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Title: Der deutsche Durst
Methyologische Skizzen der deutschen Kulturgeschichte
Author: Max Bauer
Release Date: January 31, 2015 [eBook #48120]
Language: German
Character set encoding: UTF-8
***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER DEUTSCHE DURST***
Hinweise zur Transkription
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Weitere Anmerkungen finden sich am Ende des Buches.
Methyologische Skizzen aus der deutschen Kulturgeschichte
von
Max Bauer
Leipzig
Hermann Seemann Nachfolger
Von demselben Verfasser ist ferner im Verlag von Hermann Seemann Nachfolger in Leipzig erschienen:
Das Geschlechtsleben
in der deutschen Vergangenheit
Preis br. M. 4.–; geb. M. 5.50
Alle Rechte vom Verleger vorbehalten
Druck der Spamerschen
Buchdruckerei in Leipzig
I. Was man trank! | |
Seite | |
1. Met | 9 |
2. Bier | 21 |
3. Bierhumor, Biermedizin und Bierpoesie | 86 |
4. Wein | 106 |
5. Schnaps | 159 |
II. Wo man trank! | |
1. Wirtshäuser und Herbergen | 165 |
2. Ein nordischer Ratskeller | 186 |
3. Trinkstuben und Klubs | 192 |
4. Trinkgelegenheiten, Fest- und Feiertage | 206 |
5. Der Lübecker Martensmann | 234 |
6. Altdeutsche Schlaftrünke | 245 |
III. Wie man trank! | |
1. Allgemeines | 255 |
2. Adel und Bürger | 285 |
3. Hans von Schweinichen | 309 |
4. Adelige Abstinenzler | 320 |
5. Der geistliche Durst | 327 |
6. Das schwache Geschlecht | 348 |
7. Studenten, Professoren und Gelehrte | 358 |
8. Zech- und Saufrecht | 385 |
Dieses Buch, das Resultat langer und mitunter recht mühsamer Vorarbeiten, ist nicht für die Fachgelehrten geschrieben. Nur dem Laien sollen die nachfolgenden Zeilen ein nicht uninteressantes Kapitel aus der deutschen Kulturgeschichte entrollen, das zugleich unterhalten und – vielleicht auch – das Wissen bereichern soll.
Meine Arbeit ist die erste ihrer Art, die also keinen Vorgänger hat, hoffentlich aber viele Nachfolger haben dürfte, die es besser machen werden als ich. Ich will aber beileibe damit nicht sagen, daß der deutsche Durst vor mir in der Litteratur noch nicht behandelt worden sei. Im Gegenteil! Eine ziemlich große Bibliothek läßt sich mit all den Werkchen und Werken füllen, die alle das gleiche Thema mehr oder weniger ausführlich behandeln. Schon die von mir benutzten[6] Bücher, die ich zur Nachprüfung meiner Zitate genau anführte, repräsentieren einen ganz stattlichen Bücherschatz, und welche Anzahl von Schriftwerken mag mir noch entgangen sein – all unser Wissen ist leider ja doch nur Stückwerk!
Trotz dieses »gelehrten« Hinweises möge sich aber niemand abhalten lassen, mein Büchlein zu lesen. Ich habe mich redlich bemüht, den, wenn auch Trinkbares behandelnden, doch mitunter recht »trockenen« »Stoff« möglichst flüssig zu gestalten. An »geistiger« Anregung habe ich es dabei nicht fehlen lassen, denn ich halte dafür, daß man in einer ungeheizten Dachkammer, wenn die Schneeflocken an die schlecht verwahrten Fenster klopfen, kein gutes Frühlingsgedicht machen kann.
Immerhin habe ich es nicht so bunt getrieben, wie das durstige Schreiberlein im fünfzehnten Jahrhundert, das als Schluß auf ein mit Mühe und Not zusammen gebrachtes Manuskript den Stoßseufzer setzte:
Berlin W., März 1903.
Max Bauer.
Der bleigraue nordische Himmel in seiner ganzen Schwere liegt über der Landschaft. Die Sonne will zur Rüste gehen und dunkle Wolkenberge türmen sich zwischen ihre letzten Strahlen und die Erde.
Weite Moore mit reichem, nun dem Welken nahen Graswuchs, durchsetzt von Wiesen und Tümpeln, deren Rand kaum Raum genug für die ausgetretenen Fußpfade bietet, ziehen sich bis zu dem im scharfen Herbstwinde wogenden Blättermeer des Waldes hin, in dessen Dickicht sich das Wild und das Raubzeug birgt, vom Meister Petz bis zum listigen Reinecke herab. Odins geheiligte Vögel durchkreisen die Luft, mit heiserem Gekrächze nach Beute spähend, die in dem Grase Unterschlupf vor den nimmersatten schwarzen Gesellen sucht.
Hart am Waldesrand, inmitten regellos umhergestreuter Steinblöcke, die einst, als[10] Wanen und Asen die Erde mit ihrem Kampfgetümmel erfüllt, den Streitenden zur letzten Waffe gedient, liegt ein Gehöft. Aus schweren Stämmen zusammengefügt, die Ritzen gegen den rauhen Gesellen, der vom unfernen Meere nadelscharf herüberstreicht, mit Moos und Erde gesichert, das schilfgedeckte Dach geziert mit dem mächtigen Geweih des Ur, des Herrn der Wälder, den die römischen Fremdlinge mit einem Sagenkranz umgeben, so überragt das stattliche Haus die umliegenden Baulichkeiten, in denen der Herr das Besitztum an Sklaven und Nahrungsmitteln bewahrt.
Ein Wall lose aufeinander geschichteter Steine schützt den Edeling und sein Eigen vor den Einfall beutegieriger Tiere und räuberischer Gesellen.
Aus dem Innern der fensterlosen Halle dringt mit dem Rauche des Herdfeuers und der Kienspäne, deren Lichter sich in den die Wände zierenden Metallwaffen funkelnd und gleißend spiegeln, Stimmgewirr ins Freie.
Die Frauen, die dem Mahle beigewohnt, waren in ihr Gemach zurückgekehrt und hatten den Männern das Feld zum Zechgelage geräumt.[1] Ein Barde, das Haar von der Zahl und den Stürmen der Jahre gebleicht, die kurze Harfe an die Brust gedrückt, singt und sagt von den Kämpfen der Vorfahren zu Wasser und zu Land, von Walhall und ihren Freuden, von Donar, »dem Schirmer[11] der Erde, dem Freund der Menschen«, den ein grausames Geschick fern von der heißgeliebten Heimat festhält – und ehrfurchtsvoll lauschen die ernstblickenden, auf dem fellbelegten Estrich lagernden Männer den zündenden Worten, die in Begeisterung ihre Wangen erglühen lassen. Gemurmel des Beifalls unterbricht und lohnt den Sänger, als er sein Lied beendet. Aus des Hausherrn Hand empfängt der Alte den frischgefüllten Becher – vielleicht den Schädel eines erschlagenen Feindes,[2] wie Gudrun aus den Schädeln ihrer ermordeten Söhne »mit Gold und Silber« Trinkgefäße machen ließ, aus denen sie ihrem Mann Met darreichte[3] – des Hausherrn liebsten Pokal, um in langen Zügen die trocken gewordene Kehle zu laben. Gewaltige Büffelhörner, am Rande mit Silber beschlagen,[4] und ahorne Becher mit goldgelbem Met gefüllt umkreisen die Tafel, die durstigen Lippen der Zechgenossen zu netzen.
Hin und her wogt die Rede von Krieg und Jagd, von dem und jenem, in ungefügen, schwerfälligen Worten, die jäh verstummen, denn eine Jünglingsschar betritt die Halle.
Mit raschem Schwung werfen sie die Felle von den Schultern; ihre kräftigen Glieder recken und strecken sich, die Muskeln strammen sich, gilt es doch vor den scharfprüfenden Augen der Männer in gefährlichem Spiele zu bestehen.
Die Griffe der haarscharfen Schwerter[12] sind in die Erde gesteckt und, erst ruhig und gemessen, dann immer verwegener und tollkühner durchspringen die Jünglinge die Reihen der todbringenden Waffen. Die Augen sprühen in Leidenschaft, die gewölbte Brust wogt stürmisch, die Pulse fliegen, die Körper röten sich, und wilde Kampfeslust ergreift Tänzer und Zuschauer.
Kaum vermögen die kurzhaarigen Sklaven rasch genug den immer ungestümer begehrten Trunk herbeizuschaffen, und wie erst einer, dann immer mehr der Jünglinge erschöpft zu Boden sinken, so lichtet auch das Übermaß des berauschenden Getränks die Reihen der Zecher. Stundenlang schon währt das Gelage, und Stunden werden noch vergehen, ehe der letzte der trinkfesten Mannen, vom Met bezwungen, den schweren Kopf vom Schlaf überwältigt zur Brust senkt. Noch ist es nicht so weit. Die Stimmen werden immer lauter, die Töne rauher.
Da greift einer der Genossen, vom bösen Geist des Met aufgestachelt, zum Schwerte, das ihm ein Besonnener entwindet, denn »die unter Berauschten natürlich häufigen Zänkereien enden selten bloß mit Schimpfworten, häufiger mit Mord und Blutvergießen«.[5]
Dort spielt eine Männergruppe. Haus, Hof und Herden, selbst die eigene Person gelten als Einsatz, und der Verlierende verläßt als Knecht seines Gewinners die Halle, die er stolz und frei betrat.[6]
Denn Spiel und Trunksucht waren die hervorstechendsten, vielleicht die einzigen Laster jenes mannlichen Volkes, in denen aber auch oftmals ihre Tugenden untergingen. Denn das Getränk ließ sie nach Ansicht ihrer römischen Schilderer ihre Biederkeit, ihr natürliches Rechtsgefühl, ihre Keuschheit, ihre Gastfreundschaft, selbst ihre Treue vergessen. Sei dem, wie ihm wolle, jedenfalls schien dem vollkräftigen Germanen der Trunk die größte Lebensfreude neben der Jagd und dem Kriege, und einer dieser drei Nationalleidenschaften lag er sicher ob, wenn ihn nicht Siechtum an das Haus fesselte.
Mit Leib und Seele gab er sich den Trinkgenüssen hin, die ihm eine Vorbereitung für die dereinst im Jenseits winkenden Freuden waren, ihm, der schon hienieden mit leisen Wonneschauern von dem ewig währenden Trinkgelage in Odins Heim, dem goldglänzenden Walhall, träumte. »Speerschafte bilden die Balken, Schilde das Dach, mit Brustpanzern ist das Innere geschmückt, die Schneiden glänzender Schwerter erleuchten den Saal.« Um die Halle zieht sich die heilige Mauer, Walgrind, vor dem Eingang tost der Fluß, das letzte Hindernis für die Einlaß begehrenden Helden. Auf dem Dache Walhalls weidet der Hirsch Eiksyrnier und Heidrun, die Ziege, deren Euter unversiegbar der köstliche Met entströmt, in dessen Genuß die Helden Walhalls schwelgen.[7]
So ward durch den Glauben der Trank geheiligt, und heilig war auch der Gastfreund, der an dem Tische des Hausherrn den Becher leerte. Der Feind wurde am häuslichen Herd zum Genossen. Italus, der Cheruskerherzog, der in römischer Zucht deutschen Geist und deutsche Treue vergessen, ward beim Zechgelage, aber nur bei diesem, von seinen ihm mißtrauenden Leuten mit althergebrachter Freundlichkeit behandelt.[8]
Darum galt das Zechgelage den Germanen unzertrennlich von allen wichtigen Handlungen des öffentlichen und privaten Lebens. »Über Aussöhnung von Feinden, Verschwörungen, Häuptlingswahlen, ja über Krieg und Frieden ratschlagten sie meistenteils bei Gastgelagen, als ob zu keiner Zeit so sehr das Herz für aufrichtige Gesinnung empfänglich, für erhabene begeisterungsfähig sei.«[9] Das Getränk löste ihre Zungen, machte die sonst wortkargen Männer beredt, weshalb Jul. Caesar Scaliger – nach Roth – nicht ganz unberechtigt sagen konnte: »Der Germane zeigt mehr Verstand, wenn er angezecht, als wenn er nüchtern ist.«
Das den Göttern wohlgefällige Getränk wurde auch für würdig erachtet, den Überirdischen dargebracht zu werden.
Im heiligen Haine beim Scheine des Vollmondes hob man die vollen Becher durch das Feuer des Altars und leerte sie unter andächtigen Gefühlen. Den ersten brachte man[15] Odin dar, den zweiten Njödr und Freyr, den dritten, den Bragibecher, den heimgegangenen Helden, den vierten, den Minnebecher, den dahingeschiedenen Freunden. »Man trank den Vollbecher seiner Blutsfreunde, solcher, die preisenswert gewesen waren, und das nannte man Minne.«
»Die Sitte, die Minne der Götter zu trinken, war allen deutschen Stämmen gemeinsam und so sehr im Volke eingewurzelt, daß man auch nach der Bekehrung zum Christentum des althergebrachten Gedächtnistrunkes bei festlichen Gelagen nicht entraten konnte. Nur trank man jetzt nicht mehr ›der Teufel‹ Minne, sondern die Minne Christi und seiner Heiligen. Als der heilige Olaf Norwegen zu christianisieren beschlossen hatte, erschien ihm in der Nacht vor der entscheidenden Volksversammlung der heilige Bischof Martinus von Tours und trug ihm auf, die im Lande herrschende Sitte, dem Odin oder den anderen Göttern bei den Gastmählern Minne zu geben, dahin zu ändern, daß von nun an ihm, dem hl. Martinus, bei den Gelagen Minnung getan werde. Wo das Christentum noch nicht ganz festen Boden gefaßt hatte, kam es nicht selten vor, daß das Volk neben der Minne Christi auch noch die Minne der alten Heidengötter trank.«[10]
Am häufigsten trank man St. Gertrudis, St. Stephans- und zu Weihnacht St. Johannis-Minne.
Die alten Sachsen feierten auf den Gräbern Gelage zu Ehren der Manen ihrer Verstorbenen. Sie besprengten die Gräber mit dem Trank, wie es auch die Mainzer Frauen am 29. November 1318 taten, als sie den Sänger Heinrich Frauenlob zur ewigen Ruhe brachten.
Wie im sonnigen Süden Nektar der Göttertrank gewesen, so galt dem Norden der von einzelnen glücklichen Seefahrern aus endlos entfernten Ländern zu den heimischen Gestaden hin und wieder gebrachte Wein als seltene, daher nur des deutschen Zeus würdige Labe.
Doch Odin erfreute sich noch eines anderen, nationalen Trankes, einer Metart, deren Grundstoffe statt der hergebrachten Stoffe, Honig und Wasser, an Stelle des Wassers aus dem ganz besonderen Saft, dem Blut, bestanden. Mimi, der Riese, besaß den Kessel Odrerier, der eine wundersame Flüssigkeit barg.
Zwei Zwerge, Fjalar und Galar, sollen einst aus Honig und dem Blute Kwasirs den Trank bereitet haben; Kwasir, der weiseste der Männer, der dadurch entstand, daß die Asen und Wanen, die feindlichen Göttergeschlechter, den Friedensschluß durch gemeinschaftliches – Spucken in ein großes Gefäß besiegelten. Aus diesem Speichel erstand jener Kwasir, der auf alle Fragen die lösende Antwort wußte. Als er auf der Erde[17] umherzog, die Menschen seine Weisheit zu lehren, erschlugen ihn die beiden Zwerge, um sein Blut zu erlangen.
Die rettende Wirkung und die weisheitsvolle Kraft des wundersamen Trankes erweckten Odins heißeste Begierden, den Kessel samt seinem Inhalt in seinen Besitz zu bekommen. Doch, der Hüter des Schatzes, Suttungr, ließ ihn im Felsen Hnitbjorg Tag und Nacht von seiner Tochter Gunnlod bewachen.
Unter dem Namen Bolverker besuchte Odin den Suttungr, ohne ihn zur Hergabe eines Trunkes aus dem Odrerier bewegen zu können, darum nahm der Gott seine Zuflucht zur List. In Schlangengestalt bohrte sich Odin einen Weg durch Hnitbjorg zu Gunnlod, die er betört, und in deren Armen er drei Tage ruht, ehe er in mächtigen Schlücken den ganzen Kessel austrinkt. Mit dem Wundertrank im Leibe wandelt er sich in einen Adler, fliegt zur Himmelshöhe auf, um im Assgardr, seiner Wohnung, den Inhalt des Ordrerier in einen Kessel zu spucken, der fortan in der heiligen Burg der Götter verwahrt wird.[11] Odin ist übrigens wie sein hellenischer und römischer Götterkollege ein Schwerenöter ärgster Sorte, der Herzen bricht und die armen Mädels dann einfach gewissenlos sitzen läßt. So machte er es auch mit der armen Gunnlod und ihrem Söhnchen Bragi. Das, was sie bewachen sollte, war sie los, dafür hatte sie ein Kind[18] am Halse. Ja, so sind die Götter und die – Mädchen!
Durch den Wundertrank erlangte Odin göttliche Allwissenheit und ewiges Gedächtnis – im Gegensatz zu dem antiken Lethe, dem Trank des Vergessens.
Ja, der altgermanische Met war ein Tränkchen, dessen Vollgenuß man nicht so leicht vergaß. Wer den braunen, reichlich süßen Saft einmal zu sich genommen, z. B. in jenem uralten Metkeller Wiens, dem »süßen Löch'l«, der erinnert sich, auch nach Jahren noch, mit recht geteilten Gefühlen der bittersüßen Nachwirkungen, die sich mild aber doppelt äußern, ehe sie als geradezu unverwüstlicher Kater ausklingen. Brrrr!
Der Germane kannte anfänglich nur den Wassermet, eine Zusammensetzung von zwölf Teilen Wasser mit einem Teil Honig, während die Römer auch Wein- und Mostmet bereiteten.[12] In späterer Zeit setzte man dem Met auch Gewürze zu.[13] Solch gewürzten Met nannte man Bonglerastie oder Borgerast.
Nur im germanischen Altertum und im frühesten Mittelalter besaß der Met die bevorzugte Stellung unter den Getränken. Im elften und zwölften Jahrhundert war nach Freidank[14] die Stufenfolge der trinkbaren Flüssigkeiten »Wasser, Bier, Met, Wein«. »Der Met verschwand nach und nach ganz, und einer glücklicheren Zeit blieb es vorbehalten,[19] dieses edle Viergespann durch den Branntwein wieder zu ergänzen.«
Wenn man den Met nun auch im dreizehnten Jahrhundert noch viel trank, so hatte er doch in dieser Zeit längst aufgehört, der Haupttrunk zu sein. Seine Süßigkeit – Suez als ein honic mete[15] – mochte hauptsächlich daran schuld sein, daß man ihm die herzhafteren Getränke, Bier und Wein, vorzog. Immerhin verschwand er erst gegen Ausgang des Mittelalters gänzlich von der Tafel; bis dahin erschien er noch sporadisch neben seinen Rivalen. »Die Knappen liezen tragen dar mete, win und lûtern trank«, heißt es im »Irregang und Girregar«.[16] Nur im deutschen Norden bewahrt man dem Met die alte Anhänglichkeit. Der Haidehonig dazu wurde durch die Zeidler, eine Genossenschaft mit merkwürdigen Bräuchen, gesammelt. Die Stadt Aachen, die der Metbereitung besondere Pflege angedeihen ließ, spendete ihn alljährlich als besondere Delikatesse an Fürsten, Bischöfe und andere Vornehme, so im Jahre 1385 mehr als neunundzwanzig Ohm im Werte von 1068 Mark, nach heutigem Goldkurse etwa das fünffache; der Met war demnach ein sehr kostbares Getränk geworden.
Im späteren Verlauf des Mittelalters, als die Zünfte erstanden, wurde die Meterzeugung eine Obliegenheit der Wachszieher, die bis spät in das neunzehnte Jahrhundert hinein[20] Kerzen erzeugten, Honigkuchen buken und Met brauten, der überall noch Liebhaber, besonders aber Liebhaberinnen fand, wie jene »Methe von Trunkenheit« beweist, das »Bisamstinckige Frawenzimmer«, das Johannes Fischart im »podagrammischen Trostbüchlein« als im Gefolge der »gliederkrampfigen Fußkitzlerin« Frau Podagra befindlich aufzählt.
Der edle Gerstensaft, der im Zeitenlauf den urdeutschen Met gänzlich verdrängt und dem Wein als Volksgetränk nur ein räumlich sehr beschränktes Feld überlassen hat, um geradezu zum Wahrzeichen aller Völker deutscher Zunge zu werden, besaß im Altertum einen ungleich größeren Verbreitungskreis als heutzutage, trotz des Siegeslaufes des deutschen und deutschböhmischen Bieres durch die Welt.
Wo zur Zeit das Bier selbst dem Namen nach vollständig vergessen ist, war es in der Vorzeit allbekannt und allbeliebt.
Vom alten Pharaonenland am Nil erzählt[22] Herodot, der Vater der Geschichte: »Wein bereiteten sie sich aus Gerste, denn Reben wachsen in ihrem Lande nicht«.[17] Nach Diodor von Sizilien soll Osiris, der oberste der Götter, nachdem er alle Teile der bewohnten Erde besucht, um die Nährfrüchte aller Völker kennen zu lernen, seinem Heimatlande dort, wo der Anbau des Weinstockes auf Hindernisse stieß, einen Trank bereiten gelehrt haben, »der aus Gerste gebraut wird, und nicht viel zurücksteht hinter dem Wohlgeruch und der Kraft des Weines«.[18]
Etwa 25 n. Chr. Geb., als der große Geograph und Kompilator Strabo wirkte, trank man in Alexandrien diesen, wie Theophrast zuerst angibt ζῦθος (züdos) genannten Trank allgemein.[19] »Die Ägypter«, sagt der Akademiker Dio bei Athenäus,[20] »ein sehr zum Trinken geneigtes Volk, haben für alle, die zu arm sind, sich Wein zu schaffen, einen Ersatz erfunden, nämlich den Wein aus Gerste. Wenn sie diesen zu sich nehmen, sind sie lustig, singen und tanzen, kurz benehmen sich, als wären sie süßen Weines voll.«[21]
Im ältesten Ägypten warnte einst ein bejahrter Schreiber seinen jüngeren Kollegen vor allzuhäufigem Genuß des »Heg« oder »Hag«, dem auf den Bilderschriften so häufig wiederkehrenden Namen des Bieres, und vor dem häßlichen Geruch der Bierkneipen.
Von den oberhalb Ägyptens hausenden Äthiopiern berichtet Strabo: »Sie leben von Hirse und Gerste, von der sie sich ein Getränk bereiten.«[22]
Aber auch im alten Spanien war bei den sich genealogisch und kulturell verwandten iberischen Stämmen das Bier seit unvordenklichen Zeiten heimisch.[23]
Plinius schätzte Spanien als vorzügliches Bierland, dem sogar die Kunst nicht fremd war, Bier aufzubewahren und durch Alter zu veredeln. Strabo hingegen meldet von den Bergbewohnern Iberiens, daß sie Bier mit Vorliebe, Wein hingegen nur selten tranken und ihn, sobald sie ihn erhielten, sofort verbrauchten. Hieraus läßt sich meines Erachtens mehr auf die Seltenheit des Weines, aber weniger auf seine Zurücksetzung gegenüber dem Bier schließen, wie einige Kommentatoren glauben. Jedenfalls aber war das Bier im heutigen Land des Südweins Nationalgetränk, was auch aus einer Erzählung des Polybius[24] von einem halb gräcisierten iberischen König hervorgeht, der in der Mitte seines Palastes goldene und silberne Gefäße aufgestellt hatte, die edler Gerstensaft bis zum Rande füllte.
Den Namen des altklassischen Bieres gibt Plinius mit Celia und Ceria für Spanien, und mit Cerevisia für Gallien und »die anderen Provinzen« an.
Hecatäus, ein von Athenäus zitierter,[24] sonst unbekannt gebliebener Gelehrter erzählt von dem βρῦτον (Bryton), dem Gerstenwein und dem παραβίη (Parabié), dem Hirsenwein der Thrakier, daß sie diese Getränke durch Zusatz des Würzkrautes κονύζη (Konyze) trinkbarer, vielleicht auch haltbar machten.
Xenophon teilt in seiner Anabasis von dem berauschenden Gerstensaft der Armenier mit, daß sie diesen mittels Strohhalmen aus den Gefäßen sogen, um die in der Flüssigkeit herumschwimmenden Getreidekörner nicht als unwillkommene Zugabe mitschlucken zu müssen.
Äußerst bemerkenswert ist die Tatsache, wie derartige Nationalgetränke und die Art ihres Gebrauches bei abseits von den Kulturstraßen seßhaften Völkern hunderte von Generationen überdauern, denn in Niebuhrs »Beschreibung von Arabien«[26] findet sich folgende Notiz: »Man hat ein weißes und dickes Getränk, Busa, welches aus Mehl bereitet wird … In Armenien ist es ein allgemeiner Trank, daselbst wird es in großen Töpfen in der Erde aufbehalten und gemeiniglich aus denselben vermittelst eines Rohres getrunken.«
Westlich und nördlich von den Thrakern fand sich Bier als sabaya, als sabayum, bei den ihnen stammverwandten Illyriern und Pannoniern, allerdings nur als Getränk der[25] niederen Volksschichten, da Sabaiarius, etwa Biersaufer, ein scharfes Schimpfwort gewesen zu sein scheint. Von den Pannoniern im heutigen Ungarn weiß übrigens Cassius Dio, der sie aus eigener Anschauung kennt, zu berichten, »Gerste und Hirse ist ihnen Speise zugleich und Trank«.[27]
Etwa zwei Jahrhunderte nach Cassius Dio, um das Jahr 446, durchzog ein Byzantiner als Mitglied einer oströmischen Gesandtschaft Pannonien, um an den Hof König Attilas zu gelangen. Der Bericht, von dem nur Bruchstücke sich erhalten haben, die Gustav Freytag in meisterhafter Übersetzung der Vergessenheit entrissen hat,[28] ergeht sich in anschaulichen Bildern der Sitten und Gebräuche jener halbwilden Asiaten und des Hofes, dessen Mittelpunkt die Gottesgeißel Attila, der machtvolle Hunnenkönig, ist. Hier interessiert uns besonders die Bier behandelnde Stelle der Reisebeschreibung. »In den Dörfern wurden uns Lebensmittel geliefert« schreibt Priscus, »statt des Weizens Hirse, statt des (ihm gewohnten) Weines Met; auch die Knechte, die uns folgten, wurden durch Hirse ernährt und erhielten ein Gerstengetränk geliefert, die Barbaren nennen es Kamum (κάμον).«
In fast allen der bisher genannten Länder und in manchen anderen, wie auf der nördlichen Hälfte der griechischen Halbinsel, in Phrygien, im westlichen Kleinasien und in[26] Armenien ist heute das selbstgebraute Bier vollständig vergessen.
Von dem Bier der Völker Mittel- und Nordeuropas berichtet als erster der kühne Seefahrer und Geograph des dritten Jahrhunderts v. Chr. Gb. Pytheas von Massilia. Auf seiner Fahrt nach dem fernen Thule beobachtete er bei den Küstenvölkern gemäßigter Landstriche: »wo Getreide und Honig gewonnen wird, da macht man auch Getränk davon« – also Bier und Met.[29]
Den Winter der Scythen als Type der Nordvölker, ihre Pelzkleidung, ihre unterirdischen Höhlenwohnungen, das gegohrene Getränk an Stelle des Weines schildert in der Georgica[30] Virgil, vielleicht vom Hörensagen oder nach uns verloren gegangenen Quellen, vielleicht auch nach der Phantasie, die bei echten Dichtern so merkwürdig oft nie Geschautes richtig ahnt und zeichnet.
Im mittleren Frankreich war zu Anfang des letzten Jahrhunderts v. Chr. Gb. das Bier Volkstrank, während sich die Vornehmen bereits des eingeführten massaliotischen Weines erfreuten. Dieses keltische Bier, Korma benannt, erhielt sich in Nordfrankreich, Belgien und England bis zur Gegenwart. Kaiser Julianus Apostata (331–363) mochte einst dieses Bier gekostet haben, wofür er sich durch das Epigramm rächte:
Der Fortsetzer des Tacitus, Ammianus Marcellinus, kennt die Gallier als Trinker, die sich in Ermangelung von Wein mit Surrogaten, dem Cider und Bier, behalfen.
Die Germanen begannen von der Zeit an, in der sie sich dem Ackerbau zuwandten, der Bierliebhaberei zu fröhnen. Cäsar weiß noch nichts von Bier bei den ihm bekannten Völkerschaften Germaniens, wohl aber der anderthalb Jahrhundert spätere Tacitus und nach ihm Diodor. Den nordgermanischen Stämmen war das Bier seit in nebelgraue Ferne entrückter Vergangenheit, und nicht eine Sorte allein, bekannt. Im Alvîßmâl, dem Fragelied der Edda, will Donner, der Götterkönig, von dem Zwerge Alwiß erfahren:
Alwiß:
Die mitteldeutschen, bis zu den gallischen Grenzen vorgeschobenen und die an der Niederdonau angesiedelten Germanenstämme dürften von ihren Nachbarn in der Braukunst unterwiesen worden sein, wie ja bekanntlich alle Naturvölker als erste Gaben fortgeschrittener fremder Völker die beiden Danaidengeschenke, berauschende Getränke und Geschlechtskrankheiten, empfangen. So war es einst im alten Germanien, im fünfzehnten Jahrhundert in Amerika, im achtzehnten auf den Südseeinseln, so ist es noch heute in allen »der Civilisation eroberten« Landstrichen.
Das Bier faßte aber so festen Fuß bei den Deutschen, daß es auch in jenen Gegenden, wo schon der Weinstock trefflich gedieh, so am Rhein und an der Mosel, bis zum zwölften und dreizehnten Jahrhundert der Volks- und Haustrunk blieb, während der vornehme Wein nur zu Festgelegenheiten aufgetischt wurde. Schon der Umstand, daß der Rebensaft hoch im Werte stand und meist gekauft werden mußte, während man das Bier selbst herstellte und seine Zutaten keine nennenswerten Ausgaben verursachten, dürfte dem allgemeinen Gebrauch des Weines hinderlich gewesen sein.
Außerdem mochte manchem patriotisch denkenden und fühlenden Mann der Wein, als ein von den verhaßten Römern eingeführtes Getränk, unsympathisch gewesen sein, so daß er, schon aus Trotz, bei seinem vaterländischen[29] Gerstensaft blieb. »Zu diesen gehörte wahrscheinlich der Franke Hozinus, der Heide geblieben war, obgleich der König und der größere Teil des fränkischen Volkes bereits die Taufe empfangen hatten. Als er einmal den König Chlotar († 561) mit seinem Gefolge, worunter der Bischof Vedastus von Arras war, zu einem Gelage geladen hatte, fanden die Gäste in dem Saale »volle Fässer mit Bier dastehen, wie es bei den Heiden Sitte ist«. Der für die Christen bestimmte Trunk wurde getrennt von dem »den heidnischen Göttern geweihten Bier dargereicht.«[32]
Dieser spezifisch heidnische Charakter des Bieres geriet mit dem Verschwinden des Heidentums in Vergessenheit, und das Bier wurde zum Alltagsgetränk, dessen Vorhandensein man überall voraussetzte. Noch 819 bestimmte ein Edikt Ludwigs des Frommen bei Einlagerung eines Bischofs als königlichen Gesandten, diesem zu verabfolgen: vierzig Brode, ein Schwein, drei Frischlinge, drei Hühner, fünfzehn Eier und drei Tonnen Bier. Vom Wein ist erst in einer späteren Verordnung Ludwigs die Rede, und da verlangt er für seinen Bevollmächtigten die verschwindend kleine Menge von neunzehn Sextarien.[33]
Nur in Süddeutschland, dem heutigen Dorado des Gerstensaftes, schlug im Mittelalter der billige Wein das Bier aus dem Felde,[30] woran freilich die geringe Haltbarkeit des Bieres selbst Schuld trug.
Aber auch in diesen Weinländern wurde den Knechten und der Dienerschaft Bier gereicht. Wenn in einem vornehmen Haus der Weinvorrat einmal zu Ende ging, machte man es wohl ebenso wie die heilige Äbtissin Salaberga von Laon († ca. 665) die, als kein Salerner mehr im Keller war, »Bier sieden ließ«.[34]
Der Stoff des Mittelalters war wesentlich von dem unsrigen verschieden.
Als erste Bierwürzen dürften Eichenrinde, Wachholderbeeren, Baumblätter, bittere Wurzeln und Kräuter gedient haben, ehe der vermutlich aus Finnland oder einem anderen Teil des heutigen Rußland eingeführte Hopfen bekannt wurde und Verbreitung fand. Der Zeitpunkt der Einwanderung des Hopfens, »das Salz des Bieres« nennt ihn der alte Tabernaemontanus, läßt sich nur annähernd bestimmen. Im neunten Jahrhundert sind schon manche Hopfengärten nachweisbar. Die heil. Hildegard, Äbtissin zu Ruppertsberg, führt ihn in einer Handschrift vom Jahre 1179 an, ebenso gedenkt Albertus Magnus, Albert, Graf von Bollstädt (1193 bis 1280), des Hopfens als Kulturpflanze. Als Zinsabgabe in den Urkundenbüchern des frühen Mittelalters spielt der Hopfen vielfach eine Rolle, besonders in Brandenburg und Mecklenburg. Im elften und zwölften Saeculum[31] breitet sich der Hopfenbau über Bayern, Franken und Niedersachsen aus; in Schlesien jedoch wird er 1224 zum erstenmal erwähnt. Das dreizehnte Jahrhundert schätzte den Hopfen geradezu als vegetabilisches Kleinod, für das die ältesten erhaltenen Rechtsbücher, der Sachsen- und der Schwabenspiegel, energisch in die Schranken treten.[35] In Schweden stand er ein Jahrhundert später unter Königsfrieden, d.h. direktem Schutz des Königs, der den Friedensbrecher mit dem Tode bestrafte. In den böhmischen Stadtrechten, einer Verschmelzung des Brünner, Prager und Magdeburger Rechtes vom Jahre 1579 heißt es: »Einem Beschädiger der Weinberge, Gärten oder Hoppegärten sollen die Augen ausgegraben werden; geschiet es aber bey nächtlicher Weile, so soll er den Hals verlieren.«[36] Die Hochachtung für den Hopfen spricht auch folgendes altes Sprüchlein aus:
Mit dem Entstehen der Klöster auf rheinischem Boden hebt ein neues Kulturzeitalter, das christkatholisch-germanische, für Deutschland an. So wie die Mönche den[32] Laien in der Viehzucht, der Obstkultur und anderen Verbesserungen der althergebrachten Landwirtschaft als Vorbilder dienten, so waren sie auch die Meister im Keltern und Behandeln der Weine wie im Bierbrauen.[37] Die Kleriker hatten Muße genug, die Brauarten durchzuproben, bis sie das ihrem verwöhnten Gaumen zusagende Gemisch zu stande brachten, das freilich nur ihnen selbst und gewissen Gästen zu Gute kam. Für sonstige Sterbliche stellten sie den Kovent her, dessen Würze durch Aufguß von Wasser auf die durch das erstgebraute Mönchsbier schon ausgelaugten Treber gewonnen wurde. Dieses Kovent war so dünn, daß es gar nicht als Bier galt, denn vom Pommernherzog Barnim wird in der Chronik gesagt: »Barnim ist ein sehr messiger Fürst gewest von Essen und Trinken; dan man hat ine ny ein Halbs oder Gantz trincken sehen, viel weiniger (!) ime ful gesehn; hat selten Bier getruncken, und Wein hat er nymmer getruncken on an seinem Ostertag; sunst ist sein Getrencke Covent gewest oder, wo er den nicht gehabt, gut frisch Wasser.«[38]
Das Mönchsbier behielt seinen Ruf, bis der Wein seinen Stiefbruder aus der Gunst der Klerisei verdrängt hatte.
Der Grundstoff des Bieres war für alle Zeit das aus der Gerste gebraute Malz.
Bereits 1290 befahl die freie Reichsstadt[33] Nürnberg den alleinigen Gebrauch der Gerste zu Brauzwecken und untersagte strengstens den Absud von Hafer, Korn, Dinkel, Roggen oder Weizen.
Litt schon das Gerstenbier nicht an übermäßiger Stärke, so war dies bei den anderen Getreidebieren noch weniger der Fall, sonst hätte auch der edle Hartmann von der Aue, der Dichter des Iwein, Armen Heinrich und anderer Perlen der mittelhochdeutschen Poesie, schwerlich zu behaupten gewagt, daß in einem Becher Wein mehr Kraft enthalten sei als in vierundvierzig Bechern Bier oder Wasser.[39] Schon die Zusammenstellung von Bier und Wasser gibt zu denken. Auch sein Wohlgeschmack dürfte nicht gerade überwältigend gewesen sein, denn in höheren, besonders höfischen Kreisen galt, wie bereits erwähnt, das Bier nur dann etwas, wenn an Wein Mangel herrschte.
heißt es im Parzival.[40]
So lange das gute Klosterbier ein begehrter Artikel war, wußten die Mönche, niemals faul, wenn es etwas einzuheimsen galt, aus dem Klosterbräu möglichst großen Nutzen zu ziehen. Ebenso wie sie ihr prächtiges Vieh für den Verkauf zogen und schlachteten, Getreide im Lohn mahlten und Brot buken, so gaben sie ihr Bier gern an zahlungsfähige[34] Liebhaber ab. Zu diesem Zweck hielten sie vielfach entweder offene Schenken, wie dies schon im zwölften Jahrhundert vorkam, in denen, wie in Corvey, die Frauen der Hörigen das Bier feilboten,[41] oder sie verkauften mit den anderen Erzeugnissen der »Camba«, dies der Gesamtname für die klösterliche Großküche, Schlacht-, Back- und Braustuben, auch das Bier in größeren Mengen.
In Nürnberg setzte ein Kloster jährlich viertausendfünfhundert Eimer Bier ab. Jeder Bettler, der seine Bierstube betrat, erhielt einen Pfennig als Almosen, aber das Bier wurde ihm nur für Geld und zwar für zehn Pfennige verkauft.[42]
In vielen Gegenden schmeckte der aus dem Biervertrieb erzielte große Verdienst den geistlichen Herren derart, daß sie jede Konkurrenz vernichteten, indem sie sich das alleinige Recht zur Ausübung der Genuß- und Nahrungsmittelindustrie im Umkreis einer gewissen Landstrecke, den Bannofen, auch Bierbann und Meilenrecht genannt, zu sichern wußten. Den Klerikern machten dies natürlich sofort die weltlichen Machthaber nach, die für derartige gewinnbringende Erfindungen stets zu haben waren. Sie gingen noch einen Schritt weiter, monopolisierten die Mühlen und die Mahlgerechtigkeit, als deren untrennbare Bestandteile sie die Viehmast, Schlächterei, Bäckerei und Brauerei erklärten.[35] Die brandenburgischen Fürsten besaßen noch im dreizehnten Jahrhundert diese Gerechtigkeiten, die sie als Lehen oder in Pacht weitergaben.
Als die Städte wuchsen und zu einer gewissen Macht gelangten, nahmen sie das Meilenrecht in ihre Privilegien auf. »Manche Städte trugen auch kein Bedenken, die Biermeile eigenmächtig zu vergrößern, indem sie behaupteten, nicht von ihren Toren, sondern von dem Grenzstein ihres Weichbildes ab könne die Bannmeile erst gerechnet werden. Wer dieser Zunftgewalt nicht eine noch größere entgegensetzen konnte, war gezwungen, sich ihr ruhig zu ergeben, so ungerecht auch diese Maßregel war.« Dieses im dreizehnten Jahrhundert seinen Ursprung nehmende Meilenrecht erhielt sich allgemein bis in das fünfzehnte Jahrhundert; ja man findet sogar noch in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, namentlich in kleineren thüringischen Städten, Spuren davon. Unter dieses Biermonopol fiel auch das Verbot, fremde Biere in die Stadt selbst einzuführen, was nur dem Rat gestattet war, wenn er ein solches Bräu in seinem Ratskeller ausschenken wollte.
Eine Formel für dieses Meilenrecht, dem alten Stadtrecht von Weißensee a. D. 1263 entnommen, lautete: »Auch haben wir fürstliche Verschreibungen, das Nymand off den Dorffen die an eyner nid weges zu legin sint,[36] kein Tabern (Taverne, Schenke) nicht haben sullen, nach (noch) keyne fremden biher (Biere) schenken ny werde Im denen ober onser fürstliche Briffe zoerkannt, dorch Ihre onser orkunth offbracht.«
Da die Stadtbiere nun nicht immer nach jedermanns Geschmack waren, und auch Ratsherren sich hin und wieder an fremdem Bier gütlich tun wollten, so half man sich durch die Accise, über die noch zu sprechen sein wird.
Allerdings dehnte sich, wenigstens anfänglich noch, das Brauverbot in der Bannmeile nur auf das nicht für den eigenen Gebrauch bestimmte Bier aus. Der Haustrunk durfte nach wie vor im Hause hergestellt und mußte davon an die Herrschaft geliefert werden. So hatten die Nonnen von Falkenhorst vom Jahre 1090 ab von Allerheiligen bis Ostern »altes Bier« zu beanspruchen, jedenfalls eine Art Metbier, aus Gerste mit Honigzusatz, das sich nur in der kälteren Jahreszeit bewahren ließ.
Besonders der Bauer ließ es sich nicht nehmen, sich an seinem Eigenbräu zu erfreuen, das aber leider großenteils in die unrechte Kehle, nämlich die seiner Herrschaft, lief. Außer der Lieferung dieses Bieres hatten die »Grundholden«, die Hörigen, an gewissen Tagen auf dem Fronhofe zu erscheinen, um dort die Öfen zu heizen, in der Hofküche zu kochen, Brot zu[37] backen, zu schlachten, Getränke zu bereiten und Bier zu brauen. Ihren Ehefrauen lag es ob, im Hause Malz zu sieden, das sie der Grundherrschaft abzuliefern hatten.[43] Erst das Zeitalter des dreißigjährigen Krieges hob diese Lasten teilweise auf, und bei dem neuerlichen Erstarken der Feudalwirtschaft kam sie fast gänzlich in Wegfall, da auch die Herrschaft meist lieber zünftig gebrautes Bier als eigenes verbrauchte.
Wo die Herrschaft die Braugerechtigkeit nicht selbst ausübte, sondern sie der Stadtgemeinde überlassen hatte, baute sich diese in der Regel ein eigenes Brauhaus, aus dem die Bürger ihr flüssiges Brod zu holen gehalten waren. Gewöhnlich aber war das Braurecht nicht an die Stadtobrigkeit, sondern an eine Anzahl von Bürgern vergeben, die nun das Recht in bestimmter Reihenfolge in ihrem eigenen Hause allwöchentlich ein- oder mehrmals, je nachdem Braubürger vorhanden waren, ausübten und meist durch einen berufsmäßigen Brauer Bier sieden ließen.[44] In Zittau hatte von altersher der Schützenkönig das Recht, sogenanntes Königsbier brauen zu dürfen und, falls er dieses Recht nicht selbst auszuüben gewillt war, das Privilegium käuflich an einen andern abzutreten. 1674 entspann sich darüber ein Streit, den ein Jahr später der Kurfürst von Sachsen entscheiden mußte.[45] Immerhin war nach dem Sachsenspiegel den Stadtobrigkeiten[38] das Recht eingeräumt, das Anlegen von Brauhäusern und Malzdörren jedem zu verbieten, dem das Recht nicht zweifellos zukam.
Wurde in einem dieser brauberechtigten Häuser »ein Bier aufgetan«, so eilt der Brauer in eigener Person durch die Straßen und verkündete laut die willkommene Nachricht,[46] wie der Bader den frischgeheizten Ofen anzeigte. Diese Braubürger gründeten Braubürgerschaften, lange bevor der Zunftzwang und das Gildenwesen allgemein wurden. Diese Vereine wachten ängstlich über die Pflichten jedes einzelnen Mitgliedes, wie sie seine Rechte, wenn es sein mußte mit der Waffe in der Hand, vertraten.
Da dies an die Urzeit gemahnende Bierkochen in den einzelnen Häusern mancherlei Unbequemlichkeiten im Gefolge haben mochte, so wich dieses Brauen im Umherziehen gar bald überall den bürgerlichen Brauhäusern, die mit der Läuterung des Geschmackes immer vollkommenere Einrichtungen erhielten, und deren Bedienung sich, als das Zunftwesen entstand, auch als Gilde zusammentat.
Mit der Begründung der Brauerinnungen fällt in den Städten auch die Selbstbereitung des Hausbieres weg, das die zünftigen Brauer als Eingriff in ihr Handwerk betrachteten und als »Bönhasentum« verfolgten. Mit dem Jahre 1558 hörten im allgemeinen[39] alle Privat- und Winkelbrauereien auf, und dort, wo sich keine Brauhäuser befanden, durften sich die brauberechtigten Bürger, aber nur diese, der sogenannten »Kruppbrüder«, d. h. Kleinbrüder der Brauerinnung,[47] bedienen. Diesen Kruppbrüdern, nicht vollberechtigten Innungsangehörigen, oder wandernden Brauknechten, in Bayern »Schrollen« genannt, war es gestattet im Lohn zu brauen, sich ihren Haustrunk herzustellen, bisweilen sogar drei bis vier Faß mehr, die sie mit ausdrücklicher Genehmigung des hohen Rates verschänken durften.
Mit dem Entstehen der Brauerinnungen beginnen auch schon die Klagen über Bierverfälschungen. In Verordnungen, die fast in allen Städten auftauchen, wurde gegen die Bierpanscher gewettert, ja sogar mitunter der Henker gegen diese »Nahrungsfälscher« in Tätigkeit gesetzt. In Halle a. d. S. wurde 1497 ein Braumeister verbrannt, weil er zwei Gebräu hallisches Bier verdorben hatte. In einer Philippika, die ein Dr. Mengering zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts gehalten hat, zetert er: »Die Bierbrauer oder Schankwirthe lassen Kofent oder frisch Brunnenwasser in die Fässer mit einspringen und wenn es in die Keller kommet, wird noch einmal geplantzschert und das Bier verderbet, daß es in den Körpern sitzen bleibet. Und wenn das Bier sommerenzend und sauer wird, wissen sie mit Kreide und anderen[40] Dingen demselben einen lieblichen Geschmack zu geben. Sie nehmen Trebrich mit unter das Malz oder hängen Kukuks-Körner ins Faß, daß die Köpfe desto eher wüste und dumm werden. Schlechte Biere und Gauche heben sie auf, bis Feiertage oder Gelage sind, wo das Volk zuläuft; da wird Alles getrunken.«
Ein anderer Gewährsmann aus dem fünfzehnten Jahrhundert führt als weitere vielgebrauchte Verfälschungsmittel an: »Die wendische Prank, eine Art Trespe; sie nimmt den Kopf ein«; »die Trunkenbeeren, eine Art, ähnlich den schwarzen oder blauen Besingen (Heidelbeeren, Vaccinum), sowie der Pest, ein Staudengewächs, dem Rosmarin nicht ungleich; sie machen das Bier stark, bereiten aber Wehetage.« Die Pest, der wilde Rosmarin, Schweinporst, Sumpfporst (Ledum palustre) war der Hauptzusatz des Straßburger, Schweineporst genannten Bieres. Weniger gegen die Erzeuger dieses – nomina sunt odiosa – Bieres, als gegen Bierfälscher überhaupt, ist »Der Stadt Straszburg ernewerte Biersieder Ordnung« vom 15. Septembris 1665 gerichtet.
Außer durch derartige »Ordnungen«, die erfahrungsgemäß gar nichts, oder nur so lange halfen, bis sie wieder in Vergessenheit gerieten, suchte der wohlweise Magistrat das trinkende Publikum durch ein weiteres und viel radikaleres Mittel zu schützen. Er veranstaltete[41] – so eine Art Vorahnung des Reichsgesundheitsamtes – übrigens ein sehr hübsches Wort, – Bierprüfungen. Nach dem alten Historiographen Beckmann ging es dabei in Bernau in der Mark ebenso wie in vielen Städten Bayerns folgendermaßen zu:
Der Bürgermeister und die bei der Brauerei angestellten Personen verfügten sich mit dem Marktmeister und Vogte zu dem Brauer, dessen Bier untersucht werden sollte; vorher zogen sie sich jedoch sämtlich die Bierprobehosen an, die aus starkem, gelben Leder bestanden. Der Brauer empfing sie mit gebührender Hochachtung, stellte ihnen eine feste Bank hin und brachte einige Krüge voll schäumenden Bieres. Hiervon nahm der Marktmeister einen und schüttete ihn auf die Bank aus, während der Vogt diese gleichmäßig damit benetzte. Die Herrschaften setzten sich nun mit ihren gelbledernen Hosen darauf und zechten nach einer Sanduhr drei Stunden lang. Die Wirkung des Bieres im Kopfe erstens, das Quantum, welches sie getrunken zweitens und drittens die Kraft, die sie anwenden mußten, um ihre ledernen Hosen von der Bank loszureißen, auf der sie festgeklebt waren, bestimmten die Güte des Bieres.[48]
Das Bier mußte kleben, das war die Anschauung der Vergangenheit. Nur dann war es gut, wenn es »so malzreich wäre, daß es einem ganz zwischen den Fingern klebte und[42] schmeckte auch wie lauter Zucker so süß, so daß, wer von demselben Bier nur ein Nößel getrunken hatte, hernachmals flugs danach predigen könnte«, sagt Schelmuffsky in seiner berühmten Reisebeschreibung.[49]
Gleich der Qualität des Bieres unterlag auch dessen Preisbestimmung der obrigkeitlichen Genehmigung. Der Stadtrat des Mittelalters mischte sich eben in alles, was innerhalb des Weichbildes vorging. Wie sie sich um die unbedeutendsten und sogar intimsten Dinge der Frauenhäuser kümmerten, so ließen sie sich natürlich auch das Recht nicht nehmen, den Brauern und Wirten Preise zu diktieren. Übrigens nahmen sich auch ab und zu die Landesherren solcher Angelegenheiten an, wie der sogenannte braunschweigische Bierbefehl beweist.
In den letzten Jahren des siebzehnten Jahrhunderts hatte infolge von Mißernten im Harz und an der oberen Weser eine Teuerung geherrscht, die natürlich auch nicht ohne Einfluß auf die Bierpreise geblieben war. Die Brauer hatten infolge dessen den Bierpreis erhöht und wollten diese höheren Bierpreise auch beibehalten, nachdem der Preis des Getreides wieder gesunken war. Da hatten sie aber die Rechnung ohne die damaligen Herzöge von Braunschweig gemacht, welche folgende Verordnung erließen: »Von Gottes Gnaden, wir Rudolph August und Anton Ulrich, Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg,[43] fügen hiermit zu wissen: Was massen wir glaubwürdig, wiewohl zu unsern höchsten ungnädigen Mißfallen, berichtet worden, ob solte an denen meisten Orten des Hartz- und Weserdistricts, das Bier annoch in dem erhöhten Preise, als solches in denen letztern theuren Jahren zugeben verstattet worden, verkauffet werden. Ob Wir nun wohl der Allerhöchste wiederumb wohlfeile Zeiten beschehret, sich von selbsten der Billigkeit beschieden, und das Bier umb den gewöhnlichen Preiß wieder hingegeben haben: Nachdem jedoch das Gegentheil, und daß ihrer viele bei dem erhöhten Kauf geblieben sein sollen, beständig verlauten will, Wir aber ein solch unbillig und unchristlich Beginnen zu dulden keines Weges gemeynet seyn; So ist mit Vorbehalt schwerer Ahndung gegen diejenige, so sich dieses unzulässigen Vortheils gegen unsere gnädigste Concession gebrauchet, Unser ernstlicher Befehl hiermit, daß das halbe Stübichen Breyhan, gleich hier schon geraume Zeit her geschehen, weiter nicht höher als vor zehn Pfennige, inclusive der doppelten Bier-Steuer, und so auch nach Proportion in Faß-Zahl verkauffet werden solle, bei unnachlässiger harter Straffe, so Jemand dagegen ferner zu handeln sich gelüsten lassen mögte. Geben in Unser Vestung[44] Wolffenbüttel den 24. Julii Anno 1702.« Jedenfalls ist das Bestreben dieser Landesväter, ihren Untertanen einen billigen Tropfen zu verschaffen, auch heute noch, nach zweihundert Jahren, anzuerkennen.
Die Brauer mußten natürlich, sowie sie sich zu fühlen begannen, ebenso wie jede andere Innung, ihren Schutzpatron haben, und ihre Wahl fiel denn je nach der Gegend, auf den heil. Martin, den heil. Leonhard, den heil. Adrian, bei den Kölner Brauern auf den heil. Peter von Mailand, den heil. Anton, den heil. Magnus. Aber alle Bierbrauergilden hatten einen Oberheiligen, den sie zwar nicht anbeteten wie die anderen Patrone, dem sie aber ehrfurchts- und hochachtungsvoll manches Trankopfer weihten – den heiligen Gambrinus!
Von diesem sonderbaren Heiligen heißt es in einer alten Chronik: »Zu Jacobs Zeiten habe in Deutschland der König Gambrinus regiert, welcher auf deutsch Gampor oder Knüpfer genannt worden sei, weil er ein stattlicher Kriegsmann gewesen und seine Feinde aufgeknüpft haben soll. Gampor sei auch ein tüchtiger deutscher Hausvater gewesen, der das Bier zu brauen verstanden und den Deutschen diese Kunst gelehrt habe.[50]«
Dieser edle König Gambrivius oder Gambrinus hat weder gelebt, noch den Deutschen das Bierbrauen gelehrt. Sein Name ist eine[45] Verballhornung von Jan Primus, was übrigens nicht, wie vielfach angenommen wird, erst durch neuere Forschungen erwiesen wurde, sondern schon Hans Sachs bekannt war. Eines seiner Gedichte:
beginnt:
Von diesem Jan Primus, Jan I., Herzog von Brabant, geboren 1251, erzählt die Überlieferung, wie er ein gar ritterlicher Herr und Bürgerfreund gewesen, der sich auch als Minnesänger in französischer und vlämischer Sprache hervorgetan und als Held 1292 in einem Turnier zu Bar zu Tode getroffen wurde. Mit der Bierbrauerei wurde er durch einen Zufall in Verbindung gebracht. Er war wegen seiner Leutseligkeit ein sehr volkstümlicher und allbeliebter Fürst und so kam es, daß ihm außer anderweitigen Ehrungen auch die Ehrenmitgliedschaft der Brüsseler Brauereigilde angeboten wurde. Herzog Jan nahm diese Auszeichnung auch dankbar an, was ihm in Anbetracht jener ritterstolzen Zeit besonders hoch angerechnet werden muß. Die Brauer von Brüssel aber waren über diese Gnade und Huld ihres Fürsten hoch entzückt und gaben ihrer Dankbarkeit[46] dadurch beredten Ausdruck, daß sie das Bild ihres volksfreundlichen Fürsten in ihrem Gildenhause öffentlich aushängten. Daß man dem Herzog im Bilde den schäumenden Becher in die Hand gab, war natürlich; wollten doch die Bierbrauer nicht allein den Fürsten, sondern zugleich auch ihr Gewerbe ehren!
Später, als der brave Jan samt seinem Geschlecht längst im Grabe ruhte und der Schleier der Jahre sich über die Vergangenheit und ihre Ereignisse breitete, entstand aus »Jan Primus« »Gambrinus«; zugleich gab der etwas ungewöhnliche Standort des Bildes im Gildenhause, sowie der Umstand, daß auf ihm der schäumende Bierkrug sichtbar war, einem phantasievollen Kopf Veranlassung, dem farbigen Jan Primus alias Gambrinus die Biererfindung anzuhängen, eine Sage, die sich im Volksmund fortpflanzte und schnell allgemeinen Anklang fand. Doch halten wir ihn in Ehren, den wackeren Gambrinus, wenngleich er ebensowenig das Bier, wie etwa das Pulver erfunden hat; war er doch ein ritterlicher Herr und minniglicher Sänger, ein kräftiger Streiter und besonders, was ihm die Bierbrauer nicht vergessen werden – ein fröhlicher Zecher.[51]
»Jedenfalls war Gambrinus nicht bloß einst der mächtigste König der ganzen Welt, denn seine Herrschaft geht heute noch von Aufgang bis Niedergang, kein König hat ein[47] größeres Reich, keiner zählt mehr Untertanen; er wird von den Studenten noch heute ceremoniell canonisiert, ihm zu Ehren stiftete man Orden, Feste und Feiertage, sein Name ist unsterblich, seine Erfindung unvergänglich!«[52]
Von Gambrinus sind zahllose Bilder, natürlich alle aus späterer Zeit erhalten, deren ältestes wohl das in Aventins Baierischer Chronik (Frankfurt a. M. 1580) enthaltene sein dürfte. In römischer Rittertracht, den einen Arm eingestemmt, hält der Brabanter in der Hand einen Helm mit einer Krone. Auf dem Haupt trägt er einen Ährenkranz. Links mähen Bauern Korn, rechts wird eine große Biertonne gewälzt. Der Hauptunterschied zwischen diesem ältesten und den späteren Darstellungen besteht in der dem Gambrinus zugewiesenen Kleidung, denn fast alle diese bilden ihn in einem nur leise an die vlämische Rittertracht erinnerndem Phantasiekostüm, in der Hand den Pokal voll schäumenden Bieres ab. Unter dem ältesten Bild befinden sich folgende Verse, die der Geschichtsschreiber des Bieres, Dr. Grässe, dem Herausgeber der Aventinschen Chronik, Nicolaus Cisner, zuschreibt.
Natürlich fehlte es auch dem Biere nicht an Feinden; denn wo die Menschen an etwas Freuden haben, finden sich sofort die Nörgler ein, die alles aufbieten, mit ihrem Geifer diese Freude zu vergällen. Im ersten Jahrtausend nach Christi Geburt predigte schon der verbissene Preußenapostel, der heilige Adalbert, gegen das Bier; 1039 verhängte Bischof Severus den Bann über alle Bierwirte und so geht es weiter. Ein Scribent, der 1515 in Erfurt ein Büchlein »De generibus obriosorum et ebrietate vitanda« herausgab, schreibt, daß in Polen, Rußland, Lithauen, Lievland, Masovien, Preußen, Pommern, Rügen, Stettin und der Mark Brandenburg das Bier Eingang gefunden hätte, besonders aber in Sachsen. »In diesen Gegenden[49] wächst, wie gesagt, kein Wein, es wird aber trotzdem recht guter eingeführter getrunken; aber das Bier herrscht vor, eine dicke, dem menschlichen Körper schädliche Flüssigkeit, die, wie man wohl glauben darf, ein böser Geist zum Verderben der Menschheit erfunden, um mit diesem verderblichen Gift die meisten hellen Verstandeskräfte zu vernichten.«[55]
Den bayerischen Bierfanatiker dürfte die Nachricht interessieren, daß in ganz Süddeutschland, sowie auch in Bayern im Mittelalter das Bier außer Gebrauch gekommen war. Die jüngste Vergangenheit vermochte erst wieder durch die vervollkommneten Bereitungsarten und die dadurch bedingte Wohlfeilheit dem Bier die allgemeine Volksgunst wieder zu erringen. So berichtet Johannes Boëmus: »Das Volk in Franken unterscheidet sich in nichts, weder in Kleidung noch Gestalt von den übrigen Deutschen, ist ausdauernd und fleißig; beim Bestellen der Weinberge arbeiten Männer wie Weiber, keinem wird Ruhe gegönnt. Den Wein, den sie ernten, verkaufen sie ihrer Armut halber gewöhnlich und trinken Wasser. Das Bier verachten sie und lassen es nicht leicht bei sich einführen. In Würzburg wird es nur zur Fastenzeit und zwar außerhalb der Stadt auf Schiffen verkauft, damit die, welche sich des Weines enthalten, es statt Wasser haben können.«
Die beiden Hauptsorten der Vorzeit bildeten[50] Gersten- und Weizenbier, die beide ihre Freunde und Gegner hatten. So zog Albrecht von Wallenstein, Herzog von Friedland, das Weizenbier jeder anderen Sorte vor. In einem Brief vom 2. Juli 1628 an den Feldmarschall Arnim vor Stralsund schrieb er: »Dieweil ich das Gerstenpier nicht trinken kann, bitt, der Herr thu die Anordnung, auf daß von Barth auf Anklam vor mich Weinzenpier gebracht wird.«
Das haltbare Lagerbier, das seitdem Weltruf gewonnen hat, braut man in Deutschland seit dem dreizehnten Jahrhundert. Von allen Sorten gelang es zuerst dem märkischen Lagerbier, sich einen Namen zu machen, den ihr aber bald die Stadt Zittau in Sachsen streitig machte.
Zittau besaß 1390 die größte aller deutschen Brauereien. In ihrem Kupferkessel konnten zehn Eimer Bier auf einmal gesotten werden. Dieses Zittauer Bier brachte großen Wohlstand nach seinem Ursprungsort und war sogar einmal die Ursache eines wirklichen Krieges, eines Bierkrieges, wie sie im Mittelalter keineswegs selten waren. Da dieser Krieg länger währte als sonst die Bierfehden, und sein Verlauf typisch für alle derartigen blutigen Zänkereien war, so will ich ihn hier etwas ausführlicher behandeln. Bereits in der Maßordnung König Ottokars von Böhmen von 1270 geschieht des Zittauer Bräues Erwähnung und im vierzehnten Jahrhundert[51] regelten schon Verordnungen die Art des Brauens und die Biersorten in Weizen- oder Tränkebier und in Gerste- oder Lagerbier.
Der große Absatz des Zittauer Bieres wurde wesentlich durch die Vorzüglichkeit des Gebräues bedingt, weshalb es auch in anderen Städten eingeführt ward; dazu kam noch, daß der Bierzwang dieser Stadt sich auf eine sehr große Fläche erstreckte, mithin viele Nichtzittauer genötigt waren, ihren Bedarf aus Zittau zu beziehen. Die Trefflichkeit des Zittauer Bieres war überdies weit und breit anerkannt. So gab z. B. König Wenzel IV. den Pragern im Jahre 1385 die Erlaubnis, Zittauer Bier einzuführen, und im Jahre 1390 untersagte zwar der Rat zu Prag die Einfuhr fremder Biere, nahm jedoch Zittauer und Schweidnitzer Bier von dem Verbote aus. Daher mußte es auch kommen, daß die benachbarten Görlitzer, die zwar selbst ein recht trinkbares Bier brauten, sich gern an einem Glase Zittauer gütlich taten. Das machte die guten Zittauer übermütig, so daß sie sich schließlich das Recht zusprachen, ihr Bier nach jeden beliebigen Ort ungehindert versenden zu dürfen, ohne jedoch den anderen Städten ein gleiches Recht in Bezug auf sich selbst einzuräumen; ja, ihre Dreistigkeit ging am Ende so weit, daß sie den Bierbann anderer Städte durchaus nicht mehr respektierten, sondern diese zur[52] Abnahme ihres Bieres zwingen zu können vermeinten. Infolge dieser eigentümlichen Rechtsbegriffe sollte jener merkwürdige Zwist entstehen, welchen die Spezialgeschichte als »die Görlitz-Zittauer Bierfehde« kennt.
Die Stadt Görlitz trieb nämlich damals ebenfalls ein recht einträgliches Biergeschäft, sah sich aber häufig erheblich beeinträchtigt durch die rücksichtslose Handlungsweise der Zittauer, welche ungeniert ihr Bier über die Görlitzer Grenze brachten, trotzdem dies schon oftmals Anstoß zu ärgerlichen Reibereien gegeben hatte. Der Rat der Stadt Görlitz wollte aber jeden ernsthaften Streit gern vermeiden, wenn es nur irgend anginge; er erließ deshalb im Jahre 1490, als die Zittauer abermals einen großen Transport Bier in das Görlitzer Weichbild einführten, einen Warnungsbrief an die Störenfriede. Das machte aber nicht den geringsten Eindruck, man antwortete nur mit Drohungen. Solcher Frechheit gegenüber blieb den Görlitzern nichts anderes übrig, als sich in einem Beschwerdeschreiben an den Kaiser Matthias zu wenden, ihm den ihnen zugefügten Schaden zu klagen und um ernstliche Abhilfe dieser Ungebühr zu bitten. Der Kaiser schenkte auch den Bittstellern Gehör, und verbot zwar nicht den Privatgebrauch des Zittauer Bieres, erteilte aber von seiner Residenz Ofen in Ungarn aus den Befehl: »daß hinfüro Niemand das Recht fremdes Bier zu schenken, anderthalb[53] Meilen ringsum Görlitz zu rechnen, führen solle, widrigenfalls die Görlitzer die Dawiderhandelnden als Verbrecher ansehen, nach Gelegenheit der Sachen strafen und das Bier wegnehmen möchten.« Ebenso schrieb der Landvoigt Wartenberg auf Teschen, an den sich die beleidigten Görlitzer gleichfalls gewendet hatten: »er habe den Zittauern befohlen, die Sache nicht weiter zu treiben.« – Schon längst hatte die Görlitzer Jugend eine Gelegenheit gesucht, sich an den Zittauern und deren Anhängern zu rächen; auf Grund der kaiserlichen Weisung nun begab sie sich an diejenigen Orte, wo, ihrer Meinung nach, heimlich Zittauer Bier verschenkt wurde, und zerschlug dort sämtliche Gefäße. Zwar wollte jetzt der böhmische König Wladislaw vermittelnd einschreiten, allein keine Partei hörte auf ihn. Die Zittauer sandten, uneingedenk des kaiserlichen Verbotes, abermals eine große Ladung Bier in das Görlitzer Weichbild und die Görlitzer schickten ihnen eine Anzahl Bewaffneter entgegen, welche zwischen Ostritz und Hirschfelde, im sogenannten Busch, auf die Zittauer einhieben, sich des Bieres bemächtigten, sämtlichen Fässern Spund und Boden ausschlugen und den ganzen Inhalt auslaufen ließen. Seitdem heißt noch heute der Schauplatz dieser Heldentat die »Bierpfütze«.
Höchst gekränkt über dieses Verfahren, obschon sie selbst es einzig und allein verschuldet[54] hatten, sannen die Zittauer auf Rache. Sie rüsteten sich also, baten mehrere ihnen befreundete Edelleute um Beistand und sandten den Görlitzern den Fehdebrief zu. Wider alles Völkerrecht aber zogen sie zugleich mit dem Boten kriegerisch aus und nahmen auf vielen Görlitzer Besitzungen Vieh und andere Wertgegenstände weg, so daß, noch ehe der Abgesandte Görlitz wieder verlassen hatte, schon ein Bauer aus der Umgebung mit der Schreckensnachricht in der Stadt eintraf, die Zittauer wären unverhofft ins Görlitzer Gebiet eingefallen, hätten die Bauern geprügelt, die Häuser geplündert, fünfundzwanzig Stück Pferde, sowie für drei Schock Groschen Frucht, für einen Schock Rinder und für sechs Schock Schweine außer dem baren Gelde und anderen Sachen geraubt und auch einige Gefangene mit hinweggeführt. Damit hatten die grimmen Zittauer indes ihre Rache noch nicht gekühlt. Von dem plumpen Handstreiche ermutigt, fielen sie nach drei Tagen zum zweiten Male unverhofft von Böhmen aus auf Görlitzer Grund und Boden ein, raubten abermals eine Menge von Kühen und Schafen und schleppten ihre Beute nach Zittau. Der dadurch verursachte Schaden wurde auf die für damalige Zeit sehr bedeutende Summe von sechsundsiebzig Talern veranschlagt. Jetzt endlich riß den Görlitzern die Geduld. Die Sturmglocke wurde geläutet, die kriegsfähige Mannschaft[55] bewaffnet und ins Feld geführt. Leider aber kam man zu spät, die Zittauer waren längst über alle Berge. Die schneidigen Gesellen hatten noch das Hohnwort hinterlassen: »Die Görlitzer möchten sich ihre Kühe auf dem Zittauer Marktplatz wieder holen!«
Obgleich nun Görlitz mächtig genug war, seinen Gegnern die Spitze zu bieten, und die angetane Unbill rächen zu können, so beschloß der Rat dennoch, alle Feindseligkeiten zu vermeiden. Man begnügte sich also damit, Köslitz und die Weinberge bei Görlitz mit zweitausend Mann zu besetzen und an den Hauptmann zu Bautzen, sowie an den Landvoigt der Oberlausitz, Sigismund von Wartemberg, zu schreiben und um Schutz zu bitten. Dieser wurde den Görlitzern auch insofern gewährt, als der Rat nach Bautzen bestellt und von dem Voigt ein Richterspruch erlassen wurde: »Daß die Görlitzer zwar den Zittauern nicht wehren sollten, ihr Bier an ihre frühere Kundschaft zu versenden, daß die letzteren sich aber fürderhin jeder Feindseligkeit enthalten, allen verursachten Schaden ersetzen und die Gefangenen ohne Lösegeld freilassen sollten. Im Weigerungsfalle würde ihnen eine Geldbuße von sechstausend ungarischen Gulden, deren eine Hälfte die königliche Kammer, die andere aber dem beleidigten Teil zufiele, auferlegt werden.« Nach Publikation dieses Urteils zogen die Görlitzer ihre zweitausend Mann,[56] nebst dem auf vierhundert Wagen liegenden Kriegszeug, Donnerbüchsen, Feldschlangen und Haken in die Stadt zurück.
Die Zittauer widersetzten sich jedoch auch diesem Richterspruche, so daß ein weitläufiger Prozeß daraus entstand, welcher von beiden Parteien in Prag geführt wurde. Ja, sogar der heilige Vater in Rom, dem die ganze Sache doch gewiß fern genug lag, wurde schließlich noch in diese Bierangelegenheit verwickelt und erließ eine Bulle gegen die Zittauer, weil der Pfarrer eines von diesen geplünderten Görlitzer Dorfes sich wegen der auch ihm widerfahrenen Beraubung an den Papst gewendet und um Beistand gebeten hatte. – Erst im Jahre 1497 wurde der Prozeß endlich vom Könige dahin entschieden, daß die Stadt Zittau zur sofortigen Zahlung einer bedeutenden Geldsumme verurteilt und die gerade in Prag anwesenden Abgesandten des Zittauer Rates als Bürgen für die Erfüllung dieser Verpflichtung gefänglich eingezogen wurden. Allein auch diese Maßregel scheiterte an der Hartnäckigkeit der Zittauer, welche in höchster Erbitterung sich standhaft weigerten, die ihnen diktierte Strafsumme zu erlegen. Nur, nachdem sich schließlich noch die Städte Bautzen, Kamenz, Lauban und Löbau, welche mit Zittau und Görlitz schon von Alters her einen sogenannten »Sechsstädtebund« geschlossen hatten, vermittelnd in die Angelegenheit[57] mischten, gelangte diese, in ihrer Art wohl einzig dastehende Begebenheit zu einem Abschluß und der Bierkrieg zu seinem Ende. – Noch heutigen Tages soll man in Zittau im Tellerschen Bierhofe in der Neustadt, zum ewigen Wahrzeichen dieser Fehde, eine steinerne Abbildung in der Wand sehen, welche sich auf den Raub der Kühe bezieht.
Die Rauflust und Händelsucht der Zittauer war zwar durch diesen Streit auf einige Zeit, aber durchaus nicht für immer befriedigt, denn im Jahre 1530 zogen an die 400 Mann Reisige zu Fuß und Roß nach Eibau, welches zwar im Weichbilde von Zittau lag, aber einem Herrn von Schleinitz gehörte, und zerschlugen dem dortigen Richter ein Faß Laubaner Bier, trotzdem die Stadt Lauban von Alters her mit Zittau verbündet war. – Auch im Jahre 1628 gaben sie einen neuen Beweis ihrer Bierwut, denn als im genannten Jahre ein Herr von Tschirnhaus als Verbannter mit Hab und Gut und Familie nach Zittau zog und sich sechs Fässer eigens gebrauten Bieres mitbrachte, da schossen die Zittauer von weitem Löcher in die Fässer, so daß sein Bier auslaufen mußte. Auf diese Weise trieben es die Lausitzer Raufbolde noch unterschiedliche Male, bis ihnen endlich, nachdem im Laufe der Zeit das Monopol- und Zunftwesen eine größere Beschränkung erlitten hatte, das Handwerk gelegt und der Bierbann aufgehoben wurde.
