FERDINAND HARDEKOPF
KURT WOLFF VERLAG / MÜNCHEN
BÜCHEREI „DER JÜNGSTE TAG“ BAND 85
COPYRIGHT 1921
BY KURT WOLFF VERLAG A.-G. MÜNCHEN
DRUCK DER SPAMERSCHEN BUCHDRUCKEREI IN LEIPZIG
FÜR W. Ü......
Mais ce retour à la sincérité
plaît surtout chez un artiste
qui connaît tous les raffinements
Barrès, Le Secret de Tolède.
Desconfiad de nosotros.
Stefan Wronski.
Darf solcher Traum mir je verblassen?
Das Fieber, das du mir gelassen,
Soll mich in hohe Grade werfen,
Ich will es mit Bewusstsein schärfen.
Wie fraglich, ob ich DICH gehalten:
Die letzte deiner Scheingestalten!
War das (im crême und erdbeer Lichte)
Das wesen-nächste der Gesichte?
Du sprangst aus kirschenroten Hosen —
Als ... purste der Metamorphosen?
Und bildetest, mit kleinem Fächeln,
Ein schmales, rätselhaftes Lächeln.
Wem gibst du (jetzt ...) die tiefste Stunde?
Den wahrsten deiner tausend Munde?
Mir bleibt der Tic, dir nachzutasten —
Mit Händen, die ... dich jemals fassten?
In allen meinen Scheingestalten
Bin ich nicht Schein: bin ich enthalten!
Ist starr, was strahlt und weht im Lichte?
Wahr ist nur Wandlung der Gesichte.
Es blieb mein Mund bei deinem Munde,
Zutiefst bewahr’ ich unsre Stunde,
Und bin geschmiegt in euer Tasten,
O schöne Hände, die mich fassten.
Ob sich eine Laune fände,
Die mir eure Chronik schriebe,
Sinngetreu, ihr meine Hände:
Nacht- und Tagebuch der Liebe?
Fändest du vielleicht es reizend,
Rechte Hand, mir zu Gefallen,
Stil-ertastend, finger-spreizend,
Einst-Umkralltes zu umkrallen?
Alle liebliche Erfahrung
In ein dichtes Wort zu pressen
Und der wildesten Gebahrung
Knappste Kleidung anzumessen?
... Nein! die Hand-Schrift sei verhindert,
Übersinnlich nichts erbeutet!
Qual verharre ungelindert!
Kein Geheimnis sei gedeutet!
O dieses Tollkopfs heller Duft!
O Tulpenleuchten gelben Haares!
O Gnadenblick in Flimmerluft!
O Glücksminute dieses Jahres!
Ich wusste nicht, dass ich besass
Ein Kupferglimmen früh im Lichte,
Ich wusste nicht, dass ich vergass
Dies Dämmerlächeln der Gesichte.
Bin ich, wie einst, so mild bestäubt?
O Glas und Zweifel dünnsten Traumes!
Du junger Kornduft, duftbetäubt,
Besonnter Schein umschäumten Schaumes!
Ich halte, ganz in deinem Hauch,
Dich: Apfelwange, Sommersprossen ...
Es ist ein Traum, ein Gift, ein Rauch,
Ein Lügen-Gold und schon zerflossen.
Ich sah dich Grenadine schlürfen,
Dein Wildgeruch ergriff mich schon —
Und hab nur stockend murmeln dürfen:
„Wer ist die ... scharfe Attraktion?“
Ich depeschierte: „Komm, du Dirne!
Man hat gewittert Dunst und Bau.
Du hast die hellste Kinderstirne
Und bist die dunkel-tollste Frau!“
Vergeblich. Doch der Nicht-Genehme
War schon phantastisch angesteckt —
Du hast mich völlig, Unbequeme;
Und ... ich hab dich, als mein Objekt.
O, dein von Mörderhand gekürzter
Chablis-Skalp, du zerwühlter Kopf,
Durchreizt das Dasein mir gewürzter,
Als jüngster Judith Doppelzopf.
Was willst du, Fremde, noch verhindern?
Ich bau dich auf aus Kunst und Schaum.
Du wirst mir Unerhörtes lindern,
Du bist ja mein in jedem Traum.
Wie gern in mystischer Verschwörung
Dein Linien-Tiefstes sich mir gibt!
