe aufzählt. „Weil man aber — erzählt Herr v.S. mit Selbstgefühl — überdies in's Geheim von einer gewaltsamen Entführung des Tanzmeisters zu zischeln anfing, Lucinde (die Maitresse) mir auch beständig in Ohren lag, und durch die Begebenheit mit dem Kaufmannsdiener meine eigene Gefahr zu blühen anfing, so entschloß ich mich, ohne Abschied zu nehmen, aus der Stadt zu gehen, und fuhr den dritten Tag mit Lucinden, meinem Kutscher und Schwarz, der mir ein ander Mal klüger zu werden und bessere Vorsicht zu gebrauchen angelobet, nach M. zu dem Regimente.“

So weit Herr v.S. Ein gewöhnlicher Mensch, der nicht adliger Werbeoffizier gewesen wäre, würde, wenn er sich wie Schwarz und Herr v.S. bei ähnlichen zur Nacheiferung empfohlenen Heldenthaten hätte ertappen lassen, sein Leben lang in die Eisen gekommen sein; aber Herr v.S. ist „Kavalier“ und wirkt als solcher für den allerhöchsten Dienst. Folgen wir nun dem in Schwarzischer oder Herr v.S.'scher Weise gestohlenen Rekruten an seinen Bestimmungsort, und lassen wir uns über seinen Transport dahin amtlich unterweisen. Wir finden diese Belehrung in dem Werke: „Unterricht für die Königlich Preußische Infanterie im Dienste der Garnison, auf Werbungen und im Felde. Berlin, in der Himburgischen Buchhandlung 1805.“ Dieses Buch, welches also wohlgemerkt, gerade ein Jahr vor der Schlacht von Jena erschien, ist ein merkwürdiges Zeichen von der erstaunlich raffinirten Schärfe, zu welcher sich der preußische Dienst damals ausgebildet hatte, aber auch von der ganzen herzlosen Grausamkeit, deren ein gemeiner, auf schnelle Beförderung im allerhöchsten Dienste sinnender Norddeutscher fähig ist. Da heißt es im vierzehnten Kapitel vom Transport der Rekruten wörtlich: „Der Unteroffizier muß außer einem guten Seitengewehr auf dem Transporte stets ein Terzerol bei sich führen; er muß den Rekruten nie hinter, sondern immer vor sich gehen, ihn nie nahe auf den Leib lassen, und ihn bedeuten, daß der[S. 14] erste falsche Tritt, den er thut, ihm das Leben koste. Er muß beim Transport das Gebiet des Landes vermeiden, wo der Rekrute gedient hat, oder auch manchmahl, und unter gewissen Umständen sogar, aus dem er gebürtig ist.

„Er muß das Transportiren durch große Städte und lebhafte Ortschaften, wo möglich, vermeiden. Des Nachts muß er solche Wirthshäuser zum Quartier wählen, wo er und andere Werber seiner Macht immer einkehren, und wo der Wirth auf seiner Seite ist. In dem Nachtquartier selbst muß er die möglichste Vorsicht zur Erhaltung des Rekruten anwenden, demselben sich ganz auszuziehen und niederzulegen befehlen, dessen, so wie seine eigene Kleider dem Wirth in Verwahrung geben, und sich neben ihn, vorne nach der Thüre zu, hinlegen. Beim Transport muß er nicht erlauben, daß der Rekrute sich sehr umsehe, stehen bleibe, noch weniger sich mit Reisenden und besonders gar nicht in einer fremden Sprache unterhalte. Er muß den Rekruten auf dem Transport so lenken, wie man mit dem Zügel ein Gespann lenkt; die Worte: Halt, Marsch, Langsam, Geschwinde, Rechts, Links, Geradeaus müssen von dem Rekruten auf dem Fleck befolgt werden, sonst ist dies schon ein übles Omen, und des Unteroffiziers Autorität ist verletzt.

„Nie muß der Unteroffizier da einkehren, wo es dem Rekruten etwa zu frühstücken beliebt, sondern wo er zu diesem Behuf einmahl für allemahl einkehrt.

„In solchen Wirthshäusern, wo der Transport zu Nacht bleibt, muß eine eigene, für die Werber und Rekruten bestimmte Gaststube sein, die, womöglich in einem Oberstock ist und deren Fenster mit eisern Gittern versehen sind. Nachts muß kein Rekrute aus der Stube zu gehen genöthigt sein, sondern ein Nachtgeschirr zu beiderlei Bedürfnissen sich im Zimmer befinden.

„Die ganze Nacht muß eine Lampe im Zimmer brennen und neben selbiger ein unangezündetes Licht stehen. Der Unteroffizier muß seine Waffen dem Wirth Abends übergeben, damit nicht der Rekrute gegen ihn, in der Nacht davon Gebrauch macht. Morgens muß er sie sich wiedergeben lassen, sie nachsehen, frisch laden, oder wenigstens frisch Pulver aufschütten, sich anziehen, reisefertig machen, und dann erst den Rekruten aufstehen heißen, und ihm seine Kleider zum Anziehen wiedergeben. Beim Hineingehen in ein Wirthshaus und Stube muß der Rekrute der erste, beim Herausgehen der letzte sein; im Wirthshause selbst muß der Werber[S. 15] vor, der Rekrute hinter dem Tische sitzen. Hat der Rekrute eine Frau mit, so muß der Werber seine Aufmerksamkeit verdoppeln, die Frau muß auf dem Marsche vor dem Manne, niemahls aber hinter demselben, oder gar hinter dem Werber gehen.

„Sie muß eben so denen Commando-Wörtern auf dem Marsche gehorchen als der Mann, ebenso in den Nachtquartieren beobachtet werden, sich eben so unterwegens, wenn der Unteroffizier zu frühstücken wo einkehrt, wie der Mann hinter den Tisch setzen, eben so des Nachts nicht das Zimmer verlassen. Daß ein transportirter Rekrute während seines Transportes keine Feder anrühren, keine Briefe schreiben, keine Schreibtafel sich halten, selbst keine Bleifeder nicht bekommen darf, ist natürlich, so wie daß man dem Rekruten und seiner Frau vor dem Antritt des Transports, alle gefährliche Waffen, Terzerols, große Messer u.s.w. abnehmen muß und während dem Transport nicht erlauben darf, daß der Rekrute so wenig wie seine Frau, einen Stock, Knüppel oder Stab tragen darf.

„Auch muß es dem Rekruten nicht erlaubt sein, seine Frau vom Transport oder Nachtquartier ab, wohin zu schicken, mit selbiger eine fremde Sprache zu reden, oder ein sachtes Gespräch zu führen. Alles dies muß nicht statt finden und überhaupt der Unteroffizier auf alle Vorsichtsmaßregeln beim Transport denken, auf alle Handlungen und Worte des Rekruten Acht geben und darüber seine Ueberlegungen anstellen. Ist der Rekrut nur irgend zweideutig, so muß er sich auf Befehl des Unteroffiziers, die Hosenriemen entzwei-, die Hosenknöpfe abschneiden und die Hosen in der Hand tragen.

„Hat er aber vollends einen Versuch gemacht, zu echappiren, so muß er ohne Gnade geschlossen, oder ihm die Daumschrauben angelegt werden. Es ist schon übel, wenn es der Unteroffizier dahin kommen läßt, von seinem Gewehr Gebrauch zu machen, und den Rekruten blessiren oder tödten zu müssen.

„Bei sehr schönen, scheinbar resoluten, den Unteroffizier an Kräften überwiegenden Rekruten wird der Offizier gewiß so vorsichtig und billig sein und zu dessen Transport zwei Unteroffiziere geben. Ueberhaupt ist es, wenn es nur irgend angeht, immer besser, wenn einige Rekruten zusammen transportirt werden, damit mit Recht bald ein paar Unteroffiziere mit auf den Transport können gegeben werden. Es ist wegen Krankheitsfällen,[S. 16] Nachtwachen, wechselseitiger körperlicher Unterstützung, Ueberlegung und Berathschlagung, wo Seelenkräfte wirken müssen, wegen Aufmerksamkeit und Vorsichtsmaßregeln, kurz, wegen aller möglichen auf dem Transport zu beobachtenden und vorkommenden Ereignisse besser, wenn, selbst bei unproportionirten Verhältnissen der Rekruten zu den Transportirenden, einige Unteroffiziers beisammen sind. So schwer, wie es bei gehörigem Diensteifer, wenn sich der Unteroffizier nicht auf's Glück verlassen will, es demselben wird, einen einzigen Rekruten allein zu transportiren, so können zwei Unteroffiziere doch schon drei bis vier Rekruten, mit wenigerer Gefahr, drei Unteroffiziere mit noch weniger Risiquo sieben bis höchstens neun Rekruten transportiren.

„Allein, daß ein Unteroffizier zwei Rekruten transportirt, muß nie der Fall sein. Macht die größte Noth diesen Fall unvermeidlich, so ist dies schon traurig und für den Offizier sowohl wie den armen Koporal ohne Grenzen risquant. Wenn es platterdings unmöglich ist, daß der Offizier die Rekruten, bis der Transport stärker wird, bei sich behalten kann und deren Absendung durchaus nothwendig ist, so muß der Offizier in diesem Falle Jemand dingen, der dem Unteroffizier transportiren hilft. Es ist besser auf Vorsichtsmaßregeln einige Ausgaben zu verwenden, als die Rekruten einzubüßen, und das Leben des Unteroffiziers unvermeidlicher Gefahr auszusetzen. So wie dem Offizier, um so mehr noch dem Unteroffizier ist ein tüchtiger Hund äußerst nützlich. Nur muß derselbe gehörig abgerichtet sein, keinen Stock in der Hand eines Rekruten leiden, sowie sich derselbe in der Nacht rührt, oder aufsteht, anschlagen und seinen Herrn wecken, auf dem Marsche den Rekruten, wenn er aus dem Wege herausgeht, wieder in den Weg treiben; fängt der Rekrute an zu springen, denselben packen und nur auf seines Herrn Wort wieder loslassen, nicht leidend, daß der Rekrute etwas von der Erde aufnehme und lauter Künste können, die auf das bessere Transportiren des Rekruten abzwecken und dem Unteroffizier den Dienst erleichtern.

„Mancher Rekrute — heißt es am Schlusse nach Aufzählung verschiedener Arten von Befreiungsversuchen — sucht dadurch seine Befreiung zu erlangen, daß er an einem Orte, wo viele Menschen versammelt sind, oder beim Durchgange durch eine Stadt, über Gewalt oder ungerechte Anwerbung schrie. Hier muß der Unteroffizier den Schutz der Obrigkeit erheischen, und wird selbigen auch nach Vorzeigung seines Werbepasses[S. 17] und der von Zeugen unterschriebenen Capitulation des Soldaten gewiß erhalten. Der Unteroffizier mit einem Wort muß sich nicht irre machen lassen, sich nicht das Herz abkaufen lassen, niemahls die Gegenwart des Geistes verlieren oder wohl gar unentschlossen handeln, welches noch schlimmer ist, als wenn er unrecht handelt. Versucht der Rekrute, unternimmt er nur das mindeste, so muß er geschlossen werden. Alle Kosten, die der Rekrute durch Desertions-Anschläge nöthig macht, muß er selbst tragen, und kann ihm der Unteroffizier bis zu seiner Ablieferung das Handgeld abnehmen. Von jedem, in einem Orte vorgefallenen Exzesso, von jeder Maßregel, die der Unteroffizier zu nehmen gezwungen ward, muß er sich, um sich bei seinem Offizier auszuweisen, von der Ortsbehörde ein Attest geben lassen.

„Besonders muß dies geschehen, wenn der Unteroffizier in die traurige Nothwendigkeit gesetzt ward, den Rekruten zu schießen, mag er ihn nun entweder blessirt, oder getödtet haben. Der Fall, daß ein Rekrute dem Unteroffizier entkomme oder entwische, wird garnicht als denkbar, also auch nicht zu attestiren angenommen.“

Endlich ist der Rekrute glücklich eingebracht und wird zum Soldaten gestoßen, gemißhandelt und geprügelt: eine gebrochene Existenz, wenn er noch einen Funken Selbstgefühl in sich bewahrt hat, oder eine willenlose Maschine, wenn er sich in seine neue Lage findet und pünktlich „Ordre parirt.“ Denn der Dienst wurde mit barbarischer Strenge und pedantischer Gewissenhaftigkeit, namentlich in den auf preußischem Fuß eingerichteten Heeren ausgeführt. „Es ist eine trostlose Sache, sich die Gefühle zu vergegenwärtigen, welche in Tausenden der gepreßten Opfer gearbeitet haben, vernichtete Hoffnungen, ohnmächtige Wuth gegen die Gewaltthätigen, herzzerreißender Schmerz über ein zerstörtes Leben. Es waren nicht immer die schlechtesten Männer, welche wegen wiederholter Desertion zwischen Spießruthen zu Tode gejagt oder wegen trotzigem Ungehorsam gefuchtelt wurden, bis sie bewußtlos am Boden lagen. Wer den Kampf in seinem Innern überstand, und die rohen Formen des neuen Lebens gewohnt wurde, der war ein ausgearbeiteter Soldat, das heißt ein Mensch, der seinen Dienst pünktlich versah, bei der Attacke ausdauernden Muth zeigte, nach Vorschrift verehrte und haßte und vielleicht sogar eine Anhänglichkeit an seine Fahne erhielt und wahrscheinlich eine größere Anhänglichkeit an[S. 18] den Freund, der ihn seine Lage auf Stunden vergessen machte, den Branntwein.“ (Freytag, Neue Bilder S. 320.)

Natürlich waren die Desertionen häufig, und je näher der Grenze, desto zahlreicher, trotzdem daß die aus aller Herren Länder zusammengetriebenen Soldaten sorgsam gehütet wurden. In Grenzfestungen, wie z.B. Wesel a.Rh., waren sie zu diesem Behufe in drei Klassen getheilt: Ganzvertraute, welche Pässe erhielten und vor die Thore gehen konnten, Halbvertraute und endlich Unsichere, die gar nicht oder nur mit seltenen Ausnahmen in Begleitung eines Unteroffiziers oder eines Ganzvertrauten aus der Stadt durften. Wurde ein Soldat vermißt, so erfolgten drei Allarmschüsse vom Wall der Festung. Auf dieses Zeichen mußten die Grenzbauern die Grenze besetzen und von Posten zu Posten patrouilliren. Dazu im Voraus kommandirte Offiziere mußten sich auf die in Bereitschaft gehaltenen Pferde setzen und an der Grenze die Bauernposten revidiren. Für jeden eingebrachten Deserteur ward ein Fanggeld von zehn Thalern bezahlt. Wurde der Deserteur nicht gefangen und gelangte er glücklich „auf die Freiheit“, d.h. über die Grenze, wo sich Wirthshäuser zur Aufnahme befanden, so ritt der nachsetzende Offizier dahin, um ihn unter Zusicherung völliger Straflosigkeit zur Rückkehr zu bewegen. Hatte der Ausreißer überhaupt die Absicht zurückzukehren, so stellte er seine Bedingungen — z.B. Ertheilung eines Trauscheines, d.h. die Erlaubniß, seine Liebste zu heirathen, oder Ertheilung eines Thorpasses &c. — was Verhandlungen zwischen ihm und der Kompagnie herbeiführte, die meist mit Zugeständnissen von Seiten der letztern endigten.

Der Rückblick auf diese Einzelnheiten des damaligen Werbegeschäfts war deshalb nothwendig, weil mehr als die Hälfte der nach Amerika verhandelten Truppen in solcher Weise zusammengebracht wurde, und weil ohne die Detailkenntniß des mit der Rekrutirung verbundenen Unfugs ein Theil der spätern Erzählung durchaus unverständlich bleiben würde.

Während die größeren deutschen Staaten, wie z.B. Preußen und Sachsen, sich hauptsächlich durch ihre Armeen und deren selbständige Verwendung zu europäischer Macht und Bedeutung emporschwangen, bedienten sich die kleineren Fürsten, wie Hessen, Braunschweig, Gotha, und Andere, ihrer Truppen, um ihre Einkünfte zu vergrößern und ihren Luxus zu befriedigen. Sobald nur ein Krieg drohte, boten sie den feindlichen Parteien ihre Truppen an und, je nach der Konjunktur des Marktes,[S. 19] erhielten sie höhere oder geringere Preise für ihre Waare. Bis zum siebenjährigen Kriege überstieg das Angebot meistens die Nachfrage, darum war der Artikel im Ganzen billig. Erst mit dem amerikanischen Kriege schlug das Verhältniß in sein Gegentheil um, so daß bei den täglich größer werdenden Ansprüchen an den Markt das Menschenfleisch immer theurer wurde. Wenn die großen Staaten untereinander und gegen dritte Subsidienverträge eingingen, so übernahmen die kleineren deutschen Fürsten für die kriegführenden Mächte einfach Truppenlieferungen gegen baare Bezahlung. Wenn auch jedes politische Moment von diesem Handel ausgeschlossen war, so nannten sie das schmutzige Geschäft doch des bessern Scheins wegen Subsidienvertrag oder versteckten es sogar hinter den komisch erhabenen Phrasen eines Schutz- und Trutzbündnisses. Unter den Ländern, welche trotz ihres verhältnißmäßig kleinen territorialen Umfanges, durch ihre politische Machtstellung ein entscheidendes Wort in der Politik jener Zeit zu sprechen hatten, standen Holland und später England oben an, und sie gerade waren wegen des eben bezeichneten Mangels zur Führung ihrer Kriege auf die Benutzung fremder Soldaten angewiesen. Holland zunächst hatte während des ganzen siebenzehnten und achtzehnten Jahrhunderts sowohl deutsche Fürsten als Generale und deutsche Soldaten als Truppen im Dienst, ein Verhältniß, welches durch die oranischen Statthalter vermittelt und in ein System gebracht wurde. Selbst die mächtigen Nachbarn der Generalstaaten verschmähten es nicht, diesen für größere politische Zwecke ganze Regimenter leihweise zu überlassen. So gab Preußen während der ganzen Dauer des spanischen Erbfolgekrieges seine Regimenter 8. (v. Scholten, Stettin), 9. (v. Budberg, Hamm) und 10. (v. Romberg, Bielefeld) in holländischen Sold. Für unsern Zweck kommt jedoch nur England näher in Betracht.

Schon im Laufe des siebenzehnten Jahrhunderts hatte es in seinen Kriegen gegen Holland kontinentale Miethstruppen in Sold genommen. So nahm z.B. Karl II. im Juni 1665 das Anerbieten des obengenannten Bischofs Bernhard von Galen an, wonach dieser ihm gegen die Generalstaaten 20,000 Mann zu Fuß und 10,000 Reiter stellte und für die Anwerbung der „Armada“ 500,000 Thlr., während der Dauer des Krieges aber per Monat 50,000 Thlr. Subsidien erhielt. Doch erst nach seiner Revolution tritt England Ton angebend in die große europäische Kontinental-Politik ein, an der es sich früher nur in vereinzelten Fällen betheiligt[S. 20] hatte. Als Wilhelm von Oranien von den Whigs eingeladen wurde, nach England zu kommen und Jakob II. vom Throne zu stoßen, gewährte Wilhelms Onkel, der große Kurfürst von Brandenburg, die Mittel zur Unterstützung des Unternehmens, um England aus seiner schimpflichen Stellung als Vasallenstaat Frankreichs zu reißen. Er stellte 9000 Brandenburger zur Deckung von Holland; ein Brandenburgischer Feldmarschall befehligte das Heer, mit welchem Wilhelm in der Bucht von Torbay landete, das Regiment Brandenburg geleitete ihn nach dem Palast von St. James und nach Irland. Brandenburgische Truppen fochten unter dem Kommando Wilhelms bei Steinkirchen und Neerwinden, und ihnen dankte der König die Wiedereroberung von Huy und Namur. Der erste kontinentale Krieg, den England führte, war der spanische Erbfolgekrieg, in welchem Marlboroughs siegreiche Heere fast ausschließlich aus deutschen Hülfs- und Miethstruppen bestanden, wie denn überhaupt damals deutsche Truppen auf beiden Seiten kämpften: Hessen und Braunschweiger unter deutscher, englischer und holländischer Fahne, Bayern und Kölner unter den Franzosen. Der Handel, welchen die deutschen Fürsten zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts mit dem Leben ihrer Unterthanen trieben, war schon zu jener Zeit so schamlos, daß alle öffentlichen Blätter in England sie bitter tadelten und verspotteten, und daß die holländische Regierung ihren deutschen Bundesgenossen derb und verächtlich vorwarf, daß sie das Geld mehr liebten, als ihre Ehre.

Seit das Haus Braunschweig-Hannover den englischen Thron einnahm, wurden die englischen Beziehungen zur Kabinets-Politik des vorigen Jahrhunderts nur noch inniger. Die regierende Dynastie, welche überall ihr spezifisch hannöverisches Interesse in den Vordergrund drängte, konnte um so eher an allen europäischen Verwickelungen und Kämpfen Theil nehmen, als sie die Truppen ihres Stammlandes zur Disposition hatte und diese zugleich mit im englischen Interesse verwandte, oder sie im heimischen Interesse von England in Sold nehmen ließ. So sehen wir denn im Laufe des vorigen Jahrhunderts deutsch-englische Regimenter auf fast allen Schlachtfeldern Europa's, in Gibraltar und Minorka, ja in Madras und den übrigen englischen Kolonien kämpfen. Außerdem schlossen die Könige Georg I. und II. zur Erreichung ihrer politischen Zwecke in Deutschland Verträge mit ihren dortigen Nachbarn ab und zahlten bedeutende Summen, um ihrer Hülfe in jedem Augenblick versichert zu sein,[S. 21] wie z.B. im Jahre 1717 mit dem Landgrafen von Hessen, als Georg I. ein Bündniß mit Frankreich einging und verschiedene schwedische Besitzungen in Deutschland an sich zu reißen gedachte. Im Jahre 1739, nach der Kriegserklärung Englands gegen Spanien, zahlte Georg II., weil er persönliche Streitigkeiten mit Preußen hatte und deshalb für Hannover fürchtete, an Hessen und Dänemark Lstr. 260,000, damit sie 6000 Mann, wie es hieß, für England bereit hielten. Ein Jahr darauf, beim Ausbruch des österreichischen Erbfolgekrieges, zahlte derselbe König der Kaiserin Maria Theresia Lstr. 300,000 Subsidien, welche 1742 auf die ganze Dauer des Krieges ausgedehnt wurden. Im April desselben Jahres bewilligte das Parlament auf's Neue Gelder für dänische, hessische und hannöverische Truppen, um daraus ein Heer in Flandern gegen die Franzosen zu bilden. Wie bedeutend diese Summen waren, kann man aus dem einzigen Beispiel ersehen, daß der Landgraf Friedrich I. von Hessen, obgleich er in jenem Kriege seine Truppen an beide kriegführenden Theile vermietete, von 1730 bis 1750 Lstr. 1,249,699 von England bezogen hatte. Der Sieg des Herzogs von Cumberland bei Culloden, der 1746 den schottischen Aufstand dämpfte, war vorzugsweise dem tüchtigen Fußvolk zu verdanken, das aus 6000 Hessen bestand, die vom holländisch-englischen Heere aus den Niederlanden nach England eingeschifft worden waren. Im Jahre 1749 erhielt Maria Theresia noch nachträglich zur bessern Befestigung der Freundschaft zwischen beiden Höfen eine Summe von Lstr. 100,000. Einige Monate später schloß König Georg II. zur Förderung seiner politischen Zwecke in Deutschland einen Subsidienvertrag mit Bayern, welches gegen das Versprechen, 6000 Mann Hülfstruppen bereit zu halten und in den Reichsangelegenheiten mit Hannover zu stimmen, von 1750–1756 im Ganzen Lstr. 120,000 empfing. Unter denselben Bedingungen wurden Sachsen in den Jahren 1751–1755 von England Lstr. 128,000 gezahlt. Im September 1755, gleichzeitig mit dem Ausbruch des englisch-französischen Kolonialkrieges und kurz vor Anfang des siebenjährigen Krieges in Europa, schloß England einen Defensiv-Traktat mit Rußland, damit dieses zur Vertheidigung Hannovers gegen baare Bezahlung 55,000 Mann bereit hielte. Dieser Vertrag wurde zwar nicht erfüllt, da Rußland sich in der Folge mit Frankreich und Oesterreich verband, während England mit Friedrich II. in eine Allianz trat. Zu gleicher Zeit jedoch erhielten die kleinen deutschen Fürsten, wie Hessen, Gotha, Anspach und[S. 22] Würzburg bedeutende Summen, damit sie mit ihren Soldaten für England in's Feld rückten, Bayern nahm damals ebenfalls Lstr. 10,000 von England an, obgleich es von dessen Feinden schon gewonnen war und mit französischem Gelde 6000 Mann zu den Oesterreichern stoßen ließ. Um den Herzog von Braunschweig zu gewinnen, eröffnete ihm Georg II. die Aussicht auf die Vermählung seiner ältesten Tochter mit dem Prinzen v. Wales und erbot sich, seine Truppen gegen doppelt so hohe Zahlung in Sold zu nehmen, als der preußisch-französische Vertrag ihm gewährte. Natürlich war der Herzog nicht abgeneigt, nach Ablauf seines Vertrages mit Frankreich auf dieses Anerbieten einzugehen. Im zweiten Jahre des siebenjährigen Krieges zählte das englische Heer in Westfalen 48,000 Mann, darunter u.A. 20,000 Hessen, 6000 Braunschweiger und keinen einzigen geborenen Engländer. Aber Pitt brauchte keinen seiner Landsleute zu opfern, denn er fand gegen gute Bezahlung genug Ausländer, die, wie er ganz richtig berechnet hatte, in Deutschland für England's Besitzungen in Amerika und Ostindien kämpften. Die Bundesgenossenschaft Friedrich des Großen allein kostete England jährlich vier Millionen Thaler.

In dem Bündniß, welches Oesterreich und Frankreich am 1. Mai 1756 in Versailles schlossen, ward der damalige Marktpreis der Infanterie und Kavallerie genau festgesetzt. Es behielten sich nämlich diejenige der kontrahirenden Mächte vor, welche die Hülfe der andern in Anspruch nehmen würde, statt der effektiven Mannschaft (24,000 Mann) ein Aequivalent in Geld zu fordern, und zwar 8000 Reichsgulden monatlich für je 1000 Mann Infanterie, 24,000 Reichsgulden aber für je 1000 Mann Kavallerie. Das hieß mit anderen Worten soviel, daß man für diese Summen die betreffenden Soldaten auch anderweitig beschaffen konnte, daß also ein Infanterist nur 96 fl. und ein Kavallerist 288 fl., einschließlich Werbung und Leichnam, werth war.

Es waren kaum zwölf Jahre nach Beendigung des siebenjährigen Krieges vergangen, als die Revolution in Amerika ausbrach, zu deren Bekämpfung England natürlich wieder bedeutende Truppenmassen nöthig hatte.


[S. 23]

Zweites Kapitel.

Die Zahl der englischen Truppen, welche bei Eröffnung der Feindseligkeiten über die amerikanischen Kolonieen zerstreut waren, reichte zur Führung des Krieges durchaus nicht hin. Im Norden betrug die königliche Streitmacht etwas mehr als 8000 Mann, in den mittleren und südlichen Kolonien fanden sich deren höchstens 6000 bis 7000, so daß der ganze Effektivbestand der englischen Armee sich in sämmtlichen amerikanischen Provinzen, von Neu-Schottland bis Florida, bis in den Sommer 1776 hinein auf allerhöchstes 15,000 Mann belief. Ihre Zahl mußte also wenigstens verdoppelt, wenn nicht verdreifacht werden, wenn man den Kampf mit Aussicht auf Erfolg führen wollte.

Die Hauptschwierigkeit bestand nun zunächst darin, woher man die für den Krieg erforderlichen Truppen nehmen sollte, da die im eignen Lande vorhandenen Mittel nicht genügend waren. Die geborenen Engländer wollten und sollten in Amerika nicht dienen. Der dortige Konflikt war namentlich in den unteren Volksklassen von Anfang an sehr unpopulär gewesen und wurde jetzt durch die Aussicht, möglicher Weise selbst noch zur Niederwerfung der Revolution herangezogen zu werden, bei ihnen noch unpopulärer. Dann aber nahm die seit dem letzten Kriege in kolossalem Maßstabe entwickelte Industrie die verfügbaren Kräfte der Nation mehr als je in Anspruch. Die Regierung, welche im Parlamente und in den höheren Klassen ohnehin schon genug Widerstand gegen ihre Unterwerfungspläne fand, war zudem einer Berufung an's Volk und an die öffentliche Meinung abgeneigt. Es lag ihr deshalb auch von Anfang an der Gedanke fern, die Zahl ihrer Regimenter durch Werbungen in England voll zu erhalten oder zu vermehren. Irland und die Hochlande, Canada und die amerikanischen Loyalisten konnten zusammen keine Armee auf die Beine bringen; sie kamen deshalb um so mehr erst in zweiter Reihe in Betracht, als man noch nicht sicher war, ob und wie weit sie den an sie gestellten Anforderungen überhaupt entsprechen wollten und konnten. Die Indianer hatten sich bei früheren Gelegenheiten als so unzuverlässige Bundesgenossen erwiesen, daß man sie am liebsten gar nicht zu Hülfe gerufen hätte.

In der am 14. Juni 1775 abgehaltenen Kabinetssitzung, der ersten,[S. 24] welche nach dem Eintreffen der Nachricht von dem Gefechte bei Lexington stattfand, verhandelten König und Minister lange über die Frage, wie der jetzt unvermeidlich gewordene Krieg geführt werden könne. Nachdem Vorschläge, wie Blokirung der amerikanischen Küste, Besetzung der bedeutendsten Häfen und Aushungerung (!) der Kolonieen, der Reihe nach durchgegangen und verworfen worden waren, kam man endlich zu dem Entschluß, im Einklang mit der fast seit einem Jahrhundert befolgten und bewährten Praxis unverzüglich fremde Hülfstruppen anzuwerben. Am nächsten lag natürlich Deutschland. Die deutschen Fürsten waren zwar habsüchtige, aber pünktliche Truppen-Lieferanten, und ihre Soldaten galten seit Jahren als die willigsten und brauchbarsten; allein man wollte dies Mal, um ja keine Zeit zu verlieren, möglichst schnell statt einzelner Korps eine ganze Armee haben und sich nicht mit einem halben Dutzend Fürsten in lange dauernde Verhandlungen einlassen.

Die englische Regierung glaubte, was sie brauchte, am leichtesten und ersten in Rußland zu finden. Sie stand mit der Kaiserin Katharina seit deren Thronbesteigung auf äußerlich sehr gutem Fuße, hatte sich ihren Plänen auf Polen nicht widersetzt, ja ihr sogar in dem eben beendeten Türkenkriege durch Parteilichkeit gegen die Türken wesentlich genützt und ihre Allianz als ein Gegengewicht gegen die Bourbonen gesucht. Das russische Heer war seit dem im Jahre 1774 abgeschlossenen Frieden von Kudschuk Kainardsche zu stark, und in den Finanzen des Kaiserreichs herrschte große Ebbe, während Katharinens Günstlinge für die stumme Beredtsamkeit des Goldes durchaus nicht unempfindlich waren. Zudem hatte sich die russische Kaiserin bei früheren Gelegenheiten einem Bündniß mit England durchaus nicht abgeneigt erklärt, wofern sie im Falle eines neuen Krieges mit der Pforte auf Englands Hülfe rechnen konnte, bei welcher Erklärung sie freilich mehr an die europäische Politik als an die amerikanischen Verwicklungen dachte. Alle diese Gründe ließen auf eine günstige Aufnahme der englischen Vorschläge schließen.

Der englische Gesandte Gunning erhielt also bereits im Juli 1775 den Auftrag, die russische Regierung um Ueberlassung eines Hülfskorps von wo möglich 20,000 Mann zu ersuchen. Bei der ersten Unterredung, die er nach Empfang dieser Instruktionen zu Anfang August mit Panin, Katharinens erstem Minister hatte, fragte er, nachdem er sich über die Unfehlbarkeit der zur Niederwerfung des amerikanischen Aufstandes ergriffenen[S. 25] Mittel ausgelassen, Panin wie zufällig im Laufe des Gesprächs, ob der König von England, falls er fremde Hülfe zur Niederwerfung des amerikanischen Aufstandes brauchen sollte, auf ein Korps russischer Infanterie rechnen könne? Der Minister berichtete diese Frage seiner Kaiserin, deren Antwort Gunning am 8. August mitgetheilt wurde. Sie erwähnte kein Wort von Truppen oder russischen, an England zu überlassenden und über den Ozean zu versendenden Bataillonen, erklärte sich vielmehr nur in allgemeinen Redensarten bereit, dem König Georg III. aus Dankbarkeit für seine früheren, Rußland geleisteten Dienste in irgend einer ihm gut dünkenden Weise beizustehen und sprach von ihrer angeborenen Vorliebe für die englische Nation.

Der leichtgläubige Gesandte nahm diese nichtssagenden Worte für ein feierliches Versprechen und berichtete unbegreiflicher Weise sofort nach Hause, daß die russische Regierung der englischen mit 20,000 Mann Infanterie in Amerika zu Hülfe kommen wolle. Seine Depesche traf am 1. September in London ein und ward hier mit Freude und Entzücken aufgenommen. Während der König einen eigenhändigen Danksagungsbrief an Katharina schrieb, wurde Gunning von Lord Suffolk, dem Minister des Auswärtigen, angewiesen, bei der Kaiserin in feierlicher Audienz um 20,000 Mann Infanterie zu bitten, die im Frühjahr bei Eröffnung der Schifffahrt nach einem Ostseehafen und über England nach Kanada eingeschifft werden sollten. König und Minister waren im Voraus ihres Erfolges so sicher, daß sie, obgleich die schnellste Reise von London nach Moskau damals drei und zwanzig Tage dauerte, doch auf ein definitives Versprechen bis zum 26. Oktober, dem Beginn der Parlamentssitzungen, rechneten. Lord Dartmouth schrieb zu gleicher Zeit an die beiden in Amerika kommandirenden Generäle Howe und Carleton, daß die russische Kaiserin England die weitgehendsten Versicherungen für eine beliebige Anzahl Infanterie zur Bekämpfung des Aufstandes gegeben habe. Am 8. September 1775 überschickte Suffolk seinem Gesandten durch einen zweiten Feldjäger den Entwurf eines Vertrages, welcher die Annahme eines Korps russischer Truppen in den englischen Dienst bezweckte. Dieser Vertrag sollte zwei Jahre dauern, da man innerhalb dieser Zeit des Aufstandes Herr geworden zu sein hoffte. Das Werbegeld ward auf sieben Pfund Sterling per Mann festgesetzt, wovon die eine Hälfte baar, die andere bei der Einschiffung bezahlt werden mußte, und endlich wurde eine Subsidie nicht ausgeschlossen.

[S. 26]

Diese Instruktionen waren übrigens kaum abgegangen, als Gunning am 10. September von der Kaiserin, während eines Hoffestes bei einer gelegentlichen Besprechung der amerikanischen Wirren, auf die Nothwendigkeit hingewiesen wurde, dem Kampfe mit den Kolonieen unter allen Umständen und am besten durch Milde ein Ende zu machen. Am 24. September traf der erste englische Kourier mit dem Briefe Georg's in Moskau ein; Gunning sollte die zufällig abwesende Kaiserin aber erst am 30. nach ihrer Rückkehr sehen. Der Brief des Königs sprach ganz positiv von einem ihm seitens der Kaiserin gemachten Anerbieten von Truppen; Panin stellte in Abrede, daß es je gemacht worden, und Gunning räumte endlich ein, daß von einer Ueberlassung von Soldaten nicht ausdrücklich die Rede gewesen sei. Panin weigerte sich unter diesen Umständen, den englischen Gesandten zur Audienz bei Katharina einzuführen, und diese ließ ihr Bedauern darüber ausdrücken, daß sie ihre Truppen nicht an England vermiethen könne.

Gunning bat dann um 15,000 Mann, allein auch diese wurden in den ersten Tagen des Oktober, ohne daß er die Kaiserin sehen konnte, von ihr als unverträglich mit der Würde Rußlands und seinem Verhältniß zu den übrigen europäischen Mächten verweigert. Der zweite Kourier kam am 4. Oktober mit dem Vertrags-Entwurf in Moskau an. Gunning las ihn Panin vor und wollte sich mit 10,000 Mann begnügen; allein der Kanzler übergab ihm statt aller Gegenäußerung Katharinens Antwort an den König von England und brach die Unterhaltung ab.

Natürlich waren diese Verhandlungen den fremden Diplomaten und Höfen kein Geheimniß geblieben. Als am 31. Oktober 1775 der französische Gesandte den russischen Premierminister nach der Wahrheit der in dieser Angelegenheit umlaufenden Gerüchte fragte, antwortete dieser, die Annahme des englischen Antrages sei physisch unmöglich, und ebenso unvereinbar sei es mit der Würde Englands, fremde Miethstruppen gegen seine eigenen Unterthanen zu gebrauchen. Die Kaiserin selbst war nach wie vor äußerlich sehr zuvorkommend und verbindlich gegen den englischen Gesandten und gegen den König Georg, welcher ihr die abschlägige Antwort zwar nicht nachtrug, indessen nie vergessen konnte, daß sie seinen eigenhändigen Brief nicht selbst, sondern nur durch einen Privatsekretär hatte beantworten lassen.

Noch während die Unterhandlungen mit Rußland schwebten, hatte[S. 27] die englische Regierung anderweitige Schritte gethan, um sich Hülfstruppen zu sichern; indessen war sie in Holland, wo sie zuerst anfragte, ebenso wenig erfolgreich in ihren Bemühungen als in Rußland.

In den Diensten der Generalstaaten stand schon seit länger als einem Jahrhundert die sogenannte schottische Brigade, deren Ursprung auf die Zeiten der Königin Elisabeth zurückging. Die Niederlande hatten ihr im Jahre 1599 als Sicherheit für ein Darlehen drei wichtige Festungen verpfändet, welche sie mit ihren eigenen Truppen besetzte. Im Jahre 1616 bezahlten die Holländer die Schuld, und sämmtliche englische Truppen wurden aus den besetzten Festungen zurückgezogen, mit Ausnahme einer englischen und schottischen Brigade, welche in den Dienst der Generalstaaten übertraten. Als Jakob II. sie zur Verstärkung seiner Armee verlangte, wurde sie von den Generalstaaten verweigert. Man habe — so lautete die Antwort — die schottische Brigade allerdings geschickt, als es sich darum gehandelt, die Rebellion des Herzogs von Monmouth zu unterdrücken; allein sie solle nie gebraucht werden, um die Freiheiten Englands zu vernichten. Wilhelm III. rief die englische Brigade zurück; so blieb denn nur die schottische Brigade, welcher im Jahre 1749 auch das Recht genommen wurde, in Schottland zu rekrutiren. Obgleich die Mannschaft des aus 2100 Mann bestehenden Regiments fortan von Angehörigen aller Nationen, namentlich Wallonen und Deserteuren gebildet wurde, so waren die Offiziere doch immer noch Schotten oder deren Nachkommen. Diesen Umstand machte der König von England bei seinem Gesuch um Ueberlassung der schottischen Brigade geltend. Die Offiziere schuldeten ihm, so hieß es, in Folge ihrer Geburt schon Treue und Gehorsam, zudem herrschten zwischen beiden Ländern schon lange intime Beziehungen und gemeinschaftliche Interessen, und endlich biete diese Gelegenheit dem Prinzen von Oranien den ganz besonderen Vortheil und die hohe Ehre, die Bande enger Freundschaft, welche durch die Neutralität der vereinigten Provinzen während des letzten französischen Krieges mehr oder weniger geschwächt worden, wieder zu stärken.

Als Georg dieses Verlangen zum ersten Mal stellte, wurde er vom jungen Statthalter kurzer Hand abgewiesen. Als er aber sein Gesuch erneuerte, hatte er hauptsächlich mit dem Widerspruch der Generalstaaten zu thun. Seeland und Utrecht kamen dem Wunsche des Königs zwar nach; aber der bei weitem mächtigste der Generalstaaten, Holland, wandte ein,[S. 28] daß ein Handelsvolk nur im äußersten Nothfall sich in fremden Streit mischen dürfe. Namentlich trat der Baron Johann Derk van der Capellen, Mitglied des Adels von Oberyssel, so entschieden gegen das Ansinnen der englischen Regierung auf, daß er, wenn auch nicht direkt, so doch indirekt dessen Annahme vereitelte. „Es hieße Theil an dem Kampf nehmen — das ungefähr war der Inhalt von Capellen's beredtem Proteste — ja wir würden selbst mit in den Krieg verwickelt werden, wollten wir England Truppen überlassen und die Grundsätze unbedingter Neutralität aufgeben. Wir haben bisher England unser Wohl und Gedeihen geopfert, ohne irgend einen Vortheil dafür erlangt zu haben. Frankreich wird sich voraussichtlich mit in den Kampf mischen — welche wird dann unsere Stellung sein? Bleiben wir neutral, so fällt uns für den Fall eines Krieges zwischen England und Frankreich der Handel des letztern Staates zu, welcher unser natürlicher Bundesgenosse in der Vertheidigung der Handelsfreiheit ist. Zudem hat England uns stets so übermüthig behandelt, als ob wir gar kein selbständiges Volk wären, und, während wir gewissenhaft die mit ihm geschlossenen Verträge befolgten, gegen den Grundsatz der Freiheit der Waare in freien Schiffen gehandelt und willkürlich unsere Schiffe durchsucht und konfiszirt. Statt also die Truppen eines freien Volkes zur Niederwerfung der sogenannten Rebellion zu verlangen, sollte England lieber Janitscharen miethen. Wie gehässig würde eine solche Rolle für uns sein, für uns, ein freies Volk, welches selbst unter dem Joch der Tyrannei geseufzt und sich mit dem Schwerte davon befreit, das ebenfalls den stolzen Namen Rebellen geführt hat, doppelt gehässig den Amerikanern gegenüber, die uns niemals beleidigt haben, die sich der Achtung der ganzen gebildeten Welt würdig zeigen und mit Mäßigung und Würde ihre Rechte vertheidigen. Aus diesen Gründen muß der Wunsch des Königs von England abgeschlagen werden.“

Obgleich die Staaten von Oberyssel beschlossen, die England beleidigende Motivirung des Antrages van der Capellens aus den Protokollen ihrer Sitzung zu streichen, so verfehlte die Beredsamkeit dieses Staatsmanns doch ihre Wirkung nicht. Die Generalstaaten willigten zwar ein, um jeden Schein der Unhöflichkeit gegen den mächtigen Nachbarn zu vermeiden, die schottische Brigade an England zu überlassen, fügten aber die Bedingung hinzu, daß sie nicht außerhalb Europa's verwandt werden dürfe. Diese Bedingung kam beinahe einer abschlägigen Antwort gleich.[S. 29] England faßte sie auch als eine solche auf und ließ, vielleicht auch deshalb, weil sich ihm im langgedehnten Laufe der Verhandlungen andere Bezugsquellen eröffnet hatten, die ganze Angelegenheit fallen.

Weniger Schwierigkeiten verursachte die Verlegung von fünf hannöverschen Bataillonen nach Gibraltar und Port Mahon, weil der König von England hier als Kurfürst von Hannover handelte und höchstens mit dem Widerspruche des eigenen Parlaments zu kämpfen hatte. Uebrigens war die ganze Maßregel schon ausgeführt, als sie den Lords und Gemeinen vorgelegt wurde, wie denn überhaupt in jener Zeit die Regierung die Genehmigung des Parlaments als eine bloße Formsache auffaßte und in allen wichtigen Dingen so handelte, als ob gar kein Parlament existirte.

Oberst William Faucitt, der den siebenjährigen Krieg in Deutschland mitgemacht hatte und Volk und Fürsten dort kannte, wurde bereits zu Anfang August 1775 von Georg III. nach Hannover geschickt, um die Uebernahme der dortigen Bataillone in den englischen Dienst zu besorgen. „Da Wir — so lauteten die vom 11. August 1775 datirten königlichen Instruktionen — unter dem Beirath unseres geheimen Rathes beschlossen und für thunlich erachtet haben, fünf Bataillone unsrer kurfürstlichen Infanterie in englische Dienste zu nehmen und sie in unseren Garnisonen von Gibraltar und Minorka zu verwenden, um desto besser im Stande zu sein, eine gleiche Anzahl englischer Truppen, welche jetzt dort Garnisonsdienste thun, nach England zurückzuverlegen und auf Grund dessen unsere Streitkräfte zu vermehren, welche zur Unterdrückung des unnatürlichen Aufstandes eines Theils unserer nordamerikanischen Kolonien verwandt werden; da ferner besagte Truppen sich in Stade sammeln sollen, um nach den genannten Garnisonsplätzen eingeschifft zu werden, so haben Wir es für rathsam befunden, Sie zu unserm Kommissär zu ernennen, um diese Truppen in Empfang zu nehmen und in den Dienst zu mustern.“

Faucitt reiste also sofort über den Haag, wo er von dem englischen Gesandten Sir Joseph Yorke, einem langjährigen Kenner und Beobachter deutscher und kontinentaler Politik, Rath und Auskunft erhielt, nach Hannover ab und kam dort am 20. August an. Die Truppen waren zwar für den 1. September segelfertig, erhielten aber Gegenbefehl, weil die Lords der Admiralität die erforderlichen Transportschiffe nicht früh genug hatten absenden können. Der hannöversche General Spörken war beauftragt, die fraglichen fünf Bataillone marschfertig zu machen, so daß[S. 30] dem Obersten Faucitt nichts zu thun blieb, als sie vor ihrer Annahme in den englischen Dienst zu mustern und einzuschwören. Indessen wurde auch von der letztern Bedingung abgesehen, weil die Soldaten eine Abneigung gegen die See hätten, also möglichen Falls zu marschiren sich weigern möchten, dann aber, weil die Verführung zur Desertion sehr groß sei, indem die ganze hannöversche Grenze von preußischen und anderer Fürsten Werbern umringt sei, die alle auf die Unzufriedenheit der Soldaten spekulirten und diese für sich zu gewinnen hofften.

Faucitt fand sämmtliche fünf Bataillone, die aus je 473 Mann bestehend, im Ganzen 2365 Mann ausmachten, und von den Regimentern von Reden, von Goldacker, de la Motte, Prinz Ernst und von Hardenberg genommen waren, gut bewaffnet und gekleidet und die Mannschaften mit wenigen Ausnahmen kräftig und diensttüchtig, dabei willig und gehorsam. Trotz aller Verführung desertirte nicht ein einziger Soldat. Es verging übrigens noch der ganze September mit den Vorbereitungen zur Verschiffung, die mit Bewilligung des Hamburger Senates über Ritzebüttel, statt, wie Anfangs beabsichtigt war, über Stade erfolgte. Die beiden für Minorka bestimmten Bataillone, Prinz Ernst und Goldacker, wurden am 2. Oktober, die für Gibraltar bestimmten am 6. Oktober eingeschifft. Der Wind war jedoch während des ganzen Monats so ungünstig, daß die aus siebenzehn Transportschiffen bestehende Flotille erst am 1. November 1775 in See ging.

Die Frage, ob die Regierung das Recht habe, ohne Genehmigung des Parlaments fremde Truppen in irgend einen Theil der englischen Besitzungen einzuführen, rief in beiden Häusern ernste Debatten hervor. Der König hatte am 26. Oktober 1775 bei Eröffnung des Parlaments in seiner Thronrede u.A. die Mittheilung gemacht, daß er einen Theil seiner kurfürstlichen Truppen nach Gibraltar und Port Mahon beordert habe, um eine größere Zahl englischer Truppen zur Aufrechterhaltung des königlichen Ansehens zur Verfügung zu haben. Die Opposition beider Häuser stützte sich darauf, daß dieses Verfahren, einen häuslichen Streit beizulegen, eine gefährliche und schimpfliche Maßregel sei, daß sie den anerkannten Landesrechten zuwiderlaufe und daß die fremden Truppen möglichen Falles gegen die englische Freiheit verwandt werden könnten. Das Ministerium wandte ein, daß es weder dem Geiste noch dem Buchstaben nach gegen die Constitution verstoße, indem die Bill of rights und Aufstandsakte[S. 31] nur bestimme, daß in Friedenszeiten keine stehende Armee im Königreiche ohne Genehmigung des Parlaments gehalten werden dürfe. Nun befinde man sich aber im Kriege und eine Dependenz, wie Gibraltar und Minorka, sei nicht das Königreich Großbritannien. Der betreffende Paragraph verdanke seine Entstehung dem Könige Jakob II., der in Friedenszeiten ohne Genehmigung des Parlaments eine stehende Armee in England gehalten habe. Die Garnisonen in Dünkirchen, Calais und Tanger seien ohne jede Genehmigung des Parlaments gehalten worden, und nie habe dieses dem Könige den Vorwurf der Ungesetzlichkeit daraus gemacht. Zudem sei es zweckmäßiger, fremde Truppen in Sold zu nehmen, weil diese leichter und wohlfeiler beschafft werden könnten, und weil die waffenfähige Bevölkerung Englands fast ausschließlich mit den Arbeiten und den Künsten des Friedens beschäftigt sei.

Die Debatte über diese Frage beschäftigte die Lords am 26. Oktober und 1. November und das Haus der Gemeinen am 3. November 1775. Dieses erklärte sich schließlich mit 203 gegen 81 Stimmen und jenes mit 75 gegen 32 Stimmen mit dem Verfahren der Regierung einverstanden. Die fünf hannöverschen Bataillone blieben während des ganzen amerikanischen Krieges als Besatzung in Gibraltar und Minorka und verloren deshalb auch so wenig Leute, daß sie erst zu Anfang des Jahres 1778 die ersten Rekruten erhielten. Sie kehrten im Sommer 1784 über England nach Deutschland zurück.


Drittes Kapitel.

Die Verhandlungen mit Rußland und Holland waren also gescheitert. Politische Beziehungen zu fremden Mächten und bedeutende eigene Interessen hatten die beiden um Hülfe angegangenen Staaten bewogen, das englische Gesuch um Ueberlassung von Soldaten von der Hand zu weisen. Unter diesen Umständen mußte denn das Ministerium sich anderwärts nach Truppen umsehen und sie nehmen, wo sie nur zu haben waren. So blieb denn Deutschland die einzige Quelle, aus welcher man seinen Bedarf an Soldaten zu schöpfen hoffen konnte.

[S. 32]

Wie England im ganzen vorigen Jahrhundert in Kriegszeiten Truppenlieferungs-Verträge mit den dortigen kleinen Fürsten abgeschlossen hatte, so war es auch seit langen Jahren gewohnt gewesen, von dort auf eigne Hand seine Rekruten zu beziehen. Zwar verbot der Regensburger Reichstag zu Zeiten das Rekrutiren; allein nichts destoweniger hatten die britischen Werbeoffiziere am ganzen Rhein, in Frankfurt a.M., Neuwied und an der preußischen Grenze bei Kleve ihre Stationen. Die Kurfürsten von Köln, Trier und Mainz wandten auch jetzt so wenig als früher etwas dagegen ein, daß die durch den amerikanischen Krieg, Desertion und Krankheit gelichteten Reihen der englischen Regimenter durch deutsche Rekruten wieder vollzählig gemacht wurden. Wie viele Deutsche auf diese Weise jährlich in den englischen Kolonien und namentlich während des Krieges in Amerika verbraucht wurden, ist schwer zu sagen, weil jeder Anhaltspunkt für ihre Schätzung fehlt, und weil viel wichtigere Dinge die öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen.

Kaum wurde übrigens in Deutschland die Verlegenheit bekannt, in der sich der König von England wegen der Ergänzung seiner Regimenter befand, als entlassene Offiziere aller Grade, vom Kroaten-Obersten an bis zum hannöver'schen Obristlieutenant, und sonstige durch den Frieden überflüssig gewordene, aus dem siebenjährigen Kriege stammende Abenteurer sich zur Beschaffung deutscher Rekruten erboten. Georg III. war trotz der übertriebenen Auffassung seiner königlichen Machtfülle doch ein gewissenhafter und ein im bürgerlichen Sinne des Wortes durchaus moralischer Mann. Er hatte deshalb auch seine Bedenken, die ihm angetragenen Dienste anzunehmen. „Deutschen Offizieren Patente zu geben, damit sie mir Rekruten schaffen — sagte er — heißt eigentlich auf gut Englisch nichts als mich selbst zu einem Menschendiebe machen, welches Geschäft ich durchaus nicht als ehrenvoll betrachten kann.“ Indessen überwog doch zuletzt die politische Nothwendigkeit derartige Skrupel.

Georg ließ also zuvörderst mit dem hannöver'schen Obristlieutenant Scheither einen Vertrag abschließen, wonach dieser unverzüglich 4000 Rekruten in Deutschland anwerben sollte. Diese Rekruten waren in Stade an Faucitt abzuliefern, der zu diesem Zwecke noch nach Einschiffung der fünf hannöver'schen Bataillone in Deutschland blieb, jedoch bis Mitte November nur 150 Rekruten in Empfang nahm. Das Ministerium überzeugte sich bald, daß es auf diesem langsamen Wege nie zum Ziele gelangen[S. 33] würde, ließ deßhalb den ursprünglichen Plan auch fallen und entschloß sich zur Anknüpfung von direkten Verhandlungen mit den kleineren deutschen Fürsten. Diese kannten weder politische Bedenken, noch hatten sie außer ihrem Geldbeutel eigene Interessen. Geld, Subsidien und standesgemäßes Leben waren, wie ein ausgezeichneter Kenner des achtzehnten Jahrhunderts meint, der Grundton, welcher für das ganze politische Handeln an den kleinen Höfen in Einem fort und ohne Scham und Scheu angeschlagen wurde. Zudem erfreuten sich die kleinen Fürsten des zweifelhaften Glückes, in der europäischen Staatenfamilie einen so untergeordneten Rang einzunehmen, daß man sich um ihr Thun und Treiben gar nicht kümmerte, geschweige denn von ihren Handlungen eine Störung des künstlichen europäischen Gleichgewichts abhängig machte. Andererseits war der deutsche Reichsverband in sich so lose und zerfallen, daß der Kaiser ihnen kein ernstliches Hinderniß in den Weg zu legen wagte.

Jetzt endlich, nachdem man in London gegen ihre direkten und indirekten Winke sich so lange blind gestellt hatte, jetzt nach dem Fehlschlage der bisherigen Verhandlungen und aller sonstigen Versuche zur Beschaffung von Truppen, eröffnete sich den Landesvätern eine sichere Aussicht auf glänzende Geschäfte. Die Geschichte ist ihnen das Zeugniß schuldig, daß sie sich für die beleidigende Hintenansetzung in ihrer Weise empfindlich zu rächen und die günstigen Konjunkturen des Marktes gehörig auszubeuten und zu verwerthen verstanden. Das englische Ministerium hatte sich mit der Anknüpfung von Unterhandlungen mit den deutschen Fürsten deßhalb nicht übereilt, weil so lange es noch Aussicht auf Erlangung einer einzigen großen, einheitlich organisirten Hülfsarmee zu haben glaubte, es dieser im Interesse des Dienstes den Vorzug gab, weil es andererseits aber ganz gut wußte, daß einzelne deutsche Korps zu jeder Zeit zu haben waren, und daß die dortigen Fürsten Nichts sehnlicher wünschten, als ihre Soldaten an England verkaufen zu können. Ueber die deutschen Verhältnisse und die Gewißheit, Truppen in Deutschland zu erlangen, war es ganz gut durch Sir Joseph Yorke, den bereits erwähnten Gesandten im Haag, unterrichtet, welcher im Sommer 1775 den Auftrag erhalten hatte, sich auf dem Kontinent des guten Willens der Freunde des Königs und der Zahl und Bedingungen der von ihnen möglicher Weise zu liefernden Soldaten zu vergewissern. Yorke berichtete schon im September 1775 nach Hause, daß Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Würtemberg, Sachsen-Gotha und Baden zu[S. 34] irgend einer Zeit eine beliebige Anzahl Truppen zu billigen Preisen zu liefern im Stande und bereit seien. Vor Allem bemühte sich schon im August 1775 der Erbprinz von Hessen-Kassel um einen Lieferungsvertrag mit England, und ihm folgte zunächst der Fürst von Waldeck. Ihre im servilsten Tone gehaltenen Anerbietungen, welche der Leser im Anhang findet, verdienen im Original gelesen zu werden. Braunschweig und Kassel verhielten sich vorläufig abwartend.

Es war übrigens jetzt Gefahr im Verzuge. Wollte die Regierung den Feldzug von 1776 energisch eröffnen, so mußte sie an eine schleunige Verstärkung denken. Sie beauftragte also den Obersten Faucitt mit der Leitung der Verhandlungen. Lord Suffolk, der Minister des Auswärtigen schickte ihm am 14. November 1775 folgende Instruktion nach Stade:

„Reisen Sie sofort nach Empfang dieser Depesche unter irgend welchem Vorwand nach Braunschweig, und suchen Sie dort zu ermitteln, ob der Herzog Willens ist, dem König eine Anzahl seiner Truppen für den Dienst in Amerika zu überlassen. Sie können sich darüber leicht beim Erbprinzen unterrichten. Wenn Serenissimus geneigt ist, dem König beizustehen, so überreichen Sie unverzüglich das einliegende Beglaubigungsschreiben und beginnen Sie ohne jeden Zeitverlust Ihre Unterhandlungen.

Ich sende Ihnen zugleich einliegend Abschriften der früheren, namentlich im letzten Kriege abgeschlossenen Subsidien-Verträge. Sie können diesmal im Nothfall die höchsten der früher festgesetzten Preise zahlen. Abweichende Bestimmungen in den einzelnen Punkten, wenn sie sonst im Ganzen auf dasselbe herauskommen, bleiben Ihrer Diskretion überlassen. Obgleich uns in unserer gegenwärtigen Lage weniger als sonst an den Kosten liegt, so dürfen Sie auf der andern Seite doch auch nicht verschwenden, und es wird Ihnen hoch angerechnet werden, wenn Sie möglichst billige Bedingungen zu erlangen im Stande sind. Es wird mit einem gewissen Grade von Recht und Billigkeit geltend gemacht werden, daß der von uns verlangte Dienst neu und für ferne Lande bestimmt ist. Wenn wir das auch zugeben müssen, so hat der amerikanische Krieg doch nichts mit irgend einer europäischen Macht zu thun, und kann die Betheiligung daran für keinen Deutschen nachtheilige Folgen haben. Was nun die weite Entfernung betrifft, so muß zugestanden werden, daß die Truppen zum Theil wenigstens durch neue Aushebungen vollzählig zu erhalten sind, die für den aushebenden Fürsten zu einer neuen Last werden, wenn irgend ein[S. 35] glückliches Ereigniß den Kampf bald beenden würde. Sie können diesem Einwande, wenn er stark betont werden sollte, damit begegnen, daß Sie sich verpflichten, daß die Subsidie während der wirklichen Verwendung der Truppen in Kraft bleiben und erst sechs Monate nach gegebener Kündigung aufhören soll. Wenn mehr als sechs Monate beansprucht werden, so berichten Sie vorher darüber an mich. Bei früheren Gelegenheiten war es nichts Ungewöhnliches, daß der seine Truppen vermiethende Fürst den Ueberschuß für sich behalten hat, der sich aus dem Unterschiede zwischen englischer und deutscher Löhnung ergab. Das kann im gegenwärtigen Falle nicht gestattet werden, weil es für uns sehr wichtig ist, daß der Soldat ermuthigt wird, seinen Dienst in Amerika freudig zu thun. Wir glauben kaum, daß der Herzog von Braunschweig mehr als 3000 bis 4000 Mann liefern kann. Ihre Aufgabe ist, so viel als möglich für den Krieg in Amerika von ihm zu erlangen. Der König giebt Ihnen zugleich einen ähnlichen Auftrag für Kassel. Finden Sie in Ihrer Unterhaltung mit dem Erbprinzen, daß sich in Braunschweig Nichts machen und erwarten läßt, so reisen Sie sofort nach Kassel, wo Sie Mittel und Wege finden werden, dem Landgrafen auf den Zahn zu fühlen und im Uebrigen gerade so wie in Braunschweig zu handeln. Es läßt sich kaum voraussetzen, daß der Landgraf mehr als 5000 Mann liefern kann; versuchen Sie jeden Falls auch hier soviel als möglich zu bekommen. Wenn Sie in Braunschweig Aussicht auf Erfolg haben, so ergreifen Sie den ersten günstigen Moment und machen Sie einen Vorschlag, oder nehmen Sie einen Ihnen gemachten an. Reisen Sie, nachdem Sie mir Bericht erstattet haben, sofort nach Kassel. Sind Sie dort sicher durchzudringen oder abschlägig beschieden zu werden, so gehen Sie nach Braunschweig zurück und schließen Sie mit dem Herzog ab.

Es ist in dieser Sache überhaupt die größte Thätigkeit erforderlich, da der König sich in der einen oder anderen Weise ohne Zeitverlust darüber verlässigen will, ob und wie schnell er fremde Truppen für Amerika erhalten kann. Zu diesem Ende schicke ich Ihnen zwei Kouriere, welche Ihnen als Ihre Bediente nach Braunschweig und Kassel folgen sollen, und deren Einen Sie sofort, nachdem Sie selbst Gewißheit darüber erlangt haben, ob Truppen zu haben sind, noch vor Erledigung aller Förmlichkeiten hierher zurückschicken wollen.

Es entspricht weder der Würde noch dem Interesse Ihres Hofes,[S. 36] daß Sie, wenn es überhaupt vermieden werden kann, als erfolgloser Bittsteller bei irgend einem der Fürsten auftreten. Meine eigenen Hoffnungen für den günstigen Abschluß des Ihnen anvertrauten Geschäftes, ich gestehe es offen, sind nicht sanguinisch. Treten Sie also in Ihrer amtlichen Eigenschaft nicht eher auf, als bis Sie eine sichere Aussicht auf Erfolg vor sich haben.“

Faucitt erhielt dieses Schreiben am 24. November 1775 in Stade, wo er durch die Einmusterung der Scheither'schen Rekruten noch aufgehalten worden war, und reiste einige Stunden nach seinem Empfange mit Extrapost über Hannover nach Braunschweig ab. Die Nächte waren aber so dunkel und die Wege so schlecht — Faucitt nennt sie in seinem Bericht die schlechtesten in Europa — daß er erst nach fünftägiger Reise in letzterer Stadt ankam. Der englische Gesandte war hier kein Fremder. Er war während des siebenjährigen Krieges, wo er unmittelbar unter dem Erbprinzen gedient hatte, öfters in Braunschweig sowohl als in Kassel gewesen und von jener Zeit her mit den jetzt einflußreichsten Personen beider Residenzen bekannt. Die Vortheile dieser persönlichen Beziehungen wurden von ihm aber nicht gehörig ausgebeutet, indem er in seinem Auftreten nicht entschieden genug und in seinem Urtheil nicht selbständig war. Ein stolzer englischer Lord, der die hinter der glänzenden Außenseite lauernde Misere jener Höfe sofort erkannt und diese Welt des Scheins rücksichtslos in seines Landes Interesse auszubeuten verstanden hätte, wäre besser am Platze gewesen. Faucitt war blos eine subalterne Natur und als solche allen Details der Aufgabe vollständig gewachsen. Er arbeitete in der That von Morgen bis Abend mit dem gewissenhaftesten Fleiße, mit der anerkennenswerthesten Uneigennützigkeit; allein es fehlte ihm das richtige Verständniß seiner Stellung. Er war zu sehr untergeordneter Hofmann, den ein freundliches Lächeln des Fürsten leicht erobert, ein „Snob“, der vor Titeln, Rang und äußerm Glanz einen angeborenen Respekt hat und für jede Herablassung der Höhergestellten dankbar ist. Aus diesem Grunde wurde er ein Spielball in den Händen einsichtiger, kühler und berechnet handelnder Personen, während er mit Entschiedenheit und Grobheit jede Forderung, selbst die härteste durchgesetzt und England hundert Tausende erspart haben würde.

Der Herzog Karl I. von Braunschweig (1735–1780), mit welchem Faucitt zunächst zu thun hatte, war einer der prachtliebendsten, leichtsinnigsten[S. 37] und verschuldetsten Fürsten, von denen Deutschland im vorigen Jahrhundert heimgesucht war. Sein Ländchen, das bei einer Größe von einigen sechszig Quadratmeilen mit etwa 150,000 Einwohnern kaum anderthalb Millionen Thaler Einkünfte abwarf, war allerdings durch den siebenjährigen Krieg hart mitgenommen worden, allein erst des Herzogs üble Wirthschaft hatte es an den Rand eines Bankrottes gebracht. Die Schulden beliefen sich auf nahezu zwölf Millionen Thaler. Karl lebte aber auf einem Fuße, als ob ihm die reichen Hülfsquellen eines großen Königreichs zu Gebote ständen. Italienische Oper und französisches Ballet, auswärtige und einheimische Maitressen, Militärspielerei und Alchymie verschlangen ungeheure Summen. Der Theater-Direktor und Kuppler Nicolini, ein unbedeutender italienischer Abenteurer, hatte 30,000 Thaler jährlichen Gehalts; unser großer Lessing aber, der zu jener Zeit in der bescheidenen Stellung eines herzoglichen Bibliothekars „einem verschüchterten Geschlecht mißhandelter Kleinbürger zuerst die Seele mit freien, menschlich heiteren Empfindungen erfüllte“ und unser Volk zum Bannerträger des freien Geistes erheben half, unser Gotthold Ephraim Lessing bezog ein Gehalt von 300 Thalern jährlich. Dort lernte er „lieber hungern als niederträchtig sein;“ mußte er doch um eine armselige Gehaltszulage von 200 Thaler länger als drei Jahre suppliziren! „Es ist ein Irrthum, — schrieb er seiner Freundin und spätern Gattin, Eva König, aus Wolfenbüttel — daß kleine Souveraine den Gelehrten und Künstlern förderlich seien; sie sind es nur in dem Maße, als Wissenschaft und Kunst ihnen Amusement machen und man ihnen hofmännisch schmeichelt. Das verstehe ich nicht. — — Ich fühle mich hier, als wäre ich in einen Sarg gedrückt; ich kann keine Bücklinge machen, um mich zu empfehlen. Lichtenberg verkümmert im kleinen Göttingen, Möser im kleinen Osnabrück; beide zehren von den Erinnerungen aus England, wie ich aus Leipzig und Berlin.“

Erst zu Anfang der siebenziger Jahre ward in diese wüste Braunschweiger Wirthschaft etwas Ordnung eingeführt, indem in Folge der beständigen Finanznoth von dem zum Mitregenten ernannten Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand die Landstände einberufen wurden. Es durfte ohne dessen Mitunterschrift fortan kein Geld mehr ausgegeben werden. Karl Wilhelm Ferdinand, der seinem Vater während des amerikanischen Krieges 1780 als Herzog folgte, als preußischer General 1787 in Holland[S. 38] und 1792 in Frankreich kommandirte und in der Schlacht bei Auerstädt seiner Augen beraubt, bald darauf in Ottensee bei Hamburg starb, war ebenso sparsam als sein Vorgänger verschwenderisch. Ein Zögling des bekannten Abts Jerusalem, dem Ordens- und Gesellschaftswesen jener Zeit von Herzen zugethan, zwischen mystischem Glauben und Voltaire'schem Unglauben schwankend, ein begeisterter Verehrer des französischen Wesens, dabei ein schöner Mann, sinnlich, gefallsüchtig und Meister der Repräsentation, stand er in engeren Beziehungen zum englischen Hofe, indem er eine Schwester Georg III., Lady Auguste, zur Frau hatte. Da sie unbedeutend und ungebildet war, so entschädigte sich Ferdinand durch schöne und geistreiche Maitressen, wie die von Goethe bewunderte italienische Gräfin Branconi, deutsche Baroninnen und französische Schauspielerinnen. Im Uebrigen knauserte er, wo er nur konnte, um die Schulden seines Vaters zu bezahlen und war ebenso gewissenlos als unermüdlich in der Auffindung neuer Hülfsquellen zur Verbesserung seiner ökonomischen Lage. Ein italienisches Lotto, dessen Pacht dem Geheimen Rath und Minister Feronce überlassen war, that in dieser Beziehung zwar sehr gute Dienste, reichte indessen zur Hebung der zerrütteten Finanzen allein noch nicht aus. Es galt also, da sich die Goldmacherei des alten Herzogs nicht bewährt hatte, noch andere außerordentliche Mittel flüssig zu machen.

Mitten über diesen Versuchen und Plänen zur Verbesserung des herzoglichen Haushalts traf Faucitt in Braunschweig ein. Ein Engel vom Himmel hätte zu keiner günstigern Stunde zum dortigen Hofe herniedersteigen und goldenen Segen spenden können als der englische Kommissär. Es kam jetzt darauf an, ihn gehörig auszubeuten. Er hatte, wie aus seiner Instruktion ersichtlich, den Auftrag, zuerst den damals fast allein gebietenden Erbprinzen zu sondiren und diesem einen Privatbrief des Königs zu überreichen. Faucitt, statt erst die Verhältnisse zu prüfen und sich der für ihn daraus ergebenden Vortheile zu versichern, hatte kaum die Reisekleider ausgezogen, als er am Abend des Tages seiner Ankunft, am 29. November dem Erbprinzen seine Aufwartung machte. Sobald dieser sich überzeugt hatte, daß der Engländer nichts von seinen häuslichen Verlegenheiten und der Finanznoth blasser Wehmuth wußte, nahm er die ihm so gut stehende Miene des herablassenden Gönners und Beschützers an. „Der Erbprinz — so berichtet Faucitt am 1. Dezember[S. 39] 1775 an Suffolk — gab mir die stärksten Versicherungen, daß er den königlichen Vorschlag billige und daß er allen seinen Einfluß auf den regierenden Herzog zu dessen Durchführung aufbieten wolle. Er verbürgte sich übrigens nicht dafür, daß sein Vater unbedingt darauf eingehen werde, da er nur ungern so viele seiner Unterthanen in einem unbekannten, so sehr entfernten Lande verwandt sehe, und fragte mich, ob nicht die Bestimmung der braunschweigigen Truppen besser nach Irland statt nach Amerika geändert werden könne, was ich natürlich unbedingt verneinte. Dann wünschte der Erbprinz, daß wenigstens ein Theil der Truppen nach Gibraltar und Minorka geschickt werden möge. Ich erwiderte ihm, daß bereits fünf Bataillone aus dem Kurfürstenthum dahin gesandt seien, daß also eine Aenderung nicht mehr stattfinden könne. Schließlich forderte mich der Prinz auf, von meinem Beglaubigungsschreiben nicht eher Gebrauch zu machen, als bis ich sicher sei, daß der Herzog auf meinen Antrag eingehen wolle.“

Der Erbprinz hatte jetzt das Spiel in den Händen und dabei den Vortheil, es mit einem höchst unerfahrenen Anfänger zu thun zu haben. Am 30. November rieth er ihm in einem freundschaftlichen, elegant geschriebenen französischen Briefchen, das natürlich seinen Eindruck auf den Empfänger nicht verfehlte, vorläufig nur als Privatmann bei Hofe zu erscheinen, da der Herzog sich sehr schwierig zeige, erklärte ihm aber seine Bereitwilligkeit, ihn von Allem in Kenntniß zu setzen, was dazu dienen könne, die Absichten des Königs zu fördern. Am 1. Dezember führte er weiter aus, wie schwer es sei, den Herzog trotz seiner finanziellen Verlegenheiten zu dem beabsichtigten Vertrage zu bewegen, da die Soldaten in seinen alten Tagen sein einziges Vergnügen, seine einzige Erholung seien. Am dritten Tage endlich, am 2. Dezember ward durch die unausgesetzten Bemühungen des Erbprinzen die Zustimmung des Herzogs erlangt.

„Der regierende Herzog — schreibt Faucitt am 2. Dezember an Suffolk — hat endlich (!! nach zwei Tagen!!) eingewilligt, einen Truppenkörper für Sr. Majestät Dienst in Amerika zu stellen. In Folge dessen habe ich heute mein Beglaubigungsschreiben überreicht. Der Herzog empfing mich äußerst gnädig, erklärte, des Königs Wunsch aus allen Kräften erfüllen und ein so starkes Korps stellen zu wollen, als die Lage der Dinge ihm gestatten werde. Er sagte, er habe Herrn von Feronce[S. 40] mit den Verhandlungen in dieser Angelegenheit betraut. Ich kenne diesen Minister schon lange. Er ist ein fähiger und erfahrener redlicher Mann, der Schlichen und Kniffen feind ist. Ich weiß noch nicht, wie groß die Zahl der Soldaten sein wird; jedoch gab mir der Erbprinz zu verstehen, daß sie nicht weniger als 4000 Mann betragen würde und daß wir sie zu Anfang des Frühjahrs haben könnten.“

Der Herzog beantwortete des Königs Brief am 5. Dezember, und zwei Tage darauf war schon der Vertrag zwischen Faucitt und Feronce abgeschlossen, der mit einigen nicht sehr erheblichen Abänderungen schließlich am 9. Januar 1776 angenommen wurde.

Der Herzog verpflichtete sich in diesem Vertrage, der Krone England 3964 Mann Infanterie und 336 Dragoner, im Ganzen 4300 Mann in zwei Divisionen für den Krieg in Amerika zu überlassen. Von diesen, mit Ausnahme der Pferde, vollständig auf Kosten des Herzogs zu equipirenden, mit Zelten und sonstigen Utensilien zu versehenden Truppen sollte die erste, aus 2282 Mann bestehende Division bereits am 25. Februar im Hafen sein, die letzte Division aber in der letzten Woche des März 1776 abmarschiren. Sie müssen am Orte der Einschiffung vom englischen Kommissär besichtigt werden, der jeden, ihm untauglich erscheinenden Soldaten verwerfen kann und den Truppen den Eid der Treue für den König von England abnimmt. Die Besetzung der vakanten Stellen behält sich der Herzog vor, die Verwendung der Truppen in Amerika bestimmt aber der König. Um ihre Desertion auf dem Marsche zu verhindern, erläßt der König von England als Kurfürst von Hannover an seine eigenen Behörden den Befehl, jeden Deserteur aufzugreifen und am Einschiffungsplatz dem Regimente zu überliefern. Ebenso verpflichtet sich der Herzog von Braunschweig, die nöthig werdenden Rekruten jährlich zu liefern, nachdem ihm wenigstens vier Monate vorher Kenntniß von der zu ergänzenden Zahl gegeben ist. Die Truppen stehen in Löhnung und sonstigen Vortheilen, wie Verpflegung, Behandlung in den königlichen Hospitälern, Fourage &c. ganz den königlichen Truppen gleich, und verpflichtet sich der Herzog, ihnen namentlich ihre ganze Löhnung ungeschmälert zukommen zu lassen. Die Schwerverwundeten und Dienstunfähigen werden auf königliche Kosten an die Mündung der Elbe und Weser zurückgeschafft, und die Dragoner sollen von dem Tage an, daß sie beritten gemacht werden, auf demselben Fuße mit der königlichen leichten[S. 41] Kavallerie stehen. Der Herzog erhält für jeden Fußsoldaten dreißig Kronen Banko (gleich 51 Thlr. 15 Sgr. preußisch) Werbegeld, wovon ein Drittel einen Monat nach Zeichnung des Vertrages und die anderen zwei Drittel zwei Monate später gezahlt werden sollen. Für die Soldaten, die am Tage der Musterung nicht anwesend sind, wird dieses Werbegeld natürlich entweder gar nicht oder erst dann gezahlt, wenn sie sich bei ihren Regimentern gestellt haben. Drei Verwundete gelten als ein Todter, und ein Todter wird nach der Rate des Werbegeldes mit dreißig Kronen bezahlt. Sollte durch eine Seuche, einen Schiffbruch, eine Belagerung oder eine Schlacht ein außerordentlich großer Verlust in einem Regimente oder Korps eintreten, so wird der König von England außerdem in der billigsten und liberalsten Weise den Verlust der Offiziere oder Soldaten ersetzen und die Kosten für neue Rekrutirungen tragen, um das von einem solchen Unglück betroffene Korps wieder vollzählig zu machen. Zur Vergütung für die außerordentlichen Kosten, welche durch die plötzliche Mobilmachung erwachsen sind, wird der Uebertritt der Truppen in den englischen Dienst antedatirt und ihnen Löhnung für zwei Monate vor dem Tage ihres Abmarsches ausgezahlt. Die jährliche an Braunschweig zu zahlende Subsidie, welche mit dem Tage der Unterzeichnung des vorliegenden Vertrages beginnt, ist eine einfache für die Zeit, daß die braunschweigischen Truppen in englischen Diensten stehen und beträgt 64,500 deutsche Kronen (gleich Lstr. 11,517. 17. 1½) per Jahr; sie wird aber eine doppelte, beläuft sich also auf 129,000 Kronen von dem Tage an, an welchem die braunschweigischen Truppen in ihre Heimath zurückkehren, und wird von diesem Zeitpunkt an noch zwei Jahre lang an den Herzog gezahlt.

Sehen wir jetzt, wie der Vertrag in dieser seiner definitiven Fassung zu Stande kam und lassen wir Faucitt und Suffolk die Geschichte der Verhandlungen selbst erzählen.

„Einliegend — schreibt jener am 7. Dezember 1775 an Suffolk — Entwurf eines Vertrages mit dem Herzog von Braunschweig für 4000 Infanteristen und 300 leichte Dragoner. Ich wollte eigentlich keine Kavallerie, da ich zu wissen glaube, daß Sie keine wünschen. Ich ließ sie mir aber gefallen und bestand nicht auf meinem Widerspruche, weil das Korps dem zum Kommando bestimmten Obersten Riedesel gehört und weil ich es für das Beste hielt, beim Anfang der Verhandlungen lieber etwas nachzugeben, als schwierig zu erscheinen. Das Werbegeld ist so[S. 42] niedrig, als ich es nach langem Hin- und Herreden nur festsetzen konnte. Von den zuerst verlangten 60 deutschen Reichsthalern habe ich es auf 30 Banko-Thaler (gleich 43 deutsche Reichsthaler) gebracht; es ist dies derselbe Preis, der bei der Marburger Uebereinkunft bewilligt wurde. Ihr entsprechend mußte ich mir auch gefallen lassen, daß der Anfang der englischen Löhnung auf zwei Monate vor dem Abmarsch des Korps festgesetzt wurde. Man bestand sogar Anfangs auf drei Monaten; es gelang mir aber, einen Monat abzuhandeln.

„Der Subsidien-Artikel war übrigens der wichtigste und schwierigste. Zuerst wurden, bis das Korps die englische Löhnung bezog, 120,000 Banko-Thaler verlangt, 70,000 Banko-Thaler so lange, als es dieselbe erhielt, und wieder 120,000 Banko-Thaler für den Zeitraum von sechs Jahren nach der Rückkehr der Truppen in ihr Vaterland. Nach zweitägigem Streit über diesen Punkt kamen wir endlich dahin überein, daß jeder Theil seinen Vorschlag zu Papier bringen und Ihnen zur Entscheidung vorlegen sollte. Uebrigens wird sich der Herzog in diesem Punkte dem König fügen. Er bittet nur, daß er im Falle einer plötzlichen Beendigung des amerikanischen Krieges in den Stand gesetzt werde, die außerordentliche Last zu tragen, welche diese neue Aushebung ihm auferlegen wird. Der letzte (im definitiven Vertrage gestrichene) Artikel, worin der Herzog verlangt, daß zwei Bataillone seiner Truppen, nämlich 1160 Mann, irgendwo in Europa garnisoniren sollten, wurde von mir auf das Aeußerste bekämpft. Der Herzog drang aber darauf, daß sein Vorbehalt dem Könige vorgelegt werden solle; er sei, wie er sagte, diesen Regimentern ganz besonders zugethan und dann eifersüchtig auf die den Hannoveranern im Mittelmeere zugewiesenen Garnisonen. Er wird sich aber mit der Zeit den Wünschen des Königs fügen. In der Voraussetzung, daß der Vertrag in der einen oder andern Form abgeschlossen wird, habe ich für jeden Rekruten, der diensttüchtig in Harburg abgeliefert wird, 30 Thaler versprechen müssen, indem der Herzog, um keine Zeit zu verlieren, sofort rekrutiren wollte. Sie sind natürlich verloren, wenn der Vertrag nicht zu Stande kommt.“

Suffolk war so sehr ob der günstigen Aussichten erfreut, welche Faucitt's Bericht ihm bot, daß er gar nicht handelte und feilschte, wofern er nur sein Ziel, schnelle Verschiffung der Truppen nach Amerika erreichen konnte. „Ich gebe Ihnen — schreibt er am 22. Dezember 1775 von[S. 43] St. James an Faucitt — meine volle Zufriedenheit über Ihren Eifer und Ihre Geschicklichkeit zu erkennen und lege Vollmacht für den Abschluß des Vertrages mit Braunschweig bei. Ihr Entwurf ist auf fünfzehn Artikel reduzirt. Alle braunschweigischen Truppen müssen nach Amerika; ihre anderweitige Verwendung ist durchaus unzulässig. Nur keine Verzögerung! Die Zeit, von der Sie sprechen, ist zu lang. Drei von den fünf Bataillonen müssen in der letzten Woche des Februar und der Rest Ende März am Einschiffungsplatze sein. Dieser Punkt ist von der äußersten Wichtigkeit. Sie müssen darauf dringen und bestehen. Da die englische Löhnung, wie ich hoffe, ein Mittel ist, ihn durchzusetzen, so ist Se. Majestät damit einverstanden, daß sie zwei Monate vor dem wirklichen Dienst beginnt. Wenn aber die erste Division noch früher marschiren kann, so können Sie die Löhnung verhältnißmäßig noch mehr vordatiren.

Die 300 Dragoner sind mehr als wir brauchen; indessen will der König sie unberitten nehmen, und sollen die Leute die Löhnung unsrer leichten Kavallerie haben. Sie haben Recht gehabt, daß Sie sich verpflichteten, selbst dann für die Rekruten zu zahlen, wenn der Vertrag nicht zu Stande kommen sollte. Dringen Sie auf Riedesel's Beförderung zum General. Wird den Wünschen Sr. Majestät überall entsprochen, so sind Sie selbst bevollmächtigt, die von Herrn von Feronce verlangte Subsidie zu bewilligen.“

In diesem letztern Punkte war Faucitt sogar noch vorsichtiger als der Minister, denn es gelang ihm am 9. Januar 1776, den sich auf die Subsidie beziehenden Theil des Vertrages zu günstigeren, als den ihm aufgegebenen Bedingungen abzuschließen.

„Der Herzog — schreibt er am 9. Januar 1776 an Suffolk — hat endlich alle Einwendungen gegen die Verschiffung seiner Truppen nach Amerika aufgegeben. Die zwei Bataillone, welche er in Europa behalten wollte, sind eigentlich die einzigen, für uns bestimmten regulären Truppen, sie bilden sein Veteranen-Regiment, das hauptsächlich aus seinen eigenen Unterthanen besteht, während die drei anderen Bataillone, mit einer geringen Ausnahme alter gedienter Soldaten und Offiziere, größten Theils rohe Rekruten sind, die aus aller Herren Länder zusammengestohlen wurden. Wir werden jetzt aber sechs Bataillone haben, die der Mehrzahl nach Braunschweiger sind. Sie sollen in zwei Divisionen an den Einschiffungsplatz Stade marschiren, und die erste derselben 2282 Mann, die[S. 44] letztere aber 2018 Mann zählen. Im Ganzen weicht der nunmehr endgültig abgeschlossene Vertrag wenig von Ihrem Entwurfe ab. Nur die Subsidie ist geändert. Sie ist aber von Anfang an bis zur Rückkehr der Truppen nur eine einfache. Die zweimonatliche Löhnung vor der Uebernahme in den englischen Dienst ist beibehalten.