Auf einen märkischen Bierkrieg mit ungleich tragischerem Ausgang werde ich später noch zurückkommen, hier sei nur noch des Breslauer Bierskandals gedacht, der 1381 zwischen dem Rat und dem Domkapitel wegen Einführung des Schweidnitzer Bieres entbrannte.
Ein Vorrecht des Breslauer Stadtkelleramtes war es nämlich, fremde Biere in die Stadt einzuführen und zu verkaufen. Die Domgeistlichkeit setzte sich über dieses Privilegium hinweg und bezog gleichfalls fremde Biere, die sie teils selbst verbrauchte, teils in ihren Bierstuben sogar billiger verabreichte, als der Ratskeller, wodurch diesem bedeutender Abbruch getan wurde. Da ging endlich dem Rat die Geduld aus und er verbot den Fuhrherrn der Stadt, der Geistlichkeit überhaupt Bier zuzuführen. Wenn auch murrend, fügten sich diese der Anordnung.
Da sandte um die Weihnachtzeit des Jahres 1380 der Herzog Ruprecht von Liegnitz seinem Bruder Heinrich, damals Domdechant in Breslau, ein Fäßchen Schweidnitzer zum Geschenk. Ein hoher und ehrsamer Rat aber setzte den Fuhrmann, in damals beliebter rascher Justiz, ins Gefängnis und legte Beschlag auf das Bier. Darob ergrimmten die in ihren edelsten Gefühlen verletzten Domherren, denn wenn es sich um Essen und Trinken oder um Geld handelte, verstanden sie keinen Spaß; sie fuhren gleich[59] das schwerste Geschütz auf und taten die Stadt in den Bann. Da kam König Wenzeslaus nach Breslau, um sich huldigen zu lassen. Er versuchte zwischen den beiden Kampfhähnen zu vermitteln, und da sich das Domkapitel nicht fügen wollte, gab er dessen Wohnstätten auf dem Dom der Plünderung preis und duldete, wie seine Mannschaften die Geistlichkeit dadurch verspotteten, daß sie zum Gaudium des Pöbels in geistlichen Gewändern durch die Straßen zogen. Auch die Einnahmen der Kirche belegte der König mit Beschlag, bis das Domkapitel zu Kreuze kroch, den Bann von der Stadt nahm, die versprechen mußte, die ihr von dem Kapitel zugefügten Unbilden zu vergessen. Die »Pfaffen« hingegen durften hinfort kein fremdes Bier an die Bürger mehr verkaufen, und nur ihren eigenen Bedarf von außerhalb decken.[56]
Eine andere Bierfehde zwischen Herrschaft und Bürgerschaft von böhmisch Kamnitz endete nach vierzigjähriger Dauer im Jahre 1795 mit dem Siege der Bürgerschaft.
Neben dem Zittauer Bier kannte die Vorzeit eine beträchtliche Anzahl von Sorten, die sich weiter Verbreitung erfreuten. Einige der hervorragendsten dieser Biere seien im nachfolgenden namhaft gemacht.
So besonders das einst vielgepriesene Eimbecker, aus dem dereinstigen[60] Hauptorte des Fürstentums Grubenhagen, der Ahne des bayerischen, besonders des Bockbieres – Ein-beck, Ein-bock – von dem Murner sagt:
von dem sogar der reiche, stark verwöhnte Finanzmann Tucher 1508 ein Fäßchen als hochwillkommenes Geschenk entgegennahm.[58] Als Luther das Verhör auf dem Wormser Reichstag glücklich überstanden hatte, sandte Herzog Erich von Braunschweig, um dem erschöpften Mann seine Teilnahme zu bezeugen, eine Flasche Einbecker.
Von dem Zerbster Bitterbier schrieb gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts der gelehrte Rektor Johannes Hübner: »Die Bürger brauen ein herrliches und gesundes Bier, welches bis nach Hamburg verführt wird. Wenn im Herbst das Brauen angeht, so wird in den Kirchen eine besondere Lobrede davon gehalten, wobey erstlich die Litaney und zuletzte auch das Tedeum gesungen wird, woraus man schließen kann, daß den guten Einwohnern gar viel an ihrer Braunahrung gelegen ist« – denn:
Croßner Bier, »welches einzig und allein auf dem dasigen Schloß gebrauet wird,[61] und gleichwohl in der nahegelegenen Stadt niemals so gut gebrauet werden kann, sondern dieses letztere fällt allemal nicht nur anders, sondern auch viel schlechter aus.« Dieses Croßner »Urquell« behielt seinen Ruf bis zum Beginn des neunzehnten Jahrhunderts.
Das ölige, schwarze Erfurter Bier, der Luntsch, begeisterte den mäßigen, greisen Rudolf von Habsburg, daß er mit dem Kruge in der Hand auf die Straße lief und rief: »Wohl in, wohl in! eye gut Bier dat hat Herr Sigfrid von Bustede ufgetan.«
steht an einer Wand des Münchener Ratskellers. Andererseits wird in einer von Wattenbach im Anzeiger für die Kunde deutscher Vorzeit mitgeteilten Handschrift[59] das Erfurter Bier sehr abfällig kritisiert.
Von ihrem alten Ruhme zehrt noch heute die würzreiche starke Braunschweiger Mumme, die anno 1487 der Brauherr Christian Mumme erfunden haben soll.
Von ihr schreibt Krünitz im fünften Teil seiner Encyklopädie: »Mumme … wird für den König der Biere in Deutschland gehalten. Es ist ein starkes Hopfenbier, welches zuerst von einem, Nahmens Mumme,[62] davon es nachgehens auch den Nahmen bekommen, in einem nahe an dem alten Petersthor in Braunschweig gelegenen Hause gebrauet worden; wie denn, zum Andenken dessen, an selbigem Hause eine ausgehauene Statur eines Mannes, der ein Glas in der Hand hält, zu sehen ist. Weil nun dieses neue Bier gut befunden worden, hat es der Erfinder gewagt, und davon einen Theil über See gesendet, und endlich wirklich einen Handel damit nach England und Holland angeleget, daher er auch ein Rückgrat von einem Walfische, zum Wahrzeichen dieser seiner Reisen, an sein Haus hängen lassen.«
Man braute die zum Export bestimmte Schiffs-Mumme, die Stadt-Mumme, »die bald weggetrunken zu werden pflegt«, für den Stadtbedarf, und das Erntebier, das an die Bauern verkauft wurde.
Im Breslauer Ratskeller, der als Schweidnitzer Keller Weltruf genießt, wurden im sechzehnten Jahrhundert verabfolgt: Goldberger, Striegauer, Croßner, Zerbster, Warschauer, Merseburger und Mannheimer, daneben natürlich auch das altbekannte Breslauer Stadtbier, der Scheps, von dem es hieß:
Mehr als lokale Berühmtheit genossen die Biersorten: das Barthische aus[63] Pommern, das Danziger Junkerbier und das Jopenbier, das Brandenburger Altenklaus, das Lübecker Israel, der Marburger Junker, die Bautzener Klotzmilch, der Hallische Cuff, der Nymweger Moll, den Magdeburger Filz, den Johannes Fischart wiederholt erwähnt; dann das »Kotzborgense« der Epistolae virorum obscurorum, das aus Kötzschenbroda kam, das Naumburger, das als gesund geltende Bier von Belgern – Belgerana est omnibus sana – und das Pasenel aus Pasewalk.[61] Das heute so überaus geschätzte Münchener hat ein verhältnismäßig geringes Alter. Wohl besaß schon Ludwig der Strenge (1255–1294) in München ein Brauhaus, den Ahnen des heutigen Hofbräuhauses, das aber nur ein schweres braunes Gerstenbier erzeugte. Erst als im sechzehnten Jahrhundert helles Weizenbier aus Böhmen nach München kam, lernte man ein Mittelding zwischen dem einstigen dunklen und dem böhmischen hellen Bier, sogenanntes braunes Bier herstellen, das zu gut war, um dem Volke zu Gute zu kommen, daher ursprünglich nur für den Hof bestimmt war. Erst vom Jahre 1610 ab trieb man mit dem Erzeugnis des Hofbräuhauses Handel, der den Hofsäckel füllte und den Ruf des Münchener Bieres für alle Zeiten sicherte. Das Münchener Salvator-Bier (Sankt-Vaterbier) datiert aus dem Jahre[64] 1651, die bayerische Staatsbrauerei »Zum Weihenstephan« schon von dem Jahre 1146.
Doch alle diese Sorten, was waren sie gegen die Krone aller mittelalterlichen Biere, dem herrlichsten von allen, dem Bräuhahn, auch Broyhahn, Brühan oder Breyhan genannt. Die Vorzüge jedes einzelnen Bieres vereinigten sich beim Bräuhahn zu einem Bukett:
d. h. bei einem Himmelsmahle tat Jupiter seine Mitgötter mit Bräuhahn bewirten. Der Bräuhahn war der Inbegriff alles Vollkommenen, ja geradezu der Gattungsname für das beste Bier. Wie so viele andere die Menschheit »beglückende« Erfindungen verdankt auch das Bräuhahn dem Zufall sein Vorhandensein.
Cord Broyhan, ein Bierbrauergeselle aus Stöcken im Hannoverschen, hatte auf seiner Wanderschaft auch eine Zeitlang in Hamburg gearbeitet, wo er sich bemühte das Geheimnis der Zusammenstellung des berühmten weißbierartigen Stadtrunkes zu ergründen. 1526 in seine Heimat zurückgekehrt und Meister geworden, suchte er seine Mitbürger durch eine genaue Nachahmung des Hamburger zu überraschen. Das Gebräu mißriet – es wurde kein Hamburger, sondern ein süßlich-säuerlich erfrischendes Weißbier, das mit Begeisterung[65] aufgenommen, den Namen seines Erfinders zu einem vergötterten machte, dessen Glanz erst mit dem hinsterbenden Mittelalter verblaßte. Das Bräuhahn war dem Trinker zu sehr ans Herz gewachsen, als daß er es nicht mit einem Sagenkranze umgeben hätte; die bekannteste unter diesen Bräuhahnsagen ist die – eben mitgeteilte über seinen Erfinder. Das Bräuhahn war entgegen den heutigen Weißbiersorten gehaltreich und kräftig. Der »hessische Orden der Mäßigkeit«, ein Temperenzlerverein von Landgraf Moriz im Jahre 1660 begründet, verbot in § 7 seiner Statuten die Ordensbecher »mit gebrannten, welschen, spanischen oder anderen starken gewürzten Weinen – Hamburger Bier und Brauhahn mit eingerechnet –« zu füllen. Der Ruf des echten Bräuhahns rief eine große Anzahl von ähnlichen Bieren ins Leben, die unter dem gleichen Namen ausgeschenkt wurden. Über Leipziger Gebräu klagt Christian Weise 1668 in seinen »Überflüssigen Gedanken der grünenden Jugend«:
Diesem Leipziger Rastrum oder Raster, bei Fischart »leipzisch Becherrastrum« benannte Gebräu war bekanntlich Luther nicht abgeneigt.
Von anderen Biersorten nennt Weise noch:
Von all diesen edlen Marken hat sich nur die Gose, der Nationaltrank von »Klein-Paris«, erhalten.
Die Gose, eine Spezialität Goslars, wurde dort bereits 1073 zur Zeit Kaiser Heinrichs IV. von den in der Harzburg eingeschlossenen kaiserlichen Völkern getrunken. Auch Harzburg, Quedlinburg und andere Harzstädte sotten Gose, die seit dem achtzehnten Jahrhundert auch in den Leipziger Vorstädten Döllnitz und Eutritzsch gebraut wird, wo sie der Sage nach von dem alten Dessauer 1738 eingeführt worden sein soll.
Selbst die kürzeste Geschichte des Bieres wäre lückenhaft, wenn nicht in ihr der deutschen Biermetropole und ihres dunklen Labetrunkes, des Bockbieres gedacht würde. Wie dieses Bier zu seinem Namen kam erzählt Schranka nach dem Münchener Stadtbuch von Joh. Meyer wie folgt, wobei aber bemerkt sei, daß noch eine Unzahl anderer Versionen existieren:
»Und es saßen einst Herzog Christoph, genannt der Kämpfer und sein Bruder Albrecht II. im Bankettsaal ihrer Hofburg und zechten. In ihrer Gesellschaft befand sich auch ein Braunschweiger Ritter, der als Gesandter am bairischen Hofe weilte. Diesem setzten die Fürsten einen tüchtigen Humpen guten, echten Braunbieres aus dem herzoglichen Hofbräuhaus in München zum Frühtrunk vor; der Ritter tat einen guten Zug;[67] aber bald setzte er den Humpen ab und legte seinen Mund in saure Falten. Er lästert, es sei gar kein Bier, sondern ein brauner Essig. Ja, er vermaß sich zu behaupten, er wolle den bairischen Herzögen einen Trunk senden, den man in der Stadt Einbeck braue, den aber kein bairischer Brauer, selbst der Braumeister des Hofbräuhauses nicht, nachzumachen im stande sein würde. Darob ergrimmten die beiden Herzöge, namentlich Christoph der Kämpfer, der Urbayer, höchlichst! Sofort ließen sie den Hofbraumeister heraufkommen und Herzog Christian fuhr ihn gar ungnädig an: »Du loser Schalk! Haben wir dich deshalb immer gnädig gehalten und sind mit dir nie karg verfahren, daß du uns lässest hier zu Schanden werden, also daß sie sagen, wir setzten ihnen eitel braunen Essig vor, statt Bier?« –
Da wollte sich der Braumeister verdefendieren, allein der Braunschweiger lachte und sprach: »Laß es gut sein, du magst in deiner Kunst sehr erfahren, aber nie wirst du im stande sein, ein Bier zu brauen, wie es hier zu Lande nicht not, denn wenn ihr mit dem zufrieden seid, dann verlangt ihr nicht nach besserem.«
Da geriet das leicht entzündliche bairische Blut in jähen Zorn und der Braumeister rief mit lauter Stimme: »So möge ein Gewett entscheiden! So ihr, wie man sagt, in Jahresfrist wieder nach München kommt, so bringt[68] ein Faß eures Bieres anher und ich will ein Faß sieden, so dem von euch wohl obsiegen soll oder ich will der schlechteste Meister sein und Ihro Gnaden sollen mich auf einem Esel verkehrt aus der Stadt ausreiten, auch alle meine Habe zu eurem Gunsten verlustig werden lassen.«
Da lachte der Braunschweiger noch mehr und setzte zweihundert Gulden als Gewett dagegen. Die Herzöge verbürgten sich für ihren Braumeister; der Bürgermeister Balthasar Riedler und Herzog Christophs Hofmeister, Christoph von Carzberg, aber für den Braunschweiger.
Ein Jahr war bald herum und endlich kam auch der Tag der Entscheidung; es war der 1. Mai.
Der Braunschweiger war schon zwei Tage vorher mit einem mächtigen Faß Einbecker, das gar lieblich mit Tannenreis geziert war, in München erschienen und hatte das Bier, damit es ausruhe, im fürstlichen Keller und eigener Bewachung verwahrt. Am 1. Mai beriefen die Herzöge die Bürger und Kämpfer zusammen. Viele von der Ritterschaft und auch der hohe Rat der Stadt München wurden geladen. Im Hof der herzoglichen Burg waren Galerien aufgeschlagen und schön mit bunten Teppichen, Tannenbäumen und Kränzen geschmückt. Hier nahmen die edlen Fräulein Platz, das seltene Gewettspiel mit anzusehen. Da um 9 Uhr früh traten[69] die Kämpfer in den Kreis und gelobten ihre Wette ehrlich und ohne Falsch auszufechten. Darauf wurden die Bürger ihres Eides entlastet.
Und es flogen die ehernen Krahnen in die Bäuche der Fässer und das edle Naß ergoß sich schäumend in die Humpen. Diesmal verzog der Braunschweiger das Gesicht nicht, aber er meinte geringschätzig: »Das mag wohl ein guter Trunk sein, aber nur für eure Weibchen, denn Kraft ist keine mehr darinnen.« – »So, meint Ihr, gnädiger Herr?« entgegnete siegesbewußt der Braumeister. Und er befahl einem Brauknecht zwei Humpen herbeizubringen, von denen jeder 2½ Maß Bairisch hielt. Beide Riesengefäße wurden aus den Fässern bis zum Rande gefüllt.
»Gesegn' Euch Gott den Trunk« und reichte ihm den Humpen, "ich will den Euern auf Euer Gnaden Wohl leeren! Und wer nach einer halben Stunde noch auf einem Beine stehend einen Zwirnsfaden einfädeln kann, der hat die Wette gewonnen.«
Das war dem Herren von Einbeck recht und der Strauß begann.
Beide Kämpfer setzten an und leerten ihre Humpen bis auf die Nagelprobe. Nun ging die Bergpflegerin auf ihre Stube, in der sich ein Gaislein befand, von dessen Milch der Pflegerin krankes Mägdelein trinken mußte, um Nadel und Zwirnsfaden zu holen.
Als sie heraustrat, entwischte das Gaislein und sprang in den Hof, gerade als sich die beiden Kämpfer auf ein Bein stellten. Der Braumeister hatte seine Nadel schon längst eingefädelt, als der Ritter seine Nadel schon zum dritten Mal hatte fallen lassen. Plötzlich torkelte er um und kugelte unter vergeblicher Anstrengung, sich wieder auf die Beine zu stellen, am Boden herum.
»Ei, edler Herr«, lachte der Braumeister, »was ficht Euch an, daß ihr Euch auf dem Boden herumwalzt?«
Da lallte der Ritter mit schwerer Zunge: »Der Bock da hat mich umgestoßen!«
»O nein«, lachte Herzog Christoph vergnügt ob des Sieges seines Braumeisters. Dieser aber meinte: »Der Bock, der Euch umgestoßen hat, den hab ich Euch gesotten.«
Das war ein Jubel im Burghof; bis in die Pfistenergasse und zum »Platzl« drang die Kunde vom Braumeister, der einen Bock gesotten, der den Braunschweiger in den Sand gestreckt …«[66]
Zum Andenken an jenes große vaterländische Ereignis wurde im Frühjahr nur ausschließlich im Hofbräuhaus das starke süße Bier gebraut, das noch bis in die spätesten Jahrhunderte hinein »Bock« genannt wurde.
Überdies kannte man noch, je nach der Gelegenheit, bei der es aufgetragen wurde: Brommel-Bier, von unverehelichten Meistern als Strafe gegeben, Ernte- und[71] Wadelbier, letzteres bei der Roggenernte, Gesellen-, Hochzeit-, Kindel- oder Kindstauf-, Kirms-, Meister-, Oster-, Pfingst-, Schiffs-Bier usw. Nonenbier (Cerevisia nonalis), das den Mönchen um die neunte Stunde, nona, verabreicht wurde; Tröstelbier, das beim Trauerschmaus vertilgt wurde, Schlußbier, bei Beendigung der Bauten getrunken, »Schlichtbier, in einigen Gegenden, bei den Wandkleibern, Lehmklechsern, eine Ergötzlichkeit an Bier, die sie erhalten, wenn sie eine eingekleibte, mit Lehm beworfene Wand, schlichten, das ist, glatt streichen.«
Ohne sein »Bräu« vermag kein ordentlicher Baier sich seines Lebens zu freuen. Gerne verzichtet er auf gewisse Annehmlichkeiten des Daseins, wenn sie mit dem Verlust seines Leib- und Magentrankes verknüpft sind. Allerdings treibt es kaum ein Baier so weit, wie jener Liebhaber des Steinauer Bieres, von dem Schickfuß in seiner Schlesischen Chronik erzählt:
»Der buckelichte Herzog Köberlein oder Conrad IV., Herzog zu Steinau, und Propst zu Breßlau im Thum, welcher im Jahre 1303 zum Erzbischoff zu Salzburg erwählet wurde, liebte es vorzüglich. Als er nun dahin reisete, und unterwegs das mitgenommene Steinauer Bier verzehrt hatte, er aber hörete, daß zu Salzburg wohl herrliche Weine, aber kein Steinauer Bier zu haben wäre, resolvirte er sich, lieber die Erzbischöfliche Inful, als[72] das Steinauer Bier zu verlieren, und zog also wieder nach Steinau.«
Durch die zahllosen Biersorten, die Deutschland überschwemmten, und die alle verschieden gebraut und auf andere Art behandelt werden mußten, gewann die Bierbrauerei einen Umfang, der sich nun nicht mehr durch die Praxis allein bewältigen ließ, sondern auch theoretische Studien verlangte. Darum erschien bereits 1575 zu Erfurt das erste Buch über die Braukunst unter dem Titel: »Fünff Bücher von der Göttlichen und Edlen Gabe der philosophischen, hochthewren und wunderbaren Kunst, Bier zu brauen. Durch Henrikum Knaustium, beyder Rechten Doktoren«, dem sich im Laufe der Zeit eine schier endlose Reihe ähnlicher Werke anschlossen.
Die Bevölkerung der Weingegenden war häufig auf die Konkurrenz durch das Bier gewaltig erbost, was sich in mehr oder weniger grotesken Ausfällen gegen das Bier äußerte. So galt im Jahre 1355 in Krems, 1430 in Wien das Verbot, innerhalb der Ringmauern dieser beiden Städte weder Bier zu brauen noch zu schenken, »wail daz unsern purgern daselbs schedlich«. Der Rat von Reutlingen verstieg sich 1697 sogar zu dem Befehl: »Die Sudelei des Bierbrauens in allweg abzutun!« was aber dem lieben Gerstensaft nichts weiter geschadet hat, denn er war und blieb der treue Freund seiner Deutschen,[73] die ihn verehren, auch wenn er aus Tschechien kommt.
Aber leider hatte das gute Bier sehr häufig Grund zu dem Stoßseufzer: Gott behüte mich vor meinen Freunden! Nicht genug, daß sie es mit allerlei Teufelszeug versetzten und ihm dadurch Eigenschaften anzuhexen suchte, die das harmlose Zeugs nun einmal nicht besaß, zwickten und zwackten sie es auch durch Zölle, Accisen, Verzehrungs- und andere Steuern, bis es fast seinen edleren Stiefbruder an Kostspieligkeit erreichte. Besonders auf die hohen Herrn hatte es allen Grund, recht böse zu sein. Denn wenn so ein Gewaltiger Geld nötig hatte, die Steuerschraube beim besten Willen nicht mehr anzuziehen ging und sogar aus den Juden nichts mehr herauszupressen war, dann mußte das arme Bier daran glauben, und die Accise verteuerte zu Gunsten des landesväterlichen Säckels den unentbehrlich gewordenen Trunk. In Bayern blieb das Nationalgetränk bis zum sechzehnten Jahrhundert ohne Staatsabgabe und erst das Jahr 1541 halste dem Bier die erste Steuer auf. »Im Jahre 1541 brach nämlich unter Kaiser Karl V. ein Krieg mit den Türken aus, der den Kaiser einen Zug nach Algier unternehmen ließ. Hierzu hatte als Reichsfürst auch Herzog Wilhelm von Bayern nicht nur mit einem Heer von Rittern und Reisigen Lehnsfolge zu leisten, sondern zu den Kriegskosten auch[74] noch 60 000 Gulden bares Geld beizusteuern. Um diese für jene Zeit außerordentlich hohe Summe aufzubringen, ließ der Herzog einen Aufschlag auf das Bier ausschreiben, der diesem denn auch später niemals wieder abgenommen worden ist. So hat die biertrinkende Welt also eigentlich die Schuld an der Steuer, die den edlen Trank dem Trinker um so und so viel verteuert, den Muselmännern zur Last zu schreiben.«
Diese Steuerungen gingen oftmals den Bürgern über den Spaß; sie kannegießerten, murrten, schimpften und skandalierten – natürlich mit aller Vorsicht. Denn solange die Bürger nur die Faust im Sack ballten, übersah dies die hohe Obrigkeit großmütig; wehe aber, wenn die Unzufriedenen einmal zu laut wurden, dann gab es blutige Köpfe und hatte Meister Hämmerleins Schwert Arbeit. So war es damals, als Johann Cicero von Brandenburg in seinem Staatsschatz Ebbe verspürte. Schlugen ihm auch 1484 die Stände zuerst die Einführung der Bierzinse ab, so zeigten sie sich, von den Verhältnissen gedrängt, vier Jahre später um so willfähriger, als der kluge Fürst sie an deren Erträgnissen Anteil nehmen ließ. »Sie – die Bierzinse –, wurde auf sieben Jahre von geistlichen und weltlichen kurfürstlichen Räten bewilligt, nämlich von jeder Tonne Bier zwölf Pfennige, so daß hiervon der Kurfürst acht und die Städte vier Pfennige zur Aufbesserung[75] ihrer Lage nehmen sollten.« Selbstverständlich traf diese Steuer nur die Bürger, auf denen ohnehin die ganze Last des Staatshaushaltes ruhte, denn die hohe Geistlichkeit, Prälaten, Grafen, Herren und die Ritterschaft waren von der Bierumlage befreit – natürlich, denn sie konnten sich ja Wein leisten und tranken ohnehin wenig Bier. Als sich die altmärkischen Städte, allen voran Stendal, weigerten die Steuer zu zahlen, fiel der Kurfürst mit einem starken Heer in der Altmark ein und züchtigte die renitenten Untertanen. In Stendal fielen die Häupter vieler »Aufrührer« auf dem Schaffott, in Salzwedel und Gardelegen wurden die Rädelsführer ins Gefängnis geworfen,[67] wodurch der blutigste deutsche Bierkrieg des Mittelalters sein Ende fand.
Auch Kurfürst Joachim I. Nestor erließ 1513 eine Bierzinse, die von da ab, namentlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, wo sie ihren Höhepunkt erreichte, auf der Tagesordnung blieb.
Aber auch den Städten selbst war das Bier ein willkommenes Steuerobjekt. Lag schon die Preisbestimmung des städtischen Bieres in ihrer Hand, die sie, je nach dem augenblicklichen Geldbedarf auf oder zu taten, so war ihnen, und nicht nur den Breslauern, schon der leidigen Konkurrenz wegen, das fremde Bier ein Dorn im Auge, dessen Vertrieb sie wohl nicht verbieten konnten, um[76] nicht Repressalien hervorzurufen, den sie aber durch mitunter recht drückende Zölle erschwerten. So mußten in den Jahren 1442, 1448 und 1451 in Freiberg das von Mittweida, in Dresden das von Freiberg, in Chemnitz das von Zschopau, Freiberg und Mittweida hoch versteuert werden. Man trank aber dennoch fremde Biere trotz all dieser Schwierigkeiten lieber wie die einheimischen, denn abgesehen von dem Nemo propheta in patria huldigte man einem eigenartigen Aberglauben. »Es ist merkwürdig, daß, wenn die Biere verführt werden, sie an dem Orte, wohin sie gebracht werden, insgemein viel besser schmecken, als da, wo sie gebrauet werden. Von den preußischen Bieren z. B. schmeckt in Pillau das altstädtische Bier viel besser und angenehmer, als in Königsberg. Bei manchem Biere mus, bei dem Wegführen noch unterwegs ein Guß Springwasser darzu kommen, wodurch es an dem Orte, wohin es gebracht wird, weit mehr Belieben findet, als wenn diese Verdünnung nicht mit ihm vorgegangen wäre«.[68]
Wenn aber auch Gewaltmaßregeln den Bierkonsum beeinträchtigt haben mögen, auf die Dauer vermochten sie doch nicht dem Deutschen die Freude an seinem Bier zu vergällen; denn ehemals wie heute gilt der fromme Wunsch aller Deutschen und aller jener Undankbaren, die durch deutsche Sitte, deutschen Geist und deutsche Tatkraft[77] zu dem geworden sind, was sie sind, die, wie so viel anderes, auch das Bierbrauen und Biertrinken von den Deutschen gelernt haben, das Stoßgebet:
Spitznamen früherer Biere.
Adam in Dortmund.
Aliklaus in Brandenburg a. H.
Alter Claus in Frankfurt a. O.
Angst in Gera.
Assenhäuser in Naumburg a. S.
Augustin in München.
Auweh in Lützenrode.
Bastard in Frankfurt a. O.
Batzmann in Frankfurt a. O.
Bauch in Würzburg.
Bauchweh in Grimma.
Beinecken in Lüneburg.
Benichen in Lüneburg.
Bessre dich! in Dassel.
Beyderwan in Frankfurt a. O.
Biet den Kerl in Boitzenburg.
Berrkatze in Marienwerder.
Bock in Bayern.
Bockhänger auch Bockhinger in Wollin.
Bockshart in Wartenberg.
Böcking in Allenstein.
[78]Borge nicht in Allenstein.
Brausegut in Benickenstein a. Harz.
Brauseloch in Brandenburg a. H.
Breypot in Frankfurt a. O.
Broyhan.
Bruse, auch Buse und Puse in Osnabrück.
Bruynen Barendl = Brauner Bernhard in Friesland.
Bubarsch in Magdeburg.
Buff in Halle a. S.
Büffel in Frankfurt a. O.
Bürste in Osnabrück.
Cacabella oder Cacabulla in Eckernförde.
Casernenbrühe in Zweibrücken.
Chapit in Helmstädt.
Clune in Mecklenburg.
Cofent = Mönchsbier.
Covent in Prag.
Dasslich in Dasseln.
Dewsel in Altenburg S.-A.
Dicker Brei in Possenheim.
Dickkopf in Eulenburg.
Domherrnbier in Brandenburg a. H.
Doppe in Danzig.
Dorfteufel in Jena.
Duckstein in Königslutter.
Dünnebacken in Osterode.
Egelei in Egeln.
Ehestandsbier, Beinamen der Gose und anderer stärkender Biere.
Einbeck in Grubenhagen.
[79]Es wird nicht besser in Lauenburg.
Fensterschwitz in Wien.
Ferrenbacher Vivat, eine Weißbierart.
Fertzer in Frankfurt a. O.
Fidelia in Frankfurt a. O.
Filz in Magdeburg und Rostock.
Fitscherling in Frankfurt a. O.
Flickebier in Passenheim.
Freudenreich in Dirschau.
Fried und Einigkeit in Kyritz.
Füllewurst in Welau.
Garley, Gartey in Gardelegen.
Gesalzen Merter in Heiligenspiel.
Glatze in Culm.
Glückeshan in Frankfurt a. O.
Gose in Leipzig, Goslar usw.
Gräsich in Westfalen.
Gutkerl in Wettin bei Halle a. S.
Guckuck siehe »Kuckuck«.
Halbander in Creussen.
Hanske in Bamberg.
Harlemay in Liebemühl.
Hartenacke in Lübeck und Frankfurt a. O.
Hausmuff in Magdeburg.
Heidecker in Merseburg.
Helschessoff in Frankfurt a. O.
Hengst, ein Covent.
Herrentrank in Güstrow.
Hock, ein weinähnliches, klares Bier.
Hölsing, Hösing in Wolgast.
Horlemotsch in Frankfurt a. O.
[80]Hosenmilch in Dransfeld.
Hotenbach in Frankfurt a. O.
Hund in Corwey und Dasseln.
Ich halt's in Hohenstein.
Ich weiß nicht wie in Buxtehude.
Israel in Lübeck und Dortrecht.
Itax in Frankfurt a. O.
Jammer in Ostpreußen.
Joopenbier in Danzig.
Jucksherz in Nimwegen.
Jumber in Marburg a. L.
Junker in Danzig.
Kache in Münster i. W.
Kamma in Herpord.
Kater in Stade.
Keut in Westfalen.
Keuterling in Wettin bei Halle.
Kelberzagel in Marienburg.
Keuteljucken, ein Dünnbier.
Kinast in Wormdit.
Kirbel in Straßburg i. E.
Klapitt oder Klepitt in Helmstädt.
Klatsch in Jena.
Klawenich in Neydenburg.
Klotzmilch in Bautzen.
Knisenack in Güstrow.
Korvinck in Frankfurt a. O.
Kolleber in Königsberg i. Pr.
Komma in Herford.
Kopfbrecher in Torgau.
Koyte in Münster i. W.
[81]Krabbel an der Wand in Eisleben.
Kranker Heinrich in Graudenz.
Krausemünze in Rosenburg.
Krebsjauche in Mühlhausen.
Kressen in Frankfurt a. O.
Krewsel in Rastenburg.
Kuhschwanz in Tangermünde und Delitzsch.
Kühle Blonde = Berliner Weißbier.
Kühmaul in Bartenstein.
Kuckuck in Wittenberg.
Kupenbier in Berlin und Cölln a. Spree.
Kynast in Wormdit.
Kyrmes in Neuburg.
Lachemund in Wartenberg.
Langfahn in Meißen.
Langweile in Schlesien.
Laucke in Mölln in Lauenburg.
Leertz in Melsack.
Lieber Herr Lorenz! in Guttstadt.
Lorch in Frankfurt a. O.
Loröl in Thorn.
Lohenase in Frankfurt a. O.
Lumpenbier in Wernigerode.
Lurley, ein Zieter Bier.
Lustiger Pater in Corvey.
Masnotz in Teschen.
Maulesel in Jena.
Märzen in Rostock.
Meng es wol! in Kreuzburg.
Menschenfett in Jena.
Mill in Nimwegen.
[82]Moll in Nimwegen und Köpenick.
Mortpotner in Frankfurt a. O.
Mord und Totschlag in Kyritz, Merseburg und Eisleben.
Muff in Halle und Halberstadt.
Mückensenff in Frankfurt a. O.
Münster in Wien.
Nasewisch in Schippenheil.
Nicolaus in Brandenburg a. H.
Nöster in Hamburg.
Oehl in Rostock.
Ohne Dank in Moringen.
O Jammer in Weve (?).
O Stockfisch in Heldt (?).
O wie! in Limbach.
O Zutter! in Schöneck.
Pasenelle in Pasewalk.
Petermann in Ratzeburg.
Pharao, ein Dortweiler Dünnbier.
Pipenstael in Mecklenburg.
Plunder in Jürgenrück (?).
Pohk in Pattensen.
Preussing in Danzig.
Puff in Halle.
Puffel in Frankfurt a. M.
Pumpernickel in Nerchau bei Grimma.
Puse in Osnabrück.
Quackeldeiß in Eckernförde.
Quitschart in Frankfurt a. O.
Rachenputzer in Wallin.
[83]Ramenach in Glückstadt in Holstein.
Rammeiß, ein Lübecker und Ratzeburger Bier, das in Danzig stark getrunken wurde.
Ramna, ein Herforder Bier.
Rarkatter in Tolkemit.
Rasemann in Frankfurt a. O.
Rastrum in Leipzig.
Rennerkatter in Pautzke.
Reuterling in Webbingen bei Halle und in Weimar.
Reyssekopff in Frankfurt a. O.
Rockenzagel in Stumm.
Roite in Münster.
Rolah in Thorn.
Rolingsbier in Frankfurt a. O.
Roloch in Thorn.
Rorkatter in Tolkemit.
Rummeldeiß in Ratzeburg.
Rutetop in Frankfurt a. O.
Salat in Frankfurt a. O.
Salvator = Sankt Vaterbier in München.
Salz es bas! in Fischhausen.
Sausewind in Reden.
Saure Magd in Königsberg.
Schackrach in Thüringen.
Schemper, ein Covent.
Scheusel in Altenburg.
Schlacknack in Eisleben.
Schleppenkittel in Fischhausen.
Scheps in Breslau.
Schlichtim in Elbing.
[84]Schlickerei in Passenheim (?).
Schlipschlapp in Frankfurt a. O.
Schlucknach in Eisleben.
Schlunz in Erfurt.
Schweis im Nacken in Güstrow.
Schmier nicht! in Stolp.
Schreckegast in Heilsperg.
Schüttekappe auf Rügen und in Rittershaus.
Schüttelkopf in Rüddagshausen.
Schweinspost in Straßburg.
Schwente in Neuteich.
Singewohl in Frauenburg.
Sohl den Kerl in Hadeln.
Sollewurst in Welau.
Soltmann in Salzwedel.
Sommertrank in Zerbst.
Speie nicht in Riesenburg.
Sperpipe in Frankfurt a. O.
Spülekanne in Stargard.
Spülwasser in Löbe.
Staffeling in Frankfurt a. O.
Stampf in die Aschen in Frankfurt a. O.
Stier in Schweidnitz.
Streckefisel, ein Merseburger.
Streckepertzel in Frankfurt a. O.
Strohheingen in Frankfurt a. O.
Strutzing in Löbe (?).
Stürzen Kerl in Braunsberg.
Taract, ein Culmeser Bier.
Taubenschwanz in Stendal.
Tibi soli, Braunschweiger Klosterbier.
[85]Toller Wrangel in Breslau.
Trawöl in Lübeck.
Trink! eine Covent-Art.
Trumpe in Neumark.
Tunke in Zittau.
Vasemann in Frankfurt a. O.
Wehr dich! in Danzig.
Witte in Kiel.
Wittelaus in Kiel.
Wittenkiel in Schöningen.
Wo ist der Magd Bett? in Dt. Eulau.
Wolgemut in Friedland.
Wohlsack in Brockhausen.
Wuistdas in Liebstadt.
Wullsack in Brockhuß (?).
Wuttu in Hannover.
Würze in Zerbst.
Zals in Eilenburg.
Zitzenille in Nauen.
Zyth in Rostock.
Der edle Wein ist dem Deutschen der Sorgenbrecher, das Bier sein guter Kamerad. Der Rebensaft macht das Blut leicht, lockert die Gedanken, gebiert den Witz; das behäbige Bier macht Körper und Gedanken träge, weckt aber den Humor, jenes urdeutsche Etwas, das wie die Gemütlichkeit, nur das deutsche Volk und der deutsche Sprachschatz kennt.
Darum liebt der Deutsche auch sein Bier, und was sich liebt, das neckt sich. Wer schimpft, der kauft! Der Deutsche schimpft auf den Gerstensaft, legt ihm allerlei Namen bei, oft recht grobe, aber nichts destoweniger sehr bezeichnende, und sauft – pardon, kauft soll es heißen. Heute, wo wir feiner geworden sind, sprechen wir allerdings nicht[87] mehr so despektierlich vom Bier, wie es unsere Vorfahren getan, denen eine Zote und ein Zötchen, wie Luther sagt, als Würze der Geselligkeit schienen. Wir sind nobler geworden – wir tun jetzt im Geheimen, was vordem die breite Öffentlichkeit nicht scheute und nicht zu scheuen brauchte, denn der Nachbar, sogar die Damen machten es ebenso. Und was die Ahnen ohne Bedenken ausführten, das benannten sie auch mit dem richtigen Namen – es klang freilich nicht immer zart und »passend«, aber die Prüderie war eben damals noch nicht Allgemeingut geworden. Man war rücksichtsloser und derber und heuchelte wenigstens noch nicht in Kleinigkeiten. Man trank sein Bier ganz öffentlich aus großen Töpfen, nippte nicht in Wirtshäusern aus gläsernen Tulpen, um im Geheimen Maßkrüge zu leeren. Man sagte nicht: »Gose bekommt mir nicht!« sondern
Wie viel gesitteter, aber langweiliger, klingt, was Friedrich Herm zweihundert Jahre später von derselben Gose singt:
Weniger affektiert aber bei weitem richtiger charakterisiert ihr Landsmann Edwin Bormann die Gose:
So wie die Gose hing der Deutsche fast allen seiner Lieblingsbiere einen Klaps an, sei es, daß er ihre Wirkung übertrieb oder ihren ursprünglichen Namen verballhornte. Aus dem Breslauer Stadtbier, dem Scheps, wurde der – Schöps, von dem es hieß:
oder wie das Original im klassischen Küchenlatein lautet:
Auf »durchschlagendere« Wirkung lassen die Namen etlicher anderer Biere schließen, so das Eckernförder, von dem Krünitz in aller Gelassenheit berichtet: »Von diesem wird erzählt, daß, als im Jahre 1503 der Kardinal Reymundus dahin gekommen und dieses Bier gekostet, habe es ihm so wohl[89] geschmeckt, daß er ziemlich sich darinn berauschet; als er aber hier auch des Nachts etliche Stuhlgänge gehabt, habe er es Cacabella oder Cacabulle genannt, da es vormahls Quackeldeiß geheißen.« Und dieser anrüchige Name blieb auf ihm sitzen.
Ebenso bezeichnend hieß das Bier von Dasseln im Braunschweigischen der Hund, weil es im Leibe knurrte und murrte, ehe es sich gewaltsam einen Ausweg suchte.
Die Lust an Derbheiten bei unseren Altvorderen kommt in vielen Biernamen zum unverfälschten Ausdruck, so wenn sie das Gebräu von Dransfeld im Hildesheimschen Hosenmilch nennen – eine Zweideutigkeit, die gar nicht zweideutig ist, oder das Nauensche Bier Zitzenille benamsen, das ein Ungenannter also apostrophiert:
Das Bier aus Eisleben wird »Krabbel an der Wand« und »Mordundtotschlag«, das Bier aus Stade – Kater, das aus Boitzenburg Beißdenkerl und endlich das von Osnabrück – Buße getauft.
Am reichsten an Bieren mit absonderlichen Namen war Frankfurt a. d. O. Eine Durchsicht meiner Tabelle der Bierspitznamen ergibt für diese Mittelstadt an zwanzig verschiedene Biere, von denen ein großer Teil ihre Bezeichnungen bereits seit dem fünfzehnten Jahrhundert tragen.[70]
Unseres heiligen römischen Reiches deutscher Nation gesegnete Streusandbüchse war in der Vorzeit das Dorado des Bieres – ein Abklatsch des bierseeligen Bayerns unserer Zeit. Jedes Nestchen hatte sein eigenes Bier, dazu kam noch eine Hochflut fremder Gebräue – und doch schwärmte der Brandenburger für kein Bier mehr als für sein heißgeliebtes Bernauer.
Mit behaglichem Schmunzeln, nach einem Kuhschluck des schäumenden Trankes, tischt der behäbige Märker dem Fremden die Geschichte auf, wie ein Schusterjunge in Berlin, dem der Meister das bißchen Grips aus dem Kopfe gebeutelt, von der nicht minder handfesten Meisterin nach einem Krug Bernauer geschickt wird und statt nach dem Ratskeller zu gehen, sich gen Bernau trollte, der Residenz Wippchens und der Geburtsstadt des »Froschmäuselers« Georg Rollenhagen. Als ihm dann plötzlich auf dem Rückweg nach Berlin seine Torheit klar wurde und er sich die zahllosen Kopfnüsse ausmalte, die ihm winkten, vergrub er den Deckelkrug voll Bier am Wegrand und ging in die Fremde. Viele Jahre vergingen ehe der zu einem Kriegsobersten gewordene Lehrling nach dem Spreestrand heimkehrte und nach dem Krug Bernauer grub, den er unversehrt fand, ebenso das Bier in ihm, das zu einem wahren Göttertrank geworden war. Dieses Bernauer begeisterte einen Poeten um 1720 herum zu[91] einem endlos langen Gedicht, dessen letzte zwei Strophen lauten:
Eine ähnliche Dichtung findet sich, sogar in drei Sprachen: lateinisch, hoch- und plattdeutsch, zu Ehren des Gardelegener Gartei. Ihr Verfasser ist der hochgelahrte Helmstädter Professor der Medizin und spätere Oberarzt in Lübeck, Heinrich Meibomius, der sich auch viel mit dem Geißeln beschäftigte und uns eine diesbezügliche, in gewissen Kreisen noch unvergessene Abhandlung »de flagrorum usu in re veneria« hinterlassen hat. Die Entstehungsgeschichte dieses Gedichtes ist folgende: Herzog Heinrich Julius von Braunschweig hatte verboten, in Helmstädt das Gartei an die Studenten zu verschänken. Das beklagte Meibomius im[92] Namen seiner Studenten und des Gartei selbst mit den Worten:
Das Gedicht verrät dann, daß auch die Damenwelt dem Gartei nicht abgeneigt gewesen sei, denn, sagt das Bier von sich selbst:
Ebenso wie das Gartei, fand der Tangermündner Kuhschwanz und das Karthäuser aus Frankfurt a. d. Oder seine Sänger.
Aber trotz dieser guten Biere ergoß sich ein Strom fremden Stoffes über die Mark. Was man z. B. in Berlin um das Jahr 1711 alles hinter die Binde goß, ist aus dem nachstehenden »Bier-Carmine« zu ersehen.
Die umfassenden bierologischen Kenntnisse Rebels lassen darauf schließen, daß er entweder Student oder Gastwirt oder Bierbrauer gewesen. Das Selbstlob des Berliner Bieres am Schlusse seines Poems lassen beinahe auf letzteres schließen.
Eine verifizierte Biergeographie findet sich in der Falckensteiner Chronik von Schwabach. Sie ist interessant genug, um ihren Abdruck zu rechtfertigen.
Der »arme Mann im Tockenberg«[72] trank in Berlin zu des alten Fritz' Zeiten seinen »Krug Rußiner- oder Gottwitzerbier«.
Wie man das Bier zu trinken hatte, sagt der unbekannt gebliebene Verfasser des Büchleins »de generibus ebriosorum et ebrietate vitanda«:[73]
Dasselbe Werkchen gibt die etwas grobkörnige Unterweisung für den Trinker, die auch Fischart in seinem »trunken Gespräch« in der »Geschichtsklitterung« aufführt:
Ja, getrunken mußte werden, und wenn das letzte Kleidungsstück ins Leihhaus[97] wandern sollte. Und so sangen denn die Altvorderen im kräftigsten Bierbaß:
Etwas Galgenhumor klingt aus dem Sprüchlein:
Unsere Vorfahren waren gar kluge Leute. Um niemals den Genuß des Bieres zu entbehren, den heutzutage hier und da ein übereifriger Doktor der Medizin seinem durstigen Patienten verbieten zu müssen glaubt, fanden sie darin ein unfehlbares Gegenmittel, daß sie dem edlen Gerstensaft allerlei Heilwirkungen zuschrieben und gegen jede Krankheit ein Bier als Heilmittel wußten.
»Obschon das Bier mit dem Wein sich in keine Kompetenz einlasset und demselben gern den Vorsitz vergönnet, dennoch wird es mehrmals von den verständigen Medicis manchen Patienten zugelassen und darf der[98] sonst so redliche Wein nicht unter die Augen kommen, welches desto mehr die Ehre des Bieres und folglich des Bierbrauers vergrößert.«[74]
Schon der alte Plinius rechnet den Schaum des Bieres zu den Schönheitsmitteln, weshalb die Römerinnen auch gerne vom Schaum nippten – tout comme chez nous.
Wie man heute dem Magenkranken Pilsener Bier erlaubt, verordnete man ihm in der Vorzeit Einbecker, das überdies in Gelbsucht und Fieber gute Dienste leistete, so behauptete wenigstens Plakotomus in einem Buche »de natura cerevisiarum«, wie das Danziger Preußing bei Bluthusten und Brüchen, das Kniesenack und das Ducksteiner gegen den Stein, das letztere auch noch gegen Podagra von exzellenter Wirkung war.
Mit diesem bierologisch-medizinischen Blödsinn, »Braunbier, braunisch kuriert«,[75] ließen sich Bände füllen, da ebenso wie dem Bier im allgemeinen nachgesagt wurde:
fast jeder Biersorte eine andere Wundergabe zugesprochen wurde, – sollten doch gewisse Gerstensäfte Marienbad bei der Damenwelt und Aachen usw. bei den Herren ersetzen können.
Balthasar Schnurrens Regel:
erschöpft noch lange nicht die im Biere schlummernden Kräfte, denn
lobpreist ein anderer Bierkenner.
Über die medizinischen Eigenschaften des Bieres ergeht sich ein unbekannt gebliebener Gelehrter in folgenden Worten:
Von des Bieres Eigenschaft, Schaden und Nutzbarkeit.
Bier wird gekocht mit Weizen, Gersten, Haber und Hopfen. Es ist zweierlei: das dicke wird Doppelbier genannt, das andere ist lieblicher, subtiler und besser. Dickes Bier macht Feuchtigkeit, das andere, das lieblicher ist, nicht so viel. Bier mehret die Kräfte, Fleisch und Blut, ist von großer Nahrung, bewegt den Harn, bringt Linderung des Bauchs, zumal wenn es mit Hopfen gekocht ist. Mit zu viel Hopfen schadet es denen, die ein schwaches Hirn haben, dieselben macht es trunken, und diese Trunkenheit währet länger denn die des Weins. – Bier, das nicht wohl gekocht wird,[100] da kühlet ein wenig und blähet den Bauch. Aber das saure beschädigt den Magen, das trübe verstopft und schadet denen, die den Stein haben, verursacht Blähungen oder Kürze des Athems. Bier, das übel gekocht wird, machet Wind im Magen und Bauch und bewegt die Bärmutter. Und solches, das nicht wohl alt und von seiner Hefen gereinigt ist, das wird nicht wohl verdauet, bringet Harnwind und eben die Schäden wie das übel gekochte Bier. Bier aus Gersten und Hopfen wohl gekochet, welches das temperirteste ist und gesundeste, öffnet die Verstopfung.«[76]
War nun das Bier gegen alle möglichen und unmöglichen Gebrechen gut, gegen eines half es niemals, im Gegenteil es beförderte dieses ebenso wie der Wein – den Rausch.
Um dieses Erbübel des Trinkers aus der Welt zu schaffen, ohne jedoch den gewohnten Trunk einzuschränken, griff man zu allerhand abenteuerlichen Mitteln.
Johannes Rasch zu Wien, der im Jahre 1582 das »Weinbuch von Baw, Pfleg und Bruch des Weins« herausgab, empfiehlt: – »ehe du ein wein trinkst, iß Wethamerwurtz oder Petulanakraut oder thue ein guten trunck Milch, so wirstu nit so leichtlich vol gemacht werden. Epheu hat diese Tugend und Kraft, daß es den Kopf vor des vergangenen tagsrausch und wehthumb behütet« – also Katzenjammer unmöglich[101] macht. O du herrlicher Johannes Rasch, dein Andenken sei gesegnet. Von nun ab werden Epheupflanzungen wie Pilze aus der Erde schießen.
Christoph von Hellwig, der unter dem Pseudonym Valentin Kräutermann eine ganze Anzahl »kompendiöse« hirnverbrannte naturwissenschaftliche und medizinische Bücher in die Welt sandte, verbrach auch ein Werkchen »Der curieuse und vernünftige Zauber-Arzt«,[77] auf dessen Seite 61 er folgende »curieuse und vernünftige« Wundermittel gegen die Trunkenheit verzapft.
»Daß einer nicht truncken werde.
Ingemein pfleget man fünff oder sieben bittere Mandeln vor dem Trinken zu essen, weil man noch nüchtern ist.
Die Trunckenheit zu bewältigen, daß man nicht berauschet werde, so ist das beste Mittel der rothe Kohl, wenn man aus desselben Stengeln den Safft mit den Zähnen heraus presset, und ihn einschlucket: oder denselben gekocht unter die erste Gerichte zum Essen aufsetzet: Dieses thut die Portulacus Levius Lemnius. Oder man nähe Epheu oder Jelänger Jelieber in eine Mütze, und trage solche beym Trincken auf dem Kopffe.
D. Sebizius in seinem Buche vom Feld-Bau rühmet folgenden lateinischen Hexametrum, welchen man man noch, bey auffhabender Mütze von Epheu und Jelänger Jelieber, öffters bey sich heimlich recitiren[102] solle, so würde die Verhütung der Trunckenheit desto eher geschehen; nemlich:
Jupiter his acta sonuit clementius Ida.
Das Sal volatile oleosum ist auch nich zu verwerffen, wenn man es offt gebrauchet.
Wer einen sauren Apffel früh nüchtern isset, und trinckt Wasser drauff, der wird denselben Tag nicht voll.«
So. Nun weiß man's.
Radikal aber wird die Trunkenheit nur dann ausgemerzt, wenn man ihrer Grundursache, dem Durst, zu Leibe geht, – so meinten die alten Herren, als ob man nicht auch ohne Durst trinken könnte!
Diesen bösen Durst vertreibt man gründlich nach einem Rezept des sechzehnten Jahrhunderts auf diese Weise:
»In dem Hahne findet sich ein Stein einer Bohne groß, durchsichtig wie ein Crystall. Er wird in den Kapphähnen erst in vier Jahren in der Leber des Hahns gefunden; wenn er bei dem Hahne gefunden wird, so trinkt er nicht mehr. Diesen im Munde gehalten, bekommt keiner keinen Durst und machet unüberwindlich vor seinem Feinde.«[78]
Kräutermann faßt die Sache ganz anders an. Entweder nehme man Saft von Hauswurz oder »die Tinctur von gefüllten Maßlieben oder blauen Mertzen-Violen, oder Rosen, mit Spiritu Vitrioli ausgezogen, ins tägliche Trincken davon getröpffelt, ist auch gut«.
Schließlich bekommt Kräutermann-Hellwig noch eine Vernunftsanwandlung und empfiehlt – horribile dictu – »frisch Brunnenwasser, thut dazu Candelzucker und eine zerschnittene Citrone, lasset es mit einander kochen, zuweilen getrunken. Es kühlet die Leber und löschet den Durst.«
Wer's nicht glaubt, probier's!
Ja, man konnte auch in der Vorzeit mitunter recht vernünftig sein, – wenn auch nur ausnahmsweise. Zuweilen dämmerte in einzelnen und vereinzelten Köpfen etwas auf, was sogar heute noch Geltung hat, – trotzdem es in der Gegenwart ebenso wenig befolgt wird, wie ehemals, weil es eben vernünftig ist.
Ein Beispiel hiervon ist die altehrwürdige »Ordnung des Trinkens«, die neben manchem veralteten Bombast auch manch beherzigenswerten hygienischen Fingerzeig enthält.
»Diese Ordnung soll ein jeglicher zugleich beim Morgen- und Nachtessen behalten, daß keiner trinke, bis er wohl gegessen hat, und daß er mehr esse, denn trinke. Denn mehr trinken, als sich gebühret, zerstört die Däuung, und aus Überflüssigkeit des Trinkers geschieht es, daß die Speisen aus dem Magen steigen in die Glieder, ehe sie vollkommen verdäuet werden, und bringet so viel der Gefährlichkeit, daß etliche Doktoren wollen, wenn man esse, daß man nicht trinken soll.[79] Aber das[104] ist zu verstehen von dem Arzneitrank. Auch sagte Avicenna, daß wir nicht trinken sollen zwischen dem Morgen- und Nachtessen, denn davon wird die Däuung zerstöret, und sonst von anderer Ursache wegen sprechen alle Doktores, daß es fast schädlich sei. Und wenn eins gleich nach dem Essen dürstet, und begehret zu trinken, und dieser Durst ist nicht falsch, so soll er sittlich trinken, gleich als durch die Zähne.
Wenn einer will schlafen gehen, dem ist auch unnütz nach dem Essen zu trinken, von wegen der vorgemeldeten Ursach; es wäre denn ein natürlicher Durst und nicht trughaft von wegen vieler Einnehmung von Speis und Trank, oder daß er natürlich wäre in einem Menschen, der ein Cholericus ist, dem soll das Trinken zugelassen werden, wenn die Ursache des Dursts nicht herkommt von der Viele des Trinkens. Man soll auch die jungen Kinder und die, so cholerischer Complexion sind, nicht lassen Durst leiden, zumal in Sommerszeiten, damit sie nicht ausdorren.
Es spricht Rasis, daß die Menschen mittelmäßigen Fleisches, nicht zu feist noch zu mager, haben eine große Begierde zu trinken: diese mögen ohne Furcht Wasser trinken. Auch ein Durst von wegen überflüssigen Trinkens ist trughaft und nicht von nöthen, daß einer darauf trinke. Auch soll niemand nüchtern trinken, weder Wein[105] noch Wasser. Das Wasser, so über dem Tisch getrunken wird, soll kalt sein, und nicht gemacht mit Schnee, auch nicht Schneewasser.«[80]
Ein anderer Medicus empfiehlt:
»In dem Winter sollt du deinen Wein nit kalt trinken, dann er viel schädlich ist und ferbläuet den Menschen inwendig; du sollt ihn lau machen. Oder sonst ein gemeine Lehre sollt du hie merken: die Speis sollt du gar wohl und klein zerbeißen in dem Mund und den Wein klein, gleich als ein Faden, hinein schlinden. Das ist ein Sach der Gesundheit und des langen Lebens.«[81]
Alle diese medizinischen Vorschriften würden natürlich in sich zusammenfallen, wenn sich die auf deutscher Erde seßhafte Menschheit des Trunkes gänzlich entschlagen wollte. Ein überaus kluger Kopf, dem die Mit- und Nachwelt eine, leider längst vergessene Podagraschrift verdankt, hat diesen geistvollen Gedanken schon vor ein paar hundert Jahren gehabt und ihn noch prägnanter als Luther in seinem
dahin ausgesprochen:
Ob der Mann recht hat!
Eine hervorstechende Eigenschaft des Germanen, die alle seine Schilderer einmütig erwähnen, war sein dauernder Durst. Er liebte alles Trinkbare, das Wasser natürlich ausgenommen, ganz wie seine Nachkommen, sah aber in seinem Met so lange das Ideal aller geistigen Getränke, bis er etwas Besseres, sagen wir Moderneres, kennen lernte – denn Göttin Mode war gleichmächtig bei allen Völkern und in allen Zeiten. War erst das bessere Bier der Feind des guten Met, so machte der noble Wein dem plebeischeren Bier seinen Platz in der Volksgunst streitig.
Der Wein, einst der Göttertrank, den die seefahrenden Gaugenossen aus endlos weit entlegenen, unbenannten, sonnigen Himmelsstrichen, die viele viele Jahrhunderte später ein kühner Spanier der Menschheit entdecken sollte, unter Fährnissen aller Art zu den heimischen Gestaden brachten, wurde durch die römischen Eroberer in deutschen Gauen allgemeiner bekannt. Und römisch ist sein äußeres Gewand den Deutschen geblieben bis zum heutigen Tag.
Aus dem lateinischen vinum wurde Wein, aus mustrum Most, aus lora Lauer, aus mosa Maß, aus amphora Eimer, aus vas Faß, aus cupa, cupella Kübel, aus calvatorium Kelter, aus cella Keller und noch manch anderes mehr.
Lernten nun auch die Deutschen verhältnismäßig früh den Wein kennen und schätzen, sei es in Italien selbst, wohin sie in Kriegsdiensten, als Geiseln oder als Gefangene kamen, sei es durch die in Germanien erschienenen Römer, oder durch Tauschverkehr mit seefahrenden Südländern, so vergingen doch noch Jahrhunderte, ehe sie selbst die erste Rebenpflanze in die Erde senkten. Die Einführung des Weinbaues in Gallien knüpft sich an die Gründung der griechischen Kolonie Massalia. Er blieb jahrhundertelang auf die Umgebung dieser Stadt beschränkt und verbreitete sich zunächst nur über den südlichsten Teil der[108] provincia Narbonensis und Aquitanien bis in das Gebiet der Bituriger an der Garonne. In augusteischer Zeit war er im nördlichen Teil der narbonensischen Provinz noch unbekannt. Im ersten Jahrhundert drang er weiter nördlich bis in das Gebiet der Allobroger vor und verbreitete sich sodann, vielleicht bereits gegen Ende des ersten Jahrhunderts, sicherlich im darauffolgenden, weiter im übrigen Gallien und im Moseltal, gleichzeitig überhaupt am linken Rheinufer, in Rheinhessen, der Pfalz wie im Elsaß. Ob auch am rechten Rheinufer von den Römern Weinbau getrieben wurde, läßt sich nicht entscheiden. Wenn dieses der Fall war, sind diese Kulturen nach Verlust des rechtsrheinischen Germaniens ebenso zu Grunde gegangen, wie hier das römische Leben überhaupt vollständig aufhörte. Erst in merowingischer Zeit erblühte in diesen Gegenden der Weinbau, wie denn beispielsweise im Rheingau die Hauptlagen nachweislich erst sehr viel später gerodet und in Kultur genommen sind.[83] Der Wein selbst, manchmal auch die Rebe, gelangte von Gallien zu den benachbarten Germanen, »die mit Aufnahme dieses Produktes den Pakt mit gallisch-römischer Kultur schlossen«. In Italien betrachtete man den Weinbau in den Provinzen mit scheelen Blicken. Kaiser Domitian befahl, wenn auch vergeblich, die Hälfte aller außerhalb Italiens befindlichen[109] Weingärten dem Erdboden gleich zu machen.[84] Erst Kaiser Probus hob 281 n. Chr. Geb. diesen Befehl nicht nur auf, sondern begünstigte, besonders in Gallien, Pannonien und Mösien den Weinbau derart, daß man diesem Soldatenkaiser später geradezu die Würde eines Weinheiligen zuerkannte.[85]
Wenn sich in früherer Zeit gewisse germanische Stämme gegen die Einfuhr des Weines aufgelehnt hatten,[86] da sie seinen Genuß für verweichlichend hielten, so verlor sich dieser Widerwillen doch mit der Zeit, und bereits 276 n. Chr. Geb. sind deutsche Weinberge geschichtlich nachweisbar, die vielleicht schon viel länger bestanden haben mögen, meist von den römischen Soldaten gepflanzt, die nachgewiesenermaßen ja auch die Ufer des Rheines mit Weingärten umsäumten. Und nicht nur am Rhein, auch an den sonnigen Hügeln des unteren und mittleren Neckars bauten sie sich ihre Weingärten, um den von der Heimat her gewohnten Trank zur Hand zu haben, wenn die Lebensmittelzufuhr einmal ausblieb. Und war der Trank auch nicht so gehaltreich wie der unter dem ewig blauen Himmel Italiens gereifte, so sagte er doch den Fremdlingen immer noch besser zu, als das Bier der eroberten Länder und der landesübliche Met, der so rasch und gründlich berauschte. Darum waren es egoistische[110] Gründe, die sie den Spaten in die Hand nehmen hießen, um jene Anlagen zu schaffen, die sie dann nach ihrem Abzug aus den germanischen Gauen als kostbares Andenken hinterließen. Dem Schwabenlande soll, der Sage nach, der heil. Urban, der von 223–230 auf Petris Stuhl saß und unter Alexander Severus den Märtyrertod starb, gelehrt haben die Rebe zu pflanzen und die Trauben zu keltern, weshalb man ihn auch jetzt noch in Württemberg als Schutzpatron des Weinbaues feiert. Im vierten Jahrhundert waren bereits die Ufer der Mosel von Trier bis Koblenz reich mit Reben besetzt. Der Dichter Ausonius (geb. 309 zu Burdigala, dem heutigen Bordeaux, gest. 395) lobt in seiner »Mosella«, einer poetischen Schilderung einer Rhein- und Moselreise von Bingen bis Trier, die Mosel mit den begeisterten Worten:
und weiter Vers 161:
Er lobt ferner das feine Aroma der Moselweine, die er den Gewächsen seiner Heimat Bordeaux gleichstellt. Ausonius hat die Deutschen gerne, denn ein goldhaariges, blauäugiges, sanftes Schwabenmädchen, das er als Gefangene erworben, hat ihn für die Deutschen eingenommen. Sie begeisterte den alternden Mann zu den Versen:
Venantius Fortunatus (geb. um 530), der sich in den Jahren 567–580 unter den Merovingern aufhielt, spricht von den Weinbergen bei Metz und Trier an der vinisera Mozella, die er preist:
Auch von den Weinbergen bei Andernach im Rheintal weiß er zu erzählen. Vor Fortunatus, im fünften Jahrhundert, bewunderte der heil. Severin den Weinbau in Rhätien, der, nach Cyriakus Spangenberg, durch Kolonisten von der Mosel dorthin gebracht worden sein soll.[88]
Vom fünften Jahrhundert an standen die Weinberge unter dem Schutz der Gesetze.[112] Das von Chlodwig 421 verfaßte Salische Gesetz bestraft die Entwendung eines Weinstockes mit fünfzehn Schillingen. Nach den Verordnungen des Langobardenkönigs Chlotar (657) war es nur gestattet, drei Trauben einem fremden Weinberg zu entnehmen.
Im sechsten und siebenten Jahrhundert gewann der Weinbau in den Rheinufergegenden eine immer größere Ausdehnung. Bereits im achten Jahrhundert fanden hier Schenkungen von Weinbergen an Stifte und Klöster statt,[89] ja sogar schon 638 verschenkte der Frankenkönig Dagobert alle seine Güter und Weinberge in Lobdengau an das Stift St. Peter in Worms.[90] Karl der Große, dessen Riesengeist nicht nur das bis zu seiner Zeit zersplitterte Germanien zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzuschweißen und geistig und sittlich zu heben wußte, so daß sein Auftreten der Beginn einer neuen Kulturära bedeutet, sorgte wie für so viele Zweige des Fortschrittes auch für den Weinbau. In seinen Kapitularien finden sich bis ins Nebensächlichste gehende Anordnungen, wie die Reben zu pflanzen, die Weinberge zu besorgen, die Beeren zu behandeln und zu pflücken seien. Er wollte nicht, daß die Trauben mit bloßen Füßen ausgetreten werden; sie sollten in eigenen Keltern, den sogenannten Truttas, die in dem schwäbischen Worte Trotte für Presse fortleben, ausgepreßt und der Most[113] in reine Gefäße eingegossen werden. Ferner befahl er den Wirtschaftern, für das Anpflanzen von Fechsern zu sorgen. Durch Aushängen von mindestens drei bis vier Kränzen war anzuzeigen, wenn die Weinernte zum Verkauf gestellt würde. Dieses Kranzausstecken erhielt sich bekanntlich, namentlich in Süddeutschland, bis zum heutigen Tag. In späterer Zeit wurde dieses Kranzschild das Wahrzeichen der Schenken, gleichviel ob man Wein oder Bier verzapfte: »Wenn man ein schoeblin ußsteckt, daz ist ein zeichen, daz man bier da feil hat«, sagt Geiler von Kaisersberg. In den kaiserlichen Kranz- oder Reifwirtschaften wurde jedoch nur der geringe Wein zum Verkauf gebracht, der bessere mußte an die Hofkellereien abgeliefert werden, wie das ja immer war. Die Untertanen hatten im Schweiße ihres Antlitzes dafür zu sorgen, daß es dem Herrn an nichts gebrach. Für die Produzenten war der Abhub gerade gut genug.
Karls Verbot, die Trauben mit den Füßen zu zertreten, scheint nicht mit genügender Strenge durchgeführt worden zu sein; diese uralte Sitte hat sich bis jetzt erhalten, trotz aller hygienischen und ästhetischen Bedenken, die übrigens schon die Vergangenheit mit uns teilte. Denn Petrus de Crescentius, der Begründer der Agronomie in[114] Europa (1230–1310) fordert in seinem »Opus ruralium commodorum« libri XII (Augsburg 1471), daß die nackten Füße wenigstens rein seien, der Kelterer nicht aus dem Kelter aus- und einlaufe, während des Kelterns nicht esse und trinke und genügend bekleidet sei, um den jungen Wein nicht mit Schweiß zu vermengen usw. Wo Karl der Große geeignetes Land entdeckte, ließ er es mit Reben bestellen. So erzählt über die Entstehung des edlen Ingelheimers folgende Sage: »Einst geschah es, daß der Herrscher aus seiner Pfalz nach den Bergen hinüberschaute und bemerkte, wie die Sonne sie schon im März so warm beschien, daß der Schnee wegschmolz, das junge Gras hervorsproß und die Bäume sich belaubten. Da kam ihm der Gedanke, Wein zu pflanzen, wo noch ein finsterer Wald lag. Rasch verschwand dieser unter den Äxten der geschäftigen Arbeiter, und die Erde nahm die aus Ungarn, Italien, Spanien, Burgund, der Champagne und Lothringen gebrachten Reben auf, die bald einen herrlichen Wein lieferten.«[91]
Fand Karl Weinberge vor, so suchte er die Reben zu veredeln. Alle von Karl neu eingeführten Weinsorten belegte man mit dem gemeinsamen Namen fränkische Weine, im Gegensatz zu den alten Weinsorten, die unter dem Namen hunnische oder heunische Weine zusammengefaßt wurden. So hatte[115] der Herr zu Eppenstein im Dorfe Niederluderbach bei Höchst 1483 Anspruch auf »zwei halb firtel wins, eins frensch (fränkisch) das ander hunesch in zweyen orenkannen ein Kangelidt (mit Deckel) die ander angelidt«. Der Name stammt wahrscheinlich von den Hunnen her, die 451 nach Attilas Niederlage auf dem nach ihnen benannten Hunnsrück zurückgeblieben waren und hier pannonische Reben anpflanzten.
Die Wertschätzung Karls des Großen für den Wein entsprang rein nationalökonomischen Gründen, denn er selbst war das Muster der Mäßigkeit. Genoß er doch bei Tisch höchstens drei Becher, »denn die Trunkenheit verabscheute er an allen Menschen aufs äußerste und erst an sich selbst und seinen eigenen Leuten«.[92] Übrigens gab er auch bei der Neubenennung der bis dahin lateinischen Monatsnamen dem Oktober den Namen Windumemanoth, d. h. Weinlese-Monat, althochdeutsch windemôn vom lateinischen vindemia = Weinlese, woraus das volkstümliche wînmanot = Weinmonat entstand.
Im Thurgau, Breisgau und am Bodensee kommen Weinberge bereits im siebenten Jahrhundert vor. Während des neunten Jahrhunderts gelangte der Weinbau in der Schweiz, in Tirol und im südöstlichen Deutschland zur vollen Blüte. Ludwig der Fromme, Karls Sohn und Thronerbe, förderte[116] wie sein Vater die Rebenzucht und ihm und seinen Nachfolgern dankt Alamannien seine Weinberge. Im elften Jahrhundert finden sich die ersten Spuren des Weinbaues bei Göttingen und Hildesheim; 1150 führten Rheinländer, die Albrecht der Bär gastlich aufgenommen hatte, die Rebenkultur in der Altmark ein. 1285 heimste Stendal so viel Wein ein, daß es damit Handel treiben konnte und drei Jahrhunderte später waren ertragreiche Weingärten bei Lübeck, in Mecklenburg, bei Rathenow an der Havel und bei Guben in der Lausitz vorhanden. Gubenscher Wein war in ganz Norddeutschland verbreitet und sogar an Fürstentafeln geschätzt.
Die Hohenstaufen beförderten namentlich in ihrem schwäbischen Stammland mit aller Energie den Weinbau, der zu einer Hauptbeschäftigung der Einwohner wurde. Besonders der Neckarwein war schon früh auch im Ausland geschätzt. Abt Berchtoldt von St. Gallen, ein Zeitgenosse Rudolf von Habsburgs, setzte seinen Gästen neben Botzener, Klevner und Elsässer Weinen auch den kostbaren Neckarwein vor. Wie Kaiser Karl bemühten sich auch die Hohenstaufen, ihre Weingärten zu Musteranstalten zu machen. Strenge Gesetze schützten die Weinberge, deren Zerstörung mit dem Tode bestraft wurde.
Der Umschwung, den die Kreuzzüge, diese »umgekehrte Völkerwanderung« mit[117] sich brachte, lehrte die Deutschen neben vielen neuen Sitten und Krankheiten, die besser unbekannt geblieben wären, auch manches Gute kennen, das fortan in Deutschland eine dauernde Heimstätte fand. Unter den Pflanzenarten, die durch heimkehrende Kreuzfahrer im Norden eingeführt wurden, waren auch mancherlei noch unbekannte Rebsorten, die mit dem im Süden erlernten Verfahren behandelt wurden.