Lass uns allein! Du ... Erd-Empörung,
Bleib ferne, knäbisch angeliebt!
Ächz’ unter Assessoren-Küssen — —
Indes in Spuk- und Geisterwelt
Mit zugespitztesten Genüssen
Dein kluger Schatten mich umstellt.
Es ward zu blass, als Abenteuer,
Aus schönen Augen jenes Feuer.
Man blinzelte ins Weltgewoge
Und nahm die Politik, als Drogue.
Man brauchte aber mehr Gefahr,
Als daraus zu ersaugen war:
Man schlich, mit süss gepresstem Atem,
Cambriolierend, zu Privatem.
Nach Valerius Brjussow
Klügster Mann der Weltgeschichte!
Beispiel, dem ich folgen muss!
Lockung meiner Traumgesichte:
Vorbild du, Antonius!
Um die Freiheit kämpften viele,
Viele kämpften um den Ruhm;
Dir als erstem ward zum Ziele
Seligeres Heldentum.
Denn in Blut- und Siegesfeiern
Sahst du kaum noch einen Sinn;
Das Geheimnis zu entschleiern
Galt es der Egypterin.
Dir ward eine Zeitenwende
Anvertraut, Antonius:
Welten-Anfang, Welten-Ende,
Und du wähltest: einen Kuss.
Und in rätselvolle Lande
Lenktest du des Steuers Griff;
Jenseits von Bravour und Schande
Fuhr zum erstenmal ein Schiff.
Sphinx erglomm in Sternennächten,
Bis die Memnonssäule klang:
Neue Zeit mit neuen Rechten,
Alter Formeln Untergang.
Ja, man opfert für Entkleidung
Eines Lächelns vieles hin,
Und die Stunde der Entscheidung
Schlägt bei der Egypterin.
Den Marmortisch umsprühen Manieristen,
Erregt vom Beichtwort Mauds, der Künstlerin:
„Weiss nicht, ob Weib ich, ob ich Knabe bin!“
Sie steigern sich in überhitzte Listen.
Der Dame liegt die letzte Nacht im Sinn.
Dem John, dem dunkelsten der Morphinisten,
Dem Welt-Abbé, dem Décadence-Artisten,
Hält sie die gleiche klare Stirne hin.
Da: Jack, Gorilla, erster Fussball-Preis.
Der Geist bestellt die sechste Schnaps-Karaffe.
Wie Maud, erkannt, ihr süsses Schicksal weiss!
Es fällt die Festung vor dem Bild der Waffe.
Dem Football-Monstrum bringt man Huhn mit Reis,
Maud, sachlich: „Schaufle was du kannst, mein Affe!“
Gazellenscheu im Wüstenbrand der Lüste,
Erzittert sie vor der gesuchten Gier
Und lockert sich dem guten Elixir,
Mit dem sie viel zu übertäuben wüsste.
Dann trägt sie, sehr erfahren, Bar-Manier,
Die Irrlicht-Augen, Muschelglanz der Brüste,
Sich-Praxis, küssende und wundgeküsste,
Geschäftlich zum Geschäftsmann: „Cavalier.“
„Wer sind Sie? Opfer oder Henkerin?
Wie lügen Sie? Wie werden Sie belogen?
Was geben Sie? Was gibt man Ihnen hin?“
Aztekisch ist ihr das Profil gebogen.
„Man kennt mich doch. Bestellen Sie mir Gin!“
Sie faltet sich dem Paradies der Droguen.
Weil er von der süssesten Dame genossen,
Im Kerzensaal hab ich ihn höflich erschossen,
Und verschwand durch die Säle (das war keine Flucht),
Mit Bewusstsein verweilend, in Spannung und Zucht.
Ihr Spiegel: ob ihr dieses Lächeln errafftet?
Ich ward von den Häschern behutsam verhaftet.
Da spielt’ ich mich so, wie es Träume gelehrt:
Unschuldig-verwöhnt und phantastisch-verzehrt.
Erforschest du mich, chiromantischer Spürer?
Schon bin ich, geheim, deines Scharfsinns Verführer!
„Sind Mörder so zart? so verkünstelt-zerdacht?“
Befreiten, Gelangweilten hegt mich die Nacht.
Aus der steilen, transparenten Nudel
Quillt ein Quantum Quitten-Quark empor,
Ballt sich, physisch, zum gewürzten Strudel,
Kreist: ein Duftballon aus einem Rohr.