Erlassen Sie sofort die erforderlichen Befehle zum Transport der Truppen und zur Vorbeugung ihrer Desertion in Hannover. Beifolgend eine Aufstellung der Mannschaften, für welche das Werbegeld und die zweimonatliche Löhnung im Voraus verlangt wird. Der Herzog bittet um sofortige Zahlung. Ebenso lege ich auf seinen und des Erbprinzen Wunsch einen Separat-Artikel bei, der auf das möglicher Weise zu erlassende Verbot des Kaisers gegen Truppenanwerbungen für fremde Mächte Bezug hat.“

Suffolk sandte am 20. Januar den ratifizirten Vertrag an Faucitt zurück. „Die verschiedenen Aenderungen desselben — sagte er in seinem Begleitschreiben von demselben Datum — sind nicht gemißbilligt; aber hinsichtlich der Subsidien enthielten meine Instruktionen keineswegs eine Bevorzugung des Vorschlages von Feronce, sondern nur die Erlaubniß für Sie, ihn dann anzunehmen, wenn Sie dadurch weitergehende Absichten erreichen konnten. Sagen Sie dem Herzog, daß der König den kurfürstlichen Behörden die geeigneten Befehle zur Verhinderung der Desertion gegeben hat. Der vom Herzog und Erbprinzen vorgeschlagene Separat-Artikel wegen des möglicher Weise vom Kaiser zu erlassenden Truppen-Aushebungsverbots für den Dienst fremder Mächte ist genehmigt. Wir halten diesen Vorbehalt für eine überflüssige Vorsichtsmaßregel und haben ihm nur unter der Voraussetzung zugestimmt, daß der Herzog Alles aufbieten wird, sein Korps zu vervollständigen und jedes Hinderniß, von welcher Seite es auch kommen mag, zu vereiteln.“

In einem „durchaus privat“ bezeichneten Anhange zu obiger offiziellen Depesche giebt Suffolk seinem Agenten auf, den Herzog wo möglich zu bestimmen, daß er den Separat-Artikel ganz fahren lasse. „Sie müssen ihm begreiflich machen, daß der ganze Vertrag im Laufe der parlamentarischen Verhandlungen ein Gegenstand der öffentlichen Debatte werden wird, daß der fragliche Artikel, obgleich dem Anscheine nach obligatorisch für uns, ohne auf der andern Seite Sicherheit zu gewähren (und folglich sehr vielen gehässigen Bemerkungen ausgesetzt) nicht allein aus diesem[S. 45] Grunde anstößig ist, sondern daß er sogar einen feindseligen Ausdruck gegen eine andere Macht enthält, und zwar über einen Punkt, der wenn nicht viel stärkere Gründe dafür sind, besser unerwähnt bliebe. Der für den Herzog daraus herzuleitende Vortheil ist unbedeutend und hängt von einem höchst unwahrscheinlichen Ereigniß ab. Wenn aber des Kaisers Proklamation wirklich in Kraft tritt und unser Rekrutenbedürfniß nach wie vor dasselbe bleibt, so kann es aus anderen Quellen leicht befriedigt werden, so daß kein vernünftiger Grund zur Befürchtung vorliegt, daß während der Zeit ihrer Dauer irgend ein Abzug von den Subsidien gemacht werde. Lassen Sie diesen Artikel nur im äußersten Nothfalle stehen; thun Sie aber, was Sie können, dagegen.“

Der Herzog stand, wie Faucitt am 20. Februar 1776 antwortete, ohne große Schwierigkeit von dem Verlangen des Separat-Artikels ab, der hauptsächlich vom Erbprinzen angeregt war, worauf denn am 18. Februar die Ratifikation ausgewechselt wurde. Faucitt erhielt einen Diamantring zum Werthe von 100 Pfund Sterling zum Geschenk. Er habe, sagte er, dessen Annahme nicht ausschlagen können, da ein solches Geschenk von früheren Verträgen her üblich sei. Der Kanzlei des englischen Ministeriums des Auswärtigen wies der braunschweigische Minister Feronce 150 Pfund zur Vertheilung an und versäumte zu gleicher Zeit nicht, Suffolk um eine Abschlagszahlung von 20,000 bis 30,000 Pfund zu bitten. Natürlich erhielt auch Feronce ein Geschenk. Es bestand in baarem Gelde; wie viel, wird in unseren Quellen nicht gesagt, und auch Feronce schweigt darüber in seinem Danksagungsbriefe vom 3. April 1776.

Die erste braunschweiger Division war zur festgesetzten Zeit marschfertig, mußte indessen in ihre Quartiere zurückbeordert werden, weil die englischen Transportschiffe noch nicht in Stade angekommen waren. So marschirte sie unter Kommando des Generals Riedesel erst am 22. Februar und kam am 5. März in Stade an, ohne auch nur einen einzigen Mann durch Desertion verloren zu haben. „Ich habe — schreibt Faucitt am 12. März an Suffolk — die Grenadire und Dragoner bereits eingemustert; sie haben viel zu viel alte Leute unter sich. Die vorderen und hinteren Glieder sind aus gesunden und kräftigen Mannschaften gebildet, aber das Centrum ist nichts werth. Es besteht aus lauter frischen Rekruten, die nicht allein zu klein, sondern auch schlecht gewachsen und theilweise zu jung sind. Prinz Friedrich's Regiment ist das beste. Die Waffen[S. 46] sind alt, aber gut und in Ordnung. Die Disziplin ist ausgezeichnet, kein Soldat war betrunken. Jedes Korps wurde einzeln beeidigt. Das dabei beobachtete Verfahren ist dieses: das ganze Regiment wird in einen Kreis formirt, der Auditeur liest den Eid vor, ermahnt die Truppen, sich als treue, tapfere und ordentliche Soldaten aufzuführen, worauf Offiziere und Mannschaften den rechten Arm erheben und den Eid Wort für Wort nachsprechen. Alles das ging sehr gut ab und vom 12. bis 17. März wurde die ganze erste Division eingeschifft.“

Derselbe Herzog von Braunschweig, der seinem Theater-Direktor jährlich 30,000 Thlr. Gehalt zahlte, der die schönsten und theuersten Maitressen unterhielt und Millionen für den sinnlosesten Luxus vergeudete, wollte oder konnte übrigens nicht einmal brauchbare Uniformen für seine Truppen beschaffen. Sie hatten keine Mäntel und kamen Ende März ganz zerlumpt und zerrissen in Portsmouth an. Hier mußten sie erst mit Schuhen und Strümpfen versehen werden. Das englische Ministerium streckte dem General Riedesel 5000 Pfund Sterling vor, damit seine Soldaten sich wenigstens die nothwendigsten Bedürfnisse kaufen konnten. Die englischen Kaufleute waren nicht die letzten, aus dieser Noth ihren Vortheil zu ziehen. Als man auf der See die Kisten mit dem englischen Schuhwerk für die Grenadiere öffnete, fand man dünne und leichte Damenschühchen und überhaupt lauter nutzlose Waare. „Sie müssen im Interesse des Dienstes darauf dringen — schreibt Suffolk an Faucitt am 2. April 1776 — daß sofort neue Uniformen angeschafft werden. Der Herzog muß sie bei Zeiten schicken, damit seine Truppen nicht unter der Ungunst des Wetters leiden und damit sie nicht unzufrieden werden, wenn sie ihre Kameraden besser gekleidet sehen.“ Es gelang denn auch den Vorstellungen Faucitt's, daß der ersten Division gegen Ende Juni neue Uniformen nach Kanada nachgeschickt wurden.

Um dazu in den Stand gesetzt zu werden, mußte sich der Herzog erst einen Theil seiner Forderungen an England auszahlen lassen. Die Löhnung, die vom Augenblick der Ankunft in Amerika fällig wurde, schickte die englische Regierung direkt an ihren dortigen General-Zahlmeister, der sie wieder an die Unterzahlmeister verabfolgte, von welchen sie den betreffenden Befehlshabern eingehändigt wurde.

Diese Vorsichtsmaßregel hatte ihre ganz bestimmten Gründe. Da die englische Löhnung doppelt so groß war als die deutsche, so hatten bei[S. 47] früheren Gelegenheiten Braunschweig und Kassel die Differenz in die Tasche gesteckt, eine Summe, die sich während des siebenjährigen Krieges auf mehrere Millionen belief. Diesem Unfug nun wollte England vorbeugen, um die deutschen Soldaten, die jetzt in einem andern Welttheile an der Seite der Engländer kämpften, auf gleichen Fuß mit diesen zu stellen und nicht aufzureizen. Die Sache schien sogar mit Recht dem Minister Suffolk wichtig genug, um sie zum Gegenstand eines besondern Paragraphen zu machen. Der arme deutsche Soldat, der für eine ihm ganz fremde Sache seine Haut zu Markte trug, mußte vom Käufer gegen die niedrige Habsucht des Verkäufers geschützt werden! Natürlich wurde dasselbe Verfahren auch den Hanauern, Anspachern und übrigen Landesvätern gegenüber eingehalten. Sie versprachen zwar, ihren Truppen die volle englische Löhnung zukommen zu lassen, um auf diese Weise das ganze Geld in die Hände zu bekommen; England traute ihnen aber nicht und handelte in der oben angegebenen Weise. Nur Kassel ließ sich diese Behandlung nicht gefallen und setzte es durch, daß die Löhnung für seine Soldaten dem Kriegszahlmeister des Landgrafen direkt verabfolgt wurde.

Die zweite Division Braunschweiger, bestehend aus dem Bataillon Barner und den Regimentern Rhetz und Specht, kam in den letzten Tagen des Mai in Stade an und wurde am 28. und 29. Mai von Faucitt in den englischen Dienst eingemustert. „Das Bataillon Barner, das ausdrücklich für den Dienst in Amerika ausgehoben ist, — berichtet Faucitt an Suffolk — besteht fast nur aus Rekruten; es befinden sich viele halbausgewachsene Jungen darunter, die kaum stark genug sind, das Gewehr zu tragen. In den Regimentern Rhetz und Specht fand ich viele alte Männer und im Zentrum eine Menge kleiner, schlechtgewachsener Jungen. Uniformen und Waffen sind gut. Die Offiziere beklagen sich über die nichtswürdig engen und schlechten Schiffseinrichtungen. Die Marineoffiziere selbst, welche die Transportschiffe unter sich haben, geben zu, daß diese gar keine Bequemlichkeiten bieten. Die Kajüten sind zu eng, die Leute müssen förmlich auf einander gepökelt werden. Zudem haben die Lieferanten in Bristol arg betrogen. Die Betten sind dürftig und dünn; die Kopfkissen nur fünf Zoll lang und sieben Zoll breit, kaum größer als Nadelkissen. Ein ganzes Bett, bestehend aus Matratze, Kissen, grober wollener Decke und Oberdecke, wiegt kaum sieben Pfund.“

[S. 48]

Die Verpflegung war nicht viel besser. Schinken mit Würmern, faules Trinkwasser und Schiffsvorräthe, die noch seit dem siebenjährigen Kriege in den englischen Magazinen gelagert hatten, wurden für gut genug zur Verpflegung der deutschen Soldaten befunden. Warum sollten auch die Engländer da Rücksicht nehmen, wo die deutschen Landesväter keine andre Sorge kannten, als möglichst viel Geld aus den verkauften Landeskindern herauszuschinden?

Diese zweite Division ging am 1. Juni 1776 in See, an demselben Tage, an welchem die erste unter Riedesel in Quebeck ankam.


Viertes Kapitel.

Faucitt war, nachdem er in den ersten Tagen des Dezember 1775 den Vertragsentwurf in Braunschweig abgeschlossen und an Suffolk eingesandt hatte, seinem Auftrage gemäß, sofort nach dem benachbarten Kassel abgereist, wo er am 10. Dezember ankam.

Kassel war zu jener Zeit und überhaupt während des ganzen achtzehnten Jahrhunderts eine der schönsten und glänzendsten Städte Deutschlands; es verdankte seine Pracht gerade dem Geschäfte, wegen dessen Faucitt es jetzt besuchte, dem Soldatenhandel. Das Blut und die Kraft des Landes wurde in der Residenz in Marmor und in Prachtbauten umgemünzt. Seit hundert Jahren war dort ein Fürst auf den andern gefolgt, der seinen Vorgänger in theils geschmackvollem, theils geschmacklosem Luxus, in großen Palästen und Gartenanlagen, Kunstsammlungen und Bildergallerien überbot. Hand in Hand mit dieser täglich reicher und kostspieliger auftretenden Baulust und Verschwendung ging natürlich auf der andern Seite der Menschenhandel und die Verarmung des Landes an Einwohnern. Die hessischen Landgrafen trieben die Unterhaltung eines theuern stehenden Heeres, die bei dem Einen ihrer Kollegen oft ein kindliches Spiel war oder bei dem Andern ein ernstes Ziel bedeutete, lediglich als ein regelmäßiges kaufmännisches Geschäft. Ihre Soldaten, aus einem kräftigen, unverdorbenen und tapfern Volksstamme hervorgegangen, wurden durch Disziplin und Uebung bald die besten und zuverlässigsten, darum[S. 49] auch gesuchtesten Truppen in Europa, und von England bis Griechenland gab es vom Ende des siebenzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts kaum ein Schlachtfeld, auf welchem sich die hessische Infanterie nicht rühmlich ausgezeichnet hätte.

Landgraf Karl I. (1677–1730), der Kasernen- und Kirchen-Erbauer, der zuerst die Wasserwerke auf dem Weißenstein (der spätern Wilhelmshöhe) anlegte, und dort den Herkules aufstellte, fing den Soldatenhandel mit dem Auslande an. 1687 überließ er 1000 Mann an Venedig zum Krieg gegen die Türken in Morea, 1702 gab er 9000 Hessen an die Seemächte, 1706 dienten deren 11,500 Mann in Italien und nach dem Utrechter Frieden vermiethete er wieder 12,000 Unterthanen an Georg I. Seit der Thronbesteigung Georg's II. zahlte England jährlich 240,000 Pfund Sterling Subsidien an den Landgrafen, eine für jene Zeit sehr bedeutende Summe. Sein Nachfolger Friedrich I. (1730–1751), der als Gemahl der Schwester Karl's XII. zugleich König von Schweden war und deshalb wenig in Hessen lebte, vermehrte gleichwohl sein Heer auf 24,000 Mann. Sein Bruder Wilhelm VIII., der zuerst als sein Statthalter und dann selbständig von 1751–1760 regierte, betrieb das Soldatengeschäft in noch größerer Ausdehnung, ja er versah sogar im österreichischen Erbfolgekriege beide kriegführenden Mächte mit Truppen, indem er 1743 sechstausend Hessen an Georg II., den Bundesgenossen Maria Theresia's, und ebensoviel Landeskinder an Karl VII., den ephemeren deutschen Kaiser, vermiethete. Es stand also Hesse gegen Hesse: es war ein Bruderkrieg auf fremde Bestellung, auf höhern Befehl und aus keinem andern Motive als zum Besten des landesväterlichen Säckels! Einige Jahre später bildeten die Hessen den Kern der holländischen Hülfstruppen, mit welchen der Herzog von Cumberland die Schlacht bei Culloden gewann, und im siebenjährigen Kriege kämpften wieder 12,000 Hessen für englische Interessen gegen die Franzosen in Deutschland.

Landgraf Friedrich II. (1760–1785), mit welchem wir es zunächst zu thun haben, gehörte durch seinen Reichthum, seine Familienverbindungen und die günstige Lage seines Landes trotz dessen verhältnißmäßig geringen Umfanges (156 Quadratmeilen mit nicht ganz 300,000 Einwohnern) zu den mächtigsten und angesehensten Reichsfürsten. Er hatte mit seinen Vorgängern einen gewissen nüchternen Blick, geschäftsmäßigen Ordnungssinn, rücksichtslosen Egoismus, grobe Sinnlichkeit und hartnäckigen Eigensinn[S. 50] gemein. In der innern Verwaltung seines Landes hatte er sich das Preußen Friedrich Wilhelm's I. und Friedrichs des Großen zum Muster genommen; sie war sparsam und gut. Das Heer erfreute sich natürlich seiner ganz besondern Vorsorge; indessen nahm er auch über die dienstlichen Angelegenheiten hinaus einen freundschaftlichen, oft sogar herzlichen Antheil an dem Wohlergehen und den Schicksalen seiner Offiziere. Mit seinen Obersten und Generälen führte er während des ganzen amerikanischen Krieges einen regelmäßigen Briefwechsel und entschied selbst über deren Wünsche und Beschwerden. Friedrich war katholisch geworden, weil ihm der Protestantismus zu wenig vornehm erschien, verhielt sich im Uebrigen aber nicht allein gleichgültig gegen die Religion, sondern gefiel sich darin, den Aufgeklärten, den Beschützer der Künste und Wissenschaften zu spielen und mit Voltaire zu korrespondiren. Er gründete sogar höhere Lehranstalten und Museen, ja trug in einzelnen Gesetzen eine gewisse Humanität und französisch gefärbte Bildung zur Schau. Wie wenig aber hinter diesem Scheine steckte, beweist die Anekdote, wonach er den Verskünstler Casparson für ein Lobgedicht, welches ihm dieser auf Seidenpapier gedruckt auf dem Abtritt hatte überreichen lassen, zum ordentlichen Professor am Carolinum ernannte. Es war eben eine kluge Berechnung, daß man, wie Schlosser sagt, die stille Klage und das verborgene Weinen im Lande durch lautes Zeitungsgeschrei von Kunst und Wissenschaft ersticken ließ. So sehr der Landgraf als Gemahl der englischen Prinzessin Marie, Tochter Georg's II., das englische Geld liebte, so sehr bewunderte er auf der andern Seite französische Sitte und Unsitte. Das offizielle Kassel war unter ihm eigentlich nur eine französische Kolonie. Französische Theater und Oper, französische Tänzerinnen und liederliche Weibsbilder, französische Weichlichkeit und Ueppigkeit, französische von Voltaire empfohlene Abenteurer, wie de Luchet und Trestondam traten in verantwortliche Stellungen und gaben dort den guten Ton an. Eine vom Herzog von Bouillon in Paris abgedankte Maitresse wurde nach Kassel verschrieben und erhielt, außer 2000 Thaler Gold Reisegeld, jährlich 10,000 Thaler Gold Gehalt. Außer dieser Maitresse en titre erfreute sich noch ein ganzer Harem der landesväterlichen Gunstbezeugungen. Die Zahl der unehelichen Kinder des Landgrafen läßt sich gar nicht bestimmen; es sollen deren über hundert gewesen sein. Seine rechtmäßigen Kinder, welche in Hanau von ihrer Mutter erzogen wurden, sah er, ohne daß sie ihm etwas zu Leide gethan[S. 51] hätten, volle neunundzwanzig Jahre nicht. Ihre Mutter hatte aber das Verbrechen begangen, sich von ihrem Manne, nachdem er katholisch geworden, zu trennen.

Trotz aller dieser Ausgaben und namentlich trotz seiner kostspieligen Bauten, wie Opernhaus, katholische Kirche, Museum und Paradeplatz, hinterließ Friedrich bei seinem Tode nahe an sechzig Millionen Thaler baares Vermögen. Es war, außer dem von dem Mailänder Sinistrario 1777 begründeten italienischen Lotto, hauptsächlich durch den Soldatenhandel erworben. Der Landgraf hatte, indem er zuerst System und Methode in dieses Geschäft brachte, schon im Jahre 1762 das freiwillige Werbesystem in Hessen aufgehoben und nach dem Vorbilde Preußens das Land in Kantone eingetheilt, deren jeder eine gewisse Anzahl Rekruten für ein bestimmtes Regiment liefern mußte. Sein Heer in Friedenszeiten belief sich auf etwa 16,000 Mann. Nur Kassel blieb nach wie vor frei von der Aushebung; blos diejenigen jungen Leute der Hauptstadt, die sich freiwillig meldeten, wurden Soldaten. Wenn die Eltern der weggenommenen Söhne klagten, so kam der Vater in die Eisenarbeit, die Mutter in's Zuchthaus. Wer desertirte, mußte zwei Tage hinter einander Spießruthen laufen, jeden Tag zwölf Mal, zuweilen bis zum Tode. „Nie — sagt Carl Julius Weber in seinen Briefen eines in Deutschland reisenden Deutschen — sah ich mehr arme Teufel durch die Gassen jagen, als einst in Kassel; die Trauermusik hörte ich in meiner Wohnung, und die Offiziere belehrten mich, daß Gassenlaufen der Gesundheit weniger nachtheilig sei als die alten Stockprügel“. Den Reisenden jener Zeit fällt immer das traurige gedrückte Wesen der Hessen auf, namentlich bemerken sie über den Gesichtern der Frauen eine tiefe Trauer, eine schmerzliche Resignation ausgebreitet. Die Hessen, welche um den beständigen Aushebungen zu entgehen, haufenweise nach Ungarn und Polen auswanderten, pflegten sich sehr bezeichnend selbst „Herrenmänner“ zu nennen. „Sind wir todt, so sind wir davon“, war eine gewöhnliche Redensart der armen Leute im Lande. Nach dem siebenjährigen Kriege war ganz Hessen von aller jungen Mannschaft entblößt, und kaum war wieder einige nachgewachsen, so mußte sie, der zwanzigste Theil der Bevölkerung des ganzen Landes, nach Amerika ziehen. Bei dieser Gelegenheit griff man natürlich auch zu Werbungen im deutschen Auslande; namentlich war Frankfurt eine Haupt-Rekrutenstation für die hessischen Werber.

[S. 52]

Der Minister dieses Fürsten nun, Ernst Martin von Schlieffen, ein geborner Pommer, war einer der geistreichsten, sonderbarsten, unter dem Anscheine der Sentimentalität nüchternsten und der Maske des Biedermannes berechnendsten Männer aus der Aufklärungszeit des vorigen Jahrhunderts. Natürlich verehrte auch er Voltaire und die französischen Enzyklopädisten als eine Art höherer Wesen. Als Jüngling durch eine Laune des großen Königs aus dem preußischen Dienste getrieben, hatte er in Hessen unter Wilhelm VIII. freundliche Aufnahme gefunden, den siebenjährigen Krieg unter dem Herzog von Braunschweig mitgemacht und es 1772 zum Generallieutenant gebracht. Schlieffen ist der eigentliche Vater der sogenannten Triasidee und der Vorläufer von Beust und v.d. Pfordten; er ersann nämlich nach dem siebenjährigen Kriege, um das Gleichgewicht zwischen Oesterreich und Preußen zu wahren, einen Bund der Mindermächtigen und suchte durch diesen in die große Politik einzugreifen. Derartigen Humbug duldete aber der alte Fritz nicht; er ließ sich vom „diplomatischen Kroppzeug“ nicht drein reden. Zur Zeit der Ankunft Faucitt's war Schlieffen zugleich Minister und die rechte Hand des Landgrafen, dessen Vortheil er nie außer Augen ließ. Dieser hätte in der That nirgends einen aufmerksamern, umsichtigern und gewissenhaftern Unterhändler als Schlieffen finden können. Faucitt war seiner Ueberlegenheit, seiner Weltkenntniß und Feinheit im Verkehr durchaus nicht gewachsen, wie denn überhaupt Schlieffen sich ebenbürtig an die Seite der besten Diplomaten seiner Zeit stellt. Später trat er wieder in preußische Dienste, wurde Kommandant von Wesel und Generallieutenant. Die Franzosen wollten ihn 1792 zum Befehlshaber unter Dumouriez machen. Schlieffen lehnte das Anerbieten ab, diente aber auch nicht gegen die von ihm so hoch bewunderte Nation und zog sich auf sein Gut Windhausen bei Kassel zurück, wo er ein beschauliches, den Wissenschaften gewidmetes Leben führte, sich selbst ein Grab mit sonderbarer Inschrift setzte und erst 1825, dreiundneunzig Jahre alt, starb. Seine Familiengeschichte der von Schlieben oder Schlieffen enthält eine der besten Abhandlungen über die Entstehungsgeschichte des deutschen Adels; seine Ansichten sind immer originell und geistreich, wenn sie oft auch den Autodidakten verrathen; nur werden sie leider durch einen bis zur Komik getriebenen Purismus oft ungenießbar. So nennt er sich als General und Minister einen Feldherrn-Geschäftsführer, ein Adjutant heißt bei ihm Feldhandbieter, die Musen sind[S. 53] Wissensgöttinnen, und der Staatssekretär ist ein Reichsschriften-Verweser.

Mit diesem Manne nun hatte Faucitt bei seiner Ankunft in Kassel zu thun. Von dem siebenjährigen Kriege her noch oberflächlich mit ihm bekannt, hielt er sich an die weltmännische Außenseite, an die glatten und gewinnenden Formen des Ministers und wünschte sich schon Glück, daß er weit besser mit ihm als mit dem pedantischen Feronce zum Ziel kommen werde. Er sollte aber bald zu seinem Schaden finden, daß er mit dem braunschweigischen Minister ein viel leichteres Spiel gehabt hatte. Faucitt überbrachte Schlieffen ein Einführungsschreiben des Erbprinzen von Braunschweig, der darin den Abschluß eines Truppenlieferungsvertrages mit England anzeigte, „da man doch aus Rücksichten der Freundschaft und Verwandtschaft dem Wunsche des Königs von England habe Folge leisten müssen“, und der zugleich den Besuch Faucitt's in Kassel zu demselben Zwecke ankündigte. Schlieffen erklärte, daß der Landgraf unwohl sei und zur Zeit Niemanden empfangen könne, zeigte sich im Uebrigen aber geneigt, auf den Vorschlag einzugehen und seinen Herrn dafür zu gewinnen. Derselbe sei, fügte er hinzu, sehr verstimmt und leicht reizbar; man müsse deshalb vorsichtig mit ihm umgehen und ihn schrittweise auf die Absichten Faucitt's vorbereiten. Ganz so schlimm muß es in der Wirklichkeit mit der üblen Laune des Landgrafen nicht gestanden haben, denn schon zwei Tage nach dem ersten Empfang des englischen Gesandten erklärte Schlieffen diesem, daß Serenissimus nicht allein keine Einwendungen mache, sondern den Vorschlag des Königs von England mit Vergnügen annehme und ihm so viel Truppen überlassen wolle, als er nur entbehren könne. „Der General — schreibt Faucitt am 12. Dezember 1775 an Suffolk — fragte mich, wieviel Soldaten wir brauchen würden? worauf ich erwiederte, 10,000 bis 12,000 Mann, mir nicht einbildend, daß der Landgraf eine so große Zahl zu liefern im Stande sei. Der General versprach sie mir aber sofort, da sich die Kriegseinrichtungen Hessen's seit dem letzten Kriege auf einem ausgezeichneten Fuße befänden, und sagte zugleich zu, daß die Truppen bis zum April spätestens marschfertig sein sollten. Am Schlusse unsrer Unterredung erwähnte Schlieffen noch eine Forderung für Hospital-Ausgaben, welche Hessen angeblich im letzten Kriege für uns gemacht und deren Bezahlung er bisher vergeblich gefordert habe. Ich erklärte, von der Sache gar nichts zu wissen, und hoffe, die Verhandlungen schließen zu[S. 54] können, ohne daß mir deshalb Bedingungen auferlegt werden. Ich benachrichtige Sie sofort von diesem Anspruche, weil des Landgrafen Minister leicht aus unsrer gegenwärtigen Verlegenheit Nutzen ziehen und auf Befriedigung dieses angeblichen Anspruches bestehen könnte.“

Schlieffen las aus der Eile und Hast, mit welcher Faucitt die Unterhandlungen betrieb, sehr schnell seinen Vortheil heraus und fand darin nur eine Aufforderung mehr für sich, den Gunst bewilligenden Gönner zu spielen und langsam, ja anscheinend widerwillig sich ein Zugeständniß nach dem andern entreißen zu lassen. Die Bedingungen, welche er aber in der That vorschrieb, gingen soweit, daß sie das eigentliche Verhältniß zwischen beiden Kontrahenten auf den Kopf stellten und den englischen Gesandten und Minister des Auswärtigen zu Bittstellern herabsetzten, die froh sein mußten, daß ihnen nur ein Theil ihrer Wünsche gewährt ward. Die Situation war einfach diese: der Landgraf hatte Geld und konnte warten; der König von England aber hatte keine Truppen und konnte nicht warten. Der verschuldete Herzog von Braunschweig hatte wie ein hungriger Klient mit seinem reichen Patrone verhandeln müssen und würde, wenn Faucitt seinen Vortheil verstanden hätte, auf jedes Gebot, auf jede Bedingung eingegangen sein. Schlieffen aber wußte, daß er unentbehrlich war und konnte deshalb durch Zurückhaltung nur gewinnen.

Der Vertrag, dessen definitiver Abschluß die Zeit vom 12. Dezember 1775 bis zum 31. Januar 1776 in Anspruch nahm, stimmt in seinen Zwecken und wesentlichen Grundzügen mit der Braunschweiger Konvention überein. Es genügt deshalb, hier nur diejenigen formellen und materiellen Bedingungen hervorzuheben, durch welche sich beide von einander unterscheiden.

Zunächst schloß also der winzige Landgraf von Hessen mit dem mächtigen König von England keinen Truppenlieferungsvertrag, wie Braunschweig, sondern eine Allianz, ein Schutz- und Trutzbündniß, worin der eine Theil (§. 1.) dem andern treue Freundschaft und die Förderung seiner Interessen wie seiner eignen verspricht, und sich verpflichtet, alle Verluste und Nachtheile vom andern abzuwenden. Ja England ging in den Paragraphen 10. und 11. so weit, dem Landgrafen den ungeschmälerten Besitz seines Gebietes zu verbürgen, falls er angegriffen werden sollte, und natürlich verpflichtete sich auf der andern Seite der Landgraf, dem Könige von England im Falle eines Angriffes zu Hülfe zu kommen und seine[S. 55] Besitzungen vertheidigen zu helfen. Wir werden später sehen, wie heftig diese Bestimmung, als der englischen Krone unwürdig, vom Parlament angegriffen wurde.

Ueber dieser Wahrung seiner politischen Gleichberechtigung übersah Schlieffen durchaus nicht die materiellen Vortheile. Zunächst setzte er durch, daß aus allen früheren mit England abgeschlossenen Verträgen die Hessen günstigsten Bestimmungen in den neuen Vertrag aufgenommen wurden, wie dies auch aus seiner Einleitung hervorgeht. Natürlich hütete sich Schlieffen wohl, irgend welche nachtheilige Klauseln aus der Vergangenheit hervorzuziehen, dagegen war er, wo es seinem Interesse entsprach, in einzelnen Fällen um so geschickter, eine Uebereinstimmung zwischen der Gegenwart und längst obsolet gewordenen Paragraphen der früheren Verträge zu entdecken. „Schlieffen wollte es zuerst als einen unsere Verhandlungen leitenden Grundsatz anerkannt sehen — schreibt Faucitt am 20. Dezember 1775 an Suffolk — daß die Verträge, welche früher zwischen beiden Höfen abgeschlossen wurden, als die Basis gelten sollten, auf welcher auch der gegenwärtige Vertrag abzuschließen sei, und daß wir im Laufe unsers Geschäftes nur dann davon abgehen dürften, wenn die veränderten Umstände es unbedingt verlangten. Eine Zustimmung zu diesem Vorschlag meinerseits würde mich, wie ich fürchtete, einer unangenehmen Beschränkung ausgesetzt haben. Ich widersprach also, indem ich einwandte, daß augenblicklich kein allgemeiner Krieg herrsche, daß ferner Hessen nicht in Gefahr schwebe, von einem fremden Feinde überfallen zu werden, daß demnach die Verhältnisse, welche die Mehrzahl der alten Verträge hervorgerufen, nicht existirten, weshalb es rathsamer sein und unsre Arbeit bedeutend abkürzen würde, wenn wir unsere Berathungen hauptsächlich auf diejenigen Punkte beschränkten, welche der vorliegende Fall erheische. Der General bestand aber darauf, daß den früheren Verträgen anhängen, auf geebneten Wegen gehen heiße, und daß dadurch der Abschluß unserer Verhandlungen eher gefördert als gehemmt werde. Außerdem, sagte er, sei es seines Herrn bestimmter Befehl, nur auf der alten Grundlage zu verhandeln und weiter zu gehen. Der Landgraf verlange also, daß seine Verbindung mit England nur im Einklang mit den früher befolgten Prinzipien erneuert und keine ungünstigere, als irgend eine der ihm bei früheren Gelegenheiten bewilligten Bedingungen angenommen werde, um so mehr, da seine Truppen zum Dienste in einem so entfernten Lande verwandt werden[S. 56] sollten. Ich mußte also nothgedrungen nachgeben. Der Vertrag ist in der gewöhnlichen Form entworfen; viele seiner Artikel sind den früheren Verträgen, namentlich demjenigen von 1755 entnommen“ (dem vom Herzog von Newcastle abgeschlossenen, gegen den Pitt damals auftrat).

Suffolk behandelte übrigens die Frage sehr oberflächlich und leichtsinnig und meinte, es sei nichts als eine Pedanterie, ein Spielen mit inhaltsleeren Worten, in welchen man sich an kleinen Höfen gefalle, wo es keine wirklichen Geschäfte gebe, hatte deshalb auch nichts gegen Faucitt's Nachgiebigkeit einzuwenden. Schlieffen zeigte diesem aber bald, welche praktische Folgerungen sich aus dieser vermeintlichen Prinzipienreiterei ziehen ließen.

Zuerst also setzte er durch, daß das Werbegeld auch für die Offiziere bewilligt wurde, während es der Herzog von Braunschweig nur für die Soldaten verlangt und erhalten hatte. Indessen war es im Vertrage von 1755 als eine Art Geschenk auch für die Offiziere gezahlt worden, damit sie sofort ausrücken könnten. Es mußte mithin auch jetzt, obwohl unter gänzlich veränderten Umständen, auf Schlieffen's Verlangen gezahlt werden. Der Mehrbetrag, der auf diese Weise in die Tasche des Landgrafen floß, war um zwanzig Prozent höher, als wenn das Werbegeld nur für die Gemeinen in Ansatz gekommen wäre. Dann wurde die Subsidie nicht, wie bei Braunschweig in deutschen Kronen, sondern in Kronen Banko[1] (à 1 Thlr. 21½ Sgr.) festgesetzt und zur Erzwingung dieses Anspruches auch wieder der Präzedenzfall aus dem Jahre 1755 geltend gemacht. Die Subsidie war eine doppelte während der ganzen Dauer des Krieges d.h. 450,000 Kronen (gleich 772,600 Thlr. Pr. Ct.) für 12,000 Mann, also 37½ Krone per Kopf. Der König von England mußte sie ein volles Jahr vor ihrem Ablaufe kündigen, doch durfte er diese Kündigung erst nach der Rückkehr und Ankunft der Truppen in Hessen geben.

Diese Bedingung erwies sich in der Folge als die härteste und lästigste von allen. Faucitt und mit ihm Suffolk gingen von der Voraussetzung aus, daß der Krieg nur ein, höchstens zwei Jahre dauern werde; beide arbeiteten deshalb von Anfang an darauf hin, daß die Subsidie [S. 57] nicht noch Jahre lang nach dessen Beendigung bezahlt zu werden brauchte. In früheren Fällen war sie gewöhnlich nach dem Friedensschluß noch zwei, einige Mal sogar noch vier Jahre und zwar zum doppelten Betrage der während des Krieges gezahlten Summe in Kraft geblieben. Auch Braunschweig erhielt im Einklang mit dieser Praxis während des Krieges eine einfache und nach Beendigung desselben noch zwei Jahre lang eine doppelte Subsidie. Schlieffen dagegen sah weiter und glaubte von vorn herein nicht an einen baldigen Friedensschluß, sondern hielt einen langjährigen Krieg für wahrscheinlich und schlug deshalb für dessen Dauer eine doppelte Subsidie vor. Im ungünstigsten Falle verlor er im Verhältniß zu Braunschweig nur ein Jahr, da die Subsidie selbst nach Beendigung des Krieges noch ein Jahr nach der Ankunft der Truppen in Hessen gezahlt werden mußte. Dauerte dagegen der Krieg länger als ein Jahr, so war aller Vortheil auf Seiten Schlieffen's. Dieser that, als bringe er dadurch ein Opfer, daß er außer der einjährigen auf jede Subsidie nach dem Friedensschluß verzichte, und erklärte Faucitt, es sei ihm eigentlich das alte Verfahren lieber; indessen wolle er in Anbetracht anderer Vortheile im vorliegenden Falle gern nachgeben. Dagegen behielt er sich zum Schein die Wahl vor, die Truppen nach vier Jahren zurückzurufen oder dann einen neuen und zwar bessern Vertrag abschließen zu dürfen. Natürlich war das nur eine Spiegelfechterei, an deren Geltendmachung Schlieffen auch in der Folge niemals dachte. Allein Faucitt biß an, Suffolk ließ sich auch fangen, und der Landgraf von Hessen steckte einen Mehrgewinn ein, der sich während der zehnjährigen Dauer des Vertrages auf ungefähr 600,000 Pf. Sterl. oder vier Millionen Thaler belief.

Sodann durften die hessischen Truppen im Dienste England's nur auf dem Kontinent von Nordamerika verwandt werden; sie hatten ihre eigenen Aerzte und Hospital-Einrichtungen, die ebenfalls vom König von England unterhalten werden mußten, und erhielten ihre Löhnung nicht vom englischen Zahlmeister, sondern direkt vom Landgrafen, in dessen Kriegskasse die zu diesen Zwecke bestimmte Summe eingezahlt werden mußte. „Ich bestand — schreibt Faucitt in demselben Briefe vom 20. Dezember 1775 an Suffolk — mit aller Energie darauf, daß die hessischen Truppen ihre Löhnung so reichlich und ungeschmälert erhalten müßten als die englischen. Der General erkannte ohne Weiteres die schmachvollen Gaunereien an, unter denen die Hessen während des letzten Krieges in[S. 58] Deutschland gelitten hatten und versicherte mich, daß er zwar, um nicht das Mißvergnügen des Landgrafen zu erregen, keinen besonderen Artikel über diesen Punkt in den Vertrag bringen dürfe, daß ich mich aber darauf verlassen könne, daß sie dies Mal auf einem ebenso guten, wenn nicht bessern Fuße gehalten werden sollten, als zur Zeit, wo sie in England gewesen (1745).“

Der Landgraf willigte also nicht ein, daß seine Soldaten direkt von England bezahlt wurden, noch gab er die bestimmte Erklärung, daß sie auf demselben Fuße mit den englischen Truppen stehen, sondern stellte nur in Aussicht, daß sie dies Mal besser als früher behandelt werden sollten. Der Grund für die Erzwingung dieser Bedingung war kein andrer, als daß sich auf diese Weise mehr Leute in Anrechnung bringen ließen, als wirklich im Dienste waren. Daß der Landgraf dieses ehrlose Mittel, einen unerlaubten Gewinn zu machen, nicht verschmähte, ergiebt sich aus den beständigen Klagen und Berichten der englischen Musterungsoffiziere und General-Kriegskommissaire, die in den Zahlungslisten stets mehr Soldaten aufgeführt fanden, als wirklich bei den Fahnen standen. Nur aus diesem Gesichtspunkte läßt es sich erklären, daß Schlieffen nicht, wie Braunschweig, dreißig Kronen Banko für jeden Todten oder für je drei Verwundete verlangte, sondern, daß er bei den Verhandlungen das Hauptgewicht auf die Auszahlung der hessischen Löhnung durch den Landgrafen legte. Ein Hesse, der nur drei Monate länger auf den Präsenzlisten geführt wurde, brachte schon mehr ein, als ein braunschweigischer Verwundeter.

Obgleich der Vertrag erst am 31. Januar abgeschlossen wurde, so mußte er auf den Wunsch des Landgrafen, der für die eingetretene Verzögerung dem englischen Ministerium Schuld gab, doch auf den 15. Januar vordatirt und von diesem Tage an auch die doppelte Subsidie bezahlt werden. Die Löhnung für die erste Division, die am 16. Februar marschiren sollte, fing ebenfalls schon zwei Wochen früher, nämlich am 1. Februar an, während die zweite Division sie sieben Tage vor ihrem wirklichen Abmarsche erhielt, um sie für die mit der schnellen Ausrüstung verursachten außerordentlichen Ausgaben zu entschädigen. Außerdem wurde den Truppen die englische Löhnung noch bis zum Ende des Monats zugesichert, in dessen Laufe sie in ihre Heimath zurückgekehrt sein würden.

Wohl hatte Schlieffen Ursache, sich später dieses Meisterstückes seiner[S. 59] Diplomatie zu rühmen und zu sagen, daß keiner der Verträge, deren Hessen's Landesherren früher mehrere mit England geschlossen, je für sie so vortheilhaft gewesen sei, als der von ihm eingegangene. Der einzige Punkt, in welchem er nachgab, war das Verlangen, daß das ganze Korps noch ein ganzes Jahr nach seiner Rückkehr in englischem Solde stehen sollte. Er stützte sich für diese Forderung auf den fünften Artikel des Londoner Vertrages vom 1. April 1760, mußte sie aber bei näherer Prüfung des Originals fallen lassen, weil die damals überlassenen beiden Truppenabtheilungen nur aus Gefälligkeit von England bezahlt waren, um dem Landgrafen in seiner eignen Hauptstadt die Residenz zu ermöglichen.

„Der Vertrag mit Braunschweig — schreibt Suffolk am 2. Januar 1776 an Faucitt — mag Ihnen als Muster für den mit Hessen abzuschließenden dienen. Der König wünscht, daß wo möglich ein Vertrag dem andern gleiche. Können Sie daher den Schlieffen'schen Entwurf dem braunschweigischen Vertrag näher bringen, so ist es desto besser. Sollte Schlieffen dagegen auf seiner Parade mit Redensarten bestehen, so beharren Sie nicht auf ihrer Verwerfung, sondern behalten Sie sich wesentliche Punkte vor. Eine Ersparniß würde uns allerdings sehr erwünscht sein, indessen darf sie nicht unserm großen Zwecke im Wege stehen, welcher darin besteht, daß wir so schnell als thunlich möglichst viele Soldaten erhalten. Wenn deren 10,000 Mann zu erlangen sind, so wird hoffentlich ein Theil derselben früher als zur festgesetzten Zeit zu marschiren im Stande sein. Sie wissen selbst, von welch' ungeheurer Wichtigkeit eine frühzeitige Einschiffung ist.

Der erste Gegenstand, der Ihre ernste Aufmerksamkeit verdient, ist die Geldwährung, in welcher das Werbegeld und die Subsidien bezahlt werden sollen. Der Vortheil von fast fünfzig Prozent, welchen der Kassler Hof auf diese Weise über den Braunschweiger gewinnt, sollte eigentlich durch die außerordentliche Schnelligkeit in der Beförderung der Truppen ausgeglichen werden. Darauf kommt Alles an. Diesen Vorzug müssen wir wenigstens vom Landgrafen erlangen. Gehen Sie schlimmsten Falles aber auf alle seine Bedingungen ein, wenn Sie keine besseren festsetzen können. Das Verlangen der Werbegelder für Offiziere ist neu, sollte also nicht zugegeben werden. Die von Ihnen angenommene Art der Subsidienzahlung ist vom Könige gebilligt. Hoffentlich wird der Landgraf nicht darauf bestehen, daß die doppelte Subsidie noch ein ganzes Jahr nach der[S. 60] Rückkehr seiner Truppen in ihre Heimath gezahlt wird. Geben Sie höchstens sechs Monate zu. Die Löhnung der Truppen sollte eigentlich mit ihrer Rückkehr aufhören, jeden Falls aber muß sie mit dem Monate ihrer Rückkehr enden.

Der Separat-Artikel, welcher der Desertion der Truppen im Kurfürstenthum Hannover vorbeugen soll, kann keinen Theil eines Vertrages mit dem Könige von England bilden. Der Landgraf wird sich am besten gegen Desertion und die Abneigung der deutschen Soldaten gegen eine Seereise schützen, wenn er ihnen alle Vortheile der englischen Löhnung sichert. Sie dürfen diese Löhnung nur im Einschiffungshafen oder da anfangen lassen, wo die Truppen des Landgrafen Gebiet verlassen. Richten Sie ihre ganze Aufmerksamkeit darauf, daß die Einschiffung ohne Zeitverlust erfolgt, da die schnelle Beförderung der Hessen auf den Kriegsschauplatz von der höchsten Wichtigkeit ist. Wir müssen vor Allem jede Art Verzögerung verhüten, indem diese den Hauptvortheil der erwarteten Hülfe zu nichte machen würde.“

Die Vorschriften und guten Lehren, welche Suffolk hier gab, kamen zu spät. Schlieffen bestand auf seinen Forderungen und Faucitt mußte wohl oder übel nachgeben, weil sonst das ganze Geschäft gescheitert wäre. „Der Landgraf — schreibt der Unterhändler am 1. Februar 1776 an Suffolk — der keine Schulden, sondern sehr gute Finanzen hat, ist in diesen Dingen schwer zu behandeln; er hätte einfach sein Korps nicht marschiren lassen. Er hält den Krieg von nur kurzer Dauer und will sich sicher stellen.“ Jetzt entdeckte denn endlich Suffolk auch, warum Schlieffen immer auf die alten Verträge zurückgegangen war. „Seine Vorliebe für Präzedenzfälle — meint er bei Uebersendung der Ratifikation am 12. Februar 1776 — hat sich hier nicht auf bloße Formalitäten beschränkt, sondern mit besonderm Geschick alle ihm günstigen zufälligen Bestimmungen aus früheren Verträgen zusammengesucht. In Anbetracht der Tüchtigkeit und Zahl der Truppen aber, und der Schnelligkeit, mit welcher sie marschfertig gemacht sind, sowie der Unbestimmtheit der Zeit, für welche sie in unsern Dienst treten, billigt der König die gegenwärtige Fassung der Artikel.“

Trotz aller dieser Zugeständnisse waren übrigens die Forderungen des Landgrafen noch nicht erschöpft. Er verlangte ferner die Erledigung seiner angeblichen Rechnungen für Hospitalauslagen, die aus dem siebenjährigen[S. 61] Kriege her rückständig sein und Lstr. 41,820. 14. 5 betragen sollten. Alles, was Faucitt erreichen konnte, war die Einwilligung, daß diese Ansprüche keine Paragraphen des neuen Vertrages bildeten; wogegen er deren sofortige Prüfung und eventuelle Erledigung versprechen mußte. Auch Suffolk beeilte sich, dem Landgrafen die beruhigendsten Zusicherungen zu geben, verzögerte aber die endliche Entscheidung und wagte, durch den zu diesem Zwecke eigens nach London gekommenen Schlieffen gedrängt, erst im Mai 1777 gegen Ende der Sitzung die Sache dem Hause vorzulegen.

Die Opposition führte den Beweis, daß der Anspruch schon vor vierzehn Jahren erhoben und als ungerecht verworfen worden sei. Die Minister waren nicht im Stande, das Gegentheil zu beweisen, behaupteten dagegen, daß der Anspruch nur geruht habe und in Ermangelung erschöpfender Beweise blos vorläufig abgewiesen sei. Obgleich seitdem keine neuen Beweise beigebracht waren, so erschien er ihnen jetzt doch in jeder Weise gerecht und billig, da es galt, einen so eigensinnigen und zugleich unentbehrlichen Geschäftsfreund wie den Landgrafen nicht vor den Kopf zu stoßen. Thomas Bishop, der zur Zeit des siebenjährigen Krieges mit diesem Zweige der Verwaltung der verbündeten Armee beauftragt gewesen war, wurde jetzt vom Ministerium auf's Neue angewiesen, die vorgelegten Rechnungen zu prüfen. Bei dem besten Willen, sich Lord Suffolk und dessen Kollegen gefällig zu zeigen und unbewiesene Belege für erwiesene anzunehmen, konnte er als höchste Summe doch nur Lstr. 29,321. 16. 8 zusammen rechnen, so daß also der Landgraf selbst im günstigsten Falle Lstr. 12,498. 17. 9 zu viel verlangte. Bishop gesteht aber selbst zu, daß er die Versicherung des Herzogs oder Erbprinzen von Braunschweig und anderer hochgestellter Personen, daß eine Rechnung richtig sei, stets als genügenden Beweis angenommen habe.

Bei den Verhandlungen im Hause selbst meinte der Oberst Barre, man könne sich zu den kleinen deutschen Fürsten jeder Schandthat versehen, sie wären froh gewesen, wenn sie für manche ihrer Forderungen aus dem siebenjährigen Kriege einen Penny für den Shilling erhalten hätten; auch der gegenwärtige Anspruch sei nichts als versuchter Schwindel. Baldwin wandte ein, daß der hessische Landgraf, wenn er eine gerechte Forderung gehabt hätte, nicht vierzehn Jahre auf ihre Bezahlung gewartet haben würde; er, der Redner, wisse aber, daß sie, weil unbegründet, ihrer Zeit[S. 62] unbedingt verworfen worden sei. J. Townshend betrachtete die geforderte Summe als neue Subsidie, als einen, jeden Engländer beschimpfenden Tribut. Burke erklärte die Ehre der Nation dafür verpfändet, daß der Anspruch nicht bezahlt werde. Booth erschien die ganze Sache deshalb verdächtig, weil sie so spät gegen Ende der Sitzung, wo die meisten Mitglieder vom Lande schon nach Hause zurückgekehrt seien, vorgebracht werde. Die Abstimmung erfolgte am 8. Mai 1777 und ergab eine Majorität von nur fünfzig Stimmen gegen zwei und vierzig zu Gunsten des Ministeriums. So wurden denn dem Landgrafen von Hessen unter dem Titel eines bisher unbefriedigten Anspruches für Hospital-Rechnungen aus dem siebenjährigen Kriege noch Lstr. 41,820. 14. 5 gleich 268,804 Thlr. 15 Sgr. bezahlt. Auf die inzwischen angelaufenen Zinsen verzichtete der Empfänger. Ob er es wohl gethan haben würde, wenn er seine Forderungen als richtig hätte nachweisen können?

Der Landgraf bot übrigens, nachdem das gegenseitige Verhältniß einmal vertragsmäßig festgesetzt war, Alles auf, um seinen Verbindlichkeiten auf's Gewissenhafteste nachzukommen. Bei seiner übermäßigen Geldgier, wie Faucitt seine Plusmacherei bezeichnet, hinderte ihn diese Gewissenhaftigkeit jedoch nicht, überall seinen Vortheil zu erspähen und wo sich nur eine Gelegenheit bot, die Ausgaben höher zu treiben. So benutzte er den im Vertrage gebrauchten unbestimmten französischen Ausdruck „attirail“ der Artillerie (Zurüstung und Geräth) zur Berechnung aller möglichen Posten und Nebenforderungen, so daß Suffolk ganz erschrocken ob der angeschwollenen Rechnung Faucitt eiligst bat, doch ja in Zukunft unbestimmte französische Ausdrücke zu vermeiden. Außerdem wurde für Fuhren und Fuhrdienst, Transportwagen und Lederzeug besonders liquidirt; allein das englische Ministerium mußte, wenn auch widerwillig, Alles bezahlen, da es vorher auf die schleunigste Mobilmachung der hessischen Truppen gedrungen hatte.

Diese waren zur ursprünglich bestimmten Zeit, d.h. Mitte Februar, marschfertig, konnten aber so wenig wie die Braunschweiger ausrücken, weil seitens des englischen Marineministeriums die Vorkehrungen für die Beförderung der fremden Soldaten so liederlich und verspätet getroffen waren, daß die Transportschiffe erst zu Anfang März von England nach Bremerlehe abfahren konnten. So blieben die Hessen denn noch vierzehn Tage länger in ihren Quartieren. Die erste Division marschirte erst am[S. 63] 2. März zum Einschiffungshafen ab, wo sie zwischen dem 15. und 20. März eintraf. Faucitt musterte sie am 20. März in den englischen Dienst ein.

Er war ganz entzückt von den prächtigen Regimentern und schrieb in diesem Sinne am 25. März 1776 an Suffolk, wie folgt: „Die mit guten Büchsen bewaffneten Jäger sind kräftige und schöne Leute und von Jugend an gelernte tüchtige Schützen. Das Grenadierbataillon Linsing ist ein prachtvolles Korps, ein herrlicher Menschenschlag; die Mannschaften stehen sämmtlich noch in ihrer ersten Jugend und besten Kraft. Die Regimenter Garde du Korps (Oberst Wurmb), Prinz Carl (Oberst Schreiber), General Ditfurth (Oberst Bose), General Trümbach (Oberst Bischhausen) sind gleichfalls ausgezeichnet und für jede Art Dienst geeignet. Es ist schwer zu sagen, welches von ihnen das beste ist. Alle zusammen haben nur sechs Kranke und sechs Deserteure. Vier Regimenter sind schon eingeschifft, die Grenadiere werden morgen eingeschifft und die Jäger, sobald ein andrer Transport ankommt. Die Disziplin der Soldaten ist ausgezeichnet. Fünf andre Korps — fährt Faucitt am 2. April fort — sind vor diesen Tagen eingemustert: ein Grenadierbataillon, Oberst Block, die Füsilier-Regimenter Erbprinz, Oberst Hachenberg, Knyphausen, Oberstlieutenant Borck, Mirbach, Oberst Loos und Donop, Oberst Rosen. Alle fünf sind ungewöhnlich schöne Regimenter, vollständig uniformirt und bewaffnet und für jeden Dienst in der ganzen Welt tauglich. Ich erwähne die alten Leute nicht, weil ihrer kaum zehn bis zwölf sind, die älter als vierzig bis fünfundvierzig Jahre sein mögen. Nur in der Höhe der Mannschaften herrscht ein kleiner Unterschied vor; das erste Glied ist vielleicht einen halben bis einen Zoll größer als die übrigen, allein kein Mann war unter fünf Fuß acht Zoll, und alle Glieder waren einander gleich. Das Centrum war ein wenig kleiner, aber auch dieses besteht aus jungen, gesunden und gut aussehenden Burschen. Nur sieben Mann sind von diesen letzten fünf Regimentern desertirt, einer gestorben und drei krank. Die drei letzten Korps dieser Division — so schließt Faucitt seinen Bericht vom 12. April — sind das Grenadierbataillon, Oberstlieutenant Minnigerode, das Füsilier-Regiment Losberg, Oberst Heringen und das Rall'sche Regiment. Die beiden ersten sind ausgezeichnet und in jeder Beziehung tüchtig, sie sehen aus wie Veteranen; Rall's Regiment ist das schlechteste von Allen, die ich gesehen habe, sowohl was Größe als körperliche Stärke der Mannschaften[S. 64] betrifft. Es war bisher eines der Friedens- und Garnisons-Regimenter, welches schnell vollständig rekrutirt werden mußte. Der thätige und ausgezeichnete Oberst wird sie aber schnell einexerziren.“

Die Zahl der hier spezifizirten, die erste hessische Division bildenden und vom Generallieutenant Heister kommandirten Truppen belief sich im Ganzen auf 8397 Mann, nämlich Generalstab 25, drei Bataillone Grenadiere mit Stab jedes 529, also 1587, zehn Regimenter Infanterie mit Stab jedes 663, also 6630, und die Jägerkompagnie mit 150 Mann. Dazu kam noch die Artillerie, die aus 38 Geschützen und 557 Mann bestand, wovon 13 Stücke und eine Kompagnie mit dieser ersten Division eingeschifft wurden. Der letzte Mann derselben ward am 14. April in den englischen Dienst gemustert. Gegen Ende des Monats kam sie nach Spitehead und Portsmouth, mußte hier aber wieder einige Zeit liegen bleiben, weil auf den bisher benutzten Schiffen nicht Raum genug vorhanden war und erst einige neue beschafft werden mußten. So traf die erste Division, denselben Leiden und Beschwerden wie die Braunschweiger ausgesetzt, erst zu Anfang August in Staaten Island ein.

Die zweite Division Hessen konnte von Faucitt erst am 2. Juni in Ritzebüttel in den englischen Dienst gemustert werden, weil früher keine Transportschiffe zu ihrer Beförderung nach dem Kriegsschauplatze vorhanden waren. Sie hatte nach seiner Beschreibung nicht so kräftige und schöne Leute, als die erste Division, indessen übertraf sie doch seine Erwartungen. Das Zentrum hatte viele kleine Leute, doch waren sie jung und kräftig. Kaum ein einziger Soldat schien älter als siebenzehn bis achtzehn Jahre alt zu sein. Diese ganze zweite Division bestand mit Ausnahme des Wuttgenau'schen Regimentes aus lauter Garnisons-Regimentern, die besonders für den amerikanischen Dienst ausgehoben und kompletirt wurden und deshalb in jeder Beziehung schlechter als die erste Division, aber Alle noch geborne Hessen waren. Sie war gebildet aus den Regimentern Huyne, Stein, Knyphausen, Wuttgenau, Bünau und Wissenbach, sowie dem Grenadierbataillon Köhler und zählte nebst entsprechender Artillerie im Ganzen 3997 Mann. Divisions-General war der General-Lieutenant v. Knyphausen, während der General-Major Schmidt und der Oberst Loßberg die beiden Brigaden kommandirten. Beide Divisionen zählten somit im Ganzen 12,394 Mann. Die zweite kam erst Mitte Oktober in Amerika an und landete am 18. Oktober in der Nähe von[S. 65] New Rochelle am Long Island Sund, so daß sie noch einen rühmlichen Antheil an den militärischen Bewegungen des Herbstes 1776 nehmen konnte. —

Uebrigens begegnete der Landgraf schon bei der Aushebung und Vervollständigung dieser zweiten Division nicht unbedeutenden Schwierigkeiten, deren bedeutendste in der Desertion seiner eigenen Unterthanen bestand. Diese entliefen nämlich, um die Einreihung in eins der nach Amerika bestimmten Regimenter zu vermeiden, in hellen Haufen nach Hannover und in die benachbarten Staaten. Obgleich im §. 13. des Vertrags mit England versprochen war, daß die Flüchtlinge von den hannöverschen Behörden ausgeliefert werden sollten, so trat doch der aktive und passive Vorschub, den das Volk diesen Flüchtlingen überall leistete, der Ausführung dieser Bestimmung hindernd in den Weg. Das hannöversche Ministerium verhielt sich den Beschwerden des Landgrafen gegenüber ebenfalls ablehnend, indem es die Entlaufenen auf dessen bloße Angabe hin nicht einfangen und sich nicht zum Jäger und Büttel eines fremden Fürsten hergeben wollte. Der hessische Landesvater wandte sich deshalb durch Faucitt direkt an Suffolk, und ließ ihn bedeuten, daß dieser haufenweisen Flucht ein Ende gemacht werden müsse, wenn er in den Stand gesetzt werden solle, die erforderlichen Mannschaften und Rekruten zu stellen. Während einige Monate vorher jede Einmischung in diese Angelegenheit als unverträglich mit der Würde Englands kategorisch abgewiesen worden war, wurde jetzt im Interesse des Dienstes dem hannöverschen Ministerium befohlen, daß zur Verhinderung fernerer Desertion eine Art Kartell oder zeitweilige Uebereinkunft mit Hessen-Kassel geschlossen werden müsse. Gleichwohl hörte aber die Flucht dienstpflichtiger und tüchtiger Hessen nicht auf, sodaß der Landgraf vergebens selbst zu außerordentlichen Mitteln seine Zuflucht nahm. Dasjenige, von welchem er sich den meisten Erfolg versprach, war der Erlaß der halben Kontribution und des „Schreckenbergers“.[2]

„Es gereicht uns alle Mal zur beruhigenden Zufriedenheit — heißt es in der Verordnung vom 30. Juni 1776 — wenn wir unseren getreuen [S. 66]Untertanen Merkmale von unserer Landesväterlichen Zuneigung geben und ihnen, so oft es die Bedürfnisse des Staates nur immer erlauben wollen, die auf sich habende öffentliche Lasten erleichtern oder gar vermindern können.

In dieser gnädigsten Gesinnung, und damit erwänte unsere getreue Untertanen von dem noch nicht überall verschmerzten letzteren Kriege und darauf erfolgten Mißjaren und Teuerung sich desto eher wieder erholen, haben wir aus eigener Bewegung gnädigst beschlossen, daß dem ganzen Lande vom 1. Juli dieses Jares an, und so lange das der Krone England überlassene Auxiliaire-Corps abwesend sein wird, die Hälfte der ersten monatlichen ordinairen Contribution, wie sie in den Etats Unseres Kriegs Zal-Amts dermalen festgesetzt ist, oder durch die Ratifikation nach Publikation der neuen Katastern anderweit requirirt wird, nicht nur gänzlich erlassen, sondern auch die Erhebung der zu unserer Kriegs-Kasse fließenden Schreckenberger bis zur Zurückkunft des Corps sistirt werden soll: jedoch also und dergestalt, daß unter der Contribution, die statt der Naturalleistung zu entrichtende Fourage und Militair Bau Fuhr-Gelder, keineswegs, unter dem Schreckenberger aber weder der zur Tilgung derer vom letzteren Kriege her noch unbezalten Gemeinde-Schulden, im Jare 1773 von Unsrer hessischen Landschaft verwilligte halbe Schreckenberger, noch auch die von Unsrer Grafschaft Schaumberg zu einigem Abtrage der Stadt Rinteln und Oldendorfischen Kriegs-Schulden ausgeworfene halbe Fräulein-Steuer zu verstehen, sondern so ein als andre, nach wie vor, zu erheben und beizutreiben ist.“

Diese landesväterliche Huld klingt wie ein Hohn auf das unglückliche Land. Serenissimus streicht für jeden der 13,000 an England verhandelten Unterthanen zuerst 30 Kronen Werbegeld, dann noch einmal 37½ Krone jährlicher Subsidie ein; England bezahlt und verpflegt außerdem seine Armee, die ihn also für die Dauer des Vertrages gar Nichts kostet, und er ist so gnädig, die halbe Kriegs-Kontribution und den Schreckenberger zu erlassen! Noch blutete Hessen an den Wunden, welche der siebenjährige Krieg ihm geschlagen, an den Kontributionen und Lasten, welche Freund und Feind volle sieben Jahre lang ihm auferlegt hatten; Gemeinde, Dörfer und Städte waren in Folge dessen tief verschuldet. Hier also wäre zu retten, zu lindern und zu helfen so leicht und lohnend gewesen; aber da hätte ja Serenissimus von seinem Gewinn zuviel abgeben müssen.

[S. 67]

„Was von dem Blutgelde — sagt ein konservativer Geschichtschreiber, W. Wachsmuth — zur Verschönerung der Hauptstadt, Stiftung des Karolinums, einer Akademie &c. verwandt wurde, war wie wenn einem Hungernden Bonbons statt Brod gereicht werden. Der Schatz füllte sich vom Blut und von den Thränen des Volkes, das blos den Trost hatte, von den Kriegs-Kontributionen einstweilen nur die Hälfte bezahlen zu müssen.“

Ein Familienvater, der nur zwei Söhne als Soldaten stellte und etwa 50 Fl. jährlicher Steuern zahlte — in diesem Falle wird sich die Mehrzahl der Bauern befunden haben — erhielt davon einen halben Schreckenberger (also 3 Sgr.) und vielleicht ein paar Gulden halber Kriegs-Kontribution geschenkt; dagegen bereicherte er seinen Landesvater ein für alle Mal um 60 Kronen Werbegeld und um 75 Kronen jährlicher Subsidien. Das Volk scheint in der That so undankbar gewesen zu sein, die Sache von diesem nüchternen Zahlenverhältniß aus betrachtet und dem entsprechend die landesväterliche Gnade in ihrer ganzen Schäbigkeit gewürdigt zu haben, denn es entzog sich nach wie vor dem Dienste durch die Flucht, trotzdem daß die ganze hessische Grenze Tag und Nacht von berittenen Landjägern bewacht wurde.

Diese wohlbegründete Abneigung der Hessen gegen den Eintritt in das nach Amerika bestimmte Heer erschwerte dem Landgrafen sein Geschäft um so mehr, als die Anforderungen Englands täglich wuchsen; ja sie drohte seinem Säckel sogar sehr gefährlich zu werden. Zunächst wurden gegen Ende 1776 noch hessische Jäger verlangt. General Heister hatte ihre Bedeutung in den Long Islander Gefechten vom 27. bis 29. August 1776 erkannt und in einem aus Brooklyn am 3. September 1776 an Lord Suffolk datirten Briefe ihrer 800 Mann zur Vermehrung der englischen Armee für unbedingt nothwendig erklärt. Er wollte in ihnen einen den amerikanischen Riflemen ebenbürtigen, wenn nicht überlegenen Gegner schaffen. Der englische Oberbefehlshaber stimmte dem deutschen General bei, dessen leichte, von Donop geführte Truppen soeben die Siege bei Flatbush und Brooklyn entschieden hatten, und Suffolk bat sich in Folge dieser Gesuche sofort von Schlieffen die geforderte Anzahl, sowie 100 unberittene Husaren aus. Um sich den hessischen Minister geneigt zu machen, erklärte er ihm in einer Zuschrift vom 15. November 1776, daß der König von England den damals noch schwebenden Streit ob der[S. 68] an die Artillerie zu zahlenden Subsidien auf sich beruhen lassen und sich an den Geist des abgeschlossenen Vertrages halten wolle, daß Seine Majestät demnach, obgleich in demselben nichts über die Artillerie gesagt sei, die Subsidie für das Korps von 12,000 Mann im Verhältniß der drei Kompagnien Artillerie vermehren werde.

Für Schlieffen war dies eine Zugeständniß nur eine Aufforderung, ihrer noch mehrere zu verlangen. „Der Landgraf freut sich — antwortet er am 25. November 1776 — daß die Schwierigkeiten wegen der Subsidien der Artillerie endlich gehoben sind und hofft, daß seine Hospitalforderungen jetzt auch bald geordnet werden. (Es geschah, wie oben berichtet, im folgenden Mai.) Er wird sein Möglichstes thun, die 800 Jäger zu liefern. Sein eigenes Land hat deren allerdings nicht genug, allein Deutschland wimmelt davon. Wir werden sie in den benachbarten Staaten anwerben, falls nicht die Furcht vor der Seereise hindernd dazwischen tritt. Wir wollen übrigens gleich mit der Werbung anfangen, um zu sehen, wie schnell wir Erfolg haben werden. Der Landgraf will nur Freiwillige; das dauert etwas länger. Wir müssen also möglichst viel Zeit haben.“

Als Faucitt Anfang Dezember 1776 zum Abschluß des Vertrages wegen der Jäger in Kassel ankam, war der Landgraf bereits nach Italien abgereist. Indessen hatte Schlieffen Vollmacht, in seinem Namen zu handeln und abzuschließen. „Es ist ein Glück für Sie — sagte er dem gläubigen englischen Kommissar bei dessen erstem Besuche — daß Sie nur mit mir zu thun haben, denn der Landgraf ist äußerst übel gelaunt und in einer sehr veränderlichen Gemüthsstimmung (most exceedingly whimsical and uncertain in his homours and dispositions); es ist daher schwer mit ihm fertig werden.“ Diese Eröffnung bedeutete natürlich nichts als neue außerordentliche Forderungen, die der gute Faucitt, wie wir gleich sehen werden, ebenso natürlich bewilligte.

„Ich habe — schreibt Faucitt am 16. Dezember 1776 aus Kassel an Suffolk — mit Schlieffen abgeschlossen und lege den Vertrag bei. Heister und Donop wollen keine Husaren, sondern berittene Jäger, wie sie im letzten Kriege hier verwandt wurden. Ich habe sie deshalb statt der Husaren engagirt. Für jeden Mann werden (außer dem gewöhnlichen Werbegeld von dreißig Kronen) noch fünfzehn Kronen Extra-Werbegeld bezahlt, da Sättel, Säbel, Pistolen, Sporen, Schuhe &c. außerdem geliefert werden müssen. Die Löhnung beginnt mit dem Tage der Aushebung.[S. 69] Ich wollte sie sieben oder fünfzehn Tage vor dem Abmarsch festsetzen, mußte aber nachgeben, weil das Korps vorher noch gar nicht bestanden und die Kosten seiner Aushebung ganz ausschließlich auf den Landgrafen fallen. Die Jäger werden hier erst geprüft werden, ob sie tauglich sind, und Anfang Februar marschfertig sein. Ich werde sie die Weser hinunter schicken.“

Uebrigens war kaum die erste Hälfte dieser Jäger Mitte März 1777 marschfertig. „Wir thun, was in unseren Kräften steht — schreibt Schlieffen am 24. März 1777 an Faucitt — für die Aushebung und Ausrüstung der Truppen, namentlich der Jäger; ein Mann kostet uns jetzt mehr als Ihre dreißig Kronen. Angesichts der großen Zahl, die wir marschiren lassen, thut man uns in London Unrecht, wenn man nicht mit uns zufrieden ist. Man legt uns fast überall Hindernisse in den Weg. Die Hannoveraner behandeln uns, als ob wir zu Gunsten der Amerikaner aushöben. Wir haben deshalb unsere Rekruten-Depots soweit als möglich von der hannöver'schen Grenze weg verlegen müssen. Die Jäger kommen äußerst langsam und werden nur sehr allmälig vollzählig. Die gleichzeitige Aushebung in Hanau und die „catastrophe choquante“ bei Trenton, die hier mit den größten Uebertreibungen bekannt wird, verzögern unsere Operationen sehr. Viele von diesen Schurken verschwinden wieder, nachdem sie eben eingekleidet sind. Die Nachbarschaft von Hannover sichert ihnen alle nur denkbaren Vortheile.“

Faucitt musterte diese ersten Kompagnien erst am 26. März in den englischen Dienst ein, worauf sie sofort eingeschifft wurden. „Die Jäger — sagt er — sehen gut aus. Es sind kräftige Leute; einige von ihnen zwar sehr alt, allein da sie im Walde aufgewachsen, äußerst gewandt; andere dagegen sehr jung, und wissen als Söhne von Förstern ausgezeichnet mit dem Gewehr umzugehen. Ihre Waffen und ganze Equipirung fand ich sehr gut. Eine Kompagnie darunter waren berittene Jäger.“

Die Beschaffung des Restes nahm noch längere Zeit in Anspruch. Der Landgraf bot deshalb, um die Rekrutirung zu beschleunigen, am 20. März 1777 statt des bisher gezahlten einen Friedrichsdors für jeden fremden Jäger, der sich vor dem 15. April anwerben ließ, vier Friedrichsdors und für jeden gebornen Hessen drei Friedrichsdors Handgeld. Auf diese Weise setzte er sich in den Stand, die bedungene Zahl bis Ende Mai zu liefern. Faucitt fand dies Mal, als er die letzten[S. 70] Kompagnien am 26.Mai in Bremerlehe einschiffte, schon mehr Vagabonden und sonstige lose Gesellen unter ihnen, „da die hessischen Behörden jeden armen Teufel, den sie betrügen können, einfangen und uns aufhalsen. Es ist deshalb unbedingt nöthig, daß für die Zukunft ein besserer und genauerer Plan für die Rekrutenlieferung vereinbart wird, denn sonst erhalten wir nur Schund.“

Natürlich wurde die Verlegenheit mit jedem Tage größer; die englischen Anforderungen wuchsen im Verhältniß zu den bereits geleisteten Truppenlieferungen in geometrischer Proportion. Nicht allein die Rekruten mußten geliefert, sondern auch die Gefangengenommenen ersetzt werden. In Folge des Verlustes von 933 Hessen bei Trenton gab sich der Landgraf besondere Mühe, „Seiner Majestät seine Anhänglichkeit und seinen Eifer für den englischen Dienst von Neuem zu beweisen und den Verlust von Mannschaften und Waffen möglichst schnell zu ersetzen.“ Allein England brauchte jetzt die Soldaten schneller und zahlreicher als Deutschland sie liefern konnte. Um die Chikanen seitens der rheinischen Fürsten für die Zukunft zu vermeiden, wurde das kassel'sche Rekruten-Depot von Rheinfels nach Ziegenhayn verlegt.

Am 14. Dezember 1777 verlangte der englische General-Adjutant Harvey nicht weniger als 1230 Hessen-Kasseler zur Kompletirung ihrer zusammengeschmolzenen Regimenter, von denen u.A. eins, ein Grenadier-Regiment allein, im März und April 1777 zu New Brunswick in New Jersey wegen schlechter Hospital-Einrichtungen 300 Mann am Faulfieber verloren hatte. Gleichwohl wurden die Ersatzmannschaften fast alle und sogar ziemlich pünktlich geliefert. War doch der Gewinn ein ungeheurer! Man stahl eben die Unglücklichen aus aller Herren Länder zusammen. Wer sich ein treues und richtiges Bild von den in Bewegung gesetzten Mitteln und von den auf diese Weise gepressten Menschen machen will, der lese die einfache, nirgend übertreibende, darum doppelt ergreifende Schilderung eines der Opfer des fürstlichen Menschenraubes nach; er findet sie in der Selbstbiographie eines deutschen Dichters, Johann Gottfried Seume's.


[S. 71]

Fünftes Kapitel.

Faucitt hatte kaum seine ersten Geschäfte in Kassel beendigt, als er am 2. Februar nach Hanau eilte, wo er bereits am 5. Februar 1776, dem Tage nach seiner Ankunft, mit Wilhelm, dem Erbprinzen von Kassel und regierenden Grafen von Hanau, einen Vertrag abschloß.

Die Grafschaft Hanau war im Jahre 1736 an Kassel gefallen und seitdem von den kassel'schen Erbprinzen als selbständiges Fürstenthum verwaltet worden. Wilhelm I. — der Großvater des letzten Kurfürsten von Hessen-Kassel — war als neunjähriger Knabe 1754 nach Hanau gekommen und wurde 1764 selbständiger Regent des Ländchens. Sein Vater hasste ihn, trotzdem daß, oder vielleicht nur weil er ihm ähnlich war. Er theilte alle schlechten Eigenschaften mit ihm und fügte dazu noch einige neue, eine wo möglich noch gröbere Sinnlichkeit, den Mangel jeder persönlichen Würde und den schmutzigsten Geiz. Selbst der Schein der Bildung und Kunst war ihm zuwider; er war eine rohe Unteroffiziersnatur, die nur den Kamaschendienst kannte.

Unter seinen vier und siebenzig unehelichen Kindern haben sich die Gebrüder Haynau eine traurige Berühmtheit erworben. Seine langjährige Maitresse war ein Fräulein von Schlotheim, die später zur Gräfin Hessenstein erhoben, ihm allein zwei und zwanzig Kinder und zwar, wie sie selbst ihrer Erzählung im spätern Alter hinzuzufügen pflegte, alle ohne Liebe gebar. Dieser Fürst hatte übrigens ein sehr einfaches Mittel erfunden, seine unehelichen Sprößlinge zu versorgen. Er vertheuerte den Preis des von den Unterthanen aus den Salinen zu beziehenden Salzes um einen Kreuzer auf den Sack und belehnte den Neugeborenen mit dieser Rente. Die Schlotheim weigerte sich anfangs, den Lüsten des Landgrafen zu dienen, ward an diesen aber von ihren Eltern, als sie entflohen war, zurückgeliefert. Eine Kasseler Dame erzählte einer Freundin im Auslande die Geschichte von der gewaltsamen Entführung des Fräuleins von Schlotheim, deren anfängliche Weigerung und Flucht, sowie ihre durch die eigenen Eltern bewirkte Auslieferung an den Landgrafen. Als die Fremde ihre Entrüstung über dieses Betragen der Angehörigen nicht verbergen konnte, erwiderte die Dame unbefangen: „Aber der hessische Adel durfte sich doch diesen Vortheil nicht entgehen lassen.“ Auch ein Ehrenkranz zur Verherrlichung[S. 72] dieser verarmten Junker, die später, gesinnungslos und gemein wie sie waren, mit einem französischen Abenteurer, wie Hieronymus Napoleon, morgen wieder „loustick“ zu sein, sich zur höchsten Ehre rechneten!

Der Prinz nun, mit welchem Faucitt zu thun hatte, ist derselbe Wilhelm, der 1785 als Landgraf seinem Vater folgte, der 1803 Kurfürst ward und als solcher von Napoleon 1806 weggejagt wurde („das hessen-kassel'sche Haus hat seine Unterthanen seit vielen Jahren an England verkauft, und dadurch hat der Kurfürst so große Schätze gesammelt; dieser schmutzige Geiz stürzt nun sein Haus“ — heißt es wie zum Hohne im 27. Bulletin) derselbe hochgesinnte Fürst, der den zu seinen Gunsten unternommenen Dörnberg'schen Aufstand mit ein paar Hundert Dukaten baar bezahlen zu können glaubte, derselbe stolze Souverain, der Stein um Entschuldigung bitten mußte, daß er ihm seinen Orden anzubieten gewagt hatte; derselbe 1814 zurückgekehrte legitime Landesvater, der Zopf und Perrücke in Hessen wieder einführte und die Geschichte der letzten sieben Jahre als nicht geschehen behandelnd, durch seinen Starrsinn und seine Beschränktheit unsägliches Unheil und Elend über sein Volk brachte.

Als Faucitt nach Hanau kam, war Prinz Wilhelm noch ein junger Mann von kaum ein und dreißig Jahren, der unter der strengen Zucht der Mutter aufgewachsen, seinen eigentlichen Charakter noch wenig herauskehrte, durch Unterwürfigkeit zum Ziele zu gelangen suchte und vor Allem dahin strebte, Georg III., dem königlichen Onkel, seinem „hochherzigen Beschützer und erhabenen Herrn“ zu gefallen. Er versteckte seine Geldgier und Habsucht unter der Maske der Uneigennützigkeit und der prinzipiellen Ueberzeugung von der Gerechtigkeit der königlichen Sache, bot deshalb auch, was er hatte, ganz umsonst an, natürlich nur, um von seinem reichen Patrone den doppelten und dreifachen Kaufpreis als Geschenk zu erhalten. Es giebt kaum eine demüthige und erniedrigende Wendung in der englischen und französischen Sprache, deren sich der Prinz in seinem Briefwechsel mit dem König von England und dessen Minister nicht bedient hätte, um sich deren Wohlwollen, Gnade und Schutz zu sichern. Der alte Landgraf, so sehr er feilschte und handelte, wahrte wenigstens überall seine persönliche Würde und imponirte sogar Faucitt und Lord Suffolk durch sein knappes und vielfach schroffes Wesen; der Sohn dagegen erniedrigte sich, um selbst den kleinsten Vortheil zu erlangen, zum willenlosen kriechenden Supplikanten,[S. 73] zum aufdringlichen Bettler. So erscheint der Charakter des jungen Mannes widerwärtig und bemitleidenswerth zugleich.

Prinz Wilhelm war übrigens kaum von der Verlegenheit des Königs von England unterrichtet, als er, wie wir im dritten Kapitel gesehen, diesem bereits am 19. August 1775 in den servilsten Redensarten ein Regiment sogenannter Hülfstruppen anbot. Suffolk hatte sich nicht mit der Beantwortung dieser Zuschrift beeilt, sondern Faucitt beauftragt, erst dann nach Hanau zu gehen und Gebrauch von dem Angebote zu machen, nachdem er sich die Hülfe des lieferungsfähigern Herzogs von Braunschweig und des noch lieferungsfähigern Landgrafen von Kassel gesichert haben würde. Von letzterer Stadt aus setzte Faucitt den Prinzen von seiner Mission und seinem demnächstigen Besuche in Kenntniß. So fand er denn in Hanau auch nicht die mindeste Schwierigkeit und konnte nach braunschweigischem oder kassel'schem Muster kaum vier und zwanzig Stunden nach seiner Ankunft einen Vertrag mit dem Erbprinzen abschließen. Dieser verpflichtete sich darin, bis zum 20. März spätestens ein Infanterie-Regiment von 668 Mann marschfertig zu machen und der Krone England für die Dauer des amerikanischen Krieges zu überlassen. Er erhielt dafür dreißig Kronen Werbegeld für jeden, von Faucitt als diensttüchtig angenommenen Mann und die Zahlung der englischen Löhnung fünfzehn Tage vor dem Abmarsche zugesichert; ein Todter oder je drei Verwundete, die gleich einem Todten galten, wurden ebenfalls mit dreißig Kronen vergütet, und außerdem ward dem Prinzen unter denselben Bedingungen wie Kassel eine doppelte Subsidie von 25,050 Kronen Banko im Verhältniß von 668 Mann eventuell selbst noch ein Jahr nach Rückkehr der Truppen in die Heimath gezahlt.

„Ich kam hier gestern von Kassel an — schreibt Faucitt am 5. Februar 1776 aus Hanau an Suffolk — gab mich sofort an's Werk, wurde dem Erbprinzen vorgestellt und kann Ihnen heute bereits den Vertrag einsenden. Der Minister von der Malsburg ging auf Befehl seines Herrn ohne Weiteres auf alle meine Bedingungen ein und zeigte sich sehr wenig interessirt. Ich bewilligte ihm aus diesem Grunde auch die vierzehntägige Löhnung vor dem Abmarsch der Truppen und den Bezug der Subsidie noch für ein Jahr nach der Rückkehr derselben in ihre Heimath. Dem außerordentlichen, ja ungestümen Eifer Sr. Hoheit, die Wünsche Sr. Majestät zu erfüllen, vermag ich kaum gerecht zu werden. Das Regiment[S. 74] kann übrigens erst Mitte nächsten Monats marschfertig sein. Der Prinz zeigte es mir heute Morgen bei der Parade. Ich muß gestehen, daß ich seit langer Zeit keinen schönern Truppenkörper gesehen habe; alle Soldaten sind Eingeborene des Landes und prächtig ausgerüstet, sie handhaben ihre Waffen ausgezeichnet und marschiren wie alte gediente Leute. Der Prinz war selbst in den verschiedenen Aemtern, um die Rekruten auszusuchen und das Korps zu kompletiren. Ich halte es für das Beste, daß es den Rhein herunter befördert und in Wilhelmstadt, Rotterdam oder Helvetsluys eingeschifft wird. Ein Rheinschiffer will den ganzen Transport von hier bis Nimwegen für zwei holländische Gulden per Kopf übernehmen und das Regiment in sieben bis acht Tagen vom Zeitpunkte der Abreise an in Nimwegen abliefern. Der Prinz ist ganz damit einverstanden, umsomehr als auf dem Marsche durch Hessen-Kassel voraussichtlich viele Soldaten desertiren würden. Wenn Sie mit diesem Plane einverstanden sind, so senden sie gefälligst Ihre Instruktionen an Sir Joseph Yorke im Haag, damit dieser das Regiment von Nimwegen aus weiter befördern läßt.“

Bereits am 23. Februar sandte Suffolk den genehmigten Vertrag zurück und beauftragte Faucitt, den Abmarsch der Truppen den Rhein hinunter soviel als möglich zu beschleunigen. Die Transportschiffe sollten am 20. März in Wilhelmstadt sein, wo zugleich der Oberst Rainsford als königlicher Kommissär das vom Obersten Gall kommandirte Regiment in den englischen Dienst einzumustern hatte.

Die Beförderung dieser und aller späteren Truppen auf dem Rhein war mit ungleich mehr Schwierigkeiten verknüpft als der Marsch der braunschweigischen und kasselschen Soldaten an die Mündung der Weser. Diese hatten nur ihr eigenes und englisch-hannöversches Gebiet zu berühren und konnten im Nothfalle die paar Quadratmeilen bei preußisch Minden umgehen, waren also von keiner fremden Erlaubniß abhängig, während die Hanauer und später die Anspacher die Territorien von wenigstens einem Dutzend größerer und kleinerer Landesherren passiren mußten, ehe sie nach Holland gelangten. Da lagen auf ihrem Wege von Mainz bis hinter Düsseldorf die Staaten der drei geistlichen Kurfürsten Mainz, Trier und Cöln und des Kurfürsten von der Pfalz, das Königreich Preußen von Duisburg bis Emmerich, die freie Reichsstadt Köln und verschiedene kleine Gebiete, wie Neuwied. Wenn man sich auch nicht viel um die letzteren kümmerte, so mußte man doch, um späteren Belästigungen und[S. 75] Unterbrechungen der Reise vorzubeugen, vorher die Erlaubniß der erstgenannten größeren Uferstaaten für eine freie Passage der Truppen einholen. Die englischen Werbe-Offiziere, welche sich am Rhein umhertrieben, waren wegen ihrer Gewaltthätigkeit und Rohheit gar nicht gut angeschrieben und hatten sogar ihre Regierung oft in äußerst unangenehme Verlegenheiten verwickelt. So war noch im Herbste 1775 der englische Major Masters de Savage von dem Kommandanten von Deutz aus diesem Orte verjagt und sein Werbe-Depot geschlossen worden, sodaß der englische Gesandte für gut fand, ihn zu desavouiren. In Mülheim am Rhein wurden im Januar 1776 von den pfälzischen Truppen dreiundzwanzig für das 60. englische Regiment gestohlene Rekruten angehalten und nach Düsseldorf in Sicherheit gebracht. Als die kaiserliche Regierung in Wien von den bevorstehenden englischen Truppenankäufen hörte, erließ sie an alle ihre Gesandte im Reich den Befehl, den englischen Werbe-Offizieren so viel Hindernisse als möglich in den Weg zu legen, und schrieb im gleichen Sinne an die geistlichen und weltlichen Fürsten am Rhein. „England — hieß es in der betreffenden Zuschrift — habe mit dem Reiche so wenig Verbindung als Rußland oder Spanien, und keine dieser Mächte dürfe im Reiche rekrutiren.“ Dieser kaiserliche Befehl wollte an sich wenig bedeuten, da ihm die Mittel zu seiner Erzwingung fehlten; allein es war Gefahr vorhanden, daß sich die Reichsfürsten dahinter steckten, um England Schwierigkeiten zu bereiten. Denn eine feststehende, politische Tradition oder ein bestimmtes Vertragsverhältniß gab es zu jener Zeit noch nicht. Jeder Fürst handelte in jedem einzelnen Falle nach Belieben, gerade wie die Laune oder sein Vortheil es bedingte.