Die allgemeine Verbreitung dankt der Weinstock in Deutschland hauptsächlich den Mönchen. Die Geistlichkeit mußte wegen der Verwendung des Weins zum heil. Abendmahl auf seinen Anbau bedacht sein. Nebenbei vergaßen die frommen Herrn auch nicht die profaneren Zwecke des Rebensaftes, der sie über die vielen Stunden der Einsamkeit und Langeweile in ihren unwohnlichen Zellen und den kahlen Kreuzgängen hinwegtröstete. Der Wein war der treue Genosse der Mönche, den sie um nichts in der Welt hätten missen mögen. Ihrer Sorge um den Weinbau verdankt die Nachwelt so viele der edelsten Tropfen, so daß der Zecher, weß Glaubens er auch sei, schon um dieses so schwerwiegenden Verdienstes willen, den Klerikern aufrichtige Dankbarkeit zu zollen gehalten sein sollte.[93]
Die Herren mit der Tonsur pflegten und rodeten die an den sonnigsten Geländen angelegten Weingärten, veredelten die Traube[118] und zierten sich keineswegs, wenn ihnen fromme Gemüter als Angeld auf zukünftige Seligkeit reiche Geschenke an Geld und Weingütern vermachten. Auch Karl der Große schenkte der Geistlichkeit Weinberge im heutigen Burgund. So kam es, daß einzelne Klöster an Reichtum selbst die Landesherrn übertrafen. Fulda, St. Gallen, Lorch bei Worms, Hirschau, Maulbronn u. a. m. besaßen neben Schätzen von unendlichem Wert noch tausende Morgen Landes mit Weinbergen, Äckern, Wiesen und Waldungen, Riesenherden von Vieh und hunderte Dörfer mit ihren Insassen. Da die Kleriker aufs beste für ihr Besitztum sorgten – »unter dem Krummstab ist gut wohnen«, besagt ein altes Sprichwort – so konnte es nicht ausbleiben, daß die reichen Erträgnisse klösterlichen Eigens weltliche Gutsbesitzer und schließlich auch die Bauern zur Nacheiferung der mönchischen Ökonomie anspornten. Es ist daher eine nicht wegzuleugnende Tatsache, daß die Klöster der Entwickelung der deutschen Landwirtschaft die wichtigsten Dienste geleistet haben. Sie besaßen die ersten und viele Jahrhunderte hindurch die einzigen Musteranstalten für rationellen Landbau, Obst- und Weingärten und Viehzucht, wie sie die alleinigen Hüter weltlicher und geistlicher Gelehrsamkeit waren.
So ist der Rüdesheimer Weinbau, 864 begonnen, mönchischer Herkunft. Benno[119] von Meißen (1010–1107), der 1523 trotz Luthers Protest in seiner Schrift »Wider den neuen abgott und alten teufel, der zu Meißen soll erhoben werden«, saecularisiert wurde, brachte 1073 Reben nach Thüringen, und bald darauf, 1128, erhielt Pommern durch Otto von Bamberg den Weinbau, den der harte Winter von 1437 für immer vernichtete.
Fleißigen Klosterleuten verdankt auch die Perle der deutschen Weine, der Johannisberger, sein Dasein. »Vor tausend Jahren, in der Mitte des neunten Jahrhunderts, saß auf dem erzbischöflichen Stuhl in Mainz Rhabanus Maurus … Die Schiefergebirgkuppe, auf dem Rheinspiegel zugeneigter Südseite, wo jetzt der Schloß-Johannisberger wächst, war damals noch eine wüste Fläche, bewachsen von Wachholdergebüsch und wilden Reben, ein Lieblingsaufenthalt nicht der Menschen, sondern der Krammetsvögel. Da diese Kuppe ein erzbischöfliches Allod war, so führte sie den Namen Bischofsberg.«
Dem heiligen Nicolaus, dem Patron der Schiffer, stiftete Erzbischof Rhabanus nun eine Kapelle auf dem Gipfel jenes Hügels, welche der durch die Schnellen des Bingerloches bedrängte Schiffer überall vom Rheinstrom aus sehen konnte.
Im Jahre 1106 verwandelte Erzbischof Ruthard von Mainz diese Kapelle in ein Benediktiner-Mönchskloster, dessen erstes[120] Geschäft die Pflanzung von Reben war. Das neue Kloster wurde reich durch Schenkungen Richolfs, des letzten der Rheingrafen, mit dem der altehrwürdige autochthone Dynastenstamm erlosch. Um für verschiedene Missetaten, die er gegen »Seiner Majestät getreue Kammerknechte«, die Juden von Mainz verübt, der Strafe des Himmels und der Rache des erzürnten Kaisers zu entgehen, schenkte er den Benediktinern Ländereien und Gefälle und da er jene Straftaten am St. Johannistage verübt, so nahm auf sein Begehr das Kloster Johannes den Täufer als Schutzpatron und änderte seinen Namen aus Bischofsberg in Johannisberg. Das von ihm gleichfalls auf dem nunmehrigen Johannisberg gegründete Nonnenkloster verlegte der Rheingraf nach einem Neubau am Fuße des Berges, der St. Georgen-Klause.
Schon um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts spielte der Johannisberger eine glänzende Rolle. Die deutschen Kaiser unterstützten die Arbeit des Klosters durch mannigfache Privilegien und Schutzbriefe, namentlich erfreute es sich der Zollfreiheit für seine Weine. Bei dem rheinischen Adel gehörte es damals zum guten Ton, der Abtei letztwillig zu gedenken. Die rheinischen Bauern leisteten ihr freiwillig reichliche Naturalleistungen und sonstige Gaben, denn der Ruhm des Johannisberger Weines erfüllte auch seine Landsleute mit Stolz.
Doch das Lob, das allerorts dem Weine von Johannisberg gespendet wurde, verscherzten sich seine Winzer durch ihr Betragen. 1462 wurde das Nonnenkloster wegen der Zuchtlosigkeit seiner Insassen aufgelöst und den Mönchen ging es nicht viel besser. Sie wurden liederlich, vernachlässigten die Weinkultur, die zurückging, wodurch ihr Kloster so starke Einbußen erlitt, daß sie nahezu verarmten. Nach verschiedenen wechselvollen Schicksalen wurde das Kloster 1552 von dem wilden Markgrafen Albrecht von Kulmbach in Asche gelegt, dann wieder aufgebaut und nochmals im dreißigjährigen Krieg von den Schweden dem Erdboden gleich gemacht. 1641 verpfändet an den Reichspfennigmeister Hubert von Bleymann, dann von Napoleon (1807) an den Marschall Kellermann verliehen, kam das Weingut 1816 an den Fürsten Metternich.[94]
Ein gefährlicher Rivale erstand dem Johannisberger in dem 1177 von Mönchen der Cisterzienser Abtei Eberbach angelegten Weingarten Steinberg.
In den Kellern dieser Stiftung Bernhards von Clairvaux lagerten ehemals die edelsten Weine des Herzogs von Nassau. Aus einer achtzig Morgen großen Wüstenei, die die Mönche mit eigener Hand urbar gemacht und mit einer zwölf Fuß hohen Mauer umzogen, erwuchs den Eberbachern ein Ertrag,[122] der sie zur Zeit der Hansa und des rheinischen Städtebundes zum bedeutendsten Weingroßhändler der Erde machte, dessen eigene Schiffe das Weltmeer befuhren, deren berühmtestes »die Ebersbacher Sau« benannt war.
Weitere berühmte Weinsorten in Mönchshänden waren: die berühmte Blume des Hocks, der Hochheimer, der Domdechanei von Mainz; der auf die charakteristischen Bocksbeutelflaschen abgezogene Stein- und Leistenwein erwuchs in der Nähe der Stadt und ganz nahe an den Wänden des Schlosses der Fürstbischöfe von Würzburg.[95]
Als der deutsche Ritterorden die Eroberung Ostpreußens vollendet hatte, zog er Kolonisten aus den benachbarten sächsischen und wendischen Staaten herbei. Besonders der Hochmeister Winrich von Kniprode – nomina sunt odiosa; Win-rich gemahnt an Wein wie Knip-rode an Kneipe – ließ für schweres Geld erfahrene Winzer aus Italien und Süddeutschland kommen, um Weinberge bei Rastenburg, Lüneburg, Polska, Hohenrode, Tapliau und Thorn anzulegen. Selbst in Memel, Tilsit und Königsberg wurde Eigenbau getrunken. Im Jahre 1379 belief sich die Ernte aller Weinberge des Hochmeisters auf sechshundertacht Tonnen, die teils eingekellert, teils ausgeschenkt wurden. Vor allem versorgten die Weinberge[123] bei Thorn die Ordensritter mit Wein zur Messe und zu den Gelagen. Als Herzog Rudolf von Schwaben (1363) in der Marienburg als Gast weilte, mußte der Mundschenk beim Schluß der Tafel einen großen goldenen Becher mit Thorner füllen, den zuerst die Gäste, dann der Hochmeister und zuletzt die Ritter auf gut Kriegsglück leerten. Da rief Rudolf: »Langt mir noch einmal den Becher her! Der Trank ist Öl, davon einem die Schnauze klebt!« Und den neugefüllten Pokal leerte der Bayer unter dem hellen Jubel der Zechkumpane auf das Andenken Kaiser Ludwigs des Bayern.
Seitdem die Weinkultur in Ostpreußen verschwunden ist, bildet die Mark Brandenburg die nördlichste Weingrenze Europas. Im sechzehnten Jahrhundert erlangte der märkische Weinbau seine höchste Blüte. Von der Quantität des hier gezogenen Weines kann man sich einen Begriff machen, wenn man die alte Nachricht liest, daß ein einziger Weinberg bei Tasdorf hundertfünfzig Tonnen Wein ergab. Wie die Qualität war, darüber schweigt sich allerdings mein Gewährsmann gründlich aus.
Riesenthal und Oderberg in der Mark hatten zwanzig Tonnen weißen und ebensoviel roten Wein an das Berliner Joachimsthalsche Gymnasium für die Lehrer und Schüler zu liefern, und in der Neumark war der Landwein billiger als das Krossener Bier.
Durch die zielbewußte Feldwirtschaft der Geistlichkeit konnte eine Überproduktion nicht ausbleiben. Sie heimsten weit mehr Naturalien ein als sie selbst verbrauchten. Wenn auch ein Teil ihrer Erträgnisse darauf verwandt wurde, die Vorratskammern ihrer Gönner zu füllen, oder durch Verteilung neue Freunde zu schaffen – wie jener Abt von Citeaux, Jean de Bussières, von Papst Gregor XI. in Avignon als Gegenleistung für dreißig Fässer Beaune und Chambertin den Kardinalshut erhielt – so reichten in besonders gesegneten Jahren die groß angelegten Speicher und Keller der reichen Abteien und Stifte nicht aus, die Ernte aufzunehmen. Im Kloster St. Gallen nahm im zehnten Jahrhundert der Weinvorrat derartige Ausdehnung an, daß volle Weinfässer, von Hütern bewacht, unter freiem Himmel lagen und sich höherstehende Leute Rotwein zu trinken weigerten. Eines dieser reich gesegneten Jahre war 1332, das eine unerhörte Fülle von Wein brachte. Raudisacker bei Würzburg sandte als Zehnten zweihundertsechzig Fuder, ein Jahr später nur zwölf Fuder an die geistliche Herrschaft. »Was vil wins gewaisen, den man noimpde den bodenwin«, sagen die Kölner Jahrbücher darüber.
Wie diese Raudisacker waren unzählige andere Dörfer der Geistlichkeit zins- und frohnpflichtig, denn die frommen Herrn hatten von jeher den bekannten guten Magen,[125] den sie sich um so voller stopften, als in der Zeit vor der Reformation die Ehrfurcht vor Kutte und Tonsur alle ihre Übergriffe guthieß. Das Gebahren der Klerisei war zu lukrativ, um nicht in den Kreisen der Feudalherrn, von hoch oben an bis herab zum Ritter, der auf seinem halbverfallenen Steinhaufen ein armseliges Leben führte, begeisterte Anhänger und Nachtreter zu finden.
Und als die Güter der Geistlichkeit ins Ungemessene gewachsen waren und sie trotz ihrer Unzahl – gab es doch zu Luthers Zeiten zwei Millionen vierhundertfünfundsechzigtausend Mönche und etwa zweihunderttausend Nonnen in Deutschland – außer stande waren, alles selbst zu bewirtschaften, zwangen sie ihre Pächter zur vollsten Abhängigkeit. Erhielten diese Winzer, wie schon zu Karls des Großen Zeit, den Auftrag, durch Aushängen des Blätterkranzes anzuzeigen, daß der Wein trinkbar sei, so handelten sie doch immer nur als Diener ihrer Herrschaft, die sich das Recht vorbehielt, den erteilten Befehl gegebenenfalls zu widerrufen. Dieses Recht dehnten die Herren schließlich über ihr ganzes Gebiet aus, ohne Rücksicht darauf, ob die Weinberge ihrer Domänen ihr Eigentum, oder ihren freien Untertanen gehörten. Dieser Weinbann zwang sogar größere Städte mit Weinbau und Weinhandel sich durch bedeutende[126] Abgaben von dieser Last zu lösen. So mußte Straßburg 1252 von ihrem Bischof den Weinbau um vierhundert Mark Silber, etwa sechzehntausend Mark erstehen. In Mainz hatten um 1300 die »Weinschröter« die Verpflichtung, dem Erzpriester jährlich drei Karren Wein als Ablösung zu liefern. Speyer wußte sich schon 1182 durch ein königliches Privileg vom Weinbann zu befreien.[97]
Der Weinbann nahm übrigens, wie fast alle anderen derartigen, gewissen Sonderinteressen dienenden Privilegien durch den Übermut ihrer Diktatoren recht bizarre Formen an. So gehörte der Weinbann zu Münster dreimal des Jahres, zu Weihnacht, Ostern, Pfingsten, jedesmal durch »vierzehn Nacht« dem Abt von St. Gregoriental. Sobald eine dieser Zeiten naht, haben Schultheiß und Ratsherrn die vom Abt zum Verkauf zu bringenden Weine zu prüfen, ob sie auch aus dem Weinberg des Gotteshauses stammen, denn das Recht, fremde Weine zu verkaufen, hat er nicht. An dem Abend aber, da der Bann des Abtes anhebt, muß der Schultheiß mit dem Weibel die »Tavernen« der städtischen Weinschenken durchmustern, ihre Fässer zuschlagen und in irgend einer Weise zeichnen, daß man sie nicht unbemerkt öffnen und wieder schließen könne. Man nannte das dort »die Fasse brigelen«. Wer in der genannten Zeit das unter solche Sperre[127] gelegte Faß dennoch öffnete, der hatte dem Abt sechzig Schilling Buße zu zahlen, »so oft er den Zapfen ziehet«[98] oder den Strich über dem Zapfen – daher der Name »Zapfenstreich« – verlöschte.
Wie in Münster, so schloß auch anderswo der Ausschank des Bannweines den Verkauf jedes anderen Getränkes aus. »Und welcher den banwein hait uns schenckt, der hait die Freiheit zu fischen, zu jagen, voglen, brottbacken und metzlen, wess er zu seine wirtschafft benötiget ist und nit weiter … Ess soll auch ein jeglicher inwhoner schultich sein umb ein recht ein maß weins bey ime zeholen, es were dan sach, das der wein ze deuer were und nit betzalen kundt; und welicher dass nit thett, so hett der wirdt macht ime ein mass weins zum hünerloch in ze schöden, und most sie ime bezalen.«[99]
Ja die Herren von anno dazumal waren noch ganz andere Kerle wie die armen vielverlästerten »Ringmänner« der Gegenwart. Wenn die sich erst mal auf die Hinterbeine setzten und zu befehlen anfingen, so hörten sie erst gar nicht wieder auf. Sie gefielen sich häufig in Verordnungen, die so recht den ganzen Übermut eines an Größenwahn streifenden Machtbewußtseins spiegelten, das mit den wehrlosen Untergebenen wie mit fühl- und vernunftlosen Puppen umsprang. Ein markantes, wenn auch die Geschichte[128] des deutschen Durstes nicht berührendes Beispiel gibt ein Erlaß in einem der Weistümer von 1442. Dort heißt es: »Und geburt meyner Frauwen der graffynne zu Folkelingen zu lygen, so sollent die frosche sweygen das sie myn Frauwe nit wecken«.[100] Da nun die sangeslustigen Frösche nicht respektvoll genug gewesen sein dürften, den Schlaf der holden »graffynne« als vollwichtigen Grund zum Schweigen anzusehen, so werden wohl die armen Bauern ihre Nächte damit zugebracht haben, die Teiche, Sümpfe und andere Froschkolonien mit Gerten zu schlagen, um die Frösche in Furcht zu jagen und dadurch ihren melodischen Gesang zu verhindern.
Natürlich regelten diese Miniaturherrscher und vollständig ausgewachsenen Tyrannen auch haarklein die ihnen seitens der Bauern zu leistenden Arbeiten und Lieferungen. Ein Überschreiten dieser Pflichten wurde huldvollst übersehen, eine Vernachlässigung aber grausam bestraft. So bestimmten sie ganz genau, wie sie selbst oder einer ihrer Abgesandten auf dem Bauernhof aufzunehmen, welche und wieviel Speisen und Getränke vorzusetzen seien.
Der Probst des Klosters Ölenberg im Elsaß hatte 1354 auf dem Hof St. Lukart Anspruch auf zwei Mahlzeiten mit »nuwen wine« in »wiss schenckbecher« und »krachend bette«. In Beyenheim bei Friedberg in der[129] Wetterau erhielt der Vogt 1455 ein gesottenes und gebratenes Huhn und »ein maas Firnischen weins, der Knecht ein maas Hanauischen wein«.[101] Nach dem Weistum von Borne und Crüftel[102]: »sol man holenn zu Epstein zwaierley fleisch mit guter wurtz (Würze) wol gekocht, unndt ein pfund licht, guten frenkischen wein in ainem hultzern becher mit ainem raiff«. In Faha (1462) soll der Besucher Feuer ohne Rauch, einen schönen gedeckten Tisch »schonen brotz (Brot's) genungh, zweierlei wein des pesten genungh«, dreierlei der Tageszeit angemessene Speisen finden. Im Jahre 1529 war die Speise schon auf »sebenerley Kost geduppelt«, aber der »zweyerley wein« beibehalten. Zu Pellingen verlangte die Herrschaft »ein schmeckigen glass schönen wein, so in dem jahr gewachsen ist«, und derartige Verordnungen wiederholten sich in beinahe allen Weistümern.
Die Überproduktion von Lebensmitteln der geistigen und weltlichen Großgrundbesitzer hatte einen schwunghaften Handel zur Folge, dessen sich aber die aufblühenden Städte zu bemächtigen wußten, da sie als Zwischenhändler, als Vermittler zwischen Produzenten und Konsumenten, auftraten. Besonders der Weinhandel erwies sich bald als äußerst gewinnbringend, wenn auch die Preise, je nach der Ernte, ganz außerordentlichen[130] Schwankungen unterlagen. In Württemberg kostete ein Eimer alter Wein im Jahre 1426 dreizehn Kreuzer, während man 1484 eine Maß für ein Ei erhalten konnte. Noch wohlfeiler war er:
Wie Schultze erzählt,[103] kam im genannten Jahr ein Edelmann auf den Gedanken, statt seinen alten Wein wegzugießen, ihn von seinen Bauern in der Frohne austrinken zu lassen. Ungemessen strömte am Tage dieser »Arbeit« der Rebensaft die durstigen Kehlen hinab und stieg von dort in die Köpfe der Bauern. Händel und Verwundungen waren die Folge und die Geldstrafen für diese Ausschreitungen strich der Edelmann als Gerichtsherr ein, wodurch ihm sein Wein besser bezahlt wurde, als wenn er ihn verkauft hätte. 1287 soll in Heilbronn das Fuder Wein nur zweiunddreißig Kreuzer gekostet haben. In den besonders fruchtbaren Jahren 1420 bis 1429 mußte man mehrere Male ins Wirtshaus gehen, um überhaupt eine Zeche machen zu können. In Urach ließ einmal ein Wirt ausrufen, man könne bei ihm für einen halben Batzen vom Morgen bis zum Abend trinken. Als in Ulm der Münster gebaut wurde, (1377 bis 1494), war in manchen Jahren der Wein so billig, daß die Bürger nur in großer Gesellschaft die Kneipen besuchten, so daß heute der, morgen jener die Zeche bezahlte.[104][131] Das war eine schöne Zeit, aber leider:
Freilich sind solche Weinjahre gerade wie in der Gegenwart nur Ausnahmen gewesen. Zu gewöhnlichen Zeiten hielt sich der Preis auf einer der Ware angemessenen Höhe, wozu noch das tief eingewurzelte Zunftwesen im Verein mit der behördlichen Bevormundung dem Weinhandel, wie jeder anderen Handelsart, allerlei Hemmnisse zu bereiten sich bemühte. Dies war um so schlimmer, als die Weinhändler hauptsächlich auf den Export nach fremden Städten angewiesen waren. Verbot so ein Stadtrat schon den Kaufleuten seiner eigenen Gemeinde alles mögliche, wie erst den zugereisten Fremden!
Von allem in der Stadt verzapften Weine mußte eine Abgabe gezahlt werden, und wer sich fremden Wein kommen ließ, mußte auch von ihm, wie uns die Ausgabenotizen Anton Tuchers beweisen, der Stadt seinen Zoll entrichten. Eine Meile um die Stadt sollte kein Wein verzapft werden, damit die Gemeinde nicht um ihr Ungeld kam, und die Heckenwirte, die dies dennoch versuchten, wurden streng bestraft.
In Straßburg im Elsaß war 1631 auch den einheimischen »Wein-Zäpfnern, Küeffer und Weinhändlern« der Weinverkauf außerhalb der Markttage verboten. Den Landleuten[132] war streng untersagt, ihre Weine in kleinen Gebinden anderswo als auf den gemeinen Weinmärkten auf dem »Grau- und Parfüßer Platz« an den Mann zu bringen.[105] Zu Leipzig mußte nach dem Ratsbeschluß vom 10. Oktober 1464 jeder, der im Weichbilde der Stadt Wein schenken wollte, dem Bürgermeister ein Nösel, d. i. eine halbe Kanne »Kostwein« und von je zwei Fässern verzapften Weins noch »ein halb stobichin«, d. h. über eineinhalb Liter »setzewin« abgeben.[106]
Am strengsten suchte man aber jenes kaufmännische Gebaren zu unterdrücken, das man heute fixen nennt und auch jetzt noch so grimmig haßt.
In den Straßburger Polizeiordnungen wird das Aufkaufen des Weines vor der Reife vom sechzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert immer wieder mit einer, einer besseren Sache würdigen Konsequenz verboten. »Montags, 19. Julii 1518« erneuern z. B. die »Räthe und die Einundzwanzig« das Mandat von 1515, daß niemand vor dem Herbst Wein »uff ein gesunderten schlag fürkaufen oder bestellen soll«.
»Mitwuchen Sanct Johanns Baptiste obend« (Juni 23.) verbietet dieselbe Behörde Früchte, Wein, Korn, Getreide auf dem Felde zu kaufen oder auf Mehrschatz zu verkaufen, d. h. den mutmaßlichen Ertrag der Ernte zu veräußern.
sagt Murmer[107] tadelnd von dem Menschen, die »mit dem Judenspieß rennen«, also wuchern.
Auch das Entgegengehen den Verkäufern vor die Stadttore, »das Grempen«, das auch Murner mit grimmem Hasse verfolgt,[108] war den Behörden ein Dorn im Auge. 1627 wird in Straßburg zur Denunziation der Vorkäufe aufgefordert und dem Angeber der vierte Pfennig des Strafgeldes zugesichert.
Der größte Weinhandelplatz des Mittelalters war Ulm. Der württembergische Wein ging über diese hochangesehene Stadt nach dem übrigen Süddeutschland bis nach Ungarn. Anfangs lag auch hier der Weinhandel in den Händen der Mönche. Als er aber ein freies, bürgerliches Gewerbe geworden war, gelangte er zu solcher Blüte, daß die Kaufleute Ulms einen eigenen Weinhof und sog. Weinstadel errichteten. Um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts war Erasmus Rauchschnabel der Weinmatador Ulms. Er hatte mitunter bei Kaiser Maximilian II. und anderen hohen Herren solch bedeutende Summen für gelieferten Wein ausstehen, daß ihm öfters Ländereien und ansehnliche Güter als Unterpfand gegeben wurden.[109]
Wie mit den württemberger handelte Ulm schon früh mit Rhein-, Main-, ausländischen und Kräuterweinen. Zu Beginn des siebzehnten[134] Jahrhunderts belief sich oft der Weinumsatz in Ulm auf achthundert Fässer an einem Tage, der sich aus den mannigfaltigsten Sorten zusammensetzte, denn die Weinkarte des Mittelalters war mindestens so reichhaltig wie die der Gegenwart.
In Leipzig wurden 1443 verkauft »Reynfal, Welschwyn, Malmasie und Rummenie«, also Wein aus Istrien, vielleicht aus Rovigno, den Fischart in seiner »Aller Pracktick Großmutter« erwähnt, von Italien, von Monembasia und von Griechenland. 1462 wird außer den genannten auch des Passeners oder Passowners gedacht, wohl der altberühmte Bozener, den die Bewohner jener Stadt 1155 dem Kaiser Barbarossa, als er sie auf seinem Italienzug besuchte, als Willkommentrunk darboten, wodurch diesem edlen Gewächs die Ehre widerfuhr, von Otto von Freising in seiner Geschichte Friedrichs des Rotbärtigen verewigt zu werden.[110]
Ferner erscheinen noch unter den fremden Weinen der Elsässer und der Rheinische. Der »Ihenische wyn, Kotesberger – aus Kötschenbroda – Frankenwyn und Elsessir« sind gleichfalls 1452 in Leipzig zu haben. Anton Tucher in Nürnberg besaß nach seinem Wirtschaftsbuch, in dem der reiche Patrizier alle seine Ausgaben sorgsam aufzeichnete: Frankenwein, Neckarwein, Tauberbischofsheimer, Neuenstadt am Kocher, Rheinwein von Landau, von St. Martin bei[135] Boppard, dann Rinkauer, Speierer, von dem es hieß:
Elsässer, Heidelberger, dann Weine von der Bergstraße und von Heiligenstadt, Tauberwein, Wertheimer, Königsberger, aus Rausche bei Forchheim. Dann Erfurter, der 1336 noch so sauer war, daß er die eisernen Schnauzen der Gefäße, aus denen er gegossen wurde, abgefressen haben soll, während er später zu einer vielbegehrten Sorte wurde, und natürlich den »herrlichsten von allen«, den Rheinwein, »des Rheines Rebenblut«, wie er im Waltarilied benannt wird,[111] dem die Helden des Nibelungenliedes mit Vorliebe zusprachen[112] und dem schon in Clara Hätzlerins Gedichtsammlung aus dem Jahre 1471 der Sang ertönt[113]:
Dem Pfälzer Wein singt der geistvolle Gelehrte Nicodemus Frischlin (1547–1590) 1575 ein Loblied, aus dem hervorgeht, daß man auch damals die Tugenden des Elfingers, Hippachers, Beutelsbachers, Felbachers und Beinsteiners zu schätzen wußte.
Bei der großen Liebe, die man dem Wein allenthalben entgegenbrachte, konnte es nicht ausbleiben, daß man ihn mit allerlei Kosenamen belegte, von denen Johannes Fischart in trunkenem Gespräch seiner »Geschichtsklitterung« folgende aufzählt: Herzenssaft, Herzenssälble, Erdenblut, Leberfrist, Lungenschwamm, Kragenspülerle, Stirnstößerle, Lungenbädlein, Fußfinderer, Vettelnkutzler, Bettlerbett, Himmeltau, Rebenbrühlein, Bankpfühlbelein, Gaumenkitzel, Netz den Gaum, Mayenreglein, Herbstmellin, Aprillenbädlein, Wintergrün, Wendunmut, Wintermayen.« Diesen Bezeichnungen fügt Hegendorfius noch den Namen »Leidvergiß« zu.
Von fremdländischen Weinen wies Tuchers Keller auf: »Osterwein – österreichischen – heinischen, d. h. hunnischen, in diesem Fall wohl ungarischen Wein, Veltliner, Reinfal aus Istrien, den auch Tuchers Landsmann Michael Behaim bezog, Muskateller, Malvasier, den malfasy des dreizehnten Jahrhunderts und andere Süßweine.
Peter Suchenwirt, der Minnesänger, gedenkt der Südweine: »Die tisch sach man beraten mit welchisch und mit oster wein, Chlarn Raifal schanckt man ein« und »Nur Wippacher (Kärnthner) und Reinfal Und Lutenberger (Steirischen) guten wein«. In Nürnberg wurde Lackwein, süßer, durchgeseihter Wein feilgehalten,[114] dann Schabernac,[137] ein italienischer Wein, vielleicht aus Capranica bei Viterbo.[115] In Bremen gab es im sechzehnten Jahrhundert Petersymen – Pedro Ximenes – Bastert, aus Spanien, Wyn Teynd – vino tinto – und Seck oder Weinseck, vermutlich aus Xeres.[116]
Von deutschen Weinen finden sich noch als vielbegehrte Sorten: »lantweyn in Slesien gewachsen«, Gubener, Neumarker, Crossener, Oderwein aus Frankfurt, der viel exportiert wurde und noch viele andere, nach ihrer Herkunft benannte Sorten. Hermann von Sachsenheim, eine feine Zunge, dessen Gedicht »Moerin« von Weinsorten wimmelt, sagt: »Den besten win, Den ich zu Botzen getranck« (Vers 5568), dann spricht er von »malfasy« in einem »Behembschglaß«, dann wieder (Vers 1654) »Ich main, es riech uß dir der win, Den nechten trunkt uß Rummeny« und (Vers 2834) »Dis ist der allerbeste win, der dort in Rummeny ye gewuchs«.
Unsere üblichen Weinkarten finden wir zuerst im 17. Jahrhundert, und zwar in der Form reichgeschnitzter, mit Karyatiden und Traubenbehang gezierter buntbemalter Holztafeln, auf denen auf schwarzbemaltem Untergrund die Namen der Weine in weißer Farbe verzeichnet waren, und zwar folgende Sorten: Rhein-Wein, Mossel, Döningerbleicher, Wertheimer, Hasslacher, Stein, Leuten, Margräfler, Kräuter. – Schampagner weißer und roter.[117] – Bourgogne, weiß und[138] rot, Pontack; Medock, Mouscat, weiß und rot, Lünel, Frontignant, Mallaga, Sect,[118] Alicant, spanischen. – Eine andere, einige Jahre später, verzeichnet noch außerdem: Cortibenedicten, Wermut, spanischen Sect und Meth, weiß und rot. Die exotischen Weine waren aber viel zu teuer, um selbst von wohlhabenden Leuten ständig getrunken werden zu können. Sie werden daher nur zum Nachtisch gereicht worden sein, während man sich als Tischtrank billigeres Gewächs munden ließ. War der einheimische zu sauer, so versüßte man ihn mit Honig und setzte ihm Gewürze zu, wodurch er zum Lautertrant, Lûtertrank, den Moerin (Vers 2836) als »ouch gar suoß« hinstellt. Mit Gewürzen wüstete man bekanntlich im Mittelalter sowohl in der Küche wie bei der Trankbereitung. Mischte man doch aus feingestoßenem, durch Leinwandsäcke geseihten Pfeffer in Verbindung mit Honig und Wein den Piment oder Pigment genannten Würzwein; aus denselben Ingredienzien und Zimmt den vielgerühmten Hypokras. Ein Rezept zu diesem Mischtrank finde ich in M. Gualther H. Ryffs Kochbuch von 1540, von dem Scheible einen Auszug mitteilt:[119] »Ist ein gemeiner Trank des Morgens nüchtern zu trinken, wird gewöhnlich in allen Apotheken bereit gefunden, sunderlich Winters Zeit; von Zimmet, Ingber, Zucker und gutem rothem Wein bereittet, auf diese[139] weiß: Nimm des besten Zimmets 1½ Loth, guten weißen Ingber 1 Loth, Galgant ½ Loth; stoß zu Pulver, schütt in einem Glas ein wenig Wein darüber, laß über nacht stohn, des Morgens thu noch 1½ Maß Wein dazu, Zucker so viel du wilst. Etliche stoßen auch diese Würze zusammen: Nimm 4 Loth Zimmet, 2 Loth Ingber, 1 Loth Paradieskörner, ½ Loth Galgant, Nägelein, Muscatnuß, Cubeben, Cardanum, jedes 1½ Quintlein; von dieser gestoßenen Würz nemen sie 1 Loth auf ein Maß und ½ Pfund Zucker minder oder mehr nach ihrem Gefallen, danach der Ypocras stark sein soll, vermischen den gestoßenen Zucker kalt unter den Wein und das gewürz, lassens durch ein wullin spitzig Säklin lauffen dazu bereit«.
Außer den Rebenweinen waren auch Frucht- und Kräuterweine vielbeliebt.
Der Fruchtwein wurde bald aus Birnen, bald aus Äpfeln bereitet. Sein Name war lît. Im »Buch der Rügen« heißt es Vers 779 »Mîdel (meide) auch daz lîthûs«. Im Meier Helmbrecht »Viel süeze lîtgebinne Ir sult uns füllen den maser (Holzbecher).[120]
Birnenmost trank man vornehmlich in Bayern. »Ir birnenmost den tranc ich alsô swinde« sagt Neidhard von Reuenthal. »Lâz Beyer trinken bîremost« heißt es im Siegfried Helbling (III 233). Apfelwein scheint aber weitaus beliebter gewesen zu sein. War der Apfelwein zu sauer, so behandelte man auch[140] ihn mit Zusätzen von Honig und Gewürzen.[121] Außerdem gab es auch Kirschen-, Schlehen-, Heidelbeer-, Stachelbeer-, Johannisbeer- und Brombeer-Weine. Von den Kräuterweinen blieb der, besonders gut in Bacharach aus der Alantwurzel (Inula) bereitete Alantwein bis um die Mitte des verflossenen Jahrhunderts beliebt, während andere Arten, deren »furnemsten und bräuchlichsten« waren: Rosmarin-, Salbei-, Hirschzungen-, Ysop-, Bethonien-, »Mayeron-«, Augentrost-, Bimpernellen- oder Schlutten-, Absinth-, Sinopel-, Melissen-, auch als Augenheilmittel beliebt, um »Augen lauter und klar zu machen«, und Sponwein im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert für immer von der Bildfläche verschwanden. So der einst so hochgeschätzte Moras (vinum moratum), das Ideal aller Leckermäuler der Vergangenheit. Das Nibelungenlied[122] erwähnt den Moras, wie der Parzival, wo es heißt:
Dieser Moras war eine Mischung von Heidelbeer- und Rebenwein, demnach eigentlich eine Verfälschung von Wein durch Heidelbeersaft. Ein gleiches Schicksal widerfuhr auch den Fruchtsprossen oder Julep, die man aus Rosen, Veilchen, Sauerampfer,[141] Citronen, Apfelsinen, Granatäpfeln, Erdrauch, Wermut, Essig usw. erzeugte und an Stelle unserer Liköre reichte.
Kirchlicher Vorschrift gemäß war an Bußtagen und während der Fastenzeit bis zum neunten Jahrhundert der Genuß von Wein oder Met untersagt. Nur Most oder Bier war erlaubt.[124]
Weinverfälschungen waren schon in der frühesten Zeit der Weinbereitung im Schwange. Karl der Große, Friedrich II. und Ludwig der Bayer erließen strenge Gesetze gegen diese Frevel, ohne aber viel zu erreichen. Auch Gregorius von Tours gedenkt mit Schmähworten der habsüchtigen Weinfälscher.[125] Besonders im fünfzehnten Jahrhundert häufen sich die Klagen gegen die Weinpanscher. 1427 hatten zwei Kaufleute Nahewein »gevelschet up den brunst ind op de vorwe« und in Köln verkauft. Man warf sie ins Gefängnis, schenkte ihnen zwar das Leben, brannte sie aber durch beide Backen und in den Nacken und peitschte sie mit Ruten aus der Stadt. Das war um Weihnachten geschehen, aber im März wurde derselbe Betrug nochmals versucht. Acht Jahre später mußten im Ewigen Köln ein Weinschänker mit seiner Frau gebunden auf einem Faß unter dem Kax (Kaak), dem Pranger, sitzen, weil sie gesottene Beeren in den Wein getan. Die aufgeweichten Beeren waren ihnen wie Paternoster (ein[142] Rosenkranz) um den Hals gehängt. Nach abgebüßter Strafe verwies man sie der Stadt.[126] Der Hansetag von 1447 beschloß nach Köln, Bingen, Frankfurt und Straßburg zu schreiben, die elende Wasserplumperei einzustellen und den Wein ganz so zu belassen, wie ihn Gott wachsen ließ. In Ulm mußte jeder Weinwirt schwören, daß seine Weine echt seien und weder er, noch sein Weib, noch sein Knecht, noch sonst Jemand in seinem Namen ein Gemächt von Weidaschen, weidaschiger Lauge, Kalk, Senf, Senfkorn, Speck, Scharlachkraut, Birn- und Apfelmost, Bleiweiß, Quecksilber, Heringkraut oder Vitriol gemacht habe.
sagt Johannes Fischart in seiner »Geschichtsklitterung«.[127]
In Straßburg i. Elsaß war es nicht so streng wie an anderen Orten. »1528 Montags den letzten Novembris« verbietet »Jacob Zorn zum Rieth der Meister und der Rath« die zum Verkauf gebrachten Weinfässer unterwegs anzustechen und mit Wasser aufzufüllen bei strenger Strafe.[128] Die auf dem Rottenburger Konvent von 1487 erlassene Weinordnung bestimmt: »wo aber yemanz,[143] wär der wär geistlich oder werentlich (weltlich), erfunden würd, der ainicherley Gemächt, nichzig ußgenommen, denn allein die obgeschriebene Zulassung des Swebels (Schwefels), in die Win oder Faß thätt, machte oder zu thun bestellte, es wäre vor oder nach dem Ablaß, durch sich selbs oder jmantz ander, demselben sollen zuvörderst von Stund an, an den Enden, da sollich Win gefunden, den Faßen die Boden ußgeschlagen, und der Win verschütt, und dazu ain yeder zu yedenmal von siner Herrschaft, mit nachfolgender Peen, nehmlich hundert Gülden rinisch gestraft werden.«[129]
Wie dem armen Wein seitens der Täufer ansonst noch mitgespielt wurde, erfahren wir aus einem der zwanzig Weinsegen Hans Rosenblüts, in dem es heißt:
Durch den Zusatz von Giften kamen selbstverständlich hier und da Leute zu Schaden. Wurde ein solcher Giftmischer ertappt, dann ging es ihm wie dem Weinfälscher Erni, der 1706 in Stuttgart öffentlich enthauptet wurde.[131]
Das Süßen sauren Weines durch Zucker und Honigzusätze, wie die Fabrikation von teueren Weinen aus billigeren Sorten, was 1720 in Hamburg ausdrücklich verboten wurde, sowie die Umarbeitung von Kräuter- und Fruchtweinen in »echten Rebensaft« war allgemein bekannt und überall, wo Wein gehandelt wurde, gebräuchlich.
Wenn die Behörden dahinter kamen, wurde allerdings der Wein vernichtet oder den Armenhäuslern preisgegeben – für die war das geschmierte Zeug noch lange gut genug – aber wie selten wurden in jener chemielosen Zeit die Panscher überführt. Nur der unglaublich gute Magen ihrer Zeitgenossen bewahrte viele der Weintäufer vor dem Schicksal ihres Genossen Erni.
Hohem Besuch brachte der Rat einer Stadt als Ehrengeschenk sehr häufig Wein dar, der entweder durch seine Güte oder[145] durch die Menge des Geschenkes imponieren sollte. Als Kaiser Sigmund 1414 nach Straßburg kam, schenkte ihm der Magistrat drei Fuder Wein und »ein silbern übergült Gießfaß wohl werth«. Herzog Heinrich von Liegnitz erhielt 1576 vom Kölner Rat dreißig tönerne Krüge mit Wein, jeden drei Quart haltend. Vordem hatte der Rat den Wein in silbernen Gefäßen gesandt, die in tönerne umgeleert wurden, bis ein Graf von Arberg einst die silbernen Flaschen nicht mehr herausgegeben hatte. Seitdem war man vorsichtiger geworden.[132]
Die Weinlese stand natürlich unter behördlicher Aufsicht. »Zur Zeit des Herbstes, wenn die Trauben schon reif sind«, erzählt Johannes Boëmus, »darf keiner früher lesen, ehe es die Herren, denen der Zehnte zusteht, erlaubt haben; nicht liest heute der, morgen der, sondern so viele an einem Berg Weingüter haben, lesen in ein bis zwei Tagen alles, und es wird bekannt, daß heute auf dem, morgen auf dem gelesen wird. Die Zehnten werden im Tal unter den Weinbergen in Empfang genommen und wer später als es angeordnet ist lesen will, muß nicht bloß die Erlaubnis sich erwirken, sondern auch auf seine Kosten den Zehnten nach dem Kelter des Herrn schaffen. Zu Würzburg wird jedem Lesenden, ich denke wegen Betrügereien in Bezug auf den Zehnten, ein junger Mann beigegeben, der sorgsam aufmerkt und[146] immer das zehnte gelesene Faß ohne Betrug seinem Herrn zu geben anordnet. Nach Beendigung der Lese kommen die Burschen alle auf freiem Felde zusammen und versehen sich mit ein bis zwei Fackeln, aus dem Stroh gedreht, das zu diesem Zwecke angefahren ist, zünden sie gegen die Nacht an und ziehen singend in die Stadt ein. Auf diese Weise, sagen sie, reinigen sie und brennen den Herbst aus. Die Tage des Martinus und Nicolaus, der heil. Bischöfe, feiert das Volk in Franken mit wunderbarer Freude und Festlichkeit, jedoch verschieden, den einen in der Kirche und am Altar, den andern am Tische und in der Küche. Da ist im ganzen Lande keiner so arm, keiner so geizig, daß er am Feste des heil. Martin nicht gemästetes Geflügel oder wenigstens gebratene Schweins- oder Kalbswürste (suillo vitalinove viscere assato) ißt, dem Wein nicht ungezwungen zuspricht.«
»Jeder kostet da seinen neuen Wein, dessen er sich bis dahin enthielt, und gibt allen zu kosten. In Würzburg und den meisten Orten wird auch den Armen aus Frömmigkeit Wein verteilt. Öffentliche Schauspiele werden veranstaltet: zwei oder mehr knirschende Eber werden in einen Kreis eingeschlossen, damit sie sich gegenseitig mit den Hauern stückweise zerfleischen; das Fleisch der Gefallenen wird teils dem Volke, teils den Vornehmen zugeteilt.[147] Am Sankt Niklastage aber wählen die Jungen, die zu ihrer Erziehung die Schule besuchen, unter sich drei: einen, der den Bischof, und zwei, die die Diakonen spielen. Dieser (Bischof) wird an demselben Tage von dem Haufen der Schüler feierlich in die Kirche geführt und leitet mit einer Infula auf dem Haupte den Gottesdienst, nach dessen Beendigung er mit einigen Auserwählten singend von Haus zu Haus Geld einsammelt; das ist kein Almosen, sondern die Bischofssteuer. In der Nacht vor dem Feste fasten die Kinder und werden dann von den Eltern angehalten, weil sie überzeugt sind, daß sie die Geschenke, die des nachts in die zu diesem Zweck unter den Tisch gestellten Schuhe gelegt werden, von dem freigebigen Bischof Nicolaus erhalten; deshalb fasten die meisten so eifrig, daß sie zum Essen gezwungen werden müssen, weil man für ihre Gesundheit fürchtet.«[133]
Meist wurden die Weinlesefeste am Sankt Martinstag abgehalten, doch setzen sie sich gewöhnlich noch ein bis zwei Tage länger fort. Der Hochmeister des deutschen Ordens in Marienburg feierte es, wenn es nicht gerade galt, sein Mütchen an mehr oder weniger harmlosen Heiden zu kühlen, mit seinen Komthuren und Rittern im Kreise der Winzer, wobei zwei Tonnen Wein und acht Tonnen Bier aufgebraucht wurden. Häufig ließen die edlen Ritter von Marienburg, deren[148] Charakterbild in der Geschichte recht verdächtig schwankt, im Kriege am St. Martins-, also am Weihnachtstag, Waffenstillstand eintreten, um sich, wie an vielen anderen Tagen des Jahres, gründlich auszutoben. Ihren »Feinden« kam das nicht unwillkommen, denn an einem solchen Tage wurden sie nicht hingeschlachtet, ihre Weiber und Kinder entgingen der Gefangenschaft, und ihre friedlichen Anwesen wurden nicht niedergebrannt – ad majorem dei gloriam! Sie mögen daher den Wein so innig gesegnet haben, wie er es, freilich aus anderen Gründen, verdiente.
Der geerntete Wein kam in die Keller, die nicht nur in jedem größeren Anwesen, sondern auch in jedem besseren Bürgerhaus vorhanden waren; denn auch in diesen Privatkellereien wurden mitunter ganz gewaltige Mengen Stoffes eingelagert. Von den Wiener Kellern sagt Aeneas Sylvius: »die Weinkeller sind so tief und weitläufig, daß man gemeiniglich sagt, sie machten ein unterirdisches Wien aus, das demjenigen, welches auf der Oberfläche steht, an Größe nichts nachgibt«,[134] und hundert Jahre später (1548) bestätigt dies der Schulmeister Wolfganz Schmeltzl in seinem »Lobspruch«:
Über große Lagerräume mußte auch Anton Tucher verfügen, denn er verbrauchte in den Jahren:
1507 | 42 | Eimer | Wein | und | 55 | Eimer | Bier |
1508 | 41½ | " | " | " | 55 | " | " |
1509 | 47 | " | " | " | 54 | " | " |
1510 | 54 | " | " | " | 70 | " | " |
1511 | 50 | " | " | " | 59 | " | " |
1512 | 52 | " | " | " | 62½ | " | " |
1513 | 45 | " | " | " | 59 | " | " |
1514 | 48½ | " | " | " | 53½ | " | " |
1515 | 42½ | " | " | " | 60 | " | " |
1516 | 46 | " | " | " | 61 | " | " |
also im Jahre durchschnittlich 2500 l Wein und 3600 l Bier zum Preise von 95 bezw. 33 Gulden nach heutigem Wert etwa 4800, resp. 1650 Mark, demnach über sechstausend Mark allein für den Trank – ein ganz nettes Sümmchen!
Was waren aber diese Weinmengen im Vergleich zu den in den Klöstern aufgespeicherten, wo man allerdings für eine ganze Reihe durstiger Kehlen zu sorgen hatte. – Und nicht die Mönche allein konnten einen Stiefel vertragen, auch ihre Schwestern in Christo tranken gern und gut.
Als Kaiser Joseph II. von Österreich im Jahre 1781 mehr als siebenhundert Klöster in seinem Erblande aufhob, die Zahl der Ordensgeistlichen von dreiundsechzigtausend auf siebenundzwanzigtausend verminderte,[150] welch geradezu riesenhafte Weinmengen fanden nicht die Beamten in den Klöstern vor! Die Kanonissinnen von St. Himmelpforten in Wien, die Himmelspförtnerinnen, hatten in ihren Kellereien noch sechstausendachthundert Eimer Wein, und Raum für die doppelte Menge. Es gab da einen Gottvater-, Gottsohn- und Heiligengeistkeller, einen Muttergottes-, Johannes-, Xaverie- und Nepomukkeller. Der allergrößte, der Gottsohnkeller, war leergetrunken bis auf ein einziges Faß.[135]
Wie es in einem mittelalterlichen Weinkeller aussah, beschreibt Hans Folz wie folgt:
»Vort ich mich in den Keller mach, ob nit ein truncklin folg hernach. Im Keller darff man manch zupuß, Wein, pir, kraut, ruhen, öppel, nuß, Pirn, Kuten (Quitten), kesten, nespeln (Mispeln), gleich Nachdem einer arm ist oder reich. Ein saure milch zu dem geproten Kan man kein gesten hast geroten, Und viel geschlex, das dan einmacht.«
Aus diesem Vorratskeller geht es in den eigentlichen Weinkeller:
Auch Hans Sachs, der Schuhmacher und Poet dazu, gibt in Versen die Erfordernisse eines wohleingerichteten Weinkellers also an:
Den Riesenkellern und den großen Weinvorräten entsprachen auch die Riesenfässer, von denen uns eine ganze Anzahl nach Umfang und Inhalt bekannt ist. Das größte dieser Gebinde lag auf der Elbfestung Königstein; es faßte achthundertfünfzig Fuder. 1725 erbaut, war es 34 Fuß lang, 24 Fuß hoch. Zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts führten Fäulnis und Baufälligkeit das Ende jenes turmähnlichen Weinbehälters[152] herbei. Nach ihm kam das Tübinger Faß, 1548 von Herzog Ulrich von Württemberg für seinen Schloßkeller erbaut, »vierundzwanzig Schuh lang und sechzehn hoch«; ferner das Riesenfaß im Kloster Eberbach, das vierundsechzigtausend Liter enthielt und 1520 von aufrührerischen Bauern erst leergetrunken und dann zerschlagen wurde. Ferner das dreihundert Eimerfaß im Ludwigsburger Schloßkeller. Dann die Fässer des Bremer Ratskellers, so das Bacchusfaß mit vierzigtausend Flaschen Inhalt von 1624, und zwei weitere mit Raum für dreißig- bezw. vierundzwanzigtausend Flaschen, die sich die Franzosen in den Sturmjahren des vorigen Säculums und ihr Führer, General Davoust, bis auf den letzten Tropfen schmecken ließen. Das Faß zu Grüningen im Halberstädtschen, das mit Eisen und Wein 3448 Zentner wog, hatte, ohne Holz, über 6000 Reichstaler gekostet.
In der Abtei Salmannsweiler befand sich ein vierzig Fuder haltendes Weinfaß, »von einem solchen Umfang, daß durch sein Spundloch einst ein Mönch hineinfiel und darinnen ertrank« schreibt Münster, in der Cosmography, im 5. Band, Seite 946 und ihm sei die Verantwortung für die Richtigkeit dieser Angabe überlassen. Im Keller des Schlosses zu Würzburg liegen mehrere sehr große, schön verzierte Weinfässer, wie auch in dem Aschaffenburger Schloßkeller.
Dem achtzehnten Jahrhundert gehört das Riesenfaß in der Stiftskellerei zu Klosterneuburg bei Wien an. Das Faß wurde 1704 angefertigt und im Weinjahre 1771 zum erstenmal gefüllt. Es faßt 999 Eimer; der Spundaufsatz enthält den tausendsten Eimer. Im Jahre 1809 wurde der Koloß zum letztenmal geleert und seither nicht mehr gefüllt.
Alljährlich am 15. November, am Tage des heil. Leopold, wallen Tausende von Wienern nach diesem Faß, um sich am »Fasselrutschen« zu ergötzen.
Wie dieses »Fasselrutschen« entstanden, darüber berichtet eine uralte Legende: Es war einmal, die Zeit ist nicht angegeben, ein Klosterwirt, der unter dem Pantoffel seines Weibes stand und als echtes »Simandl« – Sie Mann – bekannt war. Das Stiftskellervolk saß eines Abends beim fröhlichen Gelage, und der Bindermeister frotzelte den Klosterwirt. Er meinte, wenn es die strenge Gattin befehlen würde, müßte der Wirt auf das Faß hinaufsteigen und herabrutschen. Der Klosterwirt aber schwur: »Wenn ich meiner Alten so parieren müßte, dann soll jeder, der hier kommt, das Kellerrecht haben, mir zum Spotte den Rutscher über das Faß zu machen. Die gestrenge Frau Wirtin erfuhr von der Geschichte und sekkierte den Simandl so lange, er möge über das Faß rutschen, bis er unter der Bedingung einwilligte, daß die Sache unter den Eheleuten[154] geheim bleibe. Eines Abends schlichen die beiden in den finsteren Keller, der Mann kletterte auf eine Leiter bis zur Höhe des Fasses und als er herunterrutschte, erscholl ein Gelächter, es wurde plötzlich Licht und das ganze Personal begrüßte den Pantoffelhelden. So entstand das Kellerrecht, das bis jetzt noch immer geübt wird. Die Mehrzahl der heutigen Besucher von Klosterneuburg steigt über die vierzehn Stufen, die zur Höhe des Fasses führen, empor und rutscht zum Gaudium der Zuschauer über den Rücken des Kolosses hinab.
Aber alle diese Fässer stellt das noch heute vielberühmte, einst von Hagedorn und von Fischers »Saufpoeten«, dem deutschen Anakreon, J. V. von Scheffel, besungene Heidelberger Faß in den Schatten, durch den unvergänglichen Ruhm, mit dem es durch den Autor des »Gaudeamus« umgeben wurde. Von jeher war es der Stolz der pfälzischen Fürsten, die größten Fässer im Reich zu besitzen. Denn ein altes Winzersprichwort besagt: »Je größer der Pfühl, desto besser der Wein«.
Das erste der Riesenfässer ließ Johann Kasimir 1582 und für dieses den jetzt noch vorhandenen Keller bauen. Das zweite entstand unter Karl Ludwig, das dritte unter Karl Philipp und endlich das auf unsere Zeit gekommene 1751 unter Karl Theodor. Dieses von Johann Jakob Engel angefertigte[155] Faß ist das größte aller Heidelberger Fässer. Es faßt zweihundertzwölftausend vierhundertzweiundzwanzig Liter, ist neun Meter lang bei einem Durchmesser von beinahe sieben Metern.
Auf die Zeremonien, denen Besichtiger vom Stand unterworfen wurden, komme ich später zurück. »So groß aber auch das jüngste Heidelberger Faß ist, das voluminöseste ist es doch nicht in deutschen Landen. Herzog Eberhard III. vom Württemberg ließ 1719 durch den Böttcher Ackermann ein äußerst schmuckes, reichverziertes Behältnis erbauen, welches sich im Schloßkeller zu Ludwigsburg befindet und geräumiger ist als das Meisterstück Englers. Riesenfässer enthält auch der ehemals fürstbischöfliche Keller zu Würzburg, in welchem der gepriesene Steinwein lagerte.«[138]
Ein weiterer Faßkoloß soll, wie der Reisende Keyßler im achtzehnten Jahrhundert mitteilte, im Dunkel eines Dresdener Kellers gelegen haben, doch konnte ich näheres darüber nirgends finden.
Eine Geschichte des Weines, und wäre sie auch noch so kurz, würde eine unverzeihliche Lücke aufweisen, wenn sie nicht Branders Lieblingsgetränk, des »… Champagnerwein
gedenken würde, denn:
Der Champagner hat aber eigentlich gar keine Geschichte, denn niemand kennt seinen Ursprung, kein Dokument nennt seinen Erfinder. Selbst das Jahr, in dem zuerst die bekannten fünfmalhunderttausend Teufel entfesselt wurden, ist nicht mehr nachweisbar, trotzdem es nicht etwa in grauer Vergangenheit, sondern höchstens gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts zu suchen ist. Das Altertum und das Mittelalter kannten keinen moussierenden Wein. Der Sekt, in seiner Bedeutung als Schaumwein, ist neueren Datums und bekanntlich eine Erfindung Ludwig Devrients, der in der Weinstube von Lutter und Wegener in Berlin seinen Lieblingswein mit den Worten Falstaffs: »Gebt mir ein Glas Sekt«[139] verlangte, obgleich der dicke Schwerenöter Shakespeares darunter vino secco, d. h. trockenen Spanier oder Canarier verstand. Zum ersten Mal wird der Champagner 1718 mit dem Bemerken erwähnt, daß er jetzt seit etwa zwanzig Jahren bekannt sei. Dom Pérignon, »der 1638 geborene, 1715 verstorbene wohlbestallte Pater Kellermeister der Abtei zu Hautvilliers, soll zuerst gefunden haben, daß und wie es möglich ist, das Mousseux, welches jeder junge Wein in der Zeit der Gärung entwickelt, ihm dauernd zu erhalten. – Ehre seinem Andenken.«[140][157] Er wurde »pétillant« genannt und das Volk beehrte ihn mit den Namen »Teufelswein« oder »Pfropfentreiber«; denn Teufelswerk schien der perlende Wein zu sein, bei dessen Bereitung Zauberei und allerlei unheimliche Mittel im Spiele waren. Heute wissen wir, daß es bei seiner Fabrikation meist, aber nicht immer, wenigstens bei vielen Sekten unseres schönen Vaterlandes nicht ganz mit rechten Dingen zugeht, und daß bei ihm nur eines unheimlich ist, – seine Wirkung – sofern er nicht lauter und rein, wie es jedem Weine, daher auch dem Champagner, zukommt.
Im achtzehnten Jahrhundert trank man in Norddeutschland einen aus dem Birkensaft erzeugten Champagner-Wein, von dem Krünitz, nach Angabe seiner Anfertigung schreibt: »Das Produkt ist in allen Stücken dem Champagnerwein so ähnlich gefunden worden, als nur irgend seyn kann. Viele Kenner(?) haben mit Vergnügen diesen nachgemachten Champagner dem wahren vorgezogen.«(??)[141]
Auch Met und Bier kochte man, demselben Autor zufolge, aus dem vielseitigen Birkensaft, der sogar, wie der gelehrte Simon Pauli versichert, die Sommersprossen vertreiben und die Maden aus dem Käse verscheuchen soll – was ich gerne glaube. Brrr!
Auch sonst noch hatte die Bacchusgabe,[158] der edle Wein, die lobenswerte Eigenschaft, dem Wasser den Zutritt in den weingefüllten Magen zu verwehren, was unter gewissen Umständen von hohem Vorteil sein konnte.
Wie der Nürnberger Chronist Heinrich Deichsler erzählt, wurde 1500, den 17. März in Nürnberg eine Frau vieler Diebstähle wegen lebendig begraben; sie hatte schon einmal im Rhein ertränkt werden sollen. Sie sprach: »da het ich vor vier moß weins getruncken, vor demselben wein kunt kein wasser in mich kumen.«
Der Branntwein, despektierlich Schnaps und Fusel, sonst auch Liquör benannt, erfordert nur wenig Worte, da das Mittelalter so glücklich war, ihn noch nicht unter die Volksgetränke zählen zu müssen.
Er taucht erst gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts auf (für den ersten Schnapsfabrikanten hält man den 1355 in Montpellier lebenden Arzt Villeneuve), wo man aber sofort seine Schädlichkeit erkannte und seinen Gebrauch einzuschränken suchte. Bereits 1360 wurde in Frankfurt am Main das Vermischen des Weines mit Branntwein untersagt.[142] Im ältesten Berliner Stadtbuch, nach Sellos Forschungen zwischen 1381 und 1391 begonnen, wird auch der Branntwein erwähnt, dessen Herstellung zeitweilig verboten war, weil er den »Kop« dumm mache. Der Nürnberger Rat verbietet ihn am Sonntag oder Festtag feilzuhalten, sonst aber ihn an der Schankstelle selbst zu trinken; später (1496) gestattet er, daß einer für einen Heller oder einen Pfennig auch im Branntweinschanke[160] trinken darf, doch trat er 1496 dem »Mißbrauch und der Unordnung, der mit Nießung gebrannten Wassers Weins« verbunden war, energisch entgegen. 1522 wird in der Trautenauer Chronik des Simon Hüttel eingetragen von einem Schulmeister und Stadtschreiber: »er trank sich bei dem alten Hans Hoffman zum »nassen künig« im brantenwein zu tode.«[143]
Thomas Murner spricht allen denen, die am Sonntag Branntwein feil halten, das Seelenheil ab.[144]
Wie die Süß- und Kräuterweine, so entstammte bis zum sechzehnten Jahrhundert der Branntwein der lateinischen Küche. Er wurde mehr als Essenz und Arznei, denn als Genußmittel betrachtet und nur von den Apothekern und zwar aus reinem Wein, vielleicht auch aus Weintrebern gebrannt. Durch den Apothekervertrieb wurde er aber im Preise[161] derart in die Höhe geschraubt, daß er nur stellenweise allgemeine Verbreitung fand, wenn auch Andreas Muskulus in seinem Spielteufel[145] von Branntweintrinkern spricht, ebenso wie Sebastian Münster in seiner »Cosmographie« sagt: »Dieser schandliche Brauch ist jetzt auch in das ganze Teutschland kommen, daß man jetzund die starken Wein also unmäßig trinkt, gleich wie gesotten Wasser, daraus viel Nebels entspringt.«[146] Immerhin grassierte das Schnapstrinken in vielen Gegenden derart, daß Gesetze dem neuen Laster Einhalt zu tun suchten, so in Nürnberg, Altorf, Grünberg i. S., Frankfurt a. O., Zittau und anderwärts. In Grünberg sollte, wie vordem in Nürnberg das Schnapstrinken während der Kirchenzeit eingestellt werden, ebenso in Meißen. »Aber wer tut?« fragte der Meißener Superintendent Strizenicus. »Ist ein solch Gesäufe, daß es eine Sünd und Schande ist. Wenn schon eine Obrigkeit es nicht leiden will, so ziehen sie über das Wasser, über die Brücke in ein ander Gericht; da siehet man durch die Finger und läßt allerlei Unfug unter der Predigt stiften und anrichten.« Zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts wiesen Zwickau 34, Zittau 40, Frankfurt a. Oder gar 80 Brennereien auf. In Berlin durfte noch 1574 der Schnaps nur in Apotheken feil gehalten werden, doch bestehen zwanzig Jahre später schon mehrere[162] Brennereien, die dem Rate Abgaben entrichteten.
Zum Steuerobjekt wurde der »Spiritus vini« zum erstenmal 1543 in Altbayern erkoren.
Seine Grundstoffe waren, wie aus den Straßburger Zunft- und Polizeiordnungen hervorgeht, Früchte, »Biertrusen« also Biertreber, doch dürfte man außer aus Weintrusen, wie es der Straßburger Rat in Mandaten in den Jahren 1603, 1627, 1630, 1642, 1647 und 1666 befahl, vielleicht auch aus reinem Wein dieses Gift hergestellt haben. Wenigstens geht dies aus Savonarolas in Hagenau 1532 erschienenem Buche »de arte conficiendi aquam vitae« hervor. Wer aber aus den niederen Volksschichten zum Feuerwasser griff, begnügte sich natürlich mit geringerer Sorte, so die Bergleute Joachimsthals in Böhmen, denen der Luther-Biograph Mathesius (geb. 1508) in seiner Kirchen-, Schul- und Spitalrechnung vorwirft: morgens zum Branntwein, mittags zum Bier, abends zum Wein, wodurch das Dreigespann, der pöpelhafte Schnaps, nobler Liquör, Cognac, Absinth, das gut bürgerliche Bier und der vornehme Wein in holder Eintracht vor vierhundertzweiundfünfzig Jahren genau so vereint erscheint, wie er es noch heute bei dem trinkfesten Deutschen ist.
Die Wirtshäuser sind ein Zeichen der Civilisation. »Böse«, wilde Menschen haben zwar Lieder, wenn auch Seume das Gegenteil behauptet – denn sogar die Räuber sangen z. B. »Ein freies Leben führen wir« und Rinaldo Rinaldini sein »In des Waldes tiefsten Gründen«, – aber sie besitzen keine Kneipen. Die Innerafrikaner, die Australneger, die Indianer und die Malaien kennen ebensowenig die Institution der Gasthäuser, wie sie dem Urgermanen bekannt war. Der Gaugenosse trank in seinem eigenen Hause, bei der Sippe, bei Freunden oder sonst irgendwo, aber immer gratis. Hatte er es dazu, dann entschädigte er sich durch eine Gegeneinladung, aber als Schmach wäre es ihm erschienen, das Genossene bezahlen zu sollen oder Zahlung dafür zu heischen. Die Gastfreundschaft war allgemein und schrankenlos. »Kein zweites Volk gibt es, das für[166] Gastmähler und Bewirtung eifriger besorgt wäre. Irgend einem Sterblichen ein Obdach zu verweigern, gilt als Frevel. Jeder bewirtet nach Vermögen den Gast mit einem Festmahl. Ist der Vorrat erschöpft, so führt der, der soeben noch Wirt war, den Gast an eine andere gastliche Stätte. In das nächstbeste Haus treten sie dann ein, auch wenn sie nicht geladen sind. Mit gleicher Freundlichkeit werden sie aufgenommen.«[147] Die Gastfreundschaft war und blieb noch lange eine geheiligte Sitte, der sich in späterer Zeit sogar die Gesetze annahmen. Mit strengen Strafen bedrohen die Kapitularien Karls des Großen jeden, der Bewirtung und Obdach versagte. Jedermann, der König selbst, war verpflichtet, den im Hausfrieden weilenden Gast als ein von Gott gesandtes Geschöpf zu behandeln und zu ehren.
Selbst dem Feinde wurde Speise und Trank nicht versagt, ja sogar durch Diener entgegengebracht. Die Entstehung der Kneipen fällt mit dem Gebrauch zusammen, den Überschuß an selbstgebrautem Bier oder Wein eigener Fechsung im Tausch oder gegen Entgelt abzugeben und dies Vorhaben durch Aushang eines Kranzes bekanntzugeben. »Wenn man ein schoeblin ußsteckt, daz ist ein zeichen, das man bier da feil hat«, sagt Geiler von Kaisersberg[148] und ein ander Mal »… ein Würt, der henckt ein Schild auß vnnd schreibt daran, hie Wein.«
Außer dem Birken-, Weinblätter- oder Reisigbündel kommt auch der Drudenfuß als Wirtszeichen vor, der dem Gottseibeiuns den Eintritt in das Gasthaus verwehren sollte; wie leicht konnte sich nicht der leibhaftige ††† in der Gestalt eines harmlosen Reisenden, selbst eines Mönches über die Schwelle stehlen!
Wer an solchen Verkaufstätten seinen Bedarf an Getränken in Gebinden erstand, dem wird auch kaum ein Trunk versagt worden sein, den er als Kostprobe wohl umsonst erhielt, wenn er kaufen wollte oder gekauft hatte, für den er aber im anderen Falle zahlen mußte, da die den Verkauf besorgenden Wirtschafter oder Hörige nicht Eigentümer des Getränkes waren, daher kein Recht hatten, Gastfreunde damit zu bewirten. Derartige Kneipen gab es bereits zu Karls des Großen Zeiten, denn eines seiner Kapitularien spricht von ihnen, indem es den Geistlichen deren Besuch verbietet.[149]
In der ursprünglichen, weitgehenden und unbedingten Form, wie sie Sitte früherer Zeit und Gesetze vorschrieben, konnte freilich die Gastlichkeit nicht weiter geübt werden, als mit dem zwölften Jahrhundert der Reise- und Wanderverkehr im ganzen Abend- und Morgenland jene gewaltige Zunahme erfuhr. Selbst die schon durch ihre Satzungen für Aufnahme dürftiger Reisender verpflichteten Klöster begannen zurückhaltender zu[168] werden, wie Walters von der Vogelweide Spruch über den Tegernsee erkennen läßt. Sie beschränkten ihre Gastfreundschaft auf Reisende aus geistlichem Stand und wirkliche oder angebliche Waller nach Rom oder zum heiligen Grabe. Auch die Ritter auf den Burgen drückten sich in mehr oder weniger zarter Weise vor unliebsamen Gästen.
»Es gab seit unbestimmt früher Zeit in Dörfern, die an Straßen oder Saumpfaden lagen, ein Haus, wo Rosse und Reiter oder Fuhrmann rasten konnten, und wo außer dem Futter für die Gäule Brot nebst Wein oder Bier, je nach dem Landstrich, verabreicht wurden. Diese »Schenken« oder »Krüge« wurden von dem Geleitsherrn, dem Inhaber des Straßenregals, zu Zinslehn ausgetan und von einem der Dorfinsassen, der darum in der Hauptsache doch Landmann blieb, nebenbei betrieben. Sie lagen noch nicht gerne mitten im Dorfe, sondern meist an einem Ende; bedächtige Bauernklugheit sagte sich, es sei besser so. Aus demselben Grunde kam man auch nur zögernd dazu, Herberge über Nacht zu gewähren; in den Weisungen und Vorschriften, die der Geleitsherr in der Regel mit der ausgetanen Konzession verband, kehrt beständig wieder, der Wirt brauche nur dann Herberge zu geben, wenn er wolle. Wenn er sie gewährte, was er in unverdächtigen Fällen gegen Geld oder gute Worte wohl meistens tat, so bestand[169] sie darin, daß der Reisende es sich in der Gaststube auf der Ofenbank oder auch auf einem Bund Stroh bequem machte, und der Knecht irgendwo in der Nähe der Pferde sich einen Winkel suchte. Ein eigentliches Vergnügen war das Reisen damals überhaupt nicht, sondern ward durchaus unter die mehr oder minder notwendigen Übel, sowie in Gestalt der Pilgerfahrten unter die Kasteiungen und Bußen gezählt.
Mit jenen Schenken am Wege oder, wie man in Norddeutschland sagte, Krügen und Landkrügen lebten auf dem alten Römerboden Oberbayerns und der Alpenlande die dort wohl nie ganz verschollenen tabernae der Römer wieder auf und bildeten sich nunmehr, unter dem Hinzukommen des Herbergwesens, zu Gast- und »Tafernwirtschaften« aus, wie sie sich daselbst noch heute bezeichnen. Überhaupt, auf diese Weise ist das Dorfwirtshaus als eine den Ortsbewohnern wichtige Einrichtung entstanden, infolgedessen von dem Ende des Dorfes weg in dessen Mittelpunkt, neben die Kirche, wo es solche gab, gerückt worden. Vor oder selbst in der Kirche waren seit alters die gemeinsamen Angelegenheiten und Rechtsgeschäfte der einzelnen besprochen, besorgt, vor Zeugen vollzogen worden. Nun schob man sich nach dem Kirchgang, statt auf dem Kirchplatz bei der Linde herum zu stehen, ins Wirtshaus hinein oder setzte sich zur guten Jahreszeit[170] auf die Bänke, die vor diesem zurechtgenagelt waren. Und dann allmählich ging man auch an Werktagen nicht immer vorüber. Ja, die Burschen führten die jungen Mädchen dahin, wenigstens in verschiedenen keckeren und minder sparsamen Teilen Deutschlands, was die mittelalterliche Literatur zahlreich erkennen läßt; die Spinnstuben wurden vielfach durch diesen neuen Wettbewerb abgelöst, ebenso der Tanzplatz unter der Dorflinde.«[150]
Mit dem Aufblühen der Städte, als der neuerstandene dritte Stand sich zwischen Adel und Bauer einschob, bemächtigten sich die Städter neben anderer, bisher dem Feudalherrn allein zugestandener, auch des Rechtes, Schenken und Herbergen zu halten. Die heilige Elisabeth blieb die erste Nacht nach ihrer Vertreibung von der Wartburg »in einer wintaberne« zu Eisenach.[151] Seit dem zehnten Jahrhundert führten Ummauerungen, Marktgerechtsame zur Entstehung wirklicher Städte im mittelalterlichen Sinne, die nicht nur ihren Bürgern, sondern auch den in ihren Mauern zeitweilig befindlichen Fremden ein behagliches Dasein und Schutz gegen räuberische Überfälle boten. Daß man daher lieber in den Städten als im dörflichen Krug zu nächtigen begehrte, war nur zu natürlich. Die Städte mit ihren periodisch wiederkehrenden Märkten einerseits, andererseits als Absatzgebiete gewisser Waren,[171] waren eben das Ziel der reisenden Kaufleute, die seit den Kreuzzügen zu erhöhter Bedeutung gelangten und sich zu einem festgefügten Stand ausbildeten. Den Bedürfnissen dieser Reisenden entsprechend, die Gastfreundschaft nur gegen Zahlung begehrten, und für alle die vielen fahrenden Gesellen, die jahraus jahrein die mittelalterlichen Landstraßen bevölkerten, jene ewig wandernden Gaukler, Bettelmönche und Bettler, die froh sein mußten, für Geld ein Unterkommen zu finden, gestalteten sich die Wirtshäuser aus.
Der Zustand der Schenken und Herbergen war bis zum Anbruch des regelmäßigen Reiseverkehrs der denkbar primitivste. Überdies waren beide vielfach, besonders auf dem Lande, wo eine in alle Töpfe guckende Polizei nicht vorhanden war, Stätten der niedrigsten Unzucht, gegen die sehr häufig die behördlich angestellten Frauenwirte Front zu machen gezwungen waren.