Wann (und wo?) war Schweben delikater?
In der Spannung wird man blass, wie Chrom.
Lehr- und Schüler folgen dem Theater.
Doch der Stern geniesst sich autonom.
Hohe Hirnkraft wallt zu diesem Gase.
Das bestülpt der sachlichste Adept
Das Gestirn mit einem Stengelglase,
Darin dottrig etwas Ei verebbt.
Die Dämmerung sah ihn, den Anwalt, der sonor
Aus dem Automobil die Freunde noch beschwor.
Er inspizierte dann im Regen Guillotinen.
Wie rostig waren die Partei-Bureau-Maschinen!
Da rief der Anwalt hell: „Wir möchten ungern schlafen
Vor der Erledigung der Köpfungs-Paragraphen!“
Was weiter dann geschah? Wer kann das Schicksal ändern?
Ihr findet es erzählt in den Geschichtskalendern.
Opernprobe. (Vor-Börse; Schwellung.)
Gold im Gebiss, Gold im Lächeln, der chef d’orchestre. Skandiert.
Rhythme der Strasse, der Piazza. Ballet fällt nach links.
Niedliche Disciplin.
Flöten rühren die Probe auf.
Um die Ecke zacken Blitze, lila;
Lila Zig-zags;
Happy zig-zags, vom Brandy-Mond;
Lila Cuben um die Ecke.
Schwefelpfeile surren durchaus.
Strahl in Bündeln, Licht in Schnitten.
Gelbe Garben rasen.
Gell hetzen die Hellen.
Reflektoren zischen prompt. Lichtgüsse knattern. O Feststellungen klarer Augen!
Ein Scheinwurf von Mädchenröcken, mäandrisch.
Scheinwerfer im Galopp gebrochner Graden.
Netter Fall nach links, gebräunt.
Diese Oper concipiert Gott als Narkotikum.
Da: Telegramme, réponse payée: spitzere Reisen! gehetztere Bahn! frechere Cascaden! plärrenderes Rot! Geplärr und Knall in Rot!
Ein Zirpen der Elektro-Mücken, bei Seite, für die Rasta-Rastas.
Tk! — wird eingeschaltet Quecksilber, phtisisches Lila, Motor-keuchen, fliehende Wellen aus Honig und Duft.
Exakt rast diese Oper. Sie spurtet, wie sie will.
Auf dieser Scene, knisternd, schneiden sich die Einsamkeiten.
Neuro-Katarakte. Präcisions-Inferno. Höchst dosierter Wahnsinn. —
... Blüte der Sessel: „Tausend Aufführungen garantiert!“ Kapellmeisters Stirn beperlt Notierungen. Durch etliche Hirne kribbelt eine Serie bezifferter Triumphe.
Zerdachter Turm,
Runenfels,
Furchensäule,
Gerieftes Bewusstsein:
Wagst Weite und Wolken, wie du willst,
Dich splitternd in die Nuancen,
In die Scheine deiner Dunkelheit.
Welchem Geiste gelänge solche Verzweigung,
Welcher Weisheit solche Verästelung,
Welchem Raffinement solche Zerblätterung?
Baum!
In zitternde Strahlen zerlegst du
Deine Nervosität.
Aber deine Äste leimt zart
Sphärenblauer Eiter des Mittags, zerschichtet von den kupfer-goldnen Telegraphenhaaren der Spinne.
Sehr absichtlich trägst du
Epheu, modernes Moos und die auffallende Lyrik einiger Vögel.
... Doch, bitte,
Bäume dich,
Und wehre dem Einkleid,
Zu bedrohen
Deine
Différenciation.
Ich ward durch meine grosse Angst berühmt.
Mein Kissen tönte sie mir zu.
Ich schrieb sie auf —
Doch alle hatten soviel Angst, wie ich.
O schwankes Wunder, wenn mein Stern aus Abendblättern glomm!
Mich Bitternis und Hohn, die feinsten Zungen priesen mich!
Da gab ich,
Lächelnd,
Allen Glanz der Welt zurück,
Denn alle Welt war so berühmt, wie ich.
Bei Tische wird ein Fisch: Herr Salzmann-Zwei, verspeist.
Er stellt es sich kaum vor. Dann sagt er, wie er heisst.