Der bei dem kur-kölnischen Hofe in Bonn beglaubigte englische Gesandte Cressener erhielt deshalb, sobald die Reiseroute des hanauschen Regimentes feststand, Befehl, die betreffenden Höfe zu sondiren und im Verein mit dem Erbprinzen ein offizielles Gesuch um Passirung der Truppen an sie zu richten. Dies Mal wurde demselben überall bereitwilligst entsprochen. Das Regiment hatte Hanau am 15. März verlassen, fuhr am 16. Abends bei Mainz vorbei und langte am 18. März in Bonn an. Es kam hier so früh an, daß die Erlaubniß des Königs von Preußen auf die Bitte um freie Fahrt durch sein Gebiet noch nicht eingetroffen sein konnte. Auf Cressener's Anfrage erklärte sich aber der Kommandant von Wesel, General von Salenmon, bereit, das Regiment[S. 76] in Anbetracht des guten zwischen Berlin und London herrschenden Einvernehmens ungestört das preußische Gebiet passiren zu lassen; dagegen müsse, da ihn die Steuer nichts angehe, das Gepäck untersucht und von der Kontrebande Zoll bezahlt werden, den aber, wie er sicher glaube, die Kriegs- und Domainen-Kammer in Kleve später dem englischen Könige zurückerstatten werde. Auf diese Zusicherung hin wagte sich das Regiment auf preußisches Gebiet, erlegte 200 Pfd. zur Deckung der etwaigen Steuer und fuhr am 21. März unbelästigt bei Wesel vorbei, wo übrigens am Tage zuvor die Erlaubniß von Berlin eingetroffen war. Auch die zur Sicherheit deponirten 200 Pfd. wurden später auf Befehl des Königs von Preußen zurückbezahlt.

Von Rainsford in Emmerich in Empfang genommen, trafen die Hanauer am 22. in Nimwegen an. Er ließ sie noch am Abend Revue passiren und hatte die Genugthuung, in ihnen eines der schönsten Regimenter, die er je gesehen, zu finden. Es fehlte auch nicht ein Mann, nicht ein Einziger war krank. Er konnte jedoch bei dieser Gelegenheit den Soldaten den Eid der Treue nicht abnehmen, da, wie er hinzufügte, es gegen ihr religiöses Gewissen sei, einen Eid zu leisten, wenn sie nicht einen Tag vorher gefastet hätten. Er ließ sie deshalb erst am andern Morgen durch die Auditeure in den englischen Dienst schwören. Darauf wurde das Regiment auf Schuyten eingeschifft und kam am 25. März nach Wilhelmstadt. Am 26. März ward seine Einschiffung vollendet. „Alles ging glücklich — schließt Rainsford seinen Bericht — von Statten. Der Geist der Truppen ist vortrefflich. Hoffentlich werden sie noch heute Abend abfahren, da der Wind gut ist.“

In demselben Briefe vom 17. März 1776 (Siehe Anhang), in welchem der Erbprinz von Hessen dem König von England, seinem „großherzigen Beschützer und edlen Wohlthäter,“ den Abmarsch seiner Soldaten anzeigte, bot er demselben noch eine Kompagnie Artillerie von 120 Mann und sechs Geschützen an, die von einem ausgezeichneten Kapitaine befehligt sei und gegen Ende April marschfertig sein könne. Er wollte nicht — sagte er — an Eifer hinter seinem Vater, dem Landgrafen, zurückstehen, der ja auch noch ein Korps Artillerie über den ursprünglichen Vertrag hinaus an England geliefert habe. Der König nahm, trotzdem daß die Stärke der Artillerie im Verhältniß zum hanau'schen Regimente zu groß war, das Anerbieten am 2. April an, weil er mit der bisherigen ehrenwerthen[S. 77] Aufführung und anständigen Vertrags-Erfüllung Seitens des Prinzen zufrieden sei. Faucitt erhielt also Anweisung, einen neuen Vertrag mit demselben abzuschließen, und that so am 25. April, wo er zugleich den Hauptvertrag mit ihm auswechselte.

„Baron Malsburg — schreibt Faucitt am 26. April 1776 an Suffolk — kann sich gar nicht darüber trösten, daß für diese Kompagnie Artillerie keine besonderen Subsidien bewilligt werden sollen, und meint, daß er mit dem Werbegeld zu kurz komme, da die Ausrüstung der Mannschaft zu viel koste. Ich habe sie heute gemustert. Die Leute sind tüchtig, kräftig und stark und sehr gut für ihren Dienst eingeübt. Der Prinz ließ sie in meiner Gegenwart mit den für Amerika bestimmten Geschützen exerziren. Sie haben neue Uniformen, neue Säbel, keine Gewehre, nach dem vom König von Preußen empfohlenen Muster, welches vom Landgrafen sowohl als vom Erbprinzen aufs Aengstlichste und Gewissenhafteste nachgeahmt wird. Die Kompagnie kann in drei Wochen marschfertig sein; ihre Löhnung beginnt vierzehn Tage vor dem Abmarsch. Ich habe ihren Transport bis Helvetsluys für 150 Pfd. verdungen.“

Wie aus diesem Briefe hervorgeht, wollte die englische Regierung für die Artillerie keine weitere Subsidie zahlen; der Erbprinz bestand aber auf einer solchen. Um sich Suffolk für seine Wünsche geneigt zu machen, schrieb er ihm am 1. Mai einen Brief in englischer Sprache, dessen entsetzlicher Stil und halsbrechende Wortbildung selbst über die Grenzen der Komik hinausgreifen. Suffolk lehnte höflich ab, lobte den Prinzen aber ob seiner im Englischen bewiesenen Fertigkeit (Siehe Anhang). Dem Minister von Malsburg dagegen erklärte der englische Staatssekretär kategorisch, die Verträge, wie sie abgeschlossen seien, lägen einmal dem Parlamente vor, könnten also nicht mehr geändert werden; der Erbprinz erhalte ohnehin schon im Verhältniß so viel als der Landgraf, weshalb von einer Vermehrung einer Subsidie wegen der gelieferten Artillerie gar nicht die Rede sein könne.

In einer vertraulichen Note an Faucitt sagt Suffolk dagegen, daß er Willens sei, den Erbprinzen in irgend einer andern Art zufrieden zu stellen. „Ich wollte — schrieb er in seinem Briefe vom 7. Mai 1776 — für spätere Gelegenheiten und für die anderen Höfe keinen Präzedenzfall schaffen. Nur die Gefahr, daß von unseren Verhandlungen anderswo etwas verlautete und daß ähnliche Ansprüche geschaffen würden, hat mich[S. 78] bewogen, des Baron Malsburg Begehr in viel stärkeren Ausdrücken abzulehnen, als ich eigentlich meine. Sie können ihm das sagen, müssen ihm aber Stillschweigen anempfehlen.“

Für Malsburg und seinen Herrn war dieser Wink natürlich nicht verloren. Sie erklärten sofort, daß man sich auf ihre Verschwiegenheit unbedingt verlassen könne, und daß ihnen jedes Arrangement recht sei, welches sie nur entschädige. Die Art und Weise der Schadloshaltung selbst sei ihnen vollständig gleichgültig; vielleicht werde sich eine Verlängerung der Subsidienzahlung als das geeignetste Mittel zu einer Verständigung empfehlen. Malsburg schlug deshalb Faucitt vor, den zwölften Artikel des Vertrages dahin abzuändern, daß die hanau'schen Truppen nach ihrer Rückkehr nach Deutschland statt der bisherigen zwölf Monate noch sechs und mehrere Jahre im englischen Dienste bleiben sollten. „Wir wünschen — so schloß er seinen Brief am 18. Mai — für diese Zeit nicht die ganze Subsidie, sondern nur eine Friedenssubsidie, sehr mäßig, gerade hinreichend, um im Frieden ein Regiment vollzählig und auf dem Kriegsfuß zu erhalten, und immer bereit, wieder in die Dienste des Königs zu treten. Wir verlangen also nur so viel, als die englischen Regimenter auf dem Friedensfuß beziehen. Diese Gunst wird den übrigen Höfen gegenüber keine üblen Folgen nach sich ziehen. Man kann ihnen dann der Wahrheit gemäß versichern, daß für die Artillerie des Erbprinzen keine Extrasubsidie gezahlt ist. Wenn der Frieden wieder hergestellt und in England Alles ruhig sein wird, muß es dem Ministerium ein Leichtes sein, die nothwendigen Fonds für eine so kleine Ausgabe zu finden und sie unter einer andern Rubrik als der gegenwärtigen durchzubringen, wo man schon so viele außerordentliche Kosten hat, um einen theuern Krieg zu führen.“

Der Erbprinz sandte selbst diese Vorschläge an Suffolk ein und bevorwortete sie in einem servil schmeichlerischen Briefe (Siehe Anhang). Wenn anders seine „erbliche Kenntniß“ der englischen Sprache sich deutsch richtig deuten läßt, so sagt er: „Meine Zuneigung und unterthänigster Respekt vor dem Besten der Könige hält jeden Gedanken an mein eigenes Interesse von mir fern. Seiner Majestät besondere Huld giebt mir die Versicherung, daß Sie es nicht übel nehmen wird, wenn ich selbst nach dem Erlöschen des gegenwärtigen Vertrages den Wunsch habe, noch in einer gewissen militärischen Verbindung mit Seinem Dienste zu[S. 79] bleiben. Ich hoffe, Mylord, Sie werden mein Verlangen nicht zu weit gehend finden und aus diesem Grunde bitte ich Sie, mein Gesuch mit Ihrem ganzen Ansehen zu unterstützen. Meine Dankbarkeit gegen Sie wird ohne Gränzen sein und kann nur der vorzüglichen Hochachtung gleichstehen, mit welcher ich Ihr gehorsamster und zu Dank verpflichteter Diener bin.“

Die doppelten Subsidien für die 668 Hanauer betrugen jährlich 25,050 Kronen Banko, d.h. 37½ Kronen pro Kopf; sie würden also für die nachträglich gelieferten 120 Artilleristen 4500 Kronen pro Jahr ausgemacht haben. Wenn sich nun der Erbprinz erbot, auf diese Summe unter der Bedingung zu verzichten, daß ihm eine einfache Subsidie wenigstens noch sechs Jahre nach beendigtem Kriege gezahlt werde, so verlangte er mit anderen Worten 12,525 Kronen pro Jahr, also eine Extrazahlung von mindestens 75,150 Kronen auf sechs Jahre. Wäre der englische Minister darauf eingegangen, so würde er trotz der unerwarteten langen Dauer des Krieges an 40,000 Kronen selbst über die doppelten Subsidien hinaus verloren haben. Dieser aber wählte schließlich von zwei Uebeln das Geringere und entschloß sich gegen Ende des Jahres 1776, dem Erbprinzen für die Artillerie verhältnißmäßig dieselbe Subsidie zu zahlen, die er für sein Regiment erhielt. Serenissimus empfing also fortan 4500 Kronen pro Jahr mehr.

Die Artillerie war übrigens schon am 15. Mai von Hanau abgegangen und, ohne den mindesten Schwierigkeiten auf der Passage rheinabwärts zu begegnen, am 24. Mai in Nimwegen angekommen. Rainsford musterte sie am letztgenannten Tage in den englischen Dienst ein und schiffte sie, sowohl mit den Leuten als mit ihrer Ausrüstung sehr zufrieden, am 27. Mai bei gutem Winde nach ihrem Bestimmungsorte ein.

Uebrigens behielt der Erbprinz von Hanau nicht den ganzen Profit für sich, den er aus seinen Unterthanen zog. Dem erhabenen, vom Vater in Kassel gegebenen Beispiele folgend, bewilligte auch der junge Serenissimus, um dem Lande einen Beweis seiner landesväterlichen Anerkennung für die ihm gebrachten Opfer zu liefern, einen Steuererlaß für die Dauer des amerikanischen Krieges. Wie aber der Sohn noch geiziger und geldgieriger als sein hochherziger Erzeuger war, so erstreckte er auch sein Wohlwollen nicht auf alle Unterthanen, sondern nur auf die Eltern und Eheweiber der im Kriege abwesenden Soldaten und Unteroffiziere. Derselbe[S. 80] Fürst, den wir eben noch dem Auslande gegenüber als einen Bedienten, als einen Gnade und Gewinn suchenden Bittsteller haben reden hören, läßt sich im Inlande, vor seinem eigenen Volke als Herr und Gnadenspender also vernehmen:

„Wenn Wir nun, nach der für alle unsere getreue Untertanen hegenden waren Landesväterlichen Huld und Gnade, nichts mer wünschen, als dieselben sammt und sonders, so viel es möglich ist, von unserer waren Landesväterlichen Zuneigung und Vorsorge tätig zu überzeugen, und ihnen ihr Schicksal auf alle Weise zu erleichtern, so haben wir aus höchsteigenem Antrieb und Bewegung uns entschlossen, den Eltern und Eheweibern sämmtlicher bei unserm hanauischen Regimente sowol als bei der Artillerie, dermalen in Amerika befindlichen Unteroffiziere und Gemeinen, einen gnädigsten Erlaß aller ihrer Herrschaftlichen Abgaben in der Weise angedeihen zu lassen, daß:

I. Die Eltern und Eheweiber dieser unserer dermalen im Kriege abwesenden Untertanen, für ihre Person und Güter, von Entrichtung aller Kontribution, Steuern und sonstigen Landkassen-Abgiften an Geld und Früchten, desgleichen von allen und jeden übrigen zu unsern Cameral-Intraden gehörigen Geld- und Fruchtabgaben, sie mögen Namen haben, wie sie wollen (die Pacht- und Zinsgefälle allein ausgenommen, welche nach wie vor entrichtet werden müssen) von dem Tage des Ausmarsches des Regimentes und der Artillerie an gerechnet, bis zu deren Zurückkunft in die hiesigen Lande, befreit und entledigt sein sollen; wie dann auch

II. Denjenigen Unteroffizieren und Gemeinen, welche keine Eltern mehr am Leben haben, oder auch ledigen Standes, und selbst rezipirte Untertanen sind, und ihre eigenen Güter besitzen, alsdann für sotane ihre Güter, die nämliche obenbestimmte Befreiung von allen und jeden Landkassen- und Rentkammer-Abgiften gnädigst hiermit erteilt ist.

„Da Wir aber nicht gemeint sind, den unserer fürstlichen Landkasse durch einen solchen Erlaß zur Bestreitung der notwendigen Bedürfnisse zu wachsenden Abgang auf unsere hiesige Lande wiederum ausschlagen, und unseren übrigen getreuen Untertanen durch Erhöhung ihrer bisherigen herrschaftlichen Abgaben aufbürden zu lassen: So soll, zu desto stärkerer [S. 81]Bewärung jener unserer gnädigsten Gesinnungen, ersagter Landcasse dieser Abgang aus unserer fürstlichen Cammercasse ersetzt und vergütet werden.

„Indem Wir uns nun ein wesentliches Vergnügen daraus machen, unseren getreuen Untertanen ein solches Merkmal unserer Gnade zufließen zu lassen, und dadurch unserer unveränderlichen Neigung, ihnen auf alle Weise wol zu thun, auch hierinnen folgen zu können: So leben Wir der zuversichtlichen Hoffnung, unsere getreuen Untertanen werden sich dieser Gnade und Woltat würdig zu machen, folglich auch die in unseren Kriegsdiensten dermalen abwesenden Soldaten sich bestreben, solche durch Treue, Mut und Tapferkeit, die allhier im Lande zurückgebliebenen Untertanen aber durch Rechtschaffenheit, Fleiß und wirtschaftliches Benehmen, zu verdienen suchen.“

Nach den zu Ende des vorigen Kapitels gemachten Bemerkungen ist jede Kritik dieses Erlasses vom 23. September 1776 überflüssig. Wenden wir uns darum sofort nach Waldeck, wohin sich Faucitt von Hanau aus begeben hatte.

Das Haus Waldeck hatte seit beinahe einem Jahrhundert im Soldatenhandel ausgezeichnete Geschäfte gemacht. Sein ältester und bester Kunde war Holland, und nur in Ausnahmefällen oder bei besonders günstigen Konjunkturen des Menschenmarktes überließ es seine Truppen an andere Mächte, wie z.B. im siebenjährigen Kriege an England. Dieser Handel lieferte auch den Chefs der Firma die Mittel zu einer grenzenlosen Verschwendung, ja er machte es möglich, daß sich die kleinen Fürsten von Waldeck vor den übrigen und mächtigeren Nachahmern des Versailler Treibens hervorthun und die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnten. Ihr Ländchen schien für sie nur zu dem Zwecke vorhanden zu sein, daß sie darauf zurückfielen, wenn sie von den noblen Passionen erschöpft und von Schulden gedrängt, das Leben im großen Stil zeitweise aufgeben mußten. Karl August, der Vater des Fürsten, mit welchem wir es hier zu thun haben, gelangte 1728 zur Regierung, trieb sich aber volle zwanzig Jahre in Frankreich und Italien herum, ehe er sich nur der Heimath erinnerte. In Venedig traf ihn Casanova in den Armen der Tänzerin Tintorella, der berühmtesten Kourtisane der Republik. Später wurde er holländischer Generalfeldmarschall und bewies große Tapferkeit. Eine im Jahre 1755 erlassene Verordnung bestimmte, daß alle Burschen, mit Ausnahme derer, welche studirten, Soldaten werden mußten, natürlich[S. 82] nur, um das Waldeck'sche Vaterland in Batavia und sonstigen holländischen Kolonien zu vertheidigen. Der Fürst war ein leidenschaftlicher Parforcejäger und machte sein ganzes Fürstenthum zu einem einzigen Wildpark. Die Bauern mußten den Befehlen der Jäger gehorchen, widrigen Falls sie empfindlich bestraft wurden. Sein Sohn Friedrich, der im Jahre 1743 geboren, von 1763–1812 regierte, war in Lausanne erzogen und machte zu seiner Ausbildung die große Tour durch Frankreich und Italien. Auch er trat, nachdem er zur Regierung gelangt war, gänzlich verschuldet als General der Infanterie in den Dienst der holländischen Republik. Schon 1767 beschwerten sich die Landstände über landesverderbliche gewaltsame Aushebung der Unterthanen und bewilligten dem Fürsten, um seiner Geldnoth nur einiger Maßen abzuhelfen und dem Uebel zu steuern, ein Geschenk von 10,000 Thalern.

Für einen so tief verschuldeten Mann, wie den Fürsten Friedrich von Waldeck, war der Ausbruch des amerikanischen Krieges eine wahre Wohlthat, denn er konnte hoffen, seinen zerrütteten Finanzen wieder aufzuhelfen, wenn es ihm gelang, einen Truppenlieferungs-Vertrag mit der englischen Krone abzuschließen. Er beeilte sich deshalb, wie wir oben gesehen, schon zu einer Zeit, wo deren Absichten noch nicht klar vorlagen, Lord Suffolk ein Regiment anzubieten. Der Brief ist vom 13. November 1775 datirt, also einen Tag älter als Faucitt's Instruktionen. „Mit Leib und Seele dem Monarchen ergeben — schreibt der Fürst aus Arolsen an Suffolk — dessen Minister zu sein Sie das Glück haben, halte ich es für meine Pflicht, was nur in meinen schwachen Kräften steht, aufzubieten, um wenigstens meinen guten Willen zu zeigen, wenn es sich um Seinen Dienst handelt. Ich nehme mir deshalb die Freiheit, Mylord, Sie gehorsamst zu ersuchen, Sr. Majestät versichern zu wollen, daß im Falle irgend welche Verhältnisse es nöthig machen, fremde Truppen anzuwerben, ich es als eine große Gunst Ihrerseits betrachten werde, wenn Sie ein Regiment von 600 Mann annimmt, das wie sein Fürst vor Verlangen brennt, sich für Sie (die Majestät) zu opfern.“

Suffolk nahm am 24. November das Anerbieten an und setzte am 19. Dezember den Fürsten davon in Kenntniß, daß Faucitt seiner Zeit nach Arolsen kommen und den betreffenden Vertrag mit ihm abschließen würde. Als der englische Kommissär am 28. Januar 1776 von Kassel aus in Arolsen anfragte, ob das Regiment bis Ende Februar marschfertig sein[S. 83] werde, erhielt er die Antwort, daß es frühestens im Mai so weit sein könne. Er reiste deshalb erst nach Hanau, um mit dem Erbprinzen den oben erwähnten Vertrag abzuschließen. „Ich fürchte — schreibt Faucitt am 5. Februar 1776 von Hanau aus an Suffolk — wir können auf das Waldeck'sche Regiment nicht rechnen. Der Fürst hat blos zwei Kompagnien in seinem Lande, die höchstens 200 Mann betragen und bisher nur dazu gebraucht wurden, um die Honneurs bei Hofe zu machen. Es ist sehr schwer, auf einer so kleinen Grundlage innerhalb so kurzer Zeit ein Regiment zu bilden. Vielleicht ist der Fürst auch unerwarteten Schwierigkeiten begegnet, um die bestimmte Anzahl aus seinen in holländischen Diensten stehenden Regimentern zu erlangen.“

Suffolk verlängerte dem entsprechend die Zeit für die Einschiffung des Waldeck'schen Regimentes; der Fürst aber versprach, es bis Ende April marschfertig zu haben. Am 18. März berichtete Faucitt, daß derselbe in den Vorbereitungen für den Marsch seiner Truppen bedeutende Fortschritte gemacht, daß er zum Ankauf von Uniformen und sonstigen Ausrüstungsgegenständen einen Offizier nach Frankfurt gesandt habe, und daß das Regiment gewiß für den sofortigen Dienst tüchtig sein werde, vorausgesetzt, daß der Fürst bei dessen Bildung nicht zu rücksichtsvoll gegen seine eignen, eine Art Landmiliz bildenden Unterthanen gewesen sei. Mitte April war endlich Alles so weit, daß der Vertrag abgeschlossen werden konnte. Faucitt reiste also nach Arolsen ab und kam dort am 19. April an. „Ich wurde — schreibt er am 20. April an Suffolk — sofort dem Fürsten vorgestellt, der mich über den Fortschritt in der Bildung und über den gegenwärtigen, erfreulichen Zustand seines Regimentes so sehr zufriedenstellte, daß ich mich ohne jede Schwierigkeit mit dem Minister von Zerbst über die Hauptpunkte des abzuschließenden Vertrages verständigte. Heute haben wir die letzte Feile an denselben gelegt und das Geschäft abgeschlossen. Der Vertrag lautet gerade wie der hanauische; nur habe ich auf Bitten des Ministers, da die Ausrüstung des Regimentes die Finanzen des Fürsten völlig erschöpft hat, die erste Zahlung des Werbegeldes auf drei statt sechs Wochen nach dem Datum des Abschlusses und die zweite Zahlung auf zwei statt drei und einen halben Monat nach dieser Frist festgesetzt. Ebenso habe ich eingewilligt, zwei Geschütze mit vierzehn Kanonieren zu nehmen; sie sind aber nicht in den Subsidien mit einbegriffen. Das Regiment, welches in Korbach steht, muß laut der[S. 84] Versicherung des Fürsten ein sehr gutes sein, da Soldaten und Offiziere alle schon gedient haben. Es wird in der ersten Woche des Mai marschfertig sein.“

Faucitt würde vielleicht besser gethan haben, den Worten des Fürsten nicht so unbedingt zu trauen, da die Wirklichkeit sich von dessen rosigen Schilderungen sehr zum Nachtheile des Regiments unterschied. Statt am 6. Mai zu marschiren, wie zuletzt versprochen war, setzte es sich, einschließlich des Stabes 670 Mann stark, erst am 20. Mai in Bewegung. Dieser vierzehntägige Verzug stürzte den ganzen Einschiffungsplan um, den Faucitt für die zweite hessische Division gemacht hatte. Am 30. Mai endlich trafen die Waldecker in Bremerlehe ein, während Faucitt, dem von seiner Marschroute keine Mittheilung gemacht war, sie bei Vegesack suchen ließ. Indessen konnten sie am 2. Juni noch mit den übrigen Truppen nach Amerika eingeschifft werden. „Die vorderen und hinteren Glieder in diesem Regimente — schreibt Faucitt am 31. Mai 1776 an Suffolk — bestehen aus großen und gut gewachsenen Leuten, aber das Centrum aus halbwüchsigen, von der Grafschaft Waldeck gelieferten Jungen, die noch nicht alt und stark genug für den sofortigen Dienst sind und kaum das Gewehr tragen können. Ebenso fand ich sehr viele alte Leute vor. Dagegen sind die Uniformen und Waffen gut und neu; der Fürst hat daran keine Kosten gespart.“

Der Grund für die Verzögerung in der Absendung des Regimentes war sehr einfach. Der Fürst konnte es nicht so schnell kompletiren, als er gehofft und gewünscht hatte. Sein Land mußte schon zwei Regimenter in Holland vollzählig erhalten; bei einer Größe von kaum 20 Quadrat-Meilen mit etwa 30,000 Einwohnern war aber diese Leistung schon zu groß. Die armen Waldecker waren also gar nicht so übereilig, sich zu den Beschwerden des holländischen Dienstes noch die des amerikanischen aufzuladen. So blieb denn zuletzt nichts übrig, als zu den zwei vorhandenen Kompagnien Schloßbedienung im Fürstenthum und in den benachbarten geistlichen Staaten, wie namentlich im Bisthum Hildesheim, so viel alte Leute und halbwüchsige Jungen zu pressen, daß das Regiment nothdürftig gebildet werden konnte. Das erforderte aber viel Zeit, List, Gewalt und Ueberredung. Johann Georg Rauch, der Vater unsers großen Bildhauers, Christian Daniel Rauch, war damals Kammerdiener des Fürsten Friedrich von Waldeck. In einem Briefe, den er am 18. Januar[S. 85] 1778 an einen Schwager richtete, entschuldigt er seinen Herrn wegen des Menschenhandels. Es seien, sagt er, lauter Ausländer, bis auf Etliche, denn der Fürst wolle keine Waldecker hinschicken, „es sei denn, daß der Kerl partout mit will.“ Man sieht aus dieser kammerdienerlichen Entschuldigung, daß das schnöde Geschäft sogar in den untersten Kreisen der Gesellschaft unangenehmes Aufsehen machte. Der Fürst hatte eben nur noch über wenig Waldecker zu verfügen; wen er von seinen Unterthanen packen konnte, den ließ er sich so leicht nicht entgehen. Zu welchen niedrigen Mitteln Serenissimus greifen mußte, um 20,100 Kronen Werbegeld und 25,050 Kronen jährlicher englischer Subsidien zu erlangen, beweist der an die Pfarrer des Ländchens ergangene Befehl, wonach sie von der Kanzel herab ihre Pfarrkinder zum Anschluß an das nach Amerika verkaufte Regiment auffordern mußten. Im schroffen Gegensatze zu den bei dieser Gelegenheit gemachten schönen Versprechungen wurde den Soldaten der Preis der Gesangbücher von ihrer Löhnung abgezogen, das abzusendende Regiment aber wie ein Haufen Sträflinge von berittenen Landjägern an die Grenze bis auf die Weserschiffe in Beverungen eskortirt.

„Bis über die Grenze unsers Vaterlandes (Waldeck nämlich!) — so erzählt in seinem Tagebuche der Fourir Karl Philipp Steuernagel des Waldecker Regiments, ein verständiger Beobachter und zuverlässiger Berichterstatter — oder vielmehr bis Beverungen wurden wir mit einem Korps waldeckscher grüngekleideter Scharfschützen zu Pferde begleitet und bewacht. Diese vor's Regiment, besonders vor jeden rechtschaffenen Soldaten mißtrauische Veranstaltung gab bei den meisten zu allerhand Argwohn Anlaß, und solche trug auch sicher dazu bei, daß auf dem Marsche bis Beverungen verschiedene desertirten.“

„Freilich — fährt Steuernagel an einer andern Stelle fort — muß ich den Dienst einen Beruf nennen, obgleich der mehrere Theil dazu gezwungen, beschwätzt, beredet und so verleitet waren, ja sogar von den Kanzeln hierzu aufgefordert. Auf diese letzte Art soll denn auch dem Vernehmen nach der dreizehnte Vers aus dem vierundvierzigsten Psalm nicht unangeführt geblieben sein („Du verkaufest dein Volk umsonst und nimmst nichts darum“. Welcher Hohn!). Ich selbst erinnerte mich der Worte des alten Herrn Oberjägermeisters von Leliwa zum Oeftern, als derselbe, während wir am 2. Mai beim Abmarsch durch Arolsen marschirten,[S. 86] sagte: „Die hiervon wieder zurückkommen, will ich alle in Kutschen fahren lassen.“ Ich selbst glaubte damals noch allen hohen Gnadenversprechungen.“

Das waldecksche Regiment wurde am 2. und 3. Juni mit der zweiten hessischen Division eingeschifft und landete am 21. Oktober 1776 in New Rochelle bei New York. Die Seereise selbst muß schlimmer als das Fegefeuer gewesen sein. „Unsere Lagerstätten — erzählt Steuernagel — waren so enge eingerichtet, daß wir so hart aneinander liegen mußten, daß sich fast keiner vor dem andern rühren, noch weniger umwenden konnte. Sechs und sechs Mann hatten alle Mal einen Platz, ringsum von einem Brett umgeben, welcher fünf Fuß lang und sechs Fuß breit war. Wenn wir uns nun in diesem engen Behälter auf einer Seite mürbe gelegen hatten, so gab der Aelteste oder der das Kommando von diesen sechs Mann hatte, ein Zeichen, damit sich alle sechs zu gleicher Zeit auf die andere Seite legen konnten, und ohne dieses, da wir so gepackt liegen mußten, kamen wir doch zum Oeftern mit den Köpfen hin, wo wir zuvor mit den Füßen gelegen hatten oder fielen durch das starke Wanken des Schiffes aufeinander oder zum Oeftern aus unseren Betten heraus.

„Obgleich täglich Läuseparade gehalten wurde, so kam dies Ungeziefer doch durch die Länge der Zeit so häufig unter uns, daß sich sogar der Offizier nicht zu schämen brauchte, eine Laus auf seinem Rockärmel zu erhaschen und über Bord zu werfen. Die Ursache von dieser ekelhaften Gesellschaft auf dem Schiffe kam daher, weil der mehrste Theil der Soldaten lauter Leute waren, welche durch die in viele Gegenden ausgeschickten Werber waren zusammengebracht, mit keinem Hemde versehen waren, mithin die pro Mann empfangenen zwei Kommishemden nicht hinreichten, um einen so starken Besuch der Läuse abhalten zu können.“

Die Waldecker kamen kaum einen Monat nach ihrer Landung zuerst bei Fort Washington in's Feuer und verloren bei dieser Gelegenheit viele Leute. „Da hörte man — berichtet Steuernagel — die grausamsten Verwünschungen und Vorwürfe dieser unglücklichen Verwundeten, unter Berufung auf das allgemeine unparteiische Vergeltungsgericht, welche ich nicht wage hier anzumerken.“

In die offizielle Sprache des Fürsten übersetzt, hießen diese Flüche soviel, daß „seine Truppen vor Verlangen brannten, sich für Se. Majestät von Großbritannien zu opfern.“


[S. 87]

Sechstes Kapitel.

Der ganze Feldzug des Sommers 1776 war bekanntlich für die englischen Waffen von seiner Eröffnung an bis Weihnachten ein entschieden siegreicher. Machten sie bis zum nächsten Frühjahr eben so schnelle Fortschritte, so war die schnelle Beendigung des Krieges in weniger als einem Jahre durchaus nicht unwahrscheinlich. So lange diese günstigen Aussichten dauerten, beeilte sich die englische Regierung durchaus nicht, von den ihr Seitens der deutschen Fürsten gemachten Truppen-Anerbietungen Gebrauch zu machen. Sie wählte vielmehr nur unter den ihr am besten geeignet erscheinenden Angeboten aus, um ihre deutsche Streitkraft in Amerika auf 20,000 Mann zu bringen.

England galt im Verhältniß zu den verkümmerten deutschen Zuständen und namentlich den verschuldeten Fürsten als ganz unermeßlich reich, weshalb seine Kundschaft von den letzteren auf's Eifrigste gesucht wurde. Einer von ihnen machte dem andern in der Weise der gemeinsten Krämer Konkurrenz. Jeder wollte einen günstigen Vertrag für sich und glaubte zu verlieren, wenn sein Nachbar schnellern Erfolg hatte. Als der Anspacher hörte, daß der Würtemberger auch im Markte war, ließ er Lord Suffolk durch seinen Minister insinuiren, daß die würtembergischen Stände sich dem beabsichtigten Vertrag widersetzten, daß also voraussichtlich die an eine Verhandlung mit dem Herzog verwandte Zeit verschleudert sein werde. Der Hesse wieder gab dem englischen Minister zu bedenken, daß der Kurfürst von der Pfalz, von dem man auch eine Zeit lang 4000 Mann zu nehmen beabsichtigte, zu viele Katholiken unter seinen Soldaten habe, und daß diese für das protestantische England ein zu gefährliches Element seien. An diesen Köder biß natürlich Suffolk an. Trotzdem, daß sich später bei näherer Untersuchung herausstellte, daß die Mehrzahl der Soldaten reformirt und nur die Offiziere meistens Katholiken waren, wurde doch aus dem Vertrage nichts. Es kümmerte den Landgrafen bei diesem uneigennützigen Eifer für das englische Seelenheil natürlich gar nicht der Umstand, daß er selbst katholisch geworden war.

Die katholischen, namentlich die geistlichen Reichsfürsten, blieben übrigens ihren alten Verbindungen mit Frankreich treu, so daß England nur mit protestantischen Reichsständen Verträge eingehen konnte. Blos Baiern, das seit einem Jahrhundert sich zu verkaufen gewohnt war, wenn[S. 88] es einen fetten Profit zu machen gab, wollte sich selbstredend auch dies Mal die günstige Gelegenheit zu einem so gewinnreichen Geschäft nicht entgehen lassen. In welcher für einen deutschen Reichsfürsten entwürdigenden Weise der alte Kurfürst den englischen Gesandten anbettelte, wie höhnisch dieser ihn abfertigte und wie klug er ihn für seine Zwecke ausbeutete, wird der Brief Elliott's selbst am Klarsten darlegen. „Der Kurfürst von Baiern — schreibt er am 1. April 1776 aus Regensburg an Suffolk — drückte mir wiederholt auf's Wärmste seinen Wunsch aus, mit dem König Subsidien-Verträge einzugehen und gab mir auf's Unzweideutigste zu verstehen, daß ich mich ihm in keiner Weise angenehmer machen könne, als indem ich eine Verhandlung beförderte, auf deren Gelingen er so großes Gewicht lege. Ich antwortete, daß ich keine Befehle in dieser Angelegenheit habe, und mit der Absicht, des Kurfürsten Verbindungen mit Oesterreich und Frankreich zu sondiren, that ich, als wenn ich erstaunt sei, sagte, ich habe geglaubt, Seine Hoheit seien zu eng mit den anderen Mächten verbunden, als daß Sie ohne deren Zustimmung ihre Truppen habe vermiethen können. Obgleich von dem Wunsche beseelt, ihr zu gefallen, sei ich doch mit einer Menge von Dingen nicht bekannt, so daß ich nicht wagen könne, den Gegenstand zu Hause zur Sprache zu bringen. Der Kurfürst erwiderte mir dann, daß es ihm ganz frei stehe, über seine Truppen in der für ihn gewinnreichsten, seinen Interessen entsprechendsten Weise zu verfügen. Zugleich bat er mich, seinen Ministern nichts von seinem Wunsche mitzutheilen, da er sich ohne die Aussicht auf einen daraus herzuleitenden Vortheil der Unannehmlichkeit seines Bekanntwerdens nicht aussetzen wolle. Ich glaube kaum, daß der König das Anerbieten annehmen wird; zudem sind die bairischen Truppen die schlechtesten, die ich in Deutschland gesehen habe. Ich sagte aber, ich wolle die Angelegenheit zu Hause in der gewünschten Weise anregen, Seine Majestät werde natürlich das ihr bewiesene Vertrauen sehr hoch schätzen. Ich war um so vorsichtiger, die Möglichkeit einer derartigen Verbindung mit Baiern nicht zu zerstören, als die Intimität, mit welcher der Kurfürst mich jetzt behandelt, mir eine Quelle der besten Information über wichtige Dinge eröffnet, die ich an einem, an Oesterreich und Frankreich verkauften Hofe nicht anders erlangen kann, wo der Fürst selbst es für geeignet hält, mich gegen seine eigenen Minister zu warnen.“

Natürlich lehnte Suffolk auf Grund der obigen Schilderung seines[S. 89] Gesandten jede Unterhandlung mit Baiern ab und hielt es nicht einmal für der Mühe werth, Faucitt zur nähern Prüfung der Thatsachen an Ort und Stelle zu schicken. Er that recht daran, denn in dem ganzen damaligen heiligen römischen Reiche gab es keine liederlichere, verkommenere und durch Pfaffen-, Günstlings- und Weiber-Regiment herunter gebrachtere Wirthschaft als das Kurfürstenthum Baiern. Es würde eine Beleidigung gegen ein hochstehendes Wort unsers Sprachschatzes sein, wollte man diesen verächtlichen Klüngel Staat nennen. In allen öffentlichen Fragen ist hier das kleinlichste persönliche und Privat-Interesse maßgebend. Ein ähnliches Bild servilster Steifbettelei und anspruchvollster Hohlheit, wie es der Münchener Hof bietet, hat selbst die Phantasie des Dichters im spanischen Bedientenroman nicht zu zeichnen vermocht. Wie die Indianer mit Spielzeug, Glasperlen und bunten Steinen sich ködern lassen, so sind diese jämmerlichen Tröpfe, welche die Regierung Baierns besorgen, stets für baares Geld zu haben, wenn sie nur im wesenlosen Scheine und erborgten Schimmer weiter vegetiren können. Ob der Herr zufällig Maximilian Joseph oder Karl Theodor heißt, ist dem hungrigen Hofgesinde ganz gleichgültig. An diesem Hofe wird heute Minister-Konferenz darüber gehalten, ob das Band des Georgs-Ordens von links nach rechts oder von rechts nach links getragen werden soll; morgen entspinnt sich ein heftiger Streit darüber, ob der päpstliche Nuntius an der kurfürstlichen Tafel einen Pagen hinter seinem Sessel erhalten soll oder nicht. Dann wieder entsteht große Freude darüber, daß der Papst endlich einwilligt, den Kurfürsten als Sohn eines Kaisers seinen filius dilectissimus statt dilectus zu nennen, oder ein ander Mal droht auch eine Kabinetskrise über die schwierige Frage zu entstehen, ob der österreichische Gesandte Exzellenz genannt, und ob seine Frau bei Tafel vor den Hofdamen (Hofmenscher sagt der Bericht weniger höflich, aber vielleicht desto wahrer) sitzen soll. Wenn die Finanznoth unerträglich wird, so miethet man einen Goldmacher für den Hof; fließen die Subsidien dagegen willig, so schafft man ihn bei Seite, und tritt wieder Ebbe im Schatz ein, so läßt man ihn von Neuem kommen. Den ungehorsamen Unterthanen gegenüber versteht aber Serenissimus keinen Spaß. So ward am 9. Februar 1771 der Beimautner Joseph Schmoeger zu Ploettenberg auf der gewöhnlichen Richtstätte „durch das Schwert vom Leben zum Tode hingerichtet, weil er unter strafbarer Verletzung der diesfalls erlassenen kurfürstlichen[S. 90] Generalien 900–1000 Scheffel Getraide außer Landes gelassen hatte.“ Eine vom Kurfürsten auf seine eigenen Kosten ausgebildete Tänzerinn, Gertrud Ablöscher, welche von München nach Wien durchgegangen war, ward mit einer so ungewohnten Energie und Erbitterung verfolgt, daß Baiern mit Maria Theresia, welche in die von ihr verlangte unbedingte Auslieferung nicht einwilligen wollte, in heftigen Streit und die unerquicklichsten Verhandlungen gerieth. Die Tänzerinn erhielt in München 150 fl. jährlichen Gehalts und 50 fl. persönliche Zulage, während sie in Wien viel besser gestellt wurde. Steckt der Staatskarren zu tief im Sumpfe, so wird vom ganzen Hofe nach Alt Oetting gewallfahrtet und der Zorn des Himmels durch Gebete beschworen. So lebte man eigentlich nur vom Gebete und vom Bettel, den man euphonistisch Subsidien nannte. Sämmtliche europäische Regierungen wußten das, und sie selbst begünstigten dieses ehrlose Geschäft, da sie bei vorkommender Gelegenheit Baiern in ihrem Interesse zu benutzen und gegen ihren jeweiligen Feind zu verwenden suchten.

„Ganz kenntlich — schreibt Maria Theresia am 23. Juni 1751 an ihren Gesandten Widmann in München — gehet das Absehen des Münchener Hofes dahin, nebst dem von Uns und beiden Seemächten ziehenden Gold annoch von Frankreich Geld zu ziehen, ohne für den ein noch andern Theyl etwas werkthätiges zu thun. Mit allem dem trauete Frankreich dem churbayerischen Hofe nicht recht und hat von dessen meisten Ministris die übelste, von dem Churfürsten selbst aber die Meynung, daß er ein schwacher zaghafter Herr seye.“ „„Aus dem hier habenden Grundsatze antwortet Widmann am 4. Juli — von allen Seithen Geld und Subsidien zu nehmen, machet man fast kein Geheimniß.““ Unmittelbar vor dem siebenjährigen Kriege erklärte der Kurfürst lieber die dreifachen Subsidien von Frankreich ausschlagen zu wollen, wenn ihm Oesterreich die einfachen Subsidien garantire, und der Minister Freiherr v. Berchem sagte: „Ohne Subsidie können wir nicht seyn und unsere Interessen müssen wir auf der einen oder andern Seithen finden.“ „Wenn nicht in Bälde, schreibt Widmann am 26. Dezember 1755 — von London aus wegen Erneuerung des Subsidienvertrages vergnügliche Nachrichten einlaufen, dürfte der Kurfürst nicht länger mehr anstehen, endlich solche von Frankreich anzunehmen.“

Bekanntlich zeichneten sich die während des siebenjährigen Krieges bei[S. 91] der Reichsarmee stehenden bayrischen Truppen durch nichts weniger als durch Heldenthaten aus. Von welcher Beschaffenheit sie aber bei Ausbruch des amerikanischen Krieges gewesen sein müssen, geht aus der von Seb. Bruner in seinem Buche: „Der Humor in der Diplomatie“ mitgetheilten Korrespondenz hervor. Es schreibt nämlich der kaiserliche Gesandte Graf Lehrbach am 24. März 1778, also zwei Jahre nach dem Anerbieten des Kurfürsten und einige Monate nach dessen Tode, an den Minister Fürsten Kaunitz-Rittberg: „Der Militärstand ist nach der Cameral-Einrichtung auf 15,000 Mann, dermalen kaum 3000 Mann unter Gewehr, nebst einem Invaliden- und Garnison-Regiment. Zum Unterhalt dieser 15,000 Mann, worunter 39 Generale, sind alle Monat 93,000 fl. Vorschuß bestimmt, wovon der Unterhalt der Festungen, des Generalstabs und Alles, was zum Militärstand gehörig, zu bestreiten wäre, welche auch so verwandt werden, als ob dieser Stand wirklich vollzählig wäre. Welches auch leicht begreiflich, wenn man unter Anderem diesen Unfug beherziget, daß wenn eine Offiziers- oder andere Frau gesegneten Leibes war, hat man es entweder durch bloße Protektion oder mittelst Geldverwendungen, welches in diesem Lande für alle Gattungen von Bedienstungen oder Gnadenerweisungen der schicklichste Erhaltungsweg war, dahin gebracht, daß für noch nicht geborene und zur Welt gebrachte Leibesfrucht eine Offiziersstelle ertheilt worden ist. Wenn dann entweder eine todte Frucht zur Welt gekommen oder gar eine Tochter oder ein Sohn, der aber gleich oder nicht lange nachher gestorben, so hat die Familie oder Eltern der Kinder doch immer die Erträgnisse der gegebenen Offizierspatente fortgenossen. Die für die Beurlaubten ersparten Gelder fließen in die Tasche des Kurfürsten.“ Natürlich gerieth unter solchen Umständen Alles in Unordnung; es herrschte unter den Truppen Unzufriedenheit und Desertion. Kurz vor Ausbruch der französischen Revolution waren bei den Chevauxlegers-Regimentern 150 Pferde und 40 Sättel und für erstere nicht einmal die gehörigen Pferdestriegel vorhanden.

Es war also kein Wunder, wenn die bayrischen Soldaten zu jener Zeit nach den päpstlichen als die schlechtesten in Europa galten, und es war weise von Suffolk, daß er kurzer Hand das kurfürstliche Anerbieten verwarf. Dagegen zog er die ihm im Dezember 1776 gewordenen Offerten Würtemberg's und Brandenburg-Anspach's näher in Betracht und betraute zu Anfang des Jahres 1777 den Obersten Faucitt mit einer[S. 92] Sendung an die Höfe von Stuttgart und Anspach, um womöglich sofort mit ihnen einen Truppenlieferungs-Vertrag abzuschließen.

Da dieses Kapitel nur den verfehlten Versuchen Suffolk's, deutsche Hülfstruppen zu erlangen, gewidmet ist, so mögen hier zuerst die Verhandlungen mit Würtemberg ihren Platz finden, wenn sie auch, der Zeit nach, einige Wochen nach dem mit Anspach geschlossenen Vertrage begonnen und beendigt wurden.

Sir Joseph Yorke hatte Suffolk im September 1775 den Herzog von Würtemberg als einen Fürsten genannt, der wohl im Stande sein werde, einige Tausend Mann zu liefern; auch der Herzog selbst hatte sich dem Minister angeboten. Es kam also zunächst auf den Versuch an, Verhandlungen mit ihm anzuknüpfen.

Das Herzogthum Würtemberg zählte zu jener Zeit bei einer Größe von ungefähr 200 Quadratmeilen 514,575 Einwohner. Der Herzog Karl Eugen (1744–1793), der berüchtigte Peiniger Schubart's und Moser's, sowie spätere Gründer der Karlsschule, war zu jener Zeit noch der Landes- und Volksquäler, der nach dem von ihm zuerst öffentlich aus dem Französischen übersetzten zynischen Grundsatz handelte: „Was Vaterland! Ich bin das Vaterland!“ und sich erst im Jahre 1778 unter dem Einfluß einer verständigen und sanften Frau zu einem bessern Lebenswandel bekehrte. Zwanzig Jahre früher nannte er die Beschwerde seiner Stände über den ohne ihr Wissen mit Frankreich abgeschlossenen Subsidien-Vertrag, der ihm drei Millionen Gulden einbrachte, aufrührerisch und unanständig und drohte der ständischen Vertretung mit dem Asperg. Herzog Karl Eugen hat übrigens die Ehre, durch seinen Ex-Feldscherer Schiller der Nachwelt viel genauer bekannt geworden zu sein, als er verdient; so dankbar ist das deutsche Volk gegen seinen großen Dichter, daß es den kleinen Tyrannen, weil er fördernd und hemmend in dessen Jugend eingriff, sogar in Dichtung und Sage verherrlicht hat. Der Leser kann für die nähere Charakteristik dieses Mannes deshalb füglich auf die populären Lebensbeschreibungen Schiller's von Palleske und Scherr verwiesen werden. Hier nur ein Zug, der ihm unter seinen Zeitgenössischen Brüdern und Vettern als den rohesten und grausamsten kennzeichnet. Als er Schubart mit gerade demselben Recht eingekerkert hatte, mit welchem ein tunisischer Seeräuber seiner Zeit Menschen an den Küsten des Mittelmeeres stahl, zwang er sein volle zehn Jahre eingesperrtes und gemartertes Opfer sogar, ihn, den gnädigsten[S. 93] Peiniger, an seinen Geburtstagen zu besingen. Der arme gebrochene Mann ließ sich leider zu dieser Entehrung mißbrauchen. Die Sammlung der Schubart'schen Gedichte ist reich an derartigen, auf Bestellung gelieferten Ergüssen. Ein paar Proben, auf gutes Glück herausgegriffen, mögen in der Anmerkung Platz finden.[3]

Auch die Herzöge von Würtemberg machten wie ihre fürstlichen Kollegen seit Menschenaltern gern Geschäfte in Truppenlieferungen und waren in der Herbeischaffung von wohlqualifizirten Subjekten durchaus nicht bedenklich. In dieser Beziehung ist Karl Eugen nicht schlechter als seine Vorfahren; er handelte höchstens noch rücksichtsloser und konsequenter als sie. Man ist in der That oft in Verlegenheit, wem von ihnen man den Preis zuerkennen soll, aber in letzter Instanz muß man sich doch für Karl Eugen als den niederträchtigsten entscheiden.

Die langjährigen Zwistigkeiten des Herzogs mit seinen Ständen [S. 94] wurzeln zum großen Theil in der Willkür, mit welcher er seine Truppen aushob und erhielt; sie geben uns das aktenmäßig beglaubigte Material an die Hand, zur Beurtheilung der Soldateska während der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Nirgend im damaligen Deutschland war das Rechtsbewußtsein so ehrlich und schroff entwickelt als bei den braven Schwaben. Eine kurze Uebersicht über ihre Streitigkeiten mit dem Herzog ist äußerst lehrreich für das Verständniß der uns beschäftigenden Epoche. Ex uno disce omnes!

In den ersten Jahren seiner Regierung enthielt sich Karl Eugen jedes gewaltthätigen Eingriffs in die Rechte seiner Unterthanen und zwang sie namentlich nicht zum Dienste. Erst allmälig entwickelte sich der Sultan in ihm. Als der siebenjährige Krieg ausgebrochen war, und als der Herzog neben den 6000 Mann Hülfstruppen, die er Frankreich geliefert hatte, sein Reichskontingent stellen sollte, das bis dahin nicht vorhanden war, da schritt er mit einer Rücksichtslosigkeit zur gewaltsamen Aushebung seiner Bürger und Bauern, die im schroffsten Gegensatze zu deren verbrieften Rechten stand und zu langjährigen Zwistigkeiten mit den Landständen führte. Der berüchtigte Major Rieger erhielt Vollmacht, in kürzester Zeit die nöthige Truppenzahl zu liefern. So schwer das war, da die Schwaben gegen Friedrich den Großen als Beschützer des Protestantismus in Deutschland nicht dienen wollten — Karl Eugen war katholisch — so erfüllte Rieger doch seinen Auftrag. Wer achtzehn Jahre und sonst tauglich war, mußte Soldat werden; vom Feld und aus den Werkstätten, aus den Häusern und aus den Betten holte man die Leute, umstellte Sonntags die Kirche und ließ sie von da gewaltsam fortschleppen; zur Unterzeichnung der Kapitulation aber zwang man sie durch Hunger und Gefängniß. Beamte, die sich hierbei nicht recht thätig zeigten, wurden mit strengen Strafen bedroht. Die auf solche Art zusammengeraffte Mannschaft empörte sich jedoch, als sie in's Feld ziehen sollte, und Rieger mußte mit noch grausamerer Strenge ein neues Heer zusammenbringen. — Ueber dies Verfahren entstand allgemeiner Unwille im Lande; indessen fruchteten die wiederholten wehmüthigsten, aber respektvollsten Vorstellungen des ständischen Ausschusses nicht. Weil aber die Desertionen so sehr überhand nahmen, daß die Truppen in kurzer Zeit 360 Deserteure zählten und im September 1757 allein aus dem Feldlager bei Linz 62 ausrissen, so wurden die Gesetze gegen das Desertiren bedeutend verschärft. Selbst wer mit Gewalt zum Kriegsdienst[S. 95] weggenommen war, wurde, sobald man ihn wieder ergriff, gehängt und mit Vermögensverlust bestraft. Wer einem Deserteur half, verlor das Bürgerrecht, wurde ohne weitern Prozeß ins Zuchthaus abgeführt und hier, unter wiederholtem Willkomm (d.h. Stockprügeln) zu harter Arbeit angehalten. Um das Entkommen der Ausreißer zu verhindern, wurde befohlen — in der Würtembergischen Geschäftssprache nannte man die Maßregel Deserteur-„Attrapirungs-Anstalten“ — daß die Nachtwächter auf den Nebenwegen längs den Dörfern alle Nächte streichen mußten. Wenn Lärm gemacht wurde, so hatte die aufgerufene Gemeinde augenblicklich alle Straßen, Brücken, Nebenwege und Fußsteige zu besetzen und wenigstens vier und zwanzig Stunden lang besetzt zu halten. Wegen eines einzigen Ausreißers hatte in solchen Fällen Tübingen 106, Herrnberg 92, Böblingen 101, Besigheim 48 Mann auszuschicken; der kleine, aus fünfzig Familien bestehende Ort Dachtel stellte in einem Jahre 1488 Mann auf die Alarmplätze. Nicht selten verloren beim Widerstand bewaffneter Ausreißer arme Familienväter Leben oder Glieder. Derjenige Ort aber, auf dessen Gemarkung ein Deserteur nicht aufgehalten wurde, obgleich es hätte geschehen können, mußte einen Mann von der Größe des Entwichenen stellen, und namentlich sollte dann bei den Söhnen des Ortsvorstehers der Anfang gemacht werden. Dieser Befehl war alle Monate von der Kanzel zu verkündigen. Am 1. Oktober 1758 erhielten die Beamten den Auftrag, die Aushauser fortwährend namhaft zu machen und allenfalls gleich einzuschicken, „und zwar nicht blos solche, die ihr Vermögen schon verthan hätten, sondern überhaupt Alle, welche ein liederliches Leben führten, Trunkenbolde, Raisonneure, illegale Müßiggänger, unruhige Köpfe, subtile und schleichende Aufwiegler oder andere dem Publikum politisch oder zur Last fallende Leute, welche nicht über 60 Jahre alt, nicht gebrechlich und wenigstens 5 Fuß 8 Zoll hoch seien.“ Als Grund für diesen Befehl wurde vom herzoglichen Zuchtmeister angegeben, daß viele Beispiele von solchen Leuten vorhanden seien, die sich im Militärdienst ganz und gar geändert und der hier herrschenden preiswürdigsten Ordnung und Disziplin dergestalt folgsam erzeigt hätten, daß man sich bei ihrer einstigen Entlassung gehorsame, ruhige und vernünftige Bürger an ihnen zu versprechen habe.

Die Beschwerden der Landstände „mit ihrer in Staatssachen schwachen Einsicht“, wie der Herzog meinte, wurden keiner Antwort gewürdigt, der[S. 96] Landschafts-Konsulent Moser aber, die Seele der Opposition und der berühmte Staatsrechtslehrer, ward verhaftet und auf den Asperg geschafft.

Als 1760 nach Ablauf des Subsidienvertrages mit Frankreich der Plan mißlungen war, 6000 Mann Fußvolk in spanische Dienste zu bringen, wurde die um's Vierfache gesteigerte Militärlast von 10,290 Mann auf's Land gewälzt. Der Herzog versprach zwar, daß er sich alle Mühe geben werde, um durch einen neuen Subsidienvertrag seinen lieben und getreuen Unterthanen eine nicht geringe Erleichterung des verlangten Militärbeitrags zu verschaffen; es wollte aber kein soldatenbedürftiger Fürst die Würtemberger. Während diese unter tüchtiger Führung zu den allerbesten deutschen Soldaten gehörten, war zu jener Zeit ihre Abneigung gegen den Dienst ganz berechtigt. Damals war das Militär bei seinen eigenen Landsleuten verachtet und verabscheut. Den jungen Würtemberger wandelte ein Schauder an, wenn er nur Soldaten sah; lieber verließ er das elterliche Haus oder erlegte starke Majoritätsgelder, um heirathen zu dürfen, wenn er von einer Aushebung hörte. Die Ursachen dieser Abneigung vor dem Militärstand lagen in den allzuschroffen Kriegsartikeln, in dem kläglichen Sold, der zerlumpten Kleidung, den abgedrungenen Kautionen, in der schlechten Behandlung der Soldaten, in den nicht gehaltenen Kapitulationen, den erzwungenen Loskaufungsgeldern und dem Schicksal der verwahrlosten, Abscheu und Ekel erregenden Invaliden und der abgedankten als Bettler herum ziehenden Soldaten. Deßwegen wähnte man damals, das Militär sei blos ein Zuchtinstitut, wohin nur Taugenichtse, Aussauger, Faullenzer, Verschwender, mißrathene Söhne und Sträflinge gehörten. Der Bauernbursche glaubte, daß das Soldatenhandwerk nur durch Stockprügel und Regimentsstrafen erlernt werden könne. Selbst noch zu Anfang der französischen Revolution waren die Würtembergischen Soldaten bloß ein Haufen zusammengestoppelter, der Strapazen ganz ungewohnter Leute, von denen die meisten nur darum gern in's Feld zogen, um eine schickliche Gelegenheit zum Ausreißen zu finden. Der Abgang wurde zwar durch Werbungen wieder ersetzt, aber die Rekrutentransporte waren öfters, noch ehe sie die Standquartiere erreichten, unterwegs durch Desertion oder durch die Künste fremder Werber auf die Hälfte herabgeschmolzen, so daß man sie zuletzt stets durch Husaren begleiten ließ. Lange Zeit war daher auch das Desertiren und Rekrutiren die größte Kompagnieneuigkeit und Desertion der gewöhnliche Frührapport. Ein Theil des Kontingentes[S. 97] aber bestand aus alten und gebrechlichen Leuten, welche täglich um ihren Abschied oder den Invalidengehalt baten, und der kleinere Theil war durch die vielen Veränderungen und das böse Beispiel der Deserteure ganz mißmuthig und verdrießlich geworden. Die Artillerie allein machte eine Ausnahme von diesem schlechten Zustand. (Pfaff's Geschichte des Militärwesens in Würtemberg. Stuttgart. 1842. pp. 66–87.)

So viel sich auch die Landstände beklagten, sie fanden kein Gehör. Im Jahre 1764 beliefen sich ihre Militärbeschwerden auf mehr denn fünfzig, darunter die Klage über die ohne Wissen der Landschaft geschlossenen Bündnisse und Subsidienverträge, über die gewaltsamen Aushebungen, über die den jungen Leuten abgedrungenen Loskaufgelder von 50–100 fl., über das Verfahren gegen diejenigen, welche ihre Kapitulationszeit vollendet hatten und nun durch Fuchteln, Stockschläge, Einkerkerung und andere harte Strafen zu längerm Dienste oder zu Arbeiten beim herzoglichen Bauwesen gezwungen wurden, wo sie oft lange Zeit weder Sold noch Lohn erhielten und daher in zerrissenen Monturen, ohne Schuhe und Strümpfe auf dem Bettel umherziehen mußten. Die Stände klagten ferner über die zu strengen Strafen gegen Deserteure, über die Wegführung der mit Gewalt weggenommenen Unterthanen in's Ausland, über die harte Bestrafung der verheiratheten Bürger, welche bei der angeordneten Landesdefension nicht erschienen, und der Eltern und Verwandten der Rekruten, wenn sie diese verbärgen, über das auf Befreiung vom Militärdienst gesetzte hohe Lösungsgeld, welches im Ganzen gegen 500,000 fl. betrage und welches selbst solche zahlen müßten, welche ihre Kapitulationszeit schon überstanden hätten, über die Fortdauer der Einquartierung, ungeachtet der ansehnlichen Beiträge des Landes zum Kasernenbau, über die durch den häufigen Garnisonswechsel verursachten Unkosten, über die höchst beschwerlichen „Deserteurs-Attrapirungsanstalten“, über die Bedrohung und Bestrafung der Gemeindevorsteher, welche beschuldigt würden, daß sie Ausreißer hätten durchkommen lassen, über die Erleichterung der Soldaten- und die Erschwerung der bürgerlichen Ehen, über den Schaden, welchen Gewerbe und Landwirthschaft durch die gewaltsame Wegnahme der Handwerksburschen und Dienstknechte erlitten, über die erzwungene Uebernahme der ausgemusterten Wagen- und Artilleriepferde, wodurch den Aemtern ein Schaden von 200,000 fl. erwüchse, über die vielen Leistungen von Vorspann bei „Campements“ und Garnisonswechseln, den Ruin der[S. 98] Felder und die Verhinderung der Leute an ihren Feldarbeiten, sowie endlich über den übergroßen Generalstab, die zahlreichen Offiziere und die kostbaren Montirungen und Equipirungen.

Der Herzog, erbittert über den nur zu gerechten Tadel, schickte die Landstände nach Hause. Diese ließen sich aber durch seine Drohungen nicht einschüchtern, sondern reichten, durch die Könige von Dänemark, England und Preußen als Garanten der Würtembergischen Verfassung unterstützt, am 30. Juli 1764 eine gerichtliche Klage gegen des Herzogs verfassungswidriges Betragen beim Reichshofrath ein, welcher am 15. Mai 1765 den Landständen Recht gab und Karl Eugen zur gütlichen Beilegung des Streites aufforderte. Jetzt gab dieser nach. Das Resultat der Verhandlungen war der sog. Erbvergleich vom 2. März 1770, welcher die Rechte des Herzogs und der Landschaft festsetzte. Von jetzt an hörten die schreiendsten Mißstände wenigstens eine Zeit lang auf; im Uebrigen ging bald Alles wieder seinen alten Schlendrian. Als 1782 die Stände sich von Neuem darüber beschwerten, daß die Ursache der starken Auswanderung neben den Forst- und Jagdklagen in den Beschwernissen liege, welche der Unterthan durch das Militärwesen zu erdulden habe, nannte der Herzog ihre Bemerkungen eine ganz unanständige Zensur.

Wie sehr übrigens die Stände in ihren Streitigkeiten mit dem Herzog Recht hatten, beweist u.A. die von dem letztern 1765 und 1766 bewirkte Reduktion seines Offizierkorps, um dem Reichshofrath weniger schuldig gegenüber treten zu können. So entließ er im erstgenannten Jahre 3 Generalmajore, 3 Obersten, 1 Obristlieutenant, 5 Majore, 62 Hauptleute, 113 Lieutenants und 26 Fähndriche, während er 1766 noch 1 Feldzeugmeister, 1 Generallieutenant, 5 Generalmajore, 3 Obersten, 1 Major und 1 Rittmeister pensionirte. Die Offiziere selbst waren nichts als rohe Landsknechte, denn sie wurden nicht so sehr nach der Tüchtigkeit als nach den Vorzügen der Geburt gewählt, am Willkommensten aber waren Ausländer. Hierdurch aber kam ein Geist des Uebermuths unter die Offiziere, durch welchen sämmtliche Klassen des Bürgerstandes schwer leiden mußten; denn diese wurden „recht rittermäßig gehudelt“, selbst an Ober- und Staatsbeamten wurden Rippenstöße und Stockprügel ausgetheilt, „das Heiligthum der Landesrechte und Freiheiten aber mit Füßen getreten.“ Nur eine einzige, dem Ende der uns beschäftigenden Periode angehörige und in Schlözer's Staats-Anzeigen erzählte Anekdote möge hier als[S. 99] charakteristisch für den Geist des würtembergischen Kriegsheers einen Platz finden. Am 24. Mai 1783 ließ ein Lieutenant von Böhnen in Stuttgart einen an der Hauptwache vorbeigehenden Kammerrath, weil er den Hut nicht vor ihm abgezogen, in die Wachtstube schleppen und ihm fünfundzwanzig Stockschläge aufzählen. Der Geprügelte erhielt einzelne Hiebe auf den Kopf und schwebte mehrere Tage in Lebensgefahr. Es sei der hochmüthigen Schreiberseele schon recht geschehen, meinte das Hofgesindel. Natürlich kam der adlige Lieutenant so gut wie straffrei davon.

Der Herzog wußte zu gut aus eigener Erfahrung, daß man mit rebellischen Unterthanen so leicht und schnell nicht fertig wird und lächelte ungläubig ob der Naivetät Suffolk's, als dieser die Revolution in einem Feldzug niederwerfen zu können erklärt hatte. Karl Eugen wartete deshalb auch seine Zeit ab. Kaum hörte er von den Siegen der Engländer auf Long Island, als er dem König zur glücklichen Niederwerfung der Rebellion Glück wünschte und zugleich seine Truppen für den nächsten Feldzug anbot. Dieser Brief wurde von Wilhelm Römer, dem würtembergischen Agenten in London, am 9. Dezember 1776 überreicht. Bald darauf kam der Herzog selbst. Es scheint aber nicht, daß sein persönliches Erscheinen einen günstigen Eindruck auf Suffolk gemacht habe, wenigstens förderte es die Verhandlung nicht. Am 19. Januar 1777 bot Römer in aller Förmlichkeit 3000 Würtemberger an, die gegen Mitte März in Heilbronn eintreffen und sich dort einschiffen sollten. „Ich erlaube mir — schrieb Römer — am Schlusse zu versichern, daß der Herzog bei seiner hohen persönlichen Ehrerbietung vor Seiner Majestät Alles aufbieten wird, sich bei dieser Gelegenheit durch sorgfältig ausgewählte Mannschaften und gute Ausrüstung der Offiziere und Soldaten auszuzeichnen, und daß er den König, Ew. Lordschaft und den Oberbefehlshaber in Amerika zu befriedigen suchen wird.“

Als Suffolk am 14. Januar 1777 Faucitt seine Instruktionen für Anspach gab, fügte er einen gleichlautenden Auftrag für Würtemberg bei. „Der König — sagte er — will die 3000 Mann, welche der Herzog ihm angeboten hat, annehmen. Die zu liefernden Truppen sollen aus 100 Mann per Kompagnie, mit je vier Offizieren und eben so viel Sergeanten, ein Sechstel des Ganzen aber aus Jägern bestehen, falls Sie so viel gute und erfahrene Jäger haben können. Je jünger die Offiziere, desto besser! Jedes Bataillon muß seine Geschütze mitnehmen[S. 100] und das ganze Korps am 10. März zur Einschiffung fertig sein.“ „Die Mittheilung mag Ihnen von Nutzen sein — fügte Suffolk in einem vertraulichen Schreiben hinzu — daß der Herzog von Würtemberg und der Markgraf von Anspach besonders warm wünschen, ihre Truppen Seiner Majestät zu vermiethen, und daß die desfallsigen Vorschläge nicht von uns ausgegangen, sondern von ihnen gemacht sind. Römer, des Herzogs hiesiger vertrauter Agent, hat mir zudem versprochen, daß die zu liefernden 3000 Mann möglichst auf den englischen Fuß gestellt und mit so wenig überflüssigem Zubehör versehen sein sollen, als nur möglich ist. Hoffentlich denkt der Herzog nicht daran, einem Offizier von höherm Rang als General-Major den Befehl über seine Truppen zu übertragen.“

Als Suffolk das Anerbieten des Herzogs annahm, war er von der falschen Voraussetzung ausgegangen, daß dessen stehendes Heer doppelt so groß als das versprochene Kontingent sei, in welchem Irrthum er durch einen im englischen Kriegsministerium befindlichen Bericht des Hauptmanns Pleydell bestärkt wurde. Dieser Offizier hatte nämlich Stuttgart zu Anfang September 1775 besucht und war offenbar durch die glänzende Außenseite der würtembergischen Residenz, durch den Herzog und seine Minister geblendet worden; er hatte die auf dem Friedensfuß stehende Armee des Herzogs auf 5500 Mann geschätzt und sich äußerst anerkennend über die guten Eigenschaften der Truppen, die schönen Kasernen, die prächtigen Uniformen und die guten Pferde ausgesprochen.

Anders lautete die Lesart, die jetzt Faucitt bei genauerer Besichtigung gab.

„Ich wurde — schreibt er am 7. Februar 1777 von Stuttgart — dem Herzoge am Tage meiner Ankunft von Anspach (3. oder 4. Februar) vorgestellt. Er versprach mir sofort, dem Könige die 3000 Mann zur festgesetzten Zeit zu liefern; die Minister versicherten aber, daß dieses Versprechen sich unmöglich erfüllen lasse. Ich bedaure, daß meine Verhandlungen an diesem Hofe voraussichtlich zu Nichts führen werden. Der Herzog ist nicht im Stande, ein Drittel der in Aussicht gestellten Truppen zu liefern. Sein Kredit und seine Finanzen sind bei einer so niedrigen Ebbe angekommen, daß er, selbst wenn er die Truppen auszuheben vermag, unmöglich gute Waffen und Uniformen anschaffen kann, um sie für's Feld auszurüsten. Seit ich in Deutschland bin, habe ich schon viel von des Herzogs ruinirten Verhältnissen gehört; ich finde jetzt die weitgehendsten[S. 101] Schilderungen bestätigt, namentlich aber sind seine Mittel so erschöpft, daß er gar nicht an die Ausrüstung eines Korps für Amerika denken kann. Seine ganze Armee besteht aus 1690 Mann (Offiziere und Unteroffiziere nicht mit eingeschlossen). Die Kavallerie beträgt 410 Mann; die Infanterie 1060 und die Artillerie 220 Mann. Ein Infanterie-Regiment hat im Durchschnitt 240 Mann und ein Kavallerie-Regiment 120 Mann! Ein großer Theil der Soldaten ist beurlaubt. Was bei den Fahnen steht, ist der steif, alt und dekrepit gewordene Ueberrest aus dem letzten Kriege. Um die Desertion zu verhindern, giebt man den Soldaten, deren Zeit längst abgelaufen ist, ihre fällig gewordene Löhnung nicht. Ihre Waffen stammen aus dem letzten Kriege, sie sind von allen Kalibern, dabei abgenutzt und werthlos. Ihre Feld-Ausrüstung und Zelte sind von noch schlechterer Beschaffenheit. Die Offizierszelte sind in Stücke geschnitten und in verschiedene Formen gebracht, um bei den ländlichen Festen des Herzogs zu dienen. Ohne neue Zelte können sie gar nicht marschiren. Dieser entmuthigende Zustand der würtembergischen Armee erschreckte mich derartig, daß ich mir des Herzogs Geständniß, er könne nicht alle 3000 Mann in der vorgeschriebenen Zeit liefern, zu Nutze machte und erklärte, ich müsse auf der ganzen Zahl bestehen, jedenfalls Ihnen aber erst Bericht erstatten. Der Herzog ernannte zwei seiner Minister und einen Major zur Unterhandlung mit mir, welche keinen der bisherigen Verträge kannten. Ich entwarf einen nach dem Muster des braunschweigischen, da dieser der mäßigste von allen ist. Die Subsidien beschränkte ich auf sechs Monate, statt zwei Jahre wie in Braunschweig einzuräumen. Ebenso bewilligte ich vor dem Abmarsch nur sieben Tage Löhnung statt zwei Monate. Ich war natürlich bereit, bessere Bedingungen zu gestatten, falls es verlangt würde. Die Herren machten aber nicht die geringsten Einwendungen.“

„Ich kann mich noch immer nicht — fährt Faucitt von Kassel aus am 17. Februar 1777 fort — über den Aerger der Enttäuschung in Stuttgart beruhigen. Ich fürchte, daß dieser bedeutende Ausfall an Truppen ernstliche Unannehmlichkeiten nach sich ziehen wird. Ich bin mir aber bewußt, recht gehandelt zu haben. Alle Manöver schlugen bei mir fehl. Weder die schmeichelhaften Höflichkeiten, noch die ausgesuchteste Artigkeit und Aufmerksamkeit haben mich verlockt. Ich habe auch nicht für einen Bruchtheil der Truppen abgeschlossen, da diese, ganz abgesehen von ihrer schlechten Equipirung und Bewaffnung, doch für den aktiven Dienst[S. 102] nicht getaugt haben würden. Der Herzog hat sich seit einigen Jahren so sehr weibischen Vergnügungen hingegeben, daß er das Militärwesen ganz vernachlässigt und in Verfall gebracht hat. Was ich in seinem Arsenal in Ludwigsburg sah, hat mich in meinen ersten ungünstigen Eindrücken nur bestärkt. Ich fand daselbst nur einen schönen Artillerie-Train, den wir aber nicht brauchen können; die dort befindlichen Gewehre verschiedensten Kalibers sind alt, ihre Schlösser zerbrochen oder außer Ordnung; die wenigen Zelte sind alte schäbige Ueberreste aus dem letzten Kriege. Ich zog mich deshalb so gut ich konnte aus der Schlinge, sprach von gegenseitigem Mißverständniß über Zahl und Lieferungszeit der Truppen und reiste ab.“

Suffolk gab Faucitt unbedingt Recht und meinte nur, ob man nicht Malsburg einen Wink geben und die brauchbaren würtembergischen Jäger nicht zur Vervollständigung der hanauischen Jäger-Abtheilung benutzen könne. Malsburg verstand den Wink und fast ein Drittel der letzten drei hanauer Jäger-Kompagnien, die im April in Nimwegen ankamen, waren Würtemberger.

Uebrigens regte Faucitt selbst im April 1777 von Kassel aus den Plan wieder an, wenigstens 1000 bis 1500 Mann vom Herzog von Würtemberg zu miethen, der nach wie vor von Ehrerbietung gegen den König von England überströmte und es sich als besondere Gnade ausbat, daß seine Truppen einigen Antheil an der Niederwerfung der amerikanischen Rebellion nehmen dürften. Suffolk meinte zwar, diese Dienstwilligkeit ziele mehr darauf hin, eine bedeutende Summe Geldes nach Stuttgart zu ziehen, als Sr. Majestät Streitkräfte bedeutend zu verstärken, allein er bevollmächtigte Faucitt, die Verhandlungen mit Karl Eugen wieder anzuknüpfen und ihm die den Hessen gewährten Bedingungen einzuräumen, wenn er bis zum Frühjahr zwischen 1500 und 4000 Mann erhalten könne. Indessen hatte der englische Minister immer noch Mißtrauen in die Tüchtigkeit der würtembergischen Truppen und brach im Dezember die schwebenden Unterhandlungen ganz ab, als — wie wir später sehen werden — in Folge der vom König von Preußen gegen die deutschen Hülfskontingente ergriffenen Maßregeln ihre Verschiffung den Rhein hinunter vorläufig unmöglich wurde.

Uebrigens verschmähte es Suffolk zu gleicher Zeit nicht, mit hergelaufenen Abenteurern, alten Werbe-Offizieren und prahlenden Landsknechten direkt[S. 103] zu verhandeln, wofern sich ihm nur eine Aussicht bot, ein paar tausend Mann mehr für den Dienst in Amerika zu gewinnen. So ließ er sich u.A. Monate lang in einen ausführlichen Briefwechsel mit einem schwäbischen Baron Eichbegg ein. Dieser Mann bot seine Dienste in London selbst an und fand dort, wo man seinen Aufschneidereien und abenteuerlichen Plänen anfangs ein gläubiges Ohr schenkte, eine äußerst freundliche Aufnahme. „Da ich glaube, — schrieb er in einem barbarischen Französisch am 12. Juni 1777 an Suffolk — daß der Hof von Wien und das ganze Reich neue, für Amerika bestimmte Truppen-Aushebungen in Deutschland mit keinem günstigen Auge ansehen wird, so erlaube ich mir, Mylord, Ihnen einen Vorschlag zu machen, über den kein Mensch Lärm schlagen kann. Mein Geheimniß besteht darin, daß ich eine Rekruten-Niederlage auf der Insel Minorka bilde, dort eine beträchtliche Anzahl Deutscher sammle und von da aus stets die deutschen in Amerika dienenden Regimenter vervollständige. Ein geborner Schwabe, habe ich die beiden letzten Kriege in Deutschland mitgemacht und kenne nicht allein besser als jeder Andere das Land, sondern auch die Mittel und Wege, auf denen man, ohne Skandal zu machen, alle möglichen Rekruten zu zwanzig Pfund pro Stück nach Genua und von da nach Minorka schafft. Ich würde natürlich meinen Wohnsitz in Minorka aufschlagen.“

Suffolk fand diesen Plan denn doch etwas zu weit aussehend; aber der erfinderische Herr von Eichbegg machte ihm bereits am 8. August 1777 einen neuen verbesserten Vorschlag. Er hatte diesmal nichts Geringeres vor, als Slowaken und Kroaten nach Amerika zu schaffen und aus diesem Gesindel zugleich nach beendigtem Kriege eine den Amerikanern furchtbare Niederlassung zu bilden. „Meine alten Waffengefährten — schreibt Eichbegg unter jenem Datum — wollen Niemandem anders dienen, als England; ich erneuere deshalb meine Bitte um Prüfung meines sehr beachtenswerthen Vorschlages. Ich weiß nicht, was für Gründe Sie bestimmen, denselben abzulehnen. Meine Leute sind tapfere Slowaken, die ich im Kriege gegen Türken und Russen kommandirt habe; sie folgen mir, wohin ich gehe, bis an's Ende der Welt; zugleich sind sie gute Matrosen. Es wäre aber wichtig, nicht allein Soldaten und Matrosen nach Amerika zu schaffen, die sich während des dortigen Krieges nützlich machen könnten, sondern zugleich von der höchsten Bedeutung, später aus ihnen eine den Amerikanern furchtbare Kolonie zu bilden. Sie würden in ihnen eine[S. 104] natürliche Garnison gewinnen und die Transportkosten doppelt und dreifach wieder herausschlagen.“

Es schien aber selbst Suffolk vor dieser Bande bange zu werden; er lehnte deshalb den Antrag am 12. September 1777 definitiv ab und beharrte bei seiner Weigerung, als Eichbegg am 6. Januar 1778 sein Anerbieten von Hamburg aus erneuerte. So blieben denn die armen Rebellen vor der Gesellschaft der Halsabschneider, Rattenfallenhändler und Militärgränzer verschont.

Je länger aber der Krieg in Amerika dauerte, desto größer wurden die Verlegenheiten des englischen Ministeriums. Es hatte gar keine Wahl mehr, sondern mußte seine Truppen nehmen, wo sie nur zu finden waren. Der frühere Hochmuth Suffolk's machte deshalb auch seit der Gefangennahme der Hessen bei Trenton und namentlich seit der Uebergabe Burgoyne's bei Saratoga einer ebenso großen Verzagtheit Platz. Die Verwickelungen mit Frankreich und Spanien wurden namentlich seit dem zuletzt genannten, für die englischen Waffen so traurigen Ereignisse immer drohender, und täglich trat ein Krieg mit den bourbonischen Mächten mehr in den Vordergrund. Waren die Amerikaner, als sie noch ohne fremde Hülfe kämpften, nicht niedergeworfen, wie wollte man erst mit ihren europäischen Bundesgenossen fertig werden?

Außer in Deutschland waren aber nirgend Hülfstruppen für England aufzutreiben, und auch in Deutschland wurde die Aufgabe immer schwieriger. Das an Soldaten so reiche Land hatte kaum zwölf Jahre nach dem siebenjährigen Kriege sich wieder einen Abfluß von etwa 20,000 Menschen gefallen lassen müssen; einen größern Aderlaß konnte es kaum noch aushalten. Gleichwohl fiel Suffolk immer wieder auf Deutschland zurück, weil nirgend anderswo anzukommen war. Schon nach Fehlschlagen seines Versuches in Würtemberg hatte er sich wieder an Sir Joseph Yorke, seinen Gesandten im Haag, gewandt, dem er von allen englischen Diplomaten die genaueste Kenntniß der deutschen Verhältnisse zutraute. „Ich habe Sie — schrieb er ihm am 4. März 1777 — bereits am 1. September 1775 nach der Möglichkeit befragt, fremde Truppen für den amerikanischen Dienst zu erlangen. In Ihrer Antwort vom 5. September 1775 wiesen Sie mich auf den Landgrafen von Hessen-Kassel, den Herzog von Würtemberg, den Herzog von Sachsen-Gotha, den Fürsten von Darmstadt und den Markgrafen von Baden als Mächte hin, welche[S. 105] uns unter Umständen und bei richtiger Behandlung eine ansehnliche Truppenzahl zu liefern im Stande sein dürften. Seit jener Briefwechsel zwischen uns stattfand, hat Seine Majestät mit dem Landgrafen von Hessen-Kassel, dem Herzog von Braunschweig, dem Erbprinzen von Hessen-Kassel, dem Fürsten von Waldeck und jüngst mit dem Markgrafen von Anspach Verträge abgeschlossen. Ich glaube kaum, daß wir alle nöthigen Mannschaften von diesen Fürsten erlangen können. Der Herzog von Würtemberg hat Seiner Majestät wiederholt seine Truppen angeboten. Es war auch unsre Absicht, einen Theil davon in Sold zu nehmen; indessen entdeckten wir bald die Unfähigkeit des Herzogs, uns irgend welche zu liefern, so daß wir den Plan zu unsrer großen Enttäuschung haben aufgeben müssen. An die übrigen in Ihrem Briefe genannten Fürsten, den Markgrafen von Baden, den Fürsten von Darmstadt und den Herzog von Sachsen-Gotha haben wir uns weder gewandt, noch sind uns ihrerseits Eröffnungen gemacht worden. Der Zweck dieses vertraulichen Schreibens ist nur der, Ew. Exellenz zu bitten, daß Sie sich darüber vergewissern wollen, welche Streitmacht diese Fürsten im Nothfalle zu stellen im Stande sind. Natürlich dürfen Sie den Verdacht nicht aufkommen lassen, daß wir uns möglichen Falls an sie wenden werden. Der Ausfall der 4000 Mann die wir von Würtemberg zu beziehen hofften, verringert in der That unsere Verstärkungen für den nächsten Feldzug erheblich. Es ist natürlich unmöglich, diesen Ausfall vor dessen Eröffnung wieder auszugleichen allein vielleicht liegt es in unsrer Macht, Sir William Howe zur Wiedereröffnung der Feindseligkeiten nach den heißen Augusttagen eine ansehnliche Truppenzahl zu senden, falls er deren überhaupt noch bedürfen sollte. Beschränken Sie sich in Ihren Nachforschungen ja nicht auf die genannten Fürsten, sondern dehnen Sie dieselben überall hin aus, wo Sie eine Verstärkung erwarten zu können glauben. Es ist von der größten Wichtigkeit, schon im Voraus zu wissen, wo fernere militärische Hülfe zu finden ist, sei es für Amerika oder für irgend einen Punkt in Europa.“

„Ich bedaure unendlich — antwortet Yorke umgehend am 7. März 1777 — daß der Herzog von Würtemberg sein Anerbieten nicht ausführen konnte, und bin doppelt überrascht, da die schweizer Offiziere im holländischen Dienste, welche von hier aus ihre Heimath besuchten, eine ganz andere Sprache führten und mir oft Glück wünschten, daß wir in den Würtembergern die besten deutschen Truppen in unsere Dienste nehmen[S. 106] würden. Ich werde es mir natürlich zur Aufgabe machen, Ew. Lordschaft Befehlen nachzukommen. Der Herzog von Sachsen-Gotha könnte uns, glaube ich, leicht Truppen liefern. Der Landgraf von Darmstadt ist, wie ich seit meinem damaligen Briefe gefunden habe, zu verliebt in seine Soldaten, als daß er sie außer Sicht ließe; vielleicht dürfte er sich aber doch in Versuchung führen lassen.“ Das geschah nun nicht. Das Paradespiel ward dem großen Trommler eine Stütze seiner Tugend.