Unter diesen Umständen war es den Geistlichen, wie erwähnt, schon unter Karl dem Großen mit Recht verboten, Schenken zu besuchen, was sie aber trotzdem nicht unterließen; hielten doch sogar viele von ihnen selbst solche und nicht immer im besten Rufe stehende Kneipen.
Die Synode der Kölner Diöcese im Jahre 1353, die von Eichstädt 1354, das Konzil von Salzburg von 1420, die Kirchenversammlungen[172] von Prag 1421, von Straßburg im Elsaß 1435, die Synoden von Breslau 1456, von Konstanz 1464, von Schwerin 1492, sie alle befaßten sich mit diesem heiklen Thema erfolglos, wie schon die Wiederholung dieser Beschlüsse durch ein ganzes Jahrhundert beweist. Nur wenn einer der Geistlichen sich auf einer Reise befand, durfte er ein Wirtshaus aufsuchen.[152]
Bei dem Zustande, in dem die Herbergen während des ganzen Mittelalters waren, erscheint übrigens ihr Besuch als recht fragwürdiges Vergnügen, selbst wenn man das erotische Moment als Vergnügen betrachtet.
Oswald von Wolkenstein beklagt, daß man, zumal im Winter, in der Gaststube durch das Geschrei kleiner Kinder gestört werde. Godschalk Hollen sagt in seiner 33. Predigt (minica exaudi): »Viertens erbauen einige Häuser zur Aufnahme von Kaufleuten und Fremden, wie die sind, die weite und geräumige Häuser errichten mit vielen Kammern und Bettstätten, um täglich zu ihrem Nutzen Ankommende zu empfangen. Sie sollen sich ihren Gästen gegenüber so benehmen, erstens ein freundliches Gesicht zeigen, denn die Heiterkeit des Gesichtes und freundliche Rede und gütiges Zureden machen den Wirt berühmt. Zweitens sollen sie ihnen Speisen in Fülle geben zum Sattwerden nach Stand und Zahl der Gäste und Auslagen, damit sie nicht Plünderer der[173] Gäste scheinen, eigentlich mehr »Straßenräuber« als Gastgeber. Drittens sollen sie für die Sicherheit der Gäste Sorge tragen …
Doch sündigen diese Gastwirte auf viele Weise. Erstens, wenn sie Possenreißern an Festtagen vor der Messe zu essen und zu trinken geben, die zu der Zeit in der Kirche sein, Messe und Predigt hören sollten; zweitens, wenn sie Wein oder Bier mit Schädlichem mischen, und das tun sie zu ihrem Gewinn und des Nächsten Schaden. Drittens sündigen sie im Maße, daß sie falsche Maße haben. Viertens, wenn sie wissentlich gestatten, daß sich Leute betrinken, fluchen, Gott und die Heiligen lästern, Würfel spielen. Fünftens sündigen sie, wenn sie wissentlich Dirnen in ihre Häuser kommen und mit ihren Gästen und jenen Saufbrüdern sündigen lassen, oder wenn sie Possenreißer (histriones) mit ihren Beischläferinnen, die nicht durch die Ehe verbunden sind, erhalten. Sechstens sündigen sie, wenn sie zeitlichen Gewinnes wegen ihren Gästen unziemliche und verbotene Speisen vorsetzen, z. B. in den Fasten oder am Freitage Milchgerichte, Eier, und sündigen nicht wenig, sowohl, wenn sie solche Speisen essen, als wenn sie sie auftragen. Siebentens sündigen sie, wenn sie zuviel ihren Tischgästen anrechnen, denn sie sollen ihren Gästen mäßige Preise machen, so daß sie für die Mühen und die Beschäftigung genüge haben. Achtens sündigen sie,[174] wenn sie schlechte Dienerschaft haben, die die Gäste betrügt, und sie das wissen, ohne es zu ändern.«[153]
Dieses Sündenregister bestätigt die berühmte klassische Schilderung eines Gasthauses, die Erasmus von Rotterdam in einem 1520 geschriebenen Reisebrief gibt.
»Kommt einer an, so grüßt ihn niemand. Es soll nicht so aussehen, als ob man viel nach Gästen fragte. Man kann sich die Lunge aus dem Leib schreien, ehe jemand hört, und man steht draußen und friert. Endlich wird in der geheizten Stube ein Fensterchen aufgemacht und ein Menschenkopf schiebt sich vor, wie eine Schildkröte aus der Schale. Gibt es Nachtherberge? – Gott sei Dank, er nickt gnädig – wir können bleiben. Von vielen Worten sind sie nämlich nicht; die Frage nach dem Stall beantwortet eine Handbewegung. Man führt sein Pferd selbst an die Krippe, sorgt für Futter und Streu, denn kein Knecht rührt auch nur den Finger.
Nun darfst du, mein Lieber, in die geheizte Stube gehen. Wie du bist, wie du gehst und stehst, mit deinen kotigen Stiefeln, in deinen durchnäßten Kleidern, mit deinem Mantelsack. So trittst du in die gemeinsame Gaststube. Hier kannst du deine Stiefel ausziehen und dir Pantoffeln geben lassen; hier kannst du das Hemd wechseln, deine Kleider trocknen, deine Stiefel putzen. Die andern genieren sich auch nicht – hier kämmt sich[175] einer, hier l…st sich einer, hier wäscht sich einer, hier trocknet sich einer, – Waschwasser steht bereit, aber nur ein einziges Waschbecken für alle, und dieses so unsauber, daß man es zu allererst waschen möchte. Wagt einer ein Wort zu sagen und sich zu beschweren, so bekommt er Grobheiten – wenn es ihm hier nicht passe, so möge er eben anderswohin gehen. An die hundert Menschen sind in der einen Gaststube beisammen: Reitende, Fahrende, Schiffer, Frachtfuhrleute, Schüler und Handelsleute, Weiber, Kinder, Gesunde, Kranke, die Abenteurer, die Spieler fehlen nicht – und das schreit, lärmt, skandaliert durcheinander, wie bei dem Babylonischen Turm.
Kommst du vielleicht nachmittags um 4 Uhr an, so wirst du doch vor 9 oder 10 Uhr nichts zu essen bekommen, Freundchen; denn es wird nicht eher angerichtet, als bis voraussichtlich alle Gäste beisammen sind, damit kein überflüssiges Gelaufe stattfinde. Also etwa um 9 Uhr abends taucht ein alter graubärtiger, struppiger, sauerblickender, schmutziger Kellner mit geschorenem Kopfe auf und überzählt mit grämlicher Miene, ohne einen Laut von sich zu geben, mit den Augen die anwesenden Gäste, und je mehr ihrer anwesend sind, desto stärker wird der Ofen geheizt, mag es draußen noch so warm sein, denn es gilt als Hauptsache einer guten Bewirtung, die Gäste[176] schwitzen zu machen. Es ist zum Ersticken! Kann einer den Dunst nicht vertragen und öffnet ein Fenster, dann heißt es sofort: Zumachen! – Antwortet er, es werde ihm übel, dann sagt man: Suche dir ein anderes Wirtshaus! Es bleibt nichts übrig, als zu schwitzen.
Dann werden die Tische gedeckt. Grob wie Segeltuch sind die Tücher, die der Alte auf die Tische legt. Nun ist der große Augenblick gekommen, alles setzt sich. Reich und Arm, Herr und Knecht, alles durcheinander, kein Standesunterschied, gewöhnlich acht an einem Tische, so harren sie der Mahlzeit. Da erscheint der sauersehende Ganymed und setzt vor einen jeden einen hölzernen Teller und einen Holzlöffel, dann etwas später ein Trinkglas. Nachher bringt er ein Stück Brot, mit dem man sich, ehe die Suppe fertig ist, die Zeit vertreibt. Nämlich ein Stündchen, währenddessen man sein Brot kurz und klein schneiden und kauen kann. Endlich kommt der Wein auf die Tafel. Ist der sauer! Ich biete dem Aufwärter einen Groschen, daß er mir einen besseren bringe. Er tut, als höre er es nicht und wiederhole ich mein Anliegen, so schnauft mich der Kerl an: Hier sind schon viele Grafen und Markgrafen eingekehrt und kein einziger hat sich über den Wein beschwert; steht er dir nicht an, so suche dir eine andere Herberge! Denn nur die Adeligen ihres Volkes[177] halten sie für Menschen. Bald kommen mit großem Gepränge die Schüsseln. Erst eine Suppe mit Brotstücken; ist es ein Fasttag, eine Brühe mit Gemüsen übergossen.
Dann folgt eine andere Brühe, hierauf aufgewärmte Fleischarten, oder Pökelfleisch, oder Fisch, hierauf Hiersebrei; dann, wenn man beinahe satt ist, ein Braten. Aber hier sind sie sparsam und tragen ihn rasch wieder ab. Am Tisch muß man bis zur vorgeschriebenen Zeit sitzen bleiben und diese, glaube ich, wird nach der Wasseruhr gemessen. Endlich erscheint der bewußte Bärtige noch einmal, oder auch der Wirt selbst, der sich kaum von seinen Dienern durch die Kleidung unterscheidet. Dann wird auch besserer Wein aufgetragen, dazu alter madiger Käse. Die stärker trinken, sind dem Wirt angenehmer, obgleich sie um nichts mehr zahlen, als jene, die sehr wenig trinken; denn es sind diejenigen nicht selten, die mehr als das doppelte in Wein verzehren, als sie für das Essen zahlen. Es ist zu verwundern, welch Schreien und Lärmen nun anhebt, wenn erst die Köpfe vom Trinken warm geworden sind; keiner versteht den andern. Die Gaukler und Spaßmacher treten auf – es ist kaum zu glauben, was die Deutschen an diesen Lappereien für Vergnügen finden. Diese fahrenden Leute singen und spielen, fiedeln und blasen, springen und pochen den Gästen die Ohren voll, die wohl[178] oder übel zuhören und bis in die tiefe Nacht hinein aufbleiben müssen. Ist auch der Käse abgetragen, der ihnen nur schmeckt, wenn er stinkt und von Würmern wimmelt, kommt der Bärtige mit der Rechnung. Nämlich mit einer großen Tafel, auf die er mit Kreide einige Kreise und Halbkreise, so viel wie Gäste anwesend sind, gezeichnet hat. Diese legt er stillschweigend, mit einem Gesicht wie Charon, auf den Tisch. Die das Geschreibsel lesen können, legen einer nach dem andern ihr Geld darauf, bis die Tafel voll ist. Dann merkt er sich diejenigen, die gezahlt haben und rechnet nach; fehlt nichts an der Summe, so nickt er mit dem Kopfe. Niemand beschwert sich. Sollte es aber einer tun, so würde er angefahren: »Was für Bursche bist du? Du zahlst ja nichts mehr als alle anderen!« Wünscht ein Reisender gleich nach dem Essen schlafen zu gehen, so heißt es, er müsse warten, bis die übrigen sich niederlegen. Dann wird jedem sein Nest gezeigt, nämlich nichts weiter als ein Bett, denn außer diesem ist nichts vorhanden, was man brauchen könnte. Die Leintücher sind vielleicht vor sechs Monaten zuletzt gewaschen worden …«
Diese stark grau in grau gefärbte Schilderung mittelalterlichen Herbergswesens wird auch von anderer Seite bestätigt. Namentlich die Grobheit der Wirte findet sich häufig gerügt. So im »Egerer Frohnleichnamsspiel«[179] von 1490,[154] wo der Herbergsvater den heiligen Joseph anschnarrt:
Wenn nun auch diese Wirtshäuser nicht gerade das waren, was wir heute unter einer Penne oder einem Verbrecherkeller verstehen, da nicht nur die schlechten Elemente der Bevölkerung, sondern auch Reisende aus höheren Kreisen, die der Zufall in diesen Herbergen zu nächtigen zwang, sich an einem Tisch zusammenfanden, so überwogen doch fast immer die heimatlosen Existenzen, die der Herberge ihren anrüchigen Charakter verliehen. Sehr gerechtfertigt erscheint darum ein 1314 in Zürich ergangener Erlaß: »Jeglicher Wirt, wenn der Gast in sein Haus kommt, soll ihn heißen, sein Messer von ihm legen. Thut er's nicht, so soll er ihm weder zu essen noch zu trinken geben.«[155]
Die städtischen Herbergen waren, als unter polizeilicher Beobachtung befindlich, bedeutend besser als die ländlichen, wenn sie auch nicht alle im entferntesten so großartig gewesen sein mögen, wie sie Aeneas Sylvius, der spätere Papst Pius II., in seiner Beschreibung von Deutschland hinstellt. »Wo ist«, sagt er, »ein deutsches Gasthaus, in dem die Tische nicht mit Gold- und Silbergeschirr belastet[180] wären?« Auch die von dem gelehrten Erasmus gerügte Grobheit scheint innerhalb der Stadtmauern in jene aufdringliche Liebenswürdigkeit umgeschlagen zu sein, die die Gastwirte auf dem Lande so ängstlich zu vermeiden suchten. Ein Züricher Ratsbeschluß aus dem Jahre 1402 läßt dies nämlich vermuten. Er befiehlt, »daß die Wirte den Gästen nicht nachgehen sollen noch laufen, noch keine Boten nachsenden sollen, daß die Gäste zu ihnen ziehen. Wohl mag der Wirt unter seiner Tür stehen und den Gast in sein Haus fordern mit Bescheidenheit. Bei einem Pfund Pfennig Buß.«[156] Im Fastnachtsspiel »Der Eulenspiegel mit den Blinden« von Hans Sachs, sagt Hans Wirth:
Auf dem Konzil zu Konstanz von 1415 war den Herbergswirten ihr Benehmen vorgeschrieben, ebenso eine Taxe aufgestellt, die angab, was sie für ein Bett, für ein Pferd, für Futter, für Speise und Trank usw. usw. zu nehmen hatten. Dies war auch nötig,[181] denn das kleine Städtchen am Bodensee wies in jenen Tagen hundertdreiundachtzig »Würt« auf.[157]
Allerdings war in Konstanz wie anderswo früher eigentlich jedes Stadthaus in dem Sinne ein Gasthaus, daß der Eigentümer – Wirt heißt heute noch in Norddeutschland der Hausbesitzer – den Überschuß des selbstgebrauten Bieres an Gäste sei es frei oder gegen Bezahlung abgab. Mit dem Beginn der neuen Zeit traten aber, wie auf allen Gebieten der »bürgerlichen Nahrung«, auch im Gastgewerbe gewisse Normen ein, die das Ausschenken von Getränken gewissen Innungssatzungen unterwarfen. »Es ist«, besagt ein Züricher Ratsbeschluß von 1618, »einem Bürger wol erlaubt, etwa bei Zufälligkeit einen fremden guten Freund in seinem Haus ohne unterlaufende Gefahr mit Bescheidenheit, aber nicht oftmals gastfrei zu halten.«
In der ersten Zeit des Zunftzwanges konnte nur der brauberechtigte Bürger den Bierausschank ausüben. Wollte ein anderer Bürger diese Berechtigung erwerben, so mußte er sechs volle Jahre hindurch »Kruppbruder« bleiben, ehe er ein eigenes Brauhaus erbauen und das selbstgesottene Bier verkaufen durfte. Nebenbei hatte er noch die namhafte Summe von erst zwanzig, später sogar vierzig Gulden als Einkaufsgeld in die Gilde zu erlegen.[158]
Diese Wirtshäuser, von denen z. B. Erfurt um das Jahr 1300 in jeder Straße fünf bis sechs besaß, waren der Versammlungsort aller Müssiggänger, der Fremden und der Ortsangehörigen, die nicht in den mehr überwachten, daher vornehmeren Ratskellern zechen wollten, oder die keiner Korporation mit eigenen Trinkstuben angehörten. Daher waren denn auch die Winkelgaststuben den frommen Herren wie den Ehrenfesten und Gestrengen des hohen Rates ein Dorn im Auge, den die ersteren durch Predigten unschädlich zu machen suchten, während die letzteren die Rechte und Pflichten der Wirte dieser »Tafernen« durch Erlässe zu ordnen unternahmen. Da in den Ratskellern ausnahmslos gleich bezahlt werden mußte, so flüchteten sich hauptsächlich die Pumper zu den willigen Wirten, die in Hieroglyphen
Alle Wirte hatten die gleichen Zeichen. Ein Glas wurde durch einen Strich (), zwei durch einen Winkel (), drei = , vier durch ein Viereck, fünf durch die Schnalle () notiert, die merkwürdigerweise auch »ring« oder »ringling« hieß.[160]
In diesen Kneipen ging es meist sehr unehrbar zu. Die unzertrennlichen Begleiter der Völlerei, das Spiel und die Rauflust waren hier ständige Gäste und verleideten den besseren Elementen der Stadt den Aufenthalt in[183] diesen Spelunken, die sie auch meiden konnten, da ihnen die Trinkstuben und meist, namentlich in Norddeutschland, die städtischen Ratskeller zur Verfügung standen.
Von den Wirtshäusern des Mittelalters hat nur eine ganz unbedeutende Anzahl die verheerenden Kriege und Niederreißwut vieler Städte zu überdauern vermocht. Wohl das älteste Wirtshaus dürfte jener weltberühmte Anbau der hl. Sebalduskirche in Nürnberg, das altehrwürdige Bratwurstglöcklein sein, das vor zwei Jahren das fünfhundertjährige Jubiläum feiern konnte. An seinen kulinarischen Gaben ergötzten sich schon die Leuchten des alten Emporiums, Albrecht Dürer, Willibald Pirckheimer, Peter Vischer, Adam Krafft, Veit Stoß, Lazarus Spengler, Hieronymus Paumgartner, Hans Sachs, Konrad Grübel und viele andere mehr, deren Namen im Winde verwehten. Gleich Carmen Sylva, deren Gedicht
unter Glas und Rahmen in den engen Räumen hängt, hat sich mancher im Andenken an sie sattgegessen, vielleicht sogar ein Räuschlein angezecht.
Der Geist Johann Wolfgangs des Großen umschwebt ein anderes altes Gasthaus, den alten Keller in Auerbachs Hof in[184] Leipzig, der schon 1438 bestanden haben soll, aber erst mit der Erbauung des Auerbachschen Hauses, 1529 bis 1530, von dem geschrieben steht im Leipzigischen Geschichtbuch von 1714: Anno 1525. So gehet auch die gemeine Rede, welcher ein alt geschriebenes Leipzigisches Chronicon beypflichtet, daß der bekannte Schwarzkünstler Dr. Joh. Faust vermittelst seiner Kunst, ein mit Wein gefülltes Fass aus Auerbach's Keller auf die Gasse geritten – seine jetzige Gestalt annahm. Das Haus der Lübecker Schiffergesellschaft, das am ersten Weihnachtsfeiertag des Jahres 1401 seinen Geburtstag hatte, ist erst viel später aus einem Klubhause zu einer Gastwirtschaft geworden.
An Ratskellern sind nur der Bremer und der Schweidnitzer Keller aus der Vorzeit auf uns gekommen.
Am 6. Mai 1405 wurde der Grundstein zum alten Bremer Rathause und damit zu dem Ratskeller gelegt, in dem Wilhelm Hauff so herrlich bei den alten Weinen aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert träumte. Mit scheuer Ehrfurcht betreten wir das Gelaß, von dem Hermann Allmers Spruch besagt:
Und der gemütliche Schweidnitzer Keller,[185] Breslaus weltbekanntes Wahrzeichen aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert, in dem sich seit Jahrhunderten die Originale der alten Schlesierstadt ein Stelldichein geben. Die verräucherten, bei hellstem Sonnenschein halbdunklen Räume, die lauschigen Eckchen, in denen sich so gut trinken und, vom Bier bewältigt, nicken läßt, wie schmerzlich entbehrt man sie in den Bierpalästen der Großstadt und in den Weinrestaurants mit Lord-Oberkellner und uniformiertem Portier!
Wohl mögen noch in vielen anderen deutschen Städten Ratskeller aus verflossenen Jahrhunderten ein richtiges Greisenalter leben, aber keiner von ihnen allen reicht an den Breslauer und gar erst an den Bremer heran, von dem der trotz alledem und alledem gewaltige Heinrich Heine, sehr richtig erklärt:
Die pralle Sonne liegt auf dem menschenleeren, von den hohen spitzgiebligen Häusern umrahmten Marktplatz mit der Rolandsäule, dem Zeichen der Marktgerechtigkeit. Nur Schweine und Hunde durchwühlen die Überbleibsel der vom Wochenmarkte verstreut umherliegenden Gemüsestücke und Fleischreste.
Stolz, in majestätischer Ruhe aus allen anderen Gebäuden durch seine Größe hervorstechend, liegt das Rathaus da. Seine Giebel und Erker werfen tiefe Schatten auf das holperige Pflaster des Platzes. Die Hellebarde nachlässig haltend, lehnt einer der Stadtsöldner im Schatten eines der Vorsprünge, halb eingelullt von der mittägigen Stille und dem Gesumme der Fliegen, ab und zu einen sehnsüchtigen Blick in die[187] dunkle Öffnung werfend, – dem Eingang in den Ratskeller.
Nur wenige Stufen führen in den mollig kühlen Raum hinab, in dem »selbst das liebe Himmelslicht, trübe durch gemalte Scheiben bricht«.
Die elfte Stunde, die Mittagszeit des Mittelalters, ist noch nicht lange vorbei, darum geht es noch ruhig in dem nur von wenigen Gästen besetzten Raum zu.
In der einen Nische, hart an zwei großen, mit köstlicher Schnitzerei versehenen Fässern, die einen ihren Kunstwerken ebenbürtigen Wein bergen, schäumen zwei Humpen voll guten fremden Bieres vor zwei Rittern aus unfernen »festen Häusern«. Sie haben es sich bequem gemacht, die Recken mit den wetterharten, trotzigen Gesichtern. Helm und Küraß liegen zur Hand auf den vierbeinigen Stühlen, die Arme auf dem blankgebohnten Tisch aufgestemmt, plaudern sie von Krieg und Kriegsgeschrei, vom letzten Niederwurf der Kaufleute, der Beute und dem Lösegeld und flüsternd, sorgsam äugend, ob kein Horcher in der Nähe, beraten sie den nächsten Anschlag auf die beneideten und darum bitter gehaßten Bürger, die es sich beim Gewerk wohl sein lassen und hohnlächelnd auf die armen Stegreifgesellen herabsehen, deren stolze Namen und feste Häuser nur zu oft mit Armut gepaart sind, während[188] die Truhen des Bürgers Kostbarkeiten in Fülle bergen.
Der Kellereingang verdunkelt sich, einige Stadtbewohner kommen die schmale Treppe hinab. Prächtig gehen sie einher, diese Bürger, die Seide, das feine Tuch ihrer Kleidung gleisst in den schrägen Sonnenstrahlen und spielt auf den Spitzen des Pelzwerkes, das trotz der Jahreszeit ihre Mäntel verbrämt. Behäbig, im Gefühl ihrer Würde, schreiten sie zum Stammtisch, auf den der Aufwärter den gewohnten Trank stellt. Bewundernd, wie zu höheren Wesen, sehen die Bauern und deren Frauen von den schmalen Fenstertischen zu den gestrengen Herrn hinüber, die ihnen nur dann einen Blick zusenden, wenn die Unterhaltung der Dörfler allzu laut zu werden droht.
Je weiter der Nachmittag vorrückt, desto mehr mehrt sich die Zahl der Gäste. Der Handwerker im Schurzfell kommt auf einen Stehtrunk, leutselige Pfaffen mischen sich unter die Laien; dort stimmt einer ein Schelmenliedlein an, in das andere fröhlich einstimmen, bis der Gesang mit einem Schlag jäh verstummt.
Ein stämmiger Mann ist eingetreten. Der lange, an den Spitzen ergraute Bart, das tiefernste Antlitz mit den scheu, doch nicht bösartig blickenden Augen, über die sich buschige Brauen wölben, das kurzgeschorene Haupthaar, all dieses mit der dunklen Kleidung,[189] gegen die nur ein kurzes grellrotes Mäntelchen absticht, verleihen dem Manne ein fast ehrwürdiges Aussehen. Er tritt in die Mitte des großen Raumes, lüftet sein Barett, ohne seinen Gruß erwidert zu erhalten, sieht sich nach einem freien Tisch um, kein Platz daran darf besetzt sein, an dem er sich niederläßt. Mit abgewandten Gesicht stellt der Aufwärter einen henkellosen Krug vor ihm hin und mit dem Ende der ledernen Schürze faßt er ängstlich das Geldstück an, das seine Hand nicht berühren darf. Sorgsam trägt er es dem Wirte hin, der es abseits von der anderen Einnahme verwahrt. Non olet – aber es könnte unehrlich machen, stammt es doch vom Schreckgespenst des Gemeinwesens – dem Henker.[161]
Meister Angstmann hat seinen Krug geleert und nach höflichem Gruß gegen den Ratsherrntisch die nach ihm benannte Henkerstube verlassen. Das Treiben, das seine Ankunft nur auf einen Augenblick gestört hatte, nimmt seinen Fortgang.
In das Lachen, Schreien, Singen mischt sich das Rollen knöcherner Würfel, Flüche werden laut, denn die rauhe Zeit läßt trotz aller obrigkeitlichen und priesterlichen Verbote nicht von dem »vermaledeiten, gotteslästerlichen Fluchen«.
Die Leidenschaft des Spieles im Verein mit den hitzigen Getränken und der dumpfen, alkoholgeschwängerten Luft der engen[190] Räume entflammt die Gemüter immer mehr und mehr; Messer blitzen, die Stühle werden zu gefährlichen Waffen, ebenso die Krüge. Die Anwesenden spalten sich in zwei Parteien, die, oft ohne die Ursache des Zwistes zu wissen, ingrimmig aufeinander losfahren, froh, ihre Kraft mit ebenbürtigen Gegnern messen zu können. Die Weiber der Raufer mischen sich kreischend und zeternd in den Streit, und die schrillen Schreie übertönen fast das Waffengeklirr und das Wutgeheul der Kämpfer. Reichen die Nägel und Scheltworte dieser Weiber nicht aus, so machen sie durch Bisse und grauenhaft-gräßlichen Griff den Gegner mitunter für immer kampfunfähig.
Der Lärm des Kampfes ist bis in die oberen Rathausräume gedrungen und die in einer Beratung gestörten »hochmögenden Herrn« drängen sich auf dem Treppchen, das aus den nüchternen Ratszimmern in das feuchtfröhliche Geschoß führt, wie es noch heute im Bremer Ratskeller zu sehen ist.
Die Herren vom Rat gebieten dem Kellerwirt Frieden zu stiften und sein Ruf, daß nun »all Fehd ein Ende haben müsse« übertönt das Getümmel. Mit Riesenkräften trennt er, unterstützt von seinen Knechten, die Kampfhähne, von denen manch einer blutend am Boden liegt. Wie Öl auf die erregten Meereswogen wirken seine Worte, denn jeder weiß, daß die Prügelsuppe von des[191] Wirtes Fäusten böse schmeckt, und daß sie überdies noch den Nachteil hat, das Verbot, im Ratskeller zechen zu dürfen, nach sich zu ziehen.
Erst einer, dann mehrere Besonnene rufen nach der »Gertrudminne«, dem Versöhnungstrank, der nun die Runde unter den scheinbar wieder friedfertig gewordenen Gästen macht, von denen aber manch einer bei sich beschließt, die Fehde bis zur Abfuhr auf neutralerem und weniger gefährlichen Boden, als dem des Ratskellers, weiter auszufechten.
Neben den Wirtshäusern und Ratskellern besaßen die mittelalterlichen Städte ihre nicht jedermann zugänglichen Trinkstuben, die, von gewissen Korporationen für ihre Mitglieder gegründet, auch nur diesen offen standen.
Besonders die Zünfte vereinigten sich nach getaner Tagesarbeit in ihren Trinkstuben, um hier gleichsam im Familienkreise ihrer Fachgenossen und gleichgesinnter Freunde die nur vom Deutschen erkannte Poesie des Trinkens zu genießen.
Dort saßen die ehrsamen Handwerker zusammen, in Norddeutschland beim Bier, im Süden beim Wein, kannegießernd, über Handwerksangelegenheiten Morgensprache haltend und verhandelnd über das Wohl und Wehe ihres Standes, bis die »Weinglocke«, wohl auch lange Glocke genannt, weil sie eine halbe Stunde lang gellte, im Sommer um neun, im Winter um acht Uhr Schluß gebot. In diese Trinkstuben verlegte die[193] Zunft selbst und jeder ihrer Meister alle Feierlichkeiten. Die Freisprüche der Gesellen und Lehrlinge, Hochzeiten, Kindstaufen mit Gastmählern, Trinkgelagen und Tänzen fanden ebenso in den Gildenhäusern statt, wie die Totenschmäuse. Hier wurde das Brommelbier getrunken, das unverehelichte Meister bei gewissen Gelegenheiten als Strafe geben mußten. Diese Trinkstuben nahmen, je älter sie wurden, desto mehr den Charakter von Wirtshäusern an, in denen man auch häufig spielte. 1651 sieht sich der Straßburger Rat wiederholt genötigt, in den Zunftstuben das Spielen um Geld mit Würfel und Karten zu untersagen.[162]
In Nördlingen hatten 1446 die Trinkstuben das Privilegium auf Hazardspiele. Auf der Gesellschaft der Limburger zu Frankfurt a. M. wurde beim Spiele 1458 Jakob Stralenberger von Hert Weiß erstochen. Verwundungen kamen öfter vor. In Freiberg sollte der Schenke kein Geld zum Spiel darleihen, und auch auf Borg oder Kreide sollte nicht gespielt werden. Mehr als zwei Gulden durfte in Torgau keiner verspielen, Spielratten aber, die dem Spiele alle Tage frönten, wurde dieses ganz und gar verboten. Wie diese Bestimmungen aber selbstverständlich übertreten wurden, geht aus der Ausstoßung des Christoph Gering zu Augsburg hervor, der auf der Herrenstube nicht weniger als 7600 fl. verspielt hatte.[163]
Aller Zank und Hader, das Fluchen, Schwören, Gotteslästern, das ärgerliche Disputieren über den Glauben und das heilige Evangelium, das schädliche und schändliche Laster der Nachrede und Verleumdung, grobe, unzüchtige und leichtfertige Reden waren bei Strafe verboten. Wer aber in Torgau es wagte, den hochwohlweisen Rat zu kritisieren und am Ende gar über ihn zu räsonnieren, der mußte gewärtig sein, von dem Stubenherrn beim Rate angezeigt zu werden, damit sich dieser »mit weiterem Ernst und gebürlicher Strafe zu erzeigen wisse«. Der Strafe waren auch die Sänger schandbarer Lieder, die Gäste, welche ein ungestümes Geschrei erhoben und ein wildes Wesen führten, verfallen. Bei der drittmaligen Übertretung trat an Stelle der Geldstrafe halbjährige Verbannung von der geliebten Trinkstube. In Frankfurt war die größte Strafe die Ausschließung von der Gesellschaft.
Von diesen Zunfthäusern haben sich verhältnismäßig nur wenige bis zur Gegenwart erhalten. Entweder fielen sie den Deutschland so oft und gründlich verheerenden Stürmen oder später der Verschönerungssucht, die mit so vielem Altehrwürdigen vandalisch aufräumte, zum Opfer, wenn sie nicht ihren einstigen Bestimmungen entfremdet und zu anderen Zwecken verwendet wurden. Eines der prächtigsten Denkmäler eines[195] dieser ehemaligen Zunfthäuser ist das Schifferhaus in Lübeck, heute noch das Vereinslokal der Schiffergesellschaft, die am 26. Dezember 1902 auf ein fünfhundertjähriges Bestehen zurückblicken konnte.
Nach der ältesten erhalten gebliebenen Hausordnung waren die Brüder und Schwestern der Schiffergesellschaft gehalten, jeden Tag für die lebenden und verstorbenen Mitglieder zu beten. Am Gildetag fand ein Totenamt für die Dahingeschiedenen statt, woran sich eine sehr fidele Schaffermahlzeit schloß. Das noch heute bestehende und in seiner Hauptsache den ursprünglichen Bau aufweisende Schifferhaus wurde 1535 errichtet. In diesem Hause fanden die Schaffermahlzeiten statt, die ursprünglich mit Fastnachtsabend, später aber schon viel früher begannen. Die Kosten dieser Gelage hatten dazu bestellte Schaffer zu tragen. »Da man sich aber gegenseitig immer mehr zu überbieten suchte, so war es schließlich schwer, willfährige Schaffer zu finden. Sie zahlten lieber die hohen Strafen, als daß sie die Wahl zum Schaffer annahmen.« Bis zur Mitte des siebzehnten Jahrhunderts tafelten die Männer allein. Von da ab erscheinen Frauen bei den Schaffermahlzeiten, die tüchtig »mitschafften«.
Weitere ehemalige Zunftstuben sind die Artushöfe in Danzig, Elbing, Königsberg und Thorn, ferner Reste solcher in Frankfurt a. M., Nürnberg u. a. a. O.
Allgemein wurden die Zunfthäuser im sechzehnten Jahrhundert. »Vorher dienten den Zünften als Versammlungsorte häufig die Kirchhöfe, auch die Kirchen selbst, die ja überhaupt im Mittelalter mehrfach zu weltlichen Zwecken benutzt wurden. Privathäuser eigneten sich nicht als Versammlungsort, weil sie nicht räumlich genug waren.«[164]
Mitunter erhielt eine Zunft ihren Namen von der Benennung des Hauses, in dem sie zusammenkam. So hieß in Basel die Zunft der Gewandschneider (Kaufleute) von dem Haus »zum Schlüssel«, das sie zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts gekauft hatte, »die Zunft zum Schlüssel«. Ebenso hießen nach ihren Häusern die Bauleute »zu Spinnwetern«, die Scherer »zum Stern« usw. Auf gute Ausstattung ihrer Häuser legten die Zünfte großen Wert, wovon noch die kostbaren Geräte in den Museen Zeugnis geben.
Wie die Handwerker vereinigten sich die Honoratioren zu Trinkgesellschaften mit eigenen Stuben, von denen jede Stadt von Bedeutung wenigstens eine, Basel 1436 sogar zwei, eine für den Sommer, die andere für den Winter, hatte, »da sie ihre zechen pflegen zu halten«.[165]
An der Spitze dieser geschlossenen Gesellschaften, die nicht selten im Rathause tagten, stand der Vorsteher, der Stubenherr, in manchen Städten, so in Ulm, der Bürgermeister,[197] dem drei Stubenmeister zur Seite standen.
»Zu der letztgenannten Würde durften nur verheiratete Angehörige der Geschlechter berufen werden, und zwar nur solche, die wiederum mit einer Geschlechterin verheiratet waren. Sie hatten das Verzeichnis der Mitglieder zu führen, die Wahl der neuen Stubenmeister zu leiten, die Ordnungen, Rechnungen, Bücher, Leinwand, Stuhlladen, Tische, Teppiche, Zinn, Kupfer und anderes Geräte der Gesellschaft zu bewahren, für dessen Ergänzung zu sorgen, Zänkereien zu verhüten, die Einhaltung der Ordnung zu überwachen, die Beschlüsse der Gesellschaft in ein Buch einzutragen, sie auszuführen und alljährlich Rechnung zu legen. Dafür gewährte ihnen die Gesellschaft auf ihre Kosten ein Mahl. In Lindau war es umgekehrt; da hatte die Trinkstube »zum Säufzen« das Privilegium, daß die drei Bürgermeister und ein Geheimer zu jeder Zeit aus ihrer Mitte gewählt werden mußten. Dieselbe Bestimmung galt in Memmingen, woselbst der Rat aus neunzehn Personen bestand, von denen neun aus der Bürgerstube hervorgehen mußten. Hier hatte diese zwei »Stubenmeister« als Vorsteher. In Torgau standen an der Spitze der Trinkstube zwei ehrliche Bürger, einer aus dem Rate, einer aus der Gemeinde. Sie sollten »auch das beste Bier, so sie bekommen mögen, kaufen,[198] und in deme weder Gunst, Liebe, Freundschaft oder Feindschaft ansehen« und dem Rate jeweils am Schlusse des Jahres Rechnung ablegen.«
»Unter den Vorstehern oder Stubenmeistern stand der Stubenknecht oder Wirt, in Norddeutschland Schenke genannt. Neben freier Wohnung bezog er ein bestimmtes Gehalt. Er sollte das Haus getreulich verwalten, es während seiner Dienstzeit nicht verlassen, den Befehlen der Stubenherren nachkommen, den Gesellschaftmitgliedern, was sie zu essen oder trinken begehren, um ein gebührliches Geld zu beschaffen und die Gäste »tugendlich und freundlich durch sich und sein Gesinde bedienen.« Zum Spielen mußte er die Karten liefern. Er hatte die Versammlungen der Stubengenossen anzusagen und das Stubengeld einzusammeln. Wenn auch die Stellung des Stubenknechtes untergeordnet war, so nahm doch z. B. an einem Kegelschieben der Gesellschaft »auf Laderam«[166] zu Frankfurt a. M. 1463 auch der Stubenknecht Henne Gaich teil und errang sich den dritten Preis. Er muß also von den Stubenherren wohlgelitten gewesen sein.
In den süddeutschen Trinkstuben wurden in der Regel nur Angehörige der Geschlechter, des Patriziates, als Mitglieder aufgenommen, dagegen Plebejer sorgfältig ferngehalten. In Augsburg konnte nur der Mitglied werden, welcher von Adel oder von[199] den alten Geschlechtern der Städte Straßburg, Nürnberg und Ulm stammte, oder ein ehrbarer Mann, welcher der Bürgerschaft und den Geschlechtern nahe verwandt war. Im siebzehnten Jahrhundert ward sogar in Augsburg jeder Angehörige der Geschlechter verpflichtet, Mitglied der Trinkstube zu werden, sowie er das vierzehnte Jahr erreicht hatte, in Ulm erst mit dem siebzehnten. Von Augsburg schreibt Hans von Schweinichen, der 1575 dort war: »Es ist auf den Trinkstuben allda eine feine Kurzweile. Man findet darauf Spieler, Säufer und andere Ritterspiel, wozu einer Lust hat.« Die Gesellschaft Limburg in Frankfurt nahm auch die Weiber und Töchter der Genossen als Mitglieder auf. Heiratete in Augsburg ein Mann guten Herkommens, aber nicht aus den Geschlechtern, eine Tochter aus diesen, so wurde er zu den Tänzen und Kurzweilen der Gesellschaft geladen. Nahm er aber nach dem Tod der ersten Frau eine von der Gemeinde zum Weibe, so war er weiterhin der Gesellschaft nicht mehr fähig. In Ulm ward ungefähr dasselbe beobachtet, doch hatten sie dort 1548 noch die Bestimmung getroffen, daß, wenn einer eine Tochter aus den Geschlechtern wider den Willen der Eltern heirate, er nicht aufgenommen werden könne. Wer sich mit einem leichtfertigen Weibe verheiratete, wurde ausgestoßen; für die guten Sitten seiner Ehewirtin und seiner Kinder[200] war jedes Mitglied verantwortlich. In Frankfurt a. M., woselbst es wie in Straßburg, Zürich, Basel usw. mehrere Trinkstuben gab, wurden in die Gesellschaft Frauenstein Leute jeden Standes, wenn sie nur ehrbar waren, aufgenommen. Erst gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts ward in dieser Gesellschaft der Adel zur Bedingung für die Aufnahme gemacht. Im Mittelalter befehdeten sich die Trinkstuben innerhalb einzelner Städte selbst sehr lebhaft.
Die erwähnten Gesellschaften hatten ihren Sitz vorzugsweise in süddeutschen Reichsstädten; sie waren der Hort der Patrizier, die das Regiment führten oder es von den Zünften wieder zu erringen suchten. Und obwohl sie ursprünglich nur zu geselligen Zwecken gegründet worden waren, griffen sie bald in die politischen Verhältnisse der Gemeinwesen ein. Sie würden heutzutage wohl größtenteils als politische Vereine erklärt werden. Die Angehörigen der Zünfte, die ihre eigenen Trinkstuben hatten, fanden in jene keine Aufnahme. In Nürnberg, woselbst die Geschlechter auf der Herrentrinkstube der Geselligkeit pflegten, verboten diese die Errichtung von Trinkstuben ohne Willen des Rates; das gleiche Verbot war schon 1353 in Frankfurt a. M. erlassen worden. In Augsburg aber hatten die Zünfte die Gewalt, die dann den Geschlechtern die Trinkstube im Rathause kündigten. Eine[201] Anzahl Trinkstuben Norddeutschlands erhielt ihre Ordnung vom Landesherrn, sie waren dann meist weiteren Kreisen zugänglich.
In die Trinkstube des Rates zu Torgau, welche 1579 eine neue Ordnung von dem Kurfürsten August von Sachsen erhalten hatte, war der Zutritt dem kurfürstlichen Hofgesinde (ausgenommen Stallknechte und Jungen), denen von der Ritterschaft und vom Adel, allen ehrlich gewanderten Leuten (aber keinen »Samenkrämern, Spielleuten, Spitzbuben und dergleichen leichtfertigen Personen«), den Bürgermeistern, den Mitgliedern des alten und neuen Rates, den verordneten Viertelsmeistern und Vorstehern des gemeinen Kastens gestattet. Der Bürgermeister konnte auch jenen Bürgern, welche ihre bürgerliche Nahrung ohne Ausübung eines Handwerkes oder Tagelohnes hatten, die Erlaubnis zum Besuche der Trinkstuben erteilen, falls sie ehrbaren Wesens und Lebens waren und eine Verschlechterung ihrer Vermögensverhältnisse nicht zu befürchten war. Auch diese Bürger mußten, wie alle Besucher der Trinkstube, dem Stubenherrn das gebührliche Einkaufgeld entrichten. Die Trinkstuben (Zechgesellschaften) zu Bacharach, zu Steeg und Mannebach am Rhein besaßen Weingärten, die den Trunk lieferten. Die Zahl der Mitglieder war beschränkt. Der zu Erwählende mußte »ein ehrbarer Biedermann, guten Leumunds,[202] Gemüts und Herkommens, friedsam, sittsam und verträglich, Verstands, Vermögens und Person halber hierzu qualifiziert sein.« Durch eine festliche Mahlzeit mit Frauen wurde die Aufnahme gefeiert. Der große Pokal mußte von dem Neuen geleert werden, von sämtlichen Mitgliedern wurde Brüderschaft mit ihm getrunken.
Auch die gute Stadt Leipzig hatte ihre Trinkstuben, wo Rat und Bürger sich der fremden Biere ebenso wie ihrer eigenen erfreuten. Der Wirt der Bürgerstube hieß »Stubner« und hatte auf die Beachtung der Trinkstubenordnung zu sehen, die in fünfundzwanzig Artikeln an der Wand angeschlagen hing. Auch hier wird alles Fluchen, Schwören und Schimpfen mit Geldstrafe, im Falle der Wiederholung mit Ausschließung bedroht. Die Frau des Stubners hatte das Lokal reinzuhalten und bei der Bedienung zu helfen, sie erhielt dafür ein Neujahrsgeschenk von der Gesellschaft.
Die Herren vom Rat versammelten sich in ihrer eigenen Stube, zu welcher auch jeder durchreisende Fremde von Rang Zutritt hatte. Hier wurden oft Feste mit glänzender Bewirtung abgehalten. Aber die auf gute Sitten abzielende »Trinkstubenordnung« war auch hier nötig, denn die erste Gesellschaft des Mittelalters trank, fluchte und raufte gelegentlich ganz ebenso gern wie der Bürgerstand.
Für fremde Gäste, die höchstens dreimal[203] mitgebracht werden konnten, haftete das einführende Mitglied. In Augsburg durfte man sich als Gastgeber auch Gäste einladen. »Wenn man Gäste einlädt und gibt von der Person 18 Weißgroschen, so wird man mit zwanzig Essen gespeiset und dabei den besten Rheinfall und Rheinwein, so zu bekommen ist, getrunken, und dessen so lang, bis man alle voll ist. Wie ich denn etliches Mal dergestalt Gäste auf der Trinkstuben zu mir einlud« schreibt Hans von Schweinichen von 1575. In Freiberg mußte die Wehre abgelegt werden, in Torgau nur, wenn es die Stubenherren für notwendig erachteten. Daselbst waren aber ganz verboten »heimliche mordliche Wehren«, wie Bleikugeln, Spitzbarten, Wurfkreuze, Büchsen, Dolche und dergleichen.
Diejenigen, welche Kandeln, Gläser, Brettspiele oder anderes von der Trinkstube wegtrugen, Tische und Bänke zerschnitten und zerstachen, mit Kohlen oder Kreide die Wände beschmierten, wurden nach Ermessen der Stubenherren bestraft. Zerbrochene Krausen (Gläser), Glasleuchter, Fenster, Ofen und Kacheln mußten auf Kosten der Beschädiger durch neue ersetzt werden, und auch die Strafe blieb nicht aus. Sie traf auch diejenigen, welche das Bier mutwillig auf die Erde gossen. Gesinde und Kinder durften nicht mitgebracht werden, dagegen durften Frauen an festlichen Mahlzeiten, Hochzeiten,[204] Tänzen und bei anderen besonderen Gelegenheiten teilnehmen. An solchen fehlte es nicht. Fürstliche Gäste der Stadt wurden auf der Trinkstube bewirtet, und meist erwiesen sich diese auch erkenntlich hierfür. Herzog Ernst von Bayern ließ von 1434 an den Bürgern zu Landsberg jährlich zu Weihnachten in ihre Trinkstube drei Goldfärchen aus dem Würmsee geben. In den Trinkstuben zu Freiberg und Torgau sollte der oberste Tisch für die Angehörigen der Ritterschaft und des Adels, für die Ratsherren und fremde angesehene Gäste vorbehalten bleiben.
Die Trinkstuben waren nicht den ganzen Tag geöffnet; diejenige zu Torgau von 5 bis 9 Uhr abends, die zu Freiberg von 1 bis 5 und 6 bis 9 Uhr. »Die alten würdigen Herren ließen sich, da es weder Straßenbeleuchtung noch öffentliche Fuhrwerke gab, vielfach von ihren Knechten abholen. Diesen gefiel es auf der Trinkstube zu Freiberg sehr wohl; sie tranken oft mehr als die Herren. Es wurde ihnen deshalb der Trunk ganz verweigert und ihnen befohlen, an oder vor der Türe ihrer Herren zu warten. Die armen Knechte! Nun, sie werden wohl auch gewußt haben, wo sie trotzdem ihren Durst löschen und sich über diese Verfügung trösten konnten!«[167]
Da die Bauern den Städtern alles nachahmten, so mußten sie auch, wenn es nur halbwegs möglich war, ihre Trinkstuben[205] haben. Eine solche findet sich unter anderen 1407 im Elsasser Dorf Sigolsheim (Sygoltzheim) erwähnt. Wo auf dem Lande die Trinkstuben fehlten, da fehlte das Trinken deshalb noch lange nicht, bestanden doch auch unter den bäuerlichen Handlangern Zünfte, bei denen das Trinken nicht weniger ordnungsgemäß vor sich ging, als in der Stadt. So gab es vielfach Drescher-Zünfte, die alle Bönhasen und Pfuscher energisch bekämpften. In ihren Satzungen hieß es u. a.: So soll auch ein Ausgelernter bey Empfängniß des Lehr-Briefes einem jeden gegenwärtigen Zunftgenossen zur Recreation 1 Maaß Bier, einen halben Hering, 1 Quarckkäse und halben Pickling reichen, ingleichen einen halben Batzen in die Lade zu erlegen schuldig seyn.[168]
Wie mit so vielem anderen, räumte auch der dreißigjährige Krieg mit den Trinkstuben gründlich auf. Mit der Blüte der Städte schwanden auch die Trinkstuben, um von da ab nie wieder ihren alten Glanz zu erreichen, wenn sie auch noch nach dem Westfälischen Frieden an vielen Orten wieder erstanden.
Mit dem Ende der Zünfte nahmen die Handwerkerstuben für immer Abschied. Aus den Herrentrinkstuben wurden Vereine und Klubs, die unter allen möglichen Decknamen im Grunde genommen doch nur denselben Zweck wie ihre Vorgänger haben – unter ihren Fittichen sattsam zu trinken!
»Man muß die Feste feiern, wie sie fallen!« Im Festfeiern waren unsere Ahnen nicht faul, und die übergroße Anzahl von Heiligen, deren Gedenktage die Kirche mit Orgelklang beging, bot Gelegenheit genug, sich in der zeitüblichen Weise, d. h. durch besseres Essen und recht strammes Trinken ordentlich auszutoben. Doch die kirchlichen Feiertage genügten dem Unterhaltungsbedürfnis allein nicht, deshalb suchte man sich auf eigene Faust Feste zu schaffen, darum gaben schon vor dem neunten Jahrhundert die im Schoße einer Familie sei es Freude sei es Trauer bringenden Vorkommnisse willkommene Gelegenheit zu festlichen Gelagen. Bei der Geburt eines Kindes, bei dessen Taufe, bei der Konfirmation, bei dem Verspruch, bei der[207] Vermählung, beim Antritt einer Erbschaft[169] wurden ebenso Mahlzeiten gehalten, zu denen man die Sippe und die Freundschaft einlud, wie bei Todesfällen nächster oder entfernter Verwandter. Darum gab man auch allen jenen, die man bei solchen Gelegenheiten nicht mit dem in natura gereichten Trunk erfreuen konnte, das sich so wunderbar konservierende Trinkgeld. Auch der Meister gab es nach Vollendung eines größeren Werkes seinen Mitarbeitern, und hatte er selbst nichts übrig, so schnorrte er den Auftraggeber darum an, wie dies Meister Albrecht Dürer in einem vom 26. August 1509 an den Frankfurter Kaufmann Jakob Heller datierten Brief tat.[170]
Fragen wir nach dem Grund der damals immer wieder vorkommenden Ausartungen bei festlichen Genüssen, so bestand dieser teils in der zu jener Zeit waltenden großen Lebenslust, teils aber auch in der Beschaffenheit des damaligen sozialen Lebens. Das Mittelalter hatte, wenn man die korporativen Trinkstuben abrechnet, nichts, was den stets wiederkehrenden allgemeinen Unterhaltungen und Vergnügungen unserer Zeit entsprach, also weder Zeitungen, Zeitschriften und Unterhaltungslektüre überhaupt, noch Bälle und Soireen, noch stehende öffentliche Unterhaltungsanstalten, wie das Theater und die Konzerte, sondern nur solche allgemeine Vergnügungen, die sich an[208] ein Kirchenfest anschlossen, oder welche bei besonderen außerordentlichen Gelegenheiten stattfanden. Namentlich fehlte es an regelmäßigen Vergnügungen, welche beiden Geschlechtern gemeinschaftlich waren. Die Männer pflegten ihre Freistunden in den Trinkstuben zuzubringen, während die Frauen bloß auf das Haus und die Familie angewiesen waren.[171] Mit Entzücken wurde daher von den Frauen die Gelegenheit zur Feier einer Festlichkeit ergriffen. Polterabende, Hochzeiten und Kindstaufen waren es vornehmlich, wo die ungezügelte Zechlust so lange austobte, bis die strenge Obrigkeit einen Riegel vorzuschieben für gut fand. In Zittau war es der Patin untersagt, mehr als dreimal die Wöchnerin zu besuchen, da sie jedesmal einen Schwarm von hungrigen und besonders durstigen Damen mitbrachte. Ebenso war dieser Besuch auf höchstens je eine Stunde Dauer festgesetzt, ebenso genau bestimmt, was an Speise und Trank, als letzteres nur Bier, vorgesetzt werden sollte. In Frankfurt a. M. wird gewöhnlicher Wein gestattet. Außer diesen Besuchen wurden den Wöchnerinnen noch Einladungen zu dem Kindbetthof erlaubt, einem geselligen Mahle, das mit einem Tänzchen schloß. Selbstredend arteten diese Kindbetthöfe in wüste Schwelgereien aus, so daß sie fast überall verboten wurden.[172]
Neben diesen Höfen bestanden noch die[209] Kindschenken oder Kindbett-Urten, die in den Trinkstuben der Patrizier und Handwerker stattfanden. Die Leute begnügten sich keineswegs mit der Urte allein, sondern zogen im sechzehnten Jahrhundert nach ihrer Beendigung nach dem Hause des Vaters oder des Paten des Neugeborenen, wo man nochmals gehörig trank, oder, wie eine Frankfurter Verordnung sich ausdrückt, sich »noch mehr beweinte«. Die Kindbett-Urten erforderten bei Taufen Frankfurter Patrizierkinder achtzig bis hundert Maß Wein, so daß sie 1596 die Honoratioren selbst für immer abschafften. Die Geschichte war schließlich zu teuer geworden. Der Frankfurter Rat hatte die Urterei 1418 zuerst verboten, da sie aber trotzdem fortbestand, – wie alle derartigen von Luxusgesetzen verpönten Veranstaltungen, – gestattete er sie 1546 offiziell wieder, umsomehr als sich bei der Heimlichkeit und der durch diese gebotenen beschränkten Teilnehmerzahl ein starker Ausfall des Weinungeldes, der Accise, bemerkbar machte. Die Taufhöfe durften auch später, freilich nur bei Tag und an Sonntagen, abgehalten werden. Wenn irgend ein »Nörgler« dieses Gesetz umgehen wollte, so sandte er allen denen, die er einladen wollte, ohne es zu dürfen, Speisen und Weine ins Haus, wozu auch insofern Veranlassung vorlag, als die sehr geringe Höchstzahl der Gäste vorgeschrieben war.[210] In Braunschweig war übrigens nach § 138 der Polizeiordnung um die Mitte des 14. Jahrhunderts dieses Zusenden von Bier, Wein und Speisen untersagt.
Außer der Taufe und den Taufmahlen gaben noch der erste Kirchgang der Wöchnerin und ihr erstes Bad Gelegenheit zu Gastereien.
Nach der Verlobung fanden gleichfalls Mahlzeiten statt, zu denen man die beiderseitige Familie und Freundschaft einlud. Entweder gab es gleich nach dem Verspruch – den man bezeichnend den Weinkauf nannte – im Hause der Braut, im Rathaus oder in einem Kloster ein Festmahl. Nürnberg verbot 1485 die Verlobungsfeste in den Klöstern. Schmausereien, Trinkgelage und zum Schluß ein flottes Tänzchen waren gewöhnlich der Bestand dieser Vergnügungen, bei denen sich das städtische Protzentum gegenseitig überbot. Auch die Nassauer fehlten nicht, so daß sich die Ulmer Behörde zu der Bestimmung veranlaßt sah, »daß man nur bis sechs Uhr abends auf Kosten des Bräutigams zechen dürfe, von da ab jeder für sich zu zahlen habe.«[173] Beim Zuge in die Kirche läuteten die Glocken, wofür das Brautpaar nach dem Nürnberger Hochzeitsbüchlein von 1485 dem Glöckner ein Viertel Wein spendete. In Frankfurt stellte sich das Brautpaar unmittelbar nach seiner Ankunft im Dom auf einen Stein, der im Kreuzgang[211] vor der Turmtüre lag. An diesen Stein, – Heißenstein, von heißen, verheißen, versprechen, genannt – der eine ausgemeißelte Handtreue aufwies, trat der Priester und goß Wein über die verschlungenen Hände des Brautpaares, ehe er sie zur Einsegnung der Ehe vor den Altar führte, – die bindende Kraft des heiligen Weines, den man ja auch auf dem Tisch des Herrn verabreichte, im Gegensatz zur lösenden Kraft, durch die ein freier Mann die unfreie Braut ebenbürtig machen konnte: »Wenn aber ein Freymann (zu Sickte) eines unfreien Mannes Tochter nimmt, ist es ein Ackermann, so gibt er dem Großvogte ein Stübchen Weins, ein Kothmann aber ein halb Stübchen Weins.«[174]
An manchen Orten, so in Frankfurt a. M., war es Sitte, am Hochzeitstag vor dem Hause Fässer aufzustellen und an alle Vorübergehenden Freiwein zu verabreichen. Die hierdurch entstandenen Ungehörigkeiten veranlaßten natürlich zahlreiche Verbote der Behörden, die wohl umgangen, jedoch niemals befolgt wurden, – dazu war das Protzentum in gewisse Kreise des Mittelalters zu fest eingewurzelt.
Die Hochzeiten selbst schlossen, wie ja auch heute noch, mit Schmäusen, bei denen es je höher die Familie stand desto toller im Essen und Trinken herging. Eine mit dem größten Aufwand veranstaltete Hochzeitsfeier[212] in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts schildert Othokar Horneck in seinem gereimten Zeitbuch des Landes Österreich da, wo er zum Jahre 1246 beschreibt, wie König Othokar von Böhmen seine Nichte, die schöne Markgrafentochter von Brandenburg, an den König Bela von Ungarn vermählte: Es war da so viel zusammengebracht, daß, wer es recht betrachtet hat, fürwahr gestehen muß, daß er nie bei einer Hochzeit oder an einem anderen Ort mehr Vorrat an allen Dingen gesehen. Bloß an Wein war so viel da, daß, wenn so viel Leute, als in zwei Ländern sind, zu trinken begonnen hätten, ihnen der Wein, dieweil die Hochzeit währte, nicht abgegangen sein möchte.« Von einer Fürstenhochzeit in Torgau berichtet Luther: »einer hat dem andern ganze halbe Stübichen Kandeln voll Bescheid tun müssen. Das haben sie genannt einen guten Trunk«. Bei der Vermählung des Herzogs Georg von Landshut mit einer polnischen Gräfin wurden in acht Tagen 300 Ochsen, 75 wilde Schweine, 500 Gänse, 62 000 Hühner, 75 000 Krebse und 162 Hirsche verzehrt, dazu 175 Stückfässer Landshuter, 200 Fässer andere deutsche und 70 Fässer italienische Weine ausgetrunken. Eine alte, in Schweinsleder gebundene Chronik erzählt uns, »wie auf der Hochzeit des Ritters Dietrich von Quitzow mit[213] Fräulein Elisabeth, Tochter des Herrn Apitz Schenk von Landsberg, im Jahre 1393 zu Köln an der Spree gegessen, getrunken und getanzt wurde«.
Während man bei unseren heutigen Hochzeitsmahlen mit Vorliebe »bunte Reihe« macht, waren die Tafeln der Jungfrauen und Männer auf jener Berliner Hochzeit vor 500 Jahren streng von einander geschieden. Aber beide waren, der Sitte jener Zeit entsprechend, reich besetzt. In der Mitte waren mehrere ungewöhnlich große Käse zur Zierde aufgestellt, und zwar so, daß stets zwei den dritten trugen. Das Mahl fing mit großen Näpfen voll Biersuppe an, bei der Pfeffer und Ingwer nicht gespart waren. Hierauf kam Hirse mit Würsten, erstere mit Safran schön gelb gekocht. Dann trug man Grünkohl mit Hammelköpfen auf und hierauf Kalbfleisch, ebenfalls mit Safran schön gelb gekocht und stark mit Pfeffer gewürzt. Rehbraten mit vielem Knoblauch und Zwiebeln und Wildschweinsbraten schlossen sich an, und den Beschluß machte Thorner Pfefferkuchen. Beim zweiten Mahle trug man Brot auf, das mit Kümmel und Fenchel versetzt war, und dazu gab es einen Hirsebrei, im Sack gekocht. Dieser wurde in einem Topfe auf den Tisch gebracht, um welchen wiederum ein Sack vielfach herumgelegt war, wie man jetzt wohl Servietten um Mehlspeisen legt. Es war ein[214] Lieblingsgericht der damaligen Zeit und wurde in der Regel mit »Tunke« genossen, zu welcher sich wohl noch eine Beikost, Heringe, Schinkenschnitte, je nach dem Geschmacke der Gäste gesellte. Dann folgten Fische »auf ungarisch« gesotten; hierauf Wildpret und Spanferkel in Teig gebacken und endlich Mandelmus in vier Farben. Ließ man es, wie aus dem Mitgeteilten zur Genüge hervorgeht, an den nötigen kulinarischen Genüssen durchaus nicht fehlen, so wurde doch auch für einen guten »Umtrunk« nach Kräften Sorge getragen, Kräuterbiere und Met fanden besonders viel Liebhaber, nicht minder »Ipocras«, der seiner Zusammensetzung nach unserem Glühwein gleichkommen dürfte. Dann gab es Bernauer, Kapnizer und Gardelegener Bier und ebenso Zerbster Bitterbier. Getrunken wurde aus steinernen Krügen, die mit Silber beschlagen waren, aus Kannen und Trinkhörnern.
Auf der Hochzeit Herzog Georgs von Bayern und Landshut, der allerdings den Beinamen »der Reiche« trug, mit des Polenkönigs Tochter zu Landshut im Jahre 1475 machten die Kosten für den Unterhalt der Gäste die unerhörte Summe von fast 56 000 Gulden aus. Für Gewürze allein wurden 1089 Gulden verausgabt. Auf der sechs Tage währenden Hochzeit des Prinzen Wilhelm von Oranien mit Anna, der Tochter des Kurfürsten[215] Moritz von Sachsen (1561), waren 5600 Gäste in Dresden anwesend, die 3600 Eimer Wein und 1600 Fässer Bier vertilgten.[175] Im Jahre 1500 hielt Kurfürst Johann von Sachsen sein Beilager mit der Prinzessin Sophie von Mecklenburg in Torgau, wo acht Tage lang 11 000 Personen köstlich gespeist und 7200 Pferde gefüttert wurden. Noch mehr Hochzeitsgäste, 14 000, besaß Graf Eberhard der Rauschebart. Bei der Hochzeit Johannes von Luxemburg mit Elisabeth von Böhmen (1310) bedienten Ritter zu Pferde die an den auf der Nordseite des Speyerer Domes aufgeschlagenen Tischen zechenden Gäste. »Brunnen waren mit Wein, Bier und Met zu trinken da. Höhlen voll von Fleisch, Fischen und Getreide. Schiffe, beladen mit Wohlgerüchen, waren vorhanden, die Bedürfnisse des Leibes aufs beste zu erfüllen.«[176]
Der Hochadel tat es natürlich, so weit es nur immer möglich war, den Fürstlichkeiten gleich. 1578 bei der Hochzeit des böhmischen Ritters Wilhelm von Rosenberg mit einer Markgräfin von Baden auf Krommenau (Krummau) wurden vertilgt: 1787 Eimer Rheinwein, 2000 Eimer ungarischer, 700 Eimer österreichischer, 1100 Eimer mährischer, 370 Eimer süßer, 448 Eimer böhmischer Wein; dann 5487 Viertel Weißbier, 180 Viertel Rackonitzer, 920 Viertel Gerstenbier und 24 Viertel Schöps.[177] Die Hochzeit[216] kam auf über 100 000 Taler zu stehen. Aber auch die Bürger entfalteten einen reichen Hochzeitsluxus. In Schwäbisch-Hall dauerte einst eine Hochzeitsfeier neun volle Tage, während welchen stets an sechzig Tischen gespeist wurde.[178]
Nach Faust von Aschaffenburg pflegte auf den Hochzeiten der Frankfurter Patrizier im sechzehnten Jahrhundert ein Fuder Wein vertrunken zu werden. Im siebzehnten Jahrhundert war dieser Hochzeitstrunk schon auf drei Fuder angewachsen.
Eine im Jahre 1515 von dem Frankfurter Geschlechte Arnold von Glauberg ausgerichtete Hochzeit kostete 116⅔ Gulden. 76 Leute waren geladen und vertranken sechs Ohm Wein und für sechseinhalb Gulden Bier. Dazu wurden 239 Pfund Rindfleisch, 315 Hähne und Hühner, 30 Gänse, 3100 Krebse, 1420 Weißbrode und vieles andere mehr verzehrt. Man aß ebenso gut, wie man trank, und das will viel sagen!
Bei den Brautgelagen in Braunschweig durfte der Bräutigam nur zwischen zwanzig bis höchstens vierzig Personen zu Gast bitten, denen er bloß vier Stübchen Wein vorsetzen sollte, ein so bescheidenes Maß, daß es wohl kaum dabei geblieben sein dürfte. In Goslar richtete sich die erlaubte Zahl der Hochzeitsgäste nach der Höhe der Mitgift der Braut. Für jede erhaltene zwei Mark Silber konnte der junge Gatte eine Schüssel[217] geben, aus der zwei bis vier Personen essen sollten. Das Getränkquantum war in Goslar nicht namhaft gemacht.[179] Das kleine Wernigerode war toleranter, indem es ohne weiteres erlaubte, 120 Personen zu den Vermählungsfeierlichkeiten einzuladen, dazu noch 16 Droste, 16 Mägde, Spielleute und Ratsdiener. Hingegen untersagte der Magistrat Wernigerodes »polternacht en holde« – den Polterabend zu halten, da es an diesem meist toller zuging, als am Hochzeitsabend.[180]
Über das Schlemmen und sonstige bei den Hochzeitsschmäusen übliche Unarten klagt Cyriakus von Spangenberg in seinem Ehespiegel oder LXX Brautpredigten,[181] nachdem er sich über die Tänze bei den Hochzeiten ausgelassen hat: »Wenn man sich am Reyen und tanzen wol müde gelauffen, gejaget, gedrehet und gerennet hat, so findet man sich alsdann wieder spat genugsam zu Tische und hält das Nachtmahl, da gehet es also viel wüster, unmäßiger und unzüchtiger zu, als wil der Abend unschamhaftiger und trunkener ist dann der Morgen; da isset mancher und trinket ohne Hunger und Durst zu ungelegener Zeit, wäre besser, er schlieffe dafür, und ist diese Abendmalzeit schädlich, beyde, dem Bräutigam und den Gästen. Ist das auch ein schändlicher Mißbrauch, daß auff denselbigen Abend Jungfrawen und Gesellen zusammen unter einander[218] gemenget gesetzt werden, weil aber das Gesellige sich gemeiniglich voll gesoffen und toll gelaufen hat, ist wol zu erachten, was grob, unflätig und unverschampt sie pflegen zu seyn, mit Worten und Gepärden, und ist dahin kommen, daß auch unter den Jungfrawen ihr vil selbst unhypsch genugsam seyn können mit Worten und den Scherz am meißten treiben und fördern, daß es auch bisweilen an einem anderen ort (will nit sagen wo) zu vil were, das stehet ja zumal übel. Denn was geschiehet auf den Abendmalzeiten, wenn man den ganzen Tag gesoffen hat, anders, dann daß eyner schlaft über Tische, der ander zerbricht Gläser, der dritte schreit und singet, der vierte hadert und zankt, der fünfte beweint das Trunken Elend, der sechst giebt fechten und springen für, der siebente wil aus der Kunst disputiren, und ist ein solches Leben durcheinander, daß man nicht weiß, wer Koch oder Kellner ist … Also gar hat Bacchus das tolle Regiment zu Abends alleine, wenn man ihm den Tag zuvor gedienet hat, daran ist ja nicht viel zu loben …«[182] Geiler von Kaysersberg meint auch »wa man uff einer hochzeit ist: olleweil man nuechtern ist, so ist nit guot dantzen, aber wenn man fol ist, so gat es erst«.[183]
Wie man im ersten Viertel des siebzehnten Jahrhunderts heiratete, schildert ein Chronist bei der Beschreibung der Hochzeit[219] des reichen Bürgermeistersohnes Nameler zu Bunzlau in Schlesien. Da ich unbescheiden genug bin, auch auf Leserinnen zu rechnen, setze ich die Schilderung dieser bürgerlichen Hochzeit als Gegensatz zu der erwähnten Quitzowschen Hochzeit hierher, die als Parallele zwischen einst und jetzt vielleicht die Damen interessieren dürfte.
»Die Jungfer Hochzeiterin hatte einen Rosengarten mit blauen Mausöhrlein (Myosotis-Vergißmeinnicht) vermischt auf dem Kopf, auf den der Pfarrer bei der Trauung den Brautkranz von grünem Rosmarin mit goldenen Ähren durchwunden, setzte. Ohrringe und Halskette waren groß und von echtem Golde, von der letzteren, die mit vielen Diamanten und schönen Perlen besetzt, war der Hals ganz bedeckt. Der hohe steife Spitzenkragen war mit goldenen Spitzen garniert; der rosarote seidene Brustlatz mit goldenen Blumen gestickt, das über den Reifrock ausgespannte Kleid von weißem Droket, das Geschwänze (die Schleppe) eineinhalb Gewändt lang und der ganze untere Saum breit mit Gold garniert. Die Strümpfe waren von weißer Seide mit goldenen Zwickeln und die langen weißen Schnabelschuhe mit goldenen Flittern gestickt und mit hohen roten Absätzen. Der Kopf des Hochzeiters steckte in einer ganz neumodischen Knotenperrücke, um den Hals schlang sich eine weiße Spitzenkrawatte,[220] deren Zipfel bis auf den Magen in die oben offene Weste herabhingen, und die unterm Kinn mit einem Brillantknopfe vereinigt und festgehalten wurden. Die Weste, welche bis auf die halben Beine reichte, war von weißseidenem Droket mit Goldblumen gestickt, die Hosen von demselben Zeuge mit goldenen Kniegürteln und goldenen Schnallen versehen. Die Strümpfe weiß mit goldenen Zwickeln, die schwarzen Schnabelschuhe mit goldenen Schnallen hatten keine Absätze. Das Kleid war von hellespontinischem zwiebelfarbigen Droket mit goldenen Knöpfen. Der runde, biberhaarne Hut war sehr hoch, beinahe spitzig und mit weißen, roten und gelbseidenen Bändern verziert. Um den Staat besser zeigen zu können, wurde zur Trauung nicht gefahren, wie es jenerzeit auch Mode war, sondern gegangen, überhaupt gingen Hochzeiterinnen, die sich eines reinen, fleckenlosen Rufes bewußt waren, lieber, als daß sie fuhren; diejenigen aber, deren Ruf zweideutig war, ließen sich lieber in die Kirche fahren. Beim Eintritt in die Kirche wurde das Brautpaar mit Kesseltrommelgerassel und Trompetengeschmetter empfangen; die Kirche war ganz mit Kerzen erleuchtet, sämtliche Hochzeitsgäste saßen vor dem Altar auf Stühlen, das Brautpaar in dessen Mitte vor diesem, unter sich schöne mit Gold und seidenen Blumen gestickte Teppiche ausgebreitet. Nach der Trauung[221] kam der Hochzeitsschmaus. Er bestand in 24 Gängen, während welchen 23 Töpfe Wein getrunken wurden. Bevor man sich zu Tisch setzte, wurde mit vier Trompeten zum Händewaschen geblasen; bei jeder Speise wurden andere Teller und Servietten gegeben. Die Braut saß zwischen Bräutigam und Pfarrer. Als die 24 Gänge vorüber waren, wurde wieder mit vier Trompeten zum Händewaschen geblasen, während dessen die Tische abgedeckt, das Tischtuch abgenommen, neu gedeckt und das Konfekt und die Dessertweine aufgesetzt wurden. Um acht Uhr zogen alle, Braut und Bräutigam an der Spitze, nach dem Rathaussaale, zum Tanz, der mit Genehmigung des Rates, der daran teilnahm, bis zwölf Uhr dauerte. Voran tanzte der Vater der Jungfer-Hochzeiterin, Jacob von Brauchitsch mit der letzteren und wurden, wie es heißt, fast alle modischen Tänze durchgemacht als: der polnische, Dreh-, Capriolen-, Schmoller-, Tauben-, Vor-, Zwölfmonats-Tanz und das ganz neue moderne Menuet. Um zwölf Uhr wurde das Brautpaar in die Brautkammer begleitet, wo der Vater des Bräutigams, der gestrenge Herr Bürgermeister, seiner Schnerche (Schwiegertochter) die goldgesäumten Strumpfbänder abband, die Frau Bürgermeisterin ihr die Schlafhaube aufsetzte, den Jungfrauengürtel abnahm, ihr zugleich[222] eine kostbare Frauenhaube schenkte, die Hochzeitsjungfer, Magdalene von Brauchitsch den letzten Jungfrauen- und die Frau von Brauchitsch den ersten Frauenkuß gab. Währenddem tranken die Hochzeitsgäste noch einige Töpfe des letzten Jungfernweines. Am andern Morgen um zehn Uhr machten sämtliche Gäste den jungen Eheleuten ihren Besuch und tranken dabei natürlich wieder einige Töpfe des Frauenweines, wozu vor der Türe mit Kesseltrommeln und Trompeten musiziert wurde. Um zwölf Uhr ward wieder gegessen, es gab zwölf Gänge, ohne das Konfekt. Nach der Mahlzeit ging die Gesellschaft spazieren, wo man sich dann im Freien mit verschiedenen belustigenden Spielen unterhielt, wobei auch gut gelebt wurde. Gegen Abend trennte sich die Gesellschaft.«
Sogar bei der Mitgift war man häufig besorgt, daß der geliebte Trank im neuen Hauswesen nicht ausgehe. Im Jahre 1627 vermählte sich der Berliner Patrizier Joachim Steinbrecher mit der Jungfrau Anna Tageteuffel, der Tochter eines fürstlich mecklenburgischen Leibarztes aus einem sehr berühmten mecklenburgischen Geschlecht. Die junge Dame brachte ihrem Gatten ein Ehegeld von zwölfhundert Talern zu, wofür ihr ein Meierhof in Neukirchen, den ihr Mann als Belehnung erhalten hatte, nebst zehn[223] Pferden, acht Kühen, zwanzig Schweinen, dreißig Schafen und sieben Viertel Land zum Leibgeding verschrieben wurden. Außerdem sollte sie vom Rittergut zum Hausbrauch jährlich zwei Scheffel Erbsen, zwölf Scheffel Mehl, zehn Stück Schrotfleisch, zwei Speckseiten, zehn Pfund Butter, zwei Schock Käse, drei Schock Eier und vier Tonnen Bier geliefert erhalten. An dem Gegenwert, beziehungsweise der Naturalverzinsung der Mitgift, läßt sich der bedeutend höhere damalige Geldwert gegen die Gegenwart ermessen, denn zehn Pferde allein, selbst gewöhnliche Ackergäule, sind heute schon meist mehr als zwölfhundert Taler wert.
Außer den Hochzeiten boten, wie gesagt, die Taufen willkommene Trinkgelegenheiten, besonders für das zarte Geschlecht.
Den Frauen, die das Kind zur Kirche geleiteten, ebenso ihren Mägden reichte man nach der Rückkehr vom Taufgang Lebkuchen, Frankenwein oder einen Wein in ähnlicher Preislage, auch Met. In Nürnberg wurde die Zahl dieser Gäste durch Polizeiordnungen bestimmt. In Freiburg im Breisgau durften 1474 höchstens zehn Frauen an einem solchen Frühschoppen teilnehmen, während in Breslau im vierzehnten Jahrhundert dieses »Kinderbier« durchweg verboten war. Görlitz erlaubte den fünfzehn Gästen eigengebrautes Gersten- oder Weizenbier aber keinen Wein oder fremdes Bier aufzutischen,[184][224] was aber keinen Bürger abhielt, es doch zu tun, auch wenn er Strafe bezahlen mußte. Luxusgesetze wurden eben von allen Gesetzen von jeher am wenigstens beachtet und wenn sie vernünftig waren, am allerwenigsten, wie dies z. B. aus den vielen Verordnungen gegen den bei den Leichenschmäusen getriebenen Luxus hervorgeht, deren erste schon im Jahre 1220 zu Worms, dann 1310 im Bistum Trier erschien.
Lange hatte die kirchliche und weltliche Obrigkeit zu tun, um die altheidnischen Totenmähler, die bis über das neunte Jahrhundert hinaus am Grabe der Verstorbenen abgehalten wurden, abzuschaffen, wie aus dem Kapitular von 742 Karls des Großen hervorgeht. Gab es doch nach den Briefen des heiligen Bonifacius hier und dort Geistliche, die sich herbeiließen, am offenen Grabe Totenopfer darzubringen und an den darauffolgenden Gelagen teilzunehmen. Allmählich wurden die Leichenmähler vom Grabe weg und in die Häuser zurückgedrängt, wo man sich oft noch weit größeren Ausschweifungen hingab. Der Erzbischof Hinkmar von Rheims verbot allen Priestern seines Sprengels an den Ausgelassenheiten, die bei den Gelagen am Jahrestag eines Verstorbenen, sowie am siebenten und dreißigsten Tag nach der Beerdigung vorzukommen pflegten, teilzunehmen. Sie sollten in aller Ehrbarkeit ihr Frühstück verzehren und dann zur[225] rechten Zeit wieder in die Kirche zurückkehren.[185]
In seinem »Weltbuch«[186] schreibt Sebastian Frank, daß man im Augsburger Bistum Brot erst auf das Grab legte, dann auf den Altar, von wo es der Meßner nahm »und isset es von der armen seel wegen«. An anderen Orten opferte man Wein, Brot und Mehl zu Handen des Priesters, »das verbraßt der frum Priester mit seiner Köchin, von der Seel und Heiligen willens«. Den Priestern, die einen Reichen zu Grabe geleitet hatten, mußte man nachher »das Maul füllen«. In deren Begleitung begab sich nämlich der ganze Kondukt in das Trauerhaus, um sich bei opulenter Bewirtung von dem Trennungsschmerz zu erholen. In der Oktav und am dreißigsten Tag des Ablebens wurde abermals ein Totenmahl gehalten, bei dem aber 1410 in Braunschweig nur zehn fremde Leute als Gäste anwesend sein durften.
Die willkommensten und gründlich ausgenützten Trinkgelegenheiten boten die Feiertage, vornehmlich Neujahr, der Sylvestertag und der St. Martinstag. Johannes Boëmus sagt in seinem schon erwähnten Werk: »Zum 1. Januar, zur Zeit, wo das Jahr und alle unsere Zeitrechnung beginnt, besucht der Verwandte den Verwandten, der Freund den Freund, reichen sich die Hände und wünschen sich ein glückliches Neujahr und feiern dann diesen Tag mit festlichen[226] Glückwünschen und Trinkgelagen. Nach althergebrachter Gewohnheit sendet man sich auch Geschenke.«
Am Jahresbeginn gingen auch die Handwerkerumzüge vor sich, die in manchen Städten später auf Fastnacht verlegt wurden, oder auch vielerorts Neujahr und Fastnacht stattfanden. Überall waren es die Metzger und Bäcker, die sich dabei besonders hervortaten. Die Fleischergilde der betreffenden Stadt stellte gewöhnlich vom sechzehnten Jahrhundert ab ein Wurstungetüm zur Schau, das von kostümierten Gesellen durch die Hauptstraßen getragen wurde. Diese Sitte scheint von Königsberg in Preußen zu stammen. Die dortige Metzgergilde war wenigstens die erste, von welcher ein Wurstumzug berichtet wird. Sie zog am 1. Januar 1583 mit einem Wurstgiganten von fünfhundertsechsundneunzig Ellen Länge und einem Gewichte von vierhundertvierunddreißig Pfund in der Stadt herum. Schließlich schenkten sie das Endchen Wurst den Weißbäckern, welche diese Gabe am Dreikönigstage durch einen sogenannten Stritzel erwiderten, in dem drei Scheffel Mehl verbacken worden waren. Am Neujahrsmorgen 1601 schleppten die Schlachter ein noch gewaltigeres Ungetüm durch die Stadt nach dem Schlosse. Einhundertdrei Gesellen hatten an der eintausendundfünf Ellen langen Wurst zu tragen. Dem Fürsten wurden einhundertdreißig Ellen der[227] Wurst verehrt. Die ganze Wurst wog zweiundzwanzig Stein und fünf Pfund, also etwa vierhundertdreiundvierzig Kilogramm. Man verbrauchte dazu die Därme von 45 Schweinen, 81 Schinken, eineinhalb Tonnen Salz, eineinhalb Tonnen Bier und achtzehneinviertel Pfund Pfeffer. Drei Meister und siebenundachtzig Gesellen hatten ihre Anfertigung übernommen und bei der Arbeit zwei Faß und eine Tonne Bier vertilgt. Die Wurst kam auf vierhundertzwölf Taler zu stehen. Die Weißbäcker lieferten auch zu dieser Wurst das Gebäck in Form von Pretzeln und Kringeln, wozu sie zwölf Scheffeln Weitzenmehl nötig hatten. Die Nürnberger Bratwurst, die am 8. und 9. Februar 1658 von zwölf Personen durch die Stadt Schau getragen wurde, war sechshundertachtundfünfzig Ellen lang und zweihundertsiebenundfünfzig Kilogramm schwer.[187] Die Vertilgung von Brot und Wurst kam natürlich hauptsächlich den städtischen Bierbrauern zu Gute.
Diese Trinkgelage arteten, wie vorauszusehen war, häufig aus. Unter dem 18. Dezember 1579 heißt es in den Ratsbüchern der Stadt Freiburg im Breisgau: »soll den Zünftigen angezeigt werden: daß das Gutejahr- und Sternensingen auch das Bruderschaft-Schenken; – item Nachts nach neun Uhr auf den Gassen oder in den Wirtshäusern und Stuben (= Trinkstuben) zechen, spielen[228] oder sich sonst unbeschiedenlich finden lassen verboten.«[188]
Die Signatur aller mittelalterlichen Feiertage war eben entweder bis zur Überfüllung Schlemmen oder das Gegenteil – Fasten.
Man aß und trank an den obligaten Feier- und Sonntagen, was nur in den Körper hinein wollte und nahm mit Freuden fremde Gebräuche an, an denen man nach Herzenslust diesen beiden Nationalneigungen fröhnen konnte, – so unter anderem das aus Frankreich und den Niederlanden eingeführte Bohnenfest.
»In den zwölf Nächten zwischen Weihnachten und heil. drei Könige«, lesen wir bei Boëmus, »wird jedes Haus in Franken, das bewohnt ist, fast ohne Ausnahme mit Weihrauch oder sonst einem wohlriechenden Rauchwerk zum Schutze gegen die bösen Geister und Zauberinnen ausgeräuchert. Wie man die drei Tage, die den Fasten vorausgehen, verbringt, braucht nicht gesagt zu werden, wenn man weiß, in welcher volkstümlichen und freiwilligen Tollheit ganz Deutschland – und Franken macht keine Ausnahme – dann lebt. Man ißt, man trinkt, man gibt sich dem Spiele, dem Scherze hin, als ob das niemals wiederkehre, als ob man morgen sterben müsse und heute noch sich an allem ersättigen wolle. Jeder denkt ein neues Schaustück aus, mit dem er Sinn und Augen aller erfreut und in Bewunderung[229] festhält, und, sie schämen sich nicht, die jenen Scherzen sich hingeben, stecken Larven vor die Gesichter, verkleiden sich, verstellen Alter und Geschlecht, Männer ziehen Frauenkleider, Frauen Männerkleider an. Andere wollen Teufel (satyras) oder böse Geister darstellen, bemalen sich mit Mennig oder Tinte und entstellen sich schändlich auch in der Kleidung, andere laufen nackt herum und spielen Luperci, von denen nach meiner Meinung diese Sitte, jährlich einmal toll zu werden, herstammt.« Boëmus legt das Hauptgewicht seines Tadels auf die Maskeraden und andere beim Bohnenfest gebräuchlichen Unarten, während, wie aus zahlreichen das Bohnenfest darstellenden Bildwerken hervorgeht, doch wohl die Trunkenheit die Ursache der meisten Ausschweifungen gewesen sein wird.
In der Geschichte des deutschen Durstes darf auch der St. Martinstag nicht übergangen werden, da dieser große Tag, der 11. November, dem heil. Martin geweiht ist, dem Patron der Trinker, dem zu Ehren man das schöne Lied sang:
St. Martinus wird von beiden Konfessionen mit gleicher Unparteilichkeit gefeiert,[230] denn denken die Katholiken an ihren Bischof von Tours, der dem in Bettlergewand nahenden Heiland seinen Mantel gab, so ist den Protestanten Martinus von Eisleben Grund genug, den 11. November zu begehen, wie eine Nordhauser Sage beweist.
Luthers Nordhausener Freunde, Prediger Justus Jonas und der Bürgermeister Meinberg luden einst den Reformator ein, seinen Geburtstag bei ihnen zu begehen. Luther folgte der Einladung. Als nun die drei Männer gemütlich beieinander saßen, fiel ihnen ein, daß am nächsten Tage das St. Martinsfest in der katholischen Kirche feierlich begangen werde, und daß es in ihrer Macht stehe, ihr Fest ebenso zu feiern. Die Kerzen wurden besorgt und brannten abends auf den Familientischen, das ganze Haus festlich beleuchtend.
Eine andere Lesart von der Entstehung sagt, daß einst zwei ehrsame Schuster, die vom Markte in Sondershausen gekommen wären, Luther auf der Landstraße getroffen hätten. Es dunkelte bereits und sie baten den verehrten Mann, mit ihnen in ihrer Herberge zu Nordhausen einzukehren. Das habe Luther getan. Den Neugierigen, die aus den Fenstern schauten, riefen sie zu:
Da man diese Verse aber auch in Hannover kennt, so ist es möglich, daß diese[231] Feier sich mehr auf den Bischof Martin von Tours bezieht, der seiner Tugenden willen hoch geehrt wurde. Jedenfalls aber ist das Nordhausener Martinsfest ein besonderes Fest geblieben bis auf die Jetztzeit, das von den Schuhmachern vorzugsweise gefeiert wird.
In den Chroniken finden sich Berichte von den Gesellschaften der »Martinsbrüder«, deren einziger Zweck es war, sich am 11. November bei Schmausereien zu vergnügen, die oft in wüste Gelage ausarteten.
In jenen genußfrohen Zeiten flammten am Rhein Leuchtfeuer auf den Höhen und im Tal auf; in den Straßen der Städte liefen arme, mit Strohbündeln umwundene Buben lärmend von Haus zu Haus, um Holz und Stroh bettelnd. Vor den Toren ward dann dieses Holz auf einem Scheiterhaufen verbrannt und die Jugend umtanzte mit ihren Fackeln die Flammen.
Bald ließen sich die Bürger an dem einen Tage nicht mehr genügen. Man dehnte die Festfreude über eine ganze Woche aus, die am 4. November begann und mit dem St. Martinstage endete, und die man die Schlampwoche nannte. Diese Schlampwoche stand im Zeichen der Martinsgans, die gründlich mit jungem, süßen Most angefeuchtet wurde.
In Schmalkalden wurde früher an alle Einwohner der Stadt am Martinstage Most verteilt. Der Stifter dieser Mostspende hieß Most-Märten, und sein Bild hängt im dortigen Rathaus. Die Sage erzählt, daß Most-Märten, ein Bürger der Stadt, sich einst verirrt habe. Da hörte er die »große Oster«, die größte Glocke der Stadt läuten, ging dem Klange nach und erreichte glücklich die Stadt. Aus Freude über seine Rettung aus Gefahr machte er diese Stiftung, während deren Verteilung die große Oster ununterbrochen läutete.
Der Volksglaube mancher Ortschaften behauptet sogar, der heilige Martin könne an seinem Feste Most in Wein verwandeln. Die Kinder der Halleschen Halloren glaubten ehedem sogar an die Verwandlung von Wasser in Wein und stellten, um den St. Martin zu dieser Wandlung zu veranlassen, Wasserkrüge in die Saline.
Darum hieß in manchen Weingegenden der zu Martini gekostete Wein »Martinswein«, wovon ein alter Spruch noch Kunde gibt: »Heb an Martini, trink' Wein per circulum anni.«
Auf den Martinstag fiel auch vielfach die Weinlese, die meist zwei volle Tage währte. Ferner herrschte die Sitte, daß die Kinder ihren Lehrern und den Pfarrern einen Martinstrunk darbrachten, wie sich noch heute im Böhmerwald das Landvolk am[233] Martinstag Schönheit und Stärke zutrinkt, wie in der ersten Jahreshälfte mit dem Pfingsttrunk. Darum galt auch den Winzern der Martinstag als Lostag. So viel Sterne sie am Abend am mächtigen Himmel zählten, so viele Ohm gab ihnen die nächste Weinlese. Am Weinheiligen St. Martinstag wurde auch das große Heidelberger Faß 1752 zum erstenmal gefüllt, was durchaus kein Zufall war.
Martinsgans und Martinstrank waren unzertrennliche Begriffe, die manch ein Poet der Vorzeit in einem Atem verherrlichte:
Eng mit dem Martinstag ist die Geschichte des Lübecker Martensmannes verknüpft, der im Jahre 1817 eigener Verhandlungen zwischen Lübeck und Mecklenburg bedurfte, um für immer abgetan zu werden, nachdem er drei Jahrhunderte hindurch groteske Zeremonien über sich hatte ergehen lassen müssen.
Es war nämlich der Ehrenfeste und Hochweise Rat der kaiserlichen freien und Hansastadt Lübeck seit undenklichen Zeiten verpflichtet, jedes Jahr am 10. November ein Ohm alten Rheinweinmostes an das herzogliche Hoflager zu Schwerin zu schicken und sich der Gnade des regierenden Herzogs und seiner freundnachbarlichen Gesinnung zu empfehlen.
Zu diesem Behufe wählte der Lübecker Senat jährlich unter seinen Ratsdienern einen handfesten Mann als Gesandten aus, dem[235] zwei Zeugen beigeordnet wurden. Der Gesandte hieß der Martensmann. Alle drei Personen mußten in erster Linie trinkfeste Gesellen sein, denen es erst dann zu schmecken begann, wenn andere Sterbliche schon unter dem Tisch lagen.
Am 8. November fuhr der Martensmann mit den beiden Zeugen in einer offenen Kalesche, von vier feurigen Rossen gezogen, aus den Toren Lübecks gen Schwerin. Der Weg nach Schwerin beträgt nur acht Meilen, allein, da die Gesandten eines so reichen und mächtigen Gemeinwesens niemals kargen durften, so begleiteten außer dem Wagen mit dem Weinfaß noch weitere Gefährte mit Lebensmitteln den Zug, als ob es gegolten hätte, wochenlang unbewohnte Landstriche zu durchziehen. Am zweiten Tag langte man abends in der Dunkelheit heimlich in Schwerin an und bezog einen entlegenen Gasthof der Vorstadt. Wagen und Pferde wurden hier auf das Sorgfältigste besichtigt und jeder Schaden ausgebessert.
Am Morgen des nächsten Tages fuhr die Gesandtschaft verstohlen eine kurze Strecke vor die Stadt hinaus, um mit dem Glockenschlag zwölf Uhr öffentlich und feierlichst in Schwerin einzuziehen. Die Kutscher jagten in Galopp an das Tor; die Wache trat heraus, rührte die Trommel und präsentierte das Gewehr, für welche Ehre der Martensmann mit Abziehen des Hutes dankte und der Wache[236] einen Gulden Trinkgeld verehrte. Ein Unteroffizier und zwei Mann brachten dann den Gesandten in seine Wohnung, die sie zur Sicherheit des hohen Herrn bewachten. Dies schien um so weniger überflüssig, als den Wagen ein ganzes Heer von Müssiggängern und Straßenjungen begleitete, das unaufhörlich die schrillen Rufe: »Mus-Marten, Pennings-Marten, Schön-Marten« ertönen ließ. Diese ganze Horde pflanzte sich gegenüber dem Quartier des Martensmannes auf, maskierte und besudelte sich gegenseitig unter wüstem Gejohle mit in den Straßenkot getauchten Kuhschwänzen zu Ehren des Gesandten, der sich die Gesellschaft durch Verteilung von Gebäck und kleiner Münze vom Halse schaffte. Unterließ der Martensmann die Bestechung, so lief er Gefahr, von dem Gesindel angegriffen und mißhandelt zu werden, was freilich streng verboten war, aber nichtsdestoweniger vorkam.
Um die dritte Nachmittagsstunde endlich hält der Lübecker Martensmann seinen feierlichen Einzug in das herzogliche Schloß. Auf allen Straßen, die er zu passieren hat, harren seit Stunden die Menschenmassen sehnlichst des großen Kaleschwagens, welcher endlich, vom dicksten Pöbelhaufen umdrängt, erscheint. Der Kutscher feuert mit heroischen Peitschenhieben die Rosse an. Auf der mittelsten Bank thront allein der berühmte Martensmann mit offizieller Amtsmiene[237] und in solennem Amtsornat, das in einem schwarzen Unterkleid und in einem scharlachroten ärmellosen Mantel besteht. Um den Hals trägt er den riesigen weißen Faltenkragen und auf dem Haupt die gewaltige Allongeperrücke. Hinter ihm liegt das Faß, hinter diesem sitzen die beiden Zeugen und ganz hinten stehen zwei Lakeien.
Sobald der Wagen in den Schloßhof einfährt, entblößt der Gesandte zunächst das Haupt des Kutschers, dann sein eigenes, desgleichen tun die Zeugen, während die ganze Schloßwache unter das Gewehr tritt und salutiert, wofür sie ebenso wie die Torwache einen Gulden Trinkgeld erhält. In Gegenwart des Herzogs muß dann der Wagen mit seiner vollen Ladung zweimal in rasender Eile auf dem Schloßhof herumfahren, während der Martensmann wieder Geld unter die Menschenhaufen wirft. Das Gerassel des Wagens, das Getöse der Pferdehufen, das Gebrüll des Volkes, das Gelächter auf den Galerien wirken in dem engen Hof besinnungsraubend, gehörzerstörend, markverzehrend. Plötzlich hält der Wagen vor der Haupttreppe still, auf welcher der Hausvogt und mehrere herzogliche Beamte stehen, um die Gäste zu empfangen. Nachdem alle formellen Begrüßungen und feststehenden Anreden beendet sind, läßt der Hausvogt Wagen und Pferde untersuchen, ob etwa am Eisenbeschlag, Riemenwerk, Geschirr, Hufeisen[238] usw. der geringste Fehler zu finden sei; in diesem Fall nämlich gehören nach altem Herkommen Pferde und Wagen dem Herzog und werden sofort von dessen Kutscher in den Marstall gebracht, angesichts des verblüfft nachschauenden und vergeblich dagegen protestierenden Martensmanns. Wahrscheinlich mußte der Wagen deshalb zweimal rasch den Schloßhof umjagen, damit falls noch kein Fehler an ihm war, doch wenigstens bei dieser Gelegenheit etwas schadhaft wurde und die Ursache seiner Beschlagnahme werden könnte.
Nach Untersuchung des Fuhrwerks, wobei die Straßenjugend emsig hilft, besteigt der Hofkellermeister ernst und feierlich den Wagen, das im Faß enthaltene Gemisch zu prüfen; er öffnet das Spundloch, zieht mit seinem Heber ein Glas voll zur Probe heraus, besieht nach weltbekannter Weinkennerregel zuerst die Farbe der göttlichen Flüssigkeit, im zweiten Tempo riecht er an ihrer Blume und im dritten setzt er das Glas und leert es in verschiedenen Zügen. Dann reicht er dem Hausvogt einen Trunk, und so der Reihe nach allen Beamten, die untereinander die Güte des Weines nicht genug preisen können. Das Faß wird darauf wieder zugeschlagen und in den Hofweinkeller gewälzt. Die Gesandtschaft aber verabschiedet sich unter vielen Komplimenten und verläßt den Schloßhof, wiederholt Geld unter das jubelnde Volk[239] werfend. Nachdem sie unter der abermals salutierenden Wache vorübergefahren, bedeckt sie zuerst wieder ihre ehrwürdigen Häupter. In seinem Quartier angelangt legt der Martensmann die Amtskleidung ab und erholt sich von den Strapazen seiner Sendung. Ihr geschäftlicher Teil ist für ihn jetzt beendet; fortan hat der Arme nur noch Vergnügen auszustehen, und zwar besteht dieses lediglich in Essen und Trinken. Zunächst übersendet er nach alter Sitte den Beamten, die ihn im Schloßhofe empfangen haben, zwölf Pfund Käse, zwei Pfund Bücklinge, zwei Brote und vier Citronen. Dann läßt abends sieben Uhr der Hausvogt ihn samt Zeugen und Kutscher unter vielen Komplimenten zu einem Abendessen auf dem Schloß einladen, was bereitwilligst angenommen wird. Der Gesandte macht sich mit seiner Gesellschaft sofort auf den Weg; voran geht mit gravitätischem Schritt der Pförtner, der die Einladung besorgt hat, und hält in der Rechten den gewaltigen Kommandostab, um sich und die Gesandtschaft damit zu schützen, in seiner Linken aber eine eigens zu diesem Zweck bestimmte drei Fuß hohe, aus hundert Scheiben von Horn zusammengesetzte, mit Messing beschlagene Laterne, in der vier Lichter brennen. Durch diese will der Pförtner seine Aufmerksamkeit gegen die Gäste »einleuchtend« beweisen. Als im achtzehnten Jahrhundert der Herzog Karl[240] Leopold sich in Dresden aufhielt, meinte Lübecks Hochweiser Rat einmal, die Weinsendung wäre unnötig, und schickte keinen Martensmann. Er ward aber an seine Pflicht erinnert und der Gesandte erschien nachträglich am Johannistag des folgenden Jahres. Damit aber nichts an der pünktlichen Beobachtung aller übrigen Zeremonien fehlte, mußte der Pförtner auch diesmal um die bestimmte Stunde, trotzdem die Sonne klar und hell am Himmel schien, mit seiner großen blendenden Laterne der ehrwürdigen Gesellschaft voranleuchten, was sich freilich etwas tollhäuslerisch ausgenommen haben soll. Außer dem Hausvogt, seinen Assistenten und der Gesandtschaft nehmen an der großartigen Abendmahlzeit Küchenmeister, Kellermeister, Kastellan, Schloßgärtner und viele gute Freunde teil. Für den Pförtner ist ein eigener Tisch an der Tür des Zimmers gedeckt; in dem ernsten Moment, wo die Speisen aufgetragen werden, ruft er sein gebieterisches »Stille da!« Er muß zugleich Ordnung unter dem Publikum halten, welches an der offenen Tür dem Gastmahl zuschaut, dabei entsetzlich tumultuiert und dem Cerberus nicht das mindeste Gehör gibt, so sehr dieser sich solches auch durch seinen Kommandostab zu verschaffen sucht, mit dem er vor Wut zuletzt taktmäßig auf den Boden klopft. Während er so der Gesellschaft die Tafelmusik ersetzt, schluckt er selbst mit[241] Ärger und Unmut eine reichliche Mahlzeit hinab. Neben der Tafel aber steht nach alter Sitte ein schönes, aufgemachtes Bett, darauf liegt eine Nachtmütze à la Michel, Waschwasser und Handtuch befinden sich daneben, und das Nachtgeschirr, mit Vergebung, steht darunter. Alle diese schönen Sachen sind aber, – beruhige dich, lieber Leser – dazu da, daß man sich ihrer nicht bediene, gleichsam ein »Noli me tangere« für die stoische Gesellschaft, welcher sie nur zur geneigten Ansicht und zur Übung dienen, den Lockungen des Teufels zu widerstehen. Selbst die geehrteste Persönlichkeit, welche zugegen ist, der Martensmann, darf sich nicht in das Bett legen, noch von den anderen nützlichen Gegenständen Gebrauch machen, befände er sich auch noch so sehr in einem Zustand, wo ihm eben jene Gegenstände von unendlichem Nutzen sein könnten. Eine harte Strafe trifft den Missetäter, welcher dieses Gesetz überschreitet. Den Küchenzettel hat die urväterliche Überlieferung vorgeschrieben und nur sechsunddreißig Schüsseln für diese einfachen Spartaner bestimmt. Wenn nach der Suppe und etlichen Fleischspeisen die Fische vorgelegt werden, bringt der Hausvogt die Gesundheit seines Landesherrn aus; es folgen Toaste auf alle Glieder des herzoglichen Hauses, den Lübecker Senat usw. Wer zum erstenmal an der Tafel erscheint, dem wird zu Ehren nach uralter Sitte der[242] große Willkomm getrunken. Falls der Geehrte allein diesen nicht zu bewältigen vermag, ist es ihm erlaubt, sich dazu zwei Gehilfen, die einen guten Schluck nehmen können, die sogenannten Gevattern, auszuwählen. Ist der Willkomm geleert, so fragt der Hausvogt den Gast, ob ihm eine Gnade widerfahren und Recht geschehen sei, was dieser dankend bejaht. Um elf Uhr wird die Tafel aufgehoben, aber niemand begibt sich nach Hause, sondern man begleitet in corpore mit der nie fehlenden Laterne den Martensmann in sein Quartier; hier nimmt man – keinen Abschied, sondern wird von dem höflichen Gesandten eingeladen, bei ihm etwas Kaffee, Tee, Punsch und guten alten Rheinwein, was alles längst bereit steht, einzunehmen, bloß um die Verdauung zu befördern. Nach etlichen Stunden endlich trennt man sich in ungeheurer Heiterkeit. Kaum aber sind die Herren am anderen Morgen mit verschiedenen unaussprechlichen Gefühlen erwacht, als man auch schon daran denkt, Mund und Magen der armen Gesandtschaft in neue Tätigkeit zu versetzen. Hätte die Gesandtschaft Grund zu Mißtrauen, sie könnte sich als das Opfer einer fürchterlichen Intrigue wähnen, daß sie sich selbst zu Grunde essen und trinken solle. Allein sie folgt willig der Einladung des Hausvogts zu einem kleinen Frühstück, welches immerhin für eine anständige Mittagsmahlzeit[243] durchgehen könnte. Sämtliche Gäste des vorhergehenden Abends verfehlen nicht, sich pünktlichst einzustellen. Abermals liefern sechsunddreißig stattliche Schüsseln und der Inhalt unzähliger Flaschen den sämtlichen Digestionsorganen allerseits eine hinlängliche Beschäftigung auf mehrere Stunden. Zum Schluß bringt der Martensmann einen Toast aus auf das gute Einvernehmen zwischen dem Haus Mecklenburg und der Stadt Lübeck. Dann wird er ganz so, wie am vorhergehenden Abend, von der Gesellschaft nach Hause gebracht und diese von ihm zu Kaffee, Punsch und Wein eingeladen. Endlich naht die trübe Abschiedsstunde, man scheidet mit tiefstem Kummer voneinander und wünscht dem Martensmann glückliche Reise. Damit sich aber die herzoglichen Diener nicht hungernd dem Abschiedsschmerz hingeben, erhält jeder von ihnen noch eine Gans und eine Torte aus der Hofküche; ebendaher werden dem Martensmann, damit er unterwegs nicht ganz verschmachte, eine Wildpretpastete, eine Torte, ein Gänsebraten und ein Schweinebraten, außerdem zwei Scheffel Hafer für seine Pferde zugeschickt. Seinem Hochweisen Rat aber muß er das eine Jahr einen Rehbock, das andere ein wildes Schwein oder einen Frischling mitbringen. Das ist die Geschichte vom Lübecker Martensmann.[189]
Dieses groteske Spiel mit dem närrischen[244] Gesandten ist Flögel entgangen, der es sonst sicher seiner Geschichte des Groteskkomischen einverleibt hätte. Es ist recht bezeichnend für den Geist, der in gewissen Duodezländchen des geflickten deutschen Reiches römischer Nation herrschte, daß sich ein solcher sinnloser, für Lübeck entwürdigender Mummenschanz über zwei Jahrhunderte halten konnte, und es erst, wie eingangs erwähnt, langer Verhandlungen bedurfte, um der Narretei endlich den Garaus zu machen. Auch hier war es wohl die Schlacht bei Jena, die den beteiligten Kreisen gezeigt, daß die Zeit der Untertanerei und der Spielereien vorbei und eine Epoche der Arbeit und des Ernstes angebrochen sei.
Im mittelalterlichen Trinkerparadies spielten die Schlaftrünke eine große Rolle. Nach heutigen Begriffen sind diese gewürzten und gesüßten, meist warm aufgetragenen Getränke unseren heutigen Bowlen und Pünschen sehr ähnlich; wenn sie auch in ihrer Zusammensetzung einem modernen Gaumen kaum mehr munden dürften. Gewürze und Zucker, überdies Parfüme und Farben waren die Hauptingredienzien, neben denen der Grundstoff, Frucht- und Kräuterweine, ganz nebensächlich waren. Die Schlaftrünke, im übertragenen Sinn, waren unseren Desserts, mehr aber noch jenen Büffets ähnlich, die bei großen Gesellschaften einige Stunden nach der allgemeinen Hauptmahlzeit aufgeschlagen werden. »Bei fürstlichen und adeligen Hochzeiten wurde die feierliche Beschlagung der Decke nicht eher vorgenommen, bis der süße Schlaftrunk von den Neuverlobten[246] genossen war; nun erst wurde der Braut das Strumpfband gelöst, das Zimmer verschlossen, und der Jungfernkranz genommen.«[190] Ja, er ward Teil der Besoldung, »wie denn noch heutigen Tages (1782) in einigen Ländern manche Ämter bis 20 Eimer Weins jährlich unter diesem Titel einziehen.«[191]
Wie es bei einem solchen Schlaftrunk im sechzehnten Jahrhundert zuging, was alles aufgetischt wurde, zeigen die nachstehenden Blätter, die ein Kapitel aus einem äußerst seltenen Kochbuch mitteilen: aus Hieronymus Bocks »Teutscher Speisekammer«, Straßburg, A. D. 1550.
Von Pancketieren und Schlaffdrüncken, und was man gemeiniglich zu denselben pflegt auffzutragen.
Ueberflüssige Schlaftrünck sind (wie menniglich bekennen muß), eitel schädliche Anordnung, durch welche menschliche Körper hefftig geschwächt, und zeitliche Narung endtlich verschwinden und zerrinnen müssen. Noch will man solche schädliche Gewohnheit, wie in andern mehr Dingen, im Brauch haben und behalten, das lassen wir fallen.
Den Schlaffdrunck aber pflegt man gemeinlich auf diese weiß ongeverlich anzurichten:
Erstlich so muß alles was unter der Sonnen guts ist, dem Schlaffdrunck dienen, solches aber muß der Hausherr zuvor bestellen und anrichten, derselbige gibt jedem Diener seinen besondern Befehl. So ist die Speißkammer zuvor zugerüst, stehet an der Handt, daraus fordert man Wein, Brot, Kerzen, Liechter und alles was der Hausherr zuvor befohlen hat. Zudem so sind die Gemach und Tisch auf das allerköstlichst gerüst und zubereit, die Kerzen und Liechter brennen an allen Orten, dann tragen die Diener auf, kalt Gebratenes, allerhand Wildpret, Cappaunen, Phasanen, Feld- und Haselhüner, vielerley Gevögels, mancherley Pasteten von Fischen und Wildpret bereit. Darneben stellt man auch Fischwerk, als gebraten Forellen, gebraten Hecht, gebraten Salmenruck, Briken und andre Bratfisch mehr. Etwan stellt man Fleisch und Fisch Galregen zusammen, oder kalte gesottene Rinder- und Kalbsfüß in Essig darbey.
Zum andern werden aufgetragen viel köstlicher wolbereitter Latwergen, allerhand Obst und Spezerey, in Zucker und Honig candirt und eingemacht, als die saure Amarellen, Kirschen, Johannisträubel, Sawrachbeerlin, Schlehen, Pflaumen, Spilling, Möllelin, Nespelin, Speirling, Quitten und Byrn, dazu die edle Weintrauben, unzeitige grüne eingebeitzte Baumnuß, mit Specereyen besteckt; darnach kommen auf den Platz rothe[248] Rüben, vil und seltsame eingebeitzte Wurzeln, als der Wegwarten, Bibernellen, desgleichen Limonen, Citronaten, Pomeranzen, phalot, auch Muscatnuß, seltsame Kost aus den Apoteken, als Mirabalani und dergleichen viel. Weiter bringt man aus der Speißkammer Dattel, Feigen, Zwiebeln, Rosein, grüne Mandeln, rothe Haselnuß, grüne Baumnuß, Castanien und anders. Unterdeß so braten auch die Quitten-Äpfel, die Byrn und Castanien in den heißewteschen, so bereit der Koch daneben auf den Kolen das weiß Brot zu den Träsaneien. Aus der Speißkammer werden auch getragen die schönste übergulte Confect von Mandel, Canel, Ingber, Muskaten, Coriander, Fenchel, Anis, Kümmel und das klein Leisam-Confect,[192] gleich dem weißen Magsamen, das alles wird züchtiglich und mit Fleiß zum Schlafdrunk fürgetragen.
Zum dritten schikt der Koch seltsam gebachenes mit den Dienern in die Gemach, dazu Fladen, Honigkuchen, Hyppen, und schöne vergulte Marcipan mit seltsamen Wappen, seind aus Mandel und Zucker bereit.
Der Keller hat die allerbeste Käse, heimisch und frembde zu wege gestelt, und darneben das Obst als Aepfel, Byrn, Träubel und was für Obst jeder Zeit zu bekommen ist. Noch ist das alles nichts, denn es mangelt noch an Hauptstücken, nemlich an Wein und an Brot, das sollt man am ersten haben[249] aufgetragen, als weiß Brot, Eyerkuchen, Bretzeln und die allerbesten stärksten Wein, deren etlich weiß, etlich roth und schwarz, Firnen und Newen, süße Wein, rösche (herbe) Wein, als Rappis-, Kirschen- und Schlehenwein. Dann erheben sich erst die besten Freude und Kurzweil, freuntlich Gespräch, züchtige Gesäng, liebliche Sprüch, mit hofieren und Tanzen, dazu sind vormals bestelte besondre Spielleuth, die mit der Musik und allerhand Instrumenten, so man erdenken kann, die Leut unterhalten und wissen frölich zu machen.
Etliche aber essen und trinken von Newem, andere aber haben sonst besondere Gespräch, die dritten machen Kuntschaft und newe Freundschaft, die vierten sehen allein zu und merken, daß am Kasten gar nichts mangelt, mit Verwunderung des Geprängs, und was doch zuletzt daraus woll werden.
So ist des Hausherrn Gesind zuvor auf alle Dinge ordenlich mit Worten abgericht, jedes hat Acht auf seinen Befelch und insonderheit, daß kein Mangel an Wein und Lichtern gespüret werde. Solch Spiel und Kurzweil beym Schlafdrunk weret etwan bis in die halbe Nacht, etwan auch bis an den Morgen, dann facht sich erst ein Dankscheidens an, mit vielem Erbieten und Danksagung. Ist aber jemands dem andern ein Drunk schuldig blieben, der wird etwan am[250] Morgen desselben halb zu reden gestelt. Die andern wöllen mit wissen, was nächten geschehen seyn; lasse alle Ding bleiben. Also endet sich zuletzt ungeverlich der züchtig Schlafdrunk der Reichen, so es vermögen und zu verlegen haben.
Bey den unverständigen, wilden Weltkindern wird der Schlaffdrunk viel anderst gehalten, dann daselbst gehet es drunter und drüber. Und obwol allerhand Speiß und Dranck von Fleisch und Fischen wird aufgetragen, auch zum Ueberfluß, lassen sich doch ir etlich daran nicht genügen, sondern fahen etwan an, selbers zu kochen; der will ein Speck-Suppen, der ander begert ein Milch-Suppen, die dritten wöllen Eyer in Schmalz haben; etliche essen rohe Bücking, rohe Bratwürst und lassen ihnen Hering aus der Tonnen, also rohe, mit Essig und Zwiebeln hertragen; die andern wöllen Rettig oder zum mindesten den sawren Compost aus der Cappes-Bütten (Sauerkraut-Butte) zum Schlaffdrunck haben. Oftermals muß der Koch Weißbrot in Butter rösten, das nennen sie der Zechtbrüder Kramet-Vögel, zu Latein Scala vini, ein gute Wein-Leiter, da erhebt sich allererst das aufrichtig, erbarlich und ordentlich zudrinken an. Je zween und zween bringens andern zweyen, und also fortan mit guten Sprüchen und Kurzweil; solchs heißen sie eine herrliche, kostliche, gute, getrewe, erbare[251] Gesellschaft, die etwan bis an den Morgen beharrlich thut währen, denn keiner will im Drunk der letzte seyn, so will auch keiner die Gesellschaft zerstören oder den ersten Anbruch machen.
In Summa, zum Schlaffdrunck wird nichts gespart, es muß die Fülle und Ueberfluß darbey sein, denn es ist und bleibt der Schlaffdrunck eine alte, langwirige, rechte gute Gewohnheit, die man aus der Acht nit soll, noch lassen kan, darumb daß unsre Vorältern, die redliche alte Teutschen, solchs alles also herbracht, und wir, derselben Nachkommen, gemelten ererbten Brauch nit wissen zu ändern oder abzuschaffen.«[193]
sagt Thomas Murner in der »Schelmenzunft«[194], und wie genau der geistreiche Mönch seine Landsleute gekannt, beweist die Kulturgeschichte der Deutschen von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart.
Wie bereits erwähnt, war das Leben der Germanen ein ewiger Kampf gegen den Durst. »Am wenigsten konnten sie den Durst ertragen«, sagt Tacitus[195] und »wenn deutsche Krieger von ihren Fürsten nur reichlich zu trinken bekamen, verzichteten sie gerne auf jede weitere Entlohnung ihrer Dienste.«[196] Diese Vorliebe für den Trunk erregte die Spottlust der den Deutschen[256] niemals besonders geneigten Römer, die sich über die germanischen Söldner Caesars, als diese sich einige Tage vor der pharsalischen Schlacht ordentlich vollgetrunken hatten, weidlich belustigten.[197] Wie sich die Römer diese periodische Trunkenheit zu nutze zu machen suchten, habe ich bereits bei der Geschichte des Mets erwähnt.
Auf die Trunkliebe der Franken rechnete einmal der Langobardenkönig Grimuald, als er im Kampf mit ihnen sein Lager bei Rivoli samt all seinen Schätzen und einer großen Menge vorzüglichen Weines preisgab. Bereits um Mitternacht waren die Franken richtig so betrunken, daß es dem König ein leichtes war, das Lager zu überfallen und sie samt und sonders niederzumetzeln.[198]
Dabei waren die Franken nicht einmal die ärgsten Trinker unter den germanischen Stämmen. Ihnen und den Langobarden stellt sogar der heilige Bonifacius das Zeugnis aus, daß sie »nicht so sehr dem Laster der Trunkenheit ergeben seien, wie die Angelsachsen«. Die größten Trunkenbolde scheinen die Alamannen und vor allem die Heruler gewesen zu sein, denn »es galt als ein wahres Wunder«, wenn ein Heruler »nicht treulos und dem Trunk ergeben war.«[199]
Und wie wurde getrunken!
Der schon zitierte Venantius Fortunatus, der im fünften Jahrhundert Deutschland bereiste[257] und wiederholt Gelegenheit hatte, Zechgelage zu sehen, gerät außer Rand und Band über diese Barbaren, die, hinter ihren Krügen sitzend, singen und »unsinnig wie Rasende darauf los trinken«. Wer nicht mittue, bemerkt er, der werde für unsinnig gehalten, und man könne von Glück sagen, wenn man aus solch einem Trinkfeste lebend davon komme. Daß sich einer tottrank, war gar nichts seltenes. In einem uralten angelsächsischen Lied »Von der Menschen Schicksalen« wird unter die gewöhnlichen Todesursachen des Menschen auch die Trunksucht gerechnet. Von dem im Trunke gebliebenen »sagen die Helden, daß er ein Selbstmörder sei«.[200]
Da der Germane nicht nur in Kampf und Streit, sondern auch im Trinken nach dem Heldentum strebte, so war es allgemein üblich, sich im Trinken gegenseitig zu messen. Man forderte sich zum Trinkkampf heraus und trank sich unter den Tisch.[201] Ein guter Trinker leerte den Humpen wohl auf einen Zug, »einige trinken ihn auf den zweiten aus, aber keiner ist ein so schlechter Trinker, daß er ihn nicht in drei Zügen leer brächte.« Es galt überhaupt als Unhöflichkeit, einen Becher nicht ganz zu leeren. Denn da eine Tischgesellschaft nur ein einziges Trinkgefäß benützte, so wäre einer der Tafelrunde genötigt gewesen, den übrig gebliebenen Rest, die sogenannte Bartneige[258] zu trinken. Nicht selten wurde ein lahmer Trinker genötigt zu trinken, auch wenn dies selbst sein Leben gefährdete.
Mit der vollständigen Trunkenheit aller Gäste endigte zumeist jedes Gelage. Selbst an den Höfen der Könige »zechte man so lange fort, bis endlich auch die Diener berauscht wurden und in den Winkeln des Hauses, wo gerade ein jeder hinsank, sich dem Schlaf überließen.«[202]
Als besonders trinkfeste Gesellen galten vornehmlich die Sachsen. In einer die Körper- und Charaktereigenschaften der deutschen Stämme behandelnden alten Priamel[203] werden die Preußen und die Sachsen als arge Zutrinker gekennzeichnet. Ebenso wird in den von Wattenbach aus einer Münchener Handschrift des fünfzehnten Jahrhunderts mitgeteilten Versen[204] den Sachsen ewige Trunkenheit vorgeworfen. Wie sie es trieben, beschreibt Johannes Boëmus Aubanus Teutonicus in seinem Buche »Omnium gentium mores est«, erschienen 1535 in Lyon (III. Kap. XIII.): »Gerste und Weizen bauen sie und bereiten daraus nicht nur sehr weißes Brot, sondern auch wegen der Teuerung der Weintrauben Bier, das sie so durstig und unmäßig trinken, daß sie bei Gastmählern und Gelagen, wenn die Schenken nicht genug in die Gläser und Kannen eingießen können, ein gefülltes Melkgefäß aufstellen und[259] kleine Schüsseln hineinwerfen, und jeglichen einladen, so viel, wie er nur will, zu trinken. Es ist unglaublich, wie viel von dieser Flüssigkeit das unmäßige Volk verträgt, wie sie sich gegenseitig zum trinken zwingen und einladen; nicht ein Schwein, nicht ein Stier würde so viel hinunterschlucken. Es ist nicht hinreichend, bis zur Trunkenheit, bis zum Erbrechen zu trinken, sondern wieder bis zur Nüchternheit, und so trinken sie vom Tage in die Nacht hinein, von der Nacht bis in den Tag. Wer alle im trinken übertrifft, der trägt nicht allein Lob und Ruhm davon, sondern auch einen Kranz aus duftenden Kräutern oder Rosen oder irgend einen anderen Preis, um den sie stritten. Ach, diese verderbliche Sitte verbreitet sich fast in ganz Deutschland, daß auf diese Weise auch die stärksten Weine getrunken werden zum unaussprechlichen Unheil. Wenn ein Fremder oder sonst jemand an einen Ort kommt, wo getrunken wird, so stehen sie, was sie auch für ein Getränk haben, auf, reichen ihm den Becher und laden ihn aufs dringendste ein, mitzutrinken. Der wird für einen Feind gehalten, der, öfters eingeladen, ohne einen Vorwand sich zu trinken weigert, und diese Schmach wird manchmal durch Mord und viel Blutvergießen gesühnt.[205]« Einen tüchtigen Trinker nannte man sogar im siebzehnten Jahrhundert kurzweg einen Sachsen. Aegidius Albertinus sagt in seinem »Lucifers[260] Königreich und Seelengejaidt«[206]: »Wer die allergrößten Gläser, Becher und Willkomb aussaufen kann, der ist bei diesen Weingänsen der Best, wer am allerlängsten sitzen oder stehen und am längsten mit saufen ausharren kann, der ist ein tapferer Saxen Kerl.« An diesem Vorurteil gegen die Sachsen muß wohl etwas gewesen sein, denn die Vorwürfe gegen dieses trinklustige Völklein finden sich außerordentlich zahlreich in der derzeitigen Literatur, so auch in einer Art Sequenz, die von R. Pieper veröffentlicht wurde,[207] in der die Sachsen wegen ihres Mutes gelobt, hingegen als Trunkenbolde hingestellt werden. Übrigens sagt dieses Verslein auch den Elsässern, Pfälzern und Württembergern große Liebe zum Wein nach. Dann heißt es an einer anderen Stelle: »In Meißen, Schwaben und Franken ists breuchlich, das man sagt zu den gesten: »Ir müßt also für lieb nemen; habt ir nicht viel zu essen gehabt, so trinckt dester mehr. Was am essen zu wenig ist gewesen, daz mügt ir euch ans trincken erholen«,[208] während man in Sachsen, diesem Autor zufolge, mehr Gewicht auf gutes Essen legte, als auf das Trinken.
Die Deutschen insgesamt hatten sich übrigens gegenseitig in Bezug auf Liebe zum Trunk nichts vorzuwerfen, und was Ulrich von Hutten 1520 in seinem Gesprächbüchlein im Dialog »Inspicientes« von den Deutschen[261] schrieb, hatte Geltung schon Jahrhunderte vorher und Saeculas darnach.
»Phaëton. Mir gefällt's wohl, was du von den Deutschen sagst; es ist nur zu wünschen, daß sie, die so geschickt sind, von der Trunkenheit lassen.
Sol. Mit der Zeit werden sie auch mäßig, und mir ist's ganz, als würde es bald geschehen; denn ich sehe sie je länger je weniger trinken und bemerke, daß die beständig Trunkenen von den andern, die auch nicht ganz nüchtern sind, verachtet werden.
Phaëton. Sage mir eins: trinken auch ihre Fürsten?
Sol. Wär' diese Unart nicht in dem fürstlichen Stande, die ganze Gesellschaft der Trinker wäre längst zergangen. Sie bestärken dieses Mißleben durch ihr böses Beispiel, und vor allem folgen ihnen darin die Sachsen nach, die dort, wie du siehst, sich ganz der Trunkenheit ergeben haben. Diese allein vor allen Deutschen haben noch von ihrer alten Weise nicht abgelassen, sie widersetzen sich aller Vermahnung und halten an ihrer Väter Weise fest.
Phaëton. O Himmel und Erde, welch eine Gesellschaft sehe ich da! Welche Trünke! Welche Rülpse! Welch ein Speien! Da frißt und säuft man unmäßig, überhäuft die Gerichte, trägt das Brot in großen Körben auf und den Trank in schweren Flaschen, schreit, ruft, singt und heult.[262] Von ihnen kann ich dasselbe sagen, was der Poet Lucilius sagt: »Also gebärdet ihr euch, ihr vollen Bäuche, ihr Schlucker und ihr Weinschläuche!« … Hier kann man wie die Griechen in ihrer Sprache von den Leontinern, »allewege stecken die Leontiner hinter den Flaschen«, jetzt von den Sachsen sagen auf Lateinisch, damit es jedermann versteht »allewege stecken die Sachsen hinter den Flaschen!« Fürwahr, sie müssen viel Wein vertilgen.
Sol. Sie trinken nicht Wein.
Phaëton. Wie, werden sie denn von Wasser so voll?
Sol. Ja, von Wasser.
Phaëton. Haben sie denn auch, wie die Paphlagonier, Brunnen im Lande, wovon die Leute trunken werden?
Sol. Auch nicht. Denn wenn das wäre, so würden sie vom Trinken bersten; sie kochen einige Kräuter und Früchte, und von diesem Getränk werden sie berauscht. – (Also von Bier. –)
Phaëton. Das ist gut erfunden. Wie wollte man auch für solche, die soviel schlucken, Weins genug finden!
Sol. In Deutschland nicht.
Phaëton. Haben diese auch, wie andere Leute, Sinne und Verstand?
Sol. Wie andere, und einen guten Verstand.
Phaëton. Und speien, was sie getrunken haben, ohne Schaden wieder aus?
Sol. So ist's …«
Poggio, ein Florentiner, der auf seiner Reise mit Papst Johannes XXIII. zur Kirchenversammlung nach Konstanz im ersten Viertel des fünfzehnten Jahrhunderts Deutschland kennen lernte,[209] schreibt an Julian, Kardinal von S. Angelo, darüber: »Einst war das deutsche Volk kriegerisch: jetzt kämpfen sie statt mit Waffen mit Wein und Völlerei (crapula) und haben so viel Kräfte, wie sie Wein fassen können; fehlt der, so fehlt es auch an Mut!«
Geiler von Kaysersberg spricht[210] von Leuten, die »sauffen, daß das glaß ein Krach lasset. Auß solchen hab ich einen gesehen, der soff einen solchen starcken suff, daß das glaß ein Krach ließ und entsprang in der mitt entzwei«, und Sebastian Frank, dem die deutsche Literatur auch den Traktat »Von dem greulichen Laster der Trunkenheit« (1528) verdankt, sagt in seinem »Weltspiegel«: »dazu säuft es unchristentlich zu, Wein, Bier, und was es hat.«
Dem gewaltigen Luther konnte natürlich der deutsche »Saufteufel«, welches Wort er geprägt, nicht entgehen, und er erhebt mehrfach seine Stimme dagegen, trotzdem ihm der Hofprediger und Generalsuperintendent der Mark Brandenburg, Johann Agricola (1429–1566), der erst Luthers Tischgenosse[264] in Wittenberg, später allerdings sein Gegner wurde, unmäßiges Biertrinken vorwarf. In seiner Streitschrift »Wider Hans Worst«, erschienen 1541, schreibt er:
»Es ist leider ganz Deutschland mit Saufen geplagt. Wir predigen und schreien darüber, es hilft aber leider nicht viel. Es ist ein böses altes Herkommen im deutschen Lande, wie der Römer Cornelius (Tacitus) schreibt, hat zugenommen und nimmt noch zu.« In der Auslegung des 101. Psalms sagt er: »Der Geist, so über Italien herrscht, ist ein Hochmutsgeist, der Geist, so über Deutschland herrscht, ein Freß- und Saufgeist, der Geist, so über Griechenland herrscht, ein Geist der Lügen und Leichtsinnigkeit, der Geist, der über Frankreich herrscht, ein Geist der Unzucht und Untreue!« Dann: »Es muß ein jeglich Land seinen eignen Teufel haben, Welschland seinen, Frankreich seinen. Unser deutscher Teufel wird ein guter Weinschlauch sein und muß Sauf heißen, daß er so durstig und hellig ist, der mit so großem Saufen Weins und Biers nicht kann gekühlt werden. Und wird solcher ewiger Durst und Deutschlands Plage bleiben bis an den jüngsten Tag. Es haben gewehret Prediger mit Gottes Wort, Herrschaften mit Verbot, der Adel etliche selbst untereinander mit Verpflichten, es haben gewehrt und wehren noch täglich große, greuliche Schaden, Schande, Mord[265] und alles Unglück, so an Leib und Seele geschehen vor Augen, die uns billig sollten abschrecken. Aber der Sauf bleibt ein allmächtiger Abgott bei uns Deutschen …«
Im Handschreiben an den »christlichen Adel deutscher Nation« (1578) fordert Luther die Obrigkeit auf, einzuschreiten gegen den »Mißbrauch des Fressens und Saufens, davon wir Deutschen als einem besonderen Laster keinen guten Ruf haben in fremden Landen. Mit Predigen ist dem hinfort nimmer zu raten, so sehr ist es eingerissen und hat überhand genommen. Es wäre der Schade am Gut das Geringste, wenn die folgenden Laster: Mord, Ehebruch, Stehlen, Gottesunehre und alle Untugend nicht folgten.«
Aus Luthers Werken ließen sich noch eine ganze Reihe von Aphorismen gegen das deutsche Nationallaster ausziehen, doch mag die Wiedergabe einer Predigtstelle, gehalten 1525, mit dem Thema »von Nüchternheit und Mäßigkeit wider Völlerei und Trunkenheit« schon deshalb genügen, weil sie einerseits des großen Reformators Eigenheit ebenso deutlich zeigt, wie sie andererseits das Thema ganz im Geiste jener Zeit behandelt.
»Hier wäre wohl not einer besonderen Predigt und Vermahnung für uns wüste Deutschen wider unsere Völlerei und Trunkenheit; aber wo wollten wir die Predigt nehmen, die da stark und kräftig genug[266] wäre, dem schändlichen Säuleben und Saufteufel bei uns zu wehren? Aber was hilft es, hiervon viel sagen, weil es also eingerissen, daß es nun ganz ein gemeiner Landbrauch ist worden und nicht mehr allein unter dem groben, gemeinen, ungezogenen Pöbel, auf den Dörfern unter den Bauern und in offenen Tabernen, sondern nun in allen Städten und schier in allen Häusern und sonderlich auch unter dem Adel und zu den Fürstenhöfen über und über gehet? Ich gedenke, da ich jung war, daß es bei dem Adel eine treffliche, große Schande war, und daß löbliche Herren und Fürsten mit ernstlichem Verbot und Strafen wehrten; aber nun ist es unter ihnen viel ärger und mehr denn unter den Bauern; wie es denn pflegt zu gehen, wenn die Großen und Besten beginnen zu fallen, daß sie hernach die ärgsten werden; bis es dahin gekommen ist, daß auch Fürsten und Herren selbst von ihren Junkern solchs gelernt und sich nun nicht mehr deß schämen und schier will eine Ehre und fürstliche, adelige, bürgerliche Tugend heißen: und wer nicht mit ihnen eine volle Sau sein will, der wird verachtet, da die andern Bier- und Weinritter große Gnade, Ehre und Gut mit Saufen erlangen und wollen's berühmt sein, als hätten sie daher ihren Adel, Schild und Helm, daß sie schändlichere Trunkenbolde sind denn andere. Ja, was sollt mehr hier zu wehren sein, weil es auch unter[267] die Jugend ohne Scheu und Scham eingerissen, die von den Alten solchs lernet und sich darinnen so schändlich und mutwillig ungewehret, in ihrer ersten Blüte verderbet, wie das Korn vom Hagel und Platzregen geschlagen, daß jetzt das mehrere Teil unter den feinsten, geschicktesten, jungen Leuten, sonderlich unter dem Adel und zu Hofe, vor der Zeit und ehe sie zu ihren Jahren kommen, sich selbst um Gesundheit, Leib und Leben bringen. Und wie kann es anders zugehen, wo die, so andern wehren und strafen sollen, selbst solches tun? Darum ist ja Deutschland ein arm, gestraft und geplagt Land mit diesem Saufteufel und gar ersäuft in diesem Laster, daß es sein Leib und Leben und dazu Gut und Ehre schändlich verzehrt und durchaus eitel Säuleben führt, daß, wenn man es malen sollt, so müßt man es einer Sau gleich malen!«[211]
Seitdem es in Deutschland Prediger gibt, war das Nationallaster ein beliebtes, immer von neuem aufs Tapet gebrachtes Thema. Wer eine Kanzel bestieg, hielt eine donnernde Philippika gegen die »Füllerey« auch dann, wenn die im zarten Rubinrot erstrahlende Nase als Zeichen in das Auditorium hineinglühte, daß der Eifer des Geistlichen ein rein geschäftlicher war, den er sich später mit einem Quantum der edlen Gottesgabe zu löschen beeilen werde.
Von Berthold von Regensburg, Johannes[268] Capistranus, Geiler von Kaysersberg, Luther, Murner, Abraham a Sanct Clara, Andreas Musculus an haben alle Geistlichen beider Bekenntnisse, Katholiken und Protestanten ihren Stab über den bösen Saufteufel gebrochen, sie alle wetterten laut gegen das Laster, wenn sie sich vielleicht auch im stillen sagten – es ist ein schönes Laster!
Auch zur Feder griffen die gestrengen Herren gar häufig, um ihren Grimm zu Papier zu bringen und »für die Ewigkeit« zu erhalten. Der Titel eines solchen Buches, das den bekannten Verfasser der »Sprichwörter«, Seb. Franck, zum Autor hat, lautet:
»Von dem grewlichen laster der trunkenheit, so in diesen letzten Zeiten erst schier mit den Franzosen aufkommen, was füllerey, sauffen vnd zutrinken für jammer vnd vnrath, Schaden der seel vnd des leybs auch armut vnd schedlich art anricht, vnd mit sich bringt. Und wie dem übel zu raten wer, gründlicher bericht vnd ratschlag, auß göttlicher geschrifft.« 1531.[212]
Der mehrfach erwähnte Straßburger Kanzelredner Geiler von Kaysersberg, der sich Brants Narrenschiff zur Grundlage einer Serie von Predigten nahm, die er 1498 im Münster hielt, hat auch eine Predigt über die »Praßnarren, Füllnarren, Fässelnarren, Weinschleuchen, Buß den Wein, Weingänßlein« losgelassen. Dreißig Schellen erkennt[269] er den Trinkern zu, und verteilt sie folgendermaßen:
Die erste Schell der Füll Narren ist, die dolle vnd volle des verstandts vnd der vernunfft, welche in dem Haupt verruckt wirrt. Dann die Füllerey vnd Schlemmerei erregt viel Dämpfe und Feuchtigkeit im Kopf, welche hernach das Haupt und die Vernunft verwirren und bedecken, also daß man dadurch halb taub und unsinnig wird. Sintemal das Gemüt und die Vernunft nichts unzuträglicher ist und so leicht verdirbt, wie die Völlerei und Schlemmerei. Zugleich wie Blindheit eine Tochter der Geilheit, also ist das Vollsein ein Kind oder eine Tochter der Gefräßigkeit und Völlerei.
In der zweiten Schelle »Vergebenliche Freud« schildert Geiler die »fantasey« der Trunkenen, die sie zu allerhand Narrenwerk, Aufschneidereien und anderem Unfug antreibt und ihnen allerlei Hirngespinste vorgaukelt. Einer unter ihnen beweinet »das truncken Elendt«, einer »Bulet, vnd hat sein Gugulfuhr mit hübschen Mägdlen« und so geht es weiter, bis ein Dutzend Beispiele angeführt sind. Die dritte Schelle befasst sich mit denen, die beim Wein schwätzen und schreien, die vierte mit den Zotenreißern, die sechste mit den unsauberen Zechern.
Die siebente Schell geht gegen solche, die »alle augenblick fressen und füllen. Dann es[270] haben etliche den Brauch, daß sie den gantzen tag ohn auffhören fressen vnnd sauffen, welches doch ganz vngesundt ist vnnd wider die Natur. Dann was man ober zwey mall ein tag ysset, das ist zu viel.« Die achte, neunte bis zur dreizehnten Schelle richtet sich gegen die Leckermäuler, die »schleckbißle vnd Pfaffenbißle« nachjagen, neue Speisen erfinden, übergroße Mahlzeiten herrichten und genießen, und die größte Sorgfalt auf gute Küche wenden und sich schließlich überessen.
Von der dreizehnten ab beginnt die »Tischzucht«, wie man sich bei der Tafel benehmen soll. Da wird gerügt das begierige Essen, »unzüchtig Brot« schneiden, die Rinde essen und den »Brosam« liegen lassen, mit den Händen agieren und die Arme auflegen, die Augen immer herumgehen lassen, Brot zerkrümeln, Wein ausschütten, mit dem Tischtuch spielen, mit den Augen essen, zu viel auf den Löffel nehmen, mit den Fingern in die Becher greifen, die schmutzigen Hände an den Kleidern abwischen und dann gleich wieder in die Schüssel fahren, mit abgebissenem Brot die Schüssel auswischen, die Finger mit der Speise »bis in den rachen hinein stoßen«, »das maul für ein messer gebrauchen«. Nun kommt das Trinken an die Reihe. »Die siebenvndzweintzigst schell ist, Sauffen daß das Glaß ein Krach lasset. Auß solchen hab ich einen gesehen, der soff[271] einen solchen starcken suff, daß das Glaß ein Krach ließ vnd entsprang in der mitt entzwey.«
28. Sauffen, daß die augen vberlauffen.
29. Sauffen, daß der Wein vber beyde backen herab laufft auff das Wammest vnnd die Kleider, also daß einer hendt vnd bart darunder köndt gewäschen.
Die dreißigste und letzte endlich ist: Sauffen dz jm der Athem zu kurtz wirdt, also daß er möcht ersticken.
In der Endmoral heißt es dann: Wie hefftig aber solche sündt, schandt vnnd laster der Füllerey und Fresserey ye vnd ye von Gott sein gestrafft worden, weisen alle bücher auß, die voll sein solcher exempel.
Einer der urwüchsigsten, für das Denken und Fühlen des Volkes und ihrer Seelenhirten, besonders charakteristischen Sermone gegen die Trunkenheit ist die heute sehr mit Unrecht vergessene, anno 1562 gedruckte Predigt des biederen »Matthäus Friederich, Pfarrherrn zu Görentz«: Wider den Saufteufel, gebessert vnd an vilen örtern gemehret, die ich, wie ich glaube, vielen Lesern zu Dank etwas modernisiert nach dem Neudruck in H. Scheibles prächtigem, heute nur noch unter Schwierigkeiten erhältlichem Sammelwerke »Das Kloster« nachstehend ungekürzt wiedergeben will. Wer sich scheut, das etwas länglich geratene Machwerk[272] zu lesen, mag es überschlagen, – er wird es aber bereuen.
Wider den Saufteuffel, gebessert vnd an vilen örtern gemehret. Von Matthäus Friederich, Pfarrherr zu Görentz, Anno 1562.
1. Etliche wichtige Ursachen, warum alle Menschen sich vor dem Saufen hüten sollen.
Die erste Ursache ist, daß das Saufen von Gott in seinem Wort verboten ist.
Saufen aber heißt, (wie es alle vernünftigen Menschen verstehen), wenn man mehr in den Leib gießt, denn die Notdurft erfordert, es geschehe nun auf welcherlei Weise, man tue es aus eigenem Fürnehmen, aus Gewohnheit, oder jemand zu Gefallen, so heißt doch alles gesoffen, gleichwie fressen heißt, wenn man mehr Speise in den Leib steckt, als die Notdurft erfordert. Denn Essen und Trinken ist uns von Gott darum gegeben, daß wir den Hunger und Durst damit vertreiben und den Leib damit erhalten sollen. Was nun darüber geschiehet, das heißt alles gefressen und gesoffen und ist ein Mißbrauch der Kreaturen Gottes, da hilft keine Entschuldigung. Nun sollt es ja billig sein, daß wir alle Gott hierin Gehorsam leisten, weil es sein Wille und Gebot ist, daß wir uns[273] vor dem Saufen hüten sollen, und wenn wir gleich keine andere Ursache hätten, uns dafür zu hüten, so sollt uns billig dies allein Ursach genug sein, daß es Gott verboten hat.
Sollte es nicht billig sein, ihm als unserem Schöpfer, Erlöser, Herrn und Vater gehorsam zu sein, da er gebeut und spricht: sauft euch nicht voll! Das muß ja alle Vernunft bekennen und sagen, daß es billig sei.
Wir armen, elenden, sterblichen Madensäck, die wir gegen Gott nicht wohl einer Fliege zu vergleichen sind, wollen, daß alles, was wir sagen, von jedermann geehrt, geglaubt, gefürchtet und gehalten werden soll; wir wollen, daß alles, was wir unseren Untertanen, Gesinde und Kindern sagen, das soll stracks gehalten werden, wo nicht, so stehet kein Stecken recht, wir können auch Gottes Wort dazu einführen.
Sollte nun nicht viel billiger Gottes Gebot von uns armen Menschen angenommen, geehrt, gefürchtet und gehalten werden? Sollten wir armen Menschen nicht billig, wenn wir hörten, was Gott, unser aller Herr, von uns haben will, unser Hütlein abnehmen und bald darauf sagen oder gedenken: Ja, lieber Herr, das will ich gern tun, hilf mir nur durch deinen heiligen Geist dazu, ich tu es billig, denn du bist mein Schöpfer, ich bin deine arme Kreatur, du bist mein Herr, ich dein unwürdiger Diener, du bist mein Vater, ich dein armes Kind.
2. Die andere Ursach.
Die andere Ursache, darum alle Menschen das Saufen meiden sollen, ist, daß Gott dräuet, die Säufer hier zeitlich und dort ewig zu bestrafen. Denn im Jesaia im 5. Kapitel droht Gott also und spricht: Wehe denen, die des Morgens früh aufstehen, des Saufens sich zu befleißigen, und sitzen bis in die Nacht, daß sie der Wein erhitzt usw.[213] Das ist, Gott wird Säuferei mit Krieg, Hunger und Durst strafen. Solches merk wohl! Das soll die zeitliche Strafe sein! Folgt nun die ewige.
Denn, so spricht er weiter,[214] daher hat die Hölle die Seele weit aufgesperret und den Rachen aufgetan, daß hinunterfahren beide, die Herrlichen und Pöbel, beide, die Reichen und Fröhlichen. Das ist, Gott will Säuferei mit der Hölle und ewigem Feuer strafen.
In der ersten Epistel an die Korinther, im 6. Kapitel, sagt Gott durch St. Paulum: Lasset euch nicht verführen; weder die Hurer, noch die Abgöttischen, noch die Ehebrecher, noch die Weichlinge, noch die Knabenschänder, noch die Diebe, noch die Geizigen, noch die »Trunkenböltz«, noch die Lästerer, noch die Räuber werden das Reich Gottes ererben. Das ist deutlich genug geredet, daß kein Trunkenbold das Reich Gottes ererben werde.
Die dritte Ursache.
Die dritte Ursach ist, daß wir keine Stunde noch Augenblick vor dem Tod sicher sind. Denn das ist ja gewiß, daß unser keiner gewiß ist, wann, wie und wo er sterben soll. Unser keiner weiß, ob er heute oder morgen, die Stunde oder diesen Augenblick vom Tod überfallen möchte werden.
Wenn du nun trunken wärst und würdest vom Tod überrasselt, kannst du wohl denken, wo du hinfahren würdest? Denn du hast gehört, daß kein Trunkenbold werde ins Himmelreich kommen; wo werden sie denn hinkommen? Nirgend hin, denn ins ewige höllische Feuer! In solches Bad gehören solche Säu! Dem Teufel haben sie gedient und ihm zu Gefallen sich voll gesoffen, der wird ihnen endlich auch lohnen.
Du möchtest aber vielleicht gedenken: du wolltest Gott in der vollen Weis' um Vergebung bitten, und hoffen, er würde dir gnädig seyn? Ja, wenn du nur auch alsdann von Herzen könntest beten und hoffen. Wie aber, wenn du dich nicht besinnen könntest? oder wenn du dich besinnest, wie wenn es nicht von Herzen mit ernster Andacht gehen könnte? Wie, wenn dir der Teufel widerstehen würde und dir deine Sünde fürhielt', dich also ängstete, daß du dich gegen ihn mit Gottes Wort und Gebet wehren sollest? Wo wolltest du alsdann[276] bleiben? Was wolltest du machen? Ein nüchterner Mensch hat allda genug zu schaffen, geschweige denn ein trunkner.
So folget nun hieraus, daß sich alle Menschen billig solcher großen Gefahr wegen, sich selbst zum besten, vor'm Saufen hüten sollen, weil wir keine Stund' noch Augenblick vor dem Tod sicher sind und wohl bedürfen, daß wir immer nüchtern erfunden werden. Und soll ein jeglicher Mensch allzeit seine Rechnung also machen und gedenken: wie, wenn du diesen Tag, oder diese Nacht, oder diese Stunde sterben solltest, würdest du dich auch vollsaufen und so freventlich wider Gott handeln?
Die vierte Ursach.
Die vierte Ursache, darum alle Menschen sich vorm Saufen hüten sollen, ist, daß wir alle Stund' des jüngsten Tages gewarten müssen. Denn da Christus von den Zeichen des jüngsten Tages redet, spricht er: Wenn ihr sehet, daß solches anfahet zu geschehen, so wisset, daß der jüngste Tag nahe ist.
Nun haben solche Zeichen nicht allein angefangen zu geschehen, sondern sind deren mehrenteils schon ergangen, und sonderlich in wenig Jahren daher oft und häufig gesehen worden.
Christus gibt ein Gleichnis von den Vögeln auf einem Vogelherd; diese sind[277] niemals sicherer gewesen, gehen und hüpfen hin und her und sind sehr fröhlich, haltens dafür, als haben sie bei langer Weil nicht also wohlgelebet. Schwips, in einem Hui liegt das Netz über ihnen, und sind arme gefangene Vögel. Also, sagt Christus, wird dieser Tag auch schnell kommen über alle, die auf Erden wohnen.