Aus verschiedenen Ursachen schlugen auch alle späteren Versuche Suffolk's fehl, mehr Truppen zu erlangen. Meistens ergab sich bei näherer Prüfung der Verhältnisse, daß entweder die angebotene Zahl nicht vorhanden war oder daß sonst ein Hinderniß im Wege stand. So schien sich schon im Frühjahr 1777 eine Aussicht auf Gewinnung von zwei Hildburghauser Bataillonen zu bieten. Unterm 9. April 1777 schrieb der englische Gesandte in Wien, Robert M. Keith, an Suffolk, daß der Feldmarschall Prinz von Sachsen-Hildburghausen ihm als Vormund seines Neffen, des regierenden Fürsten, für den nächsten Feldzug zwei Bataillone unter den dem Landgrafen von Hessen bewilligten Bedingungen angeboten habe, und daß die Truppen in sechs Monaten marschfertig sein könnten. Der Marschall hielt sein Gesuch sehr geheim und ließ es nur durch die Hände der englischen Gesandtschaft in Wien gehen. Ob er sich desselben schämte? So viel steht aber fest, daß er sein Anerbieten nicht ausführen konnte, denn Suffolk, der es so gern angenommen hätte, kommt nie wieder darauf zurück. Dagegen wies der englische Minister im Dezember 1780 kurzer Hand das letzte ihm gemachte größere Angebot ab. Gotha und Darmstadt hatten dem englischen Gesandten in Regensburg durch ihren dortigen Residenten, einen Herrn von Gemmingen, erklären lassen, daß sie froh sein würden, wenn der König von England 4000 Mann für den amerikanischen Dienst von ihnen nehmen wollte. Es stellte sich später heraus, daß der Suffolk'sche Agent entweder zu viel gehört oder das Gehörte nicht recht verstanden hatte.

Somit behielt es für die ganze Dauer des amerikanischen Krieges bei den sechs, in den Jahren 1776 und 1777 mit Braunschweig, Kassel, Hanau, Waldeck, Anspach und Zerbst abgeschlossenen Truppenlieferungs-Verträgen sein Bewenden. Die ersten vier sind bereits dargestellt worden; die beiden letzteren werden in den folgenden Kapiteln erzählt werden.


[S. 107]

Siebentes Kapitel.

Der Markgraf Karl Alexander von Anspach, zu welchem wir uns nunmehr wenden, hatte schon im Herbst 1775, kurz nach Ausbruch des Krieges der englischen Krone zwei Bataillone angeboten, indessen statt ihrer Annahme nur eine grobe abschlägige Antwort auf seine im demüthigsten Tone vorgebrachte Bitte erhalten können. Er war aber nicht der Mann, der sich so leicht abweisen ließ, denn er kannte die Annehmlichkeit fremder Subsidien aus früheren Kriegen zu gut, seine Vorgänger waren zu oft Lieferanten des Reiches, Frankreichs und Englands gewesen, als daß ihr Nachfolger nicht auch jetzt seinen persönlichen Vortheil aus der Verlegenheit des englischen Kabinets angestrebt hätte. Sein Unglück war nur, daß die englischen Waffen im ersten Jahre des Krieges zu viel Glück in Amerika hatten, daß also König Georg III. ohne weitere Truppensendungen mit den Kolonien fertig zu werden hoffte. Daher auf der einen Seite der servile Eifer, das unterthänige Betteln des Markgrafen, und auf der andern als natürliche Antwort darauf der brutal hochmüthige Ton der englischen Minister. Karl Alexander bedurfte aber gerade damals des Geldes mehr als je, wußte er doch nicht, wie er sonst die ungeheuren Schulden, die sein Ländchen fast erdrückten, anders los werden sollte, als durch die aus der Vermiethung seiner Truppen zu ziehenden Hülfsquellen.

Als gegen Ende des ersten Kriegsjahrs ein zweiter Feldzug unerläßlich schien, um den Aufstand vollends nieder zu werfen, hielt der Markgraf seine Zeit für gekommen. Sein Minister Reinhard Freiherr von Gemmingen mußte am 9. November 1776 durch den in Privatgeschäften in London weilenden markgräflichen Kammerherrn von Seckendorff bei dem Ministerium anfragen, ob die beiden Anspachischen Bataillone jetzt nicht anzubringen seien. „Die Gründe, welche uns zu diesem Geschäfte veranlassen, brauche ich Ihnen kaum einzeln anzuführen, erkundigen Sie sich unter der Hand, handeln Sie so geheim als möglich, aber thun Sie Ihr Möglichstes“ — mit diesen Worten schloß Gemmingen seine erste Aufforderung an Seckendorff. Auf Grund derselben begann eine Verhandlung, welche sich bei der kühl ablehnenden Haltung des englischen Kabinets über zwei Monate lang hinzog.

Seckendorff wandte sich zuerst an Faucitt, erhielt von ihm aber die[S. 108] Antwort, daß man voraussichtlich in Amerika keine Truppen mehr brauche, zumal dort ein Erfolg den andern überbiete, zudem kenne er die Absichten seiner Regierung nicht (obgleich er nach Kassel zu reisen im Begriffe stand, um dort eine Abtheilung Jäger zu engagiren). Lord North ließ Seckendorff kürzer abfahren, indem er ihm stehenden Fußes erklärte, der Anspachische Unterhändler irre sich in dem Ressort, er müsse sich deshalb an Suffolk wenden. Dieser aber wies ihn ohne Weiteres ab, da er keine gehörig beglaubigte Vollmacht vorzulegen vermöge: erst wenn er diese beibringe, könne man ihm eine offizielle Antwort geben. Seckendorff bat also um die nöthigen Papiere, und unter obligaten Klagen über seine eigene Mittellosigkeit, so wie über das theure Londoner Pflaster, zugleich um einen Vorschuß von hundert Pfund, von welchen er sich zugleich ein Galakleid machen lassen wolle, um am Geburtstag der Königinn der Kur (18. Januar) beizuwohnen und seinen Auftrag möglichst zu fördern. Er zweifelte übrigens trotz seines guten Willens an seinem Erfolge, da in Amerika Alles zu gut gehe, und hielt es, ehe er formelle Anträge stellte, für klüger, erst bessere, d.h. für England schlechtere Nachrichten abzuwarten. „So viel ich weitläufig gehört habe — schloß er einen seiner ersten Berichte an Gemmingen — so soll noch ein sehr alter Groll und eine noch unter voriger Regierung und des kaiserlichen Geheimen Raths v. Seckendorff's Ministerio gespielte Untreue schuld an der abschlägigen Antwort im November 1775 gewesen seyn. Ew. Exzellenz, welche den Schlüssel zu unseren secretis haben, kann diese Sache leicht beyfällig werden.“

Gemmingen, der sich bei diesen Verhandlungen als ein billig denkender und verständiger Herr, sowie als erfahrener und tüchtiger Geschäftsmann zeigt, dringt in jedem Briefe auf Beschleunigung des Geschäfts. Er muß Alles selbst schreiben, da er sich vor einem Vertrauensbruch seiner Untergebenen und dem unzeitigen Bekanntwerden der sehr leicht noch fehl schlagenden Unterhandlung fürchtet. „Es erscheint mir immerhin sehr hart — sagte er u.A. — mit Truppen Handel zu treiben; allein der Markgraf ist um jeden Preis entschlossen, seine Angelegenheiten zu ordnen und alle seine, sowie seiner Vorgänger Schulden zu zahlen. Das Gute, welches aus einem solchen Subsidienvertrage hervorgehen kann, würde also die Gehässigkeit dieses Geschäftes bedeutend überwiegen. Wir können, wenn es verlangt werden sollte, außer der Infanterie noch ein Korps[S. 109] ausgezeichneter Jäger stellen, welches jetzt schon aus 200 Mann, lauter gelernten Leuten, besteht. Der Markgraf hat sich an die verwittwete Herzoginn von Sachsen-Hildburghausen, Tante der Königinn von England, gewandt, damit diese sein Anliegen beim König bevorworte. Er hofft viel von dieser Vermittlung, mir scheint jedoch der Erfolg sehr fraglich. Erkundigen Sie sich unter der Hand nach den, Hessen bewilligten Bedingungen und übermitteln Sie die eventuellen Vorschläge ad referendum.“

Der Markgraf schickte am 5. Dezember 1776 seine Instruktionen nebst Vollmacht an Seckendorff und beauftragte diesen, die beiden Anspacher Bataillone und ein Jägerkorps der englischen Regierung formell anzubieten. „Wenn es verlangt wird, sagte er am Schluß seines Briefes, so können Sie hinzufügen, daß ich für die Tüchtigkeit und Tapferkeit meiner Soldaten einstehe. Im Uebrigen versichern Sie den Minister oder denjenigen, welchen man mit der Verhandlung mit Ihnen beauftragen wird, daß ich mich sehr geschmeichelt fühlen werde, wenn ich dem König von einigem Nutzen sein und durch meinen Eifer in der Erfüllung der von mir einzugehenden Verbindlichkeiten das Unrecht wieder gut machen kann, welches der Minister meines verstorbenen Vaters in einem früher abgeschlossenen Subsidienvertrage begangen hat.“ (Bezieht sich offenbar auf die Subsidienverträge im österreichischen Erbfolgekriege.) An Suffolk selbst schrieb der Markgraf am 13. Dezember 1776: „Nichts in der Welt kommt dem Eifer gleich, mit welchem ich Sr. Majestät nützlich zu sein wünsche, und nichts wird meiner Dankbarkeit gleich kommen, wenn Ew. Exzellenz dazu beitragen, mich in den Stand zu setzen, daß ich den Beweis für diesen meinen Eifer liefere.“

Im Besitz seiner Vollmachten giebt sich Seckendorff heute den übertriebensten Erwartungen hin und glaubt, den sofortigen befriedigenden Abschluß des ihm aufgetragenen Geschäfts in sichere Aussicht stellen zu können, morgen wieder verliert er, von den englischen Ministern schnöde behandelt, das gestrige Vertrauen und läßt jede Hoffnung fahren. Ob aber hoffend oder verzagt, er hat die übertriebenste Ansicht von seiner Bedeutung und Stellung in der diplomatischen Welt, er hält sich von allen Seiten für beobachtet und bemerkt. Als ein junger, wegen leichtsinniger Streiche aus Anspach durchgegangener Offizier, ein der Aristokratie des Ländchens angehöriger Lieutenant v. Forstner eines Tages Seckendorff in London besucht und ihm mittheilt, daß er in amerikanische[S. 110] Dienste zu treten im Begriff stehe, fällt der neue Diplomat vor Schrecken fast in Ohnmacht. „Denken Sie sich mein Erstaunen — schreibt Seckendorff am 31. Dezember 1776 an Gemmingen — als der alten Frau v. Forstner Sohn plötzlich bei mir eintritt und mir erklärt, bei den Rebellen Dienste nehmen zu wollen. Ich habe ihm das auszureden gesucht und statt dessen Empfehlungsbriefe nach Bengalen angeboten, allein er sagt, dafür habe er kein Geld. Er will nach Paris zu Franklin, von welchem er Alles erwartet. Da hier die eifrigsten Amerikaner taub für seine Bitten sind, soll ich ihm helfen. Der Mensch bereitet mir die entsetzlichsten Verlegenheiten. Während ich in unserer Sache negoziiren soll, will er die Royalisten in Amerika bekämpfen, für welche ich werbe. Ich zittere vor der Entdeckung!“ Forstner muß seinen Mann gut gekannt haben, denn er beutete dessen Furcht, im Verkehr mit einem, den Republikanern geneigten unbekannten deutschen Offizier entdeckt zu werden, gehörig zu seinem Vortheil aus und machte verschiedene Zwangsanleihen bei ihm. Seckendorff, um ihn los zu werden und wieder zu seinem Gelde zu kommen, vermittelte dann in der Folge auch Forstners Eintritt in eins der nach Amerika bestimmten Anspacher Bataillone, in dessen Reihen er in der Schlacht am Brandywine tapfer kämpfend fiel.

Seckendorff's Berichte bis Mitte Januar 1777 sind in der wechselndsten Stimmung geschrieben. Seinen unbedingten Erfolg voraussehend, brütet er die abenteuerlichsten Pläne aus, zu denen sich nicht einmal die in derartigen Dingen fruchtbare Phantasie des Landgrafen von Hessen verstiegen hatte. Da der Krieg möglicher Weise mit dem ersten Feldzuge beendigt sein werde, so solle man durch den abzuschließenden Vertrag der Gefahr vorbeugen, daß die anspachischen Truppen, nachdem sie kaum engagirt worden, auch schon wieder verabschiedet würden. „Vielleicht wäre es auch gut, jeden Soldaten, der sich in Amerika niederläßt und dadurch seinen Souverain eines Unterthans beraubt, vorher schriftlich sich verpflichten zu lassen, daß er zu Gunsten des Fiskus auf einen Theil seines Vermögens verzichtet und auch den König von England zu bestimmen, daß er einen Theil des Verlustes trägt.“ (!!)

Mittler Weile hatte auch die verwittwete Herzoginn Louise von Sachsen-Hildburghausen von Heilbronn aus, wo sie wohnte, dem Wunsche des Markgrafen entsprechend, ihre Fürsprache bei der Königinn von England[S. 111] eingelegt, indessen die Erfolglosigkeit ihrer Schritte gemeldet, da der König alle ihm nöthigen Truppen in Amerika habe, diese also nicht zu vermehren gedenke.[4]

Zudem lauteten die Nachrichten für die markgräflichen Pläne, wie Seckendorff, von der größten Hoffnungsfreudigkeit wieder in die äußerste Verzagtheit fallend, schreibt, täglich trauriger, wenn auch gut für den König und die Menschlichkeit, und zuletzt fürchtete er bei den ewigen Siegen der englischen Waffen doch, daß man die Zahl der Truppen in Amerika nicht weiter vermehren würde. Endlich aber wurde er am 7. Januar 1777 zu einer neuen Audienz bei Suffolk zugelassen. Dieser versprach jetzt, dem König über die Sache zu berichten, da man inzwischen im englischen Kabinet zu dem Entschluß gekommen sei, die amerikanischen Streitkräfte zu ergänzen. Am 11. Januar also nahm Suffolk Seckendorff's Anerbieten an, nachdem dieser ihm erklärt hatte, daß die Anspacher marschfertig seien, und beauftragte den bereits in Kassel weilenden Faucitt mit dem sofortigen Abschluß eines Vertrages.

„Da der Markgraf von Brandenburg-Anspach — so lautet seine vom 14. Januar 1777 datirte Instruktion — durch einen an mich gerichteten Brief dem König ein kleines Korps für Amerika angeboten hat, das sofort marschbereit gemacht werden kann, so erhalten Sie Vollmacht, den betreffenden Vertrag mit ihm abzuschließen. Reisen Sie also unverzüglich nach Anspach und erledigen Sie dieses Geschäft so schnell als möglich. Ich kann Ihnen, dem jetzt bereits eine Erfahrung von sechs Verträgen zur Seite steht, überlassen, eine solche Konvention abzuschließen, wie sie der König billigen wird. Suchen Sie also die möglichst besten Bedingungen zu erlangen und gestatten Sie keine neuen. Als Sie 1775 die ersten Verträge abschlossen, war eine Expedition nach Amerika den Deutschen noch ganz neu und galt, abgesehen von den Schrecken der Seereise, noch für schlimmer als sie in der That ist. Jetzt aber versteht man [S. 112] diesen Dienst besser. Wir brauchen uns also nicht länger übervortheilen zu lassen; suchen Sie namentlich Geld zu ersparen. Möglichen Falls thut die Anspacher Verstärkung bei der gegenwärtigen Lage der Dinge (die Niederlagen bei Trenton und Princeton waren in England noch nicht bekannt geworden) gar keine Dienste mehr. Dies muß Ihr Hauptgesichtspunkt bei der Bestimmung der Subsidien sein. Diese dürfen nur vom Tage der Genehmigung des Vertrages an und während der aktiven Verwendung der Truppen, nicht aber auf eine Reihe von Jahren gewährt werden und höchstens noch sechs Monate nach dem Kriege fortdauern. Die Löhnung muß mit dem Monate aufhören, in welchem die Truppen zurückkehren. Das Korps selbst muß am 10. März zur Einschiffung bereit sein. Diese Winke mögen Ihnen als Richtschnur dienen.“

Faucitt kam am 28. Januar 1777 in Anspach an. Der regierende Markgraf Karl Alexander, geboren 1737, hatte 1757 die Regierung von Anspach angetreten, 1769 Bayreuth geerbt und herrschte zu jener Zeit über ein Land von etwa 140 Quadratmeilen und etwa 400,000 Einwohnern. Im Jahre 1791 trat er Anspach-Bayreuth an die ältere Linie der Hohenzollern, die Könige von Preußen, ab und starb 1806 im Ausland. Die fränkische Linie, welcher der Markgraf angehörte, hatte keinen einzigen der Vorzüge der in Preußen regierenden Vettern, dagegen desto mehr Fehler und Laster, vor Allem aber eine maßlose Heftigkeit und den alten Hohenzollernschen Jähzorn. Die Regenten von Anspach und Bayreuth sind vom Scheitel bis zur Sohle die schlechtesten Exemplare der Landesväter des achtzehnten Jahrhunderts. Land und Volk sind nur zu ihrer Ausbeutung, zu ihrem Vergnügen vorhanden; für sie giebt es kein Gesetz, keine Schranke, ihre ruchlose Willkür steigert sich zum Mord und Todtschlag. Rohe Gewaltthat und despotische Laune vererben sich vom Vater auf den Sohn; der Sultanismus ist der ihnen Allen gemeinschaftliche Charakterzug. Man geräth fast in Verlegenheit zu entscheiden, wer von ihnen der schlechteste und nichtswürdigste ist. Während Friedrich Wilhelm I. und sein großer Sohn durch unermüdliche Arbeit im Dienste des Staates und treue Pflichterfüllung Preußen zu einer der leitenden europäischen Mächte erheben, ruiniren Friedrich Alexander und Friedrich Christian von Bayreuth, Karl Friedrich Wilhelm und Karl Alexander von Anspach ihre von der Natur so sehr gesegneten Ländchen durch den sinnlosesten Luxus und eine fast wahnsinnige Verschwendung. Darin thaten[S. 113] es ihnen andere Zeitgenossen, die sächsischen und würtembergischen, die pfälzischen und bayrischen Fürsten ganz gleich, wenn auch nicht zuvor; bezeichnender aber ist für die Bayreuther und Anspacher Markgrafen der Werth und der Preis, welchen ein Menschenleben in ihren Augen hat. Der vorletzte Markgraf von Anspach, Karl Friedrich Wilhelm (1723–1757) schoß sich, seiner Maitresse zum Spaß, einen Schornsteinfeger vom Dach des Bruckberger Schlosses. Sie hatte den Wunsch geäußert, den Menschen herunterpurzeln zu sehen. Der seine Gnade anflehenden Wittwe des frevelhaft Ermordeten gab der biedere Fürst fünf Gulden. Wenn man die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Anspach herrschenden Zustände türkische nennen wollte, so wäre das eine durchaus ungerechtfertigte Beleidigung der Muselmänner; sie nähern sich vielmehr der durch das Negerkönigreich Dahomey repräsentirten Kulturstufe: Serenissimus ist echt patriarchalisch Ankläger, Richter und Henker in einer Person!

Die weiteren Beweise dafür finden sich in Hülle und Fülle in einer interessanten Schrift des bekannten Ritters K.H. von Lang über den vorletzten Markgrafen von Brandenburg-Anspach. „Ein Jude, Namens Isaak Nathan — heißt es dort u.A. — war 1740 von Weißenborn in Franken nach Anspach gezogen und hatte sich hier durch Fleiß und Gewandtheit ein bedeutendes Vermögen erworben, man sagte an 200,000 fl. Er erhielt u.A. Darlehne aus der Anspachischen Landschaftskasse, wofür er Juwelen verpfändete, die aber im Grunde nicht ihm selber, sondern einem jüdischen Hause Ischerlein in Amsterdam gehörten, dem sie ein Fürther Jude Gumbert in Versatz gegeben. Der Markgraf verlieh ihm den Titel eines Residenten, der Reichthum und Einfluß dieses Juden erregte aber mancherlei Mißgunst und verdächtigende Angaben. Noch stand aber der Resident damals so fest in der Gnade, daß der Fürst den Landschreiber Wolf, welcher ihn denuncirt hatte, als Verläumder in Ketten und Banden legen, und am Ende als einen unruhigen Kopf des Landes verweisen ließ; und als bald darauf der Resident seinen Sohn verheirathete, mußte die jüdische Trauung im Schloßhof selbst, unter den Glückwünschen der Markgräfin, des ganzen umgebenden Hofstaates, und den stattlichsten Beschenkungen gefeiert werden; und doch, etliche Monate später, erfolgte der fürchterlichste Sturz. Ein Jahr vorher, 1739, hatte der Resident seine der Landschaftskasse versetzten Juwelen zurückgenommen; zu gleicher Zeit erhielt aber der jetzt nach Gunzenhausen gezogene Jude Ischerlein vom[S. 114] Markgrafen den Auftrag, den für den König von England bestimmten rothen Adlerorden mit Brillanten besetzen zu lassen, was er mit denen vom Residenten Isaak Nathan zurückgenommenen Juwelen alsbald bewerkstelligte und dafür 40,000 fl. berechnete und empfing. Der Markgraf empfindlich darüber, daß er für solch ein kostbares Geschenk auch nicht einmal ein Wort des Dankes aus London zurück empfing, erfuhr endlich aus den Nachfragen seines Beauftragten daselbst, daß die angeblichen Brillanten lauter böhmische Steine gewesen, und daß der König, wenn auch den Markgrafen über ein solches Geschenk nicht beschämen, ihm doch auch dafür nicht habe danken wollen. Es läßt sich denken, mit welcher Zorneswuth der Markgraf den in das tiefste Versteck sich geflüchteten Rab Ischerlein hervorziehen ließ. Er wurde alsbald nach Wülzburg geschleppt, und nach kurzen Verhören und Umständen in einen großen Saal gebracht und dem Scharfrichter übergeben, der ihn auf den nächsten besten Stuhl festband und dann eben das Schwert über ihn schwingen wollte, als der Gefangene mit sammt dem angebundenen Stuhle sich aufraffte, und, um eine lange Tafel laufend, und um Gotteswillen nur um eine Minute Gehör beim Markgrafen hülfeschreiend, dem Todesstreich entrinnen wollte, der ihm aber doch vom Scharfrichter über die Tafel hinüber beigebracht wurde. — Die vielfachen Verwickelungen des Residenten Isaak Nathan mit diesem Ischerlein, das Spiel mit den Juwelen, die bald in des Einen, bald in des Andern Hände gegangen, andere Anklagen, die jetzt lauter und günstiger angehört wurden, konnten jedoch nicht verfehlen, auch über ihn die Wolken des schwersten Verdachts zu sammeln. Er wurde aus seinem Haus in die Frohnfeste geschleppt, und über denselben Schloßhof, worin man frohlockend die Hochzeit seines Sohnes gefeiert, brachte man nun alle vorgefundenen Schätze und Kostbarkeiten in die Säle des Schlosses zurück. Man beschuldigte ihn außerdem, 25,000 fl. Chatullgelder, in den an den Markgrafen über seine besonderen Aufträge gestellten geheimen Rechnungen, unterschlagen und in seinem Nutzen verwendet zu haben. Vom weitern Schicksal desselben besagen unsere Nachrichten nichts. Auch sein Haus und Grundbesitz wurde eingezogen. — Vermuthlich haben sich seine Angehörigen von hier entfernt, und er selbst ist entweder im Gefängniß verkommen oder ebenfalls im Stillen des Landes verwiesen worden.

Allein nicht blos jüdische Opfer fielen zur selben Zeit, sondern sogar Große des Hofes. Nicht nur ein Oberst Enzel zu Wülzburg wurde[S. 115] daselbst 1740 wegen gewisser Staatsverbrechen, sie sind nicht genannt, durch das Schwert hingerichtet, sondern auch kurz darauf ein Graf von Schaumburg. Es scheint, daß sich dieses auf unerlaubte Kommunikationen und Einverständnisse in den damaligen österreichisch-preußischen Verhältnissen bezogen. Christoph Wilhelm von Rauber wurde beschuldigt, famose Gemälde und Pasquille wider die landesfürstliche Regierung und die Rathskollegien angeschlagen zu haben. Durch den Inquisitionsrath Joh. Chr. Schnitzlein wurde ihm auf der Feste Wülzburg, wo er verhaftet lag, in Gegenwart mehrerer Ober- und Unteroffiziere und Konstabler das Urtheil vom 30. Mai 1740 dahin verkündet: daß er sich selbst freiwillig (was außerdem durch den Scharfrichter vollzogen werden soll) auf das Maul zu schlagen habe, seine Pasquille unter seinen Augen vom Scharfrichter zu verbrennen seien, er selbst aber hierauf mit dem Schwert hingerichtet werden solle; welches letztere jedoch der Markgraf aus Gnaden in eine ewige Gefangenschaft zu Wülzburg verwandelte. Sein schon 1722 unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauches der fürstlichen Kammer verkauftes Rittergut Steinhart (bei Oettingen) wurde eingezogen, 1768 aber dem von Krailsheimischen Fideikommiß um 78,500 fl. wieder verkauft. Die Gattin des Unglücklichen, Friederika Helena, war selbst eine geborene von Krailsheim. Die Ordres zu all diesen blutigen Exekutionen ergingen immer an den geheimen Rath, Generalmajor und Festungs-Kommandanten August Friedrich von Pöllnitz.

Der Reise-Oberstallmeister von Reitzenstein — fährt unser Gewährsmann S.90 fort — stand bei allem dem, und wo man ihn auch noch eines schmählichen Geizes und der Bestechlichkeit bezüchtigte, unter dem sichern Geleit der Volksgunst, darum, weil er überall doch eine gewisse Achtung für das Menschenleben bezeugte, und da, wo der Markgraf in seiner Wuth auf einen Dritten losstürmen wollte, ihn mit seiner eigenen Gefahr und gewaltsam zurückhielt. So, als ihm der Markgraf einmal in solcher Zornwuth die Pistolen abgefordert, um einen Schäfer niederzuschießen, der ihm und seinem scheuenden Pferde durch seine Heerde nicht schnell genug den Weg offen gelassen, verweigerte der Oberstallmeister kalt das abverlangte Gewehr mit dem kurzen Bescheid: „Es ist nicht geladen“. Als sie aber im Nachhauseritt unfern der Schloßthore waren, ließ der Reise-Oberstallmeister rechts und links seine beiden Pistolen krachend los, daß der überraschte und erschrockene Fürst kaum zu fragen vermochte: „Was[S. 116] ist's? Was ist's!“ Der Oberstallmeister aber versetzte: „Gnädigster Herr, ich meine nur, daß Sie heut Nacht viel süßer schlafen werden, nachdem Sie meine Pistolen jetzt erst haben krachen hören, statt eine Stunde früher.“

Den Fürsten — so schließt Lang S.92 und 93 dessen Charakteristik — würde seine großmüthige Freigebigkeit, seine Pünktlichkeit in Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes und die mehr als anständige Unterhaltung der Kirchen und Pfarrhäuser beim Volk höchlich empfohlen haben, wenn nicht der Abscheu vor so manchen schrecklichen und blutigen Exekutionen ihm die Herzen entfremdet hätte. Unter diesen führt man besonders an: die militärischen Exekutionen in Triesdorf in den Jahren 1733 bis 1745, neun an der Zahl, einer arquebusirt, sechs gehangen, ein Ungar Stephan Nagy aus Ketschkemet, der des Markgrafen Büchsenspanner erschossen, wurde lebendig gerädert, einer verbrannt. Im Jahre 1738, den 11. August, die Katharina Gallin, ein preußisches Soldatenweib, an einem Lindenbaume, unweit des Falkenhauses, aufgehängt, weil sie einen Gefreiten der Leib-Kompagnie, Namens Johann Heublin, zur Desertion verleitet, wobei sie, der Soldat und der preußische Werbe-Offizier bei Stein ertappt worden. Der preußische Werbe-Hauptmann mußte die Exekution mit ansehen und wurde dann auf die Veste Wülzburg gebracht. Den Deserteur hat man wahrscheinlich zum Aufhängen allzu schön befunden. 1744 ließ der Markgraf an der anspachischen Kirchweih einen vom Wirth Heumann am obern Thor ob einer kleinen Mauserei ertappten Soldaten, dem Wirth zu einer argen Genugthuung, vor seinem Haus an einen aufgerichteten Galgen hängen. Im Jahre 1747, als Georg Krämer von Hausen bei Wülzburg mit der Dorothea Lindnerin aus Gunzenhausen, Dienstmagd des Marketenders in Triesdorf, desertirte, wurde dieselbe am 2. September ohne weiteres rechtliches Verfahren, auf bloßen Befehl des Markgrafen, zu Anspach aufgehängt. Einem Bürger von Gunzenhausen, der vor dem Schloßthor Wache hielt, forderte er, als er eben ausreiten wollte, zur Versuchung das Gewehr ab, und als dieser, in solchen Dingen wenig erfahren, es ihm gutwillig hinreichte, wurde er vom Fürsten als Memme, als Hundsfot behandelt, und zweien Husaren übergeben, die ihn an den Pferdeschwanz binden und durch die Altmühl hin- und wiederschwemmen mußten, worauf er bald hernach krank geworden und verstorben ist. Dem Fallmeister bei Gunzenhausen, durch elende Menschen angegeben, daß er die Hunde des Markgrafen, die er in Pflege hatte,[S. 117] vernachlässigte, ritt er alsbald vor das Haus, rief ihn an die Hausthür und schoß ihn dann auf seiner eigenen Hausschwelle nieder. Nach etlichen Tagen, als der Fürst einen langen Zug von Menschen aus allen Orten her begegnete, und er ohne Antwort von den anderen Höflingen blieb, was denn das für ein Auflauf sei? ritt endlich auch hier der Reise-Oberstallmeister von Reitzenstein herbei und sagte: „Es wird der Mann begraben, den Euer Durchlaucht vor drei Tagen erschossen haben.“ Der Markgraf ward heftig ergriffen und befahl, man sollte ihm die Wittwe schicken, damit sie sich eine Gnade ausbäte.“

Nicht viel besser war es in Bayreuth. Der letzte Markgraf Friedrich Christian hatte als junger Prinz einen Jägerburschen erschossen, weil dieser ihm zu widersprechen wagte. Der jugendliche Mörder nahm sich dieses Verbrechen wenigstens zu Herzen und wurde darüber tiefsinnig. Als Markgraf (1763–1769) liebte er seine Unzufriedenheit durch Stockschläge an den Tag zu legen. Hoch und Niedrig, Bürgerliche und Adlige, Kammerherren und Offiziere waren vor diesen handgreiflichen Beweisen landesväterlichen Unwillens nicht sicher. Als diese patriarchalische Liebhaberei des regierenden Herrn täglich ärger und unerträglicher wurde, beriefen „Ein hoher Adel“ und „Ein Hochlöbliches Offizier-Korps“ eine Versammlung nach Bayreuth, um zu berathen, wie sich der Adel und namentlich das Militär zu verhalten habe, der immer mehr überhand nehmenden Neigung des Markgrafen gegenüber, seine nächsten Umgebungen mit Stockschlägen zu traktiren, oder, wie ein Herr von Reitzenstein sagte, „wenn Serenissimus die Neigung beibehalten oder noch wohl weiter ausdehnen sollten, Allerhöchst dero Umgebungen mit denen Manifestationen Allerhöchst dero lebhaften fürstlichen Temperaments in Kollision kommen zu lassen.“ Ein Hoher Adel und Ein Hochlöbliches Offizier-Korps faßten denn auch den tapfern Beschluß, den Hofprediger zu ersuchen, er möge Hochfürstliche Durchlaucht zur größern Schonung des militärischen Ehrgefühls ermahnen. Zugleich ward festgestellt, die vom Landesvater empfangenen Prügel „als die persönliche Ehre nicht touchirend“ zu betrachten und die von demselben gezahlten Schmerzensgelder in eine gemeinschaftliche Kasse fließen zu lassen. (C. Gutzkow, Fritz Ellrodt II, 59.)

Markgraf Karl Alexander von Anspach-Bayreuth, der Erbe des ebengenannten Friedrich Christian, war nicht aus der Art seiner Väter und Vettern geschlagen. Er hatte aber eine bessere Erziehung als diese[S. 118] genossen und zeigte auch, wenn es noth that, größere persönliche Kraft und Entschiedenheit. Seine Mutter Friederike Louise, die erste Tochter Friedrich Wilhelm's I. und Schwester Friedrich des Großen, hatte darauf bestanden, daß ihr Sohn auf einer republikanischen Universität studire, damit er dort den Werth der bürgerlichen Tugend desto besser erkennen und würdigen lerne. In Folge dessen ward der Prinz Studirens halber nach Utrecht geschickt, wo er übrigens den Absichten der verständigen Frau durchaus nicht entsprach. Einige Jahre darauf trat er eine größere Reise nach Italien an; allein diese Reise erregte die Unzufriedenheit des Vaters im höchsten Grade, „denn der Prinz vermochte bei seiner Rückkehr nicht die Spuren jener körperlichen Leiden und Erschöpfungen zu verbergen, die er sich durch unvorsichtige Genüsse mancherlei Art mochte zugezogen haben.“ Ruhe und verständiger Rath stellten ihn zwar möglichst wieder her, aber desto heißer ergoß sich der Zorn des fürstlichen Vaters über das Haupt des unglücklichen Gesellschafters, des Hofrath Mayer, der beschuldigt wurde, den Prinzen, wo nicht gar verführerisch selber mißgeleitet, doch nicht seiner Pflicht gemäß, treu genug bewacht, gewarnt und zurückgehalten, oder seine höheren Obern, auch den Markgrafen selbst, über die Lage der Dinge unterrichtet zu haben. Der Markgraf ließ ihn ergreifen und nach Sayn-Altenkirchen abführen, von da er durch ein Kommando hannöverscher Dragoner, dem Ansuchen des Markgrafen gemäß, abgeholt und nach Zelle in's Zuchthaus gebracht wurde, wo er dann ohne fernere Spur verkommen. Eine andere Sage dagegen will, der Markgraf habe ihm den Garde-Offizier von Leubelfing nach Altenkirchen nachgeschickt mit dem Befehl, ihn daselbst hinrichten zu lassen. (Lang.)

Diese wenigen Züge zeigen, weß Geistes Kind Karl Alexander war. Da wir seines Gleichen schon in den hessischen und braunschweigischen Fürsten kennen gelernt haben, so können wir uns hier füglich seine nähere Charakteristik ersparen. Bei diesen Menschen ist Alles Schablone, die abschreckende Einförmigkeit ihrer innern Leere und Hohlheit sowohl als ihre geistlose Uebereinstimmung in äußerer Verschwendung und Prunksucht. Vom Großvater und Urgroßvater an haben sie alle dieselbe Schule der Entfremdung vom deutschen Wesen, der bedientenhaften Erniedrigung vor dem Auslande und der despotischen Gewalt gegen die eigenen Unterthanen durchlaufen. Der bloße Gedanke an Pflichten, soweit sie dessen überhaupt fähig, scheint bei diesen Landesvätern eine Gefährdung ihrer[S. 119] Souverainität in sich zu schließen. Die naiv-derbe, wenn auch oft rohe Eigenart der deutschen Fürsten des sechzehnten und theilweise des siebenzehnten Jahrhunderts ist durch den Versailler und Venetianer Firniß, durch den halb zivilisirten, halb zivilisirenden französischen und italienischen Einfluß zurückgedrängt. Wo früher Luther's Hymnen erklangen, da singen jetzt italienische Kastraten ihre lateinischen Verse. Ueberall an den Höfen finden sich französische Abenteurer und mit ihnen französische Mode und französische Unsitte. Jeder Zaunkönig hat sein Monplaisir, Belvedere, Eremitage, Solitude oder Monbijou, seine großen Feste und Spiele, seine Tourniere und Karoussels, seine Maskeraden und Banketts, wofür die armen Teufel von Unterthanen mit ihrem Gelde zahlen, wenn sie welches haben, und mit ihren Knochen und ihrem Blut, wenn sie sonst nichts haben. Natürlich huldigt Serenissimus unter den noblen Passionen vor Allem dem Spiel und der Jagd. Er verliert am Spieltisch ein ganzes Dorf oder setzt ein halbes Bataillon auf eine Karte gegen das schöne Bein einer Tänzerin. Der Markgraf von Anspach gewinnt 1783 von dem ihn besuchenden Herzog von Gloucester, dem Bruder des Königs von England, 180,000 fl. im Spiel. Der verlierende Gastfreund ist so edel, sich selbst als Pfand zu geben, vermehrt aber während seines verlängerten Besuches seine Schuld durch neue Anlehen um noch 270,000 fl., die aber der königliche Bruder erst recht nicht zahlen will, so daß der Markgraf froh ist, als der Engländer nach Straßburg abzieht. Das eminenteste von allen eminenten Privilegien ist aber sämmtlichen Landesvätern die Jagd. Wo sie beeinträchtigt ward, da kennt ihre Grausamkeit keine Gränzen. Schon als Friedrich der Große auf dem Throne saß, wagte noch ein Herzog von Sachsen-Weimar zu verordnen, „daß alle Wilderer als offenbare Straßenräuber und Mörder angesehen und auf Betreten sofort aufgehengt, deren Weiber gebrandmarkt und in's Zuchthaus gesetzt werden sollten, daß ein Förster und Jäger, der einen Wilddieb todtschießt, 50 Thlr. verdient, während seine Wittwe, falls er selbst todtgeschossen wird, lebenslänglich 200 Thlr. Pension erhält (eine für jene Zeit sehr hohe Summe!), daß aber ein Jäger, der den Wilddieben durch die Finger sieht, selbst aufgehenkt wird.“ Was uns vom Weimaraner urkundlich erhalten ist, das trieben auch seine Herren Brüder, sind sie doch alle nach demselben Muster gebildet. Darum bleibt es sich im Grunde auch gleich, ob der eine Landesvater eine französische oder der andere eine englische Maitresse[S. 120] hat; ob der Anspacher mit einer in kararischem Marmor gehauenen Büste Voltaire's auf seinem Arbeitstische prahlt, oder ob der Kasseler einen Fürstenkatechismus in Voltaire'schen Redensarten schreibt; ob der Bayreuther seinen Trost in Süßmilch's göttlicher Ordnung sucht oder ob ein geistlicher Herr, wie der Fürstbischof von Würzburg, Goldmacherei treibt und einen Talisman am Leibe trägt, oder ob der Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar den Stein der Weisen gefunden zu haben glaubt und in einem eigenen Reskripte die Kunst des Goldmachens für ein Regal erklärt. Ebensowenig ist es charakteristisch, daß der Markgraf eine Armee von Kammerherren, Hofjunkern und Kammerjunkern hält und daß zur Bestreitung des Unterhalts dieser Tagediebe das Genuesische Lotto eingeführt wird, denn dieser ganze Unfug findet sich bei seinen sämtlichen Kollegen wieder. Noch weniger befremdend ist es aber, daß die bürgerlichen, an den anspacher Hof gezogenen Damen dort kein deutsches Wort fallen lassen dürfen, weil Alles, was deutsch ist, die Lady Craven anekelt, und noch weniger auffallend ist es, daß die deutschen Frauen jener Zeit solche Beleidigungen als eine Auszeichnung ansahen. Bezeichnend ist nicht einmal die liebevolle Fürsorge, welche der anspachische Markgraf seinem Wildstande angedeihen ließ. Als sein Land 1791 preußisch wurde, erlaubte der damalige Statthalter und spätere Staatskanzler Hardenberg den Bauern, das Wild auf ihren Feldern niederzuschießen. Seither hatten sie Sommer und Winter die Nächte mit Schreien zubringen müssen, um ihre Felder vor dem in Massen herumstreifenden Hochwilde zu schützen. Verschliefen sie eine Nacht, so war auch die Saat zertreten. Denn nur schrecken durften sie das Wild, und es war ihnen bei Zuchthausstrafe verboten, ein Gewehr oder einen Knittel, ja selbst einen Hund mit sich zu führen. Daß der Markgraf keinen Spaß verstand, wenn sein noch wertvolleres Wild, die Soldaten, sich ihm durch die Flucht entzogen, werden wir sehr bald zu sehen Gelegenheit haben.

Sobald Karl Alexander die Aussicht auf einen Vertrag gesichert erschien, traf er in aller Stille die Maßregeln, um seine beiden Bataillone in guten Stand zu setzen. Für Beschaffung neuer Uniformen und Ausrüstungsgegenstände wurde ein Darlehn aufgenommen und dessen Rückzahlung aus der später von England zu zahlenden Löhnung festgesetzt. Namentlich aber ward alle Aufmerksamkeit auf das zu errichtende Jägerkorps verwandt und zu diesem Zwecke besonders Bayreuth heimgesucht,[S. 121] welches bei seinen herrlichen Gebirgswaldungen auch ein tüchtiges Forst- und Jagdpersonal aufzuweisen hatte. „Bessere Jäger, meinte Gemmingen, gebe es in der ganzen Welt nicht, denn sie hätten sich alle ihrem Berufe aus Neigung gewidmet.“ Der Bayreuther Minister v. Seckendorff, ein Bruder des in London thätig gewesenen Kammerherrn, faßte das Geschäft denn doch etwas bedenklicher auf, als der die Erlösung von seinen Schulden ersehnende Markgraf, besonders aber wollte er nicht in die Aushebung sämmtlicher Jäger und Jägerburschen willigen.

„Das wegen der englischen Subsidien zu Stande gebrachte negotium — schreibt er am 31. Januar und 2. Februar 1777 an Gemmingen — wird in Kurzem im ganzen Lande eklatiren. Es wird an Vorstellungen der Landstände, ja des ganzen Bauernstandes nicht fehlen. Ich werde auch laut Serenissimi Befehl's auf Vorschlag solcher Mittel denken, die zur Beruhigung dienen können. Ich möchte den Vertrag kennen, um daraus zu beurtheilen, ob die Unterthanen durch einen erklecklichen Steuer-Nachlaß werden consolidirt werden können? Die hiesige (Bayreuther) Bürgerschaft wird am Meisten leiden, weil durch den Abgang der Truppen sich die Consumtion in der Stadt um wenigstens 60–70,000 fl. verringert, da es den Bürgern ohnehin an Nahrung fehlt.

„Mein Schwager v. Spiegel hat die Ordre erhalten, nicht nur alle hiesigen Feldjäger, sondern auch alle und jede Forstbedientensöhne, von den Oberforsterssöhnen an bis zu den Gränzschützen-Söhnen, keinen ausgenommen, nebst deren Lehrjungen nach Anspach zu schicken. Vermuthlich wird man nur die Absicht haben, eine Auswahl unter ihnen zu treffen, welche als zu Hause entbehrlich unter das in Subsidie tretende Korps gestellt werden und mitmarschiren könnten. Im Falle aber die Intention dahin ginge, alle und jede dieser Jägerpursche, Forstbedienten-Söhne und Lehrjungen in's Feld zu schicken, so befürchte ich, es werde dadurch das Jagd- und Forstwesen nebst den damit verknüpften Rechnungen gänzlich zum Nachtheil der Revenuen und derer herrschaftlicher Gerechtsame Nothleiden und darniederliegen.“

Diese in ihren verderblichen Folgen ausführlich motivirten Einwendungen hatten denn doch das Resultat, daß der Markgraf sich in seinen Ansprüchen an das Land beschränkte und nur die Hälfte der anfangs beabsichtigten Zahl Jäger (100 statt 200) aushob. „Wegen der Jägerburschen können sie sich beruhigen, antwortete Gemmingen am 5. Februar[S. 122] begütigend — sie stehen unter dem Kommando des Hofjägermeisters von Schilling, der nur die unumgänglich nöthigen aushebt und im Uebrigen die Bedürfnisse unsers Forstwesens kennt.“

Die Verhandlungen mit Faucitt nahmen nur die beiden Tage des 30. und 31. Januar in Anspruch; der Vertrag selbst wurde am 1. Februar 1777 von den beiden Bevollmächtigten unterzeichnet und vom Markgrafen am 13. Februar unter Ausdruck seiner höchsten Zufriedenheit für Gemmingen genehmigt. Dieser erwies sich als der gewandtere und umsichtigere Unterhändler, ja er verstand es meisterhaft, Faucitt durch eine zur Schau getragene, wenig aufrichtige Biederkeit, anscheinend große Einfachheit und Unterordnung, sowie kluges Nachgeben in Nebenpunkten zu übertölpeln. Hätte sich der englische Bevollmächtigte die Finanznoth seines fürstlichen Geschäftsfreundes mehr vergegenwärtigt, und hätte er vor Allem Suffolk's deutlichen, bei Gelegenheit der Würtembergischen Instruktion gegebenen Wink (Seite 100) mehr beachtet, wonach der Markgraf sich anbot, nicht aber England das erste Gebot machte, so würde er die Anspachischen Truppen unter viel günstigeren Bedingungen erlangt haben. Zudem war er doppelt hochmüthig, weil er immer noch in der selbstgefälligen Einbildung lebte, daß der Krieg in höchstens einem Feldzuge beendigt sein werde, während Gemmingen auf eine längere Dauer desselben rechnete. Die ein paar Wochen später in Europa eintreffenden Nachrichten von den Niederlagen bei Trenton und Princeton sollten dem letztern nur zu sehr zum Schaden Englands Recht geben. Wenn Gemmingen auch nicht durchsetzen konnte, daß die englische Löhnung einen Monat vor dem Abmarsch vorausbezahlt wurde und wenn er sich mit einer nur siebentägigen Vorausbezahlung begnügen mußte, so erreichte er doch, daß dem Markgrafen dieselben Subsidien wie Hessen-Kassel bewilligt wurden, die allerdings erst mit der Unterzeichnung des Vertrages begannen und nur noch drei Monate (statt wie bei Kassel zwei Jahre) nach der Rückkehr der Truppen fortdauerten. Faucitt nahm also zwei Regimenter Infanterie zu je 570 Mann, 101 Jäger und 44 Artilleristen, im Ganzen 1285 Mann, ausschließlich für den amerikanischen Dienst, deren Löhnung und sonstige Behandlung ganz derjenigen der englischen Truppen gleich gestellt wurde, bewilligte für jeden Soldaten dreißig Kronen Werbegeld, dessen eine Hälfte sechs Wochen und dessen andere drei Monate nach Unterzeichnung des Vertrages zu berichtigen war, und zahlte außerdem eine jährliche Subsidie von 45,000 Kronen.[S. 123] Im Uebrigen kam der Vertrag dem Braunschweigischen am Nächsten, ja er war noch günstiger als dieser, wenn der Krieg, wenn es der Fall war, länger als zwei Jahre dauerte.

Nach Gemmingen's Berechnung stellt sich das Verhältniß für Braunschweig und Anspach für ein Jahr, die Truppenzahl auf 1200 Mann geschätzt, wie folgt:

Braunschweig erhielt
Einfache Subsidien für ein Jahr 18,970 Rthlr.
Am Ende des Krieges
Doppelte Subsidien für zwei Jahre 75,880
————————
94,850 Rthlr. = 142,275 fl.
(den Thaler nach dem Konventionsfuße zu 1 fl. 30 kr. gerechnet.)
Dagegen erhielt Anspach
Einfache Subsidien für ein Jahr 45,000 Thlr. Banko.
Am Ende des Krieges
Dreimonatliche Subsidien ... 11,250
————————
56,250 Thlr. Banko = 135,000 fl.

(den Bankothaler zu 2 fl. 24 kr. gerechnet) also 7275 fl. weniger als Braunschweig. Setzt man dagegen den Fall, daß die Subsidie zwei Jahre dauerte, so erhielt Braunschweig nur für ein Jahr 18,970 Thlr. mehr, also im Ganzen 113,820 Thlr. = 170,730 fl.; Anspach aber 101,250 Banko-Thlr. = 240,000 fl., also 72,270 fl. mehr als Braunschweig. Nun zog sich aber der Krieg, mithin auch die Subsidie noch volle sieben Jahre hin. Braunschweig erhielt somit 18,970 Rthlr. × 7 = 132,970 Rthlr. + 75,850 Rthlr. doppelte Subsidien = 208,670 Thlr. oder 313,005 fl.; Anspach aber 45,000 Thlr. Banko × 7 = 315,000 Thlr. Banko + 11,250 Bthlr. dreimonatliche Subsidie = 326,250 Banko-Thlr. oder 783,000 fl., mithin einen Mehrbetrag von annähernd einer halben Million Gulden.

Man sieht aus dieser Zusammenstellung, daß der „bon homme“ Gemmingen gar kein schlechter Rechenkünstler war. Er selbst äußerte sich am 2. Februar in einem Briefe an Seckendorff über seinen Triumph in durchaus nicht überhebender Weise; sein Brief sieht vielmehr wie eine Rechtfertigung sich selbst und dem Adressaten gegenüber aus. „Der eben abgeschlossene Vertrag, sagt er, ist viel günstiger als wir erwarten konnten, zumal wenn Sie bedenken, daß wir uns angeboten hatten und daß die[S. 124] königlichen Waffen bis jetzt so große Erfolge in Amerika erkämpft haben. Es ist ganz natürlich, daß diese Angelegenheit unter allen möglichen, uns wenig günstigen Gesichtspunkten von denjenigen beurtheilt und verdammt werden wird, welche eine Staatsaffaire weder in ihrer Totalität noch in ihren bestimmenden Motiven aufzufassen verstehen. Sobald indessen diese Menschen das fremde Geld in unser armes Land fließen, sobald sie uns dessen Schulden mit den bereitwillig einströmenden Mitteln zahlen sehen werden, dann werden sie, und wird die ganze Welt entzückt sein und erkennen, daß das Militär, welches die Feinde des Staates (welches Staates?) bekämpfen muß, auch den allerschlimmsten Feind besiegt hat, unsere Schulden nämlich. Selbst der niedrigste nach Amerika verschiffte, wohlbezahlte und mit dem Nothwendigsten versehene Soldat wird mit seinen Ersparnissen zurückkehren und stolz darauf sein, für sein Vaterland und für seinen eigenen Nutzen gearbeitet zu haben. (NB. zog der Markgraf für die Uniformen und Ausrüstung zwei Pence oder fünf Kreuzer an der täglichen Löhnung ab, so daß dem Soldaten nur sechs Pence oder fünfzehn Kreuzer in dem theuern Amerika blieben!) Wenn man meinen Rathschlägen folgt, so wird die Bayreuther Landschaft gewinnen, und die Bayreuther Kammer wird ebenfalls aus dem Vertrage großen Vortheil ziehen. In wenigen Jahren wird Ordnung in unseren Finanzen herrschen und der größte Theil unserer Schulden bezahlt sein. Ich hoffe, Sie werden die Reinheit meiner Motive billigen und mich nach besten Kräften unterstützen. Ich bin im Allgemeinen der abgesagte Feind eines derartigen Handels mit Menschen, allein es giebt besondere Fälle, in welchen das Uebel sich in eine verhältnißmäßige Wohlthat verwandelt, und ein solcher ist, wenn ich nicht irre, der unsrige. Selbst wenn der Krieg und die Subsidien nur ein Jahr dauern sollten, so würden der Markgraf oder vielmehr das Land 400,000 fl. gewinnen, während eine längere Dauer der Subsidien unsern Gewinn beträchtlich steigern wird.“

Faucitt dagegen schreibt am 10. Februar 1777 aus Hanau an Suffolk: „Am Tage nach meiner Ankunft wurde ich dem Markgrafen vorgestellt, bei welcher Gelegenheit die gewöhnlichen Redensarten gewechselt wurden. Der Markgraf bedankte sich dann ganz besonders dafür, daß der König so gnädig und herablassend gewesen war, auf seinen Wunsch einen Theil der anspachischen Truppen in seine Dienste zu nehmen. Ich schloß darauf sofort einen Vertrag mit dem Minister, Freiherrn von Gemmingen[S. 125] ab, der sich zu unserm Nachtheil die gedruckten Verträge verschafft hatte und diese natürlich seiner Unterhandlung zu Grunde legte. Es waren in der That Waffen, die wir gegen uns selbst geschmiedet hatten, und die Gemmingen sehr gut zu gebrauchen wußte. Die Hauptveränderungen von den früheren Verträgen sind diese: Die Löhnung beginnt nur sieben Tage (statt einen und zwei Monate) vor dem Abmarsch der Truppen und hört mit dem Monat ihrer Rückkehr auf. Die Subsidie, die ich vergebens herunterzudrücken suchte, ist verhältnißmäßig so groß als die an Hanau und Waldeck gezahlte, fängt aber, statt mit der Unterschrift, erst mit der Genehmigung des Vertrages an und endet drei Monate statt ein Jahr nach der Rückkehr der Truppen. Die gewöhnlichen Ausgaben für deren Marsch, Wagen und Pferde &c. fallen, statt wie in den bisherigen Verträgen auf die Krone, jetzt auf den Markgrafen, der Alles bezahlen muß, bis die Soldaten auf die Mainboote geschafft werden.

Ich war jeden Morgen auf der Parade, und fand die Truppen sehr schön, groß und gut gebaut. Sie handhaben ihre Waffen, die übrigens sehr gut sind, vortrefflich, exerzieren so regelmäßig, daß kaum eine Uhr besser gehen kann, und marschiren und schwenken sehr gut. Ihre Uniformen, blaue Röcke mit rothen Aufschlägen und gelber Weste, sind neu und rein. Wenn der Rest so gut ist, so können wir uns zu einem ausgezeichneten Handel Glück wünschen. Das andere Regiment steht noch in Bayreuth. Die Leute sollen nicht so groß, aber sonst ebenso tüchtig sein. Einige österreichische Offiziere sagten mir, sie seien sogar besser. Beide Regimenter werden am 28. Februar marschfertig sein; sie haben nur zwei bis drei Tage nach Stefft am Main, wo sie nach Dortrecht eingeschifft werden sollen. Die Wasserreise dauert etwa fünfzehn Tage.“

Das Bayreuther Regiment verließ zur festgesetzten Stunde, am 28. Februar seine Garnison und marschirte über Streitberg, Muggendorf, Bayersdorf, Fürth und Heilsbronn nach Anspach, wo es am 4. März eintraf. Vom ersten Nachtquartier Muggendorf an wurden „aus Vorsicht (um die Desertion zu verhindern) beide Orte, Muggendorf und Streitberg, mit Feldmiliz und Landjägern entourirt und die ausgestellten Posten durch Husaren-Patrouillen visitirt.“ Auf dem Wege durch Bayersdorf fand sich der Bambergische Husaren-Rittmeister v. Gravenreuth ein, und meldete, daß er Ordre habe, nach den Befehlen des Kommandeurs seine Husaren dergestalten zu detachiren, daß alle Desertion in das Bambergische desto[S. 126] besser verhindert werde. Serenissimus kam dem Regiment bis Kloster Heilsbronn entgegen. Am 5. März war in Anspach Rasttag und große Tafel von achtzig Couverts bei Hofe. Sämmtliche Offiziers speisten mit den gnädigen Herrschaften und hatten die Gnade, vor der Tafel der Frau Markgräfinn Durchlaucht die Hand küssen zu dürfen. Serenissimus zeigten jedem Offizier außerordentlich viel Gnade.“ Am 7. März marschirten das Anspacher und Bayreuther Regiment mit den Jägern von Anspach ab, erreichten am 8. Uffenheim und am 9. Ochsenfurt am Main. Statt in Stefft sollten sie hier in die Mainboote umgeschifft werden, als ein Aufstand unter ihnen ausbrach, der nur durch die Geistesgegenwart des in aller Eile herbeigekommenen Markgrafen unterdrückt werden konnte. „Am 9. d.M. entstand — heißt es in einem Bericht des Hamburger Korrespondenten vom 18. März 1777 — unter gewissen, auf der Reise nach England begriffenen deutschen Kriegsvölkern ein Aufstand, welcher gefährliche Folgen hätte nach sich ziehen können, wenn nicht noch in derselben Nacht der Landesherr selbst in aller Eile bei den Schiffen persönlich angekommen wäre, und durch seine hohe Gegenwart die Völker in Gehorsam zu halten vermocht hätte. Indessen war es dennoch zu solchen Thätlichkeiten gekommen, daß ein Mann getödtet und fünf verwundet worden sind, dreißig andere aber sich davon zu machen Gelegenheit gefunden haben. Die Herren Kriegskommissarien, welche ihres Lebens nicht sicher gewesen, mußten in einer benachbarten Stadt ihre Zuflucht suchen.“

Lassen wir noch einen Augenzeugen die Ereignisse dieses Tages erzählen:

„Wir marschirten durch Ochsenfurt, welches dem Bischof von Würzburg gehört — schreibt Johann Conrad Doehla, Soldat im Bayreuthischen Regimente von Voit, in seinem Tagebuche — und wurden da am Abend des 9. März das erste Mal eingeschifft und hielten da vor Anker über Nacht auf dem Main. Weil wir nun dieses Quartier noch nicht gewohnt waren und sehr wenig Platz war auf den Schiffen, indem wir sehr dichte zusammenlagen und der häufige Schiffsrauch uns sehr beschwerlich war, auch war es ziemlich kalt: Dieses alles gab daher Gelegenheit zum Raisoniren an die Hand und erstunde auch Tags darauf ein ganzer Aufstand und Rebellion nemlich. Zu Früh mit Tagesanbruch machte das Anspacher Regiment den Anfang dazu, indem da ein Schiff von ihnen nahe am Lande vor Anker lag, so legten sie ein lang Brett[S. 127] vom Schiff an's Land hinaus, und gingen alle aus diesem Schiff an's Land heraus, zogen hernach mehr Schiffe zu Lande; auch eines vom Bayreuther Regiment. Unsere Leute stimmten auch diesem Unternehmen bey und brachen mit Gewalt und ohne Erlaubniß der Herrn Offiziere aus den Schiffen; so daß in einer Stunde kein Soldat von den zwei Regimentern mehr in Schiffen anzutreffen war; alles war in der größten Furie aufgebracht. Und obgleich die beiden Herrn Obristen und Commandanten, sammt allen Offizieren, sowohl gute als böse Worte und alle Mittel hervorsuchten, um die Leute wieder zufrieden zu stellen, auch Brod, Fleisch und andere Victualien nebst Holz häufig aus der Stadt herbeischaffen ließen, um damit die Leute kochen sollten, und wann die Leute gegessen und getrunken hätten, wiederum zu Schiffe sich begeben, so half doch dieses alles im Geringsten nichts, sondern der viele Wein, den die Einwohner von Ochsenfurt häufig herbei brachten, machte, daß die Soldaten noch furiöser wurden und auf keinen Offizier nichts mehr gaben, ein Jeder ließ sich verlauten, nicht mehr in's Schiff sich nöthigen zu lassen. Daher gegen Mittag hin die Leute sich stark gegen den überliegenden Bergen zu wanderten und in ihrer Tollheit und Betrunkenheit den Reisaus nahmen. Es wurde daher das Jäger-Corps befehligt, sich gegen die Anhöhen auszupostieren und Schreckschüsse auf die rebellierenden Ausreisser zu thun. Allein unsere Leute gaben auch Feuer auf die Jäger. Es wurden daher einigen Leuten von den unßerigen die Beine blessirt, die Rebellion gab daher Anlaß, daß die Stadt gesperrt wurde und die Zugbrücken aufgezogen wurden, weil sich die Bürger bei dergleichen Aufruhr nichts Guts versahen, es wurde faßt auf zwei Stunden gegen einander gefeuert, und weil endlich die Jäger einige von uns blessirten, so gab es auch Anlaß zu einer großen Antipathie zwischen uns und ihnen, so auch einige Jahre noch in Amerika fort dauerte. Endlich gegen Abend hin, als der Wein den Leuten etwas aus den Köpfen gekommen war, so wurden sie doch wieder etwas zufriedener, es wurde auch von dem Herrn Obrist v. Eyb als Chef vom Anspacher Regiment die Versicherung ertheilt, daß wir wieder Uffenheim gingen; dieses veranlaßte, daß die Regimenter sich wieder in Ordnung stellten, und endlich auf vieles Zureden, von denn Herrn Offizieren in Zufriedenheit und Ruhe gebracht wurden. Es waren bei diesem Aufstande gegen 40 Mann von unsern Bayreuther Regimente echappiret. Daher wurde auch sogleich ein Expresser nach[S. 128] Anspach abgeschickt, um von diesen Vorgegangenen allen Ihro hochfürstlichen Durchlaucht zu rapportiren. Dieser sobald er Nachricht bekam, machte sich sogleich mit einigen Begleitern zu Pferd in der Nacht auf den Weg und kam mit höchster Bestürzung ganz schleunig. In aller Frühe kam der Markgraf bei uns an, unsere zwei Regimenter wurden sogleich aufgestellt, und der Markgraf ging Mann für Mann durch und fragte einen jeden, was seine Einwendungen wären und versprach dabei alle Gnade und Fürstengunst alle denen, die mit nach Amerika in englischen Solde gehen würden, die so aber nicht wollten mit hinein, sollten heraustreten und dagegen aber ihres Vermögens sammt ihren Vaterlande und aller fürstlichen Gnade verlustigt sein. Hierauf sind wir beide Regimenter wieder eingeschiffet.“

Der Markgraf, für den ein so gewinnreiches Geschäft auf dem Spiele stand, stellte sich mit der gespannten Büchse in der Hand und in seine Wildschur gehüllt, selbst auf das Mainschiff, um jeden Erneuerungsversuch der Flucht zu verhindern, was ihm denn mit Hülfe würzburgischer Husaren auch gelang. Ja Serenissimus, bei dessen Erblickung der rechtschaffene Soldat Freudenthränen vergoß und seinen Marsch mit Ruhe antrat (wenn wir anders jenem Berichte des Hamburger Korrespondenten glauben dürfen) beschloß der größern Sicherheit wegen, seine Truppen jetzt nicht mehr außer Augen zu lassen, und sie den Main und Rhein hinunter bis zu ihrer Einschiffung in Holland zu begleiten. So schnell war er von Anspach weggeeilt, daß er seine Uhr auf dem Tische liegen gelassen und nicht einmal Kleider mitgenommen hatte, so daß er sich vom Erbprinzen von Hanau reine Wäsche und Hemden borgen mußte.

Diese Meuterei, so unbedeutend sie an sich auch war, verursachte eine gewaltige Aufregung unter den kleinen deutschen Fürsten und im englischen Ministerium. Beide Theile fürchteten, daß dieser Geist der Unzufriedenheit und offenen Widersetzlichkeit leicht um sich greifen, also zukünftigen Aushebungen hindernd in den Weg treten könne. „Die Revolte der Anspacher — meldet der englische Gesandte Cressener am 17. März an Suffolk — konnte nur durch die freundliche Hülfe der Truppen des Fürstbischofs von Würzburg gedämpft werden. Der Markgraf erzählte mir gestern beim Essen, wie sehr er diesem zu Dank verpflichtet sei. Die Anspacher sind lauter schöne Leute; wenn sie nur nicht so abgeneigt wären, nach Amerika zu gehen!“ „Bedanken Sie sich im Namen Ihres Hofes[S. 129] beim Fürstbischof von Würzburg für seine uns bei der Niederwerfung des Aufstandes der Anspacher gewährte Unterstützung“, antwortete Suffolk.

„Die Meuterei in Ochsenfurt — schrieb Graf Wartensleben aus Mainz am 16. März an Cressener — brach, so viel ich hörte, aus, weil das Regiment Bayreuth sich nicht von den Jägern transportiren lassen wollte, weil die Schiffe zu eng waren und zu stark rauchten. Der Bischof von Würzburg schickte ein Korps Husaren und ein Dragoner-Regiment. Das half.“

Faucitt meldete am 17. April, daß der Aufstand so schlimm nicht gewesen sei. Die Offiziere hätten gleich drein hauen sollen, statt zu viel Nachsicht zu beweisen. Eine gute Disziplin werde die frechen Burschen schon mürbe machen, man solle beide Regimenter in Amerika zu besonders schwerem Dienst verwenden. „Der Markgraf bekannte mir — fuhr er am 24. April fort — daß er bei jener Ochsenfurter Meuterei 18 bis 20 Mann durch Desertion verloren habe, eine keineswegs große Zahl, wenn man die hier zu Lande überwiegende Parteilichkeit für die Amerikaner und die Vortheile bedenkt, welche österreichische und andere Werbe-Offiziere aus diesem Stande der öffentlichen Meinung für ihre eigenen Zwecke ziehen. Es ist mir kaum möglich, Ew. Lordschaft einen nur annähernden Begriff von der hierorts herrschenden gehässigen Abneigung gegen England und von den Bemühungen zu geben, welche von übelgesinnten Menschen angewandt werden, um die Soldaten von dem englischen Dienste abzuschrecken. Des Markgrafen kluges und beherztes Handeln und seine Begleitung der Truppen bis zum Hafen vereitelte jedoch die schändlichen Absichten dieser Schurken. Leider werden wir aber aus Franken in diesem Jahre schwerlich neue Truppenlieferungen erhalten, umsoweniger als der Markgraf entschlossen ist, in Zukunft keine Rekruten mehr aus seinem eigenen Lande, sondern nur Fremde anzuwerben.“

Die Anspacher Soldaten fügten sich übrigens fortan der auf's Strengste gegen sie gehandhabten Disziplin und machten weder auf der Reise, noch in Amerika einen weitern Aufstandsversuch, der beste Beweis dafür, daß die Ochsenfurter Meuterei nur das Ergebniß einer augenblicklichen Aufwallung, wenn nicht einer trunkenen Stimmung war. Die Deutschen jener Zeit fühlten eben in ihrer großen Mehrzahl nicht das an ihnen begangene Verbrechen. So ging denn auch dieses Ereigniß ziemlich unbemerkt vorüber. Nur eine einzige Ausnahme findet sich in[S. 130] den Gemmingenschen Manual-Akten. Es ist ein pseudonymer Brief, den ein angeblicher Hans Fürstenfeind an „Ihro Durchlauchten, den Herrn Markgraf zu Brandenburg-Anspach &c. zu Anspach“ schrieb. Der Inhalt entsprach nicht der geschäftsüblichen Anrede; er lautet wörtlich:

„Durchlauchtiger Barbar, Gnädiger Menschen Verkäufer!

So wie der Oxsen Treiber sorgsam ist, seine Heerde glücklich und ohne Zufall an den Markt zu bringen, so lassen Ew. Durchlaucht es sich auch angelegen seyn, die an England verkaufften Menschen wolbehalten zu überliefern, um für die Ihnen davor versprochenen Lst. 39,588 in die Wolle zu kommen. Der Zug ist schön. Sie gehen vorauf als Eigener der zu Markte gebrachten Troupes. Hinten an folgen die Jäger wie Hunde. Sobald einer ausweicht, bellen und beißen sie und geben Feuer.

Die nun mit Wiederwillen und ohne Gewehr hingeführten Menschen warten, bis ihnen die Gelegenheit wieder die Waffen in Händen spielen, um sich an den Jägern zu rächen. Anstatt gegen die Amerikaner zu fechten, werden sie sich unter sich selbst aufräuben und den Engländern mehr schädlich wie nützlich sein.

Gantz Europa siehet dieses als eine natürliche Folge ein. Nur Ew. Duchlauchten sind zu kurzsichtig. England wird Ihnen aber das Rätzel erklären, Ihnen und Ihren Truppen zurückschicken und anstatt 39,000 Lst. zu geben, vor der gantzen Welt lächerlich machen.

Der Vorfall zu Oxsenfurth freuet der ganzen Welt, besonders macht man den vier verabschiedeten Soldaten die grösseste Eloge. Man sagt, daß man diese zu Ew. Durchlaucht Schande ein ewiges Ehrendenkmahl aufrichten und Ihnen darinnen als Menschen Verkäuffer unter den Elendesten der Verbrecher setzen wird.

So wie man bereits in England und Frankreich von den Menschen Handel der Teutschen Fürsten Comoedien schreibt, so wird man auch bald davon Tragödie aufführen. Es wird nicht lange nicht an Stoff dazu fehlen. Die Unterthanen werden zu klug, als nicht solche Tyrannen, die ihnen wie das Vieh verkauffen, abzusetzen und fortzujagen.

Ich habe übrigens die Ehre zu seyn Ew. Durchlaucht Barbaresk ergebenster Diener Hans Fürstenfeind.“

Dieser Brief, in schöner Frakturschrift geschrieben, traf am 20. April 1777 in Anspach ein. Gemmingen war außer sich vor Aerger und Schrecken: Es lag ihm Alles an der Ermittelung des „frechen Pasquillanten“;[S. 131] er wollte an ihm womöglich ein abschreckendes Exempel statuiren. Der Minister schickte also sofort das Kouvert an den kaiserlichen Postmeister Welz in Nürnberg, um zunächst den Absendungsort zu ermitteln. Die Antwort dieses Beamten vom 29. April lautete dahin, daß der Brief von Straßburg gekommen sei. Eine dahin gesandte Anfrage ergab kein weiteres Resultat, als daß nach der Ansicht des dortigen Postmeisters Mouilleraux der Brief seinem Stempel nach in Bordeaux aufgegeben sein müsse. Die Schrift ist allerdings entschieden kaufmännisch; auch auf dem Pettschaft sieht man den geflügelten Stab des Merkur. Wahrscheinlich also hat ein deutscher Kaufmann in oder bei Bordeaux in obiger Weise seinem Patriotismus Luft gemacht. Gemmingen hielt es, nachdem er diese Auskunft empfangen, für besser, die Sache auf sich beruhen zu lassen, konnte er doch bei der den Amerikanern günstigen Stimmung Frankreichs von dessen Regierung keine Unterstützung seiner Rachepläne gegen „den frechen Pasquillanten erwarten!“

Achtes Kapitel.

Unmittelbar nach der Unterzeichnung des Vertrages mit Anspach war Faucitt nach Hanau geeilt, um mit dem Erbprinzen von Kassel und Grafen von Hanau wegen der ihm von diesem angebotenen Jäger abzuschließen. Seit die englischen Generale ihre unbedingte Vermehrung anempfohlen hatten, wurden auf einmal, wie wir bereits im vierten Kapitel gesehen, die deutschen Förster und Jagdgehülfen ein äußerst gesuchter Artikel. Der Erbprinz Wilhelm, obgleich er deren nur wenig an der Hand hatte und deswegen Anfangs nur 160 anbot, machte sich, um aus den günstigen Konjunkturen des Marktes Vortheil zu ziehen, doch anheischig, ihrer so viel als Suffolk verlangte zu liefern, zumal sein Vater, der Landgraf von Hessen-Kassel, schon im Vorsprung war.

„Wir hatten — schrieb Malsburg am 17. Januar 1777 an Faucitt — auf Ihren ablehnenden Brief hin den Plan, Ihnen für das Frühjahr Jäger zu liefern, schon ganz fallen lassen. Seine Ausführung ist jetzt auch schwieriger als damals, wenn nicht ganz unmöglich, nicht allein durch[S. 132] den Zeitverlust, sondern auch durch Rekrutirungen, die der Landgraf seitdem in unsrer ganzen Nachbarschaft vorgenommen hat und auf welche wir ganz besonders gerechnet hatten. Nur der Eifer meines Herrn für die gute Sache und seine unwandelbare ehrfurchtsvolle Anhänglichkeit an den König ist im Stande, diese unvorhergesehene Schwierigkeit zu heben. Der Prinz wird jeden Nerv anstrengen, um das Jägerkorps möglichst bald zusammen zu bringen. Voraussichtlich können wir aber vor Mai Niemanden liefern.“ — „Es ist eine Abgeschmacktheit, zu erwarten — antwortet Suffolk am 4. Februar 1777 — daß man die Jäger noch im Mai nimmt. Der König will deshalb nur soviel als bis zur Einschiffung der Anspacher fertig sein können.“

Der hanauische Minister Malsburg that nach dem Zeugnisse Faucitt's nur so ängstlich, um sich aus der Erfüllung des Vertrages in verhältnißmäßig kürzerer Zeit ein besonderes Verdienst zu machen. Faucitt rieth, dem geldbedürftigen Prinzen 2000 Pfd. auf Abschlag zu schicken, das werde helfen. Natürlich half es. Der Vertrag, durch welchen zugleich die Subsidie im Verhältniß zur Zahl der gelieferten Jäger vermehrt wurde, kam am 10. Februar 1777 für 412 Mann zu Stande. Seine Einleitung lautet: „Nachdem der König von England seine Zustimmung dazu gegeben hat, daß die in seinem Dienste befindlichen Truppen des Erbprinzen um ein Korps Jäger vermehrt werden sollen, und nachdem der Erbprinz im Einklang mit der tiefsten Dankbarkeit, der ehrfurchtsvollsten Ergebenheit an Seine Majestät und dem unbegrenztesten Eifer für die Interessen und den Dienst des Königs mit der größten Freudigkeit die Aushebung und Ausrüstung eines solchen Korps übernommen hat, so sind die beiderseitigen Minister übereingekommen &c.“

Es werden sodann in acht Paragraphen die Bedingungen festgestellt, unter welchen dieses Korps in den englischen Dienst tritt. Es darf mehr, aber nicht weniger als vier Kompagnien, jede zu 100 Mann, zählen. Die erste Kompagnie muß zu Anfang März marschfertig sein. Die Löhnung erfolgt mit dem Augenblick der Anwerbung jedes einzelnen Mannes, der ein gelernter Jäger sein muß. Das Werbegeld beläuft sich auf dreißig Kronen pro Mann, das in zwei gleichen Zahlungen, je einen und je zwei Monate nach Unterzeichnung des vorliegenden Vertrages, zu berichtigen ist, und wird auch die an den Erbprinzen zu zahlende Subsidie im Verhältniß zur Zahl der neu angeworbenen, resp. von England angenommenen[S. 133] Jäger erhöht. Schließlich werden die hanauer Jäger mit den kasselschen auf ganz gleichen Fuß gestellt, und ist ihre Löhnung höher als die der Infanterie.

Der erste Transport (117) Jäger und 100 Rekruten verließen Hanau am 7. März; der aus drei Kompagnieen bestehende Rest wurde zu Anfang April auf dem Main und Rhein eingeschifft.

Faucitt und der Prinz von Hanau hatten diesmal versäumt, sich zur rechten Zeit die Erlaubniß zur Durchreise der Truppen durch die Gebiete der rheinischen Fürsten zu erbitten. Diese Vernachlässigung sollte sich aber jetzt bitter rächen. Der Mainzer und Trierer Kurfürst beschlossen nämlich auf Anstiften des kaiserlichen Gesandten Grafen Metternich (Vater des spätern Fürsten), die vorbei passirenden Kontingente anzuhalten und jedes mit Truppen gefüllte Fahrzeug nach ihren Unterthanen zu durchsuchen. Am 8. März also ließ der Kurfürst von Mainz, ohne den Einspruch des hanauischen Offiziers zu beachten, aus dessen Booten acht Jäger nehmen, die er als seine Unterthanen reklamirte. Einige, hieß es, seien Deserteure aus seinem Dienste und namentlich befinde sich Einer darunter, den er vergebens von Hanau reklamirt habe; dann aber seien auch einige Leibeigene dabei gewesen, an deren Körpern ihm das Eigenthumsrecht zustehe; diesen Eingriff in Privatrechte habe man sich unter keinen Umständen gefallen lassen können, wenn man selbst wegen der Deserteure ein Auge habe zudrücken wollen. Der Prinz von Hanau habe wissen müssen, daß diese Eigenthumstitel wieder aufgelebt seien, sobald einer von diesen Leuten das mainzische Gebiet betreten habe.

Selbstredend verfehlte Malsburg nicht, Suffolk die gefährlichen Folgen dieses Verfahrens in den stärksten Farben zu malen. „Der Akt ist gegen England gerichtet — schrieb er diesem am 9. März. — Wenn Sie ihn dulden, so können die mit Soldatenlieferungen betrauten Fürsten auf die Dauer ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Man muß, um die Nachahmung des gegebenen Beispiels zu verhindern, ähnliche Eingriffe gleich von vornherein durch lebhafte Vorstellungen unterdrücken. Mein Herr, der kein Kartell mit Mainz hat, also jeden Mainzer anwerben kann, hat sie gemacht und Genugthuung für die begangene Gewaltthat verlangt. Thun Sie jetzt auch das Ihrige.“

Da sich herausstellte, daß die acht Mainzer wirklich Deserteure aus der Festung und da sie noch von keinem englischen Kommissär in den[S. 134] Dienst des Königs eingemustert waren, so verweigerte Suffolk mit Recht jede Einmischung in die Sache und empfahl dem Erbprinzen, die von Mainz gestohlenen Rekruten in Zukunft nicht mehr der Gewalt des Kurfürsten preiszugeben.

Dieser hatte auch den einige Tage später eintreffenden anspacher Schiffen einen Besuch zugedacht, welche am 13. März in Hanau und zwei Tage darauf vor Mainz eingetroffen waren. Als er aber hörte, daß der Markgraf selbst sich in Begleitung der Erbprinzen von Hanau und Darmstadt an Bord befand, zog er, aus Furcht vor ihnen, die zur Durchsuchung der Boote bestimmte Abtheilung von einigen Offizieren und dreißig Unteroffizieren zurück. Dagegen wurde die Schiffbrücke anfangs nicht geöffnet. Der Kurfürst hatte ein großes Essen anrichten lassen, weil er den Markgrafen mit den beiden Erbprinzen als Gäste erwartete. Ob sie sich nun nicht an's Land wagten, weil sie, wie Oberst Rainsford berichtet, von den Mainzern arg verhöhnt und beschimpft wurden, oder ob sie dem Kurfürsten ihren Unwillen ob seiner wenig brüderlichen Handlungsweise zu erkennen geben wollten —, es kam Niemand als ein anspacher Offizier, der kurz die Frage stellte, ob man die Brücke öffnen wolle oder nicht? Als man mit dem Bescheid zögerte, erklärte er, die Brücke im Weigerungsfalle sprengen zu lassen. Lächerlicher Weise antwortete man ihm darauf, daß man sie auf eigene Gefahr öffnen wolle, daß es der Kurfürst aber nicht erfahren dürfe, da er Befehl gegeben habe, die Brücke unter keiner Bedingung zu öffnen. So fuhr denn Abends in der Dunkelheit die anspacher Flotille durch.

Auch bei Koblenz zog der Markgraf ungehindert vorbei, indem man ihn zu stark fand, als daß man ihn anzuhalten gewagt hätte. Die dortige Regentschaft verlangte nur, er solle den Hessen nicht helfen, was er natürlich seinem Konkurrenten gegenüber gern versprach. Darauf begrüßte man ihn in aller Freundschaft von Ehrenbreitstein aus mit vierundzwanzig Kanonenschüssen. Als der Markgraf Koblenz passirte, war dort nämlich gerade der hessen-kasselsche Oberst Benning mit einem von Rheinfels kommenden Rekruten-Transport angehalten, damit er auf Befehl der Regentschaft dem kaiserlichen Gesandten, Grafen Metternich, die unter seinen Leuten befindlichen kaiserlichen Unterthanen herausgebe. Am Rhein waren die Posten verdoppelt und die Kanonen auf die hessischen Boote gerichtet, den Fluß entlang aber Feuer angesteckt, um sie an der Abfahrt zu verhindern.[S. 135] Kurz die Sache sah ganz ernst aus. Indessen wären Hessen und Anspacher stark genug gewesen, dem Ansinnen erfolgreichen Widerstand zu leisten. Da aber der Markgraf den Obersten im Stich ließ, so wurden ohne Weiteres siebenzehn Soldaten aus den Schiffen genommen, die dem Kaiser gehören sollten. Diese Maßregel verursachte einen Aufenthalt von mehreren Tagen. Der Verzug war um so gefährlicher, als es gerade damals sehr stark fror, die Boote aber zum Theil offen waren und weder hinreichendes Stroh noch Oefen hatten, so daß die Rekruten massenhaft krank und die Gesunden stündlich unzufriedener wurden. Faucitt und Cressener befürchteten deshalb jeden Augenblick eine Meuterei. Indessen kamen die Hessen dies Mal noch ohne weitern Verlust als die obigen siebenzehn Mann davon.

Cressener schrieb einen entrüsteten Brief an den Kommandanten von Koblenz und die Regentschaft. Er fragt darin verwundert, wie der kaiserliche Gesandte es wagen dürfe, derartig den Kurfürsten von Trier zu beleidigen, der doch Herr in seinem eigenen Lande sei. Uebrigens hoffe er, dem Kommandanten liege die Ehre seines Fürsten zu nahe, als daß er die Hand zu einer solchen Gewaltthat bieten werde, die ganz gegen das Völkerrecht verstoße, und weist schließlich die Regentschaft auf die angebliche Rettung Deutschlands durch den Herzog von Marlborough und die Schlacht von Dettingen (!!) hin. Selbst Suffolk scheint diese Art englischen Geschichtsunterrichtes doch etwas zu kühn gefunden zu haben, denn er meint in einem Briefe an Cressener, dieser hätte lieber von den Marlborough'schen Feldzügen und der Dettinger Schlacht, als im Interesse des Reiches unternommen, nicht sprechen sollen; zur Sache selbst aber hoffe er, der Kurfürst werde seine eigene Würde zu sehr fühlen, als daß er Metternich gestattete, seine Rechte so schmählich zu verletzen.

Uebrigens behielt es bei den Beschwerden sein Bewenden. Es wird in unsern Quellen auch nicht berichtet, ob die Rachedrohungen des kasseler Vaters und des hanauer Sohnes wegen Beschimpfung ihrer „Flagge“ (!!) wirklich ausgeführt wurden. Es scheint vielmehr, daß sich ihr Zorn allmälich abgekühlt und ganz verlaufen hat.

Die Fahrt der Hessen und Anspacher verlief bei der freundlichen Gesinnung des Kurfürsten von Köln gegen England und in Ermangelung jeder Chikane seitens der preußischen Behörden ohne jede äußere Störung. Dagegen war die Stimmung der Truppen selbst desto erbitterter. Der[S. 136] Markgraf gab den Seinigen, um ihnen jede Ursache zur Klage zu nehmen, auf der ganzen Reise eine Extra-Ration von einem Pfund Brod und einem Pfund Fleisch per Tag auf den Mann und theilte, als bis Nimwegen Alles gut gegangen war, unter jedes Regiment hundert Dukaten als Geschenk aus. Unter den Soldaten der hanauischen Kompagnie Kornrumpf entstand dagegen am 25. März auf dem Rhein bei S'Gravendael in Holland eine Meuterei. Sieben Mann sprangen über Bord. Vier von ihnen wurden von ihren Verfolgern wieder eingefangen, die drei übrigen retteten sich in ein Haus. Die Bauern der Ortschaft nahmen ihre Partei und vertheidigten sie gegen die ihnen nachsetzenden Offiziere und Soldaten, so daß diese sich, um nicht todtgeschlagen zu werden, unverrichteter Sache zurückziehen mußten.

Die Anspacher wurden am 25. März vom Obersten Rainsford in den englischen Dienst gemustert. „Es sind schöne, prächtige Kerle — meldet dieser am 28. März aus S'Gravendael an Suffolk — jung und gut gebaut, kurz ein herrliches Korps. Ich fürchtete, sie würden nicht ohne Weiteres den Eid der Treue leisten, da ihr Gemurre noch kurz vorher ihre eigenen Offiziere beunruhigt hatte; allein die Anwesenheit ihres Fürsten, des Markgrafen, der sie von Ochsenfurt bis hierher begleitet hatte, verhinderte den Ausbruch selbst der geringsten Unzufriedenheit. Am zweiten Tage brachten wir sie nach Dortrecht, wohin sie der Markgraf in seiner Yacht begleitete, und gestern Abend wurden sie Alle zugleich mit den hessischen Jägern und Rekruten eingeschifft. Ich hielt es im Interesse des königlichen Dienstes für geboten, ihnen bei ihrer Ankunft an den Schiffen, um sie guten Muthes zu erhalten und jede Unannehmlichkeit zu vermeiden, frisches Fleisch und Brod zu versprechen, da sie sonst schwerlich dem König den Eid der Treue geleistet haben würden. Es ging aber Alles gut ab. Die Leute waren sehr zufrieden, als sie an Bord frisches Brod und Fleisch erhielten.“

Auch die hanauer Jäger fand Rainsford in ausgezeichneter Ordnung für den Dienst.