So sollten nun alle Menschen abermal billig in Sorgen leben, sich vor dem Saufen hüten und alle Stunden gedenken: Wie, wenn heut' der jüngste Tag käme? Also würden sie das Saufen und andere Laster wohl unterwegen lassen und froh seyn, daß sie nüchtern blieben.
Die fünfte Ursach.
Die fünfte Ursache, das Saufen zu meiden, ist, daß es einen Menschen zum unverständigen Narren macht.
Mancher kommt durch sein Saufen um seinen Verstand, welchen ihm Gott vor anderen verliehen hat, daß er ganz zum Narren wird. Mancher kommt drüber um sein Gedächtnis, daß er weder sich selbst noch andern nütz seyn kann. Und ich zweifle nicht, wenn wir Teutschen das Fressen und Saufen ließen, wir solltens mit Verstand und Witz vielen andern Nationen zuvortun.
Weil nun dem also, so sollten abermals alle Menschen Ursach daraus nehmen, sich[278] hinfort für dem teuflischen, schändlichen und schädlichen Laster, dem Saufen, zu hüten.
Die sechste Ursach.
Die sechste Ursach soll seyn, daß Trunkenheit eine Ursach ist zu allerlei Sünden. Denn wer trunken ist, der fraget weder nach Gott noch nach den Menschen; da müssen alle Flüche und Schwüre heraus, da flucht mancher aufs greulichste, wie er sonst, wenn er nüchtern ist, nicht pfleget. Da wird die Predigt und Gottes Wort verachtet und spöttisch davon geredt. Spricht jemand: Ach, Lieber, tu dies und das nicht, denn man hört in der Predigt, daß es Sünde ist, bald fähret ein Trunkenbold heraus: Was hab' ich am Pfaffen, er mag reden, was er will, so tu ich, was ich will, was hat er mir zu gebieten, ich will's tun und will den Schandpfaffen nicht ansehen!
Da wird Vater und Mutter, Herr und Frau, Richter und Oberherr verachtet. Saget man, dein Vater kommt oder der Richter kommt; – bald hört man: was hab' ich am Vater, dem alten usw., was frage ich nach dem Richter, laß ihn immer kommen; wenn er mich angreift, soll er wohl sehen, daß ich auch Fäuste hab'. Ja, ein Trunkenbold soll wohl, wenn er heim kommt, Vater und Mutter schlagen, wo sie ihn nirgend strafen wollten. In Summa: da ist weder Ehr' noch Tugend.
Item, einem Trunkenen ist niemand gut genug, da ist ihm einer wie der andere, der Feind ebenso lieb als sein Freund. Da hört man ein greulich Schmähen und Lästern, einer schilt den andern einen Schelmen, dieser will's nicht leiden, schmähet ihn wieder, da erhebt sich alsdann ein solches erschreckliches Fluchen, daß sich die Sonn dafür entfärben möchte; diesen soll dies und jenes schänden, den andern ein anderes, bis es endlich zum Schlagen, Raufen und Würgen kommt, daß mancher seinen guten Freund, welchen er vorhin auf den Händen tragen wollte, erwürget.
Item, da höret man wenig züchtige Worte, viel unzüchtige, schandbare Worte und Zoten gehen allda, welche zur Hurerei und Unzucht Ursach geben. Da betrüget manchen der Teufel, daß er die Ehe bricht oder andere Unzucht übet, welchen er sonst sein Lebtag dazu nicht hätte bereden können.
Wenn nun der Saufteufel einen Menschen einnimmt, so sind die andern Lasterteufel auch nicht weit von ihm, als da sind: der Hoffartsteufel, Zornteufel, Lästerteufel, Fluchteufel, Trauerteufel(?), Neidteufel, Haßteufel, Mordteufel, Hohnteufel, Schmachteufel, Schandteufel, Hurenteufel, Geizteufel, Diebsteufel, Wucherteufel, Fraßteufel, Spielteufel, Haderteufel, Lügenteufel und dergl. Diese alle legen Hand zu Werk bei einem trunkenen Menschen, bis sie ihn in Jammer und[280] Not bringen, und gerät ihnen oft allda eine Schanz, daß sie das bei ihm ausrichten, welches sie sonst nicht vermögen.
Man lieset davon, daß der Teufel einstmals einem Menschen Tag und Nacht keine Ruhe hat lassen wollen. Und da er ihn gefraget, was er doch von ihm begehre? soll er geantwortet haben; er wolle ihm keine Ruhe lasse, er willige denn ein, unter drei Sünden eine zu begehen. Fraget er: Was es denn vor Sünden wären? Da antwortet er: Er sollte entweder beim Weib seines Nachbarn schlafen, oder solle den Nachbar erwürgen, oder, wenn er davon nichts tun wollte, sollte er sich einmal vollsaufen. Da hab er in keins willigen wollen. Als aber der Teufel ihm gar keine Ruh lassen will, willigt er endlich ein, sich einmal vollzusaufen, als ob es nicht eine so große Sünd wäre (wie er meinte), als die andern zwei. Da er sich nun vollgesoffen und seiner Vernunft gleich beraubt war, bald sind der Hurenteufel und Mordteufel vorhanden und legen Hand zu Werk, betrügen den armen Menschen. Du hast dich dem Teufel zu Gefallen vollgesoffen; was hast du nun davon? Du hättest gleich so mehr gewilligt, bei des Nachbarn Weib zu schlafen, so hättest du doch Freud und Lust davon gehabt. Ich hab doch schon zuviel gewagt und dem Teufel zu Gefallen mich vollgesoffen.
Indeß malet ihm der Hurenteufel in[281] trunkner Weis' des Nachbarn Weib für, wie sie so schön, so freundlich sey. Darauf gehet er also trunken hin, überredet sie und schläft bei ihr. Indeß kommt ihr Mann, der Nachbar, und wills rächen; aber dieser stellt sich zur Wehr und erwürget seinen Nachbar: beging also drei Sünden auf einmal.
7. Die siebente Ursach.
Die siebente Ursach, um welcher willen alle Menschen sich vor dem Saufen hüten sollen, ist, daß das Saufen Schaden bringt an Ehr, Leib und Gut.
An Ehr, denn dadurch kommt man zu einem bösen Namen und bei allen ehrliebenden Menschen in Verachtung, daß niemand viel von ihm hält. Ha (spricht man), er ist ein voller Zapf, was soll er andre regieren oder lehren, da er sich selbst nicht regieren und lehren kann.
Daher kommts auch wahrhaftig, daß die Pfarrherrn und Prediger alsogar bei dem gemeinen Mann in Verachtung kommen sind, nicht allein ihre Person, sondern auch ihr Amt und Lehre, daß ihrer viele so ein böses Leben führen mit Saufen, Spielen, Fluchen, unverschämter und leichtfertiger Rede und andern Lastern.
Was soll ich tun? spricht man; ich sehe, daß es der Pfaff selbst tut; weil er seine Lehre nicht achtet, was soll ich ihrer denn[282] viel achten? Wär es ihm ernst, so tät er selbst darnach. Siehe doch, wie könnte dem Teufel die Schanz besser geraten. Denn was sie mit ihrem predigen bauen, das reißen sie mit ihrem schändlichen Leben wieder darnieder, wo nicht zweimal mehr. Wehe aber solchen Pfarrherrn und Predigern; wie werden sie so schwere Rechenschaft geben müssen am jüngsten Gericht, nicht allein für ihre Person, sondern auch für alle diejenigen, welche sie mit ihrem Saufen und bösen Leben geärgert und ihnen Ursach zur Sünde gegeben haben. Also ist's auch mit den Oberherren und Regenten, also auch mit Hausherrn und Hausvätern und mit einem jeglichen Menschen, – daß sie (wo sie sich vollsaufen) desto mehr in Verachtung sind.
Am Leibe aber bringt es Schaden; denn dadurch wird der ganze Leib, alle Gliedmaßen und alle Adern geschwächt, wie man in täglicher Erfahrung siehet. Ein Säufer hat die Nacht keine Ruhe und ist ihm nicht wohl. Schläft er ein, so hat er erschreckliche Träume. Morgens, wenn er aufstehet, (so er anders kann) befindet er sich noch beschweret, der Kopf tut ihm wehe, der ganze Leib ist matt, wie wenn er zerschlagen wär; er hat zu keinem Ding eine Lust, weder zum Essen noch Trinken, er sitzt, als wär er an den Kopf geschlagen. Da folget auch alsdann der Schwindel, rote Augen,[283] böse, bleiche Farbe, Halsgeschwär, Brustgeschwär, Fäule an Lung und Leber, böser Magen etc. Endlich folget Verkürzung des Lebens, daß er vor der Zeit sterben muß.
Am Gut bringet das Saufen Schaden, denn dadurch kommt man um das, was Gott bescheret. Gott bescheret manchem, daß er sich, sein Weib und Kind davon ernähren, auch armen Leuten geben soll und könnte. Er gehet aber hin, versaufts, verschlemmts und verspielts; dafür läßt er sein armes Weib und Kind daheim Hunger und Not leiden. Da wird es nun einmal heißen: Gib Rechenschaft von deinem Haushalten! Weil nun dem also ist, daß das Saufen einem Menschen an Ehr, Leib und Gut Schaden bringt, folget abermals unwidersprechlich, daß alle Menschen, sich selbst zum besten sich dafür hüten sollen. – Folget
Ein Lied
wider das vollsauffen vnnd Trunckenheit, Gedichtet durch einen vom Adel, Im thon: Nun freuwet euch, lieben Christen. Oder, Hilff Gott, wie geht das jmmer zu, das alles volck so grimmet.
(»Die Kunst wie man recht trincken soll, nit daß man Tag und Nacht werd voll« von Gregorium Wickgram, 1537.)
Als der Kurfürst Friedrich von Ansbach auf dem Totenbette lag, versammelte er seine Söhne um sich und legte ihnen die Pflege eines fürstlichen Hofes mit eindringlichen Worten ans Herz. »Sie möchten ihrer Ritterschaft Küche und Keller offen stehen lassen, das sei der Sold, den sie ihnen gäben; an ihr hinterließe er ihnen den höchsten Schatz.[215]« Und wie dieser Fürst, so sah der ganze Hochadel eine nicht selten bis zur Verschwendung gehende Gastfreundschaft als unbedingtes Standeserfordernis an, umsomehr, als diese deutsche Nationaltugend von alters her jedem deutschen Stamme, auch den heute längst abgefallenen, geradezu unerläßliche Pflicht war, deren[286] Nichteinhaltung mindestens üble Nachrede im Gefolge hatte. In früher Zeit setzten die Burgunden für Versagen der Gastfreundschaft eine Strafe von drei Schillingen, und die Goten brannten dem dreimaligen Unterlasser dieses rein menschlichen Gebotes die Wohnungen ab. »Zu Bewirtungen und gastlichem Leben hat kein anderes Volk eine so unbeschränkte Neigung. Irgendwem, wer es auch sei, seine Türe zu verschließen, gilt als Unrecht.« »Jeder bewirtet den Gast an dem nach Kräften reichlich besetzten Tisch« sagt Tacitus[216] und dieses Urteil unterschreibt Caesar[217] mit den Worten: »Fremde darf man nicht mißhandeln; ihre Person ist heilig und unverletzlich, aus welchen Gründen auch immer sie das Land betreten; jedes Haus steht ihnen offen und freie Tafel zur Verfügung.«
Wenn in jener Zeit, in der die auf uns gekommenen Heldensagen sich abspielen, ein Gast in das befreundete Haus kam, begrüßte ihn die Lippe des Gastfreundes mit dem Kuß auf Wangen und Augen und als besondere Ehrung mit »Küssen an den munt.« Der Hausherr bestimmt genau, wen Frau und Tochter küssen sollen. Nach der ersten Begrüßung reichte die Frau oder die Tochter des Herrn dem Gaste den Willkommen dar, den sie zuerst mit den Lippen berührt hatte. In der Edda schon kredenzt Gerda dem Schirner den Becher mit den Worten:
Am fränkischen Hofe war es Sitte, den anlangenden Gästen den gefüllten Becher (poculum gratulatorium) hinzureichen und sie dann an der gemeinschaftlichen Tafel durch das Zutrinken zu ehren. Der Gattin des Fürsten kam es zu, ihrem Gemahl den Willkommen zu reichen. Als Authari, ein Langobardenkönig, um Theudelinde, Herzogs Garibald von Bayern Tochter, warb, entzückte ihn beim ersten Anblick ihre Schönheit derart, daß er an den Vater die Bitte richtete: »Wie mir Eure Tochter so ausnehmend gefällt, daß wir sie zu unserer Königin wünschen, so erlaubt, daß wir den Weinbecher aus ihrer Hand empfangen, wie sie es auch in Zukunft an unserem Hofe tun soll!«
Die Königin vertrat am Hofe Autharis demnach das einst so wichtige Amt der Mundschenke, die bereits zu Karls des Großen Zeiten hochvermögende Herren waren, so daß der Aufschwung vom Mundschenk zu einer der sieben Säulen des deutschen Reiches, zum Erzschenken des Kaisers, welche Stellung bekanntlich der »König von Beheim« bekleidete, kein allzu gewaltiger war.
Auch zum Abschied reichte man noch, und nicht nur dem Gaste allein, sondern auch z. B. scheidenden Truppen eine Trankspende dar.
So beschließt in Johann Struthius Spiel »Die Bekerung S. Pauli« von 1572[219] der Rat einer Stadt den Soldaten Sauls zu senden
Mit Geschenk, Kuß und Scheidetrank nehmen nach mittelalterlicher Sitte Gastfreunde voneinander Abschied.[220] Diese Förmlichkeiten wurden streng eingehalten. Bischof Salomo von Konstanz schenkte den zum Gastmahl geladenen Kammerboten kostbare Glasgefäße, und wiewohl sie, Groll im Herzen tragend, die Gläser zu Boden fallen lassen, daß sie zerbrachen, küssen sie einander doch und trinken des Abschieds Minne.[221] Ein Trunk Wasser war das Zeichen der Scheidung und Entsagung von allen irdischen Freuden und Genüssen.[222]
Aus diesem Willkommen entstand zweifellos das Zutrinken, das sich von Deutschland aus schon in der frühesten Zeit in der weiten Welt verbreitete.
Dem Minnetrinken der Germanen, das den Göttern und den Ahnen galt, setzte die christliche Kirche Verbot über Verbot entgegen, die weniger der Sache selbst als dem Gegenstand des Minnetrinkens galten. Schließlich, als nichts half, suchten sie an Stelle der Götter die heilige Dreifaltigkeit und die Gottesmutter zu setzen. Nachdem diese sozusagen offiziellen Hochs ausgebracht, wurde erst der Tischgenosse angeprostet. Dieses[289] Antrinken machte Schule, so daß sogar der gewaltige Attila, die Gottesgeißel, diese Sitte mit germanischen Hilfsvölkern und deutschen Frauen nach seiner ungarischen Heimat verpflanzte. Er übte das Zutrinken als Zeichen der Wertschätzung angenehmer Gäste. Der Byzantiner Priscus, der im Jahre 446 mit einer oströmischen Gesandtschaft den Hunnenherrscher besuchte, schildert diese Gepflogenheit in folgenden Worten: »… Als wir alle nach dem Range saßen, kam der Weinschenk und bot dem Attila eine Schale Wein. Er nahm sie und grüßte den ersten im Range. Wer durch den Gruß geehrt wurde, stand auf und durfte sich nicht eher setzen, bis er entweder gekostet oder auch ausgetrunken und den Becher dem Schenken zurückgegeben hatte. Dem sitzenden Attila aber bezeigten auf dieselbe Weise alle Anwesenden ihre Ehrfurcht, indem sie die Becher nahmen und nach dem Heilwunsch daraus tranken. Jedem aber wartete ein besonderer Schenk auf, der nach der Reihe mußte, wenn der Schenk des Attila abtrat. Nachdem der zweite und die folgenden begrüßt worden waren, empfing Attila auch uns in gleicher Weise nach der Ordnung der Stühle«[223] – also ganz, wie bei einem Liebesmahl im Offizierskasino!
Auch in weniger exklusiver Gesellschaft als bei Hofe wurde der Trunk auf das Wohlergehen und auf die Gesundheit des zu[290] Ehrenden nie unterlassen, »… denn was konnte der Teutsche, im Zustande der Fröhlichkeit sein Gefühl mitzuteilen strebend, seinen Freunden und Geliebten besseres wünschen, als Gesundheit, das beste Gut, besonders in jener Heldenzeit, da Rüstigkeit und Leibesstärke die vorzüglichsten Eigenschaften waren? Oder was konnte seine Seele freier öffnen, um das Gedächtnis eines achtbaren Kriegers oder eines trauten Gesellen zu feiern, als sein süßes Naß?«[224]
Der spätrömische Dichter Venantius Fortunatus, geboren 530, Bischof zu Poitiers, gibt in seiner Reisebeschreibung »De itinere suo« die Schilderung eines von ihm besuchten Gelages am Ufer des Rheines: »Sänger sangen »barbaros leudos« (barbarische Lieder) zum Klange der Harfen. Umher lagerten die Zecher bei ehernen Bechern und tranken Gesundheiten um die Wette wie Rasende. Wer nicht mithielt, galt als Tor. Man mußte sich glücklich preisen, aus dem Trinken mit dem Leben davon zu kommen!«
Dieses Zutrinken artete bereits zu Karls des Großen Zeiten derart aus, daß sich dieser bekanntlich sehr mäßige Herrscher veranlaßt sah, im Kapitular 3 vom Jahre 789 zu verbieten, dem heiligen Stephan, ihm selbst oder einem seiner Söhne zu Ehren die Becher zu leeren. Später, als die Herrscher wieder beweihräuchert sein mußten und ihr Gottesgnadentum ihren Untertanen nicht eindringlich[291] genug kund tun konnten, wurde das Gesundtrinken für das Regentenhaus befohlen. So besagt die Hoftrinkordnung des Kurfürsten Christian II. von Sachsen (1583 bis 1611): »Erstlich soll man trinken die herrschaftliche Gesundheit.«
Die trinkfesten Germanen werden, dem Gesetze nachkommend, das Kaiserhaus und die Heiligen aus dem Spiele gelassen haben, ohne jedoch das Hochlebenlassen gänzlich unterdrücken zu können. Es wurzelte viel zu tief in der Gewohnheit der Deutschen, um durch kirchliche und weltliche Verbote aus der Welt geschafft zu werden. So untersagte 1492 die Synode von Schwerin das Zutrinken auf das strengste. In Bern ward das »Niederlaendisch, lanzknechtisch, ja seuewisch zuotrinken« 1492 bei ein Pfund Strafe verboten. Der Nürnberger Rat dekretierte 1496 sogar für das Zutrinken fünf Pfund Heller Pön, Torgau verbot das Zutrinken von Ganzen und Halben, um »Räusche zu verhüten«!
Wie die kirchlichen und städtischen Behörden, so bemächtigte sich auch das Reich selbst der Sitte des Zutrinkens, die es auf dem Reichstag zu Worms im Jahre 1495 in den §§ 38 und 39 folgendermaßen aufzuheben suchte: »daß die Königlich Majestät allen Kurfürsten, Fürsten, Prelaten, Graven, Freien, Herrn vnd Stenden, schreibe und gepite, in jren Hofen, von yren Dienern, auch[292] sust (sonst) allen jren Underthanen, das Trinken zu gleichen, vollen und halben nit zu gestaten, sundern das ernstlich zu strafen, vnd ist geratschlagt, daß sein Ko. Majestät solchs in seiner Gnaden Hofe zu verbieten vnd zu handhaben anfahe. Desgleichen, daß es auch durchaus in allen Velzcügen vnd Veltlegern (Feldzügen und Feldlagern) verboten vnd nit gestatet werde.«
Drei Jahre später drang Maximilian I., der Sohn des nüchternen Weinhassers Friedrich III., auf dem Reichsabschied zu Freiburg wieder darauf, allen »Standen, da sollich Zutrinken von Alter in Gewohnheit gewesst« einzuschärfen, daß »sollich Zutrinken nit gestattet, sunder abgestellt, vermitten (vermieden) und ernstlich gestraft werden.«
Wie wenig diese Erlässe gefruchtet, erhellt daraus, daß schon 1500 zu Augsburg ein schärferes Verbot erging, das, ganz wie seine Vorgänger, unbeachtet gelassen wurde. Der Adel vornehmlich kehrte sich nicht weiter an die ihm unbequemen kaiserlichen Vorschriften, deshalb wandte sich, im Jahre 1512 zu Köln, der Kaiser direkt an diesen, dem er recht logisch vorhielt: »Darumb und sonderlich, dieweil aus dem Zutrinken Trunkenheit, und aus Trunkenheit viel Gotteslästerung, Totschlag und sonst viel Laster entstehen, also daß sich die Zutrinker in Fährlichkeit ihrer Ehren, Seel, Vernunft, Leibes und Guts begeben: so soll in allen[293] Landen eine jede Oberkeit, hoch oder nieder, geistlich oder weltlich, bei ihr selbst und ihren Untertanen solches abstellen, und das bei merklichen hohen Pönen verbieten.« Der zuwiderhandelnde Adel sollte von keiner Fürstlichkeit in Dienst genommen werden; die aber, »so minderen Stands wären, sollen sie an ihren Leibern hartiglich« bestraft werden. Und wenn die zuständige Gerichtsstelle säumig in Vollziehung des Urteils befunden würde, sollte das kaiserliche Kammergericht die Bestrafung vornehmen. Da aber diese Verordnung trotzdem gewissen Adelsklassen verhängnisvoll werden konnte, erzwangen diese die Zusatzklausel: »Aber an den Orten, da das Zutrinken von alters hero geübt und überhand genommen hat, sollen die Oberkeit allen möglichen Fleiß ankehren, solchs abzustellen«, also eine wesentliche Einschränkung, die das ganze Gesetz über den Haufen warf. Immerhin hatte der Erlaß den Erfolg, daß einige kleinere Potentaten dem kaiserlichen Beispiel folgten und ihre Völker gleichfalls mit ähnlichen Gesetzen beglückten, so auch der durch Hauffs Lichtenstein unsterblich gewordene Herzog Ulrich von Württemberg. Er setzte auf jedes Zutrinken, »es sy halbs, gar uß, oder in welcherlai gestalt« drei Pfund fünf Schillinge, was alljährlich viermal von den Kanzeln verkündet werden mußte.[225]
Die Erbitterung über diese Bevormundung[294] drückt Johann von Schwarzenberg in seinem Büchlein vom Zutrinken oder Sendebrief der Stände der Hölle an die Zutrinker dadurch aus, daß er dem Kaiser sagt: »Ihre kais. Majestät sollen es erst ihren Gewaltigen am eigenen Hof untersagen« und ferner: »wenn alle anderen kaiserlichen Gebote und Ordnungen vollstreckt seien, sei es noch Zeit genug, auch das vom Zutrinken in acht zu nehmen.« Und als Kaiser Karl V., ebenso mäßig wie seine Ahnen, in der »Reformation guter Polizei« zu Augsburg in zwei Paragraphen den Artikel aufnahm »bei zimlichen Pönen und Straffen das Zutrinken zu meiden«, sagten sich die Fürsten schließlich selbst, daß diese ganze Gesetzgeberei nichts als ein Kampf gegen Windmühlen sei. Herzog Ernst von Lüneburg sagte zu Luther: »Wir wollten gern alle gute Christen sein, aber das Laster der Völlerei können wir nicht ablegen.« »Dazu solltet ihr Herren aber tun!« entgegnete Luther. »Wir tuns auch«, lachte Herzog Heinrich von Mecklenburg, »denn wenn wir Fürsten nicht dazu täten, das Saufen wäre längst abgestellt.«
Vom Hofe Johann Friedrichs von Sachsen sagt Luther in seinem »Wider Hans Wurst«:[226] »Hiermit will ich das Hofleben nicht entschuldigt haben, das sie selbst ein Säuleben heißen. Es ist leider dieser Hof nicht allein, sondern ganz Deutschland mit dem Sauflaster[295] geplagt; wir predigen, schreien und predigen dawider, es hilft leider wenig, es ist ein böses altes Herkommen in deutschem Lande, wie der Römer Cornelius (Tacitus) schreibt, hat bisher zugenommen, nimmt noch weiter zu. Da sollten Kaiser, Könige, Fürsten, Adel zutun, daß ihm gesteuert würde.«
Der Sohn Johann Friedrichs des Großmütigen von Sachsen (1503–1554), der bekanntlich die Entscheidungsschlacht bei Mühlberg am 24. April 1547 verlor, weil er vorher zu tief in das Glas geschaut hatte, der ganz nach dem Vater geartete Johann Friedrich der Mittlere, war leidenschaftlich dem Trunke ergeben. Seine Schwiegermutter seufzte in einem Brief an ihn: »möge doch Gott geben, daß er von dem Zutrinken einmal ablasse«, und später bittet sie ihn, er »wolle doch nicht stets zutrinken, damit er dadurch nicht den Herrgott und seinen heiligen Geist von sich treibe.« Als Kurfürst Friedrich von der Pfalz seinen Sohn Ludwig nach Neuburg zu einer Kindtaufe gehen läßt, spricht er die Befürchtung aus: »Wenn mein Sohn nur vor Herzog Albrecht zu Bayern und Herzog Christoph zu Württemberg, beiden meinen Vettern und Brüdern, des Trunks halb kann gesund bleiben; denn diese beiden Fürsten sollen auch da[296] sein.« Für den anderen Bruder, Hans Casimir, aber bangt die Mutter, als er sich zu Ansbach aufhält: »Habe nur Sorge, der Markgraf werd' mir ihn krank saufen.«[227]
Über den Berliner Hof unter dem Großen Kurfürsten äußerte sich der Kanzler von dem Borne. Da heißt es: »daß der meiste Haufe an demselben in einem wüsten und heidnischen Wohlleben, in Fressen, Saufen, Spielen und anderer Üppigkeit lebte und die meisten Sonn- und Festtage mit Banqueten, Turnieren, Ringrennen, Masqueraden, Balletts und andern weltlichen Wollüsten zugebracht würden. Aus der heiligen Taufe wäre eine wahre Crämerey gemacht worden. Mancher hätte sich solcher dazu bedient, um große Geschenke, Präsente und Kleinodien zu erwerben. Die Hochzeiten würden unter hohen und anderen Standespersonen mit solchem Aufwande, Überfluß, Fressen und Saufen gehalten, daß die Hochzeiter und jungen Eheleute an einem solchen Tage ihr Hab und Gut vergeudeten. Stürbe jemand, so wäre man wiederum bemüht, daß die Leichen stattlich begraben würden; und da es dazu oft an Mitteln fehle, so ließen die vom Adel auf dem Lande solche öfter ein Jahr und länger unbegraben stehen, damit es ja bei der Beerdigung recht köstlich hergehen möchte.«
Viele Adelige machten sich über das Trinkgesetz dadurch lustig, daß sie einander mit[297] dem Zuruf zutranken: »Es gilt dir des Reichs Abschied wider das Zutrinken!« Ja sogar auf den Reichstagen selbst, an denen diese Verordnungen erlassen wurden, bezechten sich die hohen Herren bis zur Bewußtlosigkeit, so daß der Kaiser achselzuckend meinte: Man kann den Deutschen ebenso wenig die Gurgeln vor dem Wein verschließen wie den Spaniern die Hände binden, daß sie nicht wüteten.
1548 wurde den Predigern befohlen, von der Kanzel herab gegen das Zutrinken zu eifern, was 1577 noch einmal wiederholt wurde, um hierauf für immer in Vergessenheit zu geraten.
Die Verweigerung eines Zutrankes galt als ärgste Beleidigung, die der Beleidigte unverzüglich dadurch wettmachte, daß er dem Beleidiger den Wein oder das Bier ins Gesicht schüttete, wenn er nicht den Schimpf mit Blut abwusch. Textor schreibt darüber zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts: »Man helt einen für einen Feind, der nach etlichmal wiederholter Anmahnung nicht trinken will, und wird oft mit Blut und Todtschlag gerochen.«[228]
So wie man in der Vergangenheit keinen Geschäftsabschluß vorübergehen ließ, ohne ihn mit dem »Weinkauf« zu feiern und zu begießen, so war auch die Verleihung eines Lehen an einen Ritter oder Mannen die[298] Gelegenheit, einen Lehensbecher auszutrinken, meist ungeheure Gefäße, die ganz gewaltige Weinmengen hielten.
Diese eigene Belehnungsart durch einen Becher wurde zwar nicht erst in der Ritterzeit eingeführt, denn vorher schon belehnte man mit einem Horn, doch scheint sie erst hierin recht in Schwang gekommen zu sein. Wie bei anderen Belehnungen und Übergaben, so hatte auch bei dieser Gattung der Becher eine sinnbildliche Beziehung auf die Eigenschaften des Mannes, denn wer ihn tapfer leeren konnte, erprobte seine deutsche Ritterlichkeit dadurch. Dieses bezeugt eine Urkunde bei Lüning, wo es von den Hohenlohischen Vasallen heißt: »hierauf (nach abgelegtem Eide) wird von den Herren Senioris und Lehenadministratoris Hochgräflichen Gnaden und auch den anwesenden Ministris zur neuen Lehensempfängniß gratuliert, und ihm sofort zur hochgräflichen Tafel angesagt, da er dann, nach dem alten deutschen Herkommen, den großen Lehenbecher, eine Öhringer Maaß haltend, Bescheid und damit vel quasi eine Probe tun muß, ob er auch ein gut deutsch geborner von Adel, und dem Vaterland hiernächst gute Dienste leisten könne.« In einer anderen Urkunde, den Friedbergischen Statuten, wird ausdrücklich gefordert, daß ein aufzunehmender Burgmann einen Becher, Patriarch vormals Krauß genannt, austrinken soll. Gleiche[299] Gewohnheit herrsche bei den Eisenacher von Alvensleben und anderen Lehenshöfen.«[229]
Ein fester Trunk galt eben als Zeichen der Manneskraft und Strammheit und je größer der Zutrank war, der stets bis zur Nagelprobe geleert werden mußte, um so mehr wuchs die Achtung für den Mann, der einen solchen Humpen mit Anstand und ungerührt zu bewältigen wußte.
Es war daher eine natürliche Folge des überhand nehmenden Zutrinkens, daß sich daraus das Wetttrinken entwickelte. Sebastian Münster, der berühmte Cosmograph, sagt diesbezüglich von den Sachsen: »Das Bier trinken sie also unmäßig, ja reizen und zwingen einander zu einem solchen Überfluß, daß es einem Ochsen zu viel wäre. Sie lassen es auch nicht dabei bleiben, daß sie sich volltrinken, sondern trinken so lang, bis sie wieder nüchtern werden, und das treiben sie den ganzen Tag und oft die ganze Nacht, und welcher den andern mit Trinken überwindt, der wird darum gelobt und ist ihm eine Ehre, er überkommt auch dadurch ein Kleinod, um welches er mit trinken gestritten hat, und zum Zeugnis seiner erjagten Ehre wird er gekrönt mit Rosen und anderen wohlriechenden Kräutern.«[230]
Das Wetttrinken zeugte jene Trinkkünstler, an denen das ganze Mittelalter so überreich[300] war, Männer, wie den Rothenburger Bürgermeister Georg Nusch, der am 30. Oktober anno Domini 1631 »durch seinen gewaltigen Trunk Rothenburg rettete« vor der Verwüstung durch Tillys Scharen. Kaiser Karl suchte dem Wettrinken vergeblich durch wiederholt erlassene Gesetze zu steuern, von denen sich die meisten direkt gegen den Adel richteten, ohne aber die anderen Stände gänzlich zu vergessen.[231] Er bat die Gauältesten, mit gutem Beispiel in der Nüchternheit voranzugehen; ferner dekretierte er: »Wer im Heerlager trunken befunden wird, soll mit dieser Ausschließung bestraft werden, daß er so lange zum Trinken bloß Wasser bekommt, bis er bekennt, er habe Übel getan.« Ebenso sollten alle Dienstmannen, die den Heerbann versäumten und bei der angesagten Volks-Versammlung nicht erschienen, sich so viele Tage, wie sie ausgeblieben waren, alles Fleisches und Weines enthalten; dann sollte kein Trunkener vor Gericht klagen oder Zeugenschaft ablegen, aber auch »kein Graf zu Gericht sitzen außer nüchtern!«[232]
Die Mahnung des Winsbecke an seinen Sohn:
(Laß den Wein nicht über dich herrschen, lad ihn nicht in dein Haus, daß dein Feind nicht deiner spotte.)
war in keiner Periode der deutschen Geschichte überflüssig, aber am wenigsten im Mittelalter. Aus dem Übergang dieser Epoche zur neuen Zeit, in welcher der Sittenverfall aller Stände die großen Umwälzungen vorbereitete, die Reformation und den dreißigjährigen Krieg, gingen eine ganze Reihe typischer deutscher Trinker hervor. So der edle Graf Görz, von dem Aeneas Sylvius dann Fugger in seinem »Ehrenspiegel des Hauses Österreich« berichten, daß er oft in der Nacht aufgestanden sei, seine Kinder zum Trunk zu bewegen. Wenn sie geschlafen, hätte er seine Gemahlin eine Ehebrecherin gescholten und ausgerufen: das seien nicht seine Kinder, da sie eine ganze Nacht ohne Trunk auszuhalten vermögen! Dann jener Werner von Schulenburg, der 1490 am Hofe Herzogs Bogislaus X. von Pommern lebte, und von dessen Eß- und Trinkgier schier Unglaubliches erzählt wird.[233] Ferner Veit von Bassenheim, der sich wie der sagenhafte Boos von Waldeck von dem Rheingrafen das Dorf Hüffelsheim, von Winrich von Kniprode im Deutschordensschlosse zu Marienburg 1551 die Schloßhauptmannschaft erkneipte. Bei dem Ehrenmahl des Komthurs hatte jeder Gast ein silbernes Becken, acht Weinflaschen haltend, zu leeren. Dem Bassenheimer soll dies dreimal nacheinander gelungen sein. Ebenso soll es dem kurbrandenburgischen[302] Oberkämmerer Kurt von Burgsdorf, der bei jeder Mahlzeit achtzehn Maß Wein zu vertilgen gewohnt war, geglückt sein, manch Schloß und Dorf im Trinkkampf zu erringen.[234] Endlich noch jener Fugger, der in Montefiascone »propter nimium est, est, mortuus est«, wie die noch vorhandene Grabschrift in der Kirche des italienischen Städtchens beweist[235] und Hauptmann Dionis Kleist in Kolbatz (etwa 1590), der drei Tonnen Bier als Schlaftrunk genehmigte.
Wer bei den ritterlichen Gelagen nicht über einen ausgepichten Magen verfügte, trank sich einfach zu Tode, wie dies 1521 bei mehreren Fürsten und hohen Adeligen auf dem Wormser Reichstag der Fall war.[236]
Nach Huttens »Gesprächbüchlein« wurden auf dem Reichstag zu Augsburg (1518) alle jene für Ausländer gehalten, die sich nicht alltäglich toll und voll tranken. Von dem Wormser Reichstag erzählt Friedrich Zorn in seiner Wormser Chronik[237]: »Es haben sich die edelleut mit saufen auf diesem Reichstag ziemlich säuisch gehalten; eins ebenda waren ihrer 24 zum schwanen, die aßen einander rohe gäns zu mit Federn, Fleisch und anderm und tranken und verwüsteten 174 maß weins, denn sie zwungen einander mit wein. Item einen abend legten sie eine gesellschaft auf das reuhaus, hatten vor drum gebeten und ließen 34 tisch zurichten; sie lebten wohl,[303] trunken und verwüsteten wein, daß man hätt drin mögen waten; der imbiß kost ob 200 fl., zerworfen wohl bei 100 gläser.« Ja, auf solchen Reichstagen ging es »herrlich und in Freuden« zu!
Auf dem großen Hoftage Friedrichs I., 1162 zu Mainz, waren auf dem Neumarkt durch eine verborgene unterirdische Leitung Brunnen hergestellt, aus denen wer wollte Wein schöpfte, »als wäre es Flußwasser gewesen.«
Bei dem Krönungsfest von Matthias Corvinus, dem Wilmolt von Schaumburg beiwohnte, gab es neben »manicherlai Kurzweil« »drei brunnen zuegericht, die drei tag und nacht on underlaß, der ain Malfasier, an ander mit guetem ungerischen wein, der dritt mit bier flußen, des reich und armb ein ieglicher mensch nach seinem lust und notturft trinken mocht. Es wart auch bei denselben brunnen uf dem markt ein köstlich credenz ufgericht, die also tag und nacht stuent, und wer trinken wolt, der gebraucht das silbergeschier«.
Kaiser Karl V. brachte zu einer Fürstenversammlung in Regensburg 3000 Eimer Wein mit, und ein österreichischer Erzherzog ließ sich 2000 Eimer nachkommen (ein Eimer etwa 96 Liter oder 60 Quartviertel).
Der Kurfürst Christian II., der 1610 den Kaiser Rudolf II. in Prag besucht, dankte beim Abschied mit den Worten: »Kaiserliche[304] Majestät haben mich gar trefflich gehalten, ich bin keine Stunde nüchtern gewesen.« –
Wie und was man bei Hofe zu trinken pflegte, zeigt die noch ausführlicher zu behandelnde »fürtreffliche Hofordnung« Herzog Ernsts des Frommen von Sachsen vom Jahre 1648, in deren § 7 bestimmt wird: »vor unsere junge Herrschaft und Fräulein, soll er – der Kellermeister – jede Mahlzeit geben, insgesamt zwei Maaß Wein und fünfftehalb Maaß Bier«. § 8. »Auf die Mägdgen- und Officier-Tisch soll gerichtet werden, auf jede Person ein Maaß Bier und 3 und 1 halb Maaß Landwein …« An hohen Festtagen »Weynachten, Neujahr, Ostern und Pfingsten« und wenn bei Hof »die Communion gehalten wird« sollte extra eine halbe Maß Wein jeder Person gereicht werden.
Wenn ein Gast an diesen, als überaus mäßig geltenden Hof kam, dann war er an diese Trinkordnung nicht gebunden, denn in § 8 Nr. 7 heißt es: »Wenn Fremde zugegen, die noch trinken wollten, oder denen ein Trunk zu bieten wäre, soll der Maarschall, Oberschenke, oder Hoffmeister mit Zuziehung eines Cavaliers sie in die Kellerstube führen und ihnen à parte eine Ehre erweisen.«
Worin diese »Ehre« bestand, wie man sich bemühte, den Gast in der liebenswürdigsten Zuvorkommenheit krank zu[305] trinken, zeigt folgender Bericht, der ein halbes Jahrhundert später als Herzog Ernsts Trinkordnung niedergeschrieben wurde, wo also die Sitten sich bereits bedeutend verfeinert hatten und das grobe Saufen in ein nobleres, darum aber nicht weniger heftiges Trinken übergegangen war.
Der bekannte Reisende und Memoirenschreiber K. L. Baron von Pöllnitz, der abenteuernd den größten Teil Europas durchzog, schildert einen von ihm im Jahre 1719 abgestatteten Besuch an dem Heidelberger Hof wie folgt.
Als Pöllnitz bei einer Mittagstafel dem Kurfürsten seinen Wunsch, den Faßriesen des kurfürstlichen Kellers zu sehen, vorgetragen hatte, versprach der Herr, ihn selbst hinzuführen. Er schlug seiner Tochter, der Erbprinzessin von Sulzbach, vor, nach Tisch zu dem Faß zu gehen, und als sich diese damit einverstanden erklärte, zog der ganze Hof, voran Trompeter mit schmetternden Fanfaren, nach dem Keller. Nachdem alles auf dem gefüllten Faß versammelt war, brachte der Kurfürst dem Abenteurer den Ehrentrunk zu. Er leerte einen großen goldenen Humpen, ließ ihn wieder füllen und durch einen Pagen dem Baron reichen. Der Anstand und die Schicklichkeit verlangte, daß der so Geehrte wiederum den Pokal auf des Kurfürsten Gesundheit austrinken mußte. Pöllnitz, der mit Schrecken in das Weinmeer[306] blickte, bat sich als Gnade aus, in mehreren Zügen das Werk vollbringen zu dürfen. Der Kurfürst gewährte gnädig diese Bitte, und während er sich mit den Damen unterhielt, gelang es Pöllnitz, einen Teil des Weines unbemerkt zu verschütten. Der kleine Betrug ermöglichte es dem Abenteurer, dem Kurfürsten den bis auf den Grund geleerten Becher zu überreichen, was ein wohlgefälliges Schmunzeln des hohen Herrn hervorrief. Allein Pöllnitz triumphierte zu früh – es blieb nicht bei dem einen Becher, auch die Damen tranken den Herrn zu, und Pöllnitz bemerkte mit Schrecken, daß ihm die Kräfte auszugehen drohten. Er stahl sich heimlich von dem Faß, aber vor der Kellertüre standen zwei Garde-du-Corps, die den Ausgang verwehrten. Pöllnitz bittet, beschwört die Soldaten, aber selbst eine Bestechung weisen sie zurück, so daß sich der arme Teufel, der für sein Leben fürchtet, unter dem Faß versteckt. Er wird aber gefunden, hervorgezerrt und mit Freudengejohle zur Gesellschaft zurückgeschleppt, der Kurfürst will Gericht über den Deserteur halten, doch dieser weigert sich, den Herrn, der in diesem Prozeß Partei sei, als Richter anzuerkennen, worauf der Kurfürst seine Tochter und deren Damen als Gerichtshof einsetzt. Der Prozeß beginnt in aller Form, der Kurfürst ist Ankläger, Pöllnitz der Beklagte. Trotz aller Verteidigungsreden wird der Verbrecher[307] wider die »gute« Sitte verurteilt, sich zu Tode zu trinken. Der Kurfürst, als Souverän, mildert jedoch das Urteil. Er bestimmt, daß der Inkulpant sofort vier große Humpen, jeder etwa ein Quart enthaltend, zu trinken habe und dann während der nächsten vierzehn Tage, täglich nach der Suppe an kurfürstlicher Tafel einen solchen Becher auf seine Gesundheit. Pöllnitz, obzwar stark niedergedrückt, dankt aber dennoch dem Brauch gemäß »für die gnädige Strafe«. Das Urteil wird sogleich vollstreckt, der Baron trank seine vier Humpen, und wenn er auch nicht starb, so sank er doch leblos zu Boden. Als er viele Stunden später mit wüstem und schmerzendem Kopf erwachte, hörte er zu seiner Befriedigung, daß er nicht allein eine Weinleiche gewesen, da kein einziger Teilnehmer an der Partie, die Damen nicht ausgenommen, das Schlachtfeld aufrecht verlassen habe. Der Kurfürst hatte schließlich ein Einsehen, seinem Gast den Rest der Strafe gänzlich zu erlassen.[238]
Als Graf Chesterfield, ein englischer Reisender, sich um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts an den geistlichen Höfen zu Mainz und Trier aufhielt, glaubte er sich nach seiner Erklärung an den Hofstaat eines gothischen oder vandalischen Königs versetzt. Und wie man am galanten Hofe Augusts des Starken zechte, besonders wenn es galt »die Ehre der sächsischen Kavaliere[308] im Wettstreit mit den Herren aus Polen zu retten«, und diesen letzteren den Aufenthalt am Hofe so angenehm wie möglich zu machen, ist hinlänglich bekannt.
Pöllnitz, der doch in Heidelberg üble Erfahrungen machte, während eines achttägigen Aufenthaltes in Würzburg keine Stunde nüchtern war, und die bischöfliche Tafel stets in vollster Bewußtlosigkeit verließ, teilt dennoch dem bischöflichen Hof zu Fulda den Rang als dem trinkfestesten Deutschlands zu. Wie es da zugegangen ist, bedarf keines weiteren Kommentares.
Aus dem eben Gesagten läßt sich schließen, wie es in dem viel roheren sechzehnten Jahrhundert zugegangen. Einen hochinteressanten Einblick in diese Verhältnisse gewähren die Memoiren[239] des Schlesiers Ritter Hans von Schweinichen, dessen Leben für unseren Stoff viel zu wichtig ist, um nicht ausführlicher behandelt zu werden. Es können natürlich das Leben und die Taten des edlen Schlesiers, die 558 Seiten eines Buches füllen, nur im allerdürftigsten Umriß, ohne jegliche Schattierung, wiedergegeben und aus der Fülle der Begebenheiten nur die ausgewählt werden, die den ewigen Durst und die bis in das späteste Alter wiederkehrenden Zechgelage Schweinichens illustrieren.
Hans von Schweinichen wurde am Montag nach Johanni des Jahres 1552 auf Schloß Gröditzberg geboren und acht Tage[310] später getauft. Bis zu seinem neunten Lebensjahr tummelte er sich wild im Elternhause herum, worauf er zum Dorfschreiber von Mertschütz geschickt wurde, Lesen und Schreiben zu lernen. Nach den Unterrichtsstunden hatte der Kleine die Gänse seiner Mutter zu hüten, bis ein Jungenstreich ihn dieses Ehrenamtes beraubte. Ein Jahr später brachte ihn sein Vater zum Herzog Friedrich III. von Liegnitz, wo er nun als Studiengenosse und Prügelknabe des späteren Herzogs Friedrich IV. zu gelten hatte. Der Herr Praeceptor und Erzieher der Knaben, bei denen ein Barthel Logau, ein Urahne des Dichters, als dritter im Bunde war, nahm es mit seiner Aufgabe sehr leicht, indem er sich von Hans manche Arbeit abkaufen ließ, »denn der junge Mann ging gern an die Buhlschaft zu schönen Jungfrauen, und hatte nicht Geld«.[240] Hansens dienstliche Obliegenheit bestand darin, dem Fürsten aufzuwarten, »auch mehrtheils, wann I. F. G. (Ihro Fürstl. Gnaden) einen Rausch hatten, im Zimmer liegen, denn I. F. G. nicht gern zu Bett gingen, wann sie berauscht waren«.
In der ersten Zeit seines Aufenthaltes am Hofe widerfuhr Schweinichen auch das Badeabenteuer, das ich an einem anderen Orte ausführlich erzählt habe.[241] Es ging überhaupt am Liegnitzer Hofe herzlich ungeniert zu. Der Herr Lehrer ging seinen Liebesabenteuern[311] nach und der alte Fürst stieß sich bei galanten Anwandlungen in keiner Weise an die Anwesenheit von Zuschauern.
Die Jahre 1565–1566 brachte Hans teils zu Hause bei den Eltern, teils in Goldberg in der Schule zu, bis ihn eine Krankheit wieder nach Hause führte, wo er, wie er offenherzig gesteht »was ich in fünf Vierteljahren gelernet, in vierzehn Tagen wieder vergaß«.[242] Trotzdem der alte Schweinichen durch die für seinen Herzog geleisteten Bürgschaften in steter Geldverlegenheit war, bewies er doch seine Charakterfestigkeit dadurch, daß er ein Angebot von fünfhundert Talern jährlich kurz entschlossen ausschlug, als der Bieter, Bischof Logau, die Bedingung daran knüpfte, den Hans katholisch und Priester werden zu lassen. Der Adel von damals hatte eben zweierlei Gewissen. Das eine war für den Hausgebrauch und duldete keinen Flecken auf der sogenannten Ehre und keinen Angriff gegen den ererbten Glauben. Das zweite, für die Welt bestimmte, setzte sich, dehnbar wie es nun einmal war, mit Seiltänzergewandtheit über Kleinigkeiten, wie falsches Spiel, Mädchen betrügen, Begehung oder Duldung eines Straßenraubes, Foppen eines leichtgläubigen Geldleihers und ähnliche derartige unbedeutende Vorfälle hinweg. Wie die Alten sungen, so zwitscherten die Jungen, und schon 1570 bekannte Hans in seinem Tagebuch:[312] »begonnte ich mich auch allbereit etlichermaßen um die Jungfrauen zu thieren und däucht mich in meinem Sinn Meister Fix zu sein«.[243] »Bin aber auf Hochzeiten geritten und sonsten, wohin ich gebeten wurde, mich gebrauchen lassen und fraß und soff mit zu halben und ganzen Nächten und machte es mit, wie sie es haben wollten.«[244]
1569 machte Hans den Zug Herzog Heinrichs nach dem Lubliner Landtag mit, der den armen Teufel von Duodezfürsten vollends zugrunde richtete. Ettliche Schlachtzizen machten sich den Spaß, die Liegnitzer mit der polnischen Königskrone zu narren, ein Scherz, der dem ohnehin dem Rande des Ruins nahen Herzog auf vierundzwanzigtausend Taler zu stehen kam, ganz abgesehen von der für ihn sehr unheilvollen kaiserlichen Ungnade, die er sich nebenbei zuzog. Bei der Heimkehr von der Fahrt nach Polen fand Hans seine Mutter auf der Bahre. Ein Jahr darauf war unser Junker zum erstenmal derart betrunken, daß er »zwo Nächte und zwei Tage nacheinander geschlafen, daß man nicht anders gemeint, ich würde sterben«. »Inmittels habe ich es nicht allein gelernet Wein zu trinken, sondern auch ziemlichen wohl gekonnt, daß ich wohl sagen kann, auch gemeinet, es wäre unmöglichen, daß mich einer vollsaufen könne, und habe es hernach stark kontinuirt. Ob es aber mir zur Seligkeit und guter Gesundheit gereichet,[313] stelle ich an sein Ort,[245]« fügt er treuherzig voll Selbsterkenntnis hinzu.
1572 widerfuhr Hans das Pech, daß die »Jungfrau«, die er gerne sah, und mit der man ihn schon überall ins Gerede brachte, unversehens eines Knäbleins genaß, dessen Vater ein hübscher junger Schreiber war.
Von 1573 an datiert Schweinichens Ruf als Trinker. Auf der Reise, die er mit den Herzögen Heinrich und Friedrich nach Mecklenburg unternahm, – der Alte war bereits 1570 gestorben – hat Hans »mit meinem Saufen (ungeachtet, daß es keines Ruhmes wert und besser gelassen, als getan) einen großen Namen, denn ich mich diese Zeit nicht vollsaufen konnt«.[246]
Schweinichen hatte eben begonnen mit Herzog Heinrich von Liegnitz seine »Schnorrfahrten« durch das Reich, kreuz und quer, anzutreten, die aber vorläufig nur noch Spritztouren waren und erst einige Jahre später zu systematischen Raubzügen werden sollten. Über diesen Herzog Heinrich XI., »den lüderlichen Sohn eines Vaters, der nicht besser war«, verlohnt es sich wohl etwas mehr zu sagen und zwar in den Worten Gustav Freytags, der folgende kurze Biographie dieses Vertreters eines dem Untergange geweihten Piastengeschlechtes gibt:[247] »Als sein Vater, Herzog Friedrich III., im Jahre 1559 von kaiserlichen[314] Kommissarien abgesetzt und als gemeinschädlich in Arrest gehalten wurde, erhielt der zwanzigjährige Sohn die Regierung des Fürstentums. Nach zehn Jahren einer unbändigen Regierung geriet Friedrich mit seinem Bruder Heinrich und seinem Adel in Zwist, und ließ in einer despotischen Laune seine ganze Landschaft gefangen setzen. Während die Empörten ihn beim Kaiser verklagten, unternahm er selbst einen abenteuerlichen Zug durch Deutschland, eine Rund- und Bettelreise zu zahlreichen Höfen und Städten, wobei ihn Geldmangel aus einer Verlegenheit in die andere stürzte und zu jeder Art von Unwürdigkeiten brachte. Unterdes wurde er suspendiert, und sein Bruder, der wenig besser war, als Administrator eingesetzt. Heinrich klagte, querulierte, unternahm eine neue Bittreise an deutsche Fürstenhöfe, sollizitierte endlich in Prag beim Kaiser, immer in den drückendsten Geldverlegenheiten, und setzte endlich durch, daß er sein Herzogtum zurückerhielt. Jetzt folgten neue Zügellosigkeiten und offener Widerstand gegen kaiserliche Kommissionen, eine neue Absetzung und strenge Haft zu Breslau. Aus dieser Haft entwich er und trieb sich als heimatloser Abenteurer in der Fremde umher, bot sich der Königin von England im Kriege gegen Philipp von Spanien an und zog zuletzt nach Polen, um gegen Österreich zu kämpfen. Dort, in[315] Krakau, starb er plötzlich 1586, wahrscheinlich an Gift.«
Wenn dieser eigentümliche, unbegreiflicherweise noch nicht dramatisierte Herr in Liegnitz residierte, was selten genug vorkam, dann ging es natürlich am Hofe lustig zu. »Wann ich diese Zeit vom Himmel auf die Erde fallen sollen, wär ich nirgens als gen Liegnitz gefallen, ins Frauenzimmer, denn da wär täglichen Freude und Lust mit Reiten, Ringrennen, Musika, Tanzen und sonsten Kurzweil«,[248] bei dem ein fester Trunk und der unvermeidliche Rausch obenan war. So stellte Herzog Heinrich einmal ein Scherzbankett an, bei dem ein Adeliger namens Axleben den Kaiser vorstellen sollte. Dabei mußte sich Axleben »allemal wie der Kaiser im Trinken halten und also über der Mahlzeit drei Trünke thun, eben aus dem Glase, daraus zuvor Herzog Heinrich dem Kaiser Fernando geschänkt, darein ging ein halb Topf Wein«. Nach zwei Trünken lag der arme »Kaiser« der Länge nach auf dem Boden. –
Neben der Beschäftigung »I. F. G. vor dem Trank zu stehen«, wobei meist für Hans ein gehöriger Rausch abfiel, bestand seine Hauptobliegenheit im Versetzen, so lange noch ein goldenes Ringlein, eine Kette oder sonst ein Kleinod vorhanden war, und im darauf los zu pumpen wo und wann sich Gelegenheit bot, sei es verschämt oder unverschämt.[316] Man war lustig und guter Dinge, wenn ein Gutherziger oder Dummer ein Darlehen gewährte. »I. F. G.« spielten wohl auch, und waren seelenvergnügt, wenn sie, wie 1575 in Nürnberg, eine Summe gewannen, die die Zahlung der Zeche ermöglichte.[249] Meist aber wurde der Herzog gerupft. Fand man einen gutmütigen Wirt, wie z. B. den Jorge Lindenauer, Gastgeber am Weinmarkt zu Augsburg, so »soffen, spielten, waren lustig und guter Dinge« der Herzog und seine Leute. Hatte die Zeche eine unbezahlbare Höhe erreicht, dann verduftete die ganze Gesellschaft. Bei solchem Leben war das Scham- und Ehrgefühl bald verflüchtigt, »denn wann ich I. F. G. Geld aufbracht, es geschah auch mit was Mitteln es wollte, so hatte ich wohlgetan«, bekannte Schweinichen.[250] Schlug Marx Fugger ein Darlehen von 4000 Talern aus, so nahm man doch von ihm ein Geschenk von 200 Kronen, »einen schönen Becher von achtzig Talern« und ein Roß mit schwarzer Sammetschabracke herzlich dankend entgegen. Der Markgraf von Baden gab an Stelle der begehrten tausend Gulden ein Roß, der Stadtrat von Augsburg statt der verlangten 4000 nur 1000 Taler, und diese nur, weil Herzog Heinrich dem Wirt 1470 Taler schuldete. Im Jahre 1578 heißt es einmal: »Herzog Heinrich ließen durch mich den Rat von Breslau um 4000 Thlr. zu leihen ansprechen, konnte[317] aber bei ihnen des Anlehns halber nicht erheben, sondern sie verehreten I. F. G. 100 fl Ungarisch und einen Gaul, damit waren I. F. G. auch wohl zufrieden und bedankten sich.«[251] Fiel jeglicher Pump vergeblich aus, so war unser Hans schließlich zufrieden, wenn er sich »durch einen starken Rausch geletzet hatte«.
1576 kam der Herzog mit seiner Begleitung auch nach Dillenberg zum Grafen Johann von Nassau, bei welcher Gelegenheit sich Hans als Meister im Trinken zeigen sollte. Er erzählt darüber:
»Ich stund I. F. G. allemal vor dem Trank und mußte doch daneben alles versehen, wie es sonsten einem Hofmeister gebühret, hatt also große Mühe. Auf dem Morgen gab der Graf mir den Willkommen. Wenn ich aber den ersten Abend das Lob hatte bekommen, daß ich des Herrn Grafen Diener alle vom Tisch hätte weggesoffen, wollt sich der Graf (jedoch heimlich) an mir rächen mit dem Willkommen, welcher von drei Quarten[252] Wein war. Nun wollt ich gern wie den vorhergehenden Abend Raum behalten, nahm den Willkommen vom Grafen an, gehe vor die Thüre und probiere mich, ob ich ihn im Trunke austrinken mochte, welches ich auch also ahnte. Wie ich solche Probe getan hatte, laß ich mir wieder eingießen, bitte den Herrn Grafen mir zu verlauben,[318] seinem Diener zuzutrinken. Nun war ich schon verraten beim Grafen worden, daß ich ihn zuvor im Trunke hatte ausgesoffen, derwegen war der Herr Graf wohl zufrieden; trinke ihn derwegen noch eins seinem Marschall am Trunke zu. Ob er sich wohl davor wehrt, ward ihm doch vom Grafen geschafft, daß er ihn annehmen mußte. Wie ich nun den Becher zum andermal austrank, des wunderten sich die Herren alle, der Marschall aber konnte mir in einem Trunk nicht Bescheid tun, darum er denselbigen zur Strafe auch zweimal austrinken mußte, jedoch mit vielen Trünken. Darüber war der Marschall berauscht, daß man ihn wegführen mußte, ich aber wartete bis der Mahlzeit ein Ende auf; hernach hatte ich da wohl Ruh vorm Trunk, denn sich Niemand an mich machen wollte.«[253]
Als Trinker war und blieb unser lieber Hans gefürchtet, aber nur als Zecher, denn all sein Lebtag war ihm die Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit. Er sieht dies auch selbst ein und unterläßt sogar das sonst zeitübliche Bramarbasieren.
Er war, im Geiste jener Zeit, ein biederer Landjunker, der ein recht wechselvolles Leben hinter sich hatte, als er am 23. August 1610 starb. Er hat viel gesehen, viel durchgemacht, ohne seinen Gesichtskreis wesentlich zu erweitern. Er war und blieb bis an sein Lebensende ein Krautjunker von echtem[319] Schrot und Korn, der gewissenhaft an jedem Jahresabschluß seiner Denkwürdigkeiten die Getreidepreise vermerkt und bis zum Schluß seines Buches recht viel von »guten Räuschen, die jedermann davon gebracht hat«, und von »starkem Trinken« zu erzählen weiß. Er war ein trinkfester Mann, dessen Andenken noch lange nach seinem Hinscheiden in Schlesien unvergessen war, und das in der deutschen Kulturgeschichte für immer als der Typus eines Edelmannes aus dem sechzehnten Jahrhundert fortleben wird.
Jede Mode ruft Widerspruch hervor, also auch das gewohnheitsmäßige Trinken, das im Mittelalter im Grunde genommen nichts anderes als Modesache war, gegen die zu toben wiederum die Geistlichkeit als Geschäft betrachtete. Wie wenig die Kanzelreden fruchteten, ist bereits erwähnt, sie schafften ebenso wenig Wandel, wie die Beispiele der deutschen Kaiser und ihre Gesetze. Diejenigen Ritter, die ihre Ehre darin suchten, als Sieger aus Trinkgefechten hervorzugehen, waren stets in der Mehrzahl gegen die, die sich Winsbeckes Lehre zu Herzen genommen und durch ihre Enthaltsamkeit und Mäßigkeit glänzen wollten. Immerhin waren sie vorhanden, wenn auch als Ausnahmen von der allgemein geltenden Regel. Schon frühzeitig taten sich diese Abstinenzler zu Vereinen – Orden nannte sie die Vorzeit – zusammen, deren ersten wohl Kaiser Friedrich III. gegründet haben dürfte. Dieser Herrscher führte den Orden der Enthaltsamkeit, den Alfons von Spanien geschaffen hatte, auf deutschen Boden ein und[321] trug bei großen Feierlichkeiten dessen Abzeichen. So erschien er mit seinem Sohne Maximilian I. bei dem päpstlichen Gastmahl in der Gegend von Trier, zu dem ihn Karl der Kühne geladen hatte, mit den Insignien des Mäßigkeitsordens. Dieses Ordenszeichen bestand in einer aus Kannen zusammengefügten Kette. An den Kannen hing ein Marienbild, an dem ein Greif befestigt war, der in seinen Klauen ein Spruchband hielt, auf dem zu lesen stand:
HALT MAS.
In einer in Fuggers »Ehrenspiegel«[254] erhaltenen Urkunde wird Ritter Nikolaus von Lobkowitz mit seiner Frau in den Orden aufgenommen. Damals waren die Lobkowitze noch rein deutscher Adel; inzwischen haben sie ihr Herz und ihre Nationalität entdeckt, und sind zu ultra-czechischen Lobcovic geworden. Wohl bekomms! Die Deutschen haben durch dieses Renegatentum einiger ultramontan-feudaler Geschlechter noch viel weniger verloren, als die Herren Tschechen gewonnen haben.
Bald auf den kaiserlichen Mäßigkeitsorden entstand ein zweiter, den Sigismund von Dietrichstein, Landeshauptmann von Kärnten, ins Leben rief und mit dem Namen St. Christophs-Gesellschaft belegte. Der Stiftungsbrief, den Valvaßor in seiner »Beschreibung von Crain«[255] aufnahm, ist so[322] außerordentlich bezeichnend für den Stifter, daß man es mir verzeihen wird, wenn ich die an sich recht trockene Urkunde in diese, von Flüssigkeiten handelnde Abhandlung aufnehme und zwar nach der Wiedergabe, die Schillers Jugendfreund Petersen in seiner Geschichte der »deutschen Nationalneigung zum Trunke« gibt. »Gleich im Eingang klagt der gottesfürchtige Ritter, daß der Mensch seinen Schöpfer so allerhöchsten, größten und ganz unaussprechlichen nicht im Aufmerken habe, sondern seinen heiligen Namen, überall ehrwürdig und darum keines Weges eitel, entweihe. Die Ursache dieser Unaufmerkung liege, seiner einfältigen Achtung nach, in der Füllerei, »so ein Verstopferin der Sinne, und ein Verschwenderin der Gedächtnuß« sei. In einem phrasenreichen Wortschwall erläutert nun Dietrichstein die Beweggründe, die ihn geleitet gegen die beiden »grausame Laster Fluchens und Zutrinkens« seinen Orden zu gründen, dessen Statuten achtzehn Paragraphen aufwiesen, die »jeder Ordensbruder, was Tittels oder Stands der ist, an eins geschwornen Aid statt zu halten« geloben mußte.
Der zweite Absatz dieser Vorschrift lautet: »Jeder soll St. Christofs Bildniß an einer Ketten oder Schnur am Hals-Pinnet, Huet, oder sonst öffentlich und sichtbarlich tragen. Wo aber einer solches unterlies, und ihn einer seiner Gesellschaft darüber[323] beschrie, als oft das beschicht, als oft soll er mit Wissen des Gesellen armen Leuten drei Kreuzer durch Gottes Willen geben.«
§ 3. Kainer der Gesellschaft soll zutrinken, noch jemand es in keinerlei Weise »anmueten«. Wo aber namhaffte Leute einem anmuteten zuzutrinken, so soll ers mit den Worten und nicht anders annemen: Ich gewart sein nach Vermögen der Gesellschaft. Alsdann soll er nach seinem Durst eines gewarten, ungeferlich. Wer diesen Artikel übertritt, ist zween rheinisch Gulden straffällig.«
Zwei weitere Absätze auferlegen einerseits dem Mitgliede die Pflicht jede ihm bekannt gewordene Übertretung anzuzeigen, andererseits für den Gastfreund, Bruder oder Sohn, den er beherbergt, einen Gulden rheinisch zu erlegen, wenn dieser flucht oder zutrinkt.
10. »Es soll auch ein jeglicher Gesell, bei seinen Dienern mit Guten und Unguten, darob sein, damit sie ob den Mallen (Gastmählern) nicht zutrinken: Wo man es aber erfert, daß es ein Diener gethan hat: für den soll der Herr ein ganz Jahr ein Pfund Pfennig dem Hauptmann geben. Er nemb die vom Knecht oder nicht, oder er leg neu, oder dieselben Knecht, als oft es einer thuet, drei Tag und Nacht in ein Keller.« In der Blütezeit seines Bestehens zählte der Orden achtundsiebzig Mitglieder. Den Geistlichen und[324] »Frauen und Jungfrauen, von Adel unverleimbt«, war der Eintritt gerne gestattet.
Der Orden war zu streng, seine Gebote viel zu hart um gehalten zu werden, darum währte es nur wenige Jahre, ehe er gänzlich vergessen wurde.
Weit gelindere Abstinenz seiner Mitglieder beanspruchte die 1524 von dem Kurfürsten Richard von Trier und dem Pfalzgrafen Ludwig »Uff der Fröhlichkeit eines Gesellschießens der Armbrust« zu Heidelberg errichteten »Brüderschaft der Enthaltsamkeit«, der bald außer den Gründern noch fünfzehn Fürstlichkeiten, Bischöfe und eine sehr große Zahl von Edelleuten angehörten.
In der Stiftungsurkunde heißt es: »Thun kund allermänniglich, daß wir uns mit einander einhelliglich entschlossen, und bei unseren fürstlichen Worten einander zugesagt und versprochen, und thun das in und mit aller Kraft dieß Briefs, daß unser jeglicher Fürst und Churfürst obgemelt, wir sein Geistlich oder Weltlich, nun hinfüro, für unser eigen Person, der Gotteslästerung, und Zutrinkens ganz oder halbs uns enthalten, und müssigen.« Überdies sollten alle Dienstleute bis zu den Oberamtmännern erst gebeten werden, sich »des Gotteslästern und Zutrinkens« zu enthalten und, falls dies nichts fruchtete, aus dem Dienst gejagt und geradezu boykottiert werden. Man tat eben in jener Zeit nichts halb. Entweder man trank[325] sich bis ins Grab, oder man kasteite sich und die Untergebenen bis zum Übermaß. Denn den Dienstboten anbefehlen, mit einer durch Generationen vererbten Sitte plötzlich zu brechen, hieß von diesen Übermenschliches verlangen.
Immerhin ließ man Ausnahmen vom gänzlichen Enthalten des Zutrinkens und Trinkens gelten. Solche Ausnahmen waren, wenn einer der Ordensbrüder in Landstriche kam, wo man ihm sein Temperenzlertum übel ausgelegt hätte.
»Wär es aber, daß unser Churfürsten oder Fürsten, einer oder mehr, in die Niederland, in Sachsen, die Mark, Mechelburg (Mecklenburg), Pommern oder dergleichen, da Zutrinken die Gewohnheit, käme, und über fleißig Weigerung zutrinkens nicht geübriget sein möchte, sollen dieselbigen solche Zeit mit ihrem Hofgesind und Dienern ungefehrd, und mit dieser Ordnung nicht gebunden sein.«
Auch dieser Orden verschwand bald von der Bildfläche. Der Reiz der Neuheit mag manchen zum Beitritt gelockt haben, ohne ihn aber dauernd fesseln zu können. Das Befolgen der Satzungen und die Lebensgewohnheiten mögen viele seiner Mitglieder in einen Zwiespalt gebracht haben, den sie durch den Austritt auf die einfachste Art lösten.
Einige Jahre später tat sich wieder ein Verein gegen das Vieltrinken zusammen, der aber ungleich toleranter als die bisher erwähnten war. Die Mitglieder, durchaus nicht alle von Adel, trugen als Vereinsabzeichen einen Ring. Wer das Verbot des Zutrinkens übertrat, hatte dem Vorsteher den Ring zurückzugeben, außerdem aber noch den Armen einen Goldgulden zu überweisen. Als das Ordensmitglied Hubert Thomas Leodius von seinem Herrn, dem Kurfürsten Friedrich II. 1533 zu König Heinrich VIII. von England gesandt wurde, begegnete ihm am Hofe dieses weibermordenden Despoten ein Abenteuer, das J. W. Petersen[256] wie folgt beschreibt: »Einmal rief Heinrich nach einem langen Spaziergang: Ich dürste, man soll zwei der größten Becher, den einen voll Wein, den andern voll Bier, herbringen. Da sie gebracht werden, ließ er dem Leodius die Wahl: »Einen aber«, setzte er hinzu, »mußt du mir zubringen, damit du siehst, daß die Engelländer und der König selbst ebenfalls auf gut Deutsch trinken: und du hernach deinem Fürsten ausrichten kannst, wenn er nach Engelland kommen will, es ihm an Trinkgesellen nicht fehlen wird (non defuturos qui ei a compotationibus essent).« Leodius erwiderte: Solcher Trünke sei er nicht gewohnt, müsse auch, kraft seines Gelübdes, sie unterlassen, indem sein Herr durch einen gegebenen Ring das Zutrinken[327] (ad aequales hauctus bibere) ihm verboten hätte. Heinrich widerlegte alle Ausflüchte nach seiner Art, und notgedrungen ergriff endlich der ehrliche Deutsche, dem vor der Größe des Bechers graute, den Weinkelch und leerte ihn in vier schweren Zügen aus, indessen der König sein Bier in einem Schluck hinab gejagt hatte. Bei der Abreise verehrte ihm Heinrich unter anderen Geschenken sechzig goldene Ringe, welche wider den Krampf gut sein sollten, und gab ihm für seinen Pfalzgrafen einen goldenen Becher.«
Pflichtschuldig meldete Leodius nach seiner Rückkehr den Vorfall seinem Herrn. Dieser fühlte sich nicht kompetent zu entscheiden, ob sein Gesandter gefehlt und berief eine Generalversammlung der Ordensbrüder ein, die aber einstimmig nicht nur den Sünder freisprachen, sondern der Reihe nach jeder den mitgebrachten Becher leertranken, wohl um sich des gleichen Vergehens wie Leodius schuldig zu machen. Leodius war von diesem liebenswürdigen Opfermut derart gerührt, daß er die erhaltenen sechzig Ringe an die Anwesenden verteilte. Auch dieser Orden vegetierte nur kurze Zeit. – Bis zum Jahre 1600 scheint das Publikum mehr Geschmack am Trinken als an der Enthaltsamkeit gefunden zu haben, denn erst in diesem Jahre ersteht ein neuer Mäßigkeitsverein, als dessen Apostel diesmal[328] ein hessischer Landgraf, Moritz, »ein wackerer gelehrter Herr« (1572–1632) erscheint. Die ersten Mitglieder dieses »Ordens der Mäßigkeit« waren außer dem Stifter noch Johann Georg, Markgraf zu Brandenburg, Ludwig zu Hessen, Friedrich Heinrich von Nassau, Emich, Graf zu Leiningen, Friedrich Magnus und Ludwig, Grafen zu Erbach, Otto, Graf zu Solms, der junge Philipp, Graf zu Solms, Johann, Wild- und Rheingraf, Wilhelm, Freiherr zu Winnenberg und Abraham Burggraff, Herr von Dohna.
Die in vierzehn Abteilungen zusammengefaßten Satzungen ermöglichten es auch dem größten Schlemmer, der Gesellschaft beizutreten. Vor allem war das Mitglied nur während zwei Jahre verpflichtet, sich nicht »vollzusaufen«. Wenn es viel vertragen konnte, so trank es eben bis es glaubte, daß ihn ein Mehr umwerfen würde und ließ es, mit Rücksicht auf die Ordensbrüderschaft, sein. Als gewöhnliches Maß erlaubte man dem Vereinsbruder täglich vierzehn Ordensbecher voll Wein auszutrinken. Die Größe dieser Ordensbecher ist wohlweislich ängstlich verschwiegen. Sollte aber das erlaubte Quantum noch nicht genügen, so war es erlaubt, den Mehrdurst mit Bier, Sauerbrunnen und Met zu stillen. Verboten war es aber, aus den Ordensbechern »gebrannten, welschen, spanischen oder anderen starken gewürzten Wein, Hamburger Bier und Breihan« zu vertilgen.[329] Ferner sollten nicht alle vierzehn Becher bei einer Mahlzeit konsumiert werden, sondern in zwei oder drei »Trunke«. »Ordensverwandte« durften weder zum Trinken nötigen, noch sich zwingen lassen Bescheid zu tun. Für die Übertretung bestanden drei Strafarten. Die erste und leichteste machte auf ein Jahr unfähig einem Ritterspiele beizuwohnen; die zweite untersagte den Genuß allen Weines bis zum Ablauf der zwei Vereinsjahre und nach der letzten hatte der Übeltäter zwei seiner besten Rosse oder dreihundert Taler als Strafe zu entrichten.
Übrigens dämmerte zeitweilig auch in einzelnen Personen die Erkenntnis auf, daß die Völlerei Leib und Seele nicht zuträglich sei, was ja sogar ein Hans von Schweinichen empfand. Diese Einsichtigen legten wohl ein Gelübde ab, sich fortan der Zechereien gänzlich zu enthalten oder sich wenigstens eine gewisse Zeit nicht vollzutrinken. Daß aber solche Leute Dokumente aufsetzten, mit Siegel und Unterschrift versahen, die genau festlegten, was zu trinken erlaubt, was verboten sein sollte, entbehrt eines gewissen Humors nicht. Ein solches Trinkerdokument, und nicht das einzige, das sich in den Archiven erhalten hat, nahm Scheible in sein »Schaltjahr«[257] auf. Es lautet:
Wir hernach Beschriebene, mit Namen Christoph Vitzthumb von Eckstädt und Vespasian von Reynsberg, urkunden und bekennen[330] hiermit männiglich: Nachdem wir eine geraume Zeit und etliche viele Jahre in diesen sowohl als in fremden Landen an hohen Potentaten-, Chur- und fürstlichen Höfen uns des hohen Trunkes ziemlich ergeben, dadurch wir nicht allein Gott den Allmächtigen zum öfteren erzürnet und uns an ihm versündigt, sondern auch an unserm Leib und Gut nicht wenig Schaden erlitten, wir nunmehr finden, zur Erhaltung unserer beiderseitigen Gesundheit und Verhütung allerlei Schadens und Unglücks, welches aus übermäßigem Trunke herrührte, solchen, wo nicht gänzlich abzuschaffen, doch auf ein ziemliches Maß zu moderieren. So ist denn zwischen uns nach wohlbedachtem Rate und um allerhand erheblicher und bedenklicher Ursachen willen endlich dieser Vergleich getroffen und beliebet worden, daß innerhalb von drei Jahren, von Dato dieser Vergleichung angefangen, sich keiner von uns beiden bei Vermeidung unten benannter Strafe mit übermäßigem Trunk in keinerlei Weise oder Wege außerhalb der Fälle, so hernach namhaft gemacht werden, beladen, sondern sich dessen so viel als möglich entäußern soll. Weil aber dennoch an dem, da wir hin und wieder mit ehrlichen Leuten bekannt und deroselben Kundschaft haben, die Gelegenheit kommen möchte, daß wir uns des Trinkens nicht also gänzlich entäußern könnten, so haben wir[331] zwei silberne Flaschen von gleicher Größe und Gestalt verfertigen lassen für die angedeuteten Fälle, wo jechlicher von uns beiden eine solche Flasche voll zu sich nehmen soll und darf. Soll es aber mit dem Trinken aus diesen Flaschen also gehalten werden: Unser jedem soll es freistehn und zugelassen sein, bei ehrlichen Zusammenkünften, da sich's Ehren halber nicht anders schicken will, die hierzu bestimmte Flasche an einem Tage, sei es nun vor- oder nachmittag, zum höchsten dreimal voll Wein auszutrinken, diesselbe Maß aber in keinem Wege zu überschreiten. Jedoch soll dieses nicht so gemeint sein, als ob die Flaschen tagtäglich dreimal ausgetrunken werden müßten, sondern es ist nur also zu verstehen, daß es geschehe, wenn man es bei hohen adeligen oder sonst ehrlichen Leuten nicht wohl umgehen kann. Wenn aber einer von uns beiden nach den festbestimmten ausgetrunkenen drei Flaschen dennoch ein Tränklein Wein noch für sich allein thun will, – welchen er jedoch keinem andern zutrinken soll, – so mag ihm das freistehn und keine Bedeutung haben. Mit Bier aber soll es also von uns gehalten werden: Wäre es der Fall, daß wir nach erledigten drei Flaschen Bier durch jemand zum weiteren Trinken ermuntert würden,[332] so soll, – da vom Biere zuweilen auch Räusche zu fallen pflegen, – unsere Verabredung gleichfalls bestehen, und keiner von uns noch mehr zu sich nehmen, denn was er den Durst zu löschen noch benöthigt. Würde sich aber ereignen, daß Christoph Vitztumb von Eckstädt vor Ausgang der benannten Frist dreier Jahre Kindtaufen halten oder ich, Vespasian von Reynsberg, mich in den Stand der heiligen Ehe begeben und also Verlöbnis oder ehrlich Beilager halten möchte, – welches Alles in dem Willen des Allmächtigen steht, – alsdann soll anbetrachts solcher Umstände diese unsere Obligation wegen des Trinkens drei Tage lang, höchstens aber vier Tage, außer Kraft treten, außerhalb dieser spezifizierten Fälle jedoch in vollen Würden bis zu geendeter Frist bleiben.
Da uns auch ferner an unterschiedlichen Orten nicht geringe Beschwerung und Ungelegenheiten dadurch entstanden, daß wir Bürgschaft für gute Freunde eingegangen, so haben wir gleicherweise hierdurch verabredet, nicht mehr hinfüro auf solchen Handel einzugehen. Nur wenn etwan einer von uns von einem guten Freund angegangen würde, dem es füglich nicht wohl abgeschlagen werden könnte; so soll doch keiner von uns beiden Bürgschaft über 300 Thaler hoch[333] bewilligen; auch, ehe besagte Summe nicht wieder abgezahlet, soll durchaus keine neue Bürgschaft eingegangen werden.
Wofern nun einer von uns diese nothwendige freundliche Vereinigung in einem oder anderem Stücke auch nur im geringsten übertreten wird, so soll der Übertreter dem anderen, so oft es geschieht, eintausend Gulden zur Strafe ohne Widerrede erlegen. Und da sich's schließlich nach dem Willen Gottes zutragen möchte, daß einer von uns beiden während der drei Jahre mit Tode abginge, (was doch Gott gnädig verhüten und abwenden wolle), so soll doch nichts weniger derjenige, so am Leben bleibet, sich der Verpflichtung in allen Punkten und Clauseln, so lange die Endschaft der Frist völlig erreicht ist, erhalten. Diesem Vertrag also beschriebenermaßen fest und unverbrüchlich nachzukommen, uns demselben nicht im geringsten widersetzlich zu machen, vielmehr alles dasjenige, wie obsteht, ehrlich und aufrichtig zu halten, haben wir einander mit Hand und Mund bei unserer adeligen Ehr', Treu und Glauben zugesichert und versprochen, inmaßen wir es hierdurch nochmals kraft dieses Briefes zusagen und versprechen. Ursprünglich sind dieses Briefes zwei eines Lautes gemacht, eigenhändig geschrieben, unsere angeborenen Petschafte wissentlich daran gehängt, von jedem mit[334] eigener Hand unterschrieben. Jechlicher hat einen solchen Brief zu sich genommen. Welches geschehen den ersten Januar Anno nach der gnadenreichen Geburt Christi 1592 zum glücklichen Anfange des heutigen Tages und eingetretenen fröhlichen neuen Jahres. – Christoph Vitzthumb von Eckstädt. – Vespasian von Reynsberg.
In gewissen Ämtern waren die neuangestellten Beamten verpflichtet, die gewöhnlichen Gebote des Anstandes zu befolgen und im Trinken Maß zu halten. So mußte ein gewisser Andreas Röbel, als ihm seitens des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg im Jahre 1577 ein Amt verliehen wurde, ein Schriftstück ausstellen, in dem es unter anderem hieß: »Desgleichen will ich mich des Vollsaufens enthalten, und uff jeder Mahlzeit mit zween ziemblichen Bechern Biers oder Weins die Mahlzeit schließen. Infall ich aber, ohne Ihr Churfürstliche Gnaden erlaubniß dieses vbertretten Vnd ich drunken befunden wurde, Als soll vnd will ich mich, sobaltt ich gefordert werde, in der Kirchen einstellen vnd mir vierzig Streiche weniger einen, von denen, so Ihro Churfürstliche Gnaden dazu verordnen werden, mit der Rutte geben lassen.«
Alle diese Maßregeln halfen natürlich[335] nichts, denn gerade verbotene Früchte schmecken bekanntlich am süßesten und die offene Liebe zum Trunk wurde zu einer heimlichen, »von der niemand nichts weiß«. Gegen das Laster des Trinkens war kein Kraut gewachsen, was schon das Ambraser Liederbuch anerkennt, indem es ein Rezept »wider die Trunkenheit« ganz im Stil der damaligen ärztlichen Verordnungen angibt. Das amüsante Schriftstück lautet:
»Recipe: 1 Mäßlein Entenmilch, 1 Maß Gänsschweiß, 1 Kannen voll Winds, 1 Loth von einer eingemachten Futtertaschen, die drei Jahr im Mist gelegen, Solches alles thu durch einander und temperirs zusammen und seihe es durch ein eichen Brett, das drei oder vier Ellen dick ist, und wenn du es wilt gebrauchen, so geh in eine alte Badstub, die in fehr Jahren nicht geheizt worden ist, und schwitz fein, darnach geh an die Sonn um Weihnachten, wenn sie gar heiß scheinet, und schmiere den Nabel auf dem Rucken, darnach leg dich ein Stund oder zwei nieder und schlaf so lang, bis ich dich aufwecke und laß dich fein warm zudecken mit einem alten Nasengarn, damit der Nabel nicht erkalt, und laß dir den Kopf mit Kräutern reiben, da die Bauern das Korn mit ausdreschen, einmal oder drei. Wo dir aber von abgeschriebenen Recepten das Kopfweh nicht vergehen sollte, so laß dir bei Zeiten den Hals zuknüpfen mit einem geweihten[336] Mönchsgürtel, oder wo du alsbald nicht haben möchtest, nur mit einem Pfennigstrick, daß dir der Schmerz nicht hinab komme in Magen und Bauch. Es kann aber nicht jedermann das Zuknüpfen erleiden, sterben viel davon.«
Über die Verdienste der Kleriker um die deutsche Agrikultur ist bereits oben im Kapitel über den Wein gesprochen worden. Die Klöster benötigten reichen Erntesegens, um den Bedürfnissen des »heiligen römischen Reiches Immenschwarmes« zu genügen. Die Herrschaften führten meist, gleichviel ob Mönch oder Nonne statt eines gottgeweihten, ein Dasein wie Gott in Frankreich. Sie waren aller kleinlichen Lebenssorgen ledig, nahmen eine angesehene Stellung ein, die selbst die Mächtigsten nicht ungestraft anzutasten wagen durften und brachten ihre Tage in Ruhe und Beschaulichkeit hin: »Etliche gehn barhaupt, vil barfüßig, aber all miteynander müßig«, sagt Fischart in seinem bissigen »Bienenkorb«, und Brant erklärt im Narrenschiff die geistlichen Herren, sich vom Müßiggang ernährend. Das Beste war für[338] einen Mönchsgaumen oder das verwöhnte Schnäbelchen einer zarten Himmelsbraut eben gerade gut genug. »Unsere Mönche«, klagt der Abt Peter von Clugny, der in der Kirchengeschichte den Beinamen des Ehrwürdigen führt, um 1130, »laufen von einem Ort zum andern, wie Habichte und Geier, wo sie den Rauch einer Küche sehen oder einen Braten riechen. Hülsenfrüchte, Eier, Käse und Fische sind ihnen zuwider, sie sind lüstern nach den Fleischtöpfen Ägyptens. Jetzt brechen die Tische von fetten Schweins- und Kalbsbraten, Hasen, auserlesenen Gänsen und Hühnern. Aber auch das ist manchem noch nicht genug; wir suchen ausländische Speisen, wir streifen in den Wäldern umher, wir suchen Fasanen und Turteltauben, wir mästen uns mit schwarzem und rotem Wildpret, damit ja der Knecht Gottes nicht Hunger leide.«[258] Was Wunder demnach, wenn Bernhard von Clairvaux (1091 bis 1153) mit Betrübnis erzählt, daß jeder, sobald er Mönch werde, über Bauchgrimmen klage.
Und wie im Essen, so war es auch im Trinken. Derselbe Bernhard von Clairvaux, ein asketischer Mönch, der auch Brennöl trank, wenn er kein Wasser zur Hand hatte, rügte die skandalösen Trinkgelage in den Klöstern und bemerkte, daß die Kleriker vor Beginn der Zechgelage ordentliche Weinproben abhielten, indem an den Klostertischen[339] halbvolle Becher mit Weinen herumgereicht wurden, aus denen man durch Kosten und Riechen die für die betreffende Mahlzeit passendsten Sorten heraussuchte.
Bei Gelagen tranken die Äbte ihren Mönchen öfters in sancta caritate zu, wie der St. Galler Mönch Ekkehard bezeugt. Im zehnten Jahrhundert nahm jeder Mönch St. Gallens täglich fünf Maß Bier zu sich, außer dem Wein und Obstwein, der beim Frühstück, Mittag- und Abendessen getrunken wurde. Der gute Magen der Kirche huldigte von jeher dem Sprichwort: »Selber essen macht fett«, darum Walther von der Vogelweides Klage nach seinem Besuch in der baierischen Abtei Tegernsee:
Man lebte fein in der Klausur, und Folianten ließen sich über die Völlerei der Mönche füllen. Das alte Sprichwort: »Wenn die Mönche reisen, regnet es«, erklärt sich schon im Mittelalter ein Bäuerlein damit: »Die Mönche haben stets von dem vielen Wein, den sie trinken, den ganzen Kopf voll Dünste, diese Dünste werden dann von der Sonnenhitze ausgezogen und steigen in die Luft, wo sie zu Wolken werden, aus denen dann der Regen niederträufelt.« Hemmerlin in Zürich klagte über die Weinfässer in den Klosterkellern, die größer wären als die Zellen, und über die besoffenen Mönche, die mit lallender[340] Zunge Buße predigten und mit vollem Wanst die Einhaltung der Fasten einschärften.[259]
Wie die frommen Herren das edle Naß zu schätzen wußten bezeugt, daß sie das beste Faß im Keller mit nutrimentum spiritus (Geistesnahrung) und den Weinkeller selbst bibliotheca subterranea (unterirdische Bibliothek) benannten.
Dabei waren die Kleriker keineswegs etwa besorgt, die Öffentlichkeit von ihren Symposien gänzlich fernzuhalten, im Gegenteil sie waren naiv genug, ihre Tafelfreuden mit Pinsel und Meisel verherrlichen zu lassen. In den Miniaturen ihrer Bibeln lassen sehr oft die künstlerischen Mönche ihren satirischen Gelüsten freien Lauf und zeichnen intime Szenen, die eigentlich eine Art Selbstverhöhnung darstellen. So zeigt eine Miniature einer moralischen Bibel des vierzehnten Jahrhunderts ein Gastmahl in einem Kloster, dem willige Dämchen beiwohnten.[260]
In den Kreuzgängen der Klöster enthalten häufig die Kapitäle recht bezeichnende Allegorien. So stellt im Kloster Maulbronn ein Kapitäl einen kleinen, nackten Mönch auf einer Weintraube reitend und Trauben naschend vor. In demselben Kloster befand sich, auf der dem Vorhofe zugewendeten Seite des Kirchengewölbes, ein Stilleben, auf dem eine Gans, umgeben von Küchengeräten, Würsten und Weinflaschen abgebildet war. Unter dem Bilde stand eine zu diesem[341] profanen Werke gar treffend komponierte Sage mit unterlegtem Text; nur schade, daß von dem nichts weniger als geistlichem Liede nur die Anfangsbuchstaben des ersten Verses: A. V. K. L. W. H. – Alle voll, Keine leer, Wein her! bekannt sind.[261]
Bei der fortgesetzten Gewöhnung an große Quantitäten Weines konnte es nicht ausbleiben, daß es die Mönche mit den trinkfestesten Rittern mit Leichtigkeit aufnahmen. In Bern tranken einmal drei Pfaffen in einem Jahre viertausendachthundert Maß Wein. Im Kloster Johannisberg konsumierten die Mönche solche Mengen des köstlichen Gewächses ihrer Gärten, daß sie 1453 durch eine Kommunion reformiert werden mußten.
Diese »Reformation« tat nicht nur Klöstern und Mönchen, sondern auch sehr vielen Kirchenfürsten not. Von der ältesten Zeit an, bis nahe zur Gegenwart, in der man vielleicht nicht genügsamer, wohl aber so vorsichtig geworden ist, seine kleinen Leidenschaften nicht an die große Glocke zu hängen.
Bischof Tietmar von Merseburg (976 bis 1019) erwähnt ganz treuherzig, daß der Erzbischof Tagino schlechter Zähne wegen sich mehr an das Trinken als an das Essen halten müsse. Überdies beklagt er aufrichtig den Fehler seines Mitbruders Thieddag von[342] Prag, der über die Maßen viel trank. Thietmar bedauert dies lebhaft, knüpft auch gleich als Entschuldigung für den Prager Erzbischof die Bemerkung an, daß die Trunksucht Thieddags die Folge einer unverschuldeten Krankheit sei, die ihm die Hände derart zittern mache, daß er ohne fremde Hilfe keine Messe lesen könne. Anscheinend verwechselt der Verteidiger Ursache mit Wirkung. Auch des Bischofs fast leidenschaftliche Gastfreundschaft wird gelobt, wobei man sich des Argwohnes nicht erwehren kann, daß der fromme Herr allzugerne Trinkgesellschaft um sich gesehen habe.[262] Von dem Bischof Salomo von Konstanz sagt die Chronik, daß an der kaiserlichen Tafel niemand war, der so geistreich zu plaudern wußte, und mit so viel Anstand soff wie er. An den größten gastlichen Höfen namentlich an den drei kurfürstlichen am Rheinstrom, ferner in Salzburg, Würzburg, Bamberg, in Münster, in Passau, besonders aber in Fulda wurde im höchsten Stile geschwelgt.[263]
Die auserlesensten Tropfen der herrlichen Lagen, deren Besitz sich die geistlichen Herren rühmten, rannen ihre Kehlen hinab. Die Herren verstanden den Wein zu würdigen und würdigten ihn auch nach Gebühr. Sich zu betrinken galt nicht als Schande, aber eine Ehre war es, riesig trinken zu können, ohne berauscht zu werden.
Ein Weihbischof, dessen Goethe in seiner Beschreibung des Rochusfestes zu Bingen gedenkt, konnte sich in einer Fastenpredigt rühmen, daß ihn »der grundgütige Gott der besonderen Gnade gewürdigt acht Maß trinken zu dürfen, ohne sich nachsagen lassen zu müssen, daß er darüber in ungerechtem Zorn auf irgend jemanden losgefahren, Hausgenossen oder Anverwandte mißkannt oder wohl gar die ihm obliegenden geistlichen Pflichten und Geschäfte verabsäumt.«
Die Herren Geistlichen tranken aber nicht nur selbst, sondern freuten sich stets, wenn sie Saufkumpanei fanden. Karl der Große erließ dagegen schon ein recht vielsagendes Gesetz. »Kein Priester noch Laie«, heißt es, »soll einen Bußtuenden zum Trinken einladen.«
Ebenso verbot er den Priestern den Besuch der Wirtshäuser, was später von der Kurie und den erzbischöflichen Stühlen selbst endlos oft wiederholt werden mußte, da die Mönche sich nicht scheuten, Kirchengeräte in den Schenken zu versetzen, liederlichen Tänzen beizuwohnen und mitzumachen, bei Zechgelagen die Sauglocke zu läuten und unflätige Mummereien anzuführen. Derartige Erlässe wiederholen sich fortwährend in der Vorzeit, und eben diese Wiederholungen zeigen deutlich an, wie wenig sie gefruchtet haben. So erließ z. B. der Bischof Philipp[344] von Speyer fast alljährlich eine dringliche Ermahnung an die Geistlichkeit seines Sprengels, in dem das Tragen unehrbarer, anstößiger Kleider und das Toll- und Volltrinken ernstlich untersagt waren.[264] Da bekanntlich böse Beispiele gute Sitten verderben, waren die Schäfchen nicht besser als ihre Hirten.
In Hessen ging die Sache so weit, daß die Bauern die Bierkrüge mit in die Kirche nahmen, aus denen sie sich während der Predigt zutranken und mit deren Deckeln sie dem Pfarrer klappernd ins Wort fielen.[265]
Und nicht nur der Wein allein schmeckte der Geistlichkeit, beileibe. Sie verachteten auch keineswegs die edle Gabe des Gambrinus, die sie vertilgten, wo sie sie nur erlangen konnte.
Artikel 22 der alemannischen Gesetze verpflichtete jeden, der einem Gotteshaus angehörte, an dieses fünfzehn siclus (Seidel) Bier zu liefern.
Gleichzeitig begannen die Klöster selbst zu brauen, zum Teil mit solchem Erfolg, daß noch viele unserer Zeitgenossen mit der Zunge schnalzen, wenn man ihnen die mit feuchtfröhlichem Nimbus umgebenen Namen wie Augustinerbräu, Salvatorbräu, das ursprünglich von Paulaner Mönchen, vom Jahre 1561 ab, gebraut wurde, und viele andere Biere mit geistlichem Anstrich nennt.
Doch nicht die Mönchsklöster allein, auch die Nonnen brauten Bier, so in Nürnberg die Clarissinnen, von denen ein Sprüchlein besagt:
Anfänglich mögen sich die Klöster ihren Bedarf gebraut haben, denn das Konzil von Aachen bestimmt 817 auf das genaueste das Maß von Bier und Wein, das in den Klöstern verabreicht werden durfte.
Besonders reiche Klöster und Abteien, selbst größere Pfarreien, wie in Tetschen in Böhmen, besaßen eigene Hopfengärten, jedenfalls aber sehr oft bedeutende Brauereien mit Malzdarren für hunderte Malter Hafer. So das Kloster von St. Gallen, und Bischof Salomo von Konstanz, der sich um 915 dieses Besitzes dem Kaiserlichen Kammerboten gegenüber berühmte.
Schenkten die Klostergeistlichen ihre Bräue aus, so taten es Weltgeistliche ihren tonsurierten Brüdern mit Vorliebe gleich. Es entstanden geistliche Bierhöfe, so beispielsweise in Siebleben bei Gotha.
Die Geistlichkeit wurde oft geradezu zu Schankwirten.
»Abgesehen vom privaten Bierhandel der einzelnen Geistlichen existierten fast überall, wo sich Domstifte befanden, auch geistliche[346] Bierstuben, sogenannte Domkeller, in denen regelmäßig fremde, sonst in der Stadt verbotene Biere zu haben waren, weil die Inhaber dieser Keller sich um Magistratsverordnungen durchaus nicht kümmerten, und von diesen höchstens nur insoweit Notiz nahmen, als äußerer Zwang dahinterstand, was, wie bei der Macht und dem ungeheuren Einflusse der Geistlichkeit leicht erklärlich, freilich nur selten der Fall war. Die Unsitte des Bierschankes seitens der Geistlichkeit war nicht etwa von kurzer Dauer, nein, sie erhielt sich jahrhundertelang aufrecht, und auch die Reformation machte ihr keineswegs ein Ende. Es fehlte übrigens auch nicht an protestantischen Geistlichen, welche in die Fußtapfen ihrer katholischen Kollegen traten, so daß noch am 17. November 1725 der Landgraf Ludwig des damals doch fast ausschließlich protestantischen Hessen-Darmstadt eine Verordnung erließ, worin er den von der Geistlichkeit ausgeübten Wein- und Bierschank für einen Eingriff in die bürgerliche Gewerbstätigkeit erklärte und bei hoher Strafe untersagte.[266]
Sie waren übrigens auch wohltätig, diese Braumönche, denn sie verschenkten an Bettler statt des Geldes als Almosen ein Glas Dünnbier. So
Das war freilich nur Dünn- oder Tropfbier.
Das gute »echte« tranken sie selber oder verschenkten es nur für schweres Geld, wie die Patres Benedictini ihren Likör, der sie um Millionen bereicherte. Die »tote Hand« hat es von jeher bis zum heutigen Tage verstanden, den Kern zu behalten und die Schale freigebig zu verabreichen:
Mischke, Der fahrenden Schüler Liederbuch (Berlin 1893).
In der guten alten Zeit des Germanentums bis in die Ritterzeit hinein, bevor diese jene Auswüchse ansetzte, die ihren Verfall zur Folge hatten, nahmen die Frauen an den Gastmählern nur teil, solange gegessen wurde. Wenn die Tische abgeräumt und die schweren Kannen aufgesetzt wurden, überließen sie den Männern das Feld.[267] Zu diesem Zwecke saßen auch die Damen abgesondert von den Herren am Tische, so heischte es die Gewohnheit[268], der Anstand.
Später änderte sich das ganz gewaltig. Böse Beispiele verderben gute Sitten, und darum steckte die Trinklust der Männer auch das schwächere Geschlecht an. Und wenn auch dem Trunke ergebene Frauen nicht so häufig waren wie Zecher, so kennt[349] doch die Kulturgeschichte eine ziemliche Zahl trinkfester Frauen, die es mit den Herren der Schöpfung getrost aufnehmen konnten.
Schon der Minnesänger Oswald von Wolkenstein singt von einer Dirne zu Brixen in Tirol, die »Vil parell ausgesuggelt«.
Der Pokal Theudelindens, den Keyßler zu Monza sah, war zwei Fäuste dick und bestand aus einem einzigen Stück Saphir.
In den Trinkstuben und Ratskellern waren die Frauen gern gesehene Gäste, die sich ihr Glas schmecken ließen. Der Markgraf von Meißen nahm bei einem Besuch in Lübeck 1478 an dieser Sitte derartigen Anstoß, daß er Einen Ehrbaren Rat der Hansestadt zu einem Verbot dieses Gebrauches bereden wollte. Allerdings trieben es die vornehmen Bürgerinnen Lübecks auch etwas zu bunt, wie in meinem »Geschlechtsleben« nachzulesen ist.[269]
In dem 1551 in Leipzig erschienenen »Sendbrief an die vollen Brüder im deutschen Lande« heißt es: »Es üben solche Laster jetzund nicht allein die Mannspersonen, sondern auch die Weiber, nicht allein die Alten, sondern auch die jungen Kinder; die können allbereits einander ein Halbes zutrinken. Die Eltern lehrens auch wohl ihre Kinder. »Nu laß sehen«, spricht der Vater zum Söhnlein, »was du kannst, bringe ihm ein Halbes oder Ganzes!« Und[350] über dies alles hat man solches Lasters der Trunkenheit kein Hehl, sondern kitzelt sich damit, als hätte man gar wohl gehandelt« usw. Thomas Murner behandelt die Trinkgelüste der Weiber in einem vielstrophigen Kapitel »Auf der Flasche Riemen treten« seiner Narrenbeschwörung.
Gegen Trunkenboldinnen erließ der Rat von Heilbronn den Erlaß: »Den Weibern, so dem Trunk ergeben, sollen vom Stadtknecht Zettel an den Kopf geheftet werden, mit den Worten: Versoffene Krugsurschel[270].« Ein Ratsprotokoll von Hall vom Jahre 1640 besagt: »Erhardt Geyers filia, die sich mit dem Trunk überladen und in der Kirchen evomieret, ward ins Hetzenest condemniret zur Abscheu, und dazu um 3 fl. gestraft.«[271]
Eine höchst seltsame Einrichtung in Württemberg waren die sogen. Weiberzechen, eigene Stiftungen, aus deren Erträgnissen die Frauen alljährlich einmal ein ordentliches Gelage halten durften, gleich wie fromme Seelen oder Nonnen Vermächtnisse für Bier hinterließen.[272] So bestand bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts in Ochsenbach eine solche Weiberzeche, die alljährlich am Sonntag Invocavit stattfand. Man nannte sie, – nach dem altrömischen bona dea – bekanntlich das Bacchusfest, an dem die Männer nicht teilnehmen durften – Bonnen Deen. An[351] diesem Tage war ein Räuschchen gerne verziehen, wie Vulpius angibt, der das Treiben bei der Weiberzeche näher beschreibt.
In die Bergstädte, wo Arbeiter mit ihren Familien aus allen Weltrichtungen hinströmten, war mit anderen lockeren Sitten auch die Trunksucht verschleppt.
Die »Kirchen-, Schul- und Spitalordnung der Bergstadt Joachimsthal in Böhmen«, von dem Luther-Biographen Mathesius (geb. 1508) 1551 zu Papier gebracht, besagt: »Die Weiber halten auf ihre Bierörter, die Jungfrauen lernen das Zechen. Knecht und Magd säuft mit, man wäscht die Beine in Wein, bis es heißt Fuimus Troes.«[273] Über das Trinken der Bauernmädchen klagt auch ein Artikel im 142. Band der Krünitzschen Encyklopädie, der sich auf die Sitten des endenden achtzehnten Jahrhunderts auf dem Lande bezieht, und von den Kölnerinnen behauptet ein altes Sprichwort: »Watt der Mann verdeent, versüfft das Wif«. Immerhin scheint die Lust an einem »guten deutschen Schluck und Trunk« bei den deutschen Damen der höheren Stände ungleich verbreiteter gewesen zu sein, als unter den Bürgerinnen und Bäuerinnen. So wollte denn auch Heinrich IV. von Frankreich keine deutsche Fürstentochter zur Frau, »weil er dann immer glauben würde, eine Weinkanne um sich zu haben«. Das Abstoßende einer trunkenen Frau empfand[352] man übrigens auch im Mittelalter. Kaiser Friedrich III., nach ehemaligen Begriffen ein Temperenzler von reinstem Wasser, da er nur zum Abendessen und nur mit Wasser vermischten Wein trank, haßte die Trinkerinnen derart, daß er erwidert haben soll, als die Ärzte seiner unfruchtbaren Gattin Wein verordneten, er wünsche lieber eine unfruchtbare als eine weintrinkende Gemahlin zu haben.[274]
läßt sich ein anonymer Dichter aus dem Jahre 1562 vernehmen.[275]
Es mußte schon stark hergehen, ehe man eine Frau von damals des »Trinkens« bezichtigen konnte, denn die holde Weiblichkeit verstand sich keineswegs auf das Nippen. Eine ätherisch-sezessionistische Jungfrau von heute würde sich entsetzen vor dem Paßglas, das die holde, so viel gefeierte Philippine Welser zu leeren gewohnt war – zum Entzücken ihrer Anbeter, denn der Hals der Dame war so fein, zart und weiß, daß man ihr das rote Getränk innen die Kehle hinabgleiten sah.[276]
Die schöne Augsburgerin eröffnete auch in dem Trinkbuch von Schloß Ambras in[353] Tirol, in das sich diejenigen mit Namen und Sprüchlein einzuzeichnen pflegten, die den Inhalt des drei Maß haltenden Willkommenhumpens um ein Erkleckliches verringert, im Jahre 1567 den Reigen der Frauen.
In der bereits erwähnten »fürtrefflichen« Hofordnung Ernsts des Frommen vom Jahre 1648 heißt es in § 7: »vor unsere junge Herrschafft und Fräulein, soll er jede Mahlzeit geben, insgesamt zwei Maaß Wein und fünffthalb Maaß Bier.« Da unter den »Fräuleins« junge Mädchen im zartesten Alter zu verstehen sind, so nötigt die Getränksmenge dieser Dämchen selbst einem gewiegten Trinker alle Achtung ab. Sieben Maß pro Tag – das bringt heute höchstens eine Münchnerin fertig.
Einige Jahrhunderte früher, anno 1062, erhielt eine Hofdame der Kaiserin täglich, wenn sie mit ihrer Gebieterin auf Reisen war, ein Maß Met, 1½ Maß Wein, 5 Maß Bier, 1 Semmel, 1 Eierbrot und eine Metze Futter für ihren Zelter, jährlich 2 Röcklein und 2 Schleier.
Auf einer Hochzeit in Goldberg in Schlesien war Hans von Schweinichen Tischherr einer jungen Dame. »Sonderlich erhub mich dieses, daß des Herrn Bocks Tochter, Jungfrau Käthlein, etliche Worte lateinisch konnte reden, und wann sie mir eines Lateinisch zutrank, daß ich ihr antworten[354] konnte«[277], also eine kommentmäßige Jungfrau, auf die aber hoffentlich das alte Sprichwort nicht paßte:
Aber alle diese holden Weiblichkeiten waren Waisenkinder gegen folgende Antiabstinenzlerinnen der Vorzeit. So überliefert Herolds Chronik von Schwäbisch-Hall ein Bravourstück dreier weiblicher Kneipgenies unter dem Titel: »Drei wohlbesoffene Weiber«. Die Stelle lautet: »Anno 1532 sind drei adelige Geschwistrig, die Friederichen genannt, von Elfershofen bürtig, nach Johannistag im Sommer gen Untermünckheim von Hall in des Mühl-Michel's Hauß kommen, allda des besten Weines 32 Maß ohne die Kost ausgetrunken, die Zech bezahlt und sein ruhig vor Nachts wieder mit einander gen Hall gegangen.« Es gibt sicherlich manchen Bruder Studio von heute, der es mit diesen drei Edelfräulein von Elfershofen nicht aufnehmen kann.[279] Die Herren Studiosi werden auch vor der Gräfin Anna von Stollberg, Äbtissin von Quedlinburg, beschämt die Waffen strecken, denn diese Dame bedurfte zur »Erquickung und Labung« alljährlich nur drei Fuder Wein. Die Nonnen von St. Himmelpforten in Wien nahmen sich, wie ich schon früher erwähnte, ein Beispiel[355] an dieser Glaubensgenossin aus der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts.
Alle diese stellte noch Prinzessin Anna von Sachsen, Tochter des Kurfürsten Moritz, die Enkelin des Landgrafen Philipp von Hessen in den Schatten.
Der große Oranier, Wilhelm der Schweigsame (1533 bis 1584), warb als Witwer von fünfundzwanzig Jahren um die Prinzessin, und im August 1561 fand in Leipzig die Hochzeit statt. Die Festlichkeiten waren so glänzend, die Zahl der Gäste so groß, daß die für die damalige Zeit außergewöhnlich hohe Mitgift von siebzigtausend Talern kaum ausreichte, die Kosten zu bestreiten. Die Tante der Prinzessin, die Frau des Kurfürsten August, bat den Prinzen von Oranien recht herzlich, er, der damals noch Katholik war, möchte doch ihre Nichte nicht »vom Wege der wahren Religion«, d. h. vom Protestantismus, verführen, worauf der Prinz erwiderte: »Sie soll sich mit solch melancholischem Zeug gar nicht zu schaffen machen. Statt der Bibel soll sie den Amadis und ähnliche kurzweilige Bücher lesen, die de amore handeln, und statt zu nähen und zu stricken, soll sie eine Galliarde tanzen lernen, und andere Courtoisien, wie sie schicklich und landesbräuchlich.« Allein die junge Frau lernte mit schicklichen und sehr unschicklichen »Courtoisien« auch das – Saufen! »Es ließ ihr auch die Frau Prinzessin offtmals[356] eyer gahr hardt im salltz sieden, darauf tringkt sie dan edtwan zuvil und werde ungeduldig, fluche alle böße Flueche und werfe die speiße und schussel mit allem von tisch. Und die Frau Prinzessin, wie sie es genannt, den tollen man, nemlich ein guedte Flasche zu abendts und abermals ein guedte Flasche zu abendtszeit mehr dan ein maß haltend bekumen, welches ihr sambt einem Pfund Zuckers bei sich zu nemen nicht zu vil sey.« Der Prinz schied sich von der Säuferin, deren Delirien zuletzt unerträglich wurden, und das unglückliche Weib, völlig wahnsinnig geworden, verstarb, in Dresden von ihrem Oheim in Gewahrsam gehalten, im Jahre 1577.
Dieses bedauernswerte Geschöpf bildete natürlich eine Ausnahme, immerhin aber war die holde Weiblichkeit der Vorzeit ebenso wie im Essen, so auch im Trinken unserem zarter gewordenen Geschlechte bedeutend über. Wenn am Hof Ernsts des Frommen z. B. die Fürstin und die Prinzessin das bereits angegebene Quantum Flüssigkeit mühelos vertilgten, so standen ihnen die Hofdamen und das Gesinde keineswegs nach. »Die Mägdgen« erhielten für den Tag jede eine Maß Bier und dreieinhalb Maß Landwein; »vors gräfliche und adelige Frauenzimmer« am Tage vier Maß und abends »zum Abschenken« drei Maß Bier.
Als vollgewichtiger Entschuldigungsgrund[357] für diesen Riesendurst darf die mittelalterliche Küche gelten, die scharfe Gewürze im Übermaß anwandte.
Wir selbst geben diesen Entschuldigungsgrund an, einerseits weil dies unsere Gerechtigkeitsliebe verlangt, andererseits um zu beweisen, daß man beim Trinken stets eine Entschuldigung zur Hand hat – einst und jetzt!
Nichts liegt mir ferner, als eine Geschichte des deutschen Studententums zu schreiben, obgleich dies besonders in dem vorliegenden Kapitel sehr nötig wäre. Denn Geschichte und Kulturgeschichte sind so innig miteinander verwachsen, daß es einer äußerst vorsichtigen Operation durch eine darin geübte Hand bedarf, ein kulturgeschichtliches Moment auszulösen, ohne nicht gleichzeitig Fetzen von Geschichte mit wegzuoperieren, die das Stückchen Kulturgeschichte bis zur Unsichtbarkeit überwuchern.
Besonders bei der Geschichte des Studentendurstes liegt die Gefahr nahe, die deutsche Universitätshistorie aufzeichnen zu müssen, denn seitdem es Studenten in Deutschland gibt, hatten sie Durst, und nicht zu knapp!, sagt der Berliner.
Wie es die Studiosi auf der ältesten deutschen Universität trieben, der in dem hunderttürmigen,[359] goldenen Prag (gegründet 1348), das sich seitdem recht erfolgreich bemühte, aus einer deutschen Kulturstätte zu einer chauvinistischen tschechischen Provinzstadt zu werden, darüber schweigen sich die Quellen gründlich aus, doch wird es dort nicht anders wie in der, nur siebzehn Jahre später ins Leben gerufenen Alma mater Vindobonensis, der Wiener Universität, zugegangen sein. In langen braunen oder schwarzen Mänteln mit Ärmeln, in der Mitte durch einen Gurt zusammengehalten, an dem das unförmige Tintenfaß baumelt, das Haupt mit einer Gugel bedeckt, so schreiten die Scholaren nach den Bursen, dem Ursprungswort für Bursche und Bürstenbinder, im Sinne des – »Saufens wie ein Bürstenbinder«, ihren Wohnungen, in denen sie gleich Gefangenen gehalten werden, denn selbst das Fensteröffnen, das Scheeren der Bart- und Kopfhaare bedurfte der Erlaubnis. Früh um vier weckte sie ein Glöcklein von St. Stefan zu schwerem Tagewerk, das mit einer Messe begann. Streng verpönt waren Spielen, Besuchen von Wirtshäusern, Maskeraden zu veranstalten und mitzumachen, zu tanzen und Straßenmusik, d. h. Ständchen zu bringen. Allzu scharf macht schartig, darum schon früh das Bestreben, die strenge Zucht zu durchbrechen, den mit Gewalt aufgeprägten klerikalen Charakter abzustreifen und zu toben, wie es die Jugend gebieterisch[360] fordert. Mit inniger Freude wurde ab und zu im Geheimen über die Stränge geschlagen, bis diese Ausnahmen zur Gewohnheit wurden, weshalb der anfänglichen Strenge ein großer Teil Schuld an dem später allgemeinen Libertinismus des deutschen Studententums beizumessen ist. Zu den Unsitten trugen übrigens auch das wilde Leben bei, das viele arme Studenten, die es später zu großen Namen, Amt und Würden brachten, als fahrende Schüler zu führen gezwungen waren, ehe sie sich an irgend einer Universität ein halbwegs sicheres, vor dem ärgsten Hunger schützendes Plätzchen zu sichern wußten. Die Selbstbiographie eines solchen Bettelstudenten, des Schweizers Thomas Platter, geboren am 17. Februar 1499, bietet ein instruktives Bild von den Fährnissen an Leib und Seele, die ein solches Bürschlein durchzumachen hatte, bevor es sein Ziel, ein Lehramt mit bescheidenen Bezügen, erreicht hatte.[280] Vagabundierend, stehlend und bettelnd zogen diese, zeitweilig zur Landplage werdenden »fahrenden Scolasten« durch Dorf und Stadt, glücklich, wenn sie mitleidige Seelen fanden, die sich ihrer annahmen, und ihnen karge Nahrung und ein schützendes Dach gewährten. Die kleinen Jungen, die Schützen, wurden kommandiert von älteren Schülern, die sich von den kleinen Jungen ernähren ließen. Diese »Schützen« waren die Sklaven der Bachanten,[361] von denen sie alles Schlechte lernten. Bot sich die Gelegenheit, dann sorgten diese sonst Hunger und Durst leidenden Schützen auch für sich selbst, wie es Platter in München tat, als er seinem despotischen Bachanten entlaufen war. »Zuweilen gingen wir im Sommer nach dem Nachtmahl in die Bierhäuser Bier heischen; da gaben uns die trunkenen Polakenbauern so viel Bier, wovon ich oft unvermerkt so trunken wurde, daß ich nicht wieder zur Schule kommen konnte, obschon ich nur einen Steinwurf weit davon war. Auch fand sich Nahrung genug da, aber man studierte nicht viel.«[281] Platter starb hochbetagt als Konrektor des Burggymnasiums zu Basel.
Weit besser daran als diese Kinder von kleinen Handwerkern und Bauern, hatten es die Söhne von Bürgern, Gelehrten und Adeligen, die sich nicht durch diese »Schmieren« des mittelalterlichen Studententums den Aufenthalt an den Universitätsstädten erkämpften mußten.
Die akademische Jugend hat allezeit das Privilegium besessen und wohl benutzt, neben dem Ernst der Studien die Freuden des Lebens zu pflegen. Zwar waren die Gesetze streng darauf bedacht, den Vergnügungen enge Grenzen zu ziehen, aber gerade wegen dieser Beschränkung teilten sie mit anderen Gesetzen das Schicksal, rasch übertreten zu werden. So war z. B. in Tübingen den Studenten,[362] die in Bursen unter Aufsicht zusammen wohnen sollten, geboten, Predigten und Kollegien fleißig zu besuchen, Privatlehrer zu halten, dagegen verboten, Verbal- und Realinjurien zu brauchen, während der Nacht auf der Straße zu lärmen, übermäßig zu trinken, ungewöhnliche oder unziemliche Kleider zu tragen. Aber gegen alles wurde gesündigt. Der Fleiß war so gering, daß die Behörden nicht selten die Eltern auffordern mußten, die jungen Leute von der Universität wegzunehmen. Geiler von Kaysersberg rügt schon: »Die Studenten üben sich nach dem Mittagsbrot in solchen ehrlichen Künsten, in dem Ballschlagen, Fechten, Tanzen und Springen, und wird etwann unter hundert nicht einer gefunden, der in die Lektion ginge.« Getrunken wurde in ungeheueren Quantitäten, so daß einmal konstatiert wurde, daß vier Studenten dreißig Maß Wein vertilgt hätten …[282]
Das Anulken der Philister war von jeher ein Lieblingssport der Studenten. Oft arteten die Prellereien der Bürgerschaft derart aus, daß die Behörden vermittelnd einschreiten mußten, und die armen Philister, ob der ausgestandenen Angst, mit zwei Eimern Wein »zur Ergötzlichkeit« begütigt werden mußten.[283]
Wie der berühmte Staatsrechtslehrer, Robert von Mohl, der Historiker der Tübinger[363] Studenten des sechzehnten Jahrhunderts,[284] erzählt, gaben sich die Musensöhne sinnlos dem Trunke und gesellschaftlichen Ausschweifungen hin, gefielen sich in auffallender und schamloser Kleidung, rauften wo sie konnten mit Bürgern, Handwerkern und untereinander, trieben es so weit, daß die Nürnberger keinen der Ihren mehr zum Studium nach Tübingen zu senden beschlossen. Der Universitätsbesuch war gänzlich Nebensache. Der eigentliche Zweck des Aufenthalts war, Bürgermädchen zu verführen, »auf die bürgerlichen Bestien auf Jagd auszuziehen und sie zu hetzen und zu plagen«, wie eine adelige societas venatoria in Helmstädt als einen Zweck ihrer Verbindung erklärte, das öffentliche Kollegium nie zu besuchen, sondern gelegentlich an der Türe eines solchen zu lauschen, um »etliche Sprüchlein auffassen und darnach unter seinen Rott-Burschen und Zechbrüdern erzählen, der Professoren Stimme, Reden und Gebärden nachäffen und zum Gelächter befördern möchte«, wie Schöttgen in seiner Historie des ehedem auf Universitäten gebräuchlich gewesenen Pennalwesens verrät. Das Saufen war an der Tages- und Nachtordnung. »Wenn er – der Student – sich zu Tische gesetzet, frisset der Unmensch wenig (denn der gestrige und rasende Rausch will es nirgends gestatten, und, weil alle Sinne bestürzet, die Natur nicht leiden).«[364] »Derhalben, wenn er nun sein Kloak mit Wein und Bier sehr wohl befeuchtet«, dann tost er los, flucht, zankt, wütet, zerstört Pfosten, Türen und Fenster, verübt allerlei »Nachts-Scharmützeln«, fängt die leichtfertigsten Händeln an, überfällt Leute, um sie mit vorher verborgen getragenen Ruten zu arretieren, fuchtelt mit seinem Degen herum, kurz:
So verbrachte der weitaus größte Teil der Studenten mit »Bankettieren, Prangen und Prassen« ein geradezu abstoßend rohes Leben, das ihre Zukunft vergiftete und sie für jeden geregelten Beruf unfähig machte. Ein Übermut, der an Wahnsinn grenzte, war die Signatur nicht allein der Tübinger Studenten, bei denen nur derjenige etwas galt, der es den anderen in Verhöhnung der Universitäts-, Stadt- und Staatsgesetze zuvortat. Sie brachen in Nonnenklöster ein, spielten um ihre Finger, suchten den Henker auf, wie es Professor Hambergers Sohn machte, der volle zehn Jahre den Tübinger Pedellen überreichlich Arbeit gab, um mit diesem infamen und infamierenden Paria zu viert zweiundzwanzig Maß Wein zu trinken, warfen den Bürgern die Fenster ein, verwüsteten Weinberge, balgten sich mit Nachtwächtern und[365] friedliebenden Einwohnern herum, stören Hochzeiten, belästigen schamlos Frauen und Mädchen, daß man endlich die Statuten revidieren mußte. Darum schwang sich 1575 die Universität gemeinsam mit dem Stadtrat zu dem Erlasse auf: Kein Bürger oder Universitätsverwandter soll bei strenger Strafe heimliche Trinkstuben für Studenten halten; Wirte sollen, bei Strafe, solche nicht einrichten; Zechschulden sind die Eltern nicht zu zahlen schuldig. Deshalb gingen auch viele Tübinger Studenten, um ungestört trinken zu können, unter dem Vorwand sich Kiele zu Federn und Papier zu holen, nach Rothenberg. In seiner 1590 erschienenen »Geschichtsklitterung« sagt Johannes Fischart darüber: »Sie gingen nach Montrouge, aber mit Rothenberg bei Tübingen, dahin die Studenten wöchlich um guten Wein walfarten, Papier zu holen, welches sie gleich so wohlfeil ankommt, als wenn die Nürnberger Bierbrauwer jährlichs Höfen (Hefe) in Thüringen holen.« Durften sie nicht in den Wirtshäusern zechen, so taten sie es auch auf ihren Buden und dort wo sie aßen. Diese »Kosttische« waren meist nicht anders, als jene verbotenen heimlichen Trinkstuben. Bei einer Witwe Megelin in Tübingen, die einen Tisch hielt, tranken einmal sechzehn Studenten fünfzig Maß Wein beim Mittagbrot und trichterten einem gewissen Königsbach, während sie ihn auf einem Schubkarren[366] nach Hause fuhren, unterwegs noch Getränk in den Rachen. Das übermäßige Trinken wurde denn auch nicht mit Unrecht als Hauptursache der Exzesse angesehen, besonders der strengverpönten und darum besonders beliebten Liebeleien mit verlorenen Geschöpfen; denn:
sagt eine alte Priamel.
Gleich Tübingen war Jena als Universität berühmt, und der Jenaer Student das Ideal des deutschen Burschen.[286] Die liberalen Institutionen dieser neuen »zur Erhaltung und Fortpflanzung der evangelisch-lutherischen Lehre und aller guten Zucht und feinen Künste« 1548 gestifteten Universität, die dem Rektor und Senat bei allen »nicht peinlichen Fällen«, die unter Todesstrafe standen, die Gerichtsbarkeit zusprach, lockte viele Hochschüler nach der freundlichen Saalestadt, denen es anderswo zu beschränkt zuging. Diese Freiheiten lockerten aber auch die Sitten in bedenklicher Weise. Reiche Adelige erklärten unumwunden, nicht des Studiums, sondern nur der Liederlichkeit wegen in Jena zu weilen. Vergebens untersagten die Statuten das Einbrechen in die Weinberge, die tumultarischen Aufläufe, die Völlerei und das kommentmäßige Trinken. Die dabei zu beobachtenden[367] Regeln sind in einem »Zech- und Saufrecht« aufgezeichnet, das ich auszugsweise nach Schluß dieses Kapitels wiedergebe, als vielleicht ganz willkommenes Gegenstück zu den nun üblichen Kommenten. Aus dem genannten Büchelchen geht hervor, daß besonders ausgepichte Kehlen Kerzen und Lichter mit dem Wein zusammen vertilgten, »denn es stehet geschrieben: trink' was fließend und feucht ist«. Saufbolde warfen ungewässerte Heringe in das Bier, andere Tollköpfe endlich zerbissen nach dem Schmollistrank die Gläser, wenn sie nicht renommierend Bier oder Wein aus »unflätigen Geschirren« tranken. Von den jenensischen Trinkgebräuchen verlautet: »Es wird uns berichtet, daß dort Deputationen zu Ehren des Bacchus gehalten wurden, wobei die Zuhörer kleinere Becher, der Opponent einen Humpen hatte, womit er in dreifachem Schluck das jus objectionis darstellte, der Respondent durch dreimaliges Trinken diesen nassen Syllogismus annahm, der Präses das übrige austrank.«[287] Aus Jena, besser gesagt aus Lichtenhain bei Jena, stammt auch die Würde des Fürsten von Thoren, die nur ein ganz trinkfester Bruder Studio einnehmen konnte. Nach einer Tradition soll es einst einer dieser Fürsten auf achtzehn Stübchen auf einem Sitz gebracht haben, ein ganz nettes Quantum, da ein Stübchen fast vier Liter enthielt. Je weiter[368] das Mittelalter der Rüste zuging, desto mehr verschlechterten sich, wie bei allen Ständen, so auch die Sitten der akademischen Jugend, bis sie während und nach dem großen Religionskrieg die höchste Stufe der Verwilderung erreichten. Der »alamode« Student war ein Konglomerat der edelmännischen, soldatischen und bürgerlichen Sittenlosigkeit. Hans Michael Moscherosch, nach Grimmelshausen der bedeutendste Sittenschilderer aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges, läßt sich im sechsten Gesicht »Höllenkinder« seines Hauptwerkes[288] über »Rüpel und Studenten« also aus: »Sie sind von ihren Eltern geschickt, um den Professoren mit Gehorsam und Demut entgegenzugehen und ihrer Lehre mit Fleiß und Ernst zu horchen; aber sie bringen die meiste Zeit im Luder hin und jagen das sauer erworbene Gut ohn Erbarmen durch …«
Im Verlauf seiner Geschichte zeichnet Philander von Sittewald eine Studenten-Kneiperei wie folgt:
»Als ich auf Ermahnung des Geistes – Philanders Führer – näher hinzutrat, sah ich, daß die Vornehmsten an einer Tafel saßen und einander zusoffen, daß sie die Augen verkehrten, wie gestochene Kälber oder geschlachtete Ziegen. Aber bei der Schenke bemerkte ich einen in grausamer Gestalt, der ihnen heimlich Schwefel und brennendes Pech unter den Wein mengte, wovon sie erhitzt[369] wurden, als ob sie voll höllischen Feuers wären. Einer brachte dem andern eins zu aus einer Schüssel, aus einem Schuh: der eine fraß Gläser, der andere Dreck, der dritte trank aus einem verdeckten Geschirr, darin allerhand Speisen waren, daß einem davor gruselte. Einer reichte dem andern die Hand, fragten sich unter einander nach ihren Namen und versprachen sich ewige Freunde und Brüder zu sein mit Hinzufügung dieses üblichen Burschenspruches: ›ich tue, was dir lieb ist, ich meide, was dir zuwider ist‹, dann band einer dem andern eine Schleife von seinen Schlotterhosen an des anderen zerfetztes Wams … Die aber einander nicht Bescheid tun wollten, stellten sich teils wie Unsinnige, teils wie Teufel, sprangen vor Zorn in die Höhe, rauften vor Begierde, solchen Schimpf zu rächen, sich selbst die Haare aus, stießen einander die Gläser ins Gesicht, mit dem Degen heraus und auf die Haut, bis hier und da einer niederfiel und liegen blieb. Und diesen Streit sah ich auch unter den besten und Blutsfreunden selbst mit teuflischem Wüten und Toben entbrennen. Ich hörte einen hinter mir, der sprach: Das sind die Blüten der Sauferei, das sind die Früchte des Pennalismus![289] worüber ich seufzend bei mir sprach: Mein Gott! ist es möglich, daß der Teufel etwas ärgeres unter den Menschen hätte aufbringen können als dieses, daß auch die besten[370] Freunde wegen eines Glases Wein, wenn sie einander nicht Bescheid tun wollen, nicht mögen oder können, sich so entzweien, zanken, neiden, plagen und placken! und was das ärgste ist, daß sie sich die bäurischen gröbsten Gedanken machen, als ob Ehre und Reputation deswegen in Gefahr stände!
Andere waren da, die mußten aufwarten, einschenken, Stirnknuffen und Haarrupfen aushalten, neben vielen anderen Narreteien. So saßen die anderen Esel auf diesen wie auf Pferden und soffen eine Schüssel Wein auf ihnen aus; andere sangen Bacchuslieder dazu oder lasen Bacchusmesse: »O edler Wein, o süße Gabe«. Die Aufwärter wurden von den andern genannt: Bacchanten, Pennäle, Haushähne, Spulwürmer, Mutterkälber, Säuglinge, Quasimodogeniti, Offskys, junge Herren; und sie sangen über diese ein Lied, dessen Anfang war:
Das Ende lautete:
Endlich nach Beendigung dieses Geplärrs schoren sie ihnen das Haar ab, wie den[371] Nonnen, wenn sie das Gelübde ablegen. Daher heißen diese Schoristen[290], Agierer, Pennalisierer; unter sich selbst aber titulieren sie sich: frische Kerls, fröhliche Burschen, freie, redliche, tapfere und herzhafte Studenten.
Andere sah ich blinzelnd herum schwärmen, als ob sie im Finsteren wären, jeder mit einem bloßen Degen in der Faust; damit schlugen sie in die Steine, daß es funkelte, schrieen in die Luft wie Pferde, wie Esel, wie Ochsen, wie Katzen, wie Hunde, wie Narren, so daß es den Ohren wehe tat; stürmten mit Steinen und Knütteln an die Fenster und riefen: heraus Pennal! heraus Feix![291] heraus Pech! heraus Raup'! heraus Schurk'! heraus Ölberger[292] und dann ging es bald an ein Reißen und Schmeißen, an ein Rennen und Raufen, an ein Hauen und Stechen, daß mir darob die Haare zu Berge standen …« »Andere wieder soffen einander zu auf Stühlen und Bänken, auf dem Tisch oder auf dem Boden, auf den Knieen, den Kopf unter sich, über sich, hinter sich, vor sich. Andere lagen auf dem Boden und ließen sich den Wein einschütten durch einen Trichter. Andere lagen und schnarchten; andere nickten und tranken sich zu; andere stimmten mit schwerer Zunge dem Gesange der Genossen bei; andere lagen lang auf dem Tische, das Kinn in die hohle Hand gestützt. Nun gings über Tür und Ofen, über Trinkgeschirr und[372] Becher und mit ihnen zum Fenster hinaus mit solcher Unsinnigkeit, daß mir grauste.
Andere lagen da, spieen und kotzten wie die Gerberhunde; und wenn sie sich genugsam in dem Unflat besudelt hatten, dann kamen ein paar häßliche Geister und trugen sie zu Bett …« In Dürers Studentenroman »Geschichte Tychanders«, erschienen 1668, erzählt der Held von seiner Pennalzeit: »Ich verbrachte solch Probejahr nach gewöhnlicher Pennalweise, ohne Gott, ohne Gewissen, ohne Gebet in lauter wüstem heidnischen Fastnachtleben. Zwar was sag ich heidnisch? Wo ist bei Heiden ein solch verteufelt Leben jemals geführt worden? Fressen, saufen, passaten gehn, sich mit Steinen balgen, Fenster einwerfen, Häuser stürmen, ehrliche Leute durchhecheln, neue Ankömmlinge vexieren, beschmausen – (ihnen das von Hause mitgebrachte Geld abnehmen) und recht räuberischer Weise ihrer armen Eltern Schweiß und Blut helfen durch die Gurgel jagen, war meine tägliche Arbeit; um das Studieren bekümmerte ich mich nicht, ich hatte genug andere Possen zu tun«.[293] Sapienti sat!
Ein Saufgelage, einen »Jen'schen Abschiedsschmaus« im 18. Jahrhundert schildert, allerdings in Übertreibung, J. F. W. Zachariä (1726–1777) in seinem berühmten komischen Studenten-Heldengedicht »Der Renommist« im ersten Gesang:
Außer den gewöhnlichen Kneipereien, gab es an den Universitäten auch eine ganze Zahl von Gelegenheitsschmäusen, bei denen sich die Trinklust der Musensöhne Genüge leisten konnte. Da waren in erster Linie die Depositionen, deren sich jeder neu zugezogene Student, der Beanus d. h. hec jaune = Grünschnabel, unterziehen mußte, um ein Pennal zu werden.
Eine ausführliche Beschreibung der diesen Orgien eigentümlichen »groben Bacchantereien« und den dabei geübten Unflätereien und Rohheiten steht in Scheibles Schaltjahr[294], kurz gibt sie Cornelius Relegatus, der Herausgeber des 1608 in Straßburg erschienenen Speculum Cornelianum[295] wie folgt:
Alles was der angehende Student bei sich trug, selbst seine guten Kleider, wurde ihm abgenommen und in Getränke umgesetzt, die durch die Kehlen der Deponenten gejagt wurden.[296]
Da waren außerdem noch die Prüfungsschmäuse, denen wir schon im fünfzehnten Jahrhundert begegnen, und die sich als offizielle Festmähler bis zur Gegenwart erhalten haben. Sie waren allen Universitäten gemeinsam, und überall führte der Universitäts-Dekan den Vorsitz bei Tisch.
1496 werden in Leipzig der Dekan und die mit geladenen Examinatoren verpflichtet, streng darauf zu achten, daß den Geprüften nicht zu große Kosten aus dem Schmaus erwachsen. 6 Gerichte, an jedem Tisch ein Schoppen (una scopa) von besserem Wein, sonst Wein und andres Getränk nach Bedürfnis. (Leipziger Statuten 25–27).
Im Statut vom 20./II. 1412 war untersagt worden, daß der Kandidat wälschen Wein, Reinfal, Romagna Wein (romaniam) Malvasier oder sonstige kostbare Sorten verabreiche, höchstens zu Beginn des Mahles oder beim Dessert oder nach dem Dankgebet. (Leipziger Statuten 314. 10).
Beim zweiten Mahle – jeder Kandidat gab drei Essen – durften feine Weine nur gegeben werden, wenn sie vom ersten Mahl übrig waren, beim dritten gar nicht mehr, denn dann war natürlich nichts übrig.
Auf der Universität von Frankfurt an der Oder durften Bier und Wein zum Doktorat und Lizentiat frei, ohne Steuer, eingeführt werden.[297]
Das Menu eines solchen, von Dr. Christoph Scheurl in Nürnberg am 25. November 1525 gegebenen Diners, das Melanchthon durch seine Anwesenheit verherrlichte, bestand aus:
1) Ein sewkopff samt einem lentbrothenn (Lendenbraten) in einem Zislunlein (saurer Sauce);
[376]2) Vorhann (Forellen) und esch (Äschen);
3) V. rephuner;
4) VII j vogel;
5) j. Koppen (Kapaun) zum gebroten (als Braten);
6) I I I j. h. (℔) hecht gesultzt;
7) Ein schweine wiltpret in einem pfeffer;
8) Keßkuchlein und ops;
9) Pistaci, latbergen, leckuchlein, confection.«
Dazu tranken die 12 Teilnehmer: 6 Maß Neckarwein, 3 Maß Rotwein, 6 Maß Reinfall, zusammen 23 Maß, also etwas mehr als 2½ Liter per Gurgel.[298]
Die Gelehrten und Professoren beteiligten sich gerne an solchen Schmäusen, da sie meist weder im Essen noch im Trinken Kostverächter waren, und ihre Einnahmen für gewöhnlich die Anschaffung von Leckerbissen verbot, wenn sie nicht zu nicht immer lauteren Mitteln griffen, ihre Finanzen zu verbessern, deren unschuldigstes noch der Bier- und Weinhandel war.
In allen Universitätsstädten und fast in allen Städten, die höhere Schulen besaßen, war es den Lehrern gestattet, Getränke zu ihrem eigenen Gebrauch abgabenfrei einzuführen, in Frankfurt a. O. sogar die Doktoren aller Fakultäten.[299] In Jena und in Altdorf genossen die Professoren die Freiheit, in dem Kollegienbrauhaus, so viel Bier sie für ihren Hausbrauch und Tischgenossen bedurften, tranksteuerfrei brauen zu dürfen. Ferner war[377] ihnen durch die Statuten von 1569 ausdrücklich die Konzession erteilt, von dem der Universität gehörenden und später privilegierten Rosenkeller dort eingelagerten fremden und einheimischen Getränksorten an Bier und Wein ohne Steuerzahlung zu entnehmen.[300] Da nun die meisten Professoren Studenten bei sich wohnen hatten, so nötigten sie, wie dies in Jena Anlaß zu Klagen gab, ihre Einwohner fleißig zu trinken, »wofür sie ihnen bei allen strafwürdigen Vorfällen durch die Finger sahen.[301]«
»Überdies mag diese Abgabenfreiheit von der Getränkesteuer so manchen Professor zu einem stillen Haustrunk verleitet haben, der wohl häufig stärker ausfiel, als es für seine gelehrten Studien förderlich gewesen sein dürfte«, sagt Reicke[302], weshalb noch im 18. Jahrhundert den Fakultäten eingeschärft wurde, keine versoffenen Professoren zu wählen.
Natürlich war es den Gelehrten verboten, dieses Vorrecht zum Nachteil der Schankwirte auszuüben, woran sie sich aber wenig gehalten zu haben scheinen, da viele von ihnen einen schwunghaften Ausschank betrieben. In Heidelberg gestatteten die Statuten von 1558 ausdrücklich den Lehrern der Hochschule, alljährlich zwei Fuder Wein auszuschänken. Görlitz hatte sich wiederholt über den Rektor magnificus und Stadtpfarrer Magister Schwoffheim zu beklagen, der[378] fremde Biere ausschenkte. Als auch die Brauereien sich dieser Beschwerde anschlossen, wurde Schwoffheim nach Bautzen versetzt, wo er es ebenso wie vordem in Görlitz trieb. Die Görlitzer erhielten hierauf den Pfarrer Redhem, der aber in die Fußstapfen seines Vorgängers trat.[303]
Übrigens waren die gelehrten Herren auch sehr bedeutende Konsumenten, die es gemeiniglich ebenso wie ihre Hörer trieben. So der Jurist Scipio Gentilis, ein Italiener von Geburt, der sich mit den Studenten volltrank, mit ihnen des Nachts auf den Gassen herumstrich, schrie, polterte und lärmte und wehrlosen Bürgern den Degen ins Gesicht trieb.[304]
Der Typus eines gelehrten Vagabunden zur Zeit der deutschen Renaissance war der »Poetenkönig« Eobanus Hessus (1488 bis 1540).
Einst als er noch in Preußen am Hofe des Bischofs von Pomesanien lebte, forderte ihn einer seiner Mitzecher prahlerisch auf, einen Wassereimer, mit Danziger Bier gefüllt, auf einen Zug auszutrinken. Als Preis dafür ließ er einen kostbaren Ring in das Gefäß fallen. Hessus ließ sich nicht lange[379] bitten, er leerte den Eimer rasch, ohne abzusetzen, bei der Nagelprobe fiel der Ring heraus. Hessus aber weist ihn zurück, verächtlich blickend fragt er den Herausforderer, ob er denn glaube, daß er um Lohn zu trinken gewohnt sei?«[305] Der Brandenburgische Hofastronom Johannes Cario, ein bedeutender Mathematiker, trank sich 1537 zu Tode, und ein ähnliches Schicksal widerfuhr dem Leibdichter des reisigen Kölner Erzbischofs Rainald von Dassel.
In Rostock ließen sich die Professoren von ihren Studenten zu den Nationalschmäusen führen, machten dort den größten Unfug mit, saßen mit ihnen auf dem Boden, tranken knieend, schrieen, blökten, schwärmten. Sie tanzen in ihrer Trunkenheit auf offenen Plätzen, »Stuben, Sälen, Gärten, Höfen, Vorwerken und Wiesen«. Besonders lächerlich sahen dabei die Theologen in ihren langen Röcken und Mänteln und gestutzten Harzkappen aus.[306]
Unter den gelehrten Trinkern genoß der Wittenberger Professor der Poesie Friedrich Taubmann (1565–1613), der nebenbei als Hofnarr des Kurfürsten Christian II. amtierte, den größten Ruf. Seine Streiche gingen von Mund zu Mund, und um seine Person wob sich schließlich ein ganzer Sagenkranz von Witzen, Schlagfertigkeiten und Rüpeleien. Einst befragt, warum er immer fröhlich sei, da er doch keineswegs in[380] günstigen Umständen lebe, antwortete er: »Ich habe genug, denn ich habe so viel, wie ich brauche. Habe ich gleich in Wittenberg keinen französischen Wein, so habe ich doch einen »Zesseuischen Goremberger«; gibt es auch diesen nicht, so gibt es doch Tischwein; gibt es keinen Tischwein, so gibt es Kuckuck[307]; gibt es diesen nicht, so gibt es Tischbier; ist kein Tischbier da, so gibt es Convent, ist auch dieser nicht vorhanden, so ist doch gottlob noch Wasser in der Elbe.[308]«
Von den vielen im Umlauf befindlichen Schnurren Taubmanns, die Friedrich Ebeling in seinem Buche »Zur Geschichte der Hofnarren. Friedrich Taubmann« gesammelt hat, sei eine für den Mann selbst und sein Zeitalter bezeichnende hier nacherzählt.
Die Herren am sächsischen Hofe nötigten einst Taubmann, so lange zu trinken, bis er den Wein wieder von sich gab. »Ihr Herren«, entschuldigte er sich, »wenn euer bestialisches Saufen eine Ehre ist, so ist mein unhöfliches Speien auch keine Schande!«[309]
Der Weltgeschichte gehört noch ein anderer Professor an, ebenso gelehrt wie Taubmann, doch nicht so klug und glücklich wie dieser, ein »armer Narr«, dessen geringer Verstand auf das roheste gewaltsam in Spirituosen erstickt wurde, Friedrich Wilhelms I. von Preußen Hanswurst – Jakob Paul Freiherr von Gundling, geboren[381] 1673 oder 1668, gestorben, besser gesagt zu Tode gemartert 1731 in Potsdam und begraben in einem mächtigen Weinfaß in Bornstädt bei Potsdam.[310]
Gundling war, wie erwähnt, kein großes Kirchenlicht, aber immerhin ein fleißiger Mensch mit nicht unbedeutendem Wissen in der Geschichte, der es auch im Leben zu etwas gebracht hätte, wenn ihn nicht ein böser Geist in den Kreis des Soldatenkönigs und seiner Kumpane beim Tabakskollegium geführt hätte. Ursprünglich Professor an der Ritterakademie und Rat und Historiograph im Oberheroldsamt, wurde er Zeitungsreferent beim Tabakskollegium, in Wahrheit aber ein mit Titeln überhäufter Hofnarr und damit die Zielscheibe der ungehobelsten und handgreiflichsten Rüdheiten der rohen Tafelrunde. Allabendlich war er betrunken, denn »im Weintrinken nicht zu ersättigen, klagte er immer über Durst, daher erhielt er auch oft ein vollgerütteltes Maß, womit ihn Hofleute und Offiziere reichlich beehrten, weil sie ihn dann desto besser genießen konnten. Besonders hatte er bei einem französischen Weinschenken namens Bleuset, seine Niederlage, von dem er selten nüchtern zurückkam.[311]«
Schon zu Gundlings Lebzeiten versuchten gelehrte Säufer, denen jegliches Ehrgefühl abging, Gundling aus seiner entwürdigenden Stellung zu verdrängen. So ein Dr. Bartholdi[382] aus Frankfurt a. O., der schließlich als Wahnsinniger in strengstem Gewahrsam, festgeschlossen mit einer Kette an einen Stock, gehalten werden mußte. Dann ein zweiter Tollhäusler namens Kornemann; der Helmstädter Professor Friedrich August von Hackmann, ein richtiger Abenteurer, und endlich Gundlings größter Konkurrent David Faßmann, den Morgenstern endlich als letzter gelehrter Trunkenbold und Hofnarr ablöste.
Faßmann, geboren 1683 zu Wiesenthal in Sachsen, war der Verfasser der damals überaus beliebten und endlos fortgesetzten »Gespräche im Reiche der Toten«, ein außerordentlich vielgereister und sprachgewandter Mann, der sich aber nicht entblödete, die ärgsten Roheiten gegen Gundling auszuhecken oder sich zum Werkzeug der derben Einfälle des Königs herzugeben. Magister Salomon Morgenstern, gleichfalls ein Sachse aus Pegau, hatte in Halle Vorlesungen über Geschichte und Geographie gehalten, ehe er zufällig nach Potsdam kam, wo er als Hofrat und Mitglied des Tabakkollegiums verblieb.
Die fortwährende Vertilgung großer Getränkemengen, an die sich die meisten Studenten Jahre hindurch gewöhnt hatten – brachten sie doch mindestens vier bis sechs Jahre, manche allerdings, wie ein Studiosus in Wittenberg, vierzig, in Leipzig sogar einer[383] fünfundsiebzig Jahre[312] auf der Universität zu – blieb, wie ich bereits sagte, nicht ohne Folgen für das spätere Leben der »vollen Brüder«.
Wie sich solche ehemalige Bursche mitunter in Amt und Würden benahmen, zeigt folgender Vorfall, der andererseits auch ein grelles Streiflicht auf die Gemütsrohheit und Herzlosigkeit der mittelalterlichen Richter wirft.