Nicht so günstig spricht er sich über die hessen-hanau'schen Rekruten aus, die er am 27. März in den englischen Dienst musterte. Nur die früher in preußischen Diensten gestandenen Leute seien hübsche Kerle; die übrigen habe er nur deshalb zugelassen, meldet er, weil es bereits sehr schwer geworden sei, gute Mannschaften zu bekommen; sie seien meistens[S. 137] zu alt oder zu jung, ja sogar mehrere Einäugige hätten sich darunter befunden. Wegen der hier bewiesenen Nachsicht schenkte, wie es scheint, der Erbprinz von Hanau dem Obersten Rainsford eine goldene Schnupftabacksdose, welche mit seinem in Brillanten gefaßten Portrait geschmückt war. Dieser hielt sie nicht für echt und ließ sie deshalb sofort von einem Juwelier abschätzen. „Das hätte ich nicht gedacht — vermerkt der ob der Schätzung freudig erstaunte Oberst in seinem Tagebuche — die Dose ist wahrhaftig Lstr. 160 werth: Lstr. 100 die Brillanten, Lstr. 20 das Gold, Lstr. 10 das Bild und Lstr. 30 die Arbeit; der Prinz ist doch anständig!“

Am 29. März segelten die Anspacher nach Portsmouth ab und kamen am 4. Juni in Staaten Island bei New York an; der Markgraf selbst traf von seiner „Berufsreise“ am 10. April wieder in Anspach ein.

Die drei letzten hanau'schen Jäger-Kompagnieen gelangten unter Oberst Creuzburg am 9. April 1777 ganz unbehelligt nach Nimwegen und wurden am 11. in den englischen Dienst eingeschworen. Rainsford schildert sie als ein schön ausgerüstetes Korps von vortrefflichen Schützen und bedauert nur, daß Suffolk keine Transportschiffe zu ihrer Beförderung gesandt habe.

Wie gefügig übrigens diese Truppen waren, wie wenig man sich zu ihnen der Desertion oder gar einer Meuterei zu versehen brauchte, beweist am Besten die Anrede, welche der Auditeur Becher in Hanau an die anspacher und hanauer Soldaten bei ihrer Vereidigung richtete. Der Leser wird bemerken, daß das patriarchalische Er und das vertrauliche Du, um jeden äußern Anstoß zu vermeiden, dem höflichern Sie Platz gemacht hat. Diese Anrede und dieser Eid lauten wörtlich:

„Ich bin überzeugt, daß Sie auch ohne dies schon das allergnädigste und gnädigste Zutrauen erfüllen werden, welches Se. Königlichen Maj. und beyde durchlauchtigste Fürsten in Ihre Redlichkeit und Tapferkeit setzen, und daß Sie bey allen Kriegs-Vorfallenheiten zeigen werden, daß Sie Deutsche sind, welche jederzeit den großen Ruhm der Treue und Tapferkeit behauptet haben. Werden Sie, wie man es von Ihnen erwartet, mit diesen redlichen Entschließungen von hier abgehen und denselben getreu bleiben und nachkommen, so erwartet auch unfehlbar in einem fremden Welttheil, Ehre, Glück und Belohnung auch Sie. Sie streiten für die gerechteste Sache eines der erhabensten und gütigsten Monarchen. Sie können sich nicht weniger der höchsten Gnade Ihrer theuersten Landes-[S. 138] Fürsten versichern, von deren Liebe und Zuneigung Sie schon so viele Beweise haben. Machen Sie sich dieser würdig und ehren Sie durch Unerschrockenheit und edelmüthige Kühnheit Ihren Stand und Ihr Vaterland, und Jeder von Ihnen sei dem Andern zum Muster, wie sich ein braver und rechtschaffener Soldat hervorthun müßte.

Hören Sie nunmehr die Formul aufmerksam an, wonach Sie einen leiblichen Eid zu Gott dem Allmächtigen schwören sollen: „Ihr sollt geloben und schwören einen leiblichen Eid zu Gott dem Allmächtigen, daß Ihr Sr. König. Großbritannischen Majestät in allen Kriegsvorfallenheiten treulich, willig und redlich dienen, dem Commando folgen und Euch überhaupt dergestalt erweisen wollt, wie tapferen und redlichen Soldaten wohl anstehet, eignet und gebühret, jedoch vorbehaltlich und ohnabbrüchig derjenigen Eides-Pflichten, mit denen Ihr Eurem gnädigsten Fürsten und Herrn ohnehin bereits zugethan seid. Alles getreulich und ohne Gefährde.“ Hierauf wird mit Emporhebung der zwei vordersten Finger nachgesprochen.

„Daß ich dem also, wie mir jetzo vorgehalten worden und ich wohlverstanden habe, in allem steif, getreu und unverbrüchlich nachkommen wolle, solches gelobe und schwöre ich, so war mir Gott helfe durch seinen Sohn Jesum Christum, unsern Erlöser und Seeligmacher. Amen!“

Mittler Weile hatte sich die Lage der Dinge in Amerika sehr zum Nachtheil Englands gestaltet. Washington's Erfolge im Winterfeldzuge 1776–1777 machten es selbst dem hochmüthigen Londoner Kabinet klar, daß die Unterwerfung der Aufständischen noch mehr als einen Feldzug in Anspruch nehmen würde. Suffolk wurde deshalb auch weniger wählerisch und suchte Truppen zu erlangen, wo sie sich ihm nur anboten. Wir haben im sechsten Kapitel gesehen, wie er in den ihm von Sir Joseph Yorke namhaft gemachten kleinen deutschen Staaten, Baden, Darmstadt, Gotha und Hildburghausen seinen Zweck nicht erreichte. In dieser seiner niedergeschlagenen Stimmung trat von Neuem das Angebot des Fürsten v. Anhalt-Zerbst an ihn heran, welches sein Agent Faucitt im ersten Jahre des Krieges verächtlich abgelehnt hatte. „Der Fürst von Anhalt-Zerbst hat mich und Faucitt — schrieb Yorke am 7. März 1777 an Suffolk — oft mit seinen Truppenanerbietungen geplagt; ich habe ihn indessen stets höflich abgewiesen. Er will, glaube ich, zwei Bataillone, er kann aber vielleicht mehr stellen. Sie sollen in guter Ordnung sein. Es hängt von[S. 139] Ihren Befehlen ab, ob ich den Fürsten auf Privatwegen sondiren und mir bei ihm ein Verdienst daraus machen soll, mich ihm nützlich zu zeigen.“ „Thun Sie ja, was Sie können, antwortete er jetzt Sir Joseph Yorke am 11. März — um dem Fürsten von Anhalt-Zerbst in nicht offizieller Weise auf den Zahn zu fühlen. Wenn ich weiß, wieviel, wie und wo er liefern kann, werde ich ermessen können, ob es rathsam ist, in dem Geschäft fortzufahren.“

Auf diesen Briefwechsel hin wurden die Verhandlungen mit dem Fürsten eröffnet.

Friedrich August, der letzte Fürst dieses Ländchens (1747–1793) gebot über ein Territorium von etwa fünfzehn Quadratmeilen mit ungefähr 20,000 Einwohnern, das (1793 bei seinem Tode unter die drei Vettern von Dessau, Bernburg und Cöthen verloost) in Folge der seit dem dreißigjährigen Kriege dort erblichen Mißwirthschaft zu den ärmsten und ausgehungertsten Deutschlands gehörte. Seit 1716 wurden in Zerbst weniger Menschen geboren als starben! Das unglückliche Fürstenthum hatte in den letzten hundert Jahren alle nur denkbaren Landplagen ausgestanden, Ueberschwemmungen und Hungersnoth, Auswanderung und Krieg. Es besaß keine Industrie und keinen Handel, litt dagegen desto mehr Mangel an Nahrung. Nirgend in Deutschland gab es verhältnißmäßig mehr Hagestolze, namentlich unter den Beamten, weil die im siebenzehnten Jahrhundert festgesetzte Besoldung kaum halb zum standesgemäßen Haushalt ausreichte. Seit 1698 war kein Landtag mehr berufen worden. Die Fürsten herrschten despotisch, und Friedrich August, mit welchem wir es zu thun haben, übertraf selbst seine Vorgänger in launenhafter Willkür und frechem Souverainitätsdünkel. Er ist, was viel heißen will, die Karrikatur des Landesvaters des achtzehnten Jahrhunderts, die komische Figur unter seinen Kollegen und verdient der Held eines tragi-komischen Gedichts zu werden. Friedrich August war der Bruder der berühmten Kaiserin Katharina II. von Rußland. Ob in den winzigen Verhältnissen der Heimath Verrücktheit wurde, was bei der großen Schwester auf einem mächtigen Thron des Auslandes Genialität des Denkens und Handelns war, läßt sich schwer entscheiden; jedenfalls aber wäre bei Katharina, wenn wir uns anders einen so gewaltigen hochstrebenden Geist auf dem Zerbster Thrönchen denken können, Vieles Karrikatur gewesen, was wir jetzt als groß und imponirend an ihr bewundern. Natürlich mußte ein so angelegter Mann,[S. 140] wie Friedrich August, aus ganzer Seele seinen mächtigen Nachbar, Friedrich den Großen, hassen, der Leben schuf, wo noch keines vorhanden gewesen war, der mit alten Vorurtheilen und Mißbräuchen unbarmherzig umging und sich in seinem revolutionären Vorgehen am allerwenigsten durch eingebildete Größen hindern ließ. Der König behandelte den Fürsten wie einen unbedeutenden Landjunker, in dessen Rechte er allerdings sehr gewaltsam eingriff, wie er denn z.B. einen von dessen Schützlingen im Jahre 1758 ohne Weiteres im Zerbster Schlosse verhaften ließ. Nach dem Frieden von 1763 ging der Fürst nach Basel, um nur nicht in der Nähe des verhaßten Königs zu sein, und regierte bis 1780 von hier und von 1780 an von Luxemburg aus sein Ländchen durch Reskripte und Befehle in einem Stil, den in neuerer Zeit ein anderer deutscher Potentat, Fürst Heinrich LXXII. von Reuß-Schleiz-Lobenstein glücklich nachgeahmt hat. Als seine Unterthanen sich einst wegen Abstellung eines Unrechts an ihn wandten und um seinen Schutz baten, antwortete er ihnen, derartige Lapalien gingen ihn gar nichts an und wünsche er sehr, in seiner Zurückgezogenheit nicht mit ihren elenden Klagen belästigt zu werden. Da diese gleichwohl fortdauerten, verbot er durch einen auf Querfolio gedruckten Anschlag vom 1. März 1788, daß ihm ferner Niemand mehr nachlaufe noch ihn behellige, bei Vermeidung unausbleiblicher Ahndung und Absetzung der Dienerschaft. Auf der Insel Wangeroge, die als Theil der Herrschaft Jever ihm damals gehörte, errichtete er einen großen Galgen, an welchem die beim Austernsammeln ertappten Fischer gehängt werden sollten; es wurde aber keiner abgefaßt.

An Stelle Serenissimi regierte in Zerbst ein Geheimer Rath, dessen zwei oder drei Mitglieder die sämmtlichen Instanzen bildeten. Bekannt ist die von dem pädagogischen Schriftsteller Sintenis erzählte Anekdote, wonach er von dem Geheimen Hofrath Haase, durch den Geheimen Hofrath Haase nochmals an denselben Geheimen Hofrath Haase appelliren mußte. Der französischen Revolution muß zu den vielen Sünden, die sie bereits auf dem Gewissen hat, auch der Tod dieses Fürsten zugeschrieben werden. Als er von ihrem Ausbruche hörte, wurde er unruhig und erließ lange, sehr schwer verständliche Schreiben an seine Unterthanen, in welchen er sie im Namen der heiligen Dreieinigkeit ermahnte, treu und gehorsam zu bleiben, im Falle des Ungehorsams ihnen aber mit den himmlischen Strafen drohte. (Warum wohl nicht mit den irdischen?)[S. 141] Friedrich August starb aus Kummer über die Hinrichtung Ludwig's XVI. Auf die erste Nachricht von diesem Ereigniß hin weigerte er sich, ferner Speise und Trank zu sich zu nehmen — und einige Wochen später war der Märtyrer der Legitimität todt. Dieses fürstliche Prachtexemplar hatte es in österreichischen Diensten bis zum Feldmarschall-Lieutenant gebracht, hielt sich nach 1783 auch selbst eine „Armee“ von 2000 Mann mit nicht weniger als elf Obersten. Seine Werbeplätze waren über ganz Deutschland zerstreut, einmal gab es deren nicht weniger als sechzehn. Gleichwohl bezahlte sich das Geschäft, denn er fand fast immer Verwendung für seine Truppen.

Schon bei Eröffnung der englisch-amerikanischen Feindseligkeiten war Friedrich August mit seinem Angebote in den Markt gekommen; indessen nahm man anfangs nicht die mindeste Notiz von ihm, und ohne Yorke's Empfehlung würde er voraussichtlich wohl nie berücksichtigt worden sein. Er hatte sich zunächst unmittelbar an Georg III. gewandt, aber keine Antwort auf seinen Brief erhalten, weil der König seinen Inhalt nicht entziffern konnte. Um direkt zu seinem Ziele zu gelangen, ließ der Fürst im Mai 1776 durch den Erbprinzen von Hanau seine Vorschläge an Suffolk machen. „Wenn Sie je — schreibt der Minister Malsburg am 27. Mai 1776 an Faucitt — von der sonderbaren Denk- und Handlungsweise dieses Fürsten gehört haben, so werden Sie über die Unregelmäßigkeit dieses Schrittes nicht erstaunt sein. Da Sie aber möglicher Weise ein Regiment mehr brauchen können, so hat mein Herr mir befohlen, Ihnen den Brief des Fürsten vertraulich im Original mitzutheilen. Die Verwirrung, die in seinem Stil und in seinen Ausdrücken herrscht, hat mir nicht erlaubt, eine französische Uebersetzung davon zu machen. Zudem werden Sie wohl Jemanden haben, der ihn lesen kann und, soweit dies überhaupt möglich ist, seinen Sinn erklärt. Der Fürst will also ein Regiment von 627 Mann an England überlassen. Mein Herr möchte übrigens in der ganzen Sache nicht genannt sein. Der Brief an den König ist in einer so merkwürdigen Art geschrieben, daß es mir ein Problem scheint, ob er überhaupt dem hohen Adressaten übergeben werden kann.“

Faucitt legte in seinem Berichte an Suffolk den Original-Brief des Fürsten nicht einmal bei, um dem König die Unbequemlichkeit der Beantwortung eines in so befremdender Weise gemachten Anerbietens zu ersparen. Suffolk billigte sein Verfahren und ließ den Zerbst'schen Antrag auf sich beruhen.

[S. 142]

Uebrigens war der Fürst so leicht nicht abgeschreckt. Er suchte Ende November 1776 durch den Herzog von Braunschweig seine Absicht zu erreichen. „Der Fürst von Anhalt-Zerbst — schreibt Feronce am 17. November 1776 an Suffolk — hat den Herzog inständigst ersucht, durch Ihre Vermittlung dem König 800 Mann Infanterie für Amerika anzubieten. Das Regiment ist gut einexerzirt und ausgerüstet; es kann sich, sobald es gewünscht wird, mit zwei Geschützen in Marsch setzen und, falls der König noch mehr fremde Truppen anwerben sollte, mit unseren Rekruten einschiffen. Die einzige Gunst, um die ich bitte, besteht darin, daß der Herzog in den Stand gesetzt wird, dem Fürsten eine Antwort zukommen zu lassen.“ Suffolk lehnte am 26. November das Gesuch aber auch wieder ab, weil der König bei der günstigen Wendung, welche die Dinge in Amerika genommen hätten, keine fremde Truppen dort mehr nöthig zu haben glaube.

Friedrich August war jedoch nicht der Mann, den ein zweimaliger abschläglicher Bescheid entmuthigt hätte. Er empfahl sich also dem englischen Gesandten im Haag, Sir Joseph Yorke noch einmal zur gefälligen Berücksichtigung. Yorke hatte offenbar Mitleid mit dem Zerbster und wollte seine Standhaftigkeit belohnen. Er verfehlte also nicht, ihm die durch Suffolk's letztes Schreiben in Aussicht gestellte günstige Wendung der Dinge mitzutheilen. Als Antwort auf diese freudigen Eröffnungen empfing er eine wahre Sündflut von fürstlichen Briefen, Plänen und Vorschlägen, die sich sogar bis auf die Vermehrung der englischen Marine erstreckten. Bei dem dunkeln und verworrnen Stil dieses fürstlichen Don Quixote ist es leider nur ausnahmsweise möglich, seine Gedanken ganz zu errathen, ein Prozeß, der durch ein barbarisches Französisch bedeutend erschwert wird, da es die abgerissenen Sentenzen noch verrückter erscheinen läßt. Doch der Leser möge selbst nach den im Anhang mitgetheilten Proben urtheilen.

Der Fürst schien also endlich am Ziele seiner Wünsche zu sein, und seine kühnsten Hoffnungen und Gedanken schwelgten jetzt schon in einem Kreuzzug für die von den amerikanischen Rebellen bedrohte Legitimität. „Vier Brüder in Dessau — schreibt er an Yorke in dem im Anhange vollständig mitgetheilten Briefe vom 29. April 1777 — besaßen gemeinschaftlich mehr als sechshundert Hetzhunde, die bei den Dessauer Bürgern einquartirt waren. Schöne Garnison! und beim ersten Peitschenknall oder[S. 143] Hörnerschall eilten diese Hunde zusammen wie die Soldaten beim Klang der Trompete. Teufel! wenn man die Amerikaner wie diese Hunde laufen machen könnte! Das wäre herrlich! Aber dazu braucht man Truppen.“

Inzwischen hatte Faucitt am 29. April 1777 auch von Suffolk Auftrag erhalten, sich von der Beschaffenheit der Zerbster Bataillone zu unterrichten, um beurtheilen zu können, ob sie des Königs weitere Aufmerksamkeit verdienten. Er sollte nicht weniger als 500 und nicht mehr als 800 Mann nehmen und seinen Verhandlungen mit Zerbst den anspacher Vertrag zu Grunde legen. Kaum war aber Aussicht für die Vermiethung der Landmacht vorhanden, so faßte der Fürst auch schon den Plan, die Vortheile seiner an der Nordsee gelegenen Grafschaft Jever zu verwerthen. „Wenn England — schrieb er am 23. Juni 1777 an Yorke — an der deutschen Küste gegen die Rebellenkaper zwei Fregatten von je zwölf und zwanzig Kanonen und zwei kleinere Fahrzeuge von je acht und zehn leichten Geschützen wünscht, so kann ich ihm dieselben überlassen. Meine Schiffe sind Schnellsegler und aus folgenden Gründen für Sie unentbehrlich: 1) stellen sie die Verbindung zwischen mir und meinen Truppen her; 2) vermitteln sie die von Deutschland abzusendenden Verstärkungen; 3) erlangen sie dadurch so viel Schiffe und Matrosen mehr, was bei der Frechheit der Rebellen, die „leur canaille de pirates“ überall hinschicken und sogar im Stande sind, die deutschen Küsten heimzusuchen, gar nicht gering anzuschlagen ist.“

Komischer Weise nahm Yorke diesen letzten Vorschlag im Ernste auf und meint am 15. Juli 1777 in seiner Bevorwortung desselben bei Suffolk, daß er deshalb Beachtung verdiene, weil England durch ihn eine große Zahl von Seeleuten erlangen könne, die sonst vielleicht gegen dasselbe vom Feinde verwandt werde. Als wenn der Fürst außer vielleicht ein paar Fischerbooten ein einziges seetüchtiges Fahrzeug gehabt hätte! Der Mann lebte in Basel und wollte von hier aus eine Flotille ausrüsten!

Suffolk hatte nur unter der Voraussetzung mit dem Fürsten angeknüpft, daß sein Regiment bis zum April marschfertig in Jever sein und bis zur Eröffnung des Herbstfeldzuges in Amerika eintreffen könne. Als aber der Geheime Rath Haase, welcher zerbstischer Seits mit Faucitt den eventuellen Vertrag in Braunschweig abzuschließen bestimmt war, dort zur verabredeten Zeit nicht erschien, und als Faucitt außerdem noch Anfang[S. 144] Juni 1777 nach Hause meldete, daß das Zerbster Regiment, statt wie versprochen schon in Jever, noch in Zerbst sei, nahm Suffolk unmuthig seinen Befehl für Annahme der zerbstischen Truppen zurück. Die Jahreszeit, erklärte er, sei zu weit vorgerückt, als daß sie noch im Laufe des Sommers in den englischen Dienst genommen werden könnten. Der Fürst hatte in der Person der Herren von Oppeln und von Wietersheim zwei „Gesandte“ nach London geschickt, um durch sie den Vertrag zwischen den Kronen Zerbst und Großbritannien abschließen zu lassen. Suffolk bedeutete sie kurzer Hand, London sei nicht der Platz für ein derartiges Geschäft und empfahl ihnen sofortige Abreise.

„Trotz Ihrer Versprechungen — schreibt der Fürst am 25. Juni 1777 wehklagend an Yorke — hat man in London meine Truppen abgelehnt; man will bis zum nächsten Jahre warten. Das ist unmöglich, ich werde mich dann nicht wieder ähnlicher Behandlung aussetzen. Andere Mächte werden diese schönen Truppen (ohne Eitelkeit!) mit offenen Armen aufnehmen. Ich hoffe, Sie werden aber noch Alles arrangiren.“

Yorke suchte denn auch die Sache bei Suffolk wieder in den Gang zu bringen. „Ich sende Ihnen — schrieb er ihm am 15. Juli 1777 — durch den hannöver'schen Kourier verschiedene Briefe, welche ich von meinem merkwürdigen Korrespondenten, dem Fürsten von Zerbst erhalten habe. In seinem letzten ist er über den eingetretenen Zeitverlust aufgebracht. Ich lege meine eigene Korrespondenz nicht bei, da sie nur ermüdend für Sie sein würde; ich habe mich übrigens genau an meine Befehle gehalten. Ich habe dem Fürsten heute geschrieben und mich bemüht, ihn guten Muths zu erhalten und zu besänftigen. Bei allen seinen Verrücktheiten ist er doch ein guter Kerl, der besser handelt als er schreibt. Ich wünsche, seine Truppen möchten in diesen schwierigen Zeiten doch noch genommen werden.“

Die Ereignisse auf dem Kriegsschauplatz ließen es denn auch Suffolk noch im Laufe des Sommers wünschenswerth erscheinen, die englische Armee in Amerika, sei es auch nur durch ein oder zwei zerbstische Bataillone zu verstärken, ja er mußte froh sein, daß sich ihm wenigstens eine Aussicht auf ein sofort bereites Hülfs-Korps bot. So beauftragte er denn im Herbste 1777 Faucitt, für zwei Regimenter mit dem Zerbster Ministerium abzuschließen. Dieses unterwarf sich ohne jeden Widerspruch den vom englischen Kommissar gestellten Bedingungen und begnügte sich sogar mit[S. 145] der bloßen Punktation eines Vertrages, die gegen Ende Oktober 1777 zu Stande kam, die es aber England freistellte, seine endgültige Genehmigung so lange zu verschieben, bis die zerbstischen Truppen von Faucitt im Einschiffungshafen in den englischen Dienst gemustert sein würden. Jedes der beiden zu liefernden Regimenter sollte aus 614 Mann, einschließlich der Offiziere, bestehen; jedes derselben aber nur zwei Stabsoffiziere, Oberst und Major, haben und im Frühjahr marschfertig sein.

England übernahm also nicht die mindeste Gefahr oder Verantwortlichkeit; diese fiel vielmehr ausschließlich der Zerbster Regierung anheim, die, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, in der Folge hart genug daran zu tragen hatte.

Während die übrigen, mit England arbeitenden Fürsten wenigstens Offiziere und Kadres für ihre Regimenter hatten, stand das Regiment des Fürsten von Anhalt-Zerbst, als er mit Lord Suffolk in Unterhandlungen trat, vorläufig nur auf dem Papiere. Nicht einmal für die Offizierstellen konnte er unter den paar armen adeligen Teufeln seines Ländchens „gehörig qualifizirte Subjekte“ finden, und aus der Nachbarschaft boten sich erst recht keine an, weil es allgemein bekannt war, daß Serenissimus kein Geld hatte. Er wußte aber, daß für gutes englisches Geld Werber und Offiziere in Hülle und Fülle zu haben waren und leitete deshalb als vorsichtiger Geschäftsmann die erforderlichen Maßregeln erst ein, als sie auf englische Rechnung gingen. Kaum war also die Punktation mit Faucitt geschlossen, so betrieb auch die Zerbster Regierung das Werbegeschäft mit großem Eifer. Es tritt uns hier überaus naiv in seiner unverhülltesten Gestalt entgegen, als das, was es seiner innersten Natur nach ist, als die gemeinste fürstliche Spekulation auf das Fleisch ihrer Unterthanen und der Unglücklichen, die sich durch gute Worte oder Gewalt einfangen ließen.

In der Stadt Zerbst wurde sofort ein Werbebureau errichtet, und mit allen in diesem Geschäfte üblichen Listen die nöthige Mannschaft angelockt. Im Anfang ging Alles über Erwarten gut, Meister, Gesellen und Lehrlinge, Bewohner der Stadt und Umgegend, welche sonst kein Auskommen hatten, nahmen Dienste. Schon im November waren mehr Soldaten als das von England geforderte Minimum beisammen. Da die Zerbster Bürger sich weigerten, das zum großen Theil verlorene Gesindel in's Haus zu nehmen, so mußte es im fürstlichen Schlosse untergebracht[S. 146] werden. Ueberhaupt scheint der Respekt der Zerbster vor Serenissimo nicht zu groß gewesen zu sein, denn sie redeten den Soldaten zu, daß sie doch nicht marschiren möchten, da sie schnöde verkauft wären und elendiglich umkommen würden, „und was dergleichen grobe Lügen und strafbares Beginnen mehr“, wie der Stadt-Kommandant General v. Rauchhaupt in einem Garnisonsbefehl erklärte. Da die Gränze nicht weit war, so wurde es den Bürgern auch nicht schwer, den Desertionslustigen zur Freiheit, d.h. zum Thore hinaus zu verhelfen. Um den Mangel an Offizieren zu beseitigen, machte die Regierung in den Zeitungen bekannt: „Wer Dienste als Offizier zu nehmen wünsche, vorzüglich aber sich getraue, Chef eines Regiments Infanterie zu werden, der könne sich sogleich bei der Hochfürstlichen Regierung in Zerbst melden und werde von derselben nähere Auskunft erhalten“. Diese Aufforderung hatte sehr bald den gewünschten Erfolg. Schon im Oktober und November waren so viele Meldungen eingegangen und angenommen, daß alle Stellen besetzt werden konnten. Als Regiments- und Bataillons-Kommandeure hatten sich zwei Brüder v. Rauschenplatt aus dem Braunschweigischen angeboten. Beide wurden in Dienst genommen. Der ältere Johann ward Oberst und Regimentschef; sein Bruder Georg Heinrich dagegen Major und Bataillonskommandeur, im Sommer 1782 aber sein Nachfolger im Kommando des Regiments, weil der ältere Bruder wegen Kränklichkeit nach Europa zurückkehrte. Stabsadjutant war Oberlieutenant Möhring und Regimentsquartiermeister ein geborener Anhaltiner, J.A. Pannier, der im April 1772 in Jena einen nassauischen Studenten im Duell erstochen hatte. Drei Feldprediger, ein lutherischer, ein reformirter und ein katholischer, hatten für das Seelenheil und die geistliche Verpflegung der Soldaten zu sorgen, während 34 unter Anführung einer Unteroffiziersfrau stehende Marketenderinnen ihnen den Bedarf an leiblicher Speise zu liefern und zu ergänzen hatten.

Schon in den ersten Tagen des November 1777 konnte das Regiment dem englischen Unterhändler auf dem Schloßplatz von Zerbst zur Musterung vorgeführt werden.

„Ich bin — schreibt Faucitt am 15. November 1777 aus Braunschweig an Suffolk — soeben von Zerbst zurückgekehrt, wo ich das eine der beiden uns angebotenen Regimenter sah. Es besteht aus lauter schönen und jungen Leuten, die indessen ihre Waffen nicht so gut handhaben und[S. 147] nicht so gut exerziren, als ich erwartet hatte. Ihr Oberst, Herr von Rauschenplatt, versicherte mich aber, daß sie erst vor drei bis vier Tagen von ihrem Urlaub einberufen seien, nachdem sie den größten Theil des Jahres abwesend gewesen, und daß er sich anheischig mache, sie bis zur Zeit ihres Abmarsches gut auszuexerziren. Es scheint mir, daß der Oberst das wohl fertig bringen wird; er ist ein gebildeter und thätiger Offizier, der während des ganzen letzten Krieges in dem österreichischen Heere gedient hat. Es fehlt den Leuten überhaupt nicht an guten Willen. Zu jedem Regiment gehören zwei Grenadier-Kompagnieen. Das eine Regiment ist marschfertig, während das andere, welches in einiger Entfernung von Zerbst liegt, es vor nächstem Februar nicht werden kann. Ich werde sie die Elbe hinunter bis Stade verschiffen. Die Reise dauert acht bis zehn Tage. Rauschenplatt sagte mir, er werde sofort nach Eintreffen der Erlaubniß der Uferstaaten marschiren und zur Noth gar nicht auf die Antwort der Fürsten warten.“

Dieser Plan war an sich ganz gut und leicht ausführbar, wenn nur Friedrich der Große sein Veto nicht eingelegt hätte.


Neuntes Kapitel.

Die in den vorhergehenden Kapiteln erzählten Verkäufe und Verschiffungen deutscher Soldaten reichen bis zum Herbste 1777. Die Zusätze zu den bereits ausführlich besprochenen Verträgen sind im Wesentlichen eine Wiederholung der ursprünglichen Bestimmungen; sie beziehen sich nur auf Lieferungen von Rekruten, Jägern und Artilleristen und erfordern darum auch kein näheres Eingehen auf ihren Inhalt.

Unerläßlich dagegen ist wenigstens eine kurze Beschreibung des Transports dieser Ersatztruppen, der bei seinen großen Gefahren und Schwierigkeiten ganz besondere Umsicht und Sorgfalt verlangte. Vor Allem galt es, die Desertion zu verhindern und die Chikanen, Eingriffe oder älteren Ansprüche der zu passirenden Staaten abzuwehren. Der englische Kommissar Faucitt berechnete natürlich nur die im Hafen auf die Schiffe gelieferten[S. 148] Soldaten; wer also unterwegs desertirte, lief zugleich mit den oft nicht unbedeutenden baaren Auslagen des Lieferanten davon, während eine spätere Desertion diesen nicht so sehr schädigte. Es wurden deshalb nur erfahrene Offiziere von großer Geistesgegenwart, persönlicher Gewandtheit und Entschiedenheit im Auftreten mit dem Truppentransport betraut. Aus den zahlreichen, bei den Akten befindlichen Berichten solcher Offiziere möge nur der des Obersten von Wöllwarth hier Platz finden, der Mitte Mai 1777 einige hundert hessische Rekruten von Kassel nach der Weser-Mündung führte und ein Gesammtbild der mit der glücklichen Ausführung eines derartigen Auftrages verknüpften Schwierigkeiten giebt.

„Ich habe mich — meldet Wöllwarth am 30. Mai 1777 dem Landgrafen von Hessen-Kassel — am 14. Mai unweit der Pulvermühlen bei Kassel eingeschifft, am 15. Abends bei Herstelle Anker geworfen und bin am 16. gegen 11 Uhr Abends nach Hameln gekommen. Am 17. verursachte die Passirung der dortigen Schleuse einigen Aufenthalt, so daß bereits eine Stunde außerhalb Hameln bei Lachem angehalten und Mittag gemacht werden mußte. Von da wurden nach der erhaltenen gnädigsten Instruktion die Rekruten, so preußische Deserteur oder Landeskinder waren, an Anzahl fünfzig, unter Kommando des Lieutenants Hagen und dreier Unteroffiziers mit geladenem Gewehr, auch Begleitung einer Patrouille von dem Estorffischen Dragonerregiment, bis Rodenberg abgeschickt, und nahm gedachter Lieutenant Hagen zur Vermeidung derer mehren preußischen Orten und des Bückeburgischen die Detour über Neustadt am Rübenberge, wo derselbe das zweite Nachtlager nahm. Aller gebrauchten Vorsicht ungeachtet ist ein Jäger, Namens Britt, so ein Franzose von Geburt, von da die Nacht desertirt, durch Hülfe der Patrouille aber in der Gegend von Nienburg wiederertappt worden und als Arrestant mitgebracht. Am 18. wurde Preuß. Minden passirt. Vom Kommandanten geschah nicht die mindeste Nachfrage, als wie stark der Transport sei. Am 19. ankerten wir bei Stolzenau unterhalb Nienburg. Lieutenant Hagen traf daselbst erst den Nachmittag um fünf Uhr ein. Bei diesem langen Aufenthalte entfernte sich, ohngeachtet ich von dem Schiffe Posten ausgesetzt hatte, ein Jägerrekrute, Namens Seidenfaden, welcher um so leichter, da er noch keine Montirung hatte, unter der Menge Leute solches bewerkstelligen konnte. Den Lieutenant Plier, von dessen Schiff der Rekrute war, schickte ich, weil er diesen Unmontirten hatte vom Schiff gehen lassen, auf vierundzwanzig[S. 149] Stunden auf das Staatsschiff in Arrest, an dessen Stelle ich Lieutenant Braumann kommandirte. Nun ereignete sich der Vorfall, daß der Unteroffizier Säugling, welcher von dem Kommando des Lieutenant Hagen erst zurückgekommen, sich etwas betrunken und einem Juden, welcher im Vorbeigehen bei denen Schildwachen Taback geraucht, nach eigener Willkür die Pfeife weggenommen. Da nun der Jude bei dem Lieutenant Braumann sich dieserhalb beschwerte und die Herausgabe der Pfeife forderte, ertheilte mehrgedachter Lieutenant Braumann dem Unteroffizier die geschärfte Ordre, solche sogleich wieder herauszugeben. Der Unteroffizier aber, welcher in dieser Verwirrung nicht wußte, daß Lieutenant Plier arretirt sei, mithin das Schiff nicht mehr kommandirte, versetzte, er würde keines Andern Kommando Folge leisten als besagten Lieutenants Plier. Es wurde der Unteroffizier zu Gehorsam angewiesen. Da er aber durch Raisonniren einen Aufstand erregte, so begab ich mich auf die Meldung des Lieutenants Braumann dahin, um solchen zu stillen. Der Unteroffizier nebst noch zwei Raisonneurs, so Anlaß dazu gegeben, wurden arretirt. Den erstern habe ich mit starken Fuchteln bestrafen lassen und degradirt bis zur Ankunft in Amerika, wie denn die beiden Andern ebenfalls zu harter Strafe gezogen wurden. Am 21. Mai haben wir die Bremer Brücke passirt und allda vom Kapitain v. Webern die achtzehn großen Ballen Bagage richtig erhalten. Am Abend dieses Tages trafen wir in Vegesack ein; am 24. aber wurden wir durch Faucitt gemustert, der nur zehn Mann ausrangirte, und am 25. auf fünf Schiffen eingeschifft, welche am 31. Mai von Bremerlehe absegelten.“

Was nun insbesondere die Rekrutenlieferungen betrifft, so beweisen sie, daß das Geschäft nicht blos in Kassel, sondern auch bei den übrigen betheiligten Fürsten eigentlich nur kurze Zeit in Blüthe stand, und daß bereits im Laufe des Jahres 1777 der Markt weniger ergiebig wurde. Nur Anspach machte eine Ausnahme von der Regel, weil es durch den siebenjährigen Krieg nicht so viel als die norddeutschen Staaten gelitten hatte. Seine Rekruten zeichneten sich bis an das Ende vor allen anderen aus, im Februar 1779 fand Faucitt sie so schön und so gut von Ansehen, daß er froh sein würde, wenn die anderen Rekruten ebenso aussähen, und noch im Mai 1782 wurden die großen schönen munteren und wohlgezogenen Anspacher bei ihrer Einschiffung ebenso bewundert, wie die ersten Bataillone des Jahres 1777. Dagegen ward es schon zu Anfang[S. 150] des Jahres 1777 den norddeutschen Lieferanten schwer, ihre Verbindlichkeiten zur festgesetzten Zeit zu erfüllen. Schon jetzt müssen sie an allen Ecken und Enden ihre Waare zusammenstehlen und das so gestohlene zweibeinige Gut mit großen Kosten und außerordentlicher Vorsicht bewachen lassen. Die Schilderungen, die wir in den Berichten Faucitt's und Rainsford's über ihre Rekruten-Inspektionen finden, würden komisch und erheiternd sein, wenn die Ruchlosigkeit, mit der die armen Teufel auf die Schlachtbank geliefert werden, für unser Volk nicht gar zu beschämend wäre.

„Am 21.d.M. — meldete Faucitt am 24. März 1777 aus Bremerlehe an Suffolk — habe ich die 250 braunschweiger Rekruten in Stade besichtigt und eingeschifft. Der Herzog hatte es für nöthig erachtet, sie durch eine starke Infanterie-Abtheilung von einem Hauptmann, zwei Lieutenants, vierzehn Unteroffizieren und vier und achtzig Gemeinen nach dem Hafen transportiren zu lassen. Ich habe 36 von den Rekruten wegen Körperschwäche, Alter und Einäugigkeit und sonstiger Gebrechen verworfen; es sind also nur 214 Mann übrig geblieben. Ich erinnere mich nicht, je in meinem Leben einen solchen Haufen schlecht aussehender Kerle zusammen gesehen zu haben. Kaum diejenigen, welche ich passirte, waren diensttüchtig. Die Gräben und die Stadt sind gefroren, es ist also große Gefahr der Desertion vorhanden. Noch größer wird diese Gefahr in Bremerlehe sein, wo die hessischen und waldeck'schen Rekruten jeden Augenblick ankommen müssen, und wo ich nicht das geringste Zwangsmittel gegen sie habe.“

Nicht viel günstiger als Faucitt über die braunschweigischen, spricht sich Rainsford über die vom Rheinfels gekommenen hessischen Rekruten aus. „Sie sind — schreibt er am 28. März 1777 aus Gravendael bei Dortrecht an Suffolk — äußerst ungleich, Viele sehr alt, Viele bloße Jungen und Andere wieder durchaus unbrauchbar. Es finden sich fünf bis sechs Einäugige darunter. Wir dürfen aber nicht zu wählerisch sein, weil es zu schwer ist, Leute zu bekommen. Ich wies deshalb Keinen zurück, bezeichnete aber die Anstößigsten auf der beifolgenden Liste. Die Jäger dagegen sind gut und äußerst brauchbar für den Dienst.“ Die Zahl der Rekruten belief sich auf etwa 400; der Bayreuther Minister v. Seckendorff fand darunter viele unausgewachsene Kinder, die kaum fünf Fuß maßen; zu ihrer Bewachung und Begleitung wurden ein Offizier, sechs Unteroffiziere und fünfzig Gemeine mitgeschickt.

[S. 151]

Die waldecker Rekruten dagegen waren viel besser; ihre Mehrzahl bestand aus kräftigen und starken Leuten, wenn auch manche klein und zu jung darunter waren. Da der Fürst von Waldeck keine Festung hatte, worin er sie bis zu ihrem Ausmarsche sichern konnte, und da er, laut Bericht seines Ministers Zerbst an den englischen Kommissär, schon viele durch Desertion verloren hatte, so verschaffte ihm dieser die Erlaubniß vom hannöver'schen General Hardenberg, sie bis zur Einschiffung in dem damals befestigten Hameln unterzubringen, eine Gunst, die, wie Faucitt schreibt, den Fürsten ganz erleichterte und glücklich machte, und jeden Falls zur bessern Ausbildung der Leute viel beitrug.

Der waldecker Lieferant erwarb sich überhaupt durch seinen großen Diensteifer die besondere Gnade des Königs von England und die wohlwollende Gunst Suffolk's. „Die Rekrutirung geht besser als ich mir geschmeichelt hatte — schreibt er am 7. Dezember 1777 an Faucitt — ein Transport von 23 gut gewachsenen Leuten, lauter Schwaben, deren keiner älter als dreißig Jahre ist, befindet sich seit zwei Monaten auf dem Wege. Hier in Arolsen haben wir deren 20; wir erwarten auch noch einige aus der Wetterau (Also Dutzendweise wurden die armen Teufel in den verschiedenen deutschen Landschaften zusammen getrieben!) Sie sehen, wir sind nicht müßig; rechnen Sie immer auf mich, wenn es sich um den Dienst des Königs Georg III. und seiner gerechten Sache handelt.

„Ich lese so eben in der Leidener Zeitung, daß unter den Truppen, die General Lord Howe ausgeschickt, um die Rebellen auf der Rechten zu umgehen, sich die Waldecker an's Plündern gegeben und geweigert hätten, einen Schritt vorzurücken, ehe sie mit dem Plündern fertig wären. Um Gotteswillen, ist das wahr? Bei meiner Kenntniß des Charakters des Obristlieutenants von Hanxleden und der Hälfte seiner Offiziere kann ich das kaum glauben. Sie wissen, besser wie ich, daß einsichtige und entschlossene Offiziere es verstehen, eine ungehorsame Truppe zu ihrer Pflicht zurückzuführen. In einem solchen Falle zerschmettert man einem Dutzend der Hauptmeuterer das Gehirn oder sticht sie nieder. Hanxleden ist mir stets als der Mann erschienen, der bei ähnlicher Gelegenheit energisch handeln würde. O, könnten Sie mich doch über die Haltung meines Regiments beruhigen; ich möchte lieber, daß es 300 Mann verlöre, als daß es sich schlecht aufführte!“

Faucitt beruhigte denn auch umgehend den Fürsten, daß die obige[S. 152] Nachricht eine der vielen in Holland fabrizirten Erdichtungen sei. Die Waldecker Truppen hielten sich vielmehr in Amerika zur vollen Zufriedenheit ihrer englischen Vorgesetzten, welche nur das an ihnen auszusetzen fanden, daß sie nicht reinlich genug waren und aus Mangel an Sorgfalt zu viel Kranke hatten. Die Desertion bei ihnen war verhältnißmäßig gering.

„Könnte ich doch bald erfahren — schrieb der Fürst sofort nach dem Bekanntwerden der Gefangennahme Burgoyne's, an Suffolk — daß Howe und Clinton das Unglück von Saratoga ausgeglichen haben! Wenn ich nur ein Korps von 6000 Mann zu meiner Verfügung hätte! Ich würde es Ihnen überlassen, ohne einen Heller dafür zu nehmen.“ Diese leeren Redensarten gefielen in London gar sehr.

Kaum zwei Jahre nach Absendung deutscher Truppen nach Amerika brach der bayrische Erbfolgekrieg aus, der natürlich eine große Konkurrenz im Markte eröffnete und dem besser zahlenden und listiger oder gewaltsamer auftretenden Werber den Vorsprung ließ. Die kleinen Fürsten wollten zu wenig von ihrem Gewinn abgeben; ihre Werbeoffiziere suchten deshalb durch Rohheit und Gewaltthätigkeit zu ersetzen, was ihnen an Geld fehlte. Die großen deutschen Mächte dagegen, die sich nunmehr gegenübertraten, statteten ihre Werber mit größeren Mitteln aus und zogen deshalb mehr Rekruten an. Zum Glück für die deutschen Truppen-Lieferanten dauerte der bayrische Erbfolgekrieg nicht lange; vom Sommer 1779 an konnten sie das ihnen nur für kurze Zeit erschwerte Geschäft wieder ausschließlich betreiben. Im Mai 1779 wandte sich ein Hauptmann v. Langsdorff, Kommandant des Reichs-Volontär-Korps, das sich aufzulösen im Begriffe stand, von Prag aus an den Minister v. Gemmingen in Anspach. „Es ist nicht schwer, sagte er, einen Theil der Leute, der mir zu folgen gesonnen ist, zu engagiren und nach Anspach zu bringen, ich wünsche zu wissen, wie viel Serenissimus mir vor jeden Mann, den ich nach Anspach schaffen werde, zahlt, damit ich Handgeld und die übrigen Depensen darauf reguliren kann. Die Leute sind meistens jung und schön und vom besten Willen. Wie viel Unteroffiziere könnte ich engagiren, und was wird für sie bezahlt?“ Man sieht, der Mann verstand sein Geschäft. Gemmingen meldete dieses Angebot sofort nach London, erhielt aber eine abschlägige Antwort, da es in diesem Jahre (1779) zu spät sei, Truppen nach Amerika zu senden. So zerschlug sich diese Sache. Anspach that[S. 153] nichts mehr darin, da es wegen der nöthigen Rekruten und Jäger nie in Verlegenheit war.

Am schlimmsten dagegen war der Erbprinz von Hessen-Kassel daran, der so ziemlich auf demselben Jagdgrund mit seinem Vater auf Rekruten pirschen mußte. Er war deshalb genöthigt, sich anderwärts, ja im ganzen Reiche nach Werbeplätzen umzuthun. Die hessischen Werber waren aber überall so gefürchtet, verhaßt und verachtet, daß der Erbprinz es sich als einen freundnachbarlichen Gefallen vom Anspacher Markgrafen erbat, daß seine Werber in anspachischen Uniformen ihrem Geschäfte nachgehen durften. „Ihro Durchlaucht der Erbprinz — schreibt der hanauische Minister v. Gall am 15. Februar 1781 an Gemmingen — schmeicheln sich von der Hand des durchlauchtigsten Herrn Markgrafen und von der Freundschaft und Gefälligkeit der Herren, welche zu dem guten Erfolg in dieser Werbungssache einen Beitrag leisten können, daß solche, da sie vermuthlich nur einige Wochen dauern kann, auch in dieser kurzen Zeit uns zum Theil aus der Verlegenheit ziehen wird, die die Einrichtung eines solchen Korps natürlich mit sich führt, wenn wenig Zeit und an allen Orten und Enden Holländische Werbung ist, die ihre Dukaten und den Umstand sehr geltend macht, daß die Leute den Rheinstrom nicht verlassen. Vielleicht finden sich unter deren Arrestanten verschiedener Art solche Leute, denen eine Wohlthat und dem Lande ein Vortheil geschähe, wenn sie nach Amerika geschickt würden. Vielleicht sind auch unter deren geworbenen Ausländern einige, die klein und also entbehrlich sind; hoffentlich aber werden es Ew. Exzellenz gefälligst in die Wege leiten, daß, Dero eigene Werbung unbeschadet, die Kommandirten an die unsrigen behülflich und beförderlichst sein dürften. Ew. Exzellenz wollen gefälligst gestatten, daß allen Falls Herr Hauptmann v. Geismar (der hessische Werbeoffizier) seine Rekruten mit dem hochfürstlich Brandenburgischen Transport den Mayn herunter schicken dürffe.“

Der Markgraf kam den Wünschen des Erbprinzen um so lieber nach, als dieser sich ihm bei früheren Gelegenheiten besonders gefällig erwiesen hatte, und verehrte ihm als besonderes pretium affectionis einen wahrscheinlich ebenfalls gestohlenen zwei und zwanzigjährigen, 10½ Zoll großen Rekruten. Serenissimus behielt natürlich den „prächtigen Kerl“ für sich und dankte seinem Geschäftsfreunde in den überschwenglichsten Ausdrücken für diesen kostbaren Beweis seiner Zuneigung. Solche Geschenke von[S. 154] Menschenfleisch waren übrigens nichts Seltenes unter den regierenden Herren jener Zeit, ja diese machten sie sogar den im Range unter ihnen Stehenden. Schenkte doch sogar der aufgeklärte Kaiser Joseph II. dem berühmten preußischen Reitergeneral v. Seidlitz, um ihn besonders auszuzeichnen, eine schöne zirkassische Sklavinn, die dem alten Haudegen so sehr gefiel, daß er sich einige Zeit darauf noch eine zweite auf eigene Rechnung nachkommen ließ.

Am Empörendsten von allen deutschen Fürsten handelte übrigens der Herzog von Braunschweig. Dieser Mensch hatte die Stirn, die englische Regierung flehentlich zu bitten, seine in Gefangenschaft gerathenen Truppen, wenn sie überhaupt ausgewechselt werden sollten, ja nicht in die Heimath zurückkehren zu lassen, damit ihm, dem besorgten Landesvater, das Rekrutirungsgeschäft nicht verdorben werde. Es befanden sich bekanntlich etwa 2000 braunschweigische, unter dem braven Riedesel stehende Soldaten bei Burgoyne, als sich dieser leichtfertige und unbedeutende General am 17. Oktober 1777 bei Saratoga dem amerikanischen General Gates ergeben mußte. In dem zwischen diesem und Burgoyne abgeschlossenen Vertrage der Uebergabe war bestimmt worden, daß die Truppen baldmöglichst in Boston nach England eingeschifft oder ausgewechselt werden sollten. Gates' Zusicherung wurde jedoch später vom Kongreß nicht genehmigt. In Folge dessen blieben die deutschen Gefangenen unter unsäglichen Entbehrungen und Kränkungen zuerst im Winter auf dem Winterhill bei Boston und wurden später nach Charlotte in Virginien internirt, aber erst Ende 1782 nach mehr als fünfjähriger Gefangenschaft ausgewechselt.

Man hat vielfach den Grund für diese schlechtere Behandlung der Braunschweiger in der englischen Engherzigkeit und Parteilichkeit gesucht. Man thut aber den Engländern Unrecht, denn der eigene Landesherr war es, welcher seine Unterthanen benachtheiligte. Als das erste Gerücht von der Gefangennahme bei Saratoga und der baldigen Zurückkunft der englischen Truppen, also auch der Braunschweiger nach Deutschland drang, schrieb nämlich der Minister Feronce am 23. Dezember 1777 an Faucitt:

„Wenn man uns hilft, wie man kann und soll, so werden wir unsere Truppen bald wieder auf den erforderlichen Etat bringen. Soll es geschehen, und darin werden Sie, General, mit mir übereinstimmen, so dürfen wir unter keiner Bedingung die armen Teufel von Kapitulanten nach[S. 155] Deutschland zurückkehren lassen. Sie werden natürlich mißvergnügt sein, und ihre Uebertreibungen werden ebenso natürlich von jeder fernern Betheiligung an Ihrem amerikanischen Kriege abschrecken. Sie lassen sie besser, wenn sie denn einmal ausgewechselt werden sollen, nach einer Ihrer amerikanischen Inseln oder selbst z.B. nach der Insel Wight schaffen. Denn dadurch haben Sie weniger Kosten und verlieren weniger Zeit. Ich bitte Sie also, bester General, über das, was ich Ihnen hier sage, nachzudenken und, wenn Sie sich ebenso dafür interessiren, wie wir, meine Ansicht auch Mylord Suffolk zu unterbreiten, der zu viel Einsicht hat, als daß er eine derartige Maßregel in dieser uns ganz gemeinschaftlichen Sache nicht dem Interesse und Dienste des Königs für entsprechend hielte.“

Als wenn aber Faucitt nicht zuverlässig genug gewesen wäre, schrieb Feronce zwei Monate später, am 23. Februar 1778 noch direkt an Suffolk. „Der Herzog — sagte er in seinem Briefe — ist zu sehr von dem Wohlwollen des Königs und der Klugheit seines Ministeriums überzeugt, als daß er voraussetzte, daß man je daran denken wird, die deutschen Truppen, die bei Saratoga kapitulirt haben, nach Deutschland zu schicken, denn ihre Rücksendung würde in ihrem gegenwärtigen zerrütteten Zustande die traurigsten Wirkungen hervorrufen und die schmerzlichste Sensation erregen, uns aber verhindern, unsere drei Regimenter in Kanada à 600 Mann zu kompletiren.“

Natürlich wußten die armen in Amerika gefangen gehaltenen Braunschweiger nichts von dieser freundlichen Fürsorge ihres Serenissimus, denn sonst würden sie sich wohl nicht so oft über Zurücksetzung hinter die Engländer beschwert oder ihrem Fürsten selbst unter den härtesten Entbehrungen die unverbrüchlichste Treue bewahrt haben. Es ist ein rührendes Bild, wie die mitgefangene deutsche Generalsfrau die Fahnen, um sie zu retten und unverletzt nach Hause zu bringen, bei Nacht in ihre Betten einnäht, und wie ein, wenn auch mißverstandenes Ehr- und Pflichtgefühl die Unglücklichen selbst in der Gefangenschaft zusammenhält; aber es ist eine jeder Charakteristik spottende, selbst in jener Zeit einzig dastehende Infamie, wie der herzlose braunschweiger Herzog dieselben Soldaten, welche ihre Haut für ihn zu Markte trugen und ihn dadurch vom Bankerott retteten, jetzt im unverdienten Unglück nicht wieder sehen will, weil sie ihm das Geschäft verderben könnten. Also nicht genug, daß die eigenen Landeskinder verkauft sind; jetzt nachdem es geschehen, dürfen sie sich nicht mehr blicken[S. 156] lassen, damit ihrer noch mehr verkauft werden können. Und der braunschweiger Herzog war noch lange nicht der schlimmste unter seinen fürstlichen Zeitgenossen, er galt im Gegentheil als aufgeklärt, liberal und leutselig.

Wie stolz und Ehrfurcht gebietend steht diesen kleinen Fürsten der große König von Preußen gegenüber! Friedrich ist fast der einzige deutsche Regent jener Zeit, der, weil er seine persönliche Verantwortlichkeit vor der Welt fühlt, auch persönliche Würde hat; der einzige Herrscher, der mit klarem Auge große politische Ziele verfolgt, und der sich mit wahrhaft erhabener Vorurtheilslosigkeit nicht scheut, die Dinge beim rechten Namen zu nennen. Man kannte außer beim König kaum eine selbständige Politik mehr in Deutschland, die meisten kleinen Staaten fristeten ihre klägliche Existenz nur durch geschmeidiges Anklammern an fremde Interessen. Deshalb ist der souveraine Hohn und die kalte Verachtung, welche er England und seine Lieferanten überall fühlen läßt, doppelt wohlthuend.

Friedrich's Verhältniß zum Soldatenhandel ist vielfach entstellt und übertrieben worden; führen wir es deshalb auf den richtigen Thatbestand zurück!

Der König sowohl wie der deutsche Kaiser hatten ein naheliegendes politisches Interesse an den Truppenlieferungen. Einmal verstießen dieselben gegen die Reichsgesetze, deren Hüter der Kaiser sein sollte, dann aber raubten sie ihm, sowie dem König von Preußen bei dem damaligen Werbesystem einen großen Theil der Mittel zur Füllung ihrer eigenen Regimenter, wenn der amerikanische Krieg noch unbestimmte Zeit fortdauerte.

So lange die ersten Verhandlungen schwebten, erwartete man höchstens einige tausend Mann als ihr Ergebniß, denn Niemand hatte geglaubt, daß die kleineren Fürsten kaum dreizehn Jahre nach dem siebenjährigen Kriege im Stande sein würden, innerhalb weniger Monate nahe an 20,000 Mann zu liefern. Gleichwohl wurden der Verschiffung der Hauptkorps nicht die mindesten Hindernisse in den Weg gelegt. Erst mit den Sendungen des Jahres 1777 begann, wie wir im siebenten Kapitel gesehen haben, auf Anstiften des kaiserlichen Gesandten, sich unter den rheinischen Fürsten eine, vorläufig noch in kleinen Chikanen auftretende Feindseligkeit gegen die Truppenlieferanten zu entwickeln, die gleichwohl diesen und England die ernstlichsten Besorgnisse einflößte, weil sie für die[S. 157] Folge das Geschäft bedeutend verzögern und dadurch beeinträchtigen konnte. Schlimmsten Falls war aber mit den geistlichen und pfälzer Kurfürsten durch diplomatische Vorstellungen und Drohungen, Geschenke, Baarzahlungen und sonstige Aufmerksamkeiten an ihren Höfen schon fertig zu werden. Auch des Kaisers Befehle waren unter Umständen zu umgehen und fielen mehr durch ihr moralisches Gewicht als durch ihre praktische Tragweite in die Wagschale.

Bereits im Oktober 1777 hatte der Wiener Hof allen seinen Gesandten bei den verschiedenen deutschen Fürsten Auftrag gegeben, die Truppenlieferungen an England soviel als möglich zu verhindern, da sie das Reich entvölkerten und sonstige schlechte Folgen nach sich zögen. „Die Wahrheit ist — schreibt Cressener am 17. November 1777 aus Bonn an Suffolk — daß die österreichischen Werbe-Offiziere große Schwierigkeiten beim Rekrutiren fanden, daß die Rekruten den Dienst in Amerika vorzogen, und daß selbst die kaiserlichen Regimenter in Folge dessen mehr als gewöhnlich durch Deserteure verloren. Aehnliche Beschwerden brachten die preußischen Werbeoffiziere vor. Namentlich klagten sie darüber, daß seit dem amerikanischen Kriege ihre Rekruten nur selten noch das erforderliche Maß hätten, also bloß Ausschuß wären.“

Ein zu derselben Zeit den Direktoren des westfälischen Kreises vom Kaiser gemachter Vorschlag, innerhalb ihres, ganz Westfalen und Niedersachsen umfassenden Gebietes, die Truppenaushebungen für England zu verhindern, scheiterte gleichwohl mit am Widerspruch des preußischen Residenten Emminghaus, da der König sich dem Kaiser nicht unterordnen wollte und er selbst möglichen Falls unter den Konsequenzen des Verbots zu leiden gehabt haben würde. Uebrigens kümmerte sich England in der Folge gar nicht um den Widerspruch von Kaiser und Reich, und diese ließen es auch ruhig gewähren.

Anders dagegen bei Friedrich, der seiner Politik bei Freund und Feind Respekt zu verschaffen wußte. Sein Verhältniß zu England war seit dem Jahre 1761, wo er so schmählich durch Bute im Stich gelassen wurde, sehr lau gewesen und seit der ersten Theilung Polens, wo es seinen Ansprüchen auf Danzig mit entschiedenem Erfolge entgegengetreten war, sogar ein erbittertes geworden. Aeußerlich höflich, verachtete Friedrich die damals England beherrschende Aristokratie und sprach sich bei jeder Gelegenheit mit der äußersten Geringschätzung gegen sie aus, diese Menschen,[S. 158] bei denen die Liebe zum Gelde und der persönliche Vortheil den Sieg über das öffentliche Wohl davon trage. „Dieser Engländer — hatte er früher einmal von Bute gesagt — glaubt, er könne mit Geld Alles erreichen.“ Jetzt war die Gelegenheit gekommen, England empfindlich zu kränken, ohne ihm gerade feindlich gegenüberzutreten — und Friedrich ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen. Andererseits fürchtete er aber wirklich, daß die bedeutenden Truppenlieferungen nach Amerika ihn in seinem eigenen Bedarf verkürzen würden, und das zu einer Zeit, wo der täglich drohende Tod des Kurfürsten Maximilian Joseph den bei den österreichischen Ansprüchen unvermeidlich gewordenen Krieg wegen der bairischen Erbschaft zum Ausbruch bringen konnte.

„Der König von England — sagt Friedrich in seinem Anhang zu den Memoiren seit dem Frieden von Hubertsburg bis zum Ende der Theilung Polens — unterhandelte mit allen Höfen Deutschlands, um die wenigen Leute daraus zu ziehen, die es noch zu liefern vermochte. Deutschland spürte schon die Nachwehen der zahlreichen Menschenlieferungen, die in fremde Welttheile geschickt waren, und der König von Preußen sah mit Sorge, daß im Falle eines neuen Krieges das Reich seiner Vertheidiger beraubt sein würde, denn im Jahre 1756 hatten Niedersachsen und Westfalen allein eine Armee auf die Beine gebracht, mit welcher man die Fortschritte des französischen Heeres aufhalten und vereiteln konnte. Aus diesem Grunde chikanirte er die Truppen der mit England verbündeten deutschen Fürsten, sobald sie durch Magdeburg, Minden und das Gebiet am Niederrhein passiren mußten. Es war das eine schwache Rache für das schlechte Verhalten, welches der Hof von London ihm gegenüber rücksichtlich der Stadt und des Hafens von Danzig beobachtet hatte. Der König wollte übrigens die Dinge nicht zu weit treiben, denn eine lange Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß man immer eine Menge Feinde findet, ohne daß man sie sich aus Uebermuth auf den Hals zu laden braucht.“

Wenn man sich die damalige deutsche Politik des Königs vergegenwärtigt, so wird man finden, daß er erst dann, als der Krieg mit dem Kaiser gewiß geworden war, ernstliche Maßregeln gegen England und seine Lieferanten ergriff. Friedrich hat in den obigen Worten ihnen gegenüber ganz genau seinen Standpunkt bezeichnet. Wir werden später sehen, daß jede seiner Handlungen damit übereinstimmt; gleichwohl haben selbst angesehene[S. 159] deutsche Geschichtsschreiber, wie z.B. Schlosser, von den Amerikanern nicht zu reden, seine Motive und Akte in dieser Beziehung gröblich entstellt. Diese tendenziöse Auffassung der Opposition Friedrich's verräth namentlich amerikanischer Seits einen eben so großen Mangel an Einsicht in die Politik jener Zeit als in den Charakter des Königs. Ein Fürst, der, um seine Zwecke zu erreichen, ohne jedes Bedenken hundert Tausende von Menschenleben opfert; ein Feldherr, der sich wundert, daß „die Hunde von Grenadiere ewig leben wollen“, wenn sie sich nicht gleich in den Rachen von hunderten, Tod und Verderben speienden Geschützen stürzen, ein solcher Mann wird, ohne das moralische Ungeheuer zu sein, als welches ihn höchst oberflächlicher Weise Macaulay karrikirt, nie wie ein junger sentimentaler Lyriker für die Sache unterdrückter Unterthanen in die Schranken treten und am allerwenigsten ihnen zu Liebe seines Gleichen den Krieg erklären. Nichts ist deshalb ungerechtfertigter als die Annahme, daß Friedrich aus Sympathie für die amerikanischen Rebellen dem Landgrafen von Hessen und seinen Kollegen feindselig gegenübergetreten sei.

Um hier nur eine der bekannteren falschen Geschichten hervorzuheben, so ist es zum Beispiel eine von Kortüm zuerst Franklin nacherzählte und später von Schlosser wiederholte Anekdote, daß die hessischen Soldaten auf Befehl des Königs bei Minden den Viehzoll hätten entrichten müssen, weil sie ja wie Vieh verkauft seien[5]. Schlosser druckt den Passus sogar mit gesperrter Schrift. Nie hat Friedrich eine derartige Maßregel angeordnet. Er beschränkte sich einfach, wie er das selbst ausdrücklich hervorhebt, auf die Chikane und zwang die Miethstruppen, eine Zeit lang sein Gebiet bei Magdeburg, Minden und Wesel zu umgehen oder er besteuerte ihr Gepäck. Zudem haben wir es hier nicht mehr mit dem jugendlich übermüthigen König zu thun, der die hallischen „Fasen“ zum Theaterbesuch zwang, sondern mit dem gewiegten Staatsmann, der nur das Interesse seines Staates im Auge hat und jedes Ereigniß in diesem Verhältniß auffaßt und benutzt. Sodann darf man nicht übersehen, daß die preußische Armee damals auch noch keine Landwehr hatte, sondern fast in derselben rohen Weise wie jede andere durch Werbungen rekrutirt wurde, und daß der König viel zu klug war, um seine eigenen Soldaten einer ähnlichen Behandlung Seitens eines übelgesinnten oder mächtigen Nachbarn auszusetzen.

[S. 160]

Schon bei einer frühern Gelegenheit, im Anfang seiner Regierung, hatte der König, als die Holländer Truppen von Braunschweig mietheten, die Käufer mit Metzgern verglichen, welche nach Podolien wandern, um dort schwere Ochsen einzuhandeln. Eine ähnlich klingende gelegentliche Aeußerung findet sich in einem am 18. Juni 1776 an Voltaire geschriebenen Briefe Friedrich's, worin er diesem gegenüber die Ehre ablehnt, der Lehrer des Landgrafen von Hessen gewesen zu sein, der gerade einen Katechismus für Fürsten geschrieben und ihn Voltaire geschickt hatte. „Wäre der Landgraf — schrieb Friedrich — aus meiner Schule hervorgegangen, so würde er den Engländern seine Unterthanen nicht verkauft haben, wie man Vieh verkauft, um es auf die Schlachtbank zu schleppen.“ Der König nahm allerdings aus Haß gegen England unbedingte Partei für die Amerikaner und gefiel sich sogar dem englischen Gesandten gegenüber darin, deren Erfolge zu übertreiben oder die den englischen Waffen ungünstigen Berichte gehässig zu erläutern oder geschäftig zu verbreiten. Nur von diesem rein persönlichen Gesichtspunkte aus darf man daher seine Stellung in der Subsidienfrage beurtheilen.

Gleichwohl aber liegt in Friedrich's Worten und Maßregeln eine solche geistige Ueberlegenheit, und eine solche souveräne Verachtung der elenden Bereicherungsmittelchen der kleinen Reichsfürsten ausgedrückt, daß man sich den Jubel der Unterdrückten und die Freude der bei dem schmachvollen Handel Unbetheiligten sehr wohl erklären kann. Das Volk liebt es, seinen Helden seine eigenen besten Gedanken unterzuschieben, es macht sie zu Trägern seiner liebsten Wünsche und Hoffnungen. So wurde denn auch allmälich auf Grund von ein paar scharfen Aeußerungen, die der amerikanischen Revolution günstig waren und die geizigen und gierigen Fürsten brandmarkten, in Friedrich der Haß und die Verachtung aller denkenden Zeitgenossen gegen die Seelenverkäuferei verkörpert.

[S. 161]

Der König von Preußen hatte, wie wir bereits gesehen haben, den bis zum Herbst 1777 durch sein Gebiet fahrenden und nach Amerika bestimmten Truppen so gut als keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt. Den ersten Anstoß dagegen nahm er an 308 anspacher Jägern und Rekruten, die am 31. Oktober jenes Jahres mit den neuen Uniformen für das erste Regiment in Stefft eingeschifft waren und Main und Rhein hinunterfahrend, am 15. November in Dortrecht eintreffen sollten. Der Markgraf dachte so wenig an Hindernisse irgend welcher Art, daß er am 16. Oktober, um seine durch die englischen Zahlungen verbesserte Vermögenslage zu genießen, mit seiner Maitresse Lady Craven nach Paris abgereist war, wo er sich während des Winters aufzuhalten gedachte. Unmittelbar vor seiner Abreise hatte er die an den Rhein gränzenden Staaten um freie Durchfahrt für seine Truppen gebeten und sich am 14. Oktober auch an den König gewandt. Er betrachtete diese Requisitionen als bloße Formsache und ließ deshalb auch seine Leute, ohne nur eine Antwort abzuwarten, marschiren. Pfalz, Mainz und Trier gaben am 5. und 6. November die gewünschte Erlaubniß und bewilligten zugleich Zollfreiheit für Mannschaft und Gepäck. Der Kurfürst von Mainz knüpfte an seine Genehmigung zwar die Drohung, daß er den anspacher Transport nach mainzer Landeskindern oder Deserteuren durchsuchen lassen werde. Da indessen der Oberst Schlammersdorff die letzteren am 7. November, als er bei Mainz vorbeifuhr, auf den Rath Gemmingen's versteckte, so fanden die mit der Durchsuchung beauftragten Mainzer Offiziere Niemanden und trennten sich nach einer gemüthlichen Kneiperei von ihrem neuen anspacher Freunde. So harmlos ließen nun der alte Fritz und seine Untergebenen nicht mit sich handeln. Der König schlug dies Mal ganz wider Erwarten das anspachische Gesuch rund weg ab. Sein Antwortschreiben, welches in der Gesammtausgabe seiner Werke nicht enthalten, noch überhaupt sonst irgendwo veröffentlicht ist, findet sich in den anspacher Manual-Akten. Es ist vom 24. Oktober 1777 aus Potsdam datirt und lautet wörtlich (das Original findet sich im Anhang) wie folgt:

„Ich gestehe Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht, daß ich niemals an den gegenwärtigen Krieg in Amerika denke, ohne von der Gier einiger deutscher Fürsten unangenehm berührt zu werden, welche ihre Truppen einer sie gar nichts angehenden Sache opfern. Mein Erstaunen vergrößert sich, wenn Ich Mir die alte Geschichte und jene weise und allgemeine Zurückhaltung[S. 162] unserer Vorfahren in's Gedächtniß rufe, welche sie verhinderte, deutsches Blut für die Vertheidigung fremder Rechte zu vergießen und welche sogar als Gesetz in das deutsche Recht übergegangen ist.

Aber Ich merke, daß Mein Patriotismus Mich fortreißt und Ich komme auf das Schreiben Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht vom 14.d.M. zurück, welches ihn so stark angefacht hat. Sie verlangen darin die freie Durchfahrt für die Rekruten und das Gepäck, welches Sie Ihrem, im großbrittanischen Dienste befindlichen Truppen-Korps zuschicken wollen. Ich nehme Mir die Freiheit, Ihnen zu bemerken, daß wenn Sie dieselben nach England gelangen lassen wollen, Sie durchaus nicht nöthig haben, sie durch meine Staaten passiren zu lassen, sondern daß Sie dieselben einen kürzern Weg zum Einschiffungshafen einschlagen lassen können.

Ich unterbreite diese Ansicht dem Urtheil Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht, und Ich bin nicht weniger mit aller Zärtlichkeit, die Ich Ihnen schulde, mein Herr Neffe, Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht guter Onkel Friedrich.“

Dieser Brief gelangte in der ersten Woche des November nach Anspach. Gemmingen und Benckendorff, welche während der Abwesenheit des Markgrafen eine Art Regentschaft bildeten, erbrachen ihn, hielten es aber für das Beste, seinen Inhalt zunächst ganz zu ignoriren. Sie dachten offenbar, in Potsdam herrschte dieselbe Wirthschaft wie in Anspach, und die preußischen Minister könnten hinter dem Rücken des Königs thun und lassen, was Sie wollten. Sie schrieben also am 16. November noch einmal an Hertzberg und Finckenstein und baten, als ob der Markgraf noch keinen abschlägigen Bescheid vom König erhalten hätte, noch einmal dringend um endliche Gewährung des freien Durchzugs. „Der unerwartete Aufenthalt dieses Truppentransports — so motivirten sie ihr Gesuch wörtlich — wird der Hochfürstlichen Durchlaucht zu einem gar empfindlichen Schaden gereichen, zumalen Hochdieselbe, wie Ihro Königl. Majestät bereits bekannt ist, die Ueberlassung Ihro Trouppes in Königlich Großbritannischen Sold und Dienst bloß in der patriotischen Absicht bewilligt haben, durch die erlangenden Subsidien mehrere Landesschulden zu tilgen.“

Die königlich preußischen „verordneten wirklich Geheimde Estats-Räthe“, Finckenstein und Hertzberg antworteten aber am 22. November 1777, daß sie das Gesuch der anspachischen hochgeehrtesten Herren Sr. Majestät[S. 163] zwar gebührend mit ihrem Berichte vorgelegt, daß Höchstdieselbe aber befohlen habe, darauf zu erwidern, daß Sie bei der des Herrn Markgrafen Durchlaucht ertheilten Antwort beharre. Auch der englische Gesandte Elliot in Berlin, der sich in derselben Angelegenheit in Suffolk's Auftrag an den König gewandt hatte, erhielt dieselbe abschlägige Antwort mit dem Zusatze, daß die im vorigen Jahre unter den Rekruten vorgekommenen Unordnungen Se. Majestät veranlaßten, in Zukunft ähnlichen Transporten die Durchfahrt zu verweigern. Das durch einen solchen Zusatz motivirte Verbot klang wie ein Hohn, weil die Truppen damals gar nicht hatten an's Land gehen dürfen; allein es fiel wie eine Bombe unter die von ihm betroffenen englischen Agenten und deutschen Fürsten sammt ihren Ministern. Mit Recht schreibt Sir Joseph Yorke, als er diesen merkwürdigen Vorwand hörte, am 15. November 1777 an Rainsford: „Jedermann hat eine zu heilige Scheu vor Seiner Preußischen Majestät und schwebt vor ihr in zu großer Furcht, Leute auf der Passage durch ihr Gebiet zu verlieren, als daß er es wagen würde, dort irgend eine dem Könige mißfällige Handlung zu begehen.“ Expresse und Kouriere wurden jetzt aber schleunigst von einem Hofe zum andern geschickt, Noten gewechselt und Versuche bei dem preußischen Gesandten in Köln und dem Kommandanten von Wesel gemacht, damit sie ein Auge zudrückten; aber Alles war vergebens. „Bisher — ruft Faucitt aus — war der Rhein der ganzen Welt offen, jetzt wird er unerwartet und plötzlich geschlossen. Es ist zu spät, unsere Route zu ändern. In Minden droht dieselbe Unterbrechung. Ich habe sofort nach Berlin, Hanau, Anspach und Kassel geschrieben und Schlieffen gerathen, die Hessen an der Weser das preußische Gebiet umgehen zu lassen.“ In demselben Tone jammerte Cressener: „Zu Lande können die Truppen nicht marschiren, zudem ist es den Rhein entlang unmöglich, das preußische Gebiet nicht zu berühren, und dann werden die Boote mit den Uniformen doch in Wesel angehalten werden.“ „Wenn Ihr Hof — wehklagt der anspachische Oberst Schlammersdorff in seinem Briefe an Rainsford d.d. Bendorf 18. November 1777 — keine Mittel findet, den Entschluß des Königs von Preußen zu ändern, so ist Alles verloren, so sind wir ruinirt, denn es ist absolut unmöglich, zu Lande zu marschiren.“ Rainsford selbst, der bereits in Nimwegen auf die neue Zufuhr wartete, fand den Verzug um so unangenehmer, als die Transportschiffe schon in Holland eingetroffen waren, das Wetter ganz prachtvoll war und ein paar Tage[S. 164] hingereicht hätten, die Truppen einzuschiffen. Hier war also guter Rath theuer.

Inzwischen waren die anspachischen Truppen am 12. November nach Bonn gelangt, wo Oberst Schlammersdorff durch den englischen Gesandten Cressener mündlich und durch Oberst Faucitt schriftlich Kenntniß von dem Verbot des Königs erhielt. „Es ist somit — schreibt er am 13. November an Gemmingen — die Transportirung unmöglich 1. weil das preußische Gebiet doch nicht zu evitiren; 2. keine Requisitoriales für die Landmärsche ergangen sind, folglich die Einquartirung refusirt werden wird; 3. die Baggage nicht mit fortgebracht werden kann und 4. die Desertion inevitabel sein wird, wofür ich absolute nicht responsabel sein kann. Ich fahre also zurück nach Bendorf, um dort oder in Altenkirchen die Leute einzuquartiren. Ich habe per Estafette sofort Serenissimo Bericht nach Paris erstattet.“ Als die kurfürstlich kölnischen Behörden von dem preußischen Verbote hörten, wurden sie auch unangenehm. In Bonn wollten sie die Anspacher nicht länger dulden, und täglich fragte der dortige General Kleist höflich bei Schlammersdorff an, wann er abzufahren gedenke? Dieser verließ Bonn am 18. und traf am 19. November Abends in Bendorf ein.

Der Markgraf von Anspach besaß zu jener Zeit die seinem Vater im Jahre 1741 anerfallene Grafschaft Sayn-Altenkirchen mit der Stadt Bendorf (am rechten Rheinufer zwischen Neuwied und Ehrenbreitstein). Oberst Schlammersdorff gab, um dort Platz zu bekommen, dem Gouverneur der Grafschaft Befehl, die in Bendorf stehende Kompagnie tiefer in's Land zu legen. Als Schlammersdorff aber selbst nach Bendorf kam, fand er, daß die Stadt keine Wälle hatte, daß er also seine Leute nicht sicher bewachen konnte. Er beschloß deshalb, dieselben in den Booten zu behalten und diese mit Oefen zu versehen, die Soldaten aber von Zeit zu Zeit truppweise unter Aufsicht an's Land zu lassen, damit sie sich Bewegung machen und erholen könnten. So lagen sie etwa vier Wochen lang Bendorf gegenüber auf dem Rhein. Ihnen zur Seite hatte sich ein hanauer Transport von etwa 250 Rekruten gelagert, welcher am Rheinfels von dem preußischen Verbote benachrichtigt und jetzt auf Wunsch des Erbprinzen zu den Anspachern gestoßen war, nachdem dieser sich feierlich verpflichtet hatte, alle Bedürfnisse für seine Leute baar zu bezahlen. Diese nach Anspach oder Hanau zurückzuschicken, durften der Markgraf und Erbprinz[S. 165] nur im alleräußersten Nothfall wagen, weil sie sich dadurch den Markt für die Zukunft verdorben, die Desertion befördert und zugleich die englischen Subsidien und Löhnung geschmälert hätten.

Die Schlammersdorff'sche Korrespondenz mit Gemmingen wirft einige interessante Streiflichter auf die Mittel, welche während jener Zeit zur Aufrechterhaltung der Zucht und zur Verhinderung der Desertion der Soldaten für nöthig erachtet wurden.

„Es ist nicht thunlich, — schreibt Schlammersdorff am 20. November 1777 — die Leute in Bendorf einzuquartieren. Es sind keine Häuser dafür vorhanden; das Rathhaus, das größte Gebäude, faßt nicht mehr als 60 Mann. Ich werde deshalb meine Leute so lange als möglich auf den Schiffen halten. 24 Mann vom Altenkirchener Kontingent und 6 Jäger sind hier, die mir das Ufer garantiren. Meine Leute fangen an, mürrisch zu werden; sie fürchten sich vor der Rückkehr nach Anspach. Nach Altenkirchen zu marschiren, dauert zwei Tage; ich muß in einen geschlossenen Ort. Aus meinem Beutel habe ich für etwa 80 fl. den Leuten dann und wann Gemüse, Fleisch, Bier und Taback reichen lassen, um sie gut zu erhalten bei dieser äußerst unangenehmen, naßkalten Saison. Hingegen konnte ich bis vor zwei Tagen Alles mit sie machen, ohnerachtet ich in Fällen rigid strafe. Allein seit gestern muß ich sehr auf meiner Hut sein. Gott gebe eine baldige Aenderung in dieser Lage! Es ist zum rasend werden! Auf den Schiffen — heißt es am 29. November weiter — ist Alles gesund und noch ruhig. An Peroriren, Schlagen, Viktualien-Präsenten und Krummschließen lasse ich es nicht fehlen, um den Klumpen in der sehr rauhen Witterung in Ordnung zu halten. Meine Nachbarn, die Hanauer, haben schon 23 Kranke, worunter viele mit hitzigem Seitenfieberstechen. Ich will hier bleiben und nicht nach Altenkirchen marschiren. Es ist zehn Stunden von hier entfernt; wir müssen also zwei Märsche dahin machen. Zur Nachtstation ist nur Diersdorf geeignet, die Residenz des regierenden Grafen, quaeritur, ob er uns einnimmt, und wenn er es thut, wie viel wird man nicht für das bloße Nachtquartier zahlen müssen? Dann ist der Ort Diersdorf mit kaiserlicher, preußischer, französischer und holländischer Werbung angefüllt. Die Soldaten werden unruhig — fährt Schlammersdorff am 8. Dezember fort — Gestern Abend nach dem Zapfenstreich wurde mir entdeckt, daß zwei Mann Komplot gemacht, zu desertiren, und den Dritten, als den Denunzianten mit haben wollten. Diese wurden nun sogleich in[S. 166] die Eisen geworfen und heute verhört. In der Nacht um ein Uhr sind aber von der Hauptwache zwei Mann vom Posten mit Ober- und Untergewehr desertirt, worunter ein Mainzer, sechs Zoll messend, die Kanaille, die mich damals, als wir Mainz passirten, bat ihn zu verbergen. Was auch kommen mag, die Desertion bleibt unvermeidlich. Etliche 20 bis 30 Mann, verdächtige liederliche Pursche, sind beim ganzen Transport. Wie wäre es, wir bäten den Erbprinzen von Hanau um Quartiere im Winter? Wir müßten unseren Leuten nur den englischen Sold geben (Serenissimus gab ihnen natürlich nur den anspachischen und steckte die gestohlene Differenz in seine Tasche). Die Verhöre haben ergeben — schließt Schlammersdorff seine Berichte am 12. Dezember 1777 auf dem Rhein unweit Koblenz — daß 3–4 Mann desertiren wollten. Gottlob, daß nicht mehr mitimplizirt waren! Zwei Jäger und drei Musketiere habe ich aber der altenkirchener Mannschaft geschlossen mitgegeben zur Bewahrung bis auf weiteren Befehl, und damit solche nicht noch größeres Unheil anstellen. Den Knichtel aus dem Bayreuthischen und den Hubel, ein schöner, junger, großer Pursch, der von die andere Kanaille verführt worden, den habe ich wieder losgelassen. Einen französischen Werber vom Regiment Anhalt, der gleich andern Tages nach meiner Ankunft vor Bendorf an das Ufer kam und einer Soldatenfrau ein Goldstück versprach, wenn sie ihm etliche schöne Pursche brächte, habe, sobald die Frau es mir angezeigt, aufsuchen, arretiren und in die Eisen schmeissen lassen.“

Die Verhandlungen mit der englischen Regierung hatten schließlich dahin geführt, daß die Hanauer und Anspacher in Hanau überwintern sollten, welches, wie Cressener zur Beruhigung an Suffolk schrieb, befestigt war, so daß die Desertion verhindert werden konnte. Jene trafen am 16. Dezember in letztgenannter Stadt ein; diese zwei Tage später. Beim Abmarsch wurde um Bendorf ein Kordon von 40 Jägern und 12 Altenkirchener Musketieren gezogen und das Ufer links zur Abfahrt besetzt gehalten. So ging Alles gut von Statten.

Während der hier geschilderten, die letzte Hälfte des November und die erste Hälfte des Dezember 1777 einnehmenden Vorgänge hatten sich die englischen diplomatischen Agenten und Gesandten, sowie die betreffenden beiden deutschen Fürsten den Kopf darüber zerbrochen, wie sie die also aufgehaltenen Soldaten am schnellsten und sichersten an's Meer schaffen könnten. Es gab nur zwei Wege, sich aus dieser Verlegenheit zu[S. 167] ziehen. Entweder marschirten sie auf dem linken Rheinufer über Aachen und Mastricht nach Holland und wurden hier zu Wasser nach einem dortigen Hafen geschafft, oder sie wandten sich auf dem rechten Rheinufer durch die jetzige preußische Provinz Hessen-Nassau bis zur Weser und fuhren von da nach Bremerlehe.

„Der Markgraf von Anspach-Brandenburg — meldet Cressener am 26. November 1777 — hat nach Berlin geschrieben und den König um Erlaubniß der ungehinderten Passage für seine Truppen gebeten, da er sonst zu viel verlieren werde. Ich erwarte aber keinen Erfolg von diesem Schritte. Der König von Preußen, der sagt, seine Freundschaft für uns habe sich nicht verändert, aber mittelst eines kleinen Umweges könnten die von uns gemietheten Mannschaften doch an das Ziel ihrer Bestimmung gelangen, giebt uns mit dieser Erklärung einen Fußtritt und bittet dabei mit lächelnder Miene, wir möchten diesen Tritt nicht als einen Bruch seiner Freundschaft betrachten. Wenn er uns nur einen Weg auf der Karte zeigen wollte, wie wir an's Meer kommen können! Es bleibt uns nur übrig, entweder die Truppen zurückzuschicken, oder sie über Aachen nach Holland marschiren zu lassen. Der Weg über Lechenich, Düren, Eschweiler und Aachen ist der kürzeste und leichteste; die Truppen brauchen dann nur kölner, pfälzer, aachener und General-Staaten-Gebiet zu berühren. Von hier über Düren nach Aachen ist nicht über achtzehn Meilen (?), von Aachen nach Mastricht sieben Meilen, von da nach Herzogenbusch zweiundzwanzig Meilen, zusammen also siebenundvierzig Meilen. Endhofen, welches auf dem geraden Wege nach Herzogenbusch liegt, gehört zwar der Kaiserin, kann aber leicht umgangen werden. Mastricht ist die einzige Festung, die im Wege liegt. Um Desertion zu verhindern, können der Markgraf und Erbprinz zur Begleitung und Bewachung der Truppen die erforderliche Anzahl von Subaltern-Offizieren und Soldaten schicken.“

Schlammersdorff weigerte sich aber entschieden, diesen langen Landweg einzuschlagen, da er bei dem Mangel an Bedeckungsmannschaften und in der gefährlichen Nähe der Festung Mastricht nicht dafür stehen könne, daß er mit fünfzig Mann in Nimwegen ankommen werde. Auch Cressener ließ diesen Plan fallen, nachdem er sich überzeugt hatte, daß die Gefahr der Desertion in hohem Grade vorhanden. „Denn ich weiß — so schloß er seinen Bericht vom 1. Dezember an Suffolk — aus was für Volk seine Rekruten bestehen.“


[S. 168]

Es handelte sich also zunächst darum, vom rechten Rheinufer bis an die Weser und auf ihr an's Meer zu gelangen. „Ich habe — berichtete Faucitt aus Hannover am 21. November an Suffolk — die erforderlichen Vorkehrungen getroffen, daß die Anspacher und Hanauer von Bendorf nach Münden und von dort, mit Vermeidung des preußischen Gebietes bei Minden, nach Bremerlehe geschafft werden. General von Hardenberg hat mir einen in diesen Dingen sehr erfahrenen Offizier, den Hauptmann von Wangenheim, beigegeben, der sofort nach Bendorf gehen und unterwegs alle Anordnungen für den ungehinderten Durchzug der Truppen treffen wird. Die Transportschiffe müssen also nach Bremerlehe fahren. Ich habe die endgültige Entscheidung über meinen Plan Sir Joseph Yorke überlassen. Der Haupteinwand, der sich dagegen machen läßt, ist die Gefahr der Desertion. Ich glaube ihr dadurch vorgebeugt zu haben, daß ich dem kommandirenden Offiziere anbefohlen habe, aus den besten und sanftesten Rekruten eine Art Eskorte zu bilden, ihnen eine außerordentliche Belohnung für ihre Treue und ihr gutes Verhalten auf dem Marsche zu sichern und sie für den Eifer zu beloben, den sie zeigen werden, um ihre Kameraden von der Desertion abzuhalten und Unordnungen zu verhindern. Sollte Frost eintreten, so können die Truppen, wenn sie einmal im Kurfürstenthum sind, in Nienburg oder Stade untergebracht werden, was mir General Hardenberg auch versprochen hat.“

Faucitt berechnete die Entfernung von Bendorf über Montabaur (Trier), Weilburg (Nassau), Wetzlar (freie Reichsstadt), Marburg (Hessen-Kassel), Gesberg und Fritzlar (Mainz), und Kassel nach Münden auf 26½ Meilen und zwölf Marschtage nebst fünf Ruhetagen, bis Bremerlehe aber auf im Ganzen vierzig Marschtage und zehn Ruhetage, während nach seiner Berechnung der Weg über Düren bis Herzogenbusch nur sechszehn Tagemärsche in Anspruch nahm. Diese Entfernungen wären übrigens der geringste Nachtheil gewesen; ein viel größerer bestand in der von den betreffenden Fürsten zu erlangenden Erlaubniß zum Durchmarsche durch ihr Gebiet. Nur unter dieser Bedingung und Voraussetzung genehmigte Yorke den Faucitt'schen Vorschlag.

Anfangs ließen sich die Aussichten gut an. Man hätte glauben sollen, daß der Landgraf von Hessen-Kassel als englischer Soldaten-Lieferant gar nicht weiter befragt worden wäre, allein er war so eifersüchtig auf seine Rechte, daß Faucitt, der sogar ein Verbot des Durchzuges[S. 169] der Hanauer befürchtete, sich an ihn, wie an jeden andern Fürsten, um freie Passage wenden mußte. Es waltete hier nämlich noch eine besondere, und zwar höchst lächerliche Schwierigkeit ob. Der Landgraf stand seit 1754 mit seinem Sohne, dem Erbprinzen und Grafen von Hanau auf gespanntem Fuße und hatte ihn seit dieser Zeit nicht gesehen, ja selbst sein Name, wie überhaupt die souveraine Grafschaft Hanau durfte bei Vermeidung des allerhöchsten Mißfallens vor dem Serenissimus nicht genannt werden. Der Landgraf gestattete zwar in einer höflichen Antwort an Faucitt den Durchmarsch der hanauer und anspacher Rekruten und Jäger durch „seine Staaten“, bestand aber ausdrücklich darauf, daß sie unter dem Namen Anspacher gehen mußten, und daß sie Kassel nicht berühren durften. Er ertheilte demnach freie Passage für 534 Anspacher, obgleich sie für 234 Hanauer und 300 Anspacher verlangt worden war. Die anderen Souveraine waren aber nicht so gefällig als der Landgraf. Der Kurfürst von Trier gab die Erlaubniß nicht. Als die von den Hanauern vorausgeschickten Quartiermeister in Montabaur ankamen, wurden sie vom Magistrat der Stadt abgewiesen, weil sie sich nicht ausweisen konnten. Auch die freie Reichsstadt Wetzlar wollte die Rekruten nicht durch ihr Gebiet ziehen lassen. Man befürchtete eben von ihnen Exzesse, für welche weder die englische Regierung, noch ihre deutschen Lieferanten aufkommen wollten. So ließ man den Plan ganz fallen.

Im Februar 1778 wurde man endlich mit Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt über eine neue Marschroute einig, so daß in der letzten Woche dieses Monats die Anspacher und Hanauer ihr zeitweiliges Quartier Hanau verlassen konnten. Faucitt nahm ihnen hier den Eid der Treue für den König von England ab, weil dieser Akt einen mächtigen Eindruck auf die Rekruten mache und die Desertion auf dem Marsche verhindere. In der That war diese äußerst gering, was aber wohl hauptsächlich der tüchtigen Führung durch erfahrene Offiziere zu verdanken war. Zudem ließ zur größern Vorsicht der Erbprinz den Transport durch ein Korps seiner Haustruppen bis Münden eskortiren. Der Weg ging von Hanau über Windecken, Friedberg, Butzbach, Gießen, Marburg, Felsberg, Münden und Hannover nach Nienburg, wo die Truppen am 8. März eintrafen und auf die für Bremerlehe bestimmten englischen Transportschiffe warten mußten. Erst am 23. März konnten sie in Nienburg weiter nach Bremerlehe eingeschifft werden; von hier fuhren sie am 8. April nach[S. 170] Portsmouth ab. Diesen Hafen verließen sie am 24. Mai, aber erst am 8. September 1778 kamen sie in Newyork an. Die Unglücklichen hatten Anspach und Hanau in den letzten Tagen des Oktober resp. ersten Tagen des November 1777 verlassen, waren also im Ganzen länger als zehn Monate unterwegs gewesen.

Natürlich hatte die englische Regierung die Kosten für alle diese unvorhergesehenen Zwischenfälle zu tragen. Suffolk gab schon Ende Dezember 1777 Anweisung an Faucitt, Alles, was recht und billig sei, zu berichtigen. „Wir müssen den Markgrafen und Erbprinzen natürlich entschädigen — schrieb er am 23. Dezember an Faucitt — Sie hätten sich das selbst wohl denken und dieserhalb nicht lange Briefe an mich schreiben lassen sollen. Thun Sie also, was verständig ist. Zahlen Sie alle nothwendigen Ausgaben, welche wir ohnehin gehabt haben würden, wenn die Einschiffung stattgefunden hätte, binden Sie sich aber nicht die Hände für die Zukunft. Ist Gefahr vorhanden, daß wir die Leute bis zum Frühjahr nicht einschiffen können, so lassen Sie die Kerle laufen und bezahlen Sie dieselben bis auf den letzten Tag.“ Offenbar, um sich zu entschuldigen, erklärte Faucitt in seiner Antwort vom 8. Januar 1778 aus Hannover, daß die Fürsten von Anspach und Hanau die maßlosesten Ansprüche erhoben hätten. „Die außerordentliche Aengstlichkeit — schrieb er — womit Gemmingen und Malsburg, die Minister von Anspach und Hanau, ihre Entschädigungsforderungen bei mir geltend gemacht haben, erschien mir so unanständig und unbegründet, daß ich nicht umhin konnte, ihnen ernstlich den Kopf zu waschen. Seitdem ist der Ton ihrer Briefe ein anderer und athmet nichts als Unterwürfigkeit und Zufriedenheit.“ Das gerade Gegentheil war der Fall. Statt unterwürfig zu sein, traten die Minister, namentlich Gemmingen, seit sie das Spiel in der Hand hatten, sehr selbstbewußt und positiv fordernd auf; Faucitt aber hielt es im Interesse seiner Aufgabe für das Beste, sich ihnen stets willfährig und entgegenkommend zu zeigen. Statt übermäßige Forderungen zu erheben, verlangten die Minister von Anspach und Hanau nur den Ersatz der Transport- und Unterhaltungskosten der Truppen während des Winters; Malsburg im Ganzen 1600 Pfund Sterling, Gemmingen bei der größern Entfernung und längern Zeitdauer etwas mehr. Faucitt gab das selbst zu, indem er am 30. Januar 1778 von Hanau aus an Suffolk schrieb,[S. 171] daß die Rechnungen billig seien und daß sich anständiger Weise nichts davon abziehen lasse.

Von jetzt an legte Friedrich der Große den Soldatenhändlern keine Hindernisse mehr in den Weg; die Beförderung der Truppen an den Ort ihrer Bestimmung konnte also ohne Umwege erfolgen. Die Baggage ließ er ebenfalls ungehindert passiren und sogar den im Herbst 1777 von seinen Beamten auf die Uniformen und das Gepäck der Anspacher erhobenen Zoll von 600 Dukaten niederschlagen.

Am Lästigsten waren übrigens die Nachtheile, welche das Verbot des Königs von Preußen für die zerbstischen Truppen nach sich zog. Die preußischen Minister, an welcher sich die zerbster Behörden um Aufhebung desselben gewandt hatten, erwiderten ihnen am 20. November höhnisch, daß nachdem Anspach und Hanau mit ihren Gesuchen um den Durchmarsch durch preußisches Gebiet abgewiesen worden seien, auch Zerbst nicht besser behandelt werden dürfe, und gaben den wohlfeilen Rath, das zerbster Regiment auf einem kleinen Umwege durch den Harz nach dem Kurfürstenthum Hannover marschiren und von da an den Ort seiner Bestimmung gelangen zu lassen. „Da der König von Preußen — schreibt Faucitt am 27. November 1777 an Suffolk — auf seiner Weigerung besteht, so muß das zerbster Regiment Stade oder Bremerlehe auf Umwegen durch Sachsen, Braunschweig und Hannover zu erreichen suchen; allein bis es so weit sein wird, haben wir Frost und sind die Flüsse gefroren. Ich weiß nicht, welcher Ursache ich diese plötzliche Maßregel des Königs zuschreiben soll, es müßte denn die sein, daß seine Werbeoffiziere sich neuerdings vielfach darüber beschweren, daß sie keine Rekruten mehr bekommen können und daß so viele preußische Soldaten desertiren, um sich für Amerika anwerben zu lassen. Namentlich haben die Hessen viele Deserteure aus Preußen aufgefangen und die Weser hinuntergeschmuggelt. Im Ganzen ist aber ihre Zahl zu unbedeutend, als daß sie den Gegenstand ernstlicher Erörterungen bilden könnten, zumal es unter den deutschen Fürsten als erlaubt gilt, einander Unterthanen und Soldaten abzufangen und zu verführen.“

Suffolk hielt es unter diesen Umständen für das Gerathenste, den Abmarsch der Zerbster bis zum Frühjahr zu verschieben, und wies Faucitt an, sich in diesem Sinne mit der dortigen Regierung zu verständigen. Der zerbster Fürst mußte sich also in sein Schicksal fügen und gedulden. Er wüthete in seinen Briefen barocker denn je; sein Haß gegen Preußen[S. 172] erreichte jetzt die höchste Spitze. Der Selbstherrscher aller Zerbster wandte sich sogar an die Selbstherrscherin aller Reußen, um sie zur Intervention gegen Friedrich den Großen zu veranlassen, allein Katharina von Rußland erklärte Preußen weder den Krieg, noch erwirkte sie für ihres Bruders Truppen die Oeffnung des preußischen Theils der Elbe. Uebrigens war für Friedrich August die Gefahr des Verlustes durch Desertionen größer als bei jedem andern Soldatenhändler, weil er im eigenen Lande so gut wie gar nicht werben konnte und für seine Leute fast ausschließlich auf das deutsche Ausland, bei dem damaligen längst fühlbaren Mangel an tauglichen Subjekten aber vorzugsweise auf Menschenraub und Zwang, List, Betrug und Gewalt angewiesen war. Sobald Serenissimus sein in dieser Weise zusammengebrachtes Regiment unter gehöriger Bewachung direkt bis an's Meer schaffen lassen konnte, erlitt er verhältnißmäßig geringe Verluste; ein langes Müßigliegen in offenen, unbefestigten Garnisonsorten drohte ihm aber mit unerhörter Desertion und Widersetzlichkeit. Noch vor Weihnachten brach denn auch unter den Soldaten eine Meuterei aus. Es sollten ein paar Dutzend Zerbster Kavalleristen, um das nach Amerika bestimmte Infanterie-Regiment zu verstärken, in dieses gesteckt werden. Sie nahmen aber die Maßregel als Beleidigung auf und empörten sich, bei welcher Gelegenheit einige Offiziere gefährlich verwundet wurden. Die Meuterer flohen, nachdem sie überwältigt waren, zum Theil nach Sachsen, wo ihnen natürlich niemand etwas anhatte. Bei einer andern Gelegenheit machte sich sogar ein Lieutenant mit seinem ganzen Kommando von fünfzig Mann aus dem Staube und ging ebenfalls nach Sachsen.

Endlich war der Winter überstanden und das zerbstische Regiment trat, 841 Mann stark, am 21. Februar 1778 seinen Marsch, wie die preußischen Minister höhnisch gerathen hatten, durch den Harz und Hannover nach Stade an. Als es am nächsten Tage die Elbe erreicht hatte, ließ der Oberst halten; die Sappeure mußten ihre Aexte in die Brückengeländer einhauen und das Ganze einen Kreis bilden. Der Kommandeur ließ hierauf die Kriegsartikel noch einmal verlesen und dann beschwören; darauf hielt er eine geharnischte Anrede und warnte namentlich vor den preußischen Werbern. Er drohte, daß derjenige, der dawider handle und ertappt werden würde, sofort erschossen werden solle; aber trotzdem desertirten schon an demselben Tage der Regiments-Tambour, ein Feldwebel, ein Korporal und einige Soldaten. Weiterhin wurden deshalb die Städte[S. 173] und Flecken auf dem Marsche möglichst umgangen, um weitere Desertionen zu verhüten, da die Entwichenen überall rege Hülfe und Theilnahme fanden. Um das Betreten des preußischen Gebietes zu vermeiden, ging die Marschroute über Dessau (Anhalt), Merseburg, Laucha, Birchlingen (Kursachsen), Greußen (Sondershausen), Mühlhausen (freie Reichsstadt), Duderstadt (Kurmainz), Eimbeck (Hannover), und von da durch's Braunschweigische wieder durch Hannover nach Stade.

Trotz der strengen Ueberwachung und der angedrohten Todesstrafe kamen noch täglich Desertionen und allerlei Exzesse vor. Im Dorfe Zeulenrode entsprang ein Mann, der von einem Korporal verfolgt wurde, und lief in's Wirthshaus. Ohne weiter nachzusehen, schoß der allzu diensteifrige Verfolger blindlings durch das Fenster in die Wirthsstube hinein, wo die Kugel die ruhig dasitzende Wirthin traf, so daß diese sofort todt zu Boden sank. Durch diese Gewaltthätigkeit wurden die Bauern sehr aufgebracht. Als die Baggage nachkam, bei der sich ein Oberlieutenant befand, kam es erst zu einem Wortwechsel und dann zu Thätlichkeiten, wobei der Offizier so übel zugerichtet wurde, daß er am andern Tage zu Stadtworbis starb. Die Bauern, durch deren Dörfer der Transport ging, nahmen auch anderwärts Antheil an dem Schicksal der nach Amerika bestimmten Soldaten und verschafften ihnen überall Gelegenheit zu entkommen. In Greußen kam es mit den preußischen Werbern, die hier Geschäfte machen wollten, zu einer Schlägerei, wobei auf beiden Seiten viel Blut floß.

Am 3. März meldete der Oberst Rauschenplatt dem damals in Hannover weilenden Faucitt, daß er in den ersten zehn Tagen nach dem Abmarsch durch Desertion nicht weniger als dreihundertvierunddreißig Mann verloren habe. Am 21. März waren sogar nur noch 494 Mann bei der Fahne.

„Was soll ich thun — fragte Faucitt am 23. März 1778 bei Suffolk an — wenn die Uebrigbleibenden nicht mehr stark genug sind, um ein Bataillon daraus zu bilden? Die Lücken sind zu groß, als daß sie zur rechten Zeit ausgefüllt werden könnten. Ich fürchte, daß der größte Theil des Regiments vor der Ankunft in Stade desertirt sein wird. Ich hoffe, aus den Resten wenigstens noch ein Bataillon formiren zu können. Die Zerbster fanden übrigens überall in Sachsen schlechte Aufnahme, waren täglich von den Werbe-Offizieren verschiedener Fürsten umgeben, die in Verbindung mit den Eingeborenen des Landes jedes Mittel benutzten,[S. 174] um die Soldaten zu verführen. In ähnlicher Lage würden die besten Truppen gelitten haben.“

Yorke bestätigte im Wesentlichen Faucitt's Schilderung und nahm sich des Zerbster Fürsten warm an. „Seinen Bemühungen — schreibt er d.d. Haag, 7. April 1778 — des Königs Schutz und Freundschaft zu verdienen, ist von so vielen Seiten entgegengewirkt, daß ich es meinem persönlichen Verhältniß zu ihm schuldig bin, den gegenwärtigen Stand der Angelegenheit zu melden. Des Königs von Preußen Weigerung, die zerbstischen Truppen durch sein Gebiet passiren zu lassen, (obgleich rechtlich nichts dagegen gesagt werden kann) veranlaßte den Fürsten, sich an den russischen Hof zu wenden, damit dieser seinen Einfluß in Potsdam geltend mache; aber ich weiß nicht, ob diese Bitte irgend welchen Erfolg gehabt hat. Inzwischen setzte der Fürst, da es bei der vorgerückten Jahreszeit mit der Einschiffung zu spät geworden sein würde, seine Truppen in Bewegung, ohne ein vorheriges Uebereinkommen mit England wegen eventueller Entschädigung getroffen zu haben, und schickte sie durch Kursachsen auf Umwegen nach Hannover. Auf diesem Marsche waren sie jeder Chikane und Schwierigkeit ausgesetzt, sowohl seitens der Preußen als Sachsen und bei mehr als einer Gelegenheit haben sich seine Offiziere ihren Weg erkämpfen müssen. Sie bewiesen dabei große Entschiedenheit und Tapferkeit. Natürlich war die Desertion sehr stark; ich wundere mich überhaupt, daß nur noch Soldaten beisammen blieben; die übrig gebliebenen sind aber wahrlich nicht schlecht. Seit Ankunft im Kurfürstenthum Hannover hat die Desertion aufgehört, und mit Hülfe der von Jever geschickten Rekruten ist immer noch ein gutes Bataillon zusammen zu bringen. Ich trete für den Prinzen ein und hoffe, daß angenommen werde, was er mit so großer Mühe, Kosten und Gefahr an's Meer geschafft hat. Ich thue es um so mehr, als ich höre, daß die Transportschiffe für die Zerbster zurückbeordert sind; es wäre eine zu große Enttäuschung für den Fürsten, wenn er nicht endlich angenommen werden sollte. Viel Gewinn bleibt doch für ihn nicht übrig.“

Suffolk bedauerte, daß die Zerbster so viele Leute verloren hatten, daß sie kaum noch in Betracht kämen und befahl Faucitt, sie sammt und sonders wieder nach Hause zu schicken, wenn er nicht wenigstens ein Bataillon aus ihnen formiren könne. Die für sie bestimmten Transportschiffe wurden sogar abbestellt. Indessen gelang es dem Obersten Rauschenplatt[S. 175] und den mit den seinigen vereinten Bemühungen seines Bruders, des Majors Rauschenplatt, den auf weniger als ein Bataillon zusammengeschmolzenen Bestand seines Regimentes in Jever und Nachbarschaft auf 625 Mann, einschließlich der Offiziere, zu erhöhen, sodaß Faucitt keinen Anstand nahm, sie in den englischen Dienst einzumustern. Er ließ sie am 22. April in Stade einschiffen. Erst nachdem dies geschehen, schloß er am 23. April 1778 den Vertrag mit den Bevollmächtigten des Fürsten ab, die sich selbstredend jede von dem englischen Kommissär beliebte Bedingung gefallen ließen.

Dieser Vertrag wurde am 12. Mai 1778 dem englischen Parlament vorgelegt und am 13. Mai von ihm genehmigt. Er stimmt im Wesentlichen mit dem anspacher überein, sodaß wir uns wegen seiner näheren Bestimmungen füglich auf diesen beziehen können.

Das Regiment kam nach einer überraschend schnellen und günstigen Fahrt in den letzten Tagen des Mai vor Quebeck an. Die große Freude, das ersehnte Ziel so glücklich erreicht zu haben, wurde plötzlich in bittern Verdruß verwandelt, als den Zerbstern das Ausschiffen vom Gouverneur untersagt wurde. Durch eine grobe Nachlässigkeit der englischen Behörden, wie solche so häufig vorkam, hatte man vergessen, den britischen Befehlshaber von der Ankunft dieses Regiments zu benachrichtigen, der nicht wenig dadurch überrascht wurde und, so nöthig er diese Verstärkung auch hatte, auf diese dennoch so lange verzichten zu müssen glaubte, bis er von der britischen Regierung die weiteren Instruktionen erhalten haben würde. Am übelsten war der Oberst von Rauschenplatt daran, der auf dieses fatale Intermezzo ebenso unvorbereitet war. Als ihn der Gouverneur, trotz aller Versicherungen und Betheuerungen nicht an's Land lassen wollte, schickte er endlich mit der nächsten Schiffsgelegenheit seinen Quartiermeister Pannier direkt nach London, um über diese Vernachlässigung Beschwerde zu führen und die weiteren Weisungen des Ministeriums einzuholen. Erst Anfang August kehrte Pannier wieder zurück. Die armen Zerbster hatten demnach gegen drei Monate nutzlos und unthätig und Angesichts der Stadt Quebeck in den engen und ungesunden Schiffsräumen aushalten müssen.

Das Regiment blieb vorläufig in Quebeck und wurde, da es in seiner Ausbildung noch gegen die anderen Truppen sehr zurück war, vorzugsweise zu Arbeiten, sowie zu Munitions- und Gefangenen-Transporten benutzt. Nach Einstellung der Feindseligkeiten ward es 1783 nach Halifax[S. 176] versetzt. So kam es, ohne an irgend welchen kriegerischen Bewegungen Theil genommen zu haben, im September 1783 wieder zu Hause an. Während es in den ersten Jahren nach seiner Aufnahme in den englischen Dienst nur 613, resp. 625 Mann gezählt hatte, belief sich sein Aktivbestand in den beiden letzten Jahren des Krieges auf 945 Mann.

Empfindlicher als diese Verzögerungen war übrigens für die Ergänzung der englischen Armee in Amerika der Ausfall, den sie durch den in Folge des preußischen Verbotes nothwendig gewordenen Abbruch der Verhandlungen mit dem Herzog von Würtemberg erlitt. So schlecht dessen Armee auch beschaffen sein mochte, so wäre er, selbst nach dem Zeugnisse Faucitt's, doch mit einiger Nachhülfe an Geld immerhin im Stande gewesen, noch 1500–2000 Mann auf die Beine zu bringen. Es war lediglich die Sperrung des Rheins, welche die Würtemberger zu Hause hielt und den in Amerika kommandirenden englischen General ihrer Hülfe beraubte. Karl Eugen ließ zwar aussprengen, daß er, für seine überrheinischen Besitzungen Unannehmlichkeiten fürchtend, auf die Einsprache Frankreichs den Vertrag mit England rückgängig gemacht habe; aber das ist nicht wahr, Suffolk hat nie einen Vertrag mit ihm geschlossen. Der Herzog hätte nur zu gern englische Hülfsgelder genommen; indessen der alte Fritz verdarb ihm das Spiel. Uebrigens wußte sich der Würtemberger Soldatenhändler bald darauf zu helfen, zumal sich durch den großen Konsum der letzten Jahre das Geschäft bedeutend schnell wieder hob. Ohne nur seine Landstände zu fragen, überließ er nämlich im Jahre 1786 das von Rieger für den englischen Dienst geworbene Regiment, welches er nach dem Fehlschlagen der Unterhandlungen mit Faucitt auf den Asperg in Garnison geschickt hatte, auf 1000 Mann vermehrt, den Holländern, welche diese Truppen ebenso gut als die Engländer bezahlten und sie theils in Afrika am Kap der guten Hoffnung, theils in Ostindien verwandten. Für ihren Abmarsch dichtete Schubart das ergreifende Lied: „Auf, auf, ihr Brüder und seid stark!“

Wenn wir uns die damalige Lage der Dinge auf dem amerikanischen Kriegsschauplatze vergegenwärtigen, so werden wir die bedeutenden, wenn nicht entscheidenden Folgen der Politik Friedrich's des Großen noch besser würdigen können. Washington lag nach dem für ihn unglücklichen Feldzuge des Herbstes 1777 von Mitte Dezember bis Mitte Juni 1778 in seinen Winterquartieren zu Valley Forge, allen Entbehrungen der[S. 177] Jahreszeit preisgegeben, unter allen Mißbräuchen und Mängeln einer desorganisirten Verwaltung leidend. Nie bis jetzt, selbst nicht nach den Niederlagen auf Long Island, hatte die Sache der jungen Republik so schlecht gestanden, denn nie war der Geist des Volkes und seine Widerstandskraft so sehr gebeugt und entmuthigt gewesen. Die zerlumpten und hungernden armen Teufel, die kaum mehr als 5000 Mann stark zu Anfang 1778 das amerikanische Heer vorstellten und damals unter Steuben erst die Anfangsgründe der Disziplin lernten, wären keines ernsten Widerstandes fähig gewesen, wenn Howe sie mit einer überlegenen Streitmacht angegriffen hätte. Aber der englische General ließ die ihm günstigste Zeit zum Angriffe ungenützt verstreichen und entschuldigte seine Unthätigkeit mit dem Mangel an Leuten. Und gerade in diesem entscheidenden Augenblicke erlangte er die Kenntniß von Friedrich's Verbot, das ihm verläufig jede Aussicht auf weitere Verstärkungen abschnitt. Es sind darum nicht sowohl die 2000, höchstens 3000 Mann, deren verzögerte Ankunft oder gänzlicher Ausfall England so empfindlich schadete, als vielmehr die Ungewißheit für die Zukunft, welche jede sichere Berechnung ausschloß und England die Bezugsquellen für seine deutschen Verstärkungen ganz abzuschneiden drohte. Eben darin liegt die Bedeutung der Politik Friedrich's für den amerikanischen Krieg. Sie war in ihren Folgen für Washington soviel als ein neuer Bundesgenosse werth, sie gönnte ihm Zeit zur Erholung und half das Kriegsglück wenden. Ohne es zu wollen, erwies also der große König dem republikanischen Feldherrn einen wesentlichen Dienst.

Zehntes Kapitel.

Die Verträge, deren Abschluß in den vorhergehenden Kapiteln erzählt worden ist, mußten, wenn sie gültig werden und in Kraft treten sollten, selbstredend erst vom englischen Parlamente genehmigt werden, von dessen Entscheidung sogar wie bei der Armee des eigenen Landes, so auch bei den Hülfstruppen die Fortdauer und Auszahlung des Soldes für jedes[S. 178] neue Verwaltungsjahr abhing. Das Ministerium North konnte im damaligen Parlamente mit Hülfe der Abgeordneten vom Lande stets auf eine dienstbereite Majorität rechnen, behandelte deshalb auch in allen entscheidenden Fragen die Legislative mit einer geflissentlich zur Schau getragenen Geringschätzung und trat namentlich nach Außen hin mit einer so absoluten Sicherheit auf, als ob gar kein gesetzgebendes Votum in England existirte. Gleichwohl aber konnte es sich seinen konstitutionellen Verpflichtungen nicht entziehen und legte deshalb schon Ende Februar 1776 die mit Braunschweig, Kassel und Hanau abgeschlossenen Verträge dem Hause der Lords und Gemeinen vor.

Suffolk hatte rechtzeitig Sorge getragen, den betreffenden deutschen Fürsten die formelle Nothwendigkeit dieser Maßregel in möglichst günstigem Lichte darzustellen. Man werde sie allerdings angreifen, sogar ohne jede Schonung und in sehr harten Ausdrücken; allein das sei in einem konstitutionellen Staate einmal nicht zu vermeiden und ändere im Uebrigen nichts an dem bestehenden Vertragsverhältniß, indem Löhnung und Subsidien nach wie vor bezahlt werden würden. Diese letztere Gewißheit beruhigte denn auch die deutschen Landesväter. Eine deutsche unabhängige Presse gab es zu jener Zeit nicht. Der in allen anderen Fragen entscheidende und unabhängige Hofrath Schlözer stand als Göttingen'scher Professor mit seinem „Briefwechsel“ auf Seiten des Königs von England, druckte also keine feindseligen Parlaments-Verhandlungen ab, und so hörten denn die Unterthanen nichts von der Charakteristik, welche die Minorität des englischen Parlaments von den deutschen Herrschern entwarf. Daran, daß die Mehrheit des gebildeten und denkenden Europa sie verachtete und durch die hier mitzutheilenden Verhandlungen sie erst recht verachten lernte, lag ihnen bei der guten Bezahlung herzlich wenig.

Die Verträge wurden im Hause der Gemeinen am 29. Februar 1776 zuerst debattirt. Lord North hatte bei Motivirung ihrer Einreichung auf die Nothwendigkeit der Maßregel hingewiesen und große Wirkungen von ihr erwartet. Es könne, sagte er, hier überhaupt nur auf die Beantwortung von drei an sich ganz klaren Fragen ankommen, nämlich:

1. ob die zur Miethe vorgeschlagenen Truppen nöthig,

2. ob die Bedingungen, auf welche hin sie beschafft würden, vortheilhaft [S. 179] seien,
3. ob ihre Stärke hinreiche, um die beabsichtigten Zwecke zu erreichen?

Ad 1. antwortete er, daß, da es die Absicht des Parlamentes sei, die amerikanischen Kolonieen zum Gehorsam zurückzubringen, dieselbe nicht besser als durch die Annahme dieser Maßregel erreicht werden könne, denn diese deutschen Soldaten seien wohlfeiler zu haben als englische Rekruten;

ad 2. kosteten die fremden Truppen, selbst abgesehen von ihrer verhältnißmäßigen Wohlfeilheit weniger als je vorher, zumal wenn der Krieg nur ein Jahr dauere;

ad 3. aber werde diese Streitmacht im Stande sein, vielleicht ohne fernern Blutverlust die Kolonien zu unterwerfen.

Lord Cavendish hielt die vorgeschlagene Maßregel in allen ihren Theilen für verderblich. Sie sei die erste beunruhigende Folge des amerikanischen Krieges und entehre England in den Augen von ganz Europa. Es müsse sich in der erniedrigendsten Weise an einige kleine deutsche Staaten wenden und sich Unwürdigkeiten gefallen lassen, die bisher noch nie einem gekrönten Haupte, geschweige denn dem Beherrscher eines mächtigen und reichen Königreichs geboten worden. Der Redner erklärte sich aus folgenden Gründen gegen den Vertrag: Einmal erhalte das Hülfskorps Bezahlung, ehe es nur marschirt sei, dann empfange es ein zu hohes Werbegeld per Kopf; ferner zahle man den kleinen Fürsten doppelte Subsidien, die selbst dann noch fortdauerten, nachdem die Truppen in ihre Heimath zurückgekehrt seien, und endlich führe man ein Korps von 17,000 Fremden in die Besitzungen der englischen Krone ein, ohne es der Kontrolle des Königs oder Parlaments zu unterwerfen, indem es laut Vertrag nur unter dem Kommando seiner Generale stehe.

Lord Irnham erörterte die staatsrechtliche Seite der Frage und erklärte die betreffenden Fürsten für nicht kompetent, solche Verträge, wie die zur Annahme vorliegenden, abzuschließen. Sie seien dem Kaiser Gehorsam schuldig und dürften ihr Land nicht einer Sache zu Liebe entvölkern, die in keiner Weise etwas mit dem Reiche zu thun habe, und welche dieses in den Augen Europa's verächtlich machen müsse als eine Pflanzschule für Menschen, die von Reicheren, aber Ungerechten und Sittenlosen gegen Bezahlung zur Unterdrückung der Schwachen und zur Aufrechterhaltung der Willkür gemiethet würden. „Ich will hier nicht[S. 180] von den Gefühlen jener Fürsten sprechen, die ihre Unterthanen für solche Zwecke zu verkaufen im Stande sind. Wir haben von Sancho Pansa's heiterm Wunsche gelesen, der für den Fall seiner Erhebung zum Fürsten bat, daß alle seine Unterthanen Mohren sein möchten, damit er sie alle verkaufen könnte und recht viel baares Geld in die Hand bekäme; aber dieser Wunsch, so lächerlich und unanständig er auch für einen Herrscher erscheinen mag, ist viel unschuldiger als die Handlungsweise der deutschen Fürsten, die ihre Unterthanen in einem zerstörenden Kriege opfern, und zu diesem Verkauf noch das Verbrechen hinzufügen, sie zur Vernichtung viel besserer Menschen, als sie selbst sind, auszusenden.“ Dann aber könne die Verpflichtung, im Nothfalle den Länderbesitz des Landgrafen zu schützen, sehr unangenehm werden. Wenn nun der Kaiser, über die Handlungsweise seiner Vasallen entrüstet, eine Exekution vornehme und an England Entschädigungs-Ansprüche mache? Dann sei der König von Preußen an seiner Thür, der offenbar die Gelegenheit ergreifen werde, die diesseitige Regierung zur Zahlung der Lstr. 600,000 zu zwingen, um die sie ihn bei dem letzten Friedensschluß gebracht haben solle. Die Verträge seien in jeder Beziehung nicht rathsam und sogar schmachvoll für die Nation; man müsse ihnen also unbedingten Widerstand entgegensetzen.

Während D. Hartley die vorgeschlagene Maßregel für die schmachvollste, unnatürlichste und heilloseste von allen bisher dem Parlament zur Annahme vorgelegten Vorschlägen erklärt, und während er vor den schlimmen Folgen warnt, welche eine derartige Hereinziehung fremder Mächte in den Streit haben müsse, und welche vor Allem jede Aussicht auf Wiederversöhnung abschneide, spricht James Luttrell sein Erstaunen darüber aus, daß sich das Ministerium jetzt an das Parlament wende, um 17,000 Deutsche nach Amerika zu senden. „Großer Gott, für welchen Zweck! Um 180,000 ihrer Landsleute zu Sklaven zu machen, von denen viele, um unsern Schutz zu suchen, ihren Tyrannen entflohen. Meine Schätzung ist noch sehr gering, denn indem ich von Georgia und West-Florida ausgehe, wo einige deutsche Niederlassungen sind, komme ich nach Pensylvanien, einer der blühendsten und größten unserer amerikanischen Kolonieen, von deren Bevölkerung mehr als die Hälfte Deutsche sind, die kaum englisch sprechen. Die deutschen Niederungen am Mohawk-Fluß, die sich hinter New-York und New-Yersey ausdehnen, sind sehr kultivirt[S. 181] und gelten als das beste Land jener Provinzen. Einige tausend Deutsche sind die Ansiedler und Verbesserer jenes Landes und die nächsten Nachbarn der fünf Nationen. Sie handeln mit ihnen, sprechen ihre Sprache, und die Voraussetzung ist sehr natürlich, daß sie die Indianer überreden werden, die Streitaxt gegen die Truppen des Königs zu ergreifen. Die Deutschen haben einige bedeutende Niederlassungen am Connecticut-Fluß, wenn auch nur wenige in Neu-England und im Norden leben. Es scheint mir durchaus unthunlich, diese Ansiedler durch Waffengewalt mit einer solchen Handvoll deutscher und englischer Streitkräfte erobern zu wollen, allein ich glaube, diese Maßregel bietet unseren gemietheten Truppen eine ausgezeichnete Gelegenheit zur Desertion, weil ihnen von ihren bereits angesiedelten Landsleuten Land und Schutz versprochen werden wird. Diese kriegerischen Transporte, die wir ausrüsten, dienen so gut wie die mit Pfälzern beladenen Schiffe dazu, Amerika mit Deutschen zu bevölkern. Es scheint mir deshalb keine gute Politik, diese fremden Truppen zu miethen, einmal weil sie fünf mal soviel von ihren Landsleuten in Amerika und viele Indianer veranlassen werden, in die Provinzial-Armee einzutreten, dann aber, weil sie desertiren und Land brauchen werden, wodurch wir also die gemietheten Truppen gegen uns bekommen.“

Das Ministerium gab zu, daß die Bedingungen hart und die Ausgaben stark seien, kam aber wiederholt auf die Nothwendigkeit der Maßregel zurück, da es sich im gegenwärtigen Stadium des Kampfes nur um die Frage handle, ob England Amerika aufgeben oder seine Souveränität über die dortigen Kolonien wiedererlangen solle.

Das Königreich habe immer fremde Truppen nöthig gehabt, meinte der Kriegsminister Lord Barrington — um seine Kriege zu führen und die Regierung zu stützen; im Lande selbst seien jetzt keine Rekruten zu haben, und wenn der Handel mit den fremden Truppen nicht so vortheilhaft gewesen sei, als er wohl habe sein können, so habe man, nur durch die Nothwendigkeit gezwungen, die von den fremden Fürsten vorgeschriebenen Bedingungen annehmen müssen.

Edmund Burke warf dem Ministerium mit vernichtendem Hohne vor, daß selbst zu einer Zeit, wo der Aufstand im Innern des Königreiches gewüthet und die völlige Auflösung der gesetzlich herrschenden Gewalt gedroht habe, kein so schimpflicher und theurer Handel abgeschlossen worden sei. Beim Beginne der Sitzung habe es geheißen, es solle kein fremder Soldat[S. 182] zur Bekämpfung der amerikanischen Kolonieen verwandt werden, jetzt könne auf einmal nichts ohne fremde Hülfe gethan werden, und zwar aus dem Grunde, weil diese letztere wohlfeiler sei. Zur Stunde lasse man auch den Vorwand der Wohlfeilheit fallen, denn es ergebe sich, daß England für jedes Tausend Fremder, die es in seinen Dienst nehme, gerade so viel bezahle als für fünfzehnhundert Eingeborene. Wenn Lord North beschuldigt werde, der Beförderer dieser Maßregel zu sein, so leugne er die Thatsache und behaupte, nur mit den übrigen Ministern des Königs gearbeitet zu haben; wenn sie aber einer andern Klasse Menschen zugeschrieben werde, so beanspruche er das ganze Verdienst dafür.

Oberst Barré, der alte Freund der amerikanischen Unabhängigkeit, fragte die Minister, ob das Tuch für die deutschen Truppen in England oder in Deutschland gekauft werden solle? Er bezweifle nicht, daß dieser Verkauf von Menschenfleisch sich für das Geschäft der Tuchfabrikanten von Hessen und Braunschweig als eben so vortheilhaft erweisen werde, als er sich schon gewinnreich für den Beutel der betreffenden Fürsten bewährt habe. Der König solle in einer Petition gebeten werden, seinen Einfluß dahin aufzubieten, daß die jetzt oder später in englischem Sold stehenden deutschen Truppen mit Tuch aus den englischen Fabriken bekleidet werden möchten. — (Es sei hier in Parenthese bemerkt, daß der König in Folge dieses Antrages den Landgrafen von Hessen auch aufforderte, das Tuch für seine Soldaten in England zu kaufen, daß dieser aber die Bitte, als außer jeder Beziehung zu seinem Vertrage stehend, kurzer Hand abwies.)

Der letzte Redner im Unterhause war der Alderman Bull, der vom Standpunkte des liberalen Londoner Bürgers aus die Verträge angriff. Der Krieg, sagte er, den man gegen Amerika führe, sei ein ungerechter; er stütze sich auf Unterdrückung und sein Ende werde Elend und Schande sein. Das Ministerium solle es nicht dahin bringen, daß die Geschichtsschreiber sagen, daß russische und deutsche Sklaven gemiethet worden, um die Söhne Englands und der Freiheit zu unterjochen, und daß unter der Herrschaft eines Fürsten aus dem Hause Braunschweig der nichtswürdige Versuch gemacht worden sei, jenen Geist auszurotten, der seine Vorfahren auf den Thron brachte und sie trotz Verrätherei und Rebellion dort befestigte.

Aber alle diese Appellationen an Ministerium und König halfen nichts, die Minorität war zu schwach, und mit 242 gegen 88 Stimmen wurden[S. 183] die Verträge vom Hause an das Committee of Supplies verwiesen, welches selbstredend am 4. März zu deren Gunsten berichtete.

Bei den Lords kamen die Verträge am folgenden Tage, am 5. März 1776, zur Verhandlung.

Der Herzog von Richmond beantragte zunächst, den König zu bitten, daß er Befehl gebe, den Marsch der deutschen Truppen und zugleich die Feindseligkeiten in Amerika einzustellen. Der Redner gab eine kurze Geschichte der mit dem Landgrafen von Hessen von 1702 bis 1762 abgeschlossenen Verträge, wies nach, wie sie bei jeder Gelegenheit ihre Forderungen erhöhten, bessere Bedingungen erpreßten und nie verfehlten, die frühere Erpressung als Präzedenzfall oder als Basis für einen spätern Vertrag aufzustellen. Das sei auch jetzt der Fall. Der vorletzte Vertrag habe die Subsidien nur für eine gewisse Zeit gewährt, der gegenwärtige verdoppele sie und werde England wohl anderthalb Millionen Pfund an Extrasubsidien kosten. Schlimmer als das seien aber der unbestimmte Wortlaut der Verträge, ihre zweideutige Ausdrucksweise und die darin aufgestellten gefährlichen Präzedenzfälle. Allerdings spreche der Vertrag von gegenseitiger Hülfsleistung und Bundesgenossenschaft, allein die betreffenden Ausdrücke seien nichtssagende Redensarten. Seinem Wesen nach sei der Vertrag nichts anderes, als ein nichtswürdiger Handel, um eine Anzahl Miethsknechte in Dienst zu nehmen, die gleich so und so viel Stück Vieh auf die Schlachtbank geführt werden sollten. Kein anderes gemeinschaftliches Interesse verbinde die beiden abschließenden Theile, als daß der eine möglichst viel Geld zahle und der andere möglichst viel erhalte. Aber selbst angenommen, daß die Verträge ein wirkliches Bündniß vorstellen sollten, was werde die Folge sein? England müsse im Falle eines Angriffes jenen Fürsten helfen, also für die Unterstützung von ein paar Tausend fremder Söldlinge nicht allein doppelt zahlen, sondern auch ihre Herren im Besitze ihres Gebietes schützen. Zu Ende des letzten französisch-amerikanischen Krieges habe Herr Mauduit berechnet, daß jeder französische Skalp 10,000 Pfd. gekostet habe. Die Lords möchten danach berechnen, was ein amerikanischer Skalp koste, wenn für 17,000 fremde Söldlinge anderthalb Millionen Pfund per Jahr zu bezahlen seien. Endlich aber sei die Gefahr vorhanden, daß Differenzen zwischen den Offizieren entstehen möchten und daß ein hessischer General den Oberbefehl erhalte, wenn dem Kommandirenden in Amerika etwas zustoßen sollte.

[S. 184]

Lord Suffolk (der uns schon bekannte Minister des Auswärtigen) vertheidigte natürlich dem Vorredner gegenüber die Politik der Regierung. Es habe derselbe — sagt er — keinen einzigen gewichtigen und stichhaltigen Grund gegen die zur Annahme vorliegenden Verträge vorgebracht, noch ein einziges Beispiel angegeben, wo von den früheren Verträgen mit den betreffenden Fürsten im Wesentlichen abgewichen sei. Im Inhalte stimmten sie beide überein, nur enthalte einer der gegenwärtigen Verträge einige pomphafte, hochtönende Phrasen mehr. Die Absicht des Ministeriums sei kein Bündniß mit Hessen gewesen, sondern nur die, ein Korps Truppen zu miethen, welches der Krieg in Amerika nöthig gemacht habe. Wenn der Krieg in einem Jahre beendet werde, so sei der Handel äußerst vortheilhaft, weil dann nur eine jährliche doppelte Subsidie gezahlt zu werden brauche, die einer einfachen Subsidie für zwei Jahre gleich komme. Wenn nun der Krieg zwei Jahre dauere, so verliere die Regierung weder, noch gewinne sie, weil zwei Jahre doppelter Subsidien vier Jahren einfacher Subsidien gleich seien. Wenn aber der Krieg länger als zwei Jahre dauere, dann müsse er bekennen, sei der Vertrag unvortheilhaft für England. Aber selbst ungünstige Bedingungen müsse man hinnehmen, wenn man die Truppen brauche. Die Frage könne also nur lauten, ob man sie nöthig habe? Diese Frage müsse unbedingt bejaht werden. Zudem seien die Bedingungen, unter denen die Truppen geliefert worden, leicht und günstig, denn unter Berücksichtigung aller Umstände, der kurzen Frist, der Unannehmlichkeit des Dienstes in solcher Entfernung von Europa, sei er, der Redner, fast erstaunt, daß England diese Soldaten so billig erhalten habe. Der zum Schlusse vom Herzog von Richmond vorgebrachte Einwand zerfalle in sich, da der kommandirende General immer höher stehe als ein selbst im Dienstalter über ihm stehender General; die Gefahr, durch irgend welchen Zufall oder ein Unglück einen Fremden zum Obergeneral zu erhalten, sei also nicht vorhanden.

Der Earl von Carlisle stimmte mit der Ausführung des Lord Suffolk überein und wies darauf hin, daß, da einmal Zwangsmaßregeln gegen Amerika angewandt werden müßten, man auf das Ausland zur Beschaffung der außerordentlichen Werkzeuge zur Ausführung dieses Zweckes angewiesen sei. Die große Zahl der Hände, welche zur Betreibung der englischen Manufakturen täglich nöthiger werde, die geringe Erfahrung neu Ausgehobener und der Wunsch, die gegenwärtigen Unruhen so schnell[S. 185] als möglich zu beenden, habe die Verwendung fremder Truppen an Stelle der einheimischen als am geeignetsten erscheinen lassen. Kein unbefangen Urtheilender werde leugnen, daß England beim besten Willen nicht die erforderliche Anzahl Soldaten besitze, um die Operationen auszuführen, welche der Dienst in Amerika nothwendiger Weise verlange.

Des Königs Bruder, der Herzog von Cumberland, stimmte dagegen mit der Opposition. „Ich bin von Anfang an — sagte er — gegen jede Art Gewaltmaßregel gewesen, und mißbillige deshalb die Politik der Minister. Ich bedauere aus diesem Grunde auch, daß ich sehen muß, wie Braunschweiger, die einst zu ihrer eigenen großen Ehre die Freiheiten der Unterthanen so tapfer vertheidigten, jetzt ausgesandt werden, um die konstitutionellen Freiheiten in einem andern Theile dieses großen Reiches zu unterdrücken.“

Die übrigen Redner, wie der Herzog von Manchester, Earl von Effingham und Lord Camden, welche sich dem Herzog von Cumberland anschlossen, sagten mit Ausnahme von Lord Camden nicht viel Neues. „Wenn ich die Verträge recht verstehe — meinte dieser — so enthalten sie ein Uebereinkommen mit dem Herzog von Braunschweig, mit dem Landgrafen von Hessen-Kassel und dem Grafen von Hanau für eine bestimmte Anzahl Truppen zu einem bestimmten Preise. Um diesem Handel den Schein dessen zu geben, was er nicht ist, wurde das Ganze mit hochtönenden Redensarten von einer Allianz ausstaffirt, die sich auf gemeinschaftliche Interessen und gemeinschaftliche Hülfeleistung stützt, als ob diese kleinen Staaten beim Ausgang des zwischen uns und Amerika schwebenden Krieges irgend wie betheiligt wären. Die ganze Verhandlung ist nichts als ein Gewebe von Lug und Trug, wie es noch nie einem Hause des Parlaments aufgeschwindelt wurde; sie ist nichts als ein gemeiner Schacher für die Miethe von Truppen auf der einen Seite und der Verkauf menschlichen Blutes auf der andern Seite, und die armen in ihr Schicksal ergebenen Teufel, welche so für die Abschlachtung verkauft worden, sind armselige Söldlinge im schlimmsten Sinne des Wortes. Jetzt blicken Sie auf die Verträge in ihrem wahren Lichte, in ihrer ganzen Nacktheit! Wir bezahlen nicht allein mehr für diese Miethlinge als je vorher, sondern treten sogar, statt die uns gebotenen Vortheile zu benutzen, in ein Offensiv- und Defensiv-Bündniß mit jenen kleinen Fürsten, ja wir verpfänden die Ehre der Nation und setzen uns allen bösen Folgen eines Kontinentalkrieges[S. 186] aus. Aber schlimmer als das ist die Behauptung, daß wir die zur Durchführung des Krieges erforderlichen Mannschaften hier zu Lande nicht auftreiben können, und daß folglich die vorliegenden Verträge, welchen begründeten Einwendungen sie auch ausgesetzt sein mögen, eine bittere Nothwendigkeit für uns sind. Diese Behauptung als richtig vorausgesetzt, würde unsre Rettung ausschließlich von Fremden abhängen, und all unsre gerühmte Macht, Vorzüge, wie Reichthum und Ansehen im Ausland wären sehr wenig werth, ja wir könnten keine einzige Segnung äußerer Stärke oder innern Glückes länger genießen, als es unsere würdigen Freunde, die Soldatenvermiether, uns gnädigst erlauben würden. Ich bin einer entgegengesetzten Ansicht. Sollten wir aber wirklich von den Fremden abhängen, so sind auch unsere Freiheiten und unsere Unabhängigkeit dahin.“

So wenig sich auch gegen diese Anklagen und Beweisführung einwenden ließ, so blieb die Opposition doch mit 32 gegen 100 Stimmen bei der Abstimmung in der Minorität. Das Ministerium hatte offenbar darin Recht, daß, nachdem einmal beschlossen worden war, den Krieg zu führen, man auch die Soldaten zu seiner Durchführung beschaffen mußte, und daß diese in England selbst beim besten Willen nicht zu erlangen waren. Die parlamentarischen Gegner der Maßregel sahen zwar recht gut ein, daß ihr Widerstand die bereits feststehende Politik Englands nicht ändern würde, indessen benutzten sie die ihnen noch einmal gebotene Gelegenheit, ihrer Abneigung gegen den Krieg mit Amerika Worte zu leihen und die verlangten Truppen zu verweigern. Von diesem Gesichtspunkte aus muß man auch die nachstehende Adresse auffassen, welche die in der Minorität gebliebenen zweiunddreißig Lords an den König richteten:

„Wir, Ew. Majestät getreue und gehorsame Unterthanen und im Parlament versammelte geistliche und weltliche Lords, bitten gehorsamst, Ew. Majestät vorstellen zu dürfen, daß wir mit dem tiefsten Kummer die Verträge gesehen haben, welche Ew. Majestät auf den Rath Ihrer Minister mit ihren Durchlauchten, dem Herzog von Braunschweig, dem Landgrafen von Hessen-Kassel und dem Grafen von Hanau abzuschließen und diesem Hause mitzutheilen geruht haben.

„Wir erlauben uns gehorsamst, Ew. Majestät die Gefahr und Schmach vorzustellen, welche diese unbesonnene Maßregel im Gefolge hat, wenn es bei dem ersten Versuche Großbritanniens, seine Kolonieen zu[S. 187] unterjochen, schon für nöthig erachtet wird, eine Armee fremder Söldlinge zu miethen und dadurch vor ganz Europa anzuerkennen, daß diese Königreiche entweder aus Mangel an Menschen oder aus deren Abneigung für diese Art Dienst unfähig sind, eine für den ersten Feldzug hinlängliche Anzahl Eingeborener zu stellen. Zu gleicher Zeit ist es für uns eine traurige Betrachtung, daß die Herausziehung der nationalen Streitkräfte aus dem Lande (so schwach sie auch für den beabsichtigten unseligen Zweck sein mögen) das Königreich seiner Vertheidigung berauben und den Einfall mächtiger Nachbaren und fremder Völker preisgeben wird.

„Wir bitten ferner, Ew. Majestät gehorsamst vorstellen zu dürfen, daß, wenn auch die Gerechtigkeit und Billigkeit dieses unnatürlichen Krieges von einem so großen Theil Ihrer Unterthanen nicht in Frage gestellt wird, doch eine selbst von einzelnen Zugeständnissen begleitete Versöhnung mit den Kolonieen einer gesunden Politik weit mehr entsprechen wird, als daß man die Verfolgung der Feindseligkeiten Ausländern anvertraut, auf die wir uns nicht verlassen können, Ausländern, welche bei einer so großen Entfernung von ihrer Heimath und unter dem Einfluß der Strapazen des Krieges, der sie nichts angeht und ihnen so viele Versuchungen bietet, die Knechtschaft mit der Freiheit zu vertauschen, viel eher zur Meuterei und Desertion neigen, als treu und gewissenhaft mit Ew. Majestät geborenen Unterthanen handeln und kämpfen werden.

„Ebensowenig dürfen wir Ew. Majestät die Besorgniß verhehlen, die wir wegen der Tragweite einzelner in den verschiedenen Verträgen enthaltenen Artikel fühlen, wonach Sie die Macht haben, diese Truppen in irgend einem Theil vor Europa zu verwenden. Dadurch werden also Mittel beschafft, selbst in dieses Königreich eine fremde Armee einzuführen. Wir können aber Ew. Majestät Ministern nicht so weit vertrauen, um vorauszusetzen, daß sie zu gewissenhaft sein würden, um Ihnen eine solche Maßregel anzurathen, zumal sie schon fremde Truppen in zwei unserer wichtigsten und stärksten Festungen gelegt und sich erboten haben, noch 4000 Fremde ohne vorherige Genehmigung des Parlaments nach dem Königreich Irland zu schicken. Wir haben vielmehr gerechten Grund zur Befürchtung, daß die Kolonieen, wenn sie hören, wie England auswärtige Bündnisse eingeht und fremde Truppen zu ihrer Vernichtung miethet, sich für berechtigt halten werden, das gegebene Beispiel nachzuahmen und ähnliche Hülfe zu suchen; ja daß Frankreich, Spanien, Preußen und andere[S. 188] europäische Mächte sich ebensogut wie Hessen, Braunschweig und Hanau für befugt erachten werden, sich in unsern häuslichen Zwist einzumischen. Wenn dann, was sehr möglich ist, aus diesen Schritten die Flammen eines europäischen Krieges angefacht werden sollten, so denken wir mit Schrecken an die Lage dieses Landes, welches den furchtbaren Angriffen mächtiger Feinde zu einer Zeit Widerstand leisten soll, wo die Kraft und Blüthe der Nation auf der andern Seite der Welt zu nutzlosen Kriegszügen vergeudet wird.

„Sodann fürchten wir, daß der Vertrag, der dem Landgrafen von Hessen nicht blos im Falle eines Angriffes oder einer Beunruhigung in seinen Besitzungen allen in der Macht Ew. Majestät liegenden Beistand sichert, sondern diesen Beistand sogar so lange fortsetzt, bis der Landgraf volle Sicherheit und gerechte Schadloshaltung erlangt haben wird; daß dieser Vertrag das Königreich zwingt, ohne irgend eine Gegenleistung an jedem Streit auf dem Kontinent Theil zu nehmen, in welchen Seine Durchlaucht verwickelt werden sollte. Oder was für Hülfe könnte diese Insel von einem winzigen Ländchen im Herzen Deutschlands erwarten, aus welchem schon mehr Truppen gezogen sind, als es zu seiner eigenen Vertheidigung nöthig hat, und dessen Einkünfte nicht hinreichen, ohne die gezahlten Subsidien selbst diejenigen Soldaten zu unterhalten, welche es vermiethet hat? Es will uns deshalb scheinen, als ob diese Verpflichtung Großbritanniens zur Vertheidigung und Entschädigung des Landgrafen als ein Theil des Preises, zu welchem es die gemietheten Truppen bezahlt, angesehen werden muß. Wenn diese Kosten, die unmöglich abgeschätzt werden können, zu den enormen Ausgaben für Werbegeld, für Vervollständigung der in den verschiedenen Korps eingetretenen Verluste und für ordentliche und außerordentliche Subsidien, selbst nach der Rückkehr der Truppen in ihre Heimath, hinzugefügt werden, so können wir in Wahrheit sagen, daß England noch nie zuvor einen so kostspieligen, ungleichen, unehrenhaften und in seinen Folgen so gefährlichen Vertrag abgeschlossen hat.

Wir flehen deshalb Ew. Majestät unterthänigst an, sofortigen Befehl zu geben, daß die hessischen, braunschweigischen und hanauischen Truppen nicht marschiren, und daß die Feindseligkeiten in Amerika eingestellt werden, damit eine schleunige und dauernde Wiederversöhnung zwischen den streitenden Parteien dieses in sich zerrissenen Reiches angebahnt werden könne.“ [S. 189]

Natürlich diente dieser Protest nur dazu, den Standpunkt der Minderheit zu wahren; auch er wurde mit 100 gegen 32 Stimmen von den Lords verworfen und blieb deshalb ein todter Buchstabe. Nachdem sich das Parlament einmal mit großer Majorität für die Zweckmäßigkeit der vom Ministerium befolgten Politik ausgesprochen und die drei ersten Verträge mit Braunschweig, Kassel und Hanau genehmigt hatte, standen den ferneren Truppenlieferungen seitens Waldeck's, Anspach's und Zerbst's um so weniger Hindernisse im Wege, als die betreffenden Verträge sich in ihren wesentlichen Bestimmungen an ihre Vorgänger anlehnten und zum Theil günstiger für England waren. Es genügt hier also die kurze Bemerkung, daß die drei letzten Verträge ohne jede Debatte von beiden Häusern angenommen wurden.

Uebrigens verhielt sich die öffentliche Meinung Europa's diesem Menschenhandel gegenüber im Ganzen ziemlich gleichgültig. Es waren nur die hervorragendsten Geister Englands, Frankreichs und Deutschlands, welche das Verbrechen in seiner ganzen Tragweite erkannten und an den Pranger stellten. Während die Worte der Opposition im englischen Parlament ungehört verhallten oder in den unvollständigen Berichten seiner Sitzungen begraben wurden, nahm ein zu jener Zeit in Holland lebender, kaum bekannter französischer Flüchtling, der zwölf Jahre später Europa's größter Volkstribun wurde, im Namen der Menschlichkeit und der Ideen des Jahrhunderts das Wort gegen England und die es bedienenden deutschen Fürsten. Dieser Mann war kein geringerer als Mirabeau, der revolutionäre Titan, der mit der alten Ordnung der Dinge kämpfte und sie endlich glücklich über den Haufen werfen half, damals noch nicht der vom Kampf ermüdete, vom Lebensgenuß erschöpfte Ringer, der mit dem unterliegenden Königthum einen Vergleich eingehen wollte. Seine der öffentlichen Meinung des denkenden Europa vorgelegte Anklage hatte gerade deshalb einen so unermeßlichen Erfolg, weil ihre begeisterten unwilligen Worte in der Sprache Rousseau's gedacht waren, weil ihre ganze Anschauung in der Philosophie jener Zeit wurzelte; sie wirkte deshalb so drastisch und unmittelbar, weil sie unbekümmert um Herkommen, Ueberlieferung und Geschichte die schlummernde Thatkraft in den Unterdrückten zu wecken suchte. Was uns jetzt als Phrase erscheint, war im Munde Mirabeaus und seiner Zeitgenossen das höchste Pathos.

Der Titel dieser vom Landgrafen von Hessen eiligst aufgekauften und[S. 190] darum höchst selten gewordenen Flugschrift heißt[6]: „Rath an die Hessen und die übrigen von ihren Fürsten an England verkauften Völker Deutschlands“. Ihr Inhalt folge hier unverkürzt; er lautet:

„Unerschrockene Deutsche! Welches Schandmal laßt Ihr Euch auf Eure edle Stirne brennen? Ist es dahin gekommen, daß am Ende des achtzehnten Jahrhunderts die Völker Mittel-Europa's die Söldlinge eines verhaßten Despotismus spielen? Ist es dahin gekommen, daß die braven Deutschen, die ihre eigene Freiheit so verzweifelt gegen die Eroberer der Welt vertheidigten und den römischen Heeren Trotz boten, gleich elenden Negern verkauft werden und ihr Blut im Interesse der Tyrannen zu verspritzen suchen? Ist es dahin gekommen, daß unter Euch Menschenhandel getrieben, Eure Städte entvölkert, und Eure Lande ausgesaugt werden, um übermüthige Lords in der Verwüstung einer andern Hemisphäre zu unterstützen? Wollt Ihr die blinde Verstocktheit Eurer Herren noch länger theilen? Ihr, wackere Soldaten! Die treuen und festen Stützen ihrer Macht! jener Macht, die ihnen nur zum Schutze ihrer Unterthanen anvertraut wurde! Ihr seid verkauft und für welchen Zweck? Gerechter Himmel! Wie Vieh in fremden Schiffen zusammengepfercht, werdet Ihr über's Meer geführt! Ihr trotzt den Klippen und Stürmen, um gegen Leute zu kämpfen, die Euch nicht gekränkt haben, die eine gerechte Sache verfechten und die Euch das herrlichste Beispiel geben! Ach! warum ahmt Ihr sie nicht nach, diese muthigen Männer, anstatt daß Ihr sie zu verderben sucht? Sie brechen ihre Ketten, sie kämpfen für die Wahrung ihrer natürlichen Rechte, für die Sicherung ihrer Freiheit. Sie reichen Euch die Hand entgegen; sie sind Eure Brüder; die Natur hat sie dazu gemacht und gesellige Bande haben diesen heiligen Titel bestätigt. Mehr als die Hälfte dieses Volkes besteht aus Euren Landsleuten, Freunden und Verwandten. Sie sind bis an's Ende der Erde geflohen, um der Tyrannei zu entgehen, und die Tyrannei verfolgt sie bis dahin. Unterdrücker,[S. 191] die ebenso habgierig als undankbar sind, haben Ketten für sie geschmiedet und die hochsinnigen Amerikaner haben Waffen aus diesen Ketten geschmiedet, zum Widerstande gegen die Unterdrücker. Die neue Welt steht daher im Begriffe, Euch zu den Ungeheuern zu zählen, welche sie aus Geld- und Blutdurst verheert haben! Deutsche, die Ihr Euch immer durch Biederkeit auszeichnetet, schreckt Ihr nicht zurück vor einem solchen Vorwurfe?

Muß man zu diesen Beweggründen, die auf alle Männer so überzeugend wirken, auch noch jene fügen, welche das Interesse von Sklaven ebenso nahe berühren, wie das freier Bürger? Wißt Ihr denn auch, welch ein Volk Ihr anzugreifen im Begriffe seid? Wißt Ihr wohl, welche Kraft im Fanatismus für die Freiheit ruht? Es ist dies der einzige Fanatismus, den man nicht hassen kann, sondern achten muß, und doch ist er der mächtigste unter allen Arten von Fanatismus. Ihr kennt ihn nicht, blinde Menschen, die Ihr vor dem gehässigsten Despotismus kriecht, welcher Euch zum Verbrechen treibt, und Euch doch noch frei dünkt; Ihr kennt ihn nicht, Ihr, welche die Laune der Habgier eines Despoten gegen Leute bewaffnen kann, die sich um das ganze Menschengeschlecht verdient machen, weil sie dessen Sache verfechten und ihm ein Asyl bereiten.

Oh ihr Söldlinge und Tyrannenknechte! Entnervte Europäer! Ihr geht zum Streit gegen Männer, die stärker, tüchtiger, kühner und rascher sind als Ihr möglicher Weise sein könnt! Sie sind von großartigen Interessen beseelt, Euch leitet nur schmutziger Gewinn; sie vertheidigen ihr Eigenthum und kämpfen für ihren häuslichen Heerd, Ihr verlaßt Euren Heerd und kämpft nicht für Euch selbst. Sie führen Krieg im Schooße ihres Vaterlandes, unter einem gewohnten Klima, unterstützt von allen Hülfsmitteln, welche die Heimath bietet, und zwar gegen eine Bande, welche der Ozean ausgespieen hat, nachdem er sie zur Niederlage reif gemacht. Die mächtigsten und heiligsten Beweggründe entflammen ihren Muth und leiten ihre Schritte zum Sieg. Führer, die Euch verachten, während sie Euch benützen, werden der unwiderstehlichen Beredsamkeit der Freiheit, des Bedürfnisses und der Nothwendigkeit, nur leeren Wortkram entgegenzusetzen haben. Endlich, um das Ganze in ein Wort zusammenzufassen, ist die Sache der Amerikaner eine gerechte, während Himmel und Erde diejenigen verdammen, die zu unterstützen Ihr Euch nicht schämt.

[S. 192]

Deutsche, wer hat Euch diese Kampfwuth, diese barbarische Mordlust, diese abscheuliche Hingebung an die Tyrannei eingeflößt?.... Nein! ich will Euch nicht mit den fanatischen Spaniern vergleichen, die aus Lust an der Zerstörung zerstörten, die sich in Blut badeten, als die erschöpfte Natur ihre unersättliche Habgier einer noch wildern Leidenschaft Platz zu machen zwang. Edlere Gefühle und leichter zu entschuldigende Irrthümer mißleiten Euch. Diese Treue gegen Eure Fürsten, welche schon Eure Vorfahren auszeichnete; diese Gewohnheit zu gehorchen, ohne zu bedenken, daß es Pflichten gebe, die heiliger sind als der Gehorsam und welche allen übrigen vorangehen; diese Leichtgläubigkeit, welche Euch der Leitung einiger unüberlegter und ehrgeiziger Männer folgen heißt — das sind Eure Fehler; aber sie werden zu Verbrechen, wenn Ihr nicht am Rande des Abgrundes inne haltet. Schon sind sich Eure Landsleute, die Euch vorangegangen, ihrer Blindheit bewußt und die Wohlthaten dieses Volkes, das sie noch vor kurzer Zeit abschlachten halfen und welches sie jetzt, wo es nicht mehr das Schwert des Henkers in ihren Händen sieht, wie Brüder behandelt, erschweren ihre Gewissensbisse und vervielfältigen ihre Reue.

Zieht Nutzen aus ihrem Beispiele, Soldaten! Denkt an Eure Ehre, denkt an Eure Rechte! Habt Ihr nicht denselben Anspruch darauf wie Eure Fürsten? Ja, ohne Zweifel, aber diese Wahrheit ist noch nicht genug ausgesprochen. Menschen stehen höher als Fürsten, die größtentheils dieses Namens nicht würdig sind. Ueberlaßt es ehrlosen Hofschranzen und Gotteslästerern, die königlichen Vorrechte und deren Unbeschränktheit zu preisen, und vergeßt nicht, daß Alle nicht für Einen gemacht wurden, daß es eine höhere Macht giebt als fürstliche Macht, daß der, welcher ein Verbrechen zu begehen befiehlt, keinen Gehorsam verdient und daß mithin Euer Gewissen der höchste unter Euren Herrschern ist. Fragt dieses Gewissen, und es wird Euch sagen, daß Ihr Euer Blut nur für das eigene Vaterland vergießen sollt, daß es abscheulich ist, einige tausend Meilen weit zu gehen, um Leute niederzumetzeln, die kein anderes Verhältniß zu Euch kennen als ein solches, das ihnen Euer Wohlwollen sichern sollte.

Das Mutterland giebt vor, einen gerechten Krieg zu führen, während es sich selbst erschöpft, um seine Kinder zu verderben. Es verlangt seine Rechte und will dieselben nur mit dem Donner der Schlacht besprechen. Aber habt Ihr diese Rechte — mögen sie nun wohl begründet sein oder nicht — geprüft? Steht es Euch zu, in dieser Streitsache zu Gericht zu[S. 193] sitzen? Steht es Euch zu, das Urtheil zu fällen oder es zu vollstrecken? Und worauf laufen diese leeren Ansprüche, die so zweifelhaft sind und so viel bestritten wurden, am Ende hinaus? Der Mensch hat überall, in der ganzen Welt ein Recht auf Glückseligkeit. Dies ist das höchste Gesetz, dies ist der beste Rechtsanspruch. Kolonisten ziehen nicht hinaus und bebauen wilde Gegenden, vermehren die Macht und vergrößern den Ruhm des Mutterlandes, um von diesem unterdrückt zu werden. Und wenn sie unterdrückt werden, so haben sie ein Recht, das Joch abzuschütteln, denn das Joch wurde nicht für den Menschen gemacht.

Und wer sagte Euch, daß die Engländer das Aechtungs-Urtheil, das über die Amerikaner gesprochen wurde, unterzeichnet haben? Wackere Deutsche! Schmäht nicht durch einen solchen Verdacht eine Nation, die große Männer und vortreffliche Gesetze hervorgebracht, die das heilige Feuer der Freiheit so lange in ihrem Busen genährt hat und deshalb Achtung und Rücksicht verdient. Ach! Auf den britischen Inseln wie überall in der Welt wiegelt eine kleine Zahl ehrgeiziger Menschen das Volk auf und führt allgemeines Unglück herbei. Die Engländer wurden unglücklicher Weise in einen Krieg mit ihren Brüdern verwickelt, weil auch unter ihnen der Despotismus seit einigen Jahren mit Erfolg die Freiheit bekämpfte. Schmeichelt Euch nicht mit dem Gedanken, daß Ihr die Sache der Engländer vertheidigt. Ihr kämpft nur für die Vergrößerung der Macht gewisser Minister, welche sie verachten und verabscheuen.

Wollt Ihr die wahren Beweggründe kennen lernen, welche Euch die Waffen in die Hand gaben? Eitler Luxus und übermäßige Verschwendung haben die Finanzen der Fürsten, die Euch beherrschen, zu Grunde gerichtet. Ihre Hülfsquellen sind erschöpft und das Vertrauen ihrer Nachbaren haben sie zu oft getäuscht, als daß sie sich von Neuem an sie wenden könnten. Um es wiederzugewinnen, müßten sie auf jene verschwenderischen Ausgaben und auf die tollen Genüsse verzichten, deren Befriedigung ihre wichtigste Beschäftigung ist. Dazu können sie sich nicht entschließen, das wollen sie nicht thun. England braucht Soldaten und Geld und kauft beides zu theueren Preisen. Eure Fürsten beuten dieses augenblickliche Bedürfniß mit der größten Gier aus; sie heben Truppen aus, verkaufen sie und liefern sie ab. Das ist die Bestimmung Eurer Armee, dies das Ziel, dem Ihr entgegen geht. Euer Blut ist der Preis der Verderbtheit und der Spielball des Ehrgeizes. Das Geld, welches der Schacher mit[S. 194] Eurem Leben einträgt, wird zur Bezahlung schändlicher Schulden verwendet oder zur Kontrahirung neuer benutzt werden. Ein gieriger Wucherer, eine verächtliche Maitresse oder ein gemeiner Komödiant wird die Guineen in die Tasche schieben, welche gegen Euer Leben eingetauscht wurden.

O Ihr blinden Verschwender, die Ihr mit Menschenleben spielt und die Früchte ihrer Arbeit und ihres Schweißes vergeudet, späte Reue und nagende Gewissensbisse werden Eure Henker sein; aber diese können das Volk nicht trösten, das Ihr unter Eure Füße tretet. Ihr werdet Eure Arbeiter und deren Ernten, Eure Soldaten und Unterthanen vermissen, Ihr werdet weinen über das Unheil, dessen Urheber Ihr gewesen und das Euch selbst wie Euer ganzes Volk erdrücken wird. Ein furchtbarer Nachbar lacht über Eure Blindheit und bereitet sich vor, daraus Nutzen zu ziehen. Er schmiedet bereits die Ketten, in die er Euch schlagen wird; Ihr werdet unter der Last seines Joches seufzen und Euer Gewissen, welches dann gerechter sein wird als Euer fühlloses Herz, wird die rächende Furie des Uebels sein, welches Ihr gethan habt.

Und Ihr, betrogene, erniedrigte und verkaufte Völker, Ihr solltet über Eure Irrthümer erröthen! Laßt den Schleier von Euren Augen fallen und flieht den Boden, der vom Despotismus befleckt ist. Durchkreuzt das Meer, flieht nach Amerika; aber umarmt Eure Brüder, vertheidigt dieses edle Volk gegen die übermüthige Raubsucht seiner Verfolger, theilt sein Glück und vermehrt seine Stärke. Helft ihm durch Euren Fleiß und eignet Euch seine Reichthümer an, indem Ihr sie vergrößert; dies ist der Zweck der Gesellschaft, dies ist die Pflicht des Menschen, den die Natur dazu bestimmt hat, seinen Nächsten zu lieben, anstatt abzuschlachten. Lernt von den Amerikanern die Kunst, frei und glücklich zu sein, die Kunst, gesellschaftliche Einrichtungen zum Vortheile jedes Mitgliedes der Gesellschaft zu verwenden. Vergeßt in den geräumigen Zufluchtstätten, welche sie der duldenden Menschheit eröffnen, die Bethörung, deren Theilnehmer und Opfer Ihr waret. Begreift, was wahre Größe, wahrer Ruhm und wahres Glück ist. Mögen europäische Völker Euch beneiden und die Mäßigung der Bürger der neuen Welt segnen, die darauf verzichten werden, sie für ihre Verbrechen zu bestrafen und ihre entvölkerten Gebiete zu erobern, welche von tyrannischen Unterdrückern beherrscht und von den Thränen elender Sklaven befeuchtet werden.“

Der Landgraf von Hessen, nicht zufrieden mit dem Aufkauf der[S. 195] Mirabeau'schen Schrift, suchte diese sogar durch eine Antwort zu widerlegen, welche den Titel führte: „Vernünftiger Rath an die Hessen“ und sich selbstredend auf die feudalen Legitimitätslehren stützte. Mirabeau entgegnete ihm aber in einer „Erwiderung auf den vernünftigen Rath“, worin er, durch die Beweisführung des Gegners genöthigt, mehr auf die leitenden Grundsätze eingeht. „Wenn die Gewalt — sagt er dort — willkürlich und unterdrückend wird, wenn sie das Eigenthum angreift, zu dessen Schutz sie eingesetzt ist, wenn sie den Vertrag bricht, welcher ihr ihre Rechte sicherte und beschränkte, dann wird der Widerstand Pflicht und kann nicht Empörung heißen. Wenn das nicht wahr ist, dann sind die Holländer sammt und sonders Verbrecher und Empörer. Wer sich bemüht, seine Freiheit wieder zu erlangen und für dieselbe kämpft, der übt ein gesetzliches Recht aus; die Empörung dagegen ist eine durchaus gesetzliche Handlung. Das Verbrechen gegen die Freiheit der Völker ist die größte Unthat.“

Gegen diese und ähnliche Ausführungen ließ der Landgraf durch seinen Minister Schlieffen Artikel in die holländischen Zeitungen rücken, welche damals die gelesensten, weil einzig zensurfreien, waren. Auf Seiten Mirabeau's kämpfte noch der bekannte Abt Raynal, gegen den sich bald die ganze Wuth des Angriffs richtete, weil seine historischen Arbeiten ihm einen weitern Leserkreis sicherten, und er damals der Bekanntere von Beiden war.

Uebrigens scheint Schlieffen sich Mirabeau gegenüber nicht bloß auf eine literarische Fehde beschränkt zu haben. Einige Anzeichen deuten vielmehr darauf hin, daß er an der Auslieferung seines Gegners durch die Generalstaaten nicht unbetheiligt war. Mirabeau und Sophie waren am 7. Oktober 1776 in Amsterdam angekommen und lebten hier still und zurückgezogen, bis sie durch einen französischen Polizeispion entdeckt und am 14. Mai 1777 verhaftet wurden. Der „Avis aux Hessois“ war zu Anfang 1777 erschienen. Nun behaupten zwar die Biographen Mirabeau's, daß lediglich der alte Marquis und die Eltern Sophie's die Verhaftung der Flüchtlinge verlangt und durch den französischen Minister Vergennes unterstützt, auch bewirkt hätten; allein die Quellen, die sie anführen, sind sehr lückenhaft und theilweise sogar ganz hinfällig. So ist es z.B. unmöglich, daß am 14. Mai die Verhaftung auf Grund eines Urtheils hätte erfolgen können, welches, wie das in Pontarlier gegen Mirabeau und[S. 196] Sophie erlassene, am 10. Mai 1777, also nur vier Tage früher gesprochen war. Ein Erkenntniß lag also noch nicht vor, als die Auslieferungsverhandlungen begannen; es waren vielmehr nur Familienrücksichten und persönliche Rache der nächsten Angehörigen, welche mit Hülfe der französischen Diplomatie das betreffende Gesuch an die Generalstaaten stellten. Eine Verpflichtung derselben konnte nicht geltend gemacht werden; der Privatantrag eines französischen Grafen, wenn er auch vom Minister unterstützt wurde, gab noch keinen Grund ab, ihm willfährig zu sein. Selbst befreundeteren Mächten als der damaligen französischen Regierung gegenüber, hatten die Generalstaaten ganz besonders eifersüchtig das Asylrecht gewahrt, und wenn ihnen zu jener Zeit Mirabeau auch nur als eine gewöhnliche katilinarische Existenz galt, wie sie zu Dutzenden in Amsterdam lebten, so lag doch nach holländischer Anschauung keine Veranlassung vor, gegen ihn einzuschreiten. Es müssen also noch andere Gründe mit untergelaufen sein, welche das gegen Mirabeau heraufziehende Unheil zum Ausbruch und den Becher zum Ueberlaufen brachten. Und sollten nicht gerade hier die Klagen des kasseler Landgrafen und seines Ministers Schlieffen Beschwerden die letzten Tropfen, wenn nicht die bestimmenden Faktoren gewesen sein? Derartige Beeinträchtigungen des Geschäfts, wie sie der Rath an die Hessen enthielt, griffen den Landgrafen an seiner empfindlichsten Seite an. Die Holländer hatten alle Ursache, ihn zu schonen; sie waren seine alten Kunden und Geschäftsfreunde. Seine Brüder und Vorfahren hatten in holländischen Diensten gestanden oder standen noch darin; kurz die Generalstaaten thaten im eignen Interesse wohl daran, einem so gewissenhaften Lieferanten sich gefällig zu zeigen. Zudem war der Dienst, den er verlangte, nicht sehr groß; einem Mann wie Mirabeau gegenüber, der die herrschende Gewalt gegen sich hatte, konnte man um so leichter über Bedenken und Zweifel hinwegkommen, als Frankreich's Minister ja auch thätig für den die Auslieferung verlangenden Vater mit eintrat.

Am 10. Mai 1777 schrieb der damalige amerikanische Geschäftsträger in Holland, C.W.T. Dumas aus Amsterdam an den Ausschuß der auswärtigen Angelegenheiten in Philadelphia (Dipl. Corresp. IX., 318), daß der Verfasser des „Rathes an die Hessen“ verhaftet werden solle, was, wie oben angegeben, wirklich einige Tage später geschah. Warum, sagt der in jeder Beziehung gut unterrichtete Dumas nicht, daß Mirabeau[S. 197] ausgeliefert werden solle, warum nennt er diesen, der in den politischen Kreisen allgemein als Verfasser dieser Flugschrift bekannt war, nicht mit seinem Namen und bezeichnet ihn kurzweg als politischen Schriftsteller? Offenbar doch nur, weil er dessen persönliche Verhältnisse nicht kannte oder weil er sie in einem politischen Berichte für ganz untergeordnet hielt, kurz, weil er die Verhaftung des Mannes in eine sachliche Verbindung mit seiner Flugschrift brachte und weil diese Angelegenheit für seine Auftraggeber von großem politischen Interesse war.

Nach Mirabeau kam Raynal an die Reihe, gegen den sich freilich nur mit der Feder, wenn auch unglücklich polemisiren ließ. „Es ist schlimm — sagt Schlieffen in einer 1782 französisch geschriebenen Antwort gegen den „Deklamateur“ Raynal, welche füglich als Muster der hessischen „wahren Philosophie“ gelten kann, — daß die Menschen sich unter einander erwürgen; aber sie haben es von Nimrod an gethan bis auf Louis XVI.; es ist schlimm, daß sie zuweilen sich, ja ihre Unterthanen wegen fremden Streites vermiethen, aber es ist immer so gewesen von den Griechen an bis auf die Schweizer. Die 10,000 Griechen unter Xenophon waren dem jungen Cyrus wegen der Bezahlung gefolgt. Xantippus, der Besieger des Regulus, war ein lacedämonischer Söldling in Carthago. Warum also unsere Zeitgenossen für ein Vergehen verantwortlich machen, welches zu allen Zeiten dasselbe war und in der menschlichen Natur zu liegen scheint?

Im Mittelalter war die Gewohnheit, sich zu vermiethen, allgemein, namentlich bei den Deutschen, daher auch der heutige hessische Subsidien-Vertrag vielleicht der zehnte seit Anfang des Jahrhunderts. Ende vorigen Jahrhunderts schickte Venedig die Hessen nach Griechenland gegen die Türken; sie belagerten Athen und brachten ihrem Herrn für seine Museen Alterthümer von dort mit. Der Landgraf tritt also nur in die Fußtapfen seiner Vorgänger; aber diese verminderten die Steuern nicht, bauten nicht, erwiesen dem Lande keine Wohlthaten. Sein Volk liebt ihn wie einen Segen spendenden Vater; seine Stände errichten ihm schon bei Lebzeiten eine Statue. Und diesen Fürsten wagt ein Abbé Raynal, der ihn gar nicht kennt, geizig, geldgierig zu nennen!

Aber was geht dieser Krieg, heißt es, deutsche Fürsten an? Für Anhalt und Waldeck mag das der Fall sein; aber der Landgraf und Prinz von Hessen, sowie der Herzog von Braunschweig sind mit dem englischen[S. 198] Königshause nahe verwandt; ihre Nachkommen können eines Tages den englischen Thron besteigen.

Die Entfernung und das Klima schaden nichts. England, Frankreich und Spanien führen dort auch Krieg; die Hessen sind jetzt sechs Jahre dort und haben verhältnißmäßig nicht viel Leute verloren. Aber schadet diese Entvölkerung dem Lande nicht? Sie würde es vielleicht in einem großen Lande thun. In einem kleinen Staate dagegen ist das Verhältniß ein anderes, so lange hier Hände genug für den Landbau und die Industrie vorhanden sind. Die Hessen würden, wie die Schweizer, auch sonst in's Ausland wandern und somit dem Staate ohne Vortheil verloren gehen. Mißbräuche beim Einstellen unter's Militär mögen wohl hie und da vorkommen, allein das sind Ausnahmen. Wenn man den „Deklamatoren“ glauben wollte, so warteten diese uniformirten Sklaven, die von barbarischen Herren zur Unterdrückung der Freiheit der neuen Welt verkauft sind, nur auf die erste günstige Gelegenheit, um ihre Ketten abzuschütteln. Aber die drei bei Trenton gefangenen hessischen Bataillone liefern den Beweis des Gegentheils; nur wenige von ihnen haben sich unter den Amerikanern niedergelassen.

In den Augen dieser Zwitterphilosophen gilt diese Gleichgültigkeit der deutschen Soldaten gegen die Reize einer Gottheit, die ihnen so schön gemalt wird, als der tiefste Grad der Erniedrigung der menschlichen Vortrefflichkeit. In den Augen des unterrichteten Mannes dagegen ist es nur eine verschiedene Anschauungsweise; denn der Hesse sieht ohne Zweifel, daß der Amerikaner nicht freier ist, als er selbst; daß ein vom Kongreß angestellter Oberst ein ebenso roher Vorgesetzter ist als der vom Landgrafen ernannte, und daß ein Richter von Germantown nicht besser als ein Amtmann von Kassel oder Ziegenhayn ist.