Anläßlich eines Strafprozesses unter Bischof Heinrich Julius v. Halberstadt-Braunschweig gegen rebellische Braunschweiger Bürger heißt es:
»Sie (die in der Folterkammer anwesenden Glieder des peinlichen Gerichtes) trunken einander fleißig zu, daß sie auch so toll und voll wurden, daß sie einesteils eingeschlafen … Etwan in der dritten Woche kamen sie wieder, und als sie nun in solcher Trunkenheit ihr gefaßtes Müthlein ziemlichermaßen ausgeschüttet, seyn sie für diesmal davongegangen … Zum dritten male bin ich abermals in die peinliche Kammer gebracht usw. und Hans Staub war so trunken und voll, daß er beim Tisch einschlief, und wann er hörte, daß ich etwas härter sprach, so wachte er auf und weisete mit den Fingern, sagend: ›Meister Peter, hinan, hinan mit dem Schelm und Stadtverräter‹, und wenn er solches gesagt, schlief er wieder ein vor Trunkenheit. Ingleichen soffen die anderen tapfer auch[384] herum Wein und Bier und wurden aus Trunkenheit und sonsten so verbittert, daß nicht zu sagen.«[313]
Wie glänzend sich die Saufmanie auf unseren Universitäten konservierte, bedarf keiner Erörterung, wenn auch zugegeben sein mag, daß die nivellierende Zeit viele, wenn auch noch lange nicht alle ihr anhaftenden Roheiten in Vergessenheit gelangen ließ. »Frei ist der Bursch«, und frei soll er auch sein, frei wie die Wissenschaft, an deren Quelle er sitzt. Er kann dies aber schließlich auch ganz gut sein, ohne sich zum Trunkenbold zu trainieren, seine Gesundheit zu schädigen und seine Geisteskräfte zu schwächen.
Auf den Universitäten bildeten sich im sechzehnten Jahrhundert gewisse Trinkregeln, ein »Jus potandi«, das jeder an den Gelagen teilnehmende akademische Bürger innehaben mußte. Es waren Vorschriften über die Art des Trinkens, über die Gesänge, die den Kommers beleben sollten, Verhaltungsmaßregeln jeder Art, gegen die ein richtiger Bursch niemals verstoßen durfte.
Im Gegensatz zu den altdeutschen »Tischzuchten«, den antizipierten Knigges, die vom vierzehnten Jahrhundert an bis zu Hans Sachs Zeiten, »in keiner Bibliothek fehlen durften«, da sie den Anstand bei Tisch genau festlegten[314], sahen die Zech- und Saufrechte weniger auf den Anstand als auf Beobachtung der vorgeschriebenen Zeremonien.
Ein etwa sechzig Druckseiten starkes Büchlein, das aus dem Anfang des siebzehnten[386] Jahrhunderts stammen dürfte, befaßt sich mit diesen »wunderbarlichen Manieren, Ränken und Schwänken«, wie der Jesuit Franz Callenbach in der »Wurm-Logia vieler seltzamer Würmer« den Komment der »naßliebenden Brüderschaft« nennt, aus dem ich nun einen gedrängten Auszug geben will.
Der Titel der Flugschrift lautet:
»Neue artig und kurzweilige Disputation, in welcher das Zech- und Saufrecht, sammt allen desselben Solennitäten, Gebräuchen, auch darinnen vorlaufenden Controversien und Strittigkeiten aus dem weltlichen Recht gezogen, kürzlich entworfen und beschrieben wird etc.
von Blasio Kielsauff, beider Wein und Bier Candidaten. Gedruckt im Jahr: Guter Wein erfreut durstigen Menschen ihr Herz.«
Eingeleitet wird das Buch durch ein Vorwort in Versform, das ich ganz gut an die Spitze meiner Arbeit hätte stellen können, so erschöpft es die deutsche Methyologie.
1) Es vermahnet der vortreffliche und hochberühmte Jurist Paulus, daß man dasjenige, was täglich, ja schier alle Stund pfleg vorzugehen, wohl fassen, lernen und begreifen solle. Wenn nun aber (so viel ich weiß und verstehe) heut zu Tage nichts gemeineres, üblicheres und vornehmeres ist, als das Baccifest celebrieren und halten, das ist, sich bei den bis oben angefüllten und gleichsam mit Streichhölzern abgestrichenen Pokalen, Bechern, Gläsern und Krausen, von einem Tag, ja von einer Mitternacht zu der andern finden lassen, und derhalben zu besorgen, daß man uns vorwerfe, als Mutius gethan, es seye nämlich schändlich und unlöblich, daß ein Teutscher die Gesatz, Rechten und Gebräuch der Banqueten, Gast- und Mahlzeiten, bei welchen er sich täglich finden und antreffen läßt, nicht sollte wissen,[388] noch dieselben, wie es zwar billig sein sollte, verstehen. Als hab ich nicht ohne Nutz und Frucht zu seyn erachtet, wenn ich etliche Observations vor mich nehme und dieselben denen zu Dienst und Besten erklärete, so sich mit der Zeit zu dem Studio juridico begeben möchten, damit daß die Jungen und in diesen Sachen noch Unerfahrenen geübt und erfahren, den Alten aber und Geschicktern der Sachen etwas mehrer nachzudenken ein mehrere Gelegenheit und Anlaß gegeben würde.
2) Belangend nun den Ursprung dieses bacchische Freß- und Sauffeste, so ist männiglichen bewußt und offenbar, daß dasselbe ein sehr altes und von vielen Jahren hergebrachtes Fest sey; wie nicht weniger fast allen Völkern gemein und bräuchig. Wegen der Zeit aber, weil die Teutschen solches Fest mit gebührender und möglichster Andacht und Devotion dem Bacchus zu Ehren celebriret und sich demselben ganz ergeben erzeiget haben, ist ihnen vor allen andern der Primat und Vorzug im selbigen aufgetragen und angeboten worden. Welchen Primat, Vorzug und erlangtes Lob sie noch bis auf diese Zeit mit Trotz hochmütiglich defendiren, verfechten und vor den andern allen ihnen vorbehalten. Von diesen nun und derselben Gebräuchen, Sitten und Gewohnheiten wird gegenwärtige Dissertation und Gespräch handeln und tractiren, welches ich[389] aber vornehmlich und sonderlich von der Praxi academica (denn da begibt sich's am meisten) verstanden haben will.
3) Die Ehr, der Dienst und die Ceremonien, so diesem Gott Baccho müssen praestiret und angethan werden, bestehen in Fressen und Saufen. Saufen ist ein ernsthafter mit Bechern, Gläsern, Krausen und dergleichen weinfähigen Geschirren vorgenommener Streit. Zech- und Saufrecht wird genannt, welches vom Saufen entsprungen und daher seinen Namen bekommen hat, in sich haltend die Gebräuch und Solennitäten dieses Festes, auch was einer dem andern, solchem Recht und Gesatz nach zu halten oder nicht, schuldig und verbunden sey, erklärend und anzeigend.
4) Causam primam, das ist der Ursprung und das Aufkommen dieses Festes, schreibe ich der Antiquität und der vorlängst verlaufenen Zeit zu. Die andern Ursachen, daher dieses Fest rührt, ist zum Theil der Liberalität und Freigebigkeit desjenigen, durch welches Unkosten die Saufereien angestellet und verrichtet werden, theils erforderts die Ehrbarkeit und dann auch zu Zeiten die Noth oder das Gesatz …
Die folgenden Absätze handeln davon, warum das Wetter den Studenten zwingt, im heißen Sommer und im kalten, nebligen Herbst und Winter die Bücher bei Seite zu schieben und sich lieber mit Kommilitonen zu[390] einem Trunk zusammenzutun, und welche andere Zwischenfälle sich ereignen können, das Studium zu lassen und zu trinken. Nach einer tiefsinnigen Betrachtung über die besten Bier- und Weinsorten, in der der Verfasser seine elf Lieblingsbiere und elf liebsten Weinarten verrät, geht er zum eigentlichen Komment über.
»Die Form, Manier und Weiß, zu trinken, wird erkannt und unterschieden aus dem Trinken selbst. Und seind vornehmlich zween Modi, oder zwo Manieren, als Totalis und Partialis.
Der erste als modus bibendi totalis wird genennet und ist derselbe, wenn man das contentum, das ist Wein, Bier und was dergleichen Getränk seyn mag, bis auf den Grund ler auszeuft und trinket, und solches geschieht entweder continue, das ist ohne einig wiederholten Athem auf einmal und auf einen Zug, oder aber discontinue, das ist mit wiederholtem Atem und nach und nach. Continue, das ist in einem Zug alles heraustrinken, wird entweder verrichtet Floricos oder Hausticos. Floricos trinken heißt und ist soviel, als nämlich den Rand des Gefäßes, in welchem das Getränk ist, mit den Lefzen des Mundes ringsherum umgeben und mit einem Sturm den zugebrachten Getrank in die Gurgel schütten, daher dann aus Widertrieb des Athems kleine Bläslein auffahren, welch die Unsern Flores, zu teutsch Blümlein oder[391] Röslein, zu nennen pflegen. Hausticos wird aber getrunken, wenn man auf eine gemeine Weise alles ohne wiederholten Athem herausseuft.« Wer den Floricos-Trunk nicht ausführen kann, dem sei es verziehen, nicht aber dem, der Hausticos nicht zu trinken vermag, er »soll trinken, bis ihm die Augen übergehn.« Falls aber ein Tischgenosse einen Trunk, gleichviel ob Floricos oder Hausticos, beginnen sollte, dann hat er ihn auch zu Ende zu trinken.
»Dieser Trunk« nämlich Floricos und Hausticos, »gehet entweder nach der Ordnung und dem Reihen herum oder außer der Ordnung. In und nach der Ordnung gehet er herum, wenn man keine Person umgehet oder außen läßt, sondern den Trunk auf einen jeglichen, wie sie nach einander sitzen, auf der Reih läßt herumgehen. Ein solcher Rundtrunk ist, wie man ihn nennet, die Gesundheit, welcher um eines Gesundheit willen mit entblößtem Haupt stehend, von der ganzen Compagnia verrichtet und getrunken wird. Von diesem ist die Frag: ob es nämlich recht sey? Darauf antworten wir, daß zwar das Ende, dahin ein solcher Trunk vornehmlich gerichtet und angefangen wird, gut sey, die Mittel aber nicht so gar bequem; denn wem ist nicht bewußt und kundbar, wie viel derselben seyen, so mit dergleichen Gesundtrinken eines andern Gesundheit und Wohlstand procuriren und suchen wollen,[392] ihre selbsteigene Kräften und Leibesgesundheit aber hiedurch schwächen und verlieren.
Unanständig ist es, auf seine eigene Gesundheit trinken zu lassen, hingegen darf es den »Veneris Knechten« hingehen, wenn sie ihrer Liebsten wohl aus Gefäßen »daß auch eine vierjährige Kuh nicht möchte oder könnte heraussaufen« trinken. Der Zutrank muß immer erwidert werden, auch wenn ein Gegner ihn ausbringt.
»Einen besonderen Verstand bringt mit sich der Trunk, welcher genannt wird die Brüderschaft oder der Dutstrunk, da einer oder der ander, gleich als bei einer Einweihung pflegt zu geschehen, mit herrlich- und stattlichen Worten zum Bruder, oder an Brudersstatt erwähllt, auf- und angenommen wird. Die Form und Weis, einem einen solchen Trunk zuzubringen, ist kürzlich diese: Vielgeliebter Herr, wann ich demselben nicht zu kindisch oder zu gering und schlecht wäre, möchte ich vom Herzen wünschen, mit dem Herren durch einen freundlichen Trunk durch ein gute Freund- und Bruderschaft auf- und anzurichten; darauf dann der ander (wofern er nit etwa längere Ohren zu haben sich bedünken läßt) antwortet: der Herr, der trinke in Gottes Namen, es soll und wird mir ein lieber und angenehmer Trunk seyn.«
Ein Bursche darf niemals mit einem »grobhörnigen Pennalen und Federmichel«[393] Bruderschaft trinken, hingegen soll ein adeliger Student sich nicht sperren, einen bürgerlichen zu seinem Bruder zu erkiesen. –
Da sehr häufig Damen den Kommersen beizuwohnen pflegten, natürlich meist Studentenliebchen, die mit ihren Amanten »tranken also beyde aus dem Trinkgeschirr zugleich«[315], so bemerkt das »Saufrecht« hierüber:
»Was ist von einer Jungfrauen zu halten, die mit einem jungen Gesellen einen solchen Freundschaftsbund aufrichtet, mag ihr auch an ihrer Ehr und Jungfrauschaft hiedurch etwas abgehen oder benommen werden? Dieses, wie ich vermeine, ist sonderlich unter denen vom Adel sehr gemein und üblich: und wie ich verstehe und merke, ist dieser löbliche Gebrauch auch unter anderen ausgebrochen, da sie nämlich auf Schwesterschaft und herzliche Treu trinken. Hütet euch aber, hütet euch, und sehet euch wohl für, sage ich, ihr Jungfrauen, die ihr Zucht und Ehr liebet, damit ihr nicht etwan unter dem Schein der Brüder- und Schwesterschaft betrogen in das Netz gefället werden möget. Denn wie der Poet sagt:
Der Verfasser verurteilt rückhaltlos die Manier, Hausticos aus alten Schuhen und aus[394] einem gewissen unnennbaren Gefäße zu trinken, was kein Student nachzutun gezwungen werden kann.
In § 29 und folgenden des Büchleins, das im ganzen 61 §§ und ein Nachwort über das Thema: »Ob das Löffeln (Liebeln), so bei dem Trunk geschieht, die rechte Lieb verursache?«, enthält, werden verschiedene Arten, den Trunk zu sich zu nehmen, erzählt.
»Es sind aber viel und mancherlei Manier zu trinken, will derowegen allhie etliche Umstände erzählen. Diese haben eine sonderliche Lust daran, wenn sie das Glas mit dem Mund aufheben; jene hängen den Kopf gegen der Erden zu; andre nehmen zwei Gläser zusammen und stürzen sie zugleich heraus; viele brauchen gar keine Hand, sondern fassen das Glas zwischen beide Arme. So finden sich auch Künstler, welche das Glas auf die Stirn stellen, daß ihnen also der Wein über die Nasen nit anders als über einen Canal allgemach in den Schlund herabfließe.«
Der Verfasser vergißt noch das Eintrichtern, das z. B. in Rostock üblich war.
»Es sind auch wegen allerhand seltsamen Gebärden und Zeremonien solchen Trünken eigene Namen gegeben worden; dergleichen ist der Trunk, den man nennet Curl, Murl, Puff, welcher viel seltsame Schnacken und[395] Possen in seinem Umgang verursachet; der lateinische Trunk, welcher viermal muß getrunken werden; desgleichen das Rößlein verkaufen, den Unbekannten bringen; item fine Tuck, fine Schmuck, fine Bartwisch.«
Den Willkommentrunk ist jeder unweigerlich zu erwidern gezwungen, auch wenn er ihm aus einer »weitbäuchigen Ampel« vorgetrunken wird oder er »sich gleichsam darüber entsetzt und wegen der greulichen, ungeheueren Last des Guckucks (Becher) erblasset.«
Außer diesem Guckuck gab es noch andere Gefäße, von denen man gern wieder einmal den Staub abwischte, z. B. »das römische Reich, dessen Kraft und Gewalt so groß und mächtig ist, daß es wohl auch den allerstärkesten Herkulum oder Sauff-Ritter dürffte ein Bein stellen, und wider Gottes Boden darniederwerffen. Und auff solche Manier pflegen sonderlich in Niedersachsen auch wohl ihrer viere zu trinken aus einer Kanne, die da entweder mit Bier oder Wein gefüllt ist, auff folgende Weise, daß die ersten drey jeder einen Trunk thut, der vierte aber muß das andere alles, was noch hinterstellig, exsicuiren und austrocknen. Und diese liebliche Kurtzweil nennen sie ›den Fuchs schlepfen‹«[316].
Die angeführten Trünke müssen in einem Atem erledigt werden, mit Ausnahme des[396] »Römischen Reich« und das »Fuchs schlepfen«, die halb und geteilt vorgenommen werden dürfen. –
Bei Rundgesängen braucht nur der mit zu singen, der die Lieder kennt. Stillschweigen ist keine Verletzung des Komments.
Am Biertisch sollen keine gelehrten Dispute angeregt werden; es darf nicht gezankt, keine Fenster und Ofen eingeschlagen, Möbel zertrümmert werden, hingegen ist dies alles gestattet, wenn Schoristen den Pennälen die »Ehre« ihres Besuches zu teil werden lassen, die nicht mucksen dürfen, auch wenn »einem Pennalen ein Aug ausgeschlagen würde.«
Den Überschuß von Getränk auf alle mögliche Art von sich zu geben, wird nur dann verurteilt, wenn Jungfrauen dem Gelage beiwohnen, sonst ist es nach dem Grundsatze: »naturalia non sunt turpia« nicht weiter rügenswert. Nachdem sich der Autor lang und breit in zum Teil recht pikanter Weise über das Verhältnis zwischen Studiosus und Jungfrau ergeht, kommt er zum Schluß. Er widerrät darin, trunkene Zechbrüder bei sich schlafen zu lassen, da sie am nächsten Morgen das Gelage wieder fortsetzen würden, was mindestens mit großen Unkosten verbunden sei.
Der Tenor des ganzen Elaborats geht dahin, daß Trinken recht gut, nicht Saufen aber besser sei, denn »ist gut Glück, wann man etwan den dritten Tag erst wiederum über die[397] Bücher sitzt und studiret. Mag sich derhalben wohl keiner zu derartigen Saufgelagen verfügen oder zu denselben einberufen lassen, wann er nicht auf das wenigste ein paar Tag mit einhalten und zubringen will!« – – –
Damit schließt das ehrwürdige Zech- und Saufrecht« und auch mein Buch.
Es wäre zwar noch viel zu sagen, so über das Zechrecht gewisser Städte, wie z. B. des märkischen Lippehne, das der Gelehrte Oelrichs im »Jus Lippenense« tiefsinnig gehaltvoll bearbeitete, über die Trinkerpoesie, die von den »Carmina burana«,[317], jener feucht-fröhlichen Handschrift des dreizehnten Jahrhunderts an die deutsche Literaturgeschichte bis zur Gegenwart durchzieht, von schriftlichem Zutrinken[318], dann von Trinkgefäßen aus den köstlichsten Stoffen und kunstvollster Arbeit, wenn ich nicht fürchten müßte, die Geduld meiner Leser ohnehin schon erschöpft zu haben.
Darum will ich kurz und unvermittelt meinen Rückblick auf die Vergangenheit des deutschen Durstes schließen, der, Gott sei Dank oder leider?, neben dieser inhaltreichen Vergangenheit auch eine ganz schöne Gegenwart, vielleicht auch eine hoffnungsvolle Zukunft besitzt, denn:
[1] Waltharilied, 2. Gesang, V. 180.
[2] Paulus Diaconus, I, Kap. 27.
[3] Scapos Kapermal, C. 42.
[4] Caesar, De bello gall., H 28. Plinius, Naturgesch., XI, 45.
[5] Tacitus, Germ., 22.
[6] Tacitus, Germ., K. 24.
[7] Prof. Dr. F. Kauffmann, Deutsche Mythologie, S. 63.
[8] Tacitus, Annalen, XI, C. 16.
[9] Tacitus, Germ., K. 22.
[10] Specht, Gastm. und Trinkgel. bei den Deutschen, S. 52 ff.
[11] Kauffmann, Deutsche Mythologie, S. 45 ff., S. 98.
[12] Plinius, Naturgesch., 22, 51–54.
[13] Schultz. Höfisches Leben zur Zeit der Minnesinger, S. 403.
[14] Bescheidenheit, 95⁵.
[15] Pantaleon, 1313.
[16] 198, Hagen, Gesamtabenteuer, III, 48.
[17] Herodot, Geschichten, 2. Buch, Kap. 77.
[18] Geschichts-Bibliothek, I, Kap. 20 u. 34.
[19] Strabo, Geographie, XVII, § 2.
[20] S. Seite 34.
[21] Victor Hehn, Kulturpflanzen und Haustiere in ihrem Übergang aus Asien nach Griechenland und Italien, 6. Aufl., S. 143.
[22] a. a. O., XVIII, 2, 2.
[23] Hehn, a. a. O., S. 143.
[24] Bei Athenäus, I, p. 16.
[27] Römische Geschichte, 29. Buch, 36.
[28] Bilder aus der deutschen Vergangenheit, I, 142 ff.
[29] Strabo, a. a. O., 4. Buch, 5, 5.
[30] Über den Landbau, 3, 376.
[31] Edda, von Hans von Wolzogen. S. 63 ff. (Leipzig, Reclam).
[32] Specht, a. a. O., S. 43 ff.
[33] Thillmann, Deutsche Finanzgeschichte, S. 89.
[34] Specht, a. a O., S. 43.
[35] »Der zwey und funffzigste Artickel« des Sachsenspiegels lautet: »FLicht sich der Hopp über den Zaun, wer die Wurtzel in dem Hoffe hat, der greiff über den Zaun, so er allernechst möge, und ziehe den Hoppen. Was ihm folget, das ist sein. Was des aber an der anderen Seiten bleibt, der ist seines Nachbarn. Seine Baumzweige sollen auch über den Zaun nicht gehen noch hangen, seinen Nachbarn zu schaden.«
[36] Dr. E. M. Schranka, Ein Buch vom Bier, Frankfurt a. O. 1886, I, 209.
[37] Lippert, Deutsche Sittengeschichte II, S. 74.
[38] Georg Gaebel, Des Thomas Rantzow Chronik von Pommern in hochdeutscher Mundart, S. 236.
[39] Iwein 818: »Wines ein becher vol Der gît, daz sî in geseit, Mêre rede und manheit Dan vierzec und viere mit wazzer oder Biere.«
[40] 201, 5 ff.
[41] Lippert, a. a. O., II, 124.
[42] Corvin, Pfaffenspiegel, S. 826.
[43] Adolf Bartels, Der Bauer in der deutschen Vergangenheit, Leipzig 1900, S. 23.
[44] Hallwich, Töplitz, eine deutschböhmische Stadtgeschichte, S. 116.
[45] Schaltjahr, V, S. 200.
[46] Henne am Rhyn, Kulturgeschichte, I, 347.
[47] Lippert, a. a. O., III, S. 90 ff.
[48] »Diese Probe wurde gewiß und wahrhaftig in der Stadt-Brauerei zu Bernau, welches wegen seines vorzüglichen Bieres berühmt war, an jedem Brautage ausgeführt«, beteuert Alexander Cosmar in seinen »Sagen und Miscellen aus Berlins Vorzeit«, Berlin 1833, 2. Bd., S. 5.
[49] 1696, I. Teil, 5. Kap.
[50] Die geöffnet Raritäten und Naturalienkammer verfertigt von einem Liebhaber kuriöser Sachen, Hamburg 1709.
[52] J. G. Th. Grässe, Bierstudien, 2. Aufl., Dresden 1874.
[53] Cambray, Hauptstadt des franz. Arondissements Cambrai. Da es schon als Cameracum eine der bedeutendsten Städte des römischen Galliens war, ist natürlich die Annahme Cisners falsch.
[54] Isis und Osiris die ägyptischen Gottheiten.
[55] Schultz, D. Leben im XIV. und XV. Jahrh., S. 503.
[56] B. Emil König, Das Buch vom Schweidnitzer Keller zu Breslau, Breslau o. J., S. 19 ff.
[57] Narrenbeschwörung 90, IV, 41.
[58] Haushaltungsbuch 17.
[59] 1877, Spalte 340.
[60] Koenig, a. a. O., S. 18.
[61] Pommeriana, herausgegeben von H. G. L. Kosegarten, II, 459.
[62] Aus Tangermünde.
[63] Aus Jena, der Jenasche Klatsch.
[64] Aus Königslutter im Braunschweigischen. Das Lieblingsbier des Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., das er bei seinen Tabakskollegien trank.
[65] Aus Gardelegen. Siehe die Spitznamen des Bieres, S. 79.
[66] Buch vom Bier, I, S. 50 ff., Frankfurt a. O., 1885, 2 Bde.
[67] Dr. Herm. Brosien, Geschichte der Mark Brandenburg im Mittelalter, S. 211 ff.
[68] Dr. J. G. Krünitz, Ökonomische Encyklopädie, Berlin 1775, 5. Teil, S. 9.
[69] B. Emil König, a. a. O., S. 18.
[70] Schultz, Deutsches Leben etc., S. 504.
[71] Oskar Schwebel, Bierhumor in der Mark, Bärkalender 1890, 53 ff.
[72] Reclam, Leipzig, S. 93.
[73] Erfurt 1515.
[74] Abr. A. Sancta Clara, Etwas für Alle, Würzburg 1711.
[75] Arnim und Brentano. »Des Knaben Wunderhorn«, herausgegeben von Friedr. Bremer, Leipzig, Reclam, S. 605.
[76] Schaltjahr, II, S. 46.
[77] Arnstadt und Leipzig, 1730.
[78] Schaltjahr, III. Bd., S. 82.
[79] Also Schweningerei vor zweieinhalbhundert Jahren.
[81] Schaltjahr, II, 260.
[83] P. Weise, Beiträge zur Geschichte des römischen Weinbaues in Gallien und an der Mosel (Progr. des Johanneums zu Hamburg 1901).
[84] »Keiner solle in Italien einen neuen Weinberg anlegen, und in den Provinzen sollten sie ausgehauen und höchstens die Hälfte übrig belassen werden«; doch gab er diesem Edikte keine weitere tatsächliche Folge, Sueton, Domitian, Kap. 7.
[85] Caesar, Gall. Krieg, 4, 2.
[86] Vopiscus, Leben des Kaisers Probus, Kap. 18.
[87] Mosella, Vers 20–26 übersetzt von Viehoff.
[88] Henneberg'sche Chronik, S. 365.
[89] Bodmann, Rheingauische Altertümer, I, 396, II, 906.
[90] Schannat, Historia episcopatus Wormatiensis, Frankf. 1734, S. 309.
[91] Dr. Rud. Schultze, Geschichte des Weins und der Trinkgelage, S. 107 ff., Berlin 1867.
[92] Einhard, Leben Karls des Großen, Kap. 24.
[93] Schultze, a. a. O., S. 110 ff.
[94] Braun-Wiesbaden, Schloß Johannisberg, Westermanns Monatshefte, 26. Bd., S. 292 ff. und Schultze, a. a. O., S. 111.
[95] Vehse, Die geistlichen Kurfürsten zu Mainz und Köln, S. 47.
[97] Lippert, Deutsche Kulturgeschichte, II, 160 ff.
[98] Lippert, Deutsche Kulturgeschichte, II, 160 ff.
[99] Weisthum von Merzig, 1529, II, S. 59.
[100] Weisthümer, II, 10.
[101] Weisthümer, V, 264.
[102] I, 369.
[103] a. a. O., S. 121.
[104] Nach Schultze, a. a. O., S. 121.
[105] Straßburger Zunft und Polizeiordnungen, Nr. 148, S. 64.
[106] Schultz, D. Leben im XIV. und XV. Jahrh., S. 506.
[107] Narrenbeschw., XCII, 152.
[108] Über Grempen und Gremperinnen siehe mein »Geschlechtsleben in der deutschen Vergangenheit«, Leipzig 1903, S. 189.
[109] Volz, Württemberg. Jahrbücher 1852, S. 116.
[111] 3. Gesang, V. 17.
[112] Schultz, Höfisches Leben, S. 403.
[113] S. 86.
[114] Baader, Nürnb. Polizeiordnungen, 261.
[115] Schultz, Höfisches Leben, S. 409.
[116] W. von Bippen, Der Rathskeller zu Bremen. S. 37, Bremen o. J.
[117] Aus der Champagne, doch kein Schaumwein.
[118] Kanariensekt, ein Südwein, angeblich von den Kanarischen Inseln, doch meist in Spanien zusammengeschmiert.
[119] Kloster, VI, S. 162 ff.
[120] Es ist recht komisch, wenn Dr. Max Oberbreyer in seiner bei Reclam erschienenen, von Ludwig Fulda so gründlich abgefertigten Übersetzung des Meier Helmbrecht, Seite 40 das Wort lîtgebinne, die Fruchtweinreicherin, mit Literspenderin verdeutscht.
[121] Schultz, Höfisches Leben, S. 403.
[122] Strophe 1856.
[123] Vers 611.
[124] St. Bonifacii epistolae, 116, S. 281.
[125] »Zehn Bücher Fränkischer Geschichte«, Kap. 110.
[126] Schultz, D. Leben im XIV. und XV. Jahrh., S. 508.
[127] Scheible, Schaltjahr, 3. Bd., 1847, S. 380.
[128] Straßburger Zunft- und Polizeiordnungen, Nr. 14.
[129] Petersen, Nationalneigung, S. 46 ff.
[130] Hans Rosenblüt, in Altdeutsche Blätter von M. Haupt und H. Hoffmann, Leipzig 1836, I, S. 401 ff.
[131] Schultze, a. a. O., S. 125.
[132] Schweinichen, a. a. O., S. 98.
[133] Schultz, Deutsches Leben im XIV. und XV. Jahrh., S. 427 ff.
[134] Wien im Lichte verschiedener Jahrhunderte, Leipzig o. J., S. 13.
[135] Corvin, Pfaffenspiegel, Rudolstadt o. J., S. 326.
[136] Schultz, Deutsches Leben im XIV. und XV. Jahrh., S. 126 ff.
[137] »Der gantz Haußrat bey dreyhundert Stücken, so ungefehrlich in ein jedes Hauß gehöret.«
[138] L. G. Ricek-Geroldingen, Gelehrter Zecher goldnes Alphabet, Leipzig o. J. Eine etwas zu genetivreiche, sonst aber ganz fleißige Arbeit.
[139] König Heinrich IV., 1. Teil, 2. Akt, 4. Szene: »a cup of sack«.
[140] Hanns v. Zobeltitz, »Der Wein«, Bielefeld und Leipzig 1901, S. 97.
[141] Ökonomische Encyklopädie, 5. Teil, S. 371, Berlin 1775.
[142] Schultz, D. Leben im XIV. und XV. Jahrh., S. 509.
[143] Hüllmann, Städtewesen, IV, S. 53.
[144] Narrenbeschwörung, LXVII, S. 38 ff.
[145] Kloster, I, S. 57.
[146] Schaltjahr, II, S. 232.
[147] Tacitus Germ., C. 21. Caesar d. b. Gall., N. 23.
[148] Von dem hellischen leuwen, 1517, fol. 68 a.
[149] Cap. ada. 88 c 14, p. 556.
[150] Prof. Dr. Ed. Heyck, Der Ursprung der Gasthäuser in Deutschland, Daheim 1901, Nr. 42.
[151] Heil. Elisabeth, Vers 4909.
[152] Schultz, D. Leben im XIV. und XV. Jahrh., S. 60.
[153] Schultz, D. Leben im XIV. und XV. Jahrh., S. 61 ff.
[154] Im Nürnberger Germanischen Museum, herausgegeben als 156. Publikation des Litterarischen Vereins in Stuttgart.
[155] Der ein und neuntzigste Artickel: HErberget auch ein Mann Leut, und schlägt ihr einer den andern todt ohne sein Schuld, binnen seinen Gewehren oder draussen, oder welch Ungericht ihr einer an den andern thut, der Wirth sol es ohne Schade bleiben, und auch die Gebauern alle, ob sie den Fried-Brecher nicht auffhalten mögen, und sie das gewehren auf den Heiligen, als man sie darumb schuldiget. Also gethane Ding und geschichte sol man aber zu dem Voigt ding rügen und ansagen. Der Richter mag niemand ansprechen mit Vormunden, noch ohne Vormunden, sondern den Kläger zu Kampffwarts, höher, dann zu seiner Unschuld, ob er sie thun thar, jeglicher nach seinem rechten. Er mag auch kein Gebot, noch Herrfart, noch Bethe, noch Dienste, noch kein Recht auf das Land-Volck setzen, es verwillige dann das Land-Volck in gemein darein. (Sachsenspiegel, III. Buch.)
[156] Kleinpaul, Mittelalter, II, 429.
[157] Scheible, Kloster, VI, 310 ff.
[158] Lippert, D. K., III, S. 90 ff.
[159] Murner, Narrenbeschwörung, 92, 147.
[161] Nach »Von unehrlichen Leuten« von Dr. Otto Beneke, Berlin 1889.
[162] Straßburger Ordnungen und Mandate von 1518 bis 1678 auf der Univers.-Bibliothek zu Halle von Max Perlbach (Festschrift des thüring.-sächs. Geschichtsvereines), Halle 1902, S. 49.
[163] Hans Boesch, a. a. O.
[164] Prof. Dr. Georg v. Below, Das ältere deutsche Städtewesen und Bürgertum, Leipzig u. Bielefeld 1898, S. 59.
[165] Kloster, VI, 669.
[166] »Ladarum« steht im Kloster, VI, 669.
[167] Hans Boesch, Alte Trinkstubenordnungen, Daheim 1901.
[168] Krynitz, 9. Bd., S. 611.
[169] Wilda, Das Gildenwesen im Mittelalter, Halle 1831, S. 6 ff.
[170] Specht, a. a. O., S. 33.
[171] Kriegk, Deutsches Bürgerthum im Mittelalter, N. F., S. 193, Frankfurt a. M. 1871.
[172] Kriegk, a. a. O., S. 195. Recht interessantes Material zu diesem vorliegenden Kapitel entnahm ich auch Alwin Schultz' »Alltagsleben einer deutschen Frau zu Anfang des 18. Jahrhunderts«, Leipzig 1890.
[173] Kriegk, a. a. O., 226.
[174] Petersen, Nationalneigung, a. a. O., S. 131 ff.
[175] Eimer = 96 Liter oder 60 Quart.
[176] Schultz, D. Leben im XIV. und XV. Jahrh., S. 458.
[177] Denkwürdigkeiten von Hans von Schweinichen, herausgegeben von H. Osterley, Breslau 1878, S. 165.
[178] Kriegk, a. a. O., S. 243.
[179] Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte, Neue Folge, 3. Band, S. 209.
[180] Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte, S. 223.
[181] Straßburg 1578.
[182] Scheible, Kloster, VI, 418 ff.
[183] Kaufmannschatz, S. 101 a.
[184] Schultz, Deutsches Leben im XIV. und XV. Jahrh., S. 266.
[185] Specht, a. a. O., S. 34.
[186] 1534, S. 133 b.
[187] Vulpius, Curiositäten, 5 Bd., S. 550.
[188] Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte, Berlin 1891, I, S. 105.
[189] In der Hauptsache entnommen der wiederholt[405] angeführten »Geschichte des Weines und der Trinkgelage« von Dr. Rudolf Schultze, S. 142 ff.
[190] Estors bürgerliche Rechtsgelehrsamkeit der Teutschen, 1757, I, S. 292, 293.
[191] Petersen, Nationalneigung, S. 42.
[192] Confect, das mit dem in den mittelalterlichen Apotheken so viel gebrauchtem Bisam parfumiert war.
[193] Hieronymus Bock's, Teutscher Speißkammer usw., Straßburg 1550, 19. Kapitel.
[194] Kap. 48.
[195] Germania, Kap. 4.
[196] Tacitus, Germ., Kap. 14.
[197] Appian, Bell. Civ., II, 64.
[198] Specht, a. a. O., S. 37.
[199] Specht, a. a. O., S. 37.
[200] Specht nach Grein, Dichtungen der Angelsachsen, Göttingen, 1859. I, S. 157, Vers 63.
[201] Wasserschleben, Die Bußordnungen der abendländischen Kirche, Halle 1851, S. 254.
[202] Specht, S. 51.
[203] Mitgeteilt von Eschenburg in seinen »Denkmälern«, Bremen 1799, S. 417.
[204] Anzeiger für Kunde deutscher Vorzeit, 1877, Spalte 340.
[205] Schultz, Deutsches Leben etc., S. 502.
[206] Deutsche Nationallitteratur, Stuttgart 1882–1899, Band 26.
[207] Agricola, Sprüchwörter Nr. 355 (Kloster, I, 311).
[208] Anzeiger für Kunde deutscher Vorzeit, 1874, Spalte 103.
[209] Siehe mein »Geschlechtsleben in der deutschen Vergangenheit«, S. 248.
[210] Kloster, I, 315.
[211] Luther als Erzieher, Berlin 1903, S. 198 ff.
[212] Neuerlich herausgegeben von Professor Haggenmacher in Zürich, siehe Dr. W. Bode, Kurze Geschichte der Trinksitten usw., München 1896, S. 11.
[213] Jesaia V, Vers 11–13 steht hier wörtlich abgeschrieben.
[214] Jesaia V, 14.
[215] Gedenkbuch des Ritters Ludwig des Ältern von Eyb, herausgegeben von Dr. Chr. Meyer, Ansbach 1890, S. VII ff.
[217] De bello Gallico, Bd. VI, Kap. 23.
[218] Edda, Skirniför, Schirners Werbung.
[219] Mitgeteilt von Dr. Hermann Uhde-Bernays im Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1901, Heft IV, S. 172 ff.
[220] Parzival, übersetzt von Karl Panier, Leipzig, o. J., I, V, 855/56, S. 114, V. 97–99.
[221] Scheffel, Ekkehard, 86. Auflage, Stuttgart 1886, S. 453, Anm. 84.
[222] Grimm, Rechtsaltertümer. S. 190.
[223] Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, I, 166/67.
[224] Petersen, Geschichte der deutschen Nationalneigung zum Trunk, S. 15.
[225] Sattlers, Geschichte der Herzöge von Württemberg, Tüb. 1769–83, I, Beilage 77.
[226] Erneut von Karl Panier, Leipzig, S. 68.
[227] Dr. Felix Weber, Gastronomische Bilder, Leipzig 1882, S. 137.
[228] P. Textoris, Traktätlein von Natur, auch Brauch und Mißbrauch des Weins. Hiebevorn durch Simonem Schambergern in Hochteusch gebracht usw., Frankfort 1617, S. 287.
[229] Petersen, a. a. S. 22 ff.
[230] Scheible, Schaltjahr, II, S. 231.
[231] Kapitul 2, anni 812.
[232] Kapitul ad. a. 803.
[233] Est, est, est, 2. Gebinde, Quedlinburg u. Leipzig 1842, S. 35.
[234] Hermann Schrader, Das Trinken in mehr als 500 Gleichnissen und Redensarten, Berlin 1890, S. 10.
[235] Hanns v. Zobeltitz, Der Wein, S. 89.
[236] Scherr, Kulturgeschichte, S. 297 ff.
[237] Herausgegeben von Arnold, Stuttgart 1857.
[238] Westermanns Monatshefte, Bd. 20, S. 661.
[239] Denkwürdigkeiten von Hans v. Schweinichen, herausgegeben von Hermann Oesterley, Breslau 1878.
[240] Denkw., S. 15.
[241] Geschlechtsleben, S. 227.
[242] Denkw., S. 22.
[243] S. 32.
[244] S. 33.
[245] S. 32.
[247] Bilder aus der deutschen Vergangenheit, 2. Bd., II. Abt., S. 280 (24. Aufl., Leipzig 1900).
[248] Denkw., S. 46.
[249] S. 75.
[250] S. 163.
[251] S. 167.
[252] Etwa 3½ Liter.
[253] S. 92.
[254] Joh. Jac. Fugger zu Kirchberg, Spiegel der Ehren des Erzhauses Österreich von 1212–1519. Fortgesetzt von S. v. Birken. Nürnberg 1668.
[255] 3. Teil, S. 23–27.
[256] a. a. O., S. 97 ff.
[257] 1. Band, 1846, S. 64.
[258] Weber, a. a. O., S. 146.
[259] Schultze, a. a. O., S. 178.
[260] Kraemer-Fuchs, Die Karikatur der europ. Völker, Berlin, o. J., I. Bd., S. 36.
[261] Weber, a. a. O., S. 148.
[262] Usinger, Ein deutscher Bischof, Westermanns Monatsschrift, Bd. 20, 1866, S. 155.
[263] Vehse, Die geistlichen Kurfürsten, S. 46.
[264] Weber, a. a. O., S. 148. Schultze a. a. O., S. 179.
[265] Weber, a. a. O., S. 138.
[266] R. Müldener, »Bierpolizei«, in der Allgemeinen deutschen Kriminalzeitung, Jahrg. 1885.
[267] Parzival, I, V. 1030 u. a. a. a. O. m.
[268] Nibelungenlied, XXVII, 1713.
[269] S. 153.
[270] Jaeger, Geschichte von Heilbronn, Heilbr. 1828, IV, 260.
[271] Volz, Württemb. Jahrbuch, 1852.
[272] Zappert im Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen, Bd. 21, führt aus dem Jahre 1441 ein derartiges Vermächtnis an.
[273] Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte, n. F., 3. Bd., S. 191.
[274] Aeneas Sylvius bei Petersen, a. a. O., S. 80.
[275] Scheible, Kloster, I, S. 91.
[276] Scherr, Geschichte der Deutschen Frauenwelt, 5. Aufl., Leipzig 1898, II. Bd., S. 49.
[277] Schweinichen, a. a. O., S. 22.
[278] Scheible, Schaltjahr, III, S. 158.
[280] Thomas Platters Leben, herausgegeben von Heinrich Düntzer, Stuttgart o. O. (Kollektion Speemann).
[281] a. a. O., S. 43.
[282] Dr. Ludwig Geiger, Renaissance und Humanismus in Italien und Deutschland, Berlin 1882, S. 412.
[283] Geiger, a. a. O., S. 412.
[284] Geschichtliche Nachweisungen über die Sitten und das Betragen der Tübinger Studenten während des 16. Jahrhunderts.
[285] J. F. W. Zachariä, »Der Renommist«.
[286] Tholuck, Das akademische Leben im 17. Jahrh., 2 Bde., Halle 1853/54, und Rob. und Rich. Keil, Geschichte des Jenaischen Studentenlebens, Leipzig 1858.
[287] Joh. Huber, Bilder aus dem deutschen Studentenleben, Westermanns Monatsschr., Bd. XVII, 1865, S. 474.
[288] Philanders von Sittewald wunderliche und wahrhafte Gesichte. Sprachlich erneuert von Karl Müller, Leipzig o. J., I. Bd., S. 226 ff.
[289] Pennalen sind die Füchse der mittelalterlichen Universitäten, die erst durch »Deposition« zu Studenten gemacht wurden.
[290] Diese Annahme Moscheroschs ist irrig. Schoristen stammt wahrscheinlich von Schorum, was wohl Schmaus bedeutet. Siehe C. Beyer, Studentenleben im 17. Jahrhundert, Schwerin 1899, S. 59.
[291] Fuchs.
[292] Ölgötze.
[293] Scherr, Kulturgeschichte, S. 362.
[294] II. Band, S. 380 ff.
[295] Wessely, Deutschlands Lehrjahre, Stuttgart o. J., II. Bd., S. 173.
[296] C. Beyer, a. a. O., S. 45 ff.
[297] G. Bauch, Die Anfänge der Universität, Frankfurt a. O. usw., 1506–40, Berlin 1900, S. 14.
[298] Anzeiger für Kunde deutscher Vorzeit 1882, Sp. 333.
[299] Bauch, Anfänge, a. a. O., S. 14.
[300] Huber, Bilder, a. a. O., S. 474.
[301] Huber, a. a. O., S. 471.
[302] Der Gelehrte in der deutschen Vergangenheit, Leipzig 1900, S. 119. Karl Biedermann, Deutschland im 18. Jahrhundert, 4 Bde., Leipzig 1854–80, II. Bd., S. 19.
[303] Schranka, a. a. O., II. Bd., S. 291.
[305] Reicke, a. a. O., S. 73 ff.
[306] C. Beyer, a. a. O., S. 99.
[307] Das Wittenberger Stadtbier, S. 82.
[308] Fr. Nick, Die Hof- und Volksnarren usw., Stuttgart 1861, I. Bd., S. 292.
[309] 3. Auflage. Leipzig 1884.
[310] Eduard Vehse, Illustrierte Gesch. des preußischen Hofes usw., Stuttgart o. J., I. Bd., S. 226 ff.
[311] Nick, a. a. O., S. 206.
[312] Wessely, a. a. O., Seite 186.
[313] Franz Heinemann, Der Richter und die Rechtspflege in der deutschen Vergangenheit, Leipzig o. J., S. 64.
[314] Dr. ph. Moritz Geyer, Altdeutsche Tischzuchten, Altenburg 1882.
[315] C. Beyer, a. a. O., S. 81.
[316] Beyer, S. 84 ff.
[317] Herausgegeben von J. A. Schmeller, 2. Aufl., Breslau 1883.
Das Geschlechtsleben
in der deutschen Vergangenheit
von Max Bauer. 2. Auflage, brosch. Mk. 4.–, geb. Mk. 5.50.
Das Berliner Tageblatt brachte wenige Tage nach Erscheinen des Buches folgende Besprechung: »Mit sachlichem Ernst und strengem Zurückstellen aller Einzelheiten, die nur einen pikanten Reiz haben könnten, führt der Autor in ein Kapitel der Kulturgeschichte, das – selten behandelt – doch von einschneidender Wichtigkeit für die Beurteilung des Volkslebens ist. Mit Recht wendet er sich gegen die Lobredner der »guten alten Zeit«, welche die Schäden im Verkehr der Geschlechter als ein Zeichen der Gegenwart hinstellen. Wir erfahren aus dem Werke Bauers, wie umgekehrt die Anschauungen über Geschlechtssittlichkeit in vergangenen Jahrhunderten bei weitem gröber und in ihrer Naivität für unser heutiges Gefühl verletzend sind. Der Verfasser bringt aus alten urkundlichen und litterarischen Quellen eine Fülle von Stoff und läßt in anschaulichen Bildern den Geist jener Zeiten, soweit er sich im Verkehr der Geschlechter äußert, an uns vorüberziehen. Er beginnt mit dem frühen Mittelalter, mit der moralischen Devastierung des alten Germanentums, und spiegelt das Leben in Stadt und Land und in den Klöstern wieder. Interessant ist das Kapitel ›Die Kleidung‹, nicht minder seine Ausführungen über das ›Schönheitsideal‹. Das Buch wird auf den Kulturhistoriker wie auf den Ästhetiker gleiche Anziehungskraft ausüben.«
»Der kleine handliche Band bietet einen kurzen Abriß seines Themas, wie ihn jeder kennen muß, der sich mit den schwierigen Fragen der Prostitution und der öffentlichen Sittlichkeit auch nur in passiver Anteilnahme beschäftigen will.«
»Die Frau« (Helene Lange).
»… Ein recht nützliches Werk, aus dem man sich schnell orientieren kann. Daß es flott und unterhaltend geschrieben ist, ist ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorzug. Wo es Not tat, hat Bauer auch einmal ein kräftiges Wörtlein gesprochen und sich überhaupt nicht geniert, die Dinge bei ihrem Namen zu nennen.«
Berliner Morgenpost.
»Das Buch wird nicht nur auf den Kulturhistoriker und Ästhetiker, sondern auch auf den ernsten Laien, auf den gebildeten Mann und die weise, denkende Frau die gleiche Anziehungskraft ausüben.«
Rhein.-Westf. Zeitung.
»Wenn die Menschen reif zur Liebe werden«
Der Schluß eines langen »Zur Frauen- und Ehefrage« betitelten Aufsatzes von Dr. Eduard Platzhoff-Lejeune in der letzten Nummer der wissenschaftl. Beilage der Münchner Allgemeinen Zeitung lautet folgendermaßen:
Nach Carpenter lassen sich folgende »als erste und dringendste Besserungsversuche« bezeichnen:
»Das vor der Pubertät über geschlechtliche Vorgänge und Gefahren aufgeklärte Kind wird mit offenen Augen in die Ehe gehen. Die Befriedigung des sexuellen Triebes wird als »eine natürliche Begleiterscheinung des Lebens auftreten, als etwas, das ungesucht kommt …, das aber niemals als ein Ziel an sich begehrt werden darf«. Sie wird einen Spezialfall der ehelichen Gemeinschaft bilden und nur gerade die Kindererzeugung und die Verausgabung des physischen Kraftüberschusses zur Folge haben; sie wird den Charakteren und Wünschen beider Gatten entsprechend in ihrem Leben einen größeren, geringen oder gar keinen Raum einnehmen; sie wird jedenfalls nicht als der Gipfelpunkt des ehelichen Zusammenlebens, noch als »zum täglichen Brot gehörig« betrachtet werden. Vor allem aber – darauf läuft das ganze Werk hinaus – muß die Frau vor der Brutalität des Mannes, vor der »Unsittlichkeit in der Ehe« geschützt werden. Das kann auf doppelte Weise geschehen. Das in Frankreich nicht mehr unbekannte »Heiratszeugnis« bescheinigt ärztlich, daß das Vorleben des künftigen Gatten, wie es auch immer gewesen sein mag, seinen Gesundheitszustand nicht ungünstig beeinflußt hat; gewissenhafte Eltern werden von dem Bräutigam ein solches zu fordern den Mut finden. Zweitens wird der nötige Schutz durch den in Amerika bekannten Heiratsvertrag gewährleistet, worin die Bedingungen des geschlechtlichen Verkehrs festgesetzt und insbesondere die jedesmalige Einwilligung der Gattin als unerläßliche Bedingung vorausgesetzt wird. Bruch des Vertrags ist Grund zur Ehescheidung. Natürlich setzen derlei Zeugnisse und Verträge eben voraus, daß die Braut weiß, worum es sich handelt, und sich nicht schämt, es zu wissen. Wo ist sonst Wissen Schande? Und wie unsinnig, den Zeugungs- und Geburtsvorgängen ein Brandmal anzuhängen – »süßes Geheimnis«, lautet der Euphemismus – während das glückliche Resultat mit Pauken und Drommeten gefeiert wird.
Es muß eine Zeit kommen, die dem Carpenterschen Buche unrecht tun wird, denn es ist das Produkt einer Uebergangsepoche, unbestimmt in seinem Programm, unpraktisch und zweifelnd in einigen seiner Zukunftsvorschläge. Messen wir es freilich an den gegenwärtigen Zuständen, so ist es ein kühnes und mutiges Buch, das Tausenden von Unglücklichen ihr Elend grell beleuchtet und andere Tausende vor dem gleichen Elend bewahrt. Loves coming of age ist ein Buch gegen die Frau von gestern und heute, es ist vor allem ein Buch gegen den Mann. Und wie gut ist es, wenn Männer gegen Männer schreiben, Frauen gegen Frauen! Die bequeme Anklage, man verstehe sich eben nicht und sei zur gegenseitigen Beurteilung zu verschieden, wird hinfällig, und wider Willen läßt man das Gericht des Geschlechtsgenossen über sich ergehen. – Es ist ein frisches und gesundes Buch und in der Schilderung des heutigen trostlosen Zustände beredt und ergreifend. Dem Uebersetzer gebührt Dank, daß er ihm seinen Weg durch die deutschen Lande geebnet hat.«
Das Buch von Carpenter (4. Aufl.) ist durch alle Buchhandlungen zum Preise von Mk. 3.– brosch. und Mk. 4.– eleg. geb. zu beziehen.
Neue Werke des mährischen Dichters Karl Hans Strobl.
»Die Vaclav-Bude«.
Ein Prager Studenten-Roman. 2. Aufl. Br. M. 3,–, geb. M. 4,–.
»Nach der süsslichen Romantik ›Alt-Heidelbergs‹ wirkt ein so gesundes Buch, wie das vorliegende, doppelt wohlthuend. Strobl schildert in seinem Studentenroman die letzten Tage der sturmbewegten Zeit unter dem Ministerpräsidenten Badeni. Die Schrecken dieser wenigen Wochen sind von dem Autor mit einer solchen Anschaulichkeit geschildert, dass es einem an mancher Stelle den Atem verschlägt.«
(Deutsche Zeitung, Wien.)
»Ein prächtiger Hass, eine lobenswerte Wut gegen die konventionellen Ausdrucksformeln ist hier in einer Weise zutage getreten, die in ihrer ganzen Bedeutung freilich nur der Selbstschaffende wird entsprechend würdigen können, der am besten weiss, wie viel fertige Phrasen an einen herandrängen, setzt man nur die Feder ans Papier.«
(Mährisch-schles. Korrespondent.)
»Strobl ist einer der nervösesten und sensitivsten unter den modernen Poeten. An Gegenständlichkeit und ›historischer Treue‹ leistet er das Aeusserste … Strobl hat den Ausschnitt eines Weltbildes gegeben und etwas wie den deutschen Prager Roman unserer Tage gegründet.«
(Die Zeit, Wien.)
»Strobl schildert mit grosser dichterischer Kraft und Anschaulichkeit, die stellenweise an das Packendste, was Zola geschrieben hat, erinnert. Stimmungen und Vorgänge in den blutigen Prager Dezembertagen nach dem Sturz des Ministeriums Badeni, ohne dabei viel von Politik zu reden.«
(Vossische Zeitung, Berlin.)
»In der Beschränkung ein Meisterwerk, verdient Strobls Roman aus Mähren die Reise durch ganz Deutschland und Deutsch-Oesterreich zu machen, und das unwillkürliche Misstrauen der litterarischen ›Globetrotter‹ gegenüber dem neuen Roman zu besiegen.«
(Tagesbote aus Mähren und Schlesien.)
»Und sieh', so erwarte ich dich!«
Skizzenbuch einer reifen Liebe. Br. M. 3.–.
»Hier ist Gleichheit, Reife und weites Schauen. Und in einer blühenden Sprache ist es geschrieben. Ich habe fast jede Skizze mehrmals gelesen und bin mir doch nicht darüber einig, welche den Preis verdiene. Diese tönenden Klänge des Weib-Erwartens mit ihrer ewigen Melodie, ihrem Leitmotiv des Einswerdens in der Liebe sind durchaus gleichwertig und vereinigen sich zu einer schönen Symphonie.«
(Neue Bahnen, Wien.)
»Eine starke schöpferische Natur ist es, die in diesem Skizzenbuch einer reifen Liebe eine Liebesauffassung von höchster Bedeutung niederlegt. In einer sehr poetischen, fast rhythmischen Prosa zieht der Verfasser die Zukunftslinien, die zu einer Erhöhung des Liebesmysteriums führen.«
(Deutsche Warte, Berlin.)
»Hier ist etwas Erhabenes, etwas wie Orgelton, etwas ungemein Melodiöses.«
(Litterarisches Echo.)
»Aus Gründen und Abgründen«.
Skizzen aus dem Alltag und von drüben. Br. M. 3.–.
»Gleich bei dem ersten Stücke hatte ich die Empfindung: Das ist ein Selbständiger, ein Starker, einer, der nichts Unempfundenes, nichts Angelesenes, Erborgtes giebt, ein aus seinem tiefsten Innern schöpfender, phantasiefroher Könner.«
(Brünner Neue Zeitung.)
»Aus den verschiedensten Tönen, den zartesten psychischen Schwingungen, den brutal-grotesken Klängen toller Nächte hören wir die Stimme einer Individualität. Strobl weiss in sein Inneres zu lauschen, versteht es, mit eigenen Worten zu reden.«
(Bohemia.)
»Man hat wirklich das Gefühl bei dem Stroblschen Werke: es ist nicht geschrieben, um irgend jemand zu gefallen, sondern es ist geschrieben, weil es geschrieben werden musste, weil der Dichter den inneren Drang fühlte, die Gestalten, die ihm Herz und Hirn erfüllten, sich herauszuschreiben.«
(Berliner Börsen-Courir.)
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»Da giebts kein Entrinnen, das ist ein Buch, das alle Frauen und Männer, denen ein modernes, menschlich bedeutungsvolles und tiefempfundenes Buch etwas zu sagen hat, werden lesen müssen; sie finden in guter fliessender Übersetzung den schmerzlichen Roman einer Frau, die in der Liebe alt wird, mit glühenden Farben intensiver Leidenschaft geschildert, und kann man dies Werk ein Stück Naturgeschichte nennen.«
Deutsches Blatt.
… »Er ist bei weitem besser als der unlängst von Yvette Guilbert veröffentlichte Brettlroman … Der Roman ist ein Spiegelbild von Yvettes Wesen. Derselbe seltsame Gegensatz vom äussersten Cynismus und tiefem Empfinden, wie in Yvettes Vorträgen, derselbe strebende vorwärtsdringende Sinn wie in ihrer Entwickelung.«
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Band III. Fridtjof Nansen von Eugen von Enzberg. Ein Lebensbild. Mit Porträt. Geb. M. 2,60.
Band IV. Friedrich Nietzsche von Hans Gallwitz. Ein Lebensbild. Mit Porträt. Geb. M. 3,–.
Band V. Franz Liszt von Eduard Reuß. Ein Lebensbild. Mit Porträt. Geb. M. 3,60.
Band VI. Max von Forckenbeck von M. Philippson. Mit Porträt. Geb. M. 4,60.
Band VII. Ludwig Windthorst von J. Knopp. Ein Lebensbild. Mit Porträt. Geb. M. 3,60.
Band VIII. Ernst Haeckel v. Wilh. Bölsche. Ein Lebensbild. Mit Porträt. Geb. M. 3,60.
Band IX. Ernest Renan von Ed. Platzhoff. Ein Lebensbild. Mit Porträt. Geb. M. 3,60.
Band X. David Friedrich Strauss. Sein Leben und seine Schriften unter Heranziehung seiner Briefe dargestellt v. Karl Harraeus. Mit Porträt. M. 4,60.
Band XI. Joseph Arthur Graf von Gobineau. Sein Leben und sein Werk. von Dr. Lic. Eugen Kretzer. Mit Porträt. Geb. M. 4,–.
Band XII. Max Klinger v. Lothar Brieger-Wasservogel. Mit Porträt. Geb. M. 4,–.
Ausführliche Kataloge und Prospekte versendet an jede Adresse gratis und franko der Verlag von Hermann Seemann Nachfolger in Leipzig, Goeschenstr. 1.
Neue Romane von
Wilhelm Holzamer
Der heilige Sebastian
Roman eines Priesters.
Preis brosch. M. 3,–, geb. M. 4,–.
Der arme Lukas
Eine Geschichte in der Dämmerung.
Preis brosch. M. 2,50, geb. M. 3,50.
Peter Nockler
Die Geschichte eines Schneiders. Preis brosch. M. 2,50, geb. M. 3,50.
»Es ist ein inniges, aus tiefster Lebenserkenntnis und tiefstem Fühlen heraus geschaffenes Buch, ein weises und tapferes Buch.«
Deutsche Heimat.
Die Vaclavbude
Ein Prager Studentenroman v. Karl Hans Strobl.
2. Auflage. 2. Tausend.
Brosch. M. 3,–, geb. M. 4,–.
»Nach der süßlichen Romantik »Alt-Heibelbergs« wirkt ein so gesundes Buch wie das vorliegende doppelt wohlthuend. Strobl schildert in seinem Studentenroman die letzten Tage der sturmbewegten Zeit unter dem Ministerpräsidenten Badeni. Plötzlich fühlt man sich in jene Zeit zurückversetzt und lebt den Prager Rummel bis zur Verhängung des Ausnahmezustandes mit … Die Schrecken dieser wenigen Wochen sind von dem Autor mit einer solchen Anschaulichkeit geschildert, daß es einem an mancher Stelle den Atem verschlägt.«
Deutsche Zeitung. Wien.
Von
Isolde Kurz
ist im Verlag von Hermann Seemann Nachfolger in Leipzig erschienen:
Florentiner Novellen.
2. Auflage. Gebunden M. 5,50.
Italienische Erzählungen.
Gebunden M. 5,50.
Phantasien und Märchen.
Gebunden M. 3,–.
Gedenkblatt zu Böcklins Totenfeier.
Mit Zeichnung von Bildhauer Roemer in Florenz.
M. –,50.
Frutti di Mare.
Zwei humoristische Erzählungen.
Preis geb. M. 3,–.
Unsere Carlotta.
Eine Erzählung. Geb. M. 3,–.
Genesung,
Sein Todfeind und Gedankenschuld.
Drei Erzählungen. Geb. M. 5,–.
Gedichte.
3. Auflage. Geb. M. 4,–.
Die Stadt des Lebens.
Schilderungen aus der Florentinischen Renaissance.
Broschiert M. 5,–, geb. M. 6,50.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes.
Neue aktuelle Romane, die für jeden Gebildeten von Interesse sind.
Die Spiritisten
Roman von Victor Blüthgen
Preis brosch. M. 3.–, geb. M. 4.–.
»Wer dem Spiritismus nicht gänzlich ablehnend gegenübersteht, wer den geheimen Wunsch hat, daß verschleierte Gebiet der 4. Dimension kennen zu lernen, wer vielleicht schon gar im stillen einen Ausflug dorthin versucht hat, dem sei mit warmem Herzen dies Buch empfohlen … Die ›Spiritisten‹ sind amüsant von der ersten zur letzten Seite, und man wird das Buch nur ungern vor Schluß aus der Hand legen.«
Altonaer Nachrichten.
Ein Buch voll herzerfreuenden Humors für Jung und Alt, insbesondere aber für die deutsche Frauenwelt ist
Der Liebesbrief meiner Köchin
von Manuel Schnitzer
2. Aufl. Preis brosch. M. 2., geb. M. 3.
»Der Wiener Humorist hat uns mit seinem ›Liebesbrief‹ wieder ein sonniges Buch geschenkt, das seine Leser in allen Kreisen finden wird.«
Hamburger Fremdenblatt.
»Aus dem Buch weht uns ein wohlthuender Dickensscher Humor entgegen, und mir fällt bei Schnitzers heiteren Spaziergängen durch das Leben immer Goethes Wort ein: »Die Menschen soll keiner belachen, als einer, der sie herzlich liebt.«
Berliner Lokalanzeiger.
»Ein wahres Kunstwerk ist dieses Buch, das in seiner Harmlosigkeit uns Liebenswürdigkeit spannt und fesselt. Man legt das Buch aus der Hand – die handelnden Personen darin wird man nimmer vergessen. Von wie vielen Büchern mit »Geschichten« kann man dies sagen?«
Berliner Börsenzeitung.
»Es ist ein kleines Buch, das Wärme ausstrahlt.«
Berliner Tageblatt.
»Wer also selbst sich einen Genuß bereiten oder einem andern eine Freude bereiten will, der erwerbe dies Buch. Es wird ihm ein lieber Freund werden.«
Berliner Morgenpost.
Die Blauen
Eine humoristische Geschichte aus dem modernen Kunstleben von
Paul von Schönthan.
2. Aufl. Brosch. M. 2.50, geb. M. 3.50.
Dilettanten des Lasters
Roman von C. Eysell-Kilburger
(Frau Victor Blüthgen).
Preis brosch. M. 3.–, geb. M. 4.–.
»Man meint nach der Lektüre dieses Romans die Mädchen persönlich zu kennen, diese Mädchen mit der frohbewußten äußeren Unabhängigkeit vom Manne und der heißen inneren Sehnsucht nach ihm. Diese Mädchen, die in brennender Neugier gern des Lebens süßestes Geheimnis ergründen möchten und doch wieder vor der Entschleierung des Bildes zu Sais schaudernd zurückschrecken und sich begnügen, nur mit zagen Fingern daran vorüberzustreifen – Dilettanten des Lasters.«
Wiesbadener Tageblatt.
Neue Bücher von
Amalie Skram
Knut Tandberg
Die Geschichte einer Ehe – Preis brosch. M. 2.–, geb. M. 3.–.
Frau Ines
Erzählung – Preis brosch. M. 2.–, geb. M. 3.–.
Gebet und Anfechtung
Erzählung – Preis brosch. M. 2.–, geb. M. 3.–.
Das Problem des modernen Judentums, insbesondere des Zionismus, behandelt in grundlegender Weise:
Altneuland
Roman von
Theodor Herzl
4. Aufl.
Volksausgabe brosch. M. 2, geb, M. 3;
Geschenkausgabe brosch. M. 4, geb. M. 5.
»Kein Gebildeter, der an den Strömungen im heutigen Judentum, an der Judenfrage überhaupt, auch nur den geringsten Anteil nimmt, sei es in freundlicher, sei es in feindlicher Weise, wird an diesem Buch vorübergehen können, an diesem Buch, das in einer wundervoll phantastischen Voraussetzung das zionistische Ideal, das Sehnen der Juden nach ihrer palästinensischen Heimat als verwirklicht hinstellt.«
Ein originelles Buch für Mieter und Hausbesitzer!
Soeben erschien:
Flucht aus der Mietskaserne.
Eine Wohn- und Baugeschichte von
Johann Hennrich (Schulte vom Brühl).
Preis broschiert M. 2,–. gebunden M. 3,–.
Das Buch, das die Freuden und Leiden eines Wohnungsmieters vom ersten Einzug in eine Mietskaserne bis zum Einzug in das eigne Häuschen behandelt, ist eine der schlagkräftigsten humoristisch-satirischen Plaudererzählungen unserer modernen Litteratur. Jeder Wohnungsmieter wird seine helle Freude an diesen von einem echten Poeten dargebotenen Schilderungen haben. Das Buch hat auch eine soziale Bedeutung. Es arbeitet den überall auftauchenden baugenossenschaftlichen Bestrebungen zur Behebung der Wohnungsmisere in die Hände und ist somit ein Werk von höchster Aktualität.
Verlag von Hermann Seemann Nachfolger in Leipzig.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen.
Wichtige Novitäten auf dem Gebiete der bildenden Kunst und des Kunstgewerbes:
Kunstgewerbliche Laienpredigten
von Prof. Henry van de Velde.
Preis brosch. M. 3,50, geb. M. 5,–.
Jean François Millet.
Sein Leben und seine Briefe von
J. Cartwright.
Einzig autorisierte deutsche Ausgabe von Cl. Schröder.
Mit Porträt von J. Fr. Millet in Heliogravüre.
Preis brosch. M. 14,–, geb. M. 16,–.
RUSKIN.
Sein Leben und sein Wirken von Marie von Bunsen.
Preis brosch. M. 4,50, geb. M. 6,–.
Monographien des Kunstgewerbes
Herausgegeben unter Mitwirkung aller in Frage kommender hervorragender Fachleute von Prof. Dr. Jean Louis Sponsel.
Bis jetzt sind folgende Bände erschienen:
Band I. Geh. Reg.-Rat Dr. Wilhelm Bode, Vorderasiatische Knüpfteppiche. Br. M. 7,–, in Leinwand geb. M. 8,–, Liebhaberband M. 9,–.
Band II. Dr. Gustav E. Pazaurek, Moderne Gläser. Br. M. 5,–, in Leinwand geb. M. 6,–, Liebhaberband M. 7,–.
Band III. Dr. Adolf Brüning, Die Schmiedekunst. Br. M. 5,–, in Leinwand geb. M. 6,–. Liebhaberband M 7,–.
Band IV. Dr. Hermann Lüer. Technik der Bronze-Plastik. Br. M. 4,–, in Leinwand geb. M. 5,–, Liebhaberband M. 6,–.
Band V. Prof. Richard Borrmann, Moderne Keramik. Br. M. 4,–, in Leinwand geb. M. 5,–, Liebhaberband M. 6,–.
Band VI. Geh. Reg.-Rat Dr. Wilhelm Bode, Italienische Hausmöbel der Renaissance. Br. M. 4,–, in Leinwand geb. M. 5,–, Liebhaberband M. 6,–.
Band VII. Prof. Ferdinand Luthmer, Deutsche Möbel. Br. M. 4,–, in Leinwand geb. M. 5,–, Liebhaberband M. 6,–.
Band VIII. Prof. Dr. Christian Scherer, Elfenbeinplastik. Br. M. 4,–, in Leinwand geb. M. 5,–, Liebhaberband M. 6,–.
Band IX. Cornelius von Fabriczy, Medaillen der italienischen Renaissance. Br. M. 5,–, in Leinwand geb. M. 6,–, Liebhaberband M. 7,–.
Band X. Dr. Jean Loubler, Bucheinband in alter und neuer Zeit, Br. M. 4,–, in Leinwand geb. M. 5,–, Liebhaberband M. 6,–. (Im Druck.)
Interessenten, welche eingehendere Prospekte zugeschickt haben wollen, werden gebeten, ihre Adresse dem Verlag Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig, Goeschenstrasse 1 bekannt zu geben.
Von
Walter Crane
sind u. a. folgende Werke in deutscher Ausgabe erschienen:
Dekorative Illustration des Buches in alter und neuer Zeit. Autorisierte deutsche Ausgabe mit 160 Illustrationen. Aus dem Englischen übersetzt von L. und K. Burger. 2. Auflage. Br. M. 7,50, geb. M. 9,–.
Linie und Form. Autorisierte Ausgabe mit ca. 160 englischen Originalillustrationen. Br. M. 10,–, geb. M. 12,–.
Grundlagen der Zeichnung. Autorisierte deutsche Ausgabe mit 200 Originalillustrationen. Br. M. 12,–, geb. M. 14,–.
Von
William Morris
sind u. a. folgende Werke in deutscher Ausgabe erschienen:
Kunstgewerbliches Sendschreiben. Brosch. M. 2,–.
Wahre und falsche Gesellschaft. Br. M. 1,–.
Zeichen der Zeit (Signs of change). Einzig autorisierte Ausgabe. Aus dem Englischen übertragen. Br. M. 3,–, geb. M. 4,–.
Neues aus Nirgendland. Utopischer Roman. Br. M. 6,–, geb. M. 7,50.
Die Geschichte der glänzenden Ebene, auch das Land der Lebenden oder das Reich der Unsterblichen genannt. Br. M. 3,–, geb. M. 4,–.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes.
Weitere Anmerkungen zur Transkription
Offensichtlich fehlerhafte Zeichensetzung wurde stillschweigend korrigiert.
Die Typographie der Werbeseiten wurde vereinfacht.
Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht.
Korrektur der Fußnoten:
S. 42: Fußnote 48 zu 49
S. 103: Fußnote 70 zu 79.
S. 140: Fußnote 123 ergänzt.
S. 225: Fußnote 187 zu 186.
S. 380: Fußnote 309 zu 307, Fußnote 309 ergänzt.
Die Verweise auf die Fußnoten 25, 82 und 96 fehlen und konnten nicht zugeordnet werden.
Textkorrekturen:
S. 20: bucken → buken:
… Honigkuchen buken und Met brauten,
S. 24: κονυξη → κονυζη
… Zusatz des Würzkrautes κονύζη (Konyze) trinkbarer,
S. 24: Unterschiedliche Schreibweise Thrakier und Thrakern beibehalten.
S. 27: entrückte → entrückter
… seit in nebelgraue Ferne entrückter Vergangenheit,
S. 39: Bierpantscher → Bierpanscher
wurde gegen die Bierpanscher gewettert,
S. 46: primus → Primus
dem farbigen Jan Primus alias Gambrinus …
S. 48: vilanda → vitanda
ein Büchlein »De generibus obriosorum et ebrietate vitanda« herausgab
S. 49: Baiern → Bayern
sowie auch in Bayern im Mittelalter …
S. 54: Groschen → Schock
für einen Schock Rinder …
S. 59: legte → belegte
… belegte der König mit Beschlag,
S. 79 Farrenbacher → Ferrenbacher (aufgrund der Sortierung)
Ferrenbacher Vivat, eine Weißbierart.
S. 81: Franfurt → Frankfurt
Lorch in Frankfurt a. O.
S. 90: Baierns → Bayerns
ein Abklatsch des bierseeligen Bayerns unserer Zeit.
S. 108: er ergänzt
In augusteischer Zeit war er im nördlichen Teil …
S. 109: Die Fußnoten 85 und 86 sind vermutlich vertauscht (nicht korrigiert).
S. 133: Pfenning → Pfennig
… der vierte Pfennig des Strafgeldes zugesichert.
S. 162: Joachimthals → Joachimsthals
so die Bergleute Joachimsthals in Böhmen
S. 213: ersterer → erstere
… Hirse mit Würsten, erstere mit Safran …
S. 237: Schreibweise Lakeien beibehalten
… ganz hinten stehen zwei Lakeien.
S. 256: ergaben → ergeben
… und dem Trunk ergeben war.
S. 289: Gottesgeisel → Gottesgeißel
… Attila, die Gottesgeißel,
S. 291: Schreibweisen jren und yren beibehalten
in jren Hofen, von yren Dienern,
S. 314: Geldverlegenkeiten → Geldverlegenheiten
immer in den drückendsten Geldverlegenheiten,
S. 337: De → Die
Die Klöster benötigten reichen Erntesegens,
S. 395: weger → wegen
… und wegen der greulichen,
S. 403: Enciklopädie → Encyklopädie
[141] Ökonomische Encyklopädie, 5. Teil,
S. 408: Humanimus → Humanismus
Dr. Ludwig Geiger, Renaissance und Humanismus …
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1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any word processing or hypertext form. However, if you provide access to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1.
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1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided that
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