Es handelt sich vor Allem um die individuelle Freiheit; sie ist überall prekär und Veränderungen unterworfen, wie die Gesundheit. Das Individuum ist in Amsterdam, Paris und Genf eben so frei, unterdrückt und beengt. Aber hüten wir uns, diese kostbare Freiheit mit der Sirene zu verwechseln, die ihre Maske blos trägt, um die Unglücklichen zu täuschen, die ihre verrätherische Stimme verführt, mit der gerühmten politischen Freiheit mancher Staaten, welche der persönlichen Freiheit häufig so schroff gegenüber steht, wie der härteste Despotismus. Die Jahrbücher der Geschichte zeigen, daß die republikanischen Regierungen eben so tyrannisch[S. 199] und grausam sind als die monarchischen. Der aufgeklärte Bürger weiß, woran er sich zu halten hat; aber der unwissende Enthusiast, der Schwachkopf, der nicht nachdenken kann, läßt sich leicht vom Bilde dieser falschen Freiheitsgöttin verführen. Es ist Zeit, daß die wahre Philosophie uns gegen die traurigen Verführungen ihrer Bastardschwester schütze.“

Größere Aufmerksamkeit als diese Zeitungs-Artikel und Abhandlungen erregte jedoch der kleine Pamphletkrieg, der von den französischen Feinden Englands und der deutschen Fürsten von Holland aus geführt wurde und sich die Aufgabe stellte, die Amerikaner immer wieder siegen zu lassen oder die Fürsten in den Augen des gebildeten Europa lächerlich und verächtlich zu machen. Selbst Franklin schöpfte in seinen Briefen in die Heimath oft, ohne es nur zu wissen, aus dieser keineswegs reinen Quelle, wenn er z.B. als neueste erfreuliche Thatsache die im vorigen Kapitel erwähnte Anekdote meldet, daß Friedrich der Große von den Minden passirenden Hessen den Viehzoll erhoben habe, weil sie ja als Vieh verkauft seien, wie er denn auch allen Ernstes glaubte, daß der Markgraf von Anspach in Holland vom Pöbel verfolgt und verhöhnt worden sei. Die englischen Oppositionszeitungen machten sich ein besonderes Geschäft daraus, diese vom Parteiinteresse erfundenen Anekdoten weiter zu verbreiten. Natürlich fanden sie in der damaligen amerikanischen Presse stets ihr getreues Echo.

Unter diesen zahllosen Tendenzlügen hat besonders ein Brief unverdientes Aufsehen gemacht und sich bis auf den heutigen Tag erhalten, den der Graf Schaumburg, Prinz von Hessen-Kassel, am 8. Februar 1777 aus Rom an den Oberbefehlshaber der hessischen Truppen in Amerika, von Hohendorff, geschrieben haben soll; er hat der kritik- und gedankenlosen Geschichtsschreibung so viel Kopfzerbrechens verursacht, daß die Frage ob seiner Echtheit der Gegenstand verschiedener Artikel und Ausführungen geworden ist. Dieser Brief scheint zuerst durch Löher's mehr patriotisches als kritisches Werk über die Geschichte der Deutschen in Amerika in der Heimath bekannt geworden zu sein. Er lautet:

„Baron Hohendorff! Ich erhielt zu Rom bei meiner Zurückkunft aus Neapel Ihren Brief vom 27. Dez.v.J. Ich ersah daraus mit unaussprechlichem Vergnügen, welchen Muth meine Truppen entfalteten, und Sie können sich meine Freude denken, als ich las, daß von 1950 Hessen, die im Gefechte waren, nur 300 entflohen. Da wären dann gerade 1650 erschlagen und ich kann nicht genug Ihrer Klugheit anempfehlen, eine genaue[S. 200] Liste an meinen Bevollmächtigten in London zu senden. Diese Vorsicht würde um so mehr nöthig sein, als die dem englischen Minister zugesandte Liste aufweist, daß nur 1455 gefallen seien. Auf diesem Wege sollte ich 160,050 fl. verlieren. Nach der Rechnung des Lords von der Schatzkammer würde ich blos 483,450 fl. bekommen, statt 643,000 fl. Sie sehen wohl ein, daß ich in meiner Forderung durch einen Rechnungsfehler gekränkt werden soll, und Sie werden sich daher die äußerste Mühe geben, zu beweisen, daß Ihre Liste genau ist und die seinige unrichtig. Der britische Hof wendet ein, daß nur 100 verwundet seien, für welche sie nicht den Preis von todten Leuten zu bezahlen brauchten.... Erinnern Sie daran, daß von den 300 Lazedämoniern, welche den Paß bei Thermopylä vertheidigten, nicht Einer zurückkam. Ich wäre glücklich, wenn ich dasselbe von meinen braven Hessen sagen könnte. Sagen Sie Major Mindorf, daß ich außerordentlich unzufrieden bin mit seinem Benehmen, weil er die 300 Mann gerettet habe, welche von Trenton entflohen. Während des ganzen Feldzugs sind nicht 10 von seinen Leuten gefallen.“ — — —

Wenn nur einer der Abschreiber sich die Mühe gegeben hätte, den hessen-kassel'schen Truppenlieferungs-Vertrag vom 31. Januar 1776 nachzulesen, so würde er sofort den schlagendsten Beweis für die Unechtheit des obigen Briefes gefunden haben. Der Landgraf von Hessen hatte es nämlich, wie wir bereits im vierten Kapitel gesehen haben, für vortheilhafter gehalten, den englischen Vorschlag, sich die Gefallenen und Todten baar vergüten zu lassen, nicht anzunehmen, weil er ohne Kontrolle sein wollte und weil er dadurch, daß er die nicht mehr vorhandenen Soldaten auf der Präsenzliste noch eine Zeit lang fortführte, mehr Geld in seine Tasche spielen konnte. Abgesehen von diesem im Wesen der Sache liegenden Grunde, sind die äußeren Unwahrscheinlichkeiten nicht minder groß. Einmal gab es keinen Grafen von Schaumburg, Prinzen von Hessen-Kassel, dann aber gab es weder einen Herrn von Hohendorff, noch einen Major Mindorf, endlich aber war es zu jener Zeit unmöglich, daß ein Brief vom 27. Dezember schon am 8. Februar in Rom sein konnte. In England selbst traf die Hiobspost von der Niederlage bei Trenton erst gegen Mitte Februar ein; eine direktere Verbindung mit Europa existirte damals aber nicht.

Dieser Brief ist nichts als die amerikanische Verballhornung eines französischen Pamphlets, welches offenbar aus den Mirabeau'schen Kreisen[S. 201] hervorgegangen ist und im Anhang nachgelesen werden mag; er erschien in den vierziger Jahren, zur Blüthezeit der nativistischen Bewegung, als ein „Campaignpaper“ gegen die Fremden, besonders uns Deutsche, und Herr Löher, scheint es, hat ihn auf Treu und Glauben als echt angenommen und aus einer St. Louiser Zeitung abgeschrieben. In Amerika glaubt man noch heute an seine Echtheit.

Uebrigens ist nichts unwahrer und verlogener, als die weinerliche Sentimentalität, mit welcher kleinstaatliche deutsche Offiziere für den Landgrafen von Hessen gerade wegen dieses Briefes in die Schranken getreten sind. Als ob ein deutscher Fürst einer so zynischen Offenheit gar nicht fähig gewesen wäre! Zu welchem Zwecke stiehlt er denn tausend und aber tausend Unglückliche, als um Geld aus ihnen herauszuschlagen? Zu welchem Ende bittet der Herzog von Braunschweig den englischen Minister, die bei Saratoga geschlagenen Braunschweiger ja nicht in die Heimath zurückzuschicken? Doch aus keinem andern Grunde, als um sich durch die wahre Schilderung, welche die Zurückgekehrten voraussichtlich von ihren Leiden in Amerika machen würden, die Fortsetzung des gewinnreichen Geschäfts nicht zu verderben. Warum reist der Markgraf von Anspach so eilig aus der Residenz ab, daß er sogar seine Uhr auf dem Tische liegen läßt und nicht einmal ein frisches Hemd mitnimmt, ja, warum begleitet er im rauhen Winter seine Truppen bis Holland? Einfach, weil er eine neue Meuterei und den Verlust seiner Subsidien befürchtet und weil er nicht beabsichtigt, einen so reichen in Aussicht stehenden Gewinn fahren zu lassen. Die sittliche Entrüstung über den Verfasser dieses „monströsen“ Briefes ist also gar nicht am Platze, dagegen ist sie den Fürsten gegenüber, die Anlaß zu seiner Erfindung gegeben haben, vollkommen gerechtfertigt. Der Pamphletist hat nur die logischen Folgerungen aus den fürstlichen Prämissen gezogen. Wer in Fleisch und Blut handelt, will natürlich auch seine Waare bezahlt haben; je mehr er erhält, desto besser! Das ist ein einfaches Rechen-Exempel. Aufstellungen und Berechnungen, welche den Gegenstand des fraglichen Briefes bilden, wurden von den bei der Seelenverkäuferei betheiligten Fürsten fast täglich beim englischen Ministerium eingereicht; sie stritten sich jahrein, jahraus mit diesem um Pfennige, Groschen und Thaler herum, und einem einzigen Todten wurde lediglich aus finanziellen Gründen mehr Aufmerksamkeit erwiesen, als fünfzig Lebendigen. Der Pamphletist hat also nichts gethan, als den gegebenen Fall in seinen haarsträubenden[S. 202] Konsequenzen ausgeführt und dadurch das Treiben der deutschen Fürsten in seiner ganzen Verächtlichkeit gezeigt.

Daß übrigens die Versicherungen dieser Herren von ihrer unbegränzten Treue, ihrem gehorsamen Ersterben, ihrer unterthänigen Verehrung der hohen Tugenden ihres erhabenen und großherzigen Beschützers, des Königs von England, in Wirklichkeit wenig oder vielmehr gar nichts bedeuteten, daß sie schnöde Redensarten waren, um sich desto besser und glatter ein gewinnbringendes Geschäft zu sichern, diese Thatsache ergiebt sich ganz unmittelbar aus einem Briefe, den Franklin am 9. August 1780 aus Passy an den Präsidenten des Kongresses richtete. „Der deutsche Fürst — schreibt er — der mir vor einigen Monaten anbot, dem Kongreß Truppen zu liefern, dringt wiederholt auf Antwort. Ich machte ihm keine große Hoffnungen, sondern gab ihm zu verstehen, daß Sie voraussichtlich einen derartigen Vorschlag nicht annehmen würden.“ (Franklin's Werke VIII., 490.) Wer dieser von Franklin nicht genannte Fürst war, ist ganz gleichgültig. Er handelte jeden Falls im Einklang mit der Ueberlieferung seiner Standesgenossen, welche — siehe S.21 und 22 — womöglich ihre Truppen an beide Krieg führenden Parteien verkauften. Wenn der persönliche Haß gegen „die Rebellen“ auch groß war, ihr Geld war nicht schlechter als das englische, und wenn man einen guten Vertrag bekam, so lag gar nichts daran, ob der verkaufte Soldat auf republikanischer oder königlicher Seite fiel.

In derselben vernichtenden Weise wie Mirabeau und seine politischen Freunde spricht sich auf deutscher Seite Schiller in „Kabale und Liebe“ gegen den Soldatenhandel aus. Er hatte wie Mirabeau persönlich, wenn auch nicht so lange Zeit, den Despotismus kennen gelernt und zeichnete also nach der Natur. Die grausige Darstellung eines Zustandes, in welchem der Privilegirte Alles wagen konnte, der Unglückliche Alles verlieren mußte, bildet den Vorwurf eines Stückes, dessen zweiter Akt speziell auf die Unglücklichen zurückkommt, welche von ihren Fürsten nach Amerika verkauft waren. Es geschieht dies an der Stelle, wo die gutherzige Lady Milford — es ist charakteristisch für die Zeit, daß eine fremde Maitresse die edelste Person an einem deutschen Hofe ist — voll Verachtung und Entsetzen die Diamanten zurückweist, als sie erfährt, daß sie mit dem für die verkauften Soldaten gewonnenen Gelde beschafft sind. „Gestern — sagt der Kammerdiener — sind 7000 Landeskinder nach Amerika fort [S. 203]die zahlen Alles; ich habe auch ein paar Söhne darunter.“ „Doch keine gezwungenen?“ fragt die Lady. „O Gott nein — fährt der Kammerdiener fort — lauter Freiwillige! Es traten wohl etliche vorlaute Bursche vor die Front und fragten den Obersten, wie theuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe? Aber unser gnädigster Landesfürst ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschiren und die Maulaffen niederschießen. Wir hörten die Büchsen knallen, sahen ihr Gehirn auf's Pflaster spritzen, und die ganze Armee schrie: Juchhe nach Amerika! Die Herrlichkeit hättet Ihr nicht versäumen sollen, wie uns die gellenden Trommeln verkündigten, es ist Zeit, und heulende Waisen dort einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine wüthende Mutter lief, ihr säugendes Kind am Bajonette zu spießen, und wie man Braut und Bräutigam mit Säbelhieben auseinander riß, und wie Graubärte verzweiflungsvoll dastanden und den Burschen noch zuletzt die Krücken nachwarfen in die neue Welt! O! und mitunter das polternde Wirbelschlagen, damit der Allwissende uns nicht sollte beten hören! — — Noch am Stadtthore drehten sie sich um und schrieen: Gott mit Euch, Weib und Kinder! Es lebe unser Landesvater, am jüngsten Gerichte sind wir wieder da!“

Als Modell des hier gezeichneten Landesvaters hat dem Dichter offenbar der Markgraf von Anspach gedient, dessen Truppen sich beim Ausmarsche empörten, während in Lady Milford eher die Gräfin Franziska Hohenheim, die Maitresse des würtembergischen Herzogs, als Lady Craven, die Maitresse des Anspachers, geschildert zu sein scheint. Es war übrigens ein Glück für den jungen Dichter und für Deutschland, daß in Folge der preußischen Chikanen Karl Eugen mit dem englischen Minister des Handels nicht einig wurde, und daß demnach die würtembergischen Truppen zu Hause blieben, denn sonst hätte der junge „Regimentsmedikus“ sehr leicht eine „Berufsreise“ nach Amerika antreten und die Studien zu seiner Nadowessischen Todtenklage unter den Mohawks oder Mohikans machen können.

Wenn Schiller auch die Stimmungen und Gefühle eines großen Theils der gebildeten deutschen Jugend ausspricht, so verhielt sich Deutschland im Ganzen doch gleichgültig gegen diese erzwungene Betheiligung seiner Söhne am amerikanischen Kriege. Eine eigentliche politische Ueberzeugung und selbständige politische Interessen, folglich politische Parteien,[S. 204] gab es vor 1789 in Deutschland nicht. Politische Fragen im heutigen Sinne des Wortes kannten damals selbst die bedeutendsten Geister der Nation kaum. Es ist eine in dieser Beziehung höchst charakteristische Erscheinung, daß unser größter deutscher Dichter, der im ersten Jahre des amerikanischen Krieges seinen Triumpheinzug in Weimar hielt und gerade während desselben seinen Ruhm in Deutschland fest begründete, daß Goethe so wenig von den Ereignissen jenseits des Ozeans berührt wurde, daß er sie höchstens zwei Mal vorübergehend erwähnt. Das eine Mal spielt er ziemlich schüchtern und versteckt auf den Soldatenhandel an. Es geschieht dies, wie neuerdings überzeugend von Adolf Schöll nachgewiesen wurde, in dem 1781 verfaßten Scherzgedichte: „Das Neueste aus Plundersweilen.“ Es wird hier gleich zu Anfang die Erweiterung des Ortes und die Zunahme seiner Bevölkerung gerühmt, dann heißt es:

„Und zwar mag es nicht etwa sein,
Wie zwischen Kassel und Weißenstein,
Als wo man emsig und zu Hauf'
Macht Vogelbauer auf den Kauf,
Und sendet gegen fremdes Geld
Die Vöglein in die weite Welt.“

Weißenstein ist die jetzige Wilhelmshöhe bei Kassel. In der Nähe befand sich ein Gefängniß, dessen Insassen mit der Anfertigung von Vogelkäfigen beschäftigt wurden, welche man im Großen zu verkaufen pflegte. Während man auf diese Weise dem auswärtigen Gefieder Quartiere schaffte, wurden die werthvollsten und einheimischen Vögelein, die kriegsfähigen, jungen Leute nach den norddeutschen Häfen getrieben, um in Amerika (der weiten Welt) zu dienen. Dies ist der Sinn der obigen zahmen Satire, bei deren Druck Goethe die Worte Kassel und Weißenstein ausgelassen hatte, welche erst Schöll aus dem von ihm eingesehenen Original der Dichtung ergänzte. Das andere Mal drückt sich Goethe weniger vorsichtig aus. Es ist dies im siebenzehnten Buche von Wahrheit und Dichtung, wo er von seiner eben mit Lili geschlossenen Verlobung sprechend („Es war ein seltsamer Beschluß des hohen über uns Waltenden, daß ich in dem Verlaufe meines wundersamen Lebensganges doch auch erfahren sollte, wie es einem Bräutigam zu Muthe sey. Ich darf wohl sagen, daß es für einen gesitteten Mann die angenehmste aller Erinnerungen sey.“) und zum Besondern zurückkehrend, das ruhige Glück des Zeitungslesens preist[S. 205] und die gebietenden Mächte der damaligen politischen Welt schildert. Nachdem er Friedrich den Großen, Katharina II. und Gustav III. von Schweden erwähnt, fährt er, den Kampf des letztern mit seinem Adel berührend, fort:

„Die Aristokraten, die er unterdrückt, werden nicht bedauert; denn die Aristokratie überhaupt hatte keine Gunst bei dem Publikum, weil sie ihrer Natur nach im Stillen wirkt und um desto sicherer ist, je weniger sie von sich reden macht; und in diesem Falle dachte man von dem jungen König um desto besser, weil er, um dem obersten Stande das Gleichgewicht zu halten, die unteren begünstigen und an sich knüpfen mußte.

Noch lebhafter aber war die Welt interessirt, als ein ganzes Volk sich zu befreien Miene machte. Schon früher hatte man demselben Schauspiel im Kleinen gern zugesehen; Corsika war lange der Punkt gewesen, auf den sich aller Augen richteten; Paoli, als er, sein patriotisches Vorhaben nicht weiter durchzusetzen im Stande, durch Deutschland nach England ging, zog aller Herzen an sich, es war ein schöner, schlanker, blonder Mann voll Anmuth und Freundlichkeit; ich sah ihn in dem Bethmann'schen Hause, wo er kurze Zeit verweilte und den Neugierigen, die sich zu ihm drängten, mit heiterer Gefälligkeit begegnete. Nun aber sollten sich in dem entfernteren Welttheile ähnliche Auftritte wiederholen; man wünschte den Amerikanern alles Glück und die Namen Franklin und Washington fingen an, am politischen und kriegerischen Himmel zu glänzen und zu funkeln. Manches zur Erleichterung der Menschheit war geschehen, und als nun gar ein neuer wohlwollender König von Frankreich die besten Absichten zeigte, sich selbst zur Beseitigung so mancher Mißbräuche und zu den edelsten Zwecken zu beschränken, eine regelmäßig auslangende Staatswirthschaft einzuführen, sich aller willkürlichen Gewalt zu begeben, und durch Ordnung, wie durch Recht allein zu herrschen; so verbreitete sich die heiterste Hoffnung über die ganze Welt, und die zutrauliche Jugend glaubte sich und ihrem ganzen Zeitgeschlechte eine schöne, ja herrliche Zukunft versprechen zu dürfen.“

Eine dritte Stelle gehört eigentlich nicht hierher; allein, da sie Goethe's Bezugnahme auf Amerika aus dieser Periode abschließt, so möge sie, da sie eine weitere Perspektive eröffnet, hier noch einen Platz finden. „Lili, sagt er im neunzehnten Buche von Wahrheit und Dichtung, hatte geäußert, sie unternehme wohl aus Neigung zu mir, alle dermaligen Zustände[S. 206] und Verhältnisse aufzugeben und mit nach Amerika zu gehen. Amerika war damals vielleicht noch mehr als jetzt das Eldorado derjenigen, die in ihrer augenblicklichen Lage sich bedrängt fanden.“ Soweit Goethe. Klopstock und Lessing zeigten ein kaum mehr als oberflächliches Interesse für den amerikanischen Krieg. Nur von Kant wissen wir, daß er auf's Lebhafteste Partei für die Vereinigten Staaten gegen England ergriff und daß er durch die ruhige, überlegene Begründung seines Urtheils sogar einen bisher leidenschaftlichen Anhänger der königlichen Sache, seinen spätern Freund, den Engländer Green zu sich herüberzog.

Von den literarischen Zeitgenossen zweiten Ranges verherrlichten Nicolai und sein Kreis den amerikanischen Krieg in schwülstiger Prosa und noch schwülstigerer Poesie, über welche letztere, namentlich die Oden, der Göttinger Professor Schloezer mit Geist und Hohn die Lauge seines Spottes ausschüttete. Unter den damaligen Dichtern hat u.A. der Schwabe Schubart einige Lieder hinterlassen, welche begeistert die amerikanische Revolution feiern: so das übrigens sehr schwache Freiheitslied eines Kolonisten, welches dadurch interessant ist, daß den damaligen Deutschen der noch viel weniger als unbedeutende alte Israel Putnam als amerikanischer Freiheitsheld galt. Obschon 1776 geschrieben, wird Washington nicht einmal mit dem bloßen Namen erwähnt. Von den deutschen Soldaten dagegen nahmen die hervorragensten Zeitgenossen kaum Notiz. Nur in dem von G. Waitz veröffentlichten Werke Karoline (geborene Michaelis und später verehlichte Böhmer, A.W. Schlegel und Schelling) findet sich ein beredeter Schrei der Entrüstung, welcher der jugendlichen, noch nicht neunzehnjährigen Briefstellerinn alle Ehre macht. Sie war mit Frau Schloezer von Göttingen nach Kassel gefahren, um dort deren von der Reise zurückgekehrten Mann, den genannten berühmten Publizisten abzuholen. „Ich habe Kassel gesehen, schreibt sie am 16. April 1782 an eine Freundinn. Im Hinweg wohnten wir auch in Münden einem merkwürdigen, aber traurigen Schauspiel bei, der Einschiffung der Truppen nach Amerika. Welch eine allgemeine mannigfaltige grause Abschiedsszene! Die Gegend um Münden ist so romantisch, daß sie zu solch einer Szene wie geschaffen zu sein scheint. Dir, liebe Louise, brauche ich nicht zu sagen, wie mir Kassel gefallen hat; nur machte mich der Gedanke unwillig, daß der Landgraf in Münden Menschen verkaufte, um in Kassel Paläste zu bauen. Wir logirten auf dem Königsplatz. Die Kolonade, wo ich die[S. 207] Wachtparade aufziehen und auch, mit allem Respekt gesprochen, das Vieh, den Landgrafen sah, hat mir vorzüglich gefallen. Schloezer kam mitten in der Nacht.“

Deutschlands Ton angebende Klassen endlich betrachteten diesen Soldatenhandel einfach als ein fürstliches Hoheitsrecht und fanden es nicht einmal der Mühe werth, ein Wort darüber zu verlieren. Nun sagt zwar Niebuhr in seiner Geschichte des Zeitalters der Revolution: „Je mehr die Subsidienkontrakte mit England gehässig und verflucht waren, um desto mehr nahm man Antheil an der Sache Amerika's. Die Stimmung war so sehr aus aller natürlichen Fassung gerückt, daß die Nachricht von der Gefangennehmung deutscher Truppen durch Washington 1776 allgemein Jubel statt Schmerz erregte;“ allein der treibende Grund lag doch wohl mehr im persönlichen Hasse und in persönlicher Erbitterung als in politischer Erkenntniß. Ein deutscher Schweizer, Georg Müller, Bruder des Geschichtsschreibers Johannes Müller und näherer Freund Herders, trieb — allerdings ein einzig dastehendes Beispiel! — seinen schaffhausenschen Konservatismus so weit, daß er über England nach Amerika gehen wollte, um gegen die „Rebellen“ zu kämpfen. Im entgegengesetzten Sinne ließ sich der Bruder Johannes Müller, mit einer sentimentalen Ueberschwänglichkeit der Unwissenheit, die später bei uns durch Rotteck u.A. zum widerlichen Gemeinplatz breit getreten wurde, über den Unabhängigkeitskrieg aus: „Von der andern Seite des Weltmeeres, sagte er, leuchtete eine reizende Flamme der Freiheit mit elektrischer Kraft für die Westeuropäer, mit anziehender Kraft für die empor, welche ihrer Nachkommenschaft Genuß der Menschenrechte und sichern Wohlstand verschaffen wollten.“

Die Massen endlich waren so gedrückt, arm, unwissend und an blinden Gehorsam gewöhnt, daß sie die Willkür ihrer Herrscher als eine Fügung des Schicksals geduldig hinnahmen.


[S. 208]

Elftes Kapitel.

Es ist schwer, wenn nicht unmöglich, die Zahl der von jedem der betheiligten Fürsten gelieferten Soldaten ganz genau festzustellen, so lange nicht sämmtliche deutsche Archive dem Forscher geöffnet werden. Die englischen Quellen, so zuverlässig sie sich sonst auch in den unbedeutendsten, die deutschen Miethstruppen betreffenden Einzelheiten erweisen, reichen deshalb nicht überall aus, weil in ihnen sehr häufig die Kontingente der einzelnen Staaten unter der allgemeinern Bezeichnung „deutsche Rekruten“ oder „deutsche Verstärkungen“ zusammengefaßt sind.

Die von Schloezer in seinen Staatsanzeigen (VI, 521) zuerst veröffentlichte Berechnung ist, so viel sich nach den vorhandenen Materialien beurtheilen läßt, mit nur geringen Ausnahmen richtig. Sie stützt sich, wie aus der gleichlautenden Abschrift in den anspacher Manual-Akten hervorgeht, auf den amtlichen Bericht des hannöverschen Majors Niemeyer vom Dragoner-Regiment v. Estorff, „der als verordneter Kommissar beim Transport die Ausschiffung der deutschen Truppen und deren General-Return zu überwachen hatte.“ Nur bei Anspach findet sich ein erheblicher Fehler, indem 717 vom Markgrafen gelieferte Rekruten und Jäger bei Berechnung des dortigen Kontingents ausgelassen, also im Ganzen nur 1644 statt 2383 Mann aufgeführt sind. Es bleibt ferner fraglich, ob die Angabe bei Hanau korrekt ist, wo die Zahl der zu verschiedenen Zeiten verkauften Soldaten zusammengezogen wurde; jeden Falls kommt sie aber dem wirklichen Sachverhalt sehr nahe, wenn sie ihn nicht völlig deckt; überhaupt stimmen im Wesentlichen die Angaben Niemeyers mit den Berechnungen der englischen Musterungsoffiziere und den sonstigen, vom Verfasser benutzten Quellen überein. Ganz unbedingt zuverlässig sind sie aber, soweit die Zahl der zurückgekehrten Truppen in Betracht kommt, da Niemeyer hier überall als der die Ausschiffung und Weiterbeförderung leitende Beamte die Waffengattung und den jedesmaligen Rang der Angehörigen der einzelnen Kontingente spezifizirt, während er über die früheren Einschiffungen nur von Hörensagen und auf Angaben Dritter hin berichtet. Die von ihm und Schloezer mitgetheilten Zahlen, nach Berichtigung der nachweisbaren Irrthümer, gehen aus der nachstehenden Tabelle hervor. Darnach haben im Ganzen geliefert, verloren und zurückerhalten:

[S. 209]

1) Braunschweig als Subsidien 4,300
Rekruten im März 1777 224
April 1778 475
April 1779 286
Mai 1780 266
April 1782 172
———— —————
Im Ganzen 5,723 Mann.
———— —————
Zurückgekehrt im Herbst 1783 2,708
Verlust 3,015
2) Hessen-Kassel als Subsidien 12,805
Rekruten im Dzbr. 1777 403
März 1779 993
Mai 1780 915
April 1781 915
April 1782 961
———— —————
Im Ganzen 16,992 Mann.
———— —————
Zurückgekehrt im Herbst 1783 und Frühjahr 1784 10,492
———— —————
Verlust 6,500
3) Hessen-Hanau als Subsidien 2,038
Rekruten im April 1781 50
April 1782 334
———— —————
Im Ganzen 2,422 Mann.
Zurückgekehrt im Herbst 1783 1,441
———— —————
Verlust 981
4) Anspach als Subsidien 1,285
Rekruten 1777 318
1779 157
1780 152
1781 205
1782 236
———— —————
Im Ganzen 2,353 Mann.
Zurückgekehrt im Herbst 1783 1,183
———— —————
Verlust 1,170
[S. 210]
5) Waldeck als Subsidien 670
Rekruten im April 1777 89
Febr. 1778 140
Mai 1779 23
April 1781 144
April 1782 159
———— —————
Im Ganzen 1,225 Mann.
Zurückgekehrt im Herbst 1783 505
———— —————
Verlust 720
6) Anhalt-Zerbst als Subsidien 600
Rekruten im April 1779 82
Mai 1780 50
Vermehrung und
Rekruten im April 1781 420
———— —————
Total 1,160 Mann.
Zurückgekehrt im Herbst 1783 984
———— —————
Verlust 176
———————————————
Im Ganzen zurückgekehrt 17,313
Total-Verlust 12,562
Gesammtzahl der gelieferten Truppen 29,875 Mann.

Auch die für jene Zeit kolossalen Geldzahlungen lassen sich nur annähernd und mit großer Schwierigkeit feststellen. Es liegen zwar in den „Journals of the House of Commons“ die genau spezifizirten Aufstellungen vor, welche das Kriegsministerium jährlich dem Parlamente zur Genehmigung vorlegen mußte; indessen erstrecken sie sich nur auf den ordentlichen Etat. Alle außerordentlichen Ausgaben mußten besonders bewilligt werden und finden sich in den sogenannten „extraordinary services“ der Kriegszahlmeister versteckt. Ihre Rechnungen nehmen jedes Jahr zwischen zehn und vierzig Folioseiten ein und enthalten oft unter ganz anderen Ueberschriften die den deutschen Fürsten geschuldeten außerordentlichen Summen. Nirgend begegnet man z.B. in diesen Rechnungen der von Braunschweig ausbedungenen Zahlung für die Todten und Verwundeten. Es scheint, daß die englischen Minister den Anstoß vermeiden wollten, dem sie sich durch offene Bezeichnung dieser Rubrik ausgesetzt haben würden; sie bringen deshalb auch nur Soldrückstände in Anrechnung. Während[S. 211] sich nun ziemlich annähernd feststellen läßt, wie viel England für die deutsche Hülfsleistung zu zahlen hatte, kann dagegen nicht mit Bestimmtheit ermittelt werden, wie viel von den gezahlten Summen für die Soldaten ausgegeben wurde, und wie viel in die Taschen der Fürsten floß.

In der hier folgenden Aufstellung sind zu Gunsten der letzteren daher nur diejenigen Beträge berechnet, welche ihnen auf Grund der betreffenden Verträge rechtlich zukamen, d.h. die jährlichen Subsidien und die Werbegelder, soweit sie in dem englischen Etat berechnet worden. Sie kommen hier allerdings nur in den ersten Jahren vor; indessen waren sie später nicht mehr so bedeutend als anfangs. Von ihnen mußten die Fürsten allerdings die Rekrutirungskosten bestreiten, die namentlich gegen Ende des Krieges immer mehr anschwollen; allein wenn man andrerseits die englischen Zahlungen nicht in Anschlag bringt, welche für Todte und Verwundete entrichtet wurden, wenn man ferner bei Hessen-Kassel die Selbständigkeit in der Aufstellung seiner Etats in Erwägung zieht, die jede Kontrolle unmöglich machte, und wenn man endlich die doppelte englische Löhnung nicht vergißt, die in manchen Fällen zwei Monate vor dem Abmarsch gezahlt werden mußte, so erhalten nach dieser Aufstellung die deutschen Fürsten eher zu wenig als zu viel. Der hessische Landgraf und sein Sohn setzten es auch sogar durch, daß ihnen für ihre Offiziere Werbegelder bezahlt wurden. Natürlich steckten die beiden Landesväter den Betrag in ihre eigene Tasche. So erhielt der Landgraf am 12. Juni 1776 nachträglich an Handgeld für seine Offiziere 3992 Pfund, also 26,622 Thlr., wovon im Etat nichts steht. Für die Ausrüstung und Equipirung der Soldaten zahlten sie nichts, sondern zogen die Kosten dafür von der englischen Löhnung ab, indem sie den Soldaten nur ¾ von letzterer verabfolgten. Da nun jeder derselben 8 Pence per Tag erhielt, so mußte er sich einen Abzug von 2 Pence per Tag oder mehr als 3 Pfund Sterling per Jahr gefallen lassen. Die zahllosen Betrügereien aber, die sich sämmtliche Lieferanten, namentlich der Landgraf von Hessen-Kassel, oft in sehr ausgedehnter Weise ihren Truppen gegenüber zu Schulden kommen ließen, sind hier gar nicht in Anschlag gebracht.

England zahlte also von 1775 bis 1785, da einzelne Subsidien noch zwei Jahre nach der Rückkehr der Truppen fortdauerten, an etatsmäßig verrechneten Ausgaben:

[S. 212]

für die Soldaten an den
Hannover £ 509,000. 16. 11 ½
Braunschweig 644,346. 14. 2 Herzog £ 178,689. —. 5 ½
Hessen Kassel 2,152,037. 5. 9 ¾ Landgrafen 1,254,197. 16. 3
Hessen Hanau 273,304. 3. 1 ¼ Erbprinzen 137,512. 6. 5 ¾
Waldeck 90,528. 3. 4 ¼ Fürsten 57,788. 10. 3 ½
Anspach 211,026. 5. 7 ½ Markgrafen 105,335. 4. 6 ½
Anhalt Zerbst 79,088. 18. 6 Fürsten 43,052. 14. 9 ½
————————— —————————
Im Ganzen £ 3,959,332. 7. 6 ¼ £ 1,776,575. 12. 9 ¾

Löhnung, Subsidien und ein Theil der Werbegelder belaufen sich also zusammen auf Lstr. 5,735,908. —. 4.

Dazu kommen noch über Lstr. 500,000 für Verpflegung der Truppen in Amerika, die Transportkosten hin und zurück, Gratifikationen, Reisespesen der englischen Kommissare, Geschenke und Ersatz des schadhaft gewordenen oder verloren gegangenen Materials, so daß im Ganzen wenigstens sieben Millionen Pfund Sterling oder annähernd fünfzig Millionen preußische Thaler als Gesammtbetrag der englischen Kosten für die deutsche Hülfe nicht zu hoch gegriffen sind. Diese Summe macht aber wenigstens 120–150 Millionen Thaler nach heutigem Geldeswerthe aus.

Man darf hierbei nicht außer Acht lassen, daß die Fürsten die ganzen Subsidien fast ungeschmälert behielten, da sie während der Abwesenheit ihrer Soldaten die Steuern und Lasten so gut wie gar nicht herabsetzten. Wenn sie es überhaupt thaten, so erreichte die Verminderung noch nicht einmal annähernd den Betrag der Zinsen, welche sie von den ihnen jährlich gezahlten englischen Kapitalien in Empfang nahmen. Verschiedene der Soldatenhändler versprachen zwar beim Ausmarsch ihrer Truppen ihren getreuen Unterthanen, die Lasten zu erleichtern, so oft es die Bedürfnisse des Staates (d.h. Serenissimi) erlauben würden, allein war es ein Zufall oder ein Unglück? die Bedürfnisse erlaubten es eben niemals. Wir haben im vierten Kapitel gesehen, daß der Landgraf von Hessen dem Lande den zur Kriegskasse fließenden Schreckenberger und die Hälfte der erstmonatlichen Kriegs-Kontribution erließ, während der Erbprinz von Hanau nur den Eltern und Frauen der Soldaten, sowie den elternlosen Unteroffizieren und Gemeinen die Abgaben schenkte, der übrigen Bevölkerung aber nicht den geringsten Nachlaß bewilligte. Der Braunschweiger[S. 213] verwandte alle seine Einnahmen aus dem Soldatenverkauf auf seine noblen Passionen und Tilgung seiner Schulden. Daß der Waldecker und Zerbster den Sündenlohn als Ausfluß ihres göttlichen Rechts ohne jeden Abzug in ihre Taschen steckten, versteht sich ganz von selbst. Der anspacher Markgraf endlich gab der Markgrafschaft Bayreuth einen solchen Bettelpfennig von seinem reichen Gewinn ab, daß er sich wie der schnödeste Hohn auf seine ersten freigebigen Versprechungen ausnimmt. Die anspacher Manual-Akten enthalten die genauen Belege für diese schäbige Finanzoperation Serenissimi, welche den besten zahlenmäßigen Beweis landesväterlicher Zuneigung liefert und deshalb in ihren Hauptzügen hier angeführt werden soll.

Unmittelbar, nachdem Gemmingen den anspacher Vertrag mit Faucitt abgeschlossen hatte, bat der bayreuthische Minister Seckendorff um die Erleichterung der Markgrafschaft oberhalb des Gebirges. Seine Forderungen waren bescheiden und billig. Er verlangte zunächst für die Landschaft den Erlaß der Summen, welche sie bisher für das Militär bezahlt hatte, wodurch man in den Stand gesetzt werde, die Abgaben um wenigstens sechs Prozent zu verringern und namentlich die Bürgerschaft von Bayreuth zu erleichtern, welche täglich 45–50 Mann für die Wachen stellen mußte, was bei 10 oder 15 Kreuzer pr. Mann jährlich 4166 fl. 30 kr. resp. 4562 fl. 30 kr. ausmachte. Dann bat er während der Dauer der englischen Subsidien für die bayreuthische Finanzkammer um Belassung derjenigen 25,000 fl., welche sie bis dahin der anspacher Landschaft hatte zahlen müssen. „Wenn nun unser gnädigster Herr nur einen Theil des Profits der Subsidien zur Zahlung der Schulden der anspacher Finanzkammer bestimmt, und wenn die letztere, was sie durch den Abmarsch der Truppen spart, zur Zahlung ihrer Schulden verwenden darf, so wird man über die Schnelligkeit erstaunen, mit welcher die sämmtlichen markgräflichen Kassen sich aus der Noth helfen werden. Die Folge davon wäre natürlich, daß auch die anspacher Unterthanen in ihren Abgaben erleichtert werden könnten. Sobald ich von den Absichten Serenissimi wegen der Verwendung des direkt und indirekt aus diesem Vertrage hervorgehenden Profits unterrichtet sein werde, will ich einen Plan über das Arrangement unserer Finanzen für die beiden Hauptkassen und die Erleichterung unserer Unterthanen entwerfen. Wenn der Markgraf unsere Prinzipien annimmt, so können Unterthanen und Gläubiger des Landes[S. 214] dieses Unternehmen nur segnen. Alle Ungelegenheiten, die man davon befürchtet, werden verschwinden, sobald eine nützliche Verwendung der englischen Gelder stattfindet und die durch die Abwesenheit unserer Truppen bedingten Ersparnisse eintreten. Wenn Serenissimus bald und womöglich noch vor dem Abmarsch der Truppen erklärt, daß seine Unterthanen durch eine verhältnißmäßige Verringerung der Abgaben erleichtert werden sollen, so glaube ich, daß diese gute Nachricht auf die Söhne der Unterthanen einen günstigen Einfluß ausüben und den Klagen ihrer Eltern ein Ende machen wird. Eine solche Erklärung wird zugleich ein Trost für das ganze Land sein und alle Beschwerden, allen Jammer beseitigen.“

Allein der Markgraf trat den verständigen Absichten und Ansichten seiner Minister nicht bei und hob die ersten 1285 Mann aus, ohne nur dem Lande die geringste Gegenleistung zu versprechen. Erst im September 1777, als er wieder zu neuen Aushebungen schreiten mußte, erinnerte er sich, wie er selbst wiederholt hervorgehoben, „daß die Ueberlassung der beiden Infanterieregimenter in englischen Sold vornehmlich aus der Ursache eingeleitet worden sei, um die Schulden der Obereinnehmerinn möglichst bald tilgen zu können. In Folge dieser gnädigsten Gesinnung wolle Serenissimus Vorschlägen entgegensehen, wie viel den obergebirgischen Landschafts- und Kämmerei-Kassen während der Zeit, daß die Truppen in englischem Solde stehen, von ihren Contribuendis erlassen werden könne.“

Nach den Angaben der Minister hat die obergebirgische Landschaft vertragsmäßig an „verwilligten Subsidien und Militärbeiträgen jährlich 127,485 fl. 36 kr., die obergebirgische Rentei aber jährlich 25,000 fl. zu leisten, von welchen Beiträgen das ganze bayreuthische Militär unterhalten wird.“ Da nun ein theilweiser Erlaß dieser Kontribuenda der Landschaft eine wesentliche Erleichterung gewähren wird, so schlägt der Bericht vor, der Rentei die Hälfte d.h. 12,500 fl. und der obergebirgischen Landschaft 40,000 fl. jährlich während der Dauer des englischen Subsidienvertrages nachzulassen. Es wird berechnet, daß dieses Erlasses ungeachtet, jährlich etwa 100,000 fl. der Schulden der Landschaft, welche, soweit sie abtragbar sind, sich auf 1,326,639 fl. belaufen, aus den Einnahme-Ueberschüssen abbezahlt werden können. Bei dieser Berechnung sind die Einnahmen aus dem englischen Subsidienvertrag außer Ansatz gelassen. Der Bericht weise nach, daß die reinen Einnahmen[S. 215] aus demselben mehr als 100,000 fl. jährlich betragen. Es hänge natürlich lediglich vom Ermessen Serenissimi ab, einen Theil auch dieser Einnahme zur Tilgung der Schulden der Landschaft zu verwenden. Der Passus des Reskriptes, in welchem die Vorschläge der Minister betreffs des Erlasses an den Contribuendis genehmigt werden, lautet: „Nachdem Serenissimus von Wegen der in englischen Sold überlassenen Infanterie-Regimenter und der hierdurch erziehlten Ersparnüß auch der obergebirgischen Landschaft einen reellen Vortheil zuflüßen lassen wollen, als deklariren Sie hierdurch der obergebirgischen Landschaft, an dem vertragsmäßigen Subsidien- und Militär-Beytrag von jährlich 127,485 fl. 36 kr., insolange gedachte Truppen in englischem Sold stehen, 40,000 fl. jedes Jahr nachzulassen, welcher Nachlaß vom 1. März ab seinen Anfang nehmen darf. Die Obereinnehmerey soll jedoch auf die Abführung des übrig bleibenden Contribuendi von 87,485 fl. 36 kr. an die hiesige Landschaft den sorgfältigen Bedacht nehmen.“ Die 40,500 fl. sollen zur Schuldentilgung verwandt werden, und behält sich Serenissimus vor, von dem reinen Ueberschuß der englischen Subsidien eventuell einen Theil zu demselben Zwecke der Landschaft noch zukommen zu lassen. Durch ein weiteres Reskript wurde auch der obergebirgischen Rentei die Hälfte ihres Contribuendi von 25,000 fl. erlassen, „hingegen sey die Abführung des residui an die Obereinnehmerey sorgsamer Bedacht zu nehmen.“

Also mit anderen Worten brauchte Bayreuth während des amerikanischen Krieges nur 100,000 fl. (genau 99,985 fl. 36 kr.) statt der ihm vertragsmäßig obliegenden 152,485 fl. 36 kr. an den Markgrafen zu zahlen, während England für jeden Soldaten, für jeden Sohn des Landes nicht allein sämmtliche Kosten bestritt, sondern auch noch dem Markgrafen Handgelder und Subsidien bewilligte. Derselbe Mensch, der aus dem Blut seiner Unterthanen Millionen für sich münzte, verschmähte auch ein kleines Geschäftchen nicht; er ließ sich seine Soldaten doppelt bezahlen, erst von seinem Lande, dann von England und bewilligte jenen nur einen Nachlaß von 52,500 fl. pr. Jahr. Ob Anspach auch in derselben echt fürstlichen Weise begnadigt wurde, geht aus den Akten nicht hervor; indessen ist nicht anzunehmen, daß es schlechter als Bayreuth behandelt wurde.

Der Gesammtverlust der deutschen Truppen während eines beinahe siebenjährigen Krieges stellt sich auf etwas mehr als vierzig Prozent der gesammten Mannschaft; von bloß militärischem Gesichtspunkte aus betrachtet[S. 216] ein durchaus günstiges Verhältniß, wenn man damit die früheren oder späteren europäischen Kriege vergleicht. Es war aber England's Interesse, den deutschen Soldaten dieselbe gute Verpflegung angedeihen und dieselbe hohe Löhnung zahlen zu lassen, welche seine eigenen Angehörigen erhielten. Wenn trotzdem z.B. 300 hessische Grenadiere in einem einzigen Frühjahr vom Faulfieber dahingerafft wurden, so war dieses Unglück eine Folge des Mangels an Reinlichkeit und guter Pflege, dessen sich die hessischen Grenadiere und Offiziere schuldig machten. Im Gefecht sind verhältnißmäßig wenige Leute gefallen, wie denn überhaupt alle damals gelieferten Schlachten heutzutage nur als ernstliche Plänkeleien gelten würden; die Meisten kamen durch klimatische Krankheiten, angestrengte Märsche, übermäßige Strapazen und Entbehrungen und ungewohnte Lebensweise um. In der Schlacht bei Monmuth starben z.B. 28 hessische Grenadiere am Sonnenstich. Nach geschlossenem Frieden blieben mehrere hundert Braunschweiger und Hessen mit Genehmigung ihrer Vorgesetzten in Amerika. Ein Theil ging auch durch Desertion verloren. Amerikanische und ihnen gläubig nachschreibende deutsche Schriftsteller haben vielfach die Ansicht verbreitet, als sei der deutsche Soldat, wo sich nur eine Gelegenheit dazu geboten habe, eiligst desertirt. Wenn je eine Angabe irrig war, so ist es diese. Die Amerikaner hatten allerdings stark auf die Desertion der deutschen Soldaten gerechnet und gaben sich alle mögliche Mühe, sie zu gewinnen; indessen halfen ihre Bemühungen nicht viel. Schon Ende August 1776 passirte der Kongreß einen Beschluß, worin er allen hessischen (d.h. deutschen) Deserteuren ein ansehnliches Stück Land zur Ansiedelung versprach. Franklin ließ dieses Dokument in's Deutsche übersetzen und in Staaten Island unter den dort lagernden Truppen vertheilen. Er schlug dem General Gates vor, den Aufruf als Umschlag für Tabackspackete zu gebrauchen und ihn auf diese Weise denjenigen leicht zugänglich zu machen, an deren Adresse er gerichtet war. Das Mittel zog aber nicht. Ja, selbst in der Gefangenschaft blieben diese Leute mit einer, der besten Sache würdigen Treue bei ihren Fahnen und wiesen die lockendsten Anerbietungen und Verheißungen zurück. So desertirten von den bei Saratoga gefangen genommenen und zuerst in Cambridge bei Boston während eines strengen Winters in Haft gehaltenen Braunschweigern kaum 80 Mann, trotzdem daß der französische Oberst Armand (Marquis de la Rouerie) neben dem Lager der Gefangenen am Winterhill ein Werbebureau für[S. 217] seine Freikorps errichtet hatte und es, da er selbst des Deutschen mächtig war, an Versuchungen zur Desertion nicht fehlen ließ. Diejenigen Deserteure, die sich von ihm hatten annehmen lassen, trieben ihre Unverschämtheit so weit, daß sie in ihren amerikanischen Uniformen zu Pferde und zu Wagen zum Winterhill kamen und ungestraft ihre früheren Kameraden auffordern durften, ihrem Elend durch Uebertreten zu ihnen ein Ende zu machen. Im schroffen Gegensatze dazu steht allerdings ein nur vereinzelt vorgekommener Fall, indem der Sergeant Flachshaar am 14. September 1778 aus Newyork schreibt: „Ich weiß nicht, was es ist. Verschiedene Hessen wissen ihre Ehre nicht zu estimiren, denn sie desertiren so stark, daß es eine Schande ist. Bei dem Marsche von Philadelphia hierher sind allein an 400 Mann desertirt. Se. Exzellenz der Herr Generallieutenant von Knyphausen haben deßwegen auch schon etliche vom hessischen Korps aufhängen lassen.“

Trotz alledem war im Verlauf des Krieges die Desertion unter den Deutschen geringer als unter den Engländern; namentlich hielten sich die in Süd-Karolina und Georgia stehenden Regimenter trotz aller Entbehrungen und Strapazen viel besser als jene. Unsere Quellen enthalten die zahlreichsten Belege für diese Thatsache. Wenn man bedenkt, daß z.B. im Februar 1782 wegen zu starker Desertion das zweite Bataillon Delancey dem ersten und die Georgia Loyalisten den Kings Rangers einverleibt wurden, ja daß die durch diese Verschmelzung außer Gage gesetzten englischen Offiziere zum Feinde übergingen, wenn man ferner bedenkt, daß von dem regulären englischen 60. Regiment innerhalb drei Tagen sechszig Mann desertirten oder daß ganze Posten und Kavallerie-Patrouillen mit Sack und Pack sich aus dem Staube machte, so erscheint die als ein ganz außerordentliches, einzig dastehendes Ereigniß gemeldete Desertion, welche drei und vierzig Mann des hessischen Regiments Knoblauch vom 24. Januar bis 1. April 1782 aus Savannah bewerkstelligten, verhältnißmäßig noch gering. „Die Desertion betreffend — schreibt am 21. Februar 1782 der Oberst Porbeck dem Landgrafen — glaube, daß hieran die Hoffnung, von hier weggelegt zu werden und noch immer nicht erfolgt, schuld ist, indem sich Jeder vor der herannahenden gräßlichen Sommerhitze und dabei grassirendem bösen Faulfieber auf's Aeußerste fürchtet. Hierzu kommt noch, daß die bösgesinnten Einwohner der Stadt sich alle Mühe geben, zur Desertion zu bereden. Der hiesige Kommandant hat in der Garnison[S. 218] bekannt machen lassen, wenn einer von diesen Einwohnern ausgemacht werden könnte, vor solchen Lstr. 40 zu zahlen und den Thäter hängen zu lassen. An die Negers, so Deserteurs eingebracht, hat jeder Kompagnie-Chef zwei Guinees zur Aufmunterung dieser Leute bezahlt, damit solche desto aufmerksamer sein möchten. Hierzu kommt noch: die neu errichteten Bataillons, so fast mehren Theils aus weggelaufenen Rebellen bestehen und in hiesige Dienste gezwungen werden, womit dieses (Knoblauchsches) Regiment Dienste thut, veranlasset ebenfalls Beförderung der Desertion.“

Zu ganz derselben Zeit, am 20. Februar 1782 hatte John Martin, General-Kapitain und Gouverneur von Georgien, einen durch unzufriedene Einwohner und liederliche Frauenzimmer der Stadt unter die deutschen Soldaten vertheilten, auch in deutscher Sprache gedruckten Aufruf erlassen, worin er jedem englischen und deutschen Deserteur 200 Acker Land, eine gute Kuh und zwei Mutterschweine zum Geschenk verspricht, so bald er Einwohner „dieses Landes“ werden wollte.

Unter diesen Umständen vermochten selbst die grausamsten Drohungen und die strengsten Strafen dem einmal eingerissenen Uebel nicht vorzubeugen. Die Engländer hingen jeden Deserteur, dessen sie habhaft wurden, die deutschen Obersten ließen ihn ohne Weiteres erschießen, übertrafen sie sogar noch an Freigebigkeit, indem sie den Häschern außer dem Fanggelde, Alles schenkten, was der Deserteur außer der Waffe am Leibe und in den Taschen trug. Bei einigen der Ergriffenen belief sich der vorgefundene Baarbestand auf drei bis fünf Pfund, ein Beweis dafür, daß ihre Flucht schon lange vorher geplant war. Der Landgraf von Hessen billigte trotz oder vielmehr wegen seiner Sparsamkeit das Verfahren seiner Regimentskommandeure als das geringere von zwei Uebeln. In der Nachbarschaft von Charleston und Savannah kam es zu vollständigen Menschenjagden mit obligaten Bluthunden und berittenen Häschern. Unter den (jetzt in Marburg ruhenden) hessischen Papieren findet sich ein kurzer Bericht, der in dürren geschäftlichen Worten ein ergreifendes Drama entrollt.

Fünf Soldaten vom Regiment Knoblauch, drei geborene Hessen, ein Brabander und ein Mannheimer, hatten zu Anfang März 1782 ihre gemeinsame Flucht verabredet. In der Nacht vom 8. zum 9. verließen sie mit voller Armatur Savannah und wandten sich landeinwärts. Inzwischen waren sie verrathen worden. Berittene Milizen, unter Führung eines Kapitains Bradley, verfolgten und entdeckten sie in der Nähe eines Swamp[S. 219] (sumpfiges, häufig mit Bäumen bewachsenes Terrain). Sie trieben die Flüchtlinge in den Sumpf hinein und umzingelten sie. Die Verfolgten wehrten sich so gut sie konnten, suchten mit ihren Säbeln die Bluthunde abzuwehren und gaben Feuer auf die in Mehrzahl auf sie eindringenden Verfolger. Nach kurzem Gefecht fielen sie Alle und wurden in voller Uniform in einem Loche verscharrt. Außer ihrem üblichen Fanggelde erhielten die Häscher noch drei und eine halbe Guinee, die sie aus den Taschen der Leichen zusammengesucht hatten. Unter diesen Deserteuren befand sich auch ein junger Mann aus Hatterode, der einzige Sohn einer Wittwe, deren ältester Sohn kurz zuvor im Hospital in Savannah am Fieber gestorben war. Die Mutter hatte endlich bei der heimathlichen Behörde einige Monate vorher die Freigebung des Ueberlebenden bewirkt und dessen Zurückbeförderung tagtäglich erwartet. Jetzt erhielt sie die Nachricht von dem Tode auch des zweiten Sohnes.

Auch die übrigen deutschen Truppen hielten sich soldatisch tapfer und blieben in ihrer sehr großen Mehrzahl selbst im Unglück ihrer Fahne treu. Die nach der Uebergabe von Yorktown in Frederick in Maryland internirten Anspacher verloren kaum den achten Theil durch Desertion, obgleich sie fast zwei Jahre lang in Gefangenschaft schmachteten und sehr schlecht gehalten wurden. Es ist ein hoher Beweis für die Tüchtigkeit und Disziplin der hessischen Regimenter, daß die Soldaten, trotzdem daß ihre Reihen in den letzten Jahren des Krieges mit allem möglichen Gesindel ausgefüllt wurden, in verhältnißmäßig geringer Zahl desertirten und standhaft bis an's Ende aushielten. Bei den kleineren Kontingenten kamen allerdings mehr Desertionen vor, allein gleichwohl waren sie klein im Verhältniß zu den sich bietenden Gelegenheiten, zur Unmöglichkeit der Habhaftwerdung der Deserteure und überhaupt zum Charakter der damaligen Heeres-Organisation. Diese Angabe stützt sich auf etwa vierzig Tagebücher von Offizieren, Unteroffizieren und Gemeinen. Amerikanische Novellisten à la Cooper und deutsche Tendenz-Schriftsteller werden zwar nicht müde, diese unglücklichen, fremden Interessen geopferten Miethlinge als einen verächtlichen, kaum des Widerstandes fähigen Haufen zu schildern; allein diese Phantasien werden von den Thatsachen auf Schritt und Tritt Lügen gestraft. Die hessische Infanterie jener Zeit war jedenfalls ebenso gut als die preußische, die beste des Jahrhunderts. Sie hatte gemeinschaftlich mit dieser die Schlachten des siebenjährigen Krieges gewonnen[S. 220] und sich im vorigen Jahrhundert in allen Theilen Europa's durch ihre Tapferkeit, Disziplin und Unverwüstlichkeit ausgezeichnet. Kaum in Amerika gelandet, entscheidet sie hauptsächlich durch ihre Bravour den Feldzug des Jahres 1776 zu Gunsten der Engländer. Die amerikanische Landbevölkerung hatte einen solchen Schrecken vor den Hessen mit ihren Bärenmützen und Zuckerhüten, daß sie dieselben als eine Art Menschenfresser fürchtete, und daß Washington, um diese Vorurtheile zu brechen, einen Theil der bei Trenton gefangenen Hessen durch die Straßen Philadelphia's führen und dem Volke zeigen ließ. „Die Herren Hessen machen Unmöglichkeiten möglich“, meinte der sich ihnen ergebende amerikanische Kommandant des Forts Washington. Die Braunschweiger bewährten in glücklichen und unglücklichen Gefechten, bei Hobartstown, Bennington und Stillwater ihre alte Tüchtigkeit und Tapferkeit, und wahrlich, sie so wenig als die Hanauer trifft der Vorwurf, daß sie bei Saratoga in feindliche Gefangenschaft fielen. Auch die kleineren Kontingente, namentlich die Waldecker und Anspacher, schlugen sich sehr gut. Jene stürmten im Verein mit den Hessen Fort Washington und kämpften in den letzten Jahren des Krieges tapfer mit den Engländern in Florida und am Missisippi gegen die Spanier; die Anspacher aber hatten im Norden ehrenvollen Antheil an der Eroberung der Festen Clinton und Montgomery und im Süden an den Siegen des Lord Cornwallis, mit dem sie freilich zuletzt in Yorktown in Gefangenschaft geriethen. Wo aber die Mannschaften nicht viel taugten und lediglich zum Festungsdienst, wie z.B. die Zerbster, verwendet wurden, waren die Offiziere desto tüchtiger und durchgreifender.

Wenn die englischen Waffen gleichwohl unterlagen, so war es wahrlich nicht die Schuld der deutschen Soldaten, sondern die Unfähigkeit der verantwortlichen Offiziere und die Kurzsichtigkeit der englischen Politik.

Es liegt natürlich außerhalb der Gränzen unsrer Aufgabe, die Mitwirkung der deutschen Truppen auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen Amerika's eingehend zu schildern. Es möge deshalb die kurze Bemerkung genügen, daß die Hülfstruppen nie selbständig auftraten, sondern den einzelnen englischen Korps beigegeben waren und deshalb im Norden und Süden überall mit zur Verwendung kamen. Wie an den Siegen des Jahres 1776 den Löwenantheil, so hatten sie in der Folge auch an dem Unglück, welches die englischen Waffen traf, ihr volles Maß. Wenn sich nun auch die Hessen ihre Gefangennahme bei Trenton selbst zuzuschreiben[S. 221] hatten, so sind die übrigen Kontingente dagegen an den Kapitulationen unschuldig, in welche sie mitverwickelt wurden. Es ist nicht zu viel gesagt, daß der leichtfertige Burgoyne sich bei Saratoga nicht würde haben ergeben müssen, wenn er zur rechten Zeit auf den wohlmotivirten Rath eines so erfahrenen Generals wie Riedesel gehört hätte. So geriethen denn die Braunschweiger und das hanauische Regiment in amerikanische Gefangenschaft, in welcher sie bis zum Ende des Krieges bleiben mußten. Die Anspacher (1073 Mann stark), sowie die hessischen Regimenter Erbprinz und Bose gehörten in den Jahren 1780 und 1781 zu Cornwallis' Armee und mußten sich endlich mit ihr bei Yorktown dem General Washington ergeben. Unter den Gefangenen befand sich auch der damalige Jägerhauptmann spätere General Ewald, ein ausgezeichneter Offizier und Militärschriftsteller, der nach seiner Rückkehr zuerst in preußische und später in dänische Dienste trat und in der preußischen Armee den Schützendienst nach amerikanischem Muster ausbilden half. Während die Zerbster in Kanada blieben, wurden die Waldecker im fernsten Süden verwandt und auf dem Umwege über Jamaica nach Florida geschickt. Hier belagerten sie zu Anfang des Jahres 1781 Pensacola, wo beim Sturm auf die Werke ihr Oberst Hanxleden fiel. Zwei ihrer Kompagnien, welche nach Baton Rouge am Missisippi beordert waren, wurden von den Spaniern gefangen genommen. Es mag hier als besondere Merkwürdigkeit erwähnt werden, daß die Waldecker unter den Indianern bei Pensacola einen Landsmann, Namens Brandenstein aus Königshagen fanden, welcher heimlich aus dem Schlosse in Waldeck entwischt war und ihnen jetzt als Dolmetscher gute Dienste leistete. Er stand als Häuptling an der Spitze von etwa 2000 Indianern, deren Tracht er trug und von denen er sich nur durch seine Gesichtsfarbe und seinen Bart unterschied.

Von den Beschwerden und Entbehrungen, unter denen die Soldaten namentlich im Süden litten, kann man sich in Europa kaum annähernd einen Begriff machen. Im Sommer herrschte eine ebenso unerträgliche Hitze als im Winter grimmige Kälte; dabei gingen die langen Märsche durch unangebaute, meist unwirthliche Gegenden, in welchen nur ausnahmsweise Lebensmittel aufzutreiben waren. Der Sonnenstich war nichts Seltenes; die Soldaten wurden einige Mal auf dem Marsche oft wahnsinnig vor Durst, aus Hunger machten sie sich aus dem für ihre Zöpfe bestimmten Puder häufig einen Brei. Auch in den Garnisonen hatten sie[S. 222] meist schlechte Verpflegung und nur ausnahmsweise frisches Fleisch. Dabei Ungeziefer am Leibe und Ungeziefer in der Luft und am Boden, namentlich aber die blutgierigen Muskito's, welche den armen Teufeln den Schlaf raubten. Das Lagern in den Sumpfniederungen erzeugte heftige Fieber. Das schlechte Trinkwasser war ohne Rum gar nicht zu genießen. Für Bier und Wein, welche den englischen Soldaten zugänglich waren, fehlte den Deutschen das Geld. So stellte sich namentlich in den südlichen Garnisonen eine große Sterblichkeit ein. Dazu kam die den deutschen Söldnern doppelt gehässige Stimmung der Eingeborenen. Mit welcher Rücksichtslosigkeit aber die armen Gefangenen behandelt wurden, mag in den treuen Berichten der Frau v. Riedesel nachgelesen werden, welche deren Loos freiwillig mehrere Jahre theilte. Es würde unter diesen Umständen ein Wunder sein, daß die Regimentsverbände trotzalledem noch zusammenhielten, wenn nicht eine grausame eiserne Disziplin den Dienst erzwungen hätte. Daß die Soldaten, wenn sich nur eine Gelegenheit dazu bot, dagegen nicht blöde im Zugreifen und Zerstören waren, versteht sich bei dem damaligen Heeres-Charakter ganz von selbst. Ihre größte Klage ist, daß sich solche Gelegenheiten so selten boten. Es findet sich in den anspacher Manual-Akten die Beschreibung der Plünderung von Westfield und New Brunswick im Staate New Jersey, die zugleich mit moralischen und allgemeinen Betrachtungen durchflochten, das zu charakteristische Produkt eines Landsknechts ist, als daß sie hier nicht ihren Platz verdiente.

„Auf unserm letzten beschwerlichen Marsch — schreibt der Soldat am 4. Juli 1777 aus Staaten-Island — hätten wir eine ganze Stadt mit allem möglichen Vieh, Kupfer und Zinn, mit dem feinsten Weißzeug und allem Hausrath versehen können. Unsere Leute haben mehr als zweihundert Schweine erstochen und liegen lassen. Die Thränen stehen mir in den Augen, wenn ich das schöne und glückliche Land betrachte und Zeuge sein muß, wie Alles ruinirt wird. Es wird uns Alles Preis gegeben. Ich habe mir einen ledernen Leibgurt machen lassen, um solchen mit Guineen zu füllen. Ich kann Ihnen versichern, daß der Theil von Amerika, worinnen wir sind, und den wir durchmarschirt, mit allem Rechte mit einem Paradiese könnte verglichen werden, wenn der Teuffel, der allein Schuld ist, den Samen der Zwietracht nicht ausgestreut hätte. Ewig Schade, daß Alles ruiniret und verheeret wird! Das Herz blutete[S. 223] mir, als wir von Brunswick zurückmarschirten, wo unsere Grenadier-Kompagnieen die Arriere-Garde machten und alle Häuser in Brand stecken mußten. Selbst in Brunswick blieb kein Haus und Fenster ganz, alle Mobilien wurden auf die Gasse geworfen, worunter das allerschönste weiße Zeug, Zinn und Kupfer war. Die Betten wurden aufgeschnitten und die Federn ausgeschüttet. Aus Mangel an Wagen konnten wir nichts mitnehmen, außer einige Grenadiers haben Sackuhren, silberne Löffel, Thee- und Kaffee-Kannen mitgenommen. Die meisten Häuser sind herrlich und nach holländischer Art gebaut, und mit den feinsten Tapeten garniret. Nichts als die Pracht, Ueberfluß und Wollust hat die Leute zur Rebellion gebracht, denn kein angesessener Einwohner arbeitet das Geringste; sie haben ihre Mohren, welche Sklaven sind. Diese müssen das Land bearbeiten, und die Einwohner bringen ihr Leben in Müßiggang zu. Wenn wir wieder kommen, so bringe ich Ihnen eine schwarze Sklavinn mit.“

Die gemeinen Soldaten bestanden eben, wie das bei der Art ihrer Aufbringung nicht anders sein konnte, aus allen möglichen Individuen, vom verlaufenen Mönch und verkommenen Offizier an bis zum Studenten, Handwerker, Künstler und Bauern. Daß aber selbst die gebildetsten unter ihnen das an ihnen begangene Verbrechen nicht fühlten, für diese beklagenswerthe Erscheinung liefert den schlagendsten Beweis der bereits angeführte deutsche Dichter Johann Gottfried Seume. Derselbe war als Student der Theologie zwischen dem kirchlichen Dogma und seinem Gewissen in Widerspruch gerathen, und verließ, neunzehn Jahre alt, Leipzig, um in Paris Mathematik zu studiren. Auf dem Wege dahin wurde er von landgräflich hessischen Werbern aufgefangen und ohne Weiteres den nach Amerika verkauften Rekruten einverleibt. Seume's Erzählung seiner Pressung und erzwungenen Reise nach Amerika ist einer der werthvollsten und interessantesten Beiträge zur Geschichte des fürstlichen Menschenhandels. Zeigt sie auf der einen Seite, wie kein junger gut gewachsener Reisender, mochte er nun Student oder Handwerker, Künstler oder Kaufmann sein, seiner Freiheit sicher war und befürchten mußte, in die Hände der Menschendiebe zu fallen, so beweist auf der andern Seite die Ruhe und fast objektive Gleichgültigkeit, mit welcher Seume von diesem frechen, gewaltsamen Eingriff in sein Leben spricht, wie wenig Werth das Individuum seinem Ich beilegte, wie wenig selbst von den gebildeteren Geistern der Zeit eine solche Rohheit empfunden wurde. Man glaubt sich fast[S. 224] nach dem Königreich Dahomey versetzt, wenn man diese Diebsstückchen des hessischen Landgrafen liest. Man vergegenwärtige sich nur die Thatsachen! Ein sächsischer Student, der den hessischen Landesvater kaum dem Namen nach kennt und ihm jedenfalls nichts zu Leide gethan hat, wandert arglos auf der Landstraße nach Fulda. Dort wird er überfallen, überwältigt und als Arrestant des Landgrafen nach dessen Festung Ziegenhayn gebracht. Warum? Weil er die erforderliche Größe für einen Soldaten hat, weil also Geld aus ihm herauszuschlagen ist und weil er die Frechheit besitzt, sich seiner Haut zu wehren, seine persönliche Freiheit, das Einzige, was er auf der Welt sein nennt, zu vertheidigen. Ein ähnliches Schicksal mit Seume theilten hundert andere Unglückliche. Als sie den an ihnen begangenen Gewaltakt durch ihre Selbstbefreiung wieder sühnen wollten, erlagen sie und wurden beim Gassenlaufen halb todt geprügelt — „es war eine grelle Fleischerei“, bemerkte Seume — zum Galgen verurtheilt oder aus Gnade von demselben Landgrafen, der sie schamlos gestohlen hatte, in Kassel in die Eisen geschmiedet. Wer nicht an den Mißhandlungen zu Grunde ging, ward dann wie ein Häring in's Schiff eingepöckelt und in dieser Lage zu keinem andern Zweck, als um den Beutel des hessischen Menschendiebes zu füllen, bis an's und über's Meer geschafft.

Die schrecklichen Einzelheiten möge der Leser selbst in Seume's Leben nachlesen und dann seine Schlüsse aus der Erzählung ziehen. Die Theilnahmlosigkeit, die resignirte Ruhe, mit welcher Seume von sich spricht und mit welcher er sein furchtbares Loos als eine humoristische Schicksalstücke auffaßt, zeigt uns die empörende Wirkung dieser kleinstaatlichen Willkür und Gewaltthätigkeit auf die Anschauung des durch sie verwilderten deutschen Volkes. „Ich ergab mich — sagt Seume — in mein Schicksal und suchte das Beste daraus zu machen, so schlecht es auch war. Mir zerriß man meine akademische Inskription, als das einzige Instrument meiner Legitimirung. Am Ende ärgerte ich mich weiter nicht; leben muß man überall; wo so Viele durchkommen, wirst Du auch. Ueber den Ozean zu schwimmen, war für einen jungen Kerl einladend genug, und zu sehen gab es jenseits noch etwas. So dachte ich.“

In diesem Tone geht's fort. Für eine so harmlose idyllische Existenz giebt es keinen Haß und keine Erbitterung, keinen Racheplan gegen den Seelenverkäufer und seine Henkersknechte, ja kaum eine Hoffnung auf Erlösung.[S. 225] Seume begreift gar nicht das an ihm begangene Unrecht und mit dem leichtsinnigen Troste, daß das menschliche Leben kaum mehr als ein schlechter Witz sei, hilft er sich über eine Situation hinweg, die sich in jedem individueller ausgeprägten Charakter zum tragischen Konflikte auf Leben und Tod zugespitzt haben würde. Folgerichtig bildet sich dann später in dem von den Gewalthabern der Heimath verfolgten und unter harten Kämpfen zum Manne herangereiften Dulder der ohnmächtige Grimm gegen die schlechte Wirklichkeit zur kulturfeindlichen Schwärmerei für wilde Natur und Freiheit aus. Er malt sich das Glück des Daseins unter unverdorbenen, ursprünglichen Umgebungen in glänzenden Farben, macht, um möglichst Naturmensch zu sein, Fußreisen nach Schweden oder einen „Spaziergang nach Syracus“, oder flüchtet sich in die Wildniß zu den kanadischen Indianern, die eben, „weil sie Europa's übertünchte Höflichkeit nicht kennen, doch bessere Menschen sind als die Weißen“. Diese schiefen Anschauungen à la Rousseau waren wahrer Balsam für die Zeitgenossen Seume's, welche eben angefangen hatten, den Widerspruch zwischen ihren gedrückten bürgerlichen Verhältnissen und ihren himmelstürmenden Idealen zu erkennen, und vorläufig beim ersten Stadium dieses geistigen Konflikts, bei einer schwächlichen Sentimentalität angekommen waren.

Fern sei es, deshalb einen Stein auf den wackern Seume zu werfen. Er hat redlich gestrebt und trotz aller persönlichen trüben Erfahrungen und Widerwärtigkeiten den Glauben an die Menschheit nicht aufgegeben; allein unser berechtigter Fluch treffe die Menschen und die Zeit, welche energisch angelegte Naturen zu bloßen Spielbällen des Schicksals erniedrigten und selbst in der Brust der edleren Geister das Gefühl der persönlichen Würde und den Glauben an den Beruf ihrer Nation so gründlich zu ersticken wußten, daß sie ihre Ideale bei den Wilden suchen mußten. Leider hat Seume den mächtigen Aufschwung seiner Nation nicht mehr erlebt, da er zur Zeit ihrer tiefsten Erniedrigung (1810) starb. In einem wenig poetischen, aber politisch energischen Gedichte, welches er in seinem Todesjahre an das deutsche Volk richtete, ist es wohlthuend, seinen Haß und seine Verachtung der fürstlichen Seelenverkäufer, wenigstens am Schluß seines Lebens, noch kräftig betont zu sehen.[7]


[S. 226]

Unser Haß wende sich darum auch heute noch gegen jene jämmerliche Kleinstaaterei, welche nur zu lange einer großen Minderheit des deutschen Volkes die Gelegenheit zur Bethätigung in der Heimath entzogen und jene Abenteurersucht, jenes Landsknechtsthum erzeugt hat, welches sich in allen fünf Welttheilen mit seinem gesinnungslosen „Ubi bene, ibi patria!“ an den Pranger stellt, welches höchstens einen leeren Unterthanendünkel, aber selbstredend keine stolzen, eines männlichen Ringens würdige Ideale in der Brust des Einzelnen erzeugt und welches uns bis vor Kurzem verhindert hat, uns zusammenzuraffen und ein politisches Volk zu sein. Aus diesem Grunde ist der Deutsche auch noch heute nur zu sehr reiner Privatmensch; er kennt in seiner großen Majorität nur vorübergehende Stimmungen, schwankende Gefühle oder schwächliche „Sentiments.“ Für diese Mehrheit giebt es kein politisches Gewissen, deshalb auch mit geringen Ausnahmen keine politische Pflicht. In seiner Betheiligung an der Politik nimmt der Durchschnittsdeutsche darum meistens die Miene eines vornehmen, herablassenden Gönners an, der sich angeekelt und ermüdet zurückzieht, sobald sich die Ereignisse nicht seinem Wunsche gemäß entwickeln.

Wie dem aber auch sein möge, die deutschen Truppen zeigten sich überall, wo sie in's Feuer kamen, tüchtig und tapfer. Suffolk rühmt in besonderen Belobungsschreiben an ihre Fürsten, namentlich das Hanauer Regiment, welches bei Saratoga mit gefangengenommen wurde, und die Anspacher, welche bei Yorktown dasselbe traurige Loos traf. Da das englische Ministerium sonst, wo es nur konnte, auf Seiten seiner Lieferanten Fehler zu entdecken bemüht war, um ihre Ansprüche möglichst herunterzuschrauben, so kann dieses Lob sicher als aufrichtig und wohl verdient [S. 227] gelten. So erfreulich es nun auch im Interesse der freiheitlichen Entwicklung der Menschheit ist, daß unsere Landsleute in jenem Kriege gemeinschaftlich mit den Engländern geschlagen wurden, und so verdient und heilsam diese Niederlage auch war, so darf uns doch diese Genugthuung nicht verhindern, der militärischen Tüchtigkeit und bei allen Gelegenheiten bewiesenen Tapferkeit der deutschen Soldaten volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Die Mehrzahl der deutschen Truppen wurde im Sommer und Herbst 1783 und der kleinere Rest im Frühling 1784 wieder nach ihrer Heimath eingeschifft. So trafen sie hier gegen Ende 1783 und im Laufe des Jahres 1784 wieder ein.

Zwölftes Kapitel.

Es bleibt uns zum Schluß noch übrig, der deutschen Offiziere und ihres Verhältnisses zum Kriege sowohl und ihren englischen Kameraden, als auch zur Krone England und zu ihren Landesvätern zu gedenken.

In ihrer großen Mehrheit fühlten sie das Schiefe und Demüthigende ihrer Stellung nicht. Meist dem niedern Adel angehörend, der wenig mehr gelernt hat als was er nothwendig für's Lieutenants-Examen braucht, und der seit Jahrhunderten für Kost und Logis damals so gut seine Haut zu Markte trug, wie noch heute, kannten sie, wie alle schlecht bezahlten oder halb gebildeten Leute, gar nicht das Gefühl persönlicher Würde und Verantwortlichkeit. Sie waren stolz darauf, zu dienen und Landsknechte zu sein, die sich auf das Geheiß Serenissimi, ohne nach irgend einem Grund zu fragen, an's andere Ende der Welt schaffen lassen und ebenso gleichgültig für die schlechteste wie für die beste Sache kämpfen. Die Lieutenants und die Subaltern-Offiziere jubelten, daß sie aus ihren langweiligen Garnisonen ausrücken durften, daß sie von ihren Gläubigern vorläufig nicht weiter gequält werden konnten, und malten sich das ferne Land in den glänzendsten Farben aus, wo ihre Phantasie Alles zu finden hoffte, was sie zu Hause nicht hatten. Nichts ist erklärlicher als[S. 228] diese freudige Stimmung, wenn man sich die Verhältnisse dieser kleinstaatlichen Truppen im Friedensstande vergegenwärtigt. Zu Hause überall Kleinlichkeit und Armseligkeit, karge Besoldung, kümmerliche Verpflegung, schlechte Behausung und langweiliger Dienst; in der Fremde dagegen ein bewegtes Kriegsleben mit seinem steten Wechsel, seinen Anregungen und Anspannungen, ja ein unbekannter Kontinent mit tausend neuen, Auge und Geist gleichmäßig einnehmenden Erscheinungen und Vorkommnissen, endlich ein großer, lange nicht mehr gekannter Armee-Verband, doppelte Löhnung und reichliche, ja verschwenderische Verpflegung und Aussicht auf schnelle Beförderung! Welcher junge Offizier hätte da nicht mit Freuden zugegriffen und sich nicht glücklich gepriesen, den Krieg in Amerika mitmachen zu dürfen?

Kaum dort angekommen, wurde ihm aber die Kehrseite der Medaille sichtbar. Statt des geträumten Reichthums überall fast Noth und Mangel, statt der gehofften Kameradschaft kaltes zugeknöpftes oder gar höhnisches Wesen der englischen Offiziere, statt des raschen Avancements geringe Verluste und meist langweiliger Dienst unter Strapazen und Entbehrungen aller Art. „Daß alle Kapitains und Subalterne zu Fuß gehen müssen — schreibt der Lieutenant v. Molitor am 4. July 1777 aus dem Lager von Staaten Island an den Hauptmann v. Ellrodt in Anspach — habe ich Ihnen schon gemeldet. Die Theuerung ist enorm. Was man bei uns in theueren Zeiten vor einen Konventionsthaler kauft, das muß man hier vor eine Guinee bezahlen. Unsere Leute bekommen Tag vor Tag gesalzen Schweinefleisch und alten Zwieback. So lange wir auf dem Lande sind, haben sie erst zwei Mal frisch Fleisch bekommen.“ Noch mehr klagt der Lieutenant Bartholomae in einem Briefe aus New-York am 9. Dezember 1779 an Gemmingen geschriebenen Briefe. „Wir anspacher Jäger sitzen auf Spuytin Devil (gegenüber dem nördlichen Ende der Insel New-York). Möchten Ew. Exzellenz ein Mittel ausfinden, wie ich auf gute Art zurückkommen könnte. Ich muß hier schlechter als ein Bettler in Deutschland leben, kann mir weder etwas sparen noch bei meinem gegenwärtigen Dienste Ehre erwerben. Die große Theuerung und Anschaffung der Equipage ist nicht auszuhalten. Wie thöricht war ich, den amerikanischen Krieg mit dem deutschen zu vergleichen. Finden Sie ein Mittel, wie ich nur mit Ehren aus diesem Fegefeuer, dieser Hölle erlöst werden kann.“ Bartholomae berechnet sein monatliches Einkommen[S. 229] auf sechs Guineen und drei Thaler, welche ihm nach Abzug der doppelten Provision bleiben. Davon gehen ab zwei Pfund für den Vorschuß, ein Pfund für den Bedienten, ein Thaler für den Feldscheer oder Barbier, zwei Thaler für die Wäscherinn; mithin bleiben drei Guineen für Essen und Trinken, Frühstück, Rauchen und Schnupftaback. Ein Pfund Fleisch kostet 1 fl. 8 kr., ein Pfund Butter dasselbe.

Andrerseits hatte keiner dieser Offiziere eine Ahnung von der Macht des Volkes, von der Existenz einer Nationalkraft und den letzten Gründen der amerikanischen Erhebung. Mit dem Augenblick, wo sie von England übernommen wurden, fingen sie auch pflichtmäßig an, über das amerikanische Rebellengesindel zu schimpfen. In Amerika angelangt, wunderten sie sich über die Wohlhabenheit und den Reichthum des Farmers und berichteten ganz naiv nach Hause, daß eine Neu-Engländerin oder Staaten Isländerin bessere Kleider, ja selbst ein feineres Benehmen habe, als selbst manche junge adelige Dame in Deutschland. Namentlich waren sie von der Schönheit und Eleganz der Frauen entzückt. Unter zehn Mädchen finden sie kaum eins, welches nicht schön wäre. „Ihr Anzug — meint Lieutenant v. Wöllwarth, der auf diesem Gebiete ein Kenner zu sein scheint — ist der vortheilhafteste von der Welt, eine geschmackvolle Vermittlung zwischen französischer und englischer Mode mit eigenen Zuthaten: das giebt der angeborenen Schönheit ein um so reizenderes Aussehen.“ Um so schlimmer war es mit dem politischen Urtheil der Herren bestellt. So schrieben sie die Revolution nur dem Uebermuthe des „frechen Packs“ zu, dem es unter englischer Herrschaft zu gut gegangen sei. Auch die höheren Offiziere zeigen nirgends ein Verständniß für die politischen Fragen, die sich im amerikanischen Kriege zur Entscheidung drängten. Es sind manche interessante militärische Denkschriften von ihnen erhalten, aber nirgend wird die Politik selbst nur als untergeordneter oder beiläufiger Faktor der Ereignisse erwähnt. Das Volk hat rebellirt, also muß es mit der „ultima ratio regis“ zur Raison gebracht werden — in diesen paar Worten erschöpft sich die ganze politische Anschauung der damaligen deutschen Offiziere. Da geht, unmittelbar nach der Schlacht, die das Geschick eines ganzen Kontinents entscheidet, ein deutscher Oberst am Meeresstrand spazieren, sucht Muscheln und preis't die „Allmacht des Schöpfers“. Ein anderer sieht von den Höhen von Brooklyn aus, wie die ganze englische Flotte vor Anker geht und sich anschickt, die Stadt zu bombardiren. Das[S. 230] große ungewohnte Schauspiel hat wenig oder gar keinen Reiz für ihn, aber er vergleicht New-York, das strahlende, Europa zugekehrte Auge Amerika's, mit preußisch Minden, das ungefähr von derselben Größe und Ausdehnung sei. Es klingt heutzutage wahrhaft komisch, wenn man diese Parallele zwischen der größten und der reichsten Stadt der neuen Welt und zwischen dem verschuldetsten rotten borough preußischer Offiziere liest. Ein Dritter endlich erzählt den Seinigen daheim, daß der bei Brooklyn gefangen genommene General Sullivan dem Metzgermeister Fischer in Rinteln auf's Haar gleiche und schimpft über die Mosquitos, die ihm die geträumten Freuden in der neuen Welt gleich anfangs verleiden.

Dieses Kleben an Nebendingen, welches nur den engen Kreis der persönlichen Interessen kennt, tritt uns, kaum zwei oder drei nennenswerthe Ausnahmen abgerechnet, in den Aufzeichnungen der deutschen Offiziere über den amerikanischen Krieg überall entgegen. Der werthvolle Aufschluß, den wir über einzelne Ereignisse und Personen erhalten, findet sich nur gelegentlich und meistens unter einem Haufen von gleichgültigen Notizen versteckt. Politisches Urtheil hat Keiner der Tagebuchschreiber.

Hie und da klagen sich denn die deutschen Generale und Obersten wohl ihre Noth über die Anmaßungen der Engländer, die ihnen und den deutschen Soldaten oft etwas zuviel zumuthen; Einzelne verfluchen den Dienst, welcher ihnen so manche Entbehrung auferlegt und kaum einen Vortheil dagegen bietet; ja in einem unbewachten Augenblicke malt sich sogar der hessische General Loos das „philosophische Vergnügen“ aus, einem undankbaren, fühllosen Fürsten und hochmüthigen Minister trotzend, sagen zu können: „Ich will Euch nicht länger dienen!“ Zu der höhern Anschauung jedoch, daß dieser Dienst ein verächtlicher Schergendienst und mit dem Selbstgefühl eines freien Mannes unverträglich war, können und wagen sich diese Herren nicht zu erheben; sie sind nur hie und da, innerhalb der gegebenen und von ihnen gehorsam anerkannten Dienstverhältnisse, mit der ihnen zu Theil werdenden Behandlung nicht zufrieden.

So lange England siegreich war, und namentlich die deutschen Regimenter seine Siege erringen halfen, ging natürlich Alles gut. Gleich nach der ersten Niederlage aber traten, namentlich zwischen den Offizieren Reibungen ein, die sich in der Folge fast täglich wiederholten. „Unter den englischen und deutschen Truppen — lautet ein den preußischen Ministern von[S. 231] W. Carmichael, dem amerikanischen Agenten, mitgetheiltes Schreiben eines hochgestellten Engländers aus New-York vom 5. Januar 1777 — ist keine gute Harmonie. Unsere Leute sagen, daß zu Trenton die drei Bataillons Hessen die Waffen zu früh niedergelegt und nicht so viel Widerstand geleistet hätten als sie hätten können und sollen. Die Hessen beklagen sich hingegen, daß die frischen Lebensmittel unbillig vertheilt werden und daß sie nicht den gehörigen Antheil davon erhalten, auch daß man sie zu dem beschwerlichsten Dienst gebraucht, ihnen die gefährlichsten Posten giebt, und sie nicht gehörig soutenirt. Einer unserer vornehmsten Offiziere antwortete hierauf unbedachtsamer Weise, daß der König sie von ihrem Herrn gekauft hätte, um seine eigenen Truppen zu schonen, wodurch die Hessen sehr beleidigt worden sind. Sie fangen auch an, von ihrem Landgrafen mit ungeziemender Freiheit zu reden, indem sie sagen, er habe kein Interesse bei diesem Kriege, und verkaufe das Blut seiner Unterthanen, welches in Amerika vergossen würde, um das Geld in auswärtigen Ländern auf seine Vergnügungen zu verwenden.“

Im gleichen Sinne äußert sich ein Jahr später vom deutschen Standpunkte aus der anspachische Lieutenant v. Wöllwarth, Vetter des Ministers Gemmingen. Er bittet diesen darum, daß er seine Rückkehr nach Deutschland vermittle, zu einer Zeit, wo der eben ausbrechende bayrische Erbfolgekrieg einem Offizier bessere Aussichten für Auszeichnung und Beförderung bot. Dieser mit feinem Humor und beißender Ironie geschriebene Brief zeigt den ganzen Mißmuth und die gründliche Verachtung eines unabhängigen Charakters gegen den ihm zugemutheten Dienst. „Ein gewisser Lord in Schottland — schreibt Wöllwarth am 4. Mai 1778 aus Philadelphia — hatte eine sehr sorgfältige Parforcejagd. Er sah aber ein, daß es patriotischer und vernünftiger für sein Vaterland gedacht sein würde, bei dessen gegenwärtiger Verfassung solche abzuschaffen und dafür ein Regiment zu werben, welches in des Königs Dienst treten sollte, um gegen die rebellischen Kolonieen auf seine eigenen Kosten gebraucht zu werden. In England fand er keinen Käufer; er ließ deshalb auf Anrathen seiner Freunde seine ganze Hunde-Equipage in eine teutsche Zeitung unter die zu verkaufenden Sachen setzen, in der zuversichtlichen Hoffnung, daß man in Teutschland mehr Hunde- als Menschenliebe besitzt. Man behauptet, ein teutscher Reichsfürst habe ihm dagegen ein Regiment Soldaten vertauschen wollen; allein letzteres, glaube ich, ist erdichtet und halte[S. 232] die ganze Geschichte für eine Erdichtung. Doch können gnädigster Herr Vetter sich nicht genug vorstellen, mit welch einem Auge die vernünftigen und uninteressirten Engländer das Betragen der teutschen Reichsfürsten ansehen. Und noch zum größern Ruhme werden alle teutschen Truppen vor Leute angesehen, welche zu viel in ihrem Vaterland gewesen sind und dessendwegen diese Umstände und Begebenheiten vor unsere glücklichste Ausflucht halten. Schließen also gnädigster Herr Vetter hieraus nicht, daß dieser Dienst ein Weg und Feld der Ehre sein sollte.

Die Engländer sehen uns gar nicht davor an und können gar nicht begreifen, wie ein Mann von Ehre seinen Ehrgeiz auf das treiben kann, seine Haut vor Geld zu verkaufen. Alles, was wir in Ansehung unseres Exerzierens voraus haben, ist in ihren Augen lächerlich und sehen uns allein dazu tüchtig an, diejenigen Posten zu besetzen, welche sie erobern. Unsere Lage ist höchst unerquicklich; wir sind weder Fisch noch Fleisch, weder halb noch ganz. Ich bin aber nicht gesonnen, noch länger unter meiner Charge aus Liebe vor Ihro Durchlaucht zu dienen, will also lieber unter derselben in einem andern Dienste dienen und lieber nicht in meiner jetzigen Stellung ein rapides (?) Glück machen.“

Gemmingen nahm als vorurtheilsfreier Mann diesen Brief gut auf und berief umgehend dessen Absender nach Europa zurück, wo dieser Mitte Oktober landete.

So glücklich wie Wöllwarth waren aber die wenigsten seiner Kameraden. Es hatte nicht lange gewährt, bis sie sich ihre traurige Lage klar gemacht hatten, allein sie wandten sich mit der Bitte um Rückkehr in der Regel vergebens an ihre Landesväter. Namentlich war der Landgraf von Hessen selbst Kranken gegenüber ein strenger Herr. Wenn er endlich nothgedrungen seine Einwilligung zur Rückkehr ertheilen mußte, so verzögerte er gewöhnlich die Uebermittlung so lange, daß die Bittsteller keinen Gebrauch mehr davon machen konnten, indem sie schon vorher gestorben waren. Eine Luftveränderung, andere Umgebungen und bessere Nahrung hätten die Armen sicher am Leben erhalten. Bei den hessischen Regimentern, die von 1779–1783 im Süden standen, reichten die Offiziere fast wöchentlich Entlassungsgesuche ein; nur einige wenige wurden genehmigt; die Bittsteller aber fielen meistens dem Faulfieber zur Beute. Andrer Seits kam es vor, daß junge Fähndriche und Lieutenants desertirten, weil sie nicht unbestimmte Zeit auf die Antwort aus Kassel warten[S. 233] wollten, so z.B. ein Fähndrich Karl Wilhelm Kleinschmidt aus Landau in Waldeck und ein Lieutenant Führer.

Zu diesen Uebelständen gesellte sich nun bei den Hessen das schlechte Avancement, das bei einzelnen Regimentern langsamer war als in den heimischen Garnisonen. Nach der Niederlage bei Trenton (26. Dezember 1776) bis zum 19. November 1779 unterschrieb der Landgraf keine Beförderung eines Offiziers der bei jenem unglücklichen Ereigniß betheiligten Regimenter. Selbst der Kommandeur des früher vom Obersten Rall befehligten Grenadier-Regimentes war zuletzt ein Major, nachdem der Obristlieutenant mit Tode abgegangen war. „Bei der noch immer nicht in völliges Licht gesetzten fatalen Affaire von Trenton — schrieb der Landgraf am 11. August 1779 aus Hofgeismar an den Major Mathaeus — kann ich mich vor der Hand, und bis das Regiment durch wesentliche und eklatante Proben seiner Tapferkeit sich meiner Gnade wieder gänzlich würdig gezeigt haben wird, zu keinem Avancement derer dabei mitgewesenen Offiziers entschließen. Des Herrn Majors gethaner Vorschlag wegen Ernennung derer beyden Premier-Lieutenants Saltzmann und Stoebell zu Stabskapitains hat also auch keine Statt finden können.“

Unterm 10. Juli 1779 hatte der Major Endemann von der Betheiligung des Regiments Trümbach an der Affaire bei Stonoferry berichtet, wo es sich besonders auszeichnete, in dessen Folge es vom kommandirenden General Provost durch Armeebefehl belobt wurde, und bat, „die unglückliche Trenton-Affaire nunmehr in die Tiefe gänzlicher Vergessenheit zu versenken, hingegen dem Regimente die seither entzogene Gnade nach wie vor zuzueignen geruhen zu wollen.“ Der Landgraf nahm aus Weißenstein unterm 19. November 1779 aus dieser Meldung Anlaß, „dem Regiment nunmehr wieder seine vorige Gnade zuzuwenden, auch ihm wieder Fahnen zu geben, und die Avancements, welche zeither lediglich wegen der Burgoise von Trenton zurückgeblieben, wiederum darin zu lassen. Inzwischen wird dieses jedoch mein Ressentiment gegen diejenigen im Regiment nicht aufheben, welche bei dieser fatalen Affaire nach geendigter Untersuchung durch das befohlene Kriegsgericht etwa schuldig befunden werden sollen und sich hätten Ein oder Anderes zur Last kommen lassen.“

Während die übrigen Lieferanten die Korrespondenz mit ihren Truppen in Amerika durch die Hände ihrer Minister gehen ließen, nahm der Landgraf von Hessen, wie wir bereits im vierten Kapitel, S.50, angedeutet[S. 234] haben, an Allem Theil, was seine Offiziere betraf, und beantwortete die Berichte seiner Regiments-Kommandeure und Generale immer umgehend selbst. Aus diesem Briefwechsel geht hervor, daß er stets sehr gut unterrichtet war und daß er genaues Buch über alle Ereignisse auf dem amerikanischen Kriegsschauplatze führte. Seine Antworten sind kurz, klar und sachgemäß; sie enthalten kein Wort zu viel und tragen den Zuschnitt des knappen preußischen Geschäftsstils jener Zeit. Selten läuft etwas Privates mit unter. Er ist immer der hohe herablassende „Kriegsherr“, der lobt und tadelt, zürnt und straft. Einmal, gegen Ende des Krieges, bat der Landgraf den Obersten v. Porbeck um eine Sendung von amerikanischen Merkwürdigkeiten, seltenen Vögeln, Indianer-Kleidern und Waffen, fremden Gewächsen &c. Der Oberst antwortete am 31. Januar 1783 aus Cow Neck auf Long Island, daß er zu seinem Bedauern keinen dieser Gegenstände beschaffen könne. „Außerdem — fügte er hinzu — haben die hiesigen Einwohner einen solchen Abscheu vor allen zur britischen Armee gehörigen Leuten, daß sie Niemanden, wenn sie auch wirklich etwas von Raritäten hätten, davon zukommen lassen, und uns selbst die nöthigen Lebensmittel auf das Theuerste verkaufen.“

Persönlich waren übrigens die deutschen, namentlich höheren Offiziere, Ehrenmänner in des Wortes vollster Bedeutung. Das englische Ministerium ließ es ihnen gegenüber an Versprechungen und Versuchen, sie in sein Interesse zu ziehen, nicht fehlen; allein sie waren unbestechlich und ehrlich. „Da sehr viel von der herzlichen Mitwirkung und der guten Stimmung der deutschen Offiziere abhängt — schreibt der Staatssekretär Suffolk bereits am 12. Februar 1776 an seinen Agenten Faucitt — und da dieser Zweck am besten durch Mittheilungen über ihren Charakter und ihre Fähigkeiten erreicht werden kann, so verschaffen Sie sich darüber möglichst viel Einzelheiten. Ein anderer nicht minder wichtiger Punkt ist der, daß die Offiziere auf die Freigebigkeit des Königs verwiesen werden, wenn sie unseren Erwartungen entsprechen und weder durch parteiische und unzulässische Rücksicht auf die Erhaltung der von ihnen befehligten Truppen, noch durch Eifersüchteleien unter einander oder gegen die englischen Offiziere den Dienst stören oder unterbrechen. Ich bevollmächtige Sie also, den betreffenden Offizieren die Freigebigkeit und Gunst des Königs für den Fall der glücklichen Beendigung des Krieges in Aussicht zu stellen und sie über ihre Ansprüche genau auszuforschen.“[S. 235] Faucitt verfehlte natürlich nicht, von dieser Vollmacht den weitgehendsten Gebrauch zu machen und fragte bei Einzelnen, z.B. Riedesel, Heister und Knyphausen an, in welcher Art sie die englische Gunstbezeugung wünschten; allein er erhielt von ihnen die kühle einstimmige Antwort, daß sie in Amerika aus eigenem Antriebe als gute Soldaten ihre Pflicht thun würden und daß es ihrer Ehre zuwiderlaufe, mit England über außerordentliche Belohnungen zu unterhandeln.

Der General Heister, ein tapferer alter Haudegen, aber auf seine Würde eifersüchtiger Korpsführer, bat nur für den Fall, daß er vor dem Feinde bleiben sollte, um Berücksichtigung seiner Familie. Er wurde aber auf Veranlassung des englischen Ministeriums schon zu Anfang 1777 zurückberufen, angeblich wegen der Niederlage bei Trenton, woran übrigens Heister ganz unschuldig war, in der That aber, weil er nicht zugeben wollte, daß seine Hessen immer und überall die gefährlichsten, exponirtesten Stellungen einnehmen und zu den blutigsten Angriffen verwandt werden sollten. Suffolk nannte das im Sinne seines oben mitgetheilten Schreibens unpraktisch und unzulässig. Er erklärte deshalb dem Landgrafen von Hessen, daß die Operationen des Heeres leiden würden, wenn Heister an der Spitze der Hessen bliebe, und versprach Schlieffen, dem Minister und Unterhändler des Landgrafen, mehr als einen bloßen Dank in Worten, wenn er ihm in dieser Angelegenheit seine Hülfe zusagen wollte. Der „Weise von Windhausen“ ging sofort auf Suffolk's Wunsch ein und setzte diesen auch beim Landgrafen durch. Der brave alte General kehrte im Sommer 1777 nach Europa zurück, starb aber schon am 19. November 1777 in Kassel aus Gram über die ihm zu Theil gewordene ungerechte Behandlung. Der König von England ließ seiner Wittwe, die mit ihren acht unversorgten, in Armuth zurückgelassenen Kindern vom Landgrafen nur 600 Thlr. jährliche Pension erhielt, ein Jahrgehalt von 200 Pfund Sterling auszahlen. Knyphausen, der bisher die zweite hessische Division kommandirt hatte, wurde Heister's Nachfolger und machte sich bei seinen englischen Vorgesetzten sehr beliebt, vielleicht weil er weder Deutsche noch Engländer schonte. Er war einer der besten Divisionsgenerale auf englischer Seite. Bekanntlich wurde das von ihm erstürmte Fort Washington auf der Insel New-York ihm zu Ehren Fort Knyphausen benannt. Als ein englischer Oberst einen Theil der hier erbeuteten acht amerikanischen Fahnen für sein Regiment begehrte, stieß Knyphausen sie verächtlich mit[S. 236] dem Fuße weg und erwiderte: „Meinetwegen nehmt sie alle und wischt Euch den H—— damit ab!“ Von seinen Soldaten konnte er jede Leistung verlangen, weil er überall selbst mit dabei war und weder Gefahr noch Strapazen scheute. Gegen Ende des Krieges wurde General Loßberg der Nachfolger Knyphausen's. Der braunschweigische General Riedesel ist durch die von seiner tapfern Frau und Begleiterin geschriebene sog. „Berufsreise“ und die Biographie von Eelking als ein tüchtiger und umsichtiger Offizier, humaner Vorgesetzter und edler Charakter allgemein bekannt geworden. Die übrigen Kontingente hatten keine Generale, sondern nur Obersten an ihrer Spitze.

Eine Unart dieser Männer, die zugleich durch die Mode der Zeit bedingt war, bestand in dem Gebrauch des Französischen als ihrer Geschäftssprache; dabei drückten sie sich durchaus schlecht und inkorrekt aus. Das Küchenlatein der Mönche ist klassisches Latein im Verhältniß zum Französischen der deutschen Generale und Obersten. So schrieb, um hier nur ein Beispiel herauszugreifen, u.A. einmal Riedesel an den Earl von Suffolk: „Le courier, qui prendra cette lettre avec.“ Und Riedesel war sogar noch einer der kleinsten Verbrecher am Genius der französischen Sprache!

Während somit keiner der nach Amerika gesandten deutschen Offiziere einen pekuniären Vortheil zog — der doppelte Sold ging mehr als ein Mal bei den theuren Preisen der nothwendigen Bedürfnisse darauf — erhielt mit Ausnahme der bei derartigen Verhandlungen üblichen Kanzleigeschenke nur Schlieffen in Gestalt verschiedener Baarzahlungen von je 330 Pfund und schließlich einer Pension von 300 Pfund, eine Belohnung von England. Diese letztere wurde ihm angeblich dafür bewilligt, daß er einige Zeit vor der Schlacht bei Minden in Osnabrück mehrere wichtige, der verbündeten Armee gehörige Magazine gerettet habe, in der That aber ward sie für seine bei Abschluß und Ausführung des Truppenlieferungs-Vertrages sowie bei der Absetzung Heister's geleistete Hülfe ausgeworfen. Schlieffen selbst wunderte sich anfangs über das plötzlich so gut gewordene Gedächtniß und eine so lebhaft, wenn auch spät, zu Tage tretende Dankbarkeit des englischen Ministeriums, begriff aber sehr schnell, daß dieses nur unter einem so unschuldigen Titel die Genehmigung des Parlaments erlangen könne. Er erinnerte sich also bald sehr genau seiner wichtigen Dienste, erläuterte, daß ohne ihn der Sieg in der Schlacht bei Minden[S. 237] gar nicht möglich gewesen sein würde und bezog die Pension länger als vierzig Jahre bis zu seinem erst 1825 erfolgten Tode.

Außer Schlieffen und den unmittelbar Betheiligten selbst gewann in der Folge auch das Haus Rothschild an den englischen Millionen, welche England den hessischen Fürsten für ihre Soldaten gezahlt hatte. Es ist eine interessante Thatsache, daß sich der erste Ursprung des Reichthums und der Weltstellung der Rothschilds indirekt auf diesen Handel zurückführen läßt. Der alte Landgraf und spätere Kurfürst von Hessen-Kassel hatte nämlich den Begründer des Hauses Rothschild, Mayer Amschel, schon lange vor der französischen Revolution durch Geschäfte in alten Münzen kennen gelernt und benutzte denselben als Agenten, um seine Zinsen aus der Londoner Bank zu erheben, welche dort von den in Folge der Menschenfleischlieferungen von England gezahlten Kapitalien fällig wurden. M.A. Rothschild zog für diese Summen Wechsel auf das englische Bankierhaus van Notten, welches Vollmacht des Landgrafen zur Erhebung der Zinsen hatte. Beim Jahresschluß berechnete sich Rothschild mit dem Landgrafen und hatte, abgesehen von der nicht unbedeutenden Provision, auch noch den Nutzen, fortwährend mit den Geldern des Landgrafen spekuliren zu können, was er auch in seiner unermüdlichen und scharfsinnigen Weise mit dem glücklichsten Erfolge that. Die Erwerbung ungeheurer Summen wurde dem M.A. Rothschild später dadurch möglich, daß es ihm gelang, den Landgrafen dazu zu bewegen, daß er die Vollmacht dem Hause van Notten entzog und dieselbe dem zweiten Sohne Rothschild's, Nathan, übertrug, der auf Grund derselben Kapital und Zinsen einzog. Als nun die englische Regierung ihre Armee in Spanien zu unterhalten hatte und kein englischer Bankier die Lieferung des Geldes von England nach Spanien übernehmen wollte, da übernahm M.A. Rothschild diese Lieferung gegen hohe Provision und leistete mit den unter Einwilligung des Eigenthümers erhobenen landgräflichen Fonds die geforderte Kaution, bei der Niemand sein eigenes Vermögen wagen wollte. Das Glück begünstigte Rothschild's Unternehmen, die Geldsendungen kamen unversehrt an. Auf diese Weise verdiente Rothschild während der Dauer des spanischen Feldzuges, also während acht Jahren, jährlich mehrere Millionen. Die Möglichkeit, eine so hohe Kaution zu leisten und die pünktliche Geschäftsbesorgung veranlaßten hierauf die englische Regierung, den europäischen Fürsten die enormen Subsidien während des Kontinentalkrieges durch[S. 238] das Haus Rothschild zu übermitteln, wodurch dessen Ansehen und Reichthum zusehends wuchsen. Von dieser Zeit an, namentlich seit dem Wiener Frieden, nahmen die Rothschild's Theil an allen großen Geldoperationen und Anleihen der wieder eingesetzten Dynastien und wurden von Tag zu Tage mächtiger.

Auch Frankreich betheiligte sich am amerikanischen Kriege, allein mit geringeren Opfern an Menschen und auf der den deutschen Fürsten entgegengesetzten Seite. Während diese lediglich aus Rücksicht auf ihren Beutel als gefügige und willenlose Werkzeuge einer an sich schlechten und unglücklichen Politik keine politischen Zwecke und Interessen kannten, eroberte dagegen Frankreich mit den 6000 Mann, die es der jungen Republik zu Hülfe schickte, seine durch den siebenjährigen Krieg erschütterte Weltmachtstellung wieder. Frankreich ließ es sich zwar Millionen über Millionen kosten, es gewann dafür aber Ansehen, Ehre und Macht. Deutschland nahm Millionen und Millionen ein; es verlor aber dadurch den letzten Rest von politischer Bedeutung und sank zum Spott von Freund und Feind herab. Die paar tausend Franzosen, die unter Rochambeau die Taufpathen eines mächtigen Freistaates wurden, haben bewirkt, daß, so lange es Vereinigte Staaten von Amerika geben wird, die französischen Waffen und der französische Name in der Union jeder Zeit geehrt und gefeiert dastehen werden. Die 30,000 Deutschen dagegen haben als die bezahlten Schergen englischer Anmaßungen nicht allein sich den Haß zugezogen, der in erster Linie das Mutterland traf, sondern zu diesem Haß noch die Verachtung auf sich geladen, welcher sich Jeder aussetzt, der sich um ein schnödes Trinkgeld zur Unterdrückung der Freiheit mißbrauchen läßt. „Von dem Augenblicke an, sagt der hochverdiente amerikanische Geschichtsschreiber G.W. Greene, in welchem der erste Hesse seinen Fuß auf amerikanischen Boden setzte, wurde die Wiederaufnahme des alten kindlichen Verhältnisses zum Mutterlande unmöglich.“ Noch heute ist im Munde eines Amerikaners der Name Hesse eines der verächtlichsten Schimpfworte, welches einen feilen, verkäuflichen Menschen bezeichnet, und noch heute leidet unser Volk unter dem Fluche jenes nichtswürdigen Handels[8]. Denn in [S. 239] dem internationalen Verkehr handelt es sich nicht um die Ansichten, Wünsche und Bestrebungen der ein Volk bildenden Individuen, sondern um den Ausdruck, den sein inneres nationales Leben in der Politik thatsächlich gewinnt. Darum können auch im vorliegenden Falle nicht Schiller, Kant, noch Friedrich der Große unsre Vertheidigung übernehmen und unsre Nation von aller Schuld rein waschen, denn das Ausland wiegt uns nach dem, was die Fürsten gesündigt haben.

Bleibt es unter diesen Umständen ein Trost sich sagen zu können, daß wenigstens die also verkauften Soldaten tüchtig und tapfer waren und dem alten militärischen Rufe der Heimath in Amerika alle Ehre machten? Wohl schwerlich! Jede tapfere That, die sie verrichteten, jeder Erfolg, den sie mit dem Einsatz ihres Lebens erkämpften, war für das Vaterland verloren oder wenigstens nicht errungen. Wohl hat der amerikanische Krieg herrliche Thaten der Einzelnen gesehen, die, für eine bessere Sache vollbracht, den Namen ihrer Urheber in Lied und Sage verherrlicht und für alle Zeiten als volksthümliche Gestalten verewigt hätten; aber es war der Fluch der bösen That der Fürsten, daß selbst die Heldengestalten unter den verkauften Truppen ungenannt und ungekannt in ein ruhmloses Grab sanken. Der hessische Oberst Rall, der allerdings durch seine übermüthige Verachtung des „Rebellenpacks“ die Katastrophe bei Trenton veranlaßte und dadurch die entscheidende Wendung des Krieges herbei führte, gilt namentlich den Amerikanern als ein kopfloser und unfähiger Offizier; allein er war in Wirklichkeit einer der tüchtigsten und tapfersten Befehlshaber. Seine englischen Kameraden nannten ihn nur den hessischen Löwen, und für die Amerikaner war er der leibhaftige Schrecken. Um seine Niederlage nicht zu überleben, stürzte er sich in das heißeste Gefecht und fiel wenigstens mit Ehren. Wer, außer dem engen Kreise kriegsgeschichtlicher Fachschriftsteller, kennt heute noch die tapferen Jägerstückchen des Hauptmanns Emmerich in Amerika, desselben spätern Obersten Emmerich, welcher am 18. Juli 1809, selbst ein Rebell, auf dem großen Forst bei Kassel von den Napoleonischen Schergen erschossen wurde und wie ein Held starb; wer meldet den Ruhm des umsichtigen und kühnen Ewald, wer weiß vom heldenmüthigen Hauptmann Schaller, der mit dreißig Mann einen Posten gegen einen ihm fünfzigfach überlegenen Feind glücklich vertheidigte und als Fremder nicht einmal eine öffentliche Anerkennung für seine That erhielt, weil der kommandirende General Schaller's unfähigem Vorgesetzten,[S. 240] einem englischen Major, nicht wehe thun wollte; wer kümmert sich wohl um den tapfern waldecker Obersten Hanxleden, der an der Spitze seiner Truppen unter den Mauern von Pensacola fiel und um den waldecker Hauptmann Stierlin, den die tödtliche Kugel traf, als er eben an der Spitze seiner Kompagnie eine Redoute erstiegen hatte? Wer endlich hat vom braven Sergeanten Rübenkönig gehört, der gleich dem Kapitain d'Assas vom französischen Regiment d'Auvergne, in der Gewalt des Feindes und von diesem mit augenblicklichem Tode bedroht, trotzdem seine Pflicht höher achtete als sein Leben und sein Regiment durch seinen Zuruf rettete? Den Franzosen rühmt Geschichte und Gedicht; sein dankbares Vaterland nahm sich sogar in der Revolution seiner Wittwe und Kinder an; den Namen des braven hessischen Unteroffiziers dagegen meldet kein Lied, kein Heldenbuch.

Ja, selbst Donop ist vergessen, der tapfere hessische Oberst, der uns den tragischen Schmerz des Helden über seinen frühen Tod und über seine Hinopferung für fremde Zwecke ergreifend vor Augen führt. Er hatte, als einer der beliebtesten und geachtetsten Offiziere und der beste Brigadier der Armee, nach Rall's Tode das Kommando über die Jäger und Grenadiere erhalten und im Oktober 1777 an der Spitze seiner Brigade, zu Fuß und mit dem Degen in der Hand, den Sturm gegen Fort Redbank am Delaware unternommen, um es, nach dem von Knyphausen bei Fort Washington gegebenen Beispiele, auf seinen Namen umzutaufen. Bei diesem Angriff wurde er aber zurückgeschlagen und von einer Kugel zu Boden gestreckt. Hülflos lag er unter einem Haufen Leichen, als der Vertheidiger des Forts, der französische Ingenieur-Hauptmann Mauduit de Duplessis, ihn fand und in das benachbarte Haus eines Quäkers schaffen ließ, wo der Sterbende noch drei Tage mit dem Tode rang. Dort auf dem Schmerzenslager in der einfachen Quäkerwohnung und im Frieden des amerikanischen Waldes, fern von dem Flitter und Tand der Welt, schwebten zum letzten Male die Bilder der Vergangenheit, der Glanz seiner Jugend, die Pracht der europäischen Höfe und die stolzen Ziele seines Ehrgeizes vor dem Geiste des tapfern, erst sieben und dreißigjährigen Soldaten vorüber. Sein Blick klärte sich, und sein Verstand unterschied zwischen dem Wesen und Schein seines Lebens. „Ich bin zufrieden — sprach er zu dem ihn sorgsam pflegenden Duplessis in dessen Muttersprache — ich sterbe in den Armen der Ehre[S. 241] selbst: ein jähes Ende für eine schöne Laufbahn; aber ich falle als das Opfer meines Ehrgeizes und der Habsucht meines Fürsten!“[9]

Doch so trostlos als diese Reflexion eines Sterbenden ist das letzte Wort unsrer Geschichte nicht!

Wenden wir uns von den Opfern, welche für eine ihnen aufgedrungene Sache fern von der Heimath gestorben oder ohne Gewinn für sich und Andere in's Vaterland zurückgekehrt sind, zu einem jungen Soldaten, der, [S. 242] unter Tausenden der einzige selbständige und denkende Kopf, den amerikanischen Krieg in seiner ganzen Tragweite als einen Sieg des bewaffneten Volkes gegen ein durch Gewalt, List und Betrug geworbenes Heer erkannte, und welcher in Amerika zuerst aus eigener Anschauung lernte, ein wie mächtiger Verbündeter die Begeisterung zu werden vermag, wenn die rechten Mittel ergriffen werden, sie zu wecken, und wenn der zündende Gedanke da ist, für welchen die Masse sich erwärmen läßt. Jahrzehnte mußten vergehen, bis ihm im Verlaufe der deutschen Geschichte die Gelegenheit reifte, den Krieg nach amerikanischen Grundsätzen zu organisiren und, von den amerikanischen Milizen ausgehend, dieser Volksbewaffnung in der preußischen Landwehr den vollendetsten Ausdruck schaffen zu helfen; aber dieser Krieg wurde durch jene Grundsätze und den Geist ihrer Ausführung, trotzdem daß die Fürsten sich hemmend und störend an ihn hingen, zu einem der größten und edelsten, welche die neuere Geschichte kennt.

In dem damals kaum drei und zwanzigjährigen, unbekannten und wenig hervorstechenden anspachschen Lieutenant Neithard v. Gneisenau ahnte der englische General, der ihn zur Rückkehr einschiffte, wohl nicht den großen Strategen, den genialen Schlachtendenker, welcher kaum ein Menschenalter später über Wellington's ursprünglich engbegrenzten Plan einer, Napoleon vor Brüssel zu liefernden Vertheidigungsschlacht hinausging und diese, durch seine Dispositionen für das Eingreifen der preußischen Truppen, zur Vernichtungsschlacht bei Waterloo, zum Weltgericht über das brutale erste Kaiserreich erhob.

Und noch jüngst im amerikanischen Bürgerkriege, durch einen neuen Rückschlag in der Geschichte, traten mehr als 200,000 deutsche Freiwillige für dieselbe Republik in Waffen, gegen welche deutsche Landesväter 30,000 Söldner zu kämpfen gezwungen hatten. Die wehrhaften Söhne Deutschlands in der Fremde haben das Verbrechen seiner Fürsten glänzend gesühnt.

Bei uns in der Heimath aber giebt es seit den letzten glorreichen Feldzügen keine Söldner mehr, sondern nur noch das deutsche Volk in Waffen, welches, wenn es sein muß, mannhaft für Haus und Heerd kämpfen und sich siegreich gegen seine Neider und Feinde zu behaupten wissen wird.


[S. 243]

Anhang.

I.

Der Erbprinz von Hessen-Kassel an König Georg III.

(State Paper Office, Holland Vol. 592.)

Hanau, ce 19. Août 1775.

Sire,

L'Epoque présente que les troubles suscités par les sujets de V. M dans une autre partie du monde ont fait naître, rallume le zéle et l'attachement de tous ceux qui pénetrés de vos bontés, Sire, ne cessent de faire les voeux les plus ardens pour la felicité et le repos du meilleur des Rois.

Animé de ces sentiments que mon respect soumis et mon attachement inviolable pour sa Personne me dictent, je supplie V. M d'agréer favorablement que dans cet instant ou Elle paroit desirer des trouppes Allemandes, j'ose lui offrir sans la moindre condition et à ses ordres mon Regiment d'Infanterie composé de cinq cent hommes, tous enfants du pay que la protection de V. M m'assure uniquement et tous prêts á sacrifier avec moi leur vie et leur sang pour son service.

Daignéz me pardonner la liberté que je prens et regarder l'intention et non la chose même. Que ne puisse-je offrir 20 mille hommes à V. M, ce seroit avec le même empressement. Qu'il lui plaise donc de disposer entièrement de mon Regiment à quel tems et où Elle ordonnera. Il est tout prêt au premier clin d'oeuil qu'Elle daignera m'en faire donner,

II.

Der Erbprinz von Hessen-Kassel an Sir Joseph Yorke.

(S.P.O. Holland, Vol. 592.)

Hanau, ce 20. Août 1775.

Monsieur. En m'adressant à Votre Excellence au moment présent je profite de son amitié sur laquelle je fais toujours le plus grand fond et en la priant de remettre l'incluse à Sa Majesté le Roi vous obligerez quelqu'un dont tous les sentimens les plus vifs vous sont acquis pour toujours Monsieur; la copie ci-jointe vous mettra au fait du sujet contenu dans la lettre susdite. La reconnaissance la plus soumise pour toutes les bontés que le Roi a eu pour moi et en aucune façon mon interêt me determine à cette demarche. Si Votre Excellence trouvait qu'il fut necessaire de l'adresser au Ministre de ce Departement[S. 244] en Angleterre, je le laisse uniquement à votre decision, n'aiant pas l'honneur de connaître celui qui en est chargé. Je n'ai voulu que donner à Sa Majesté une faible preuve de mon respect et de mon attachement, ne demandant rien que d'avoir le bonheur de lui être en quelque façon utile pour toutes ses bontés infinies à mon égard, et que je n'ai encore jamais pu mériter.

Si vous vous souvenez encore un peu, Monsieur, de quelqu'un qui sait estimer votre amitié, vous voudrez bien être aussi persuadé que rien ne changera la consideration la plus distinguée et l'amitié la plus constante avec lesquels j'ai l'honneur d'être pour ma vie

Monsieur de Votre Excellence
le très humble, très obeissant Serviteur et fidele ami

Guillaume P. H. D'Hesse.

III.

Der Fürst von Waldeck an den Earl von Suffolk.

(S. P. O. German States, Vol. 101.)

Arolsen, ce 13. Novembre 1775.

Attaché de coeur et d'âme au monarque dont votre Excellence a le bonheur d'être le ministre, je crois de mon devoir de faire tout ce que mes faibles moyens me permettent, pour tacher de lui prouver du moins ma bonne volonté, quand il s'agit de son service. Je prends donc la liberté, Mylord, de vous supplier d'assurer Sa Majesté qu'au cas que des circonstances quelconques la mettent dans le cas d'avoir besoin de troupes étrangères je regarderai comme une faveur de sa part, de vouloir accepter un regiment de 600 hommes[10], composé d'officiers et de soldats qui ainci que leur prince ne demanderont certainement pas mieux que de trouver l'occasion de se sacrifier pour elle.

J'ai l'honneur d'être avec la consideration la plus parfaite, Mylord, votre très humble et très obéissant serviteur

Frédéric P. de Waldeck.

IV.

Earl von Suffolk an den Fürsten von Waldeck.

(S. P. O. German States, Vol. 101.)

St. James, ce 24. Novembre 1775.

Monseigneur!

Je n'ai pas manqué un seul instant de rendre compte au roi du contenu de la lettre que Votre Altesse Serenissime a daigné m'honorer. Sa Majesté m'ordonne de vous assurer, Monseigneur, qu'elle est très sensible à la manière noble dans laquelle Votre Altesse Serenissime fait l'offre de ses troupes. La situation des affaires demandera une force considérable en Amérique avec toute la promptitude possible; et le regiment de votre Altesse Serenissime fera une augmentation bien desirable à l'armée qui y est destinée. J'ai donc[S. 245] les ordres du Roy d'informer V. A. S. que Sa Majesté accepte avec bien de remercimens le secours que vous venez d'offrir; et j'espère que V. A. S. me permettra dans peu de tems lui écrire de nouveau sur ce sujet, et de lui renouveller les assurances du profond respect, avec lequel j'ai l'honneur d'être etc. etc.

V.

Der Fürst von Waldeck an den Earl von Suffolk.

(S. P. O. German States, Vol. 101.)

Arolsen, ce 30. Decembre 1775.

La lettre que Votre Excellence m'a fait l'honneur de m'écrire m'est parvenue Vendredi dernier. L'idée de trouver peut-être une occasion de prouver à Sa Majesté mon inviolable attachement, me pénètre exactement de la joie la plus vive et la plus pure. Comptez donc, Mylord, je vous en supplie que je ferai tout ce qui dependra de moi pour faire convenir Mr. Faucitt de la réalité de ces sentimens. J'ai l'honneur etc. etc.

VI.

Georg III. an den Fürsten von Waldeck und gleichlautend an den Prinzen von Hanau.

(S. P. O. German States, Vol. 102.)

St. James, January 2. 1776.

Mon cousin,

En conséquence de ce que mon principal Secretaire d'Etat, le Comte de Suffolk, a eu l'honneur de vous écrire en mon nom, j'ai chargé le Col. Faucitt de se rendre à votre cour de vous présenter cette lettre de ma part et de réitérer les assurances de ma sensibilité, pour la manière noble avec laquelle vous avez bien voulu m'offrir vos troupes. Je les accepte avec bien des remercimens et ayant muni le Col. Faucitt des plein-pouvoirs nécessaires pour conclure une convention avec vous, je vous prie de donner créance entière à ce qu'il vous dira en mon nom, surtout quand il vous donnera des assurances de l'amitié et de l'estime, avec lesquelles je suis etc. etc.

VII.

Herzog Carl von Braunschweig an König Georg III.

(S. P. O. German States, Vol. 101.)

Brunsvic, ce 5. Decembre 1775.

Sire,

Le Ministre plénipotentiaire de votre Majesté, Colonel Faucitt m'a remis la lettre dont elle m'a honoré, en date du 14. Novembre. Rien ne pouvait être plus satisfaisant pour moi que de recevoir les assurances flatteuses de la continuation de ses bontés. Mon empressement à aller au devant de tout ce que vous desirez, Sire, doit déjà être connu de Votre Majesté et elle[S. 246] daignera se rappeller qu'a cet égard ma conduite durant la dernière guerre a été invariable. Je serai certainement empressé à concourir aux voeux de votre Majesté dans l'époque présente, et je le ferai avec tout le zèle que m'inspirent les sentimens qui m'attachent à elle.

J'ai ordonné au Conseiller Privé de Feronce d'entrer incessament en conférence avec le Ministre de Votre Majesté, et je lui ai enjoint d'accélérer le travail autant que possible.

Votre Majesté peut être persuadée que je me préterai avec toute la facilité imaginable à tout ce qui sera executable dans les circonstances actuelles. Permettez moi, Sire, d'assurer Votre Majesté que je serais au comble de ma joie, si j'avais de frequentes occasions de la convaincre que rien n'egale les sentimens du très-profond respect avec le quel je suis, Sire, de Votre Majesté le très humble, très obéissant et devoué Cousin et serviteur

Charles Duc de Brunsvic-Oels.

VIII.

Der Erbprinz von Hessen-Kassel an den König Georg III.

(S. P. O. Germain States, Vol. 103.)

Hanau, ce 17. Mars 1776.

C'est avec ce respect et ce zèle sans bornes que les ordres de Votre Majesté m'inspirent à jamais, que je viens de fair partir avant-hier le 15. de ce mois mon régiment destiné à servir dans son armée. Le Colonel Faucitt m'ayant averti que le jour de départ devoit être accéleré autant que possible, je n'ai pas pérdu un instant pour cet effet. La liste ci-jointe que j'ose mettre devant Votre Majesté presentera l'état du régiment, comme j'en ai fait la revue Vendredi dernier, ainsi que les noms des officiers avec la date de leur patentes.

Puissiez-vous, Sire, avoir lieu d'être satisfait des faibles preuves que j'ai desiré de vous donner de mon devouement respectueux, de ma reconnaissance soumise. J'ose encore réitérer que mon ardeur inexprimable d'être utile à son service peut seule être nommée et non la chose même.

Permettez, Sire, que venant d'apprendre que le Landgrave, mon père, fournit à votre Majesté un Corps d'artillerie, j'ose lui offrir une compagnie de 120 hommes de cette espèce appartenant jusqu'ici à mon régiment. J'en ai déjà fait la proposition au Colonel Faucitt, mais comme il n'avait pas d'ordre de prendre de l'artillerie en subsides, il n'a pas pu y entrer alors.

Des que j'apprendrai les intentions de Votre Majesté à cet égrad cette compagnie pourra incessement marcher à ses ordres.

C'est avec etc. etc.

IX.

Der Erbprinz von Hessen an den Earl v. Suffolk.

(S. P. O. German States, Vol. 104.)

Hanau, 1. May 1776.

My Lord!

The luck I have had to be able to show in some manner my utmost respect and gratitude to the best of Kings by offering my troops to His Majesty's[S. 247] service gives me a very agreeable opportunity of thanking you, Mylord, for all your kindness and friendship to me upon that occasion and begging your pardon for all the trouble I may have provided you in this regard.

My only wishes are that all the officers and soldiers of my regiment, now to His Majesty's ordres, may be animated of the same respectful attachment and utmost zeal I shall ever bear for the king, my generous protector and magnanimous support. May the end they shall fight for answer to the kings upper contentment, and your laudable endeavors, My Lord, be granted by the most happiest issue. The continuation of your friendship to me, Sir, which I desire very much assures your goodnes and protection to my troops. I ask in their names this favor from you and hope they will deserve it.

Excuse me, Sir, if I am not strong enough in the English language for to explain as I should the utmost consideration and sincere esteem with which I am for ever, Mylord, your most humble and very obedient servant

William H. P. of Hesse.

X.

Suffolk an den Erbprinzen von Hessen.

(S. P. O. German States, Vol. 104.)

St. James, May 14. 1776.

Sir,

I am too deeply penetrated by the notice Your Serene Highness is pleased to take of me, not to beg your acceptance of my humble acknowlegdments for your great condescension. The experience I have had of your Serene Highnesses sincere and affectionate attachment to the King has impressed indelible marks of gratitude and veneration on my breast. But proud as I shall be to show them upon all occasions, I am happy to assure your Serene Highness from a perfect knowledge of his Majesty's sentiments, that there is in this country a more powerful supporter of Your Serene Highnesses interests and a better advocate for any object you can recommend than any minister, be he ever so zealous, whom Your Serene Highness may honor with your commands.

Your troops, Sir, than which none can be finer or in a more complete condition, will certainly meet with every degree of protection and encouragement, and I make no doubt under the Blessing of God, share the high reputation of having preserved the lustre of that crown from which you are descended, the glory of that Monarch to whom in blood and principles you are so nearly allied, and the welfare of that nation of whose language your Highness has in so flattering and so accurate a manner shown your hereditary knowledge.

Permit me, Sir, to repeat the profound respect with which I have the honor etc. etc.

XI.

Der Erbprinz von Hessen-Nassau an den Earl von Suffolk.

(S. P. O. German States, Vol. 105.)

Hanau, 21. July 1776.

Sir,

I can make no better use of your friendship and goodness to me than in recommending you, Mylord, the propositions which my private Counsellor Malsburg[S. 248] directs in my name to you. My attachment and most humble respect to the best of kings removes all idea of interest in me. His Majesty's particular goodness assures me that he would take ill, the desire I have to stay in a certain military relation with his service even after the present treaty's expiration.

I hope, Mylord, you will find I do not ask too much, and in this regard I beg you to support this affair with your utmost credit. My gratitude will be without end, and shall only be compared to the greatest consideration —, I have the honor to be with for ever, Mylord, your most humble and very obliged servant

William H.P. of Hesse.

XII.

Malsburg an den Earl von Suffolk.

(S.P.O. German States, Vol. 105.)

Hanau, 27. Novembre 1776.

— — L'assurance des bontés et graces de ce Monarque magnanime (George III.) que votre Excellence lui renouvelle à cette occasion (Subsidien für Artillerie) en augmente infiniment le prix et pénètre S.A.S. de la reconnaissance la plus vive. Son attachement soumis à Sa Majesté ne connait point de bornes, et Monseigneur le Prince Héréditaire vient d'en donner une nouvelle marque par l'offre que j'ai fait par son ordre à Mr. le Col. Faucitt d'un corps de chasseurs que S.A.S. compte de lever et de fournir pour le service du roi, si l'on en a besoin encore. Je ne doute pas que Votre Excellence en sera déjà instruite par son rapport et mon Maitre attend la dessus le plutôt qu'il sera possible les ordres de Sa Majesté pour pouvoir faire les arrangemens nécessaires à ce sujet.

XIII.

Der Erbprinz von Hanau an den Earl von Suffolk.

Hanau, 4. December 1776.

Sir,

The kings gracious determination about the subsidy relative to my Artillery in his Majesty's service gives me a new proof of his goodness to me, especially as it does not deprive me of all hopes in seeing once succeed the project I had the honor to direct to you, Mylord, and which I have so much reasons to wish.

The offer, Malsburg made you, Sir, in my name of a corps of Chasseurs for the kings service in America demands only a positive and prompt resolution. My attachment for the best of kings is the only thing which can determinate me to this new undertaking. Col. Faucitt will have told you how I work when I once have a hint of the kings intentions. If I have soon your answer, I'll begin immediately. I refer myself to Malsburg's letter to you, Mylord, and have the honor to be forever with the utmost consideration and greatest friendship, Mylord, your most humble and obedient servant and attached friend

William H.P. of Hesse.

P.Scr. If perhaps there are no chasseurs wanting in Canada, those I offer can serve in New York under Gen. Howe, as the king pleases.

[S. 249]

XIV.

Oeffentlicher in Querfolio gedruckter Anschlag in den fürstlich Anhalt-Zerbstischen Landen.

(Schlözer's Staats-Anzeigen, Heft 53, Seite 120.)

Nachdem Sr. Hochfürstl. Durchlaucht, unser gnädigster Fürst und Herr, gemessenst und wiederholt verboten wissen wollen, daß Niemand Höchstdenenselben nachzulaufen, oder durch unmittelbaren Antritt Höchstdieselben zu behelligen sich unterstehen solle: so wird solches allen und jeden, bei Vermeidung unnachbleiblicher Andung, und besonders der Dienerschaft bei Strafe der Cassation, hiermit untersagt.

Dat. Zerbst, 1. März 1788.

Aus Fürstl. Landes-Regierung hieselbst.

(L.S.) Johann August Carl von Kalitsch.

XV.

Reskript an die Dienerschaft

vom 1. April 1792.

(Schlözer's Staats-Anzeigen, Heft 69, Seite 125.)

Sermus haben geruhet, den schon vorhin, durch öffentliche Anschläge publizirten höchsten Befel, daß Höchstdenenselben niemand nachlaufen, und einer unmittelbaren Behelligung sich unterfangen solle, dahin zu erstrecken, daß schärfest und nachdrücklichst allen Civil- und Militär-Personen, so in herrschaftlichen Diensten stehen, angedeutet werde, daß der Erste, so sich unterstehen möchte, Höchstdenenselben nachzulaufen, nicht allein seines Dienstes verlustig seyn, sondern auch bestraft werden, und die Familien, so solche angehören, responsabel seyn, und sich an solche gehalten, auch am Ersten, wenn solche Befele und Warnungen nicht helfen, ein hartes Exempel statuirt werden soll. Wornach &c.

XVI.

Der Fürst von Anhalt-Zerbst an Sir Joseph Yorke.

(Wörtlich.)

(S.P.O. Holland, Vol. 601.)

Le 29e. Avril 1777.

Votre Excellence,

Toujours sous le Secret.

La Lettre du 21e. d'Avril dont V.E. m'a honoré est un nouveau temoignage de ses sentiments envers moi; permettez moi de vous en rendre mille graces et remercimens; cela vous resemble, c'est toujours notre ancienne connaissance qui vous fait agir, ayez la bonté de continuer ainsi, soiez persuadé du parfait desir de mon côté de vous temoigner en toute occasion tout de même ce qui pourrait contribuer à vous montrer des sentimens et desir de[S. 250] vous obliger, je le saisirai dans toute occasion avec empressement, ardemment, avec zèle et satisfaction infinie.

Ayez la bonté de ne pas perdre de vue d'honorer de conversation notre Cicerone (Mr. Gunther à Leyde), il a de l'esprit et très honnête homme, amusant pour fair ressouvenir et mettre au fait, je le recommande à Votre Excellence.

Je suis charmé que V. E. reçoit avec plaisir tel detail; je suis pareillement vain que V. E. voit avec plaisir que S. A. Monsr. Mon Beau Frère lui ecrive en tout cas s'il le juge à propos dont je ne doute pas. — V. E. dit n'avoir suggeré l'Article des Cousins que pour rendre la masse de la maison plus respectable aux yeux de ceux avec qui l'on voudroit traiter. Je crois entendre par la que V. E. veut dire de rendre aux yeux des Ennemis plus respectable la masse des Troupes de quelques Branches de la Maison par le plus grand nombre. S. A. le Landgrave de Hesse à Cassel croit sans doute les siennes respectables sans le concours des autres Branches de Hesse; sur le chapitre des affaires de sa maison je pense de même mais sacher que les Cousins ne sont à ce qu'il paroit gueres jaloux de tel honeur et que j'en doute, joint à la lenteur d'agir. J'excepte S. A. Monsr. mon beau frère d'Anhalt à Bernbourg (dont j'ai pris souvent la liberté de vous parler en m'arretant sur cet article feu mon Père en auroit fait autant, et le feu Prince Leopold d'Anhalt Dessau, et feu le Père de mon Beau Frère) qui penseroit peut-être comme moi — De telle manière m'entendez vous, que V. E. aura la bonté de croire qu'on ne veut (sur les Cousins) avoir de superiorité, ni ascendant ne croiez pas je vous prie que c'est la vanité, mais la verité, mais pas envie de primer, mais on prétend qu'on voit ce qu'on peut seul.

Acte d'appel au Cicerone et à tout Cicerone tel qu'on voudra. On n'a ni l'honneur d'être Vassal ni Esclave de Messrs. les Cousins tous ensemble, tout aussi peu que S. A. le Landgrave de Hesse Cassel l'est des autres de Hesse. Raillerie à part on ne peut comprendre qui peut avoir suggeré de pareille idée au public; seroit ce ceux qui font les progrès en Canada et des Rebelles? Je puis agir sans tous ces Messrs. la les Cousins, je le repete, et ceux la peuvant en faire autant de même, tant qu'il leur plaira, s'ils peuvent; par faute de pouvoir placer bien des gens, ils me font l'honneur de me les recommander souvent, quoique d'ailleurs nous n'ayons pas grande Connexion, marque tacite que de notre côté, l'on est plus en état de donner des Troupes qu'Eux.

On doute que chés ces Messieurs tous ensemble il puisse partir et arriver des Vaisseaux pour Chine, Japon ou où l'on voudra comme chès nous, ni mettre tant de monde sous les armes comme on a toujours chès nous, ou qu'en badinant seulement on met surpié chès nous; on doute donc de ces avantages, et beaucoup d'autres, tant pour le militaire que pour le Civil chès ces Messieurs Cousins tous ensemble. A moins de compter pour avantages les Juifs de Dessau, et le pays de Table de coté, les premiers pour fournir du plet aux Troupes, ou de la fausse Monnoye du Juif Ephraim et Compie. et avoir un Cour de Courtiers, et le second d'y faire provision de sable pour lenter des Vaisseaux Marchands.

Quatre Frères à Dessau avoient entre eux plus de 600 Chiens par force, logés chès les Bourgeois de Dessau. Belle Garnison! et au premier Coup de Fouet ou de Cors de Chasse, cette Canaille se rassembloit comme les Troupes au Coup de Tambour. Diable! si on pouvoit faire courir les Amériquains comme cela, ce ne serait pas mauvais; mais il faut des Troupes. Car pour l'article des hommes, c'est une question et problème de Pirrhuisme à repondre. — S. A. Mr. mon Beau Frère s'il s'en avise, je le repete, pourroit avoir bien du monde, c'est le seul en état de le faire, il m'a permis d'enlever depuis long[S. 251] tems chès lui; avec feu son Père j'ai eu souvent conversation sur tel sujet, aussi il étoit comme son fils fort porté pour l'amitié; je dois dire cela avec verité.

Permettez donc Acte d'Appel au Cicerone sur cet Article, comme les quatre Eveques de France sur la Bulle renigenitre du Pape et que sur l'Article des Cousins on ne pretend point être melé avec ces Messrs. là, tout aussi peu que Son A. le Landgrave de Hesse Cassel veut l'être avec les autres de Hesse, sans que le Landgrave aye peur de perdre en agissant seul de son coté avec ses Troupes, sans mélange des Cousins des autres Branches de Hesse, pour rendre la masse plus respectable vis-à vis des Ennemis.

En attendant je remercie de nouveau très humblement V.E. des assurances qu'elle fait de recevoir toujours avec plaisir mon griffonage; mais je sai fort bien qu'on peut parler à coeur ouvert à un Anglais tel que V.E., et en l'ancienne connoissance met un vernis et fait grace à mon stile long et ennuiant, de dire peu en beaucoup de paroles, comme les Chanceleries Allemandes des Cours, comme il vous sera bien connu par dessus le marché. Je fais donc de nouveau mille remercimens, et rens graces à V.E. d'avoir reçu avec bonté mes Lettres et même Badinages du 26. et 27. Mars, de meme que les precedentes; la satisfaction qu'elle m'en marque me rend orgeuilleux.

Elle sait que Mr. Faucitt m'a repondu quelque fois, mais il auroit bien mieux valu hater plus pour parvenir à conclusion, qu'à la moutarde des Complimens, et qu'on eut perdu moins de tems à mettre les mains dans la poche, au lieu de faire agir mon monde à remplacer des garnisons à la place des Troupes à tirer des dites Garnisons contre les Ennemis; sans compter autre chose trop long à detailler cette pièce à V.E. Je suis sur que V.E. desire qu'il y ait long temps que tout fut conclu; continuez je vous prie d'y contribuer j'ecris en consequence où besoin est.

Elle croit donc qu'il n'est necessaire à Brunswic, en tel cas qu'on attend que quelqu'un de votre Cour, et qu'un des miens s'y trouve, il faut savoir davantage.

J'ai l'honneur au reste d'être avec considération infinie de V.E. etc. etc.


P. S. A ma lettre du 29. Avril 1777, V.E. excusera; en secret je vous avertis et qu'on continue comme convenue; dans le moment il vient avis avec un Cicerone, autre que le notre la bas chès vous; sur quoi je ne puis me dispenser d'envoier un Gentilhomme avec un Sécretaire, precedé du dit Cicerone pour Londres en droiture (en public sous un autre pretexte) à My Lord Barrington, que My Lord dirige la chose ulterieurement; car on m'avise de le faire pour hâter la conclusion touchant les Troupes; permettez de vous en faire un détail une autre fois, on dit qu'à cette heure il s'agit de beaucoup de monde. C'est sans compliment V.E. qui a aidé, et ne peux l'attribuer qu'à cela, c'est un tour d'amitié de sa part, permettez du moins d'en témoigner mes sincères remercimens, me reservant d'en témoigner ma reconnaissance davantage.

Je vous supplie, ne me faites pas languir d'ecrire, ni notre Cicerone de vous faire sa Cour, dont il gemit de ne l'avoir fait qu'une fois.

[S. 252]

XVII.

Oberst August Sigmund v. Koeseritz an — —[11]

(Wörtlich.)

(S.P.O. German States, Vol. 108.)

Zerbst, 20. Mai 1777.

Monsieur,

Vos lettres du 14. et 16. j'ai l'honneur de les accuser; Vous voudrez bien continuer le secret et de ne point envoyer de lettres dorenavant que sous un autre couvert et cachet.

Vous sentez bien que c'est par ordre du Prince que je vous écrit; car celui-ci que vous aviez écrit n'a pas le pouvoir que j'ai sur cet article à cette heure, dont on pourra vous informer une autre fois.

J'espère qu'on aura bientôt nouvelle de Londres, car le Prince, y a envoyé pour conclure sur nouvelles reçues au Prince d'y envoyer pour conclure.

On y conclura premièrement hommes:

Pour première colonne2200
ou pour le total3560
ou pour1600à pied

et la reste après. Ce le plan de faire qu'on conviendra

premièrement à Londresou 1600
ou 2200

et après la reste, et on peut de façon qu'on peut commencer avec les 2200 sera le mieux.

Si Monsieur veut le deguiser et donner un entrevue il pourrait venir à Muling et de Muling à Zerbst voir les troupes Infanterie et Cavalerie.

Monsieur ne seroit-il pas possible que nous convenions ensemble nous donc jusqu'à la conclusion à Londres? Vous preniez 4 compagnies de Grenadiers selon le pied du Prince et 2 canons, sans autre compliment à rabattre sur conclusion à Londres. Ainsi qu'un bataillon blanc Regiment Fusillier à rabattre sur la conclusion a faire et 2 canons et la solde a convenir à Londres.

Ce n'est que pour mieux presser pour montrer combien on peut rendre plaisir sans attendre la conclusion qu'on espere bientot arriver pour pouvoir donner la reste des troupes, on commence pour cela, etant Monsieur Votre tres humble et tres obéissant

serviteur
Aug. Sigmund de Koeseritz
Colonel.




[S. 253]

XVIII.

Der Fürst von Anhalt-Zerbst an Sir Joseph Yorke.

(Wörtlich).

(S.P.O. Holland, Vol. 606.)

Dec. 10. 1777.

Votre Excellence,

Pardonnez à la hate, point de Cérémonie.

Les Andes du Perou, Cordellaras à passer vaudroit autant. Permettez pour texte de mon Proue, disoit un Predicateur, mes freres écoutez avec attention et conviction de Coeur.

Pour presser au moins quelque chose, on envoye pour escalader les montagnes et glaces et nieges du Hartz, un bataillon de Grenadiers, et ce qu'on peut ramasser des Chasseurs qu'on peut toujours renforcer. Ces Sacrez Seigneurs de la Chasse! Comme les Grenadiers ont meilleures jambes que d'autres, ils y grimperont donc comme des Singes par Eimbeck et Celerfeld. Je vous prie regardez les Cartes un peu, la ci-jointe note guidera un peu pour ne pas toucher terrain très Prussien. Donc on envoye ces Messrs les Grenadiers où ils trouveront mauvais chemins ils n'ont qu'à se servir de leurs bonnets pour passer et remplir les trous et vuides dans le chemin. Je les envoye donc sur les Bras, ou plutot entre les bras de notre ami M. Faucitt par Mühlhausen, pour les diriger ou sur l'Elbe ou sur le Weser et Jever, où il lui plaira après. M. Faucitt a raison il jette feu et flammes contre les Prussiens, dont vous êtes le seul amusement.

Pour les 2 Bataillons Fusiliers on les fait attendre, seulement pour rendre tout plus ridicule; permettez que la Russie s'en mêle, et presse et force cela vouz aurez bonne revanché par moins aussi. Les Prussiens s'en mordront des doigts avec leur finesse ou trahison. Jusques à cela ne tardera pas comme vous savez, la Russie engagera la chere Prusse à ne pas refuser l'Elbe, ni faire pomper l'air de cette rivière par quelque machine pneumatique et electrique pour empecher le passage usité jusqu'ici et qui ne m'a pas encore été refusé qu'en faveur de vos interets, et par consequent interets communs de vous autres, de l'Empereur l'Empire et autres.

Pour ne pas être long et ennuyant à mon ordinaire je finis cette Lettre, profitant de votre permission de vous griffoner souvent, j'ose assurer que je suis à toujours avec une consideration infinie de V. E. etc. etc.

Note du 12. Decembre 1777.

Excusez que j'ecrive à la hate. Je vous prie que votre Ministre en Russie agisse aussi de son côté et fasse sentir tout. Quand même la réquisition Russe soit parti pour la Prusse que votre Ministre agisse nonobstant.

[S. 254]

XIX.

Feronce an Faucitt.

(S.P.O. German States, Vol. 109.)

Brunswic, ce 23. Decembre 1777.

Der Anfang dieses Briefes handelt von der Gefangennahme Burgoyne's bei Saratoga, bei welcher sich bekanntlich ein braunschweigisches Korps befand, dann heißt es weiter:

— — — Si on nous seconde comme on le peut et comme on le doit en vertu du traité, nous nous remettrons bientot sur pied, je vous prie, mon cher Général, de fair avec moi une observation analogue à cette époque, il faut absolument ne point fair revenir ces pauvres capitulants en Allemagne, ils seront mécontents et leurs exagerations degouteront tout le monde de votre guerre d'Amérique, faites aller ces restes à une de vos isles en Amérique, deposez les en Europe dans quelqu'une de vos isles celle de Wight par exemple, on y enverrait les recrues, les armes et vous aurez moins de frais et perdrez moins de temps. Je vous prie, mon cher Général, de refléchir sur ce que je vous dis et si vous vous interessez à cette cause comme vous l'avez toujours fait, touchez en quelque chose à Mylord Suffolk qui a trop de pénétration pour ne pas sentir que cet arrangement serait très salutaire au service du roi. —

XX.

Feronce an Faucitt.

(S.P.O. German Papers, Vol. 110.)

Brunsvic, ce 23. Fevrier 1778.

L'incertitude dans laquelle nous sommes à l'egard du sort de nos trouppes qui ont capitulé à Saratoga, n'empeche pas Msgr. le Duc de Brunsvic de s'occuper de tous les moins propres à rendre utile au service de Sa Majesté Brittannique le reste de ses trouppes qui se trouve en Canada; S.A.S. est tres persuadée que le Ministre Brittannique fera son possible pour hater l'echange des trouppes qui ont capitulé et Msgr. le Duc est trop pursuadé de la bienveuillance de Sa Majesté Brittannique et de la prudence de son Ministere pour supposer qu'on puisse jamais songer à faire passer en Allemagne les trouppes Allemandes qui ont capitulé, le renvoi de ces trouppes dans cet etat de delabrement produiroit les effets les plus facheux et feroit la sensation la plus douloureuse. Afin de tirer au moins quelque partie des Trouppes de Brunsvic qui sont restées en Canada et à Ticonderoga, notre intention seroit d'en former trois regimens, chacun d'environ six cent hommes, y compris les officiers et bas officiers necessaires, les recrues qui sont prets à partir d'ici seront suffisans pour fournir à ce qui manque pour completter ces trois regimens et pour les porter à bien pres de six cent hommes chacun; ces trois regimens seroient commandés ad interim, par trois Lieutenants Colonels des Trouppes de Brunsvic qui se trouvent actuellement en Canada et qui sont Messieurs d'Ehrencreuz, de Barner et Pretorius, il seroit fort à desirer qu'avant l'ouverture de la Campagne on trouvat moien d'echanger le Colonel Specht qui pourvoit passer en Canada pour commander ces trois regimens; nous aurons[S. 255] soin de faire partir avec nos recrues tout ce qui sera necessaire pour armer et equipper complettement ces trois regimens qui se trouveront en etat de faire la campagne dès le moment ou les recrues sont debarqués.

XXI.

Lettre du Landgrave de Hesse au Commandant de ses Troupes en Amérique.

(Aus Band Nr. 600 der Flugschriften in der Bibliothek der Historical Society of New York City.)

(Das Original ist auf sechs Seiten Oktav ohne Angabe des Druckorts mit sehr großen Buchstaben gedruckt; der nachfolgende Abdruck mit allen seinen Fehlern ist wörtlich.)

Monsieur le Baron de Hogendorff je ne puis assés vous témoigner combien la Relation que vouz mavéz Envoyé m'a comblé de joye — l'a conduite de mes hessois qui se sont fait Immolés si heroiquement pour une cause qui nous est si Etrangere, confirme toute l'opinion que javois de leurs bravoure, et Justifie l'Espoir que javois fondée sur leur attachement à mes Interês — mais je ne puis pardonner aux nouvellistes Anglois d'avoir diminué si fort, le nombre de nos morts — pourquoy n'avoir, pas a vouée franchement, qu'aulieu de neuf cent nous en avons perdu 1700! En verité je ne trouverois Guère mon Compte à ce calcule, et je ne puis l'attribuer qu-à un motif très Interressé de leurs part — ces Messieurs Croyent-ils donc, que trentes Guinnés déplus, ou de moins me sont Indifférents! et cela, après un voiage aussi couteux, que celuy que je viens de faire, et qui, m'a fait contracter tant de nouvelles dettes — — non, mon cher, que votre Zèle pour mon service, et vos desirs, pour contribuer a mes plaisirs Redoublent defforts en secondant par tous les moiens possibles, toutes les Occasion qui pourois se presenter pour animer, de plus en plus mes fidelles sujets à se sacrifier Jusqu'au dernier même. Pour Repondre à dés vués aussi légitime, que nécessaires.

Temoignés bien de m'apart au Colonnel, M... combien je suis mécontent de la conduite qu'il à tenu jusqu'ici, — quoy? Le seul de tous nos corps qui n'a perdue qu'un seul homme jusqu'a présent — c'est, ce couvrir de honte, et Redoubler mes peines; — la Signora F... que je viens, d'Engager en Italie va me couter au dela de Cinq cents Guinées par an, et puis ces Anglois, voudroient encore mechicaner sur les blessés, et les estropiés — mais non ils me les payeront selon le même Tarif fixé pour les morts — si non, jaime mieux, quils Imitent l'Exemple de ceux qui se sont laissés prendre à Trenton — en effets — à quoy me serviroient ces miserables! ici? Ils ne sont plus bon à Rien, d'ailleurs, ces maudits Rebelles qui, tirent toujours si bas, les auront sans doute Rendus Impuissants, mais qant à céla, les Jésuites que j'ai envie d'appéller dans mes etats, s'en acquitteront mille, et mille fois mieux, et Réparéront bientôt, toute la depopulation, qui ne s'y manifeste dejà que trop, c'est un Expedient que m'a donné à Rome, le Cardinal T... qui m'a promis de me menager cette affaire avec tonte la dexteritéé Imaginable, — Vous ne sauriez croire (matil dit;) combien la vuë de tant de belles Guinées Ranime la Vigueur. Or quoy qu'il en arrive jouissons du présent et ne nous mettons pas en peine du Reste; sur ce, je prie Dieu, qu'il vous tienne Monsieur le Baron de Hogendorff en sa sainte et bonne garde,

à Cassel 1777.

[S. 256]

XXII.

Translation[12] of a treaty between His Majesty and the Landgrave of Hesse Cassel.

His Britannic Majesty being desirous of employing in his service a body of twelve thousand men of the troops of His most Serene Highness the reigning Landgrave of Hesse Cassel, and that prince full of attachment for His Majesty, desiring nothing more than to give him proofs of it, His Majesty, in order to settle the objects, relative to this alliance has thought proper to send to Cassel the Sieur William Faucitt his minister plenipotentiary and colonel in his service, and His most Serene Highness has named, on his part for the same purpose, the Baron Martin Erneste de Schlieffen, his minister of state, lieutenant general and knight of his orders, who being furnished with requisite full powers, have agreed that the treaties formerly concluded between Great Britain and Hesse, shall be made the basis of the present treaty, and to adopt as much of them as shall be applicable to the present circumstances, or to determine by new articles such points as must be settled otherwise, every thing that shall not be differently regulated, shall be deemed to subsist in full force, as it shall appear to be declared in the abovementioned treaties, and as it is not possible to specify each particular case, every thing that shall not be found regulated in a precise manner, neither in the present treaty nor in the former treaties, ought to be settled with equity and good faith, conformably to the same principles which were agreed on by each part to be pursued for regulating all such cases, whether during or after the last war.

I. There shall be therefore, by virtue of this treaty between his Majesty the King of Great Britain and his most Serene Highness the Landgrave of Hesse Cassel, their successors and heirs, a strict friendship, and a sincere, firm and constant union, in so much that the one shall consider the interests of the other as his own, and shall apply himself with good faith to advance them to the utmost, and to prevent and avert mutually all trouble and loss.

II. To this end it is agreed, that all former treaties principally of guaranty, be deemed to be renewed and confirmed by the present treaty in all their points, articles and clauses, and shall be of the same force as if they were herein inserted, word for word, so far as it not derogated from them by the present treaty.

III. This body of twelwe thousand men, of the troops of Hesse, which is to be employed in His Brittannic Majesty's service, shall consist of four battallions of grenadiers, of four companies each, fifteen battallions of Infantry, of five companies each, and two companies of chasseurs, the whole provided with general and other necessary officers. This corps shall be completely equipped and provided with tents, and all accoutrements of which it may stand in need; in a word shall be put upon the best footing possible, and none shall be admitted into it but men fit for service, and acknowledged for such by His Britannic Majesty's commissary. Formerly the signature of the treaties has usually preceded, by some time, the term of the requisition for the march of the troops, but as in the present circumstances there is no time to be lost, the day of signature of the present treaty is deemed to be also the term of the requisition, and three battalions of grenadiers, six battalions of Infantry, with one company of chasseurs, shall be in a condition to pass in review before[S. 257] His Britannic Majesty's commissary on the fourteenth of February, and shall begin to march on the day following the fifteenth of February, for the place of embarkation. The rest shall be ready in four weeks after, if possible and march in like manner.

This body of troops shall not be separated, unless reasons of war require it, but shall remain under the orders of the general to whom His most Serene Highness has entrusted the command, and the second division shall be conducted to the same places only where the first shall actually be, if not contrary to the plan of operations.

IV. Each battalion of this body of troops shall be provided with two pieces of field artillery, with the officers, gunners and other persons, and the train thereunto belonging, if his Majesty is desirous of it.

V. Toward defraying the expence in which the most Serene Landgrave shall be engaged, for the arming and putting in condition the said corps of twelve thousand men, His Majesty the King of Great Britain promises to pay to His most Serene Highness, for each foot soldier thirty crown banco levy money, as well for the Infantry as for the chasseurs, or artillery, if there should be any, the sum total of which shall be ascertained according to the number of men composing this corps, and as they have been reckoned in former alliances.

The sum of one hundred and eighty thousand crowns banco valued as in the following article, shall be paid on account of this levy money on the tenth of February, and the residue shall be paid, when the second division of this corps shall begin their march.

VI. In all the former treaties a certain number of years is stipulated for their duration, but in the present His Britannic Majesty choosing rather not to engage himself for any longer time than he shall have occasion for these troops, consents instead thereof that the subsidy shall be double from the day of the signature of this treaty to its expiration, that is to say, that it shall amount for this body of twelve thousand men to the sum of four hundred and fifty thousand crowns banco per annum, the crown reckoned at fifty three sols of Holland, or at four shilling and nine pence three farthings English money, and that the subsidy shall continue upon this foot during all the time that this body of troops shall remain in British pay. His Britannic Majesty engages also to give notice to the most Serene Landgrave of its termination twelwe months or a whole year before it shall take place, which notice shall not even be given before this body of troops is returned, and actually is arrived in the dominions of the said prince, namely in Hesse, properly so called. His Majesty shall continue equally to this corps the pay and other emoluments for the remainder of the month in which it shall repass the frontiers of Hesse, and His most Serene Highness reserves to himself on his side the liberty of recalling his troops at the end of four years, if they are not sent back before, or to agree with His Britannic Majesty at the end of that time for another term.

VII. With regard to the pay and treatment, as well ordinary as extraordinary, of the said troops, they shall be put on the same foot, in all respects, with the national British troops, and His Majesty's departement of war shall deliver without delay to that of His most Serene Highness, an exact and faithful state of the pay and treatment enjoyed by those troops, which pay and treatment, in consideration that His most Serene Highness could not put this corps in a condition to march in so short a time without extraordinary expences, shall commence for the first division on the first of February, and for the second, seven days before it shall begin to march, and shall be paid into the military chest of Hesse, without any abatement or deduction, to be distributed[S. 258] according to the arrangements which shall be made for that purpose, and the sum of twenty thousand pounds sterling shall be advanced immediately on account of the said pay.

VIII.[13] If it should happen unfortunately that any regiment or company of the said corps should be ruined or destroyed either by accidents on the sea or otherwise, in the whole or in part, or that the pieces of artillery or other effects with which they shall be provided, should be taken by the enemy, or lost on the sea, His Majesty the King of Great Britain shall cause to be paid the expences of the necessary recruits, as well as the price of the said field pieces and effects, in order forthwith to reinstate the artillery or the said regiments and companies, and the said recruits shall be settled likewise on the foot of those which were furnished to the Hessian officers by virtue of the treaty of 1702, article the fifth, to the end that the corps may be always preserved and sent back in as good a state as it was delivered in, the recruits annually necessary shall be sent to the English Commissary, disciplined and compleetly equipped, at the place of embarkation, at such time as His Britannic Majesty shall appoint.

IX. In Europe His Majesty shall make use of this body of troops by land wherever he shall judge proper, but North America is the only country of the other parts of the globe where this body of troops shall be employed. They shall not serve on the sea, and they shall enjoy, in all things without any restriction what soever, the same pay and emoluments as are enjoyed by the English troops.

X. In case the Most Serene Landgrave should be attacked or disturbed in the possession of his dominions, His Britannic Majesty promises and engages to give him all the succour that it shall be in his power to afford (original de donner) which succour shall be continued to him until he shall have obtained an entire security and just indemnification: as the most Serene Landgrave promises likewise on his part, that in case His Majesty the King of Great Britain is attacked or disturbed in his kingdoms, dominions, lands, provinces or towns, he will give him (original, lui prêtera) in like manner all the succour that it shall be in his power to afford (Original de donner) which succour shall likewise be continued to him, until he shall have obtained a good and advantageous peace.

XI. In order to render this alliance and union the more perfect and to leave no doubt with the parties about the certainty of the succour which they have to expect by virtue of this treaty, it is expressly agreed, that to judge for the future whether the case of this alliance and the stipulated succour exists or not, it shall suffice, that either of the parties is actually attacked by force of arms, without his having first used open force against him who attackes him.

XII. The sick of the Hessian corps shall remain under the care of their physicians, surgeons, and other persons appointed for that purpose, under the orders of the general commanding the corps of that nation, and every thing shall be allowed them, that His Majesty allows to his own troops.

XIII. All the Hessian deserters shall be faithfully given up wherever they shall be discovered in the places dependent on His Britannic Majesty, and above all as far as it is possible, no person whatever of that nation shall [S. 259]be permitted to establish himself in America, without the consent of his sovereign.

XIV. All the transports of the troops, as well for the effects, shall be at the expence of His Britannic Majesty, and none belonging to the said corps shall pay any postage of letters, in consideration of the distance of the places.

XV. The treaty shall be ratified by the high contracting parties, and the ratifications thereof shall be exchanged as soon as possible.

In witness whereof, we the undersigned, furnished with the full power of His Majesty the King of Great Britain, on one part, and of His most Serene Highness the reigning Landgrave of Hesse Cassel on the other part, have signed the present treaty and have caused the seals of our arms to be put thereto. Done at Cassell the fifteenth of January in the year 1776.

L.S. William Faucitt.L.S. M. de Schlieffen.

XXIII.

Friedrich der Große an den Markgrafen Karl Alexander von Brandenburg-Bayreuth.

(Anspacher Manual-Akten I, 190.)

Potsdam, ce 24. Octobre 1777.

Monsieur mon Neveu!

J'avoue à Votre Altesse Serenissime, que Je ne pense jamais à la guerre actuelle en Amérique sans être frappé de l'empressement de quelques princes d'Allemagne, de sacrifier leurs Trouppes à une querelle qui ne les regarde pas. Mon étonnement augmente même quand Je Me rappelle de l'histoire ancienne, cet eloignement sage et général dans Nos Ancêtres, de prodiguer le sang allemand pour la defense des droits etrangers et qui passa même en loi dans le corps Germanique.

Mais Je M'apperçois que Mon patriotisme M'emporte; et Je reviens à la lettre de Votre Altesse Serenissime du 14. qui l'a si fort ranimé. Elle y demande le passage libre des recrues et bagages qu'Elle veut envoyer au Corps de ses Trouppes au service de la Grande Brétagne et Je prends la liberté de lui faire observer que si Elle veut les faire passer en Angleterre, elles n'auront pas seulement besoin de traverser Mes Etats et qu'Elle pourra leur faire prendre une toute plus courte pour les faire embarquer. Je soumets même cette idée au jugement de Votre Altesse Serenissime et Je ne suis pas moins avec toute la tendresse que Je Lui dois, Monsieur Mon Neveu, de Votre Altesse Serenissime le bon Oncle

Fédéric.





Sinnentstellender Druckfehler.


S. 90, Zeile 12 v.o. ließ euphemistisch statt euphonistisch.




Buchdruckerei von Gustav Schade (Otto Francke) in Berlin.

Fußnoten

[1] Eine Banko-Krone war in englischer Münze vier Shilling 93/4 Pence, eine deutsche Krone drei Shilling 66/7 Pence.

[2] Ein Schreckenberger beträgt 6 Albus und 6 Heller; 32 Albus, deren jeder 12 Heller hat, sind 1 Thaler Pr.; ein Schreckenberger ist also etwa 6 Sgr.Pr.Ct. und von jedem Hundert Gulden der zu bezahlenden Steuern wurde ein solcher Schreckenberger bezahlt. (Schlözer's Briefwechsel VIII. 388.)

[3]


Patrioten schauen mit Entzücken
Seinem Flug durch seine Himmel nach,
Und aus froher Unterthanen Blicken
Rieselt Wonne — schwillt — und wird ein Bach.

Alle Sänger unsers Landes hauchen
Mit dem Flammenodem in's Gedicht,
Und die Künstler mühen sich zu tauchen
Ihre Pinsel in des Festes Licht.

Ha, Thalia! — mit dem Dank des Waisen,
Mit der Wittwe Lachen durch den Flor,
Mit den Wolken, die gen Himmel kreisen,
Steig' auch deine Opferwolk' empor.

Näher am Altare will ich knieen; —
Denn, o Karl! wenn Kunstgefühle hier,
Wenn der Tugend höhre Triebe glühen,
Hier in dieser Brust; — so dank' ich's Dir!



So nimm denn unsern Dank,
Erhabner Karl,
Eine Opferschale voll Freudenthränen!



Wir singen in jauchzenden Tönen
Dem Kenner des Großen und Schönen
Den schallenden hohen Päan, —
Dem Wäger großer Verdienste,
Dem Schutzgeist schüchterner Künste
Tönt unser Chor himmelan! —

[4] Die Königinn, eine geborene Mecklenburg-Strelitzische Prinzessinn, schreibt wörtlich: „Je me suis acquittée de la commission du Margrave d'Anspach tout de même comme vous avez fait. Le cher Roy, ayant toutes les troupes qui lui faut, ne pense plus en augmenter ce nombre; ainsi vous ferez, scavoir cela avec tous les compliments et la politesse qui vous sont naturell, an den gehörigen Orthen.“

[5] Franklin schreibt d.d. Paris, 1. Mai 1777 an John Winthrop: „The king of Prussia's humour of obliging those princes to pay him the same toll per head for the men they drive through his dominions as used to he paid him for their cattle, because they were sold as such is generally spoken of with approbation as a just reproof of those tyrants“. Works VIII., 215. Was hier als Thatsache erzählt wird, ist nichts als eine jener zahllosen tendenziösen Anekdoten, die zu jener Zeit in Holland oder den Pariser Salons fabrizirt wurden. Franklin glaubte sie vielleicht, weil sie seinen Wünschen entsprach; wahrscheinlich hat er sie aber selbst gemacht.

[6] Avis aux Hessois et autres Peuples de l'Allemagne. Vendus par leurs Princes à l'Angleterre. — A. Clèves chez Bertol. 1777, 8. Das Motto lautet: „Quis furor iste novus? quo nunc quo tenditis — —? Heu miseri cives! non hostem inimicaque castra — Vestras spes uritis“. Virgilius. (Sollte heißen: miserae cives, siehe Aeneis V., 671; die Weiber wollten die Schiffe verbrennen.)

[7]

Trennung, Eigennutz und Knechtswuth haben
Allen öffentlichen Sinn begraben,
Daß der Deutsche nur in Horden lebt,
Und daß dummheitstrunken diese Horden
Um die Wette sich für Fremde morden,
Daß die mildre Menschheit weint und bebt.


Unsre Edlen suchen fremde Ketten,
Wer soll nun das Vaterland erretten?
Jeder theilt sich gierig in den Raub.
Wo der blinde Eigennutz gebietet,
Wo man für Obolen Söldner miethet,
Bleibt man für den Ruf der Ehre taub.

(Werke I, 316. Ausgabe von 1825.)

[8] So sagt u.A. noch eine Ende Februar 1864 erlassene Adresse des Kongresses der Rebellenstaaten an die südliche Bevölkerung: „The administration (of Lincoln) has been able thus far by its legions of „Hessian“ mercenaries to overawe the masses, to control the elections and to establish an arbitrary despotism.

[9] Herr v. Eelking erklärt S.224 im ersten Bande seiner „Hülfstruppen“ diese letzte Aeußerung Donop's, nachdem er die erste Hälfte der Duplessis'schen Aufzeichnung als wahr angenommen, für kleinmüthig und im Widerspruche mit dem Charakter des Sterbenden stehend. Auch erwähne sein Adjutant eben so wenig etwas davon, als irgend eins der zahlreichen Offizierstagebücher. Abgesehen davon, daß es willkürlich ist, eine Zeugenaussage zu zerreißen, so steht so viel fest, daß höchstens Donop's Adjutant und kein andrer deutscher Offizier gegenwärtig gewesen sein konnte, daß wir aber nicht wissen, ob er wirklich gegenwärtig gewesen ist und Französisch verstand. Dann aber wird sich ein deutscher Adjutant, wie damals so auch heut zu Tage, wohl hüten, solche Liebeserklärungen unter die Leute zu bringen oder gar Serenissimo zu melden. Derartige „Etourderien“ werden von diesen Herren am liebsten im Interesse des eigenen Avancements oder, wie der Kunstausdruck lautet, des höchsten Dienstes todtgeschwiegen. Wäre ein amerikanischer Farmer oder ein sonst mit den europäischen Verhältnissen unbekannter Berichterstatter der Gewährsmann der obigen Aeußerung, so könnte man vielleicht mit Recht an ihrer Echtheit zweifeln. Mauduit ist aber eine untadelhafte Autorität. Er erzählt nur Thatsachen, ohne jede Tendenz und zwar als Augen- und Ohrenzeuge. Es ist deshalb auch nicht der mindeste Grund vorhanden, seine Mittheilung willkürlich zu zerstückeln, sondern man muß sie ganz und ungetheilt als echt annehmen. Hier mögen seine eigenen Worte folgen: — Une voix s'éléva du milieu des cadavres et dit en Anglais: „Qui que vous soyez, tirez moi d'ici!“ C'était celle du Colonel Donop. Mr. de Mauduit le fit prendre par ses soldats, et le fit porter dans le fort, oû il ne tarda pas d'être reconnu. Il avait la hanche fracassée. — — „Je suis content — repliqua Donop en se servant de notre langue, — je meurs entre les bras de l'honneur même. C'est finir de bonne heure une belle carrière, mais je meurs victime de mon ambition et de l'avarice de mon souverain.“ (Voyages de Mr. le Marquis de Chastelluc dans l'Amérique septentrionale, Paris 1788, I, 288). Auch der damals im amerikanischen Hauptquartier sich befindende General Jobann Kalb schreibt am 2. November 1777 an den Herzog von Broglio, daß Oberst Donop tief betrauert von seinen Soldaten gefallen sei und daß seine letzten Worte gewesen, er sterbe als Opfer der Habgier seines Fürsten. (Leben des amerikanischen Generals Johann Kalb von Friedrich Kapp. S.123.)

[10] Eine wissentliche Unwahrheit; das Regiment sollte erst ausgehoben werden.

[11] Faucitt sagt in seinem Briefe vom 27. Juni 1777 an Suffolk über das obige Schreiben: „Der einliegende Brief ist vom 20. Mai statt 20. Juni datirt; sein Stil zeigt, daß er the handiwork of His Serene Highness himself (von Sr. Durchlaucht selbst verübt) ist.“

[12] Aus dem Französischen.

[13] Der mit diesem §. korrespondirende elfte §. des braunschweiger Vertrags enthielt noch folgende Bestimmung, die man in sämmtlichen späteren Verträgen, wegen des durch sie erregten Unwillens, fallen ließ: According to custom, three wounded men shall be reckoned as one killed, a man killed shall be paid for at the rate of levy money (thirty crown banco = 51 Thlr. 15 Sgr.).

 

Anmerkungen zur Transkription

Korrekturen beschränken sich auf Stellen, wo Setzfehler offensichtlich erschienen. Eine Liste der geänderten Worte folgt unten, Zeichensetzung wurde ohne gesonderte Angabe korrigiert. Unterschiedliche Schreibweisen wurden beibehalten, sofern sie beide gebräuchlich waren, wie: Liste der Korrekturen: Nicht korrigierte Rechtschreibung:
*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 47054 ***