Das heisst: er stellt sich vor. Zwar sind die Fische stumm,
Doch kümmert dieser Snob von Fisch sich nicht darum.
Bequemten sich denn je die Allerweltsverhöhner
Gesetzen der Natur? Das wäre ja noch schöner!
Visitenkarten sind Herrn Salzmann nicht zur Hand:
So macht er mündlich sich der, die ihn isst, bekannt.
Es nennt die, die ihn isst, sich: Fräulein Grete Chlor.
Das heisst: sie nennt sich nicht! Wer stellt sich Fischen vor?
Und eine Gräte ist im Munde dieser Dame.
Jedoch in Gretes Mund nennt sich des Fisches Name.
Der Fisch sagt: „Salzmann-Zwei!“ War je ein Fisch correcter?
Und doch: wie incorrect! In Gretes Munde steckt er!
Wie denn? Er ganz? O nein! Von ihm ein kleiner Teil!
Fast eine Gräte nur! Selbst die ist kaum noch heil.
Anstatt der Vorstellung: „Salzmann, durch Hundertdrei“,
Behauptet dies Gerät, dass es noch „Salzmann“ sei!
Der Fisch ist stumm. Und dies, ein Fisches-Hundertdrittel,
In Grete Gräte nur, weist mit dem letzten Mittel
Auf sein Gewesensein! Muss Grete sich verschlucken?
Ach, kaum gelingt es ihr, die Gräte auszuspucken! —
Der Dame blieb seither, wie sehr sie auch von Welt,
Die Vorstellung von Fisch doch irgendwie vergällt.
Nach dem Russischen
Organismus: glaubt an Gott.
Schlüsselbein: will himmelwärts.
Um die Lippen: etwas Spott.
Und Revolte schlägt das Herz.
Ohne Heimat. Ohne Ziel.
Auch das Alter weiss man nicht.
Höchst verdächtiges Profil.
Geistig blinzelndes Gesicht.
Nach Baudelaire
Man blies Reveille auf den Höfen der Kasernen,
Und Morgenwind durchfuhr die klirrenden Laternen.
Das war die Stunde, wo der bösen Träume Schwarm
Den Jüngling anfällt in des letzten Schlummers Arm;
Wo, wie ein Aug voll Blut, das zuckt und sich zersetzt,
Die Lampe einen Fleck rot auf das Frühlicht ätzt;
Und wo der Geist, vom Zwang des Körpers deprimiert,
Den Kampf der Lampe und des Dämmerlichts kopiert.
Wie Brisen im Gesicht die Tränen schwinden lassen,
So fröstelt es im Raum von Dingen, die verblassen.
Schreibmüde ist der Mann, und liebesmatt die Frau.
Von Häusern hier und da steigt schmaler Rauch ins Grau.
Die Sklavinnen der Lust, bleifahl das Augenlid,
Mund offen, schlafen nun, und sind im Schlaf stupid.
Die Bettlerin schleppt hin der Brüste Magerkeit,
Haucht auf die kalte Hand und haucht aufs Feuerscheit.
Das ist die Stunde, wo, zerfroren, ungehegt,
Der Wöchnerinnen Qual sich zu verschlimmern pflegt.
Als würde ein Geschluchz durch Blutsturz abgeschnitten,
Zerreisst jetzt Hahnenschrei das Nebelmeer inmitten.
Ein Schleierwogen wird die Bautenpracht umspülen.
Doch Sterbenden entflieht, tief in den Nachtasylen,
Der letzte Röchelhauch, verkrächzt und abgehackt.
Ein Wüstling geht nach Haus, von seinem Tun zerplackt.
Nach Baudelaire
Die Sonne ist umflort. Manon, mach es wie sie,
Und mummele dich ganz ins Fell der Apathie.
Schlaf oder rauche viel; bleib still in Qualverbrämung
Und tauche auf den Grund der tiefsten Willenslähmung.
Ich lieb dich wie du bist. Doch: sollte es dir passen,
Die Finsternis, mein Stern, heut Abend zu verlassen
Und aufzuleuchten da, wo bunte Tollheit lacht,
Das wäre hübsch, Manon! Wir bummeln heute Nacht! —
Entzünde deinen Blick am Strahl von tausend Lichtern!
Entzünde die Begier auf schweinischen Gesichtern!
Du ganz bist meine Lust, ob strotzend, ob morbide;
Sei was du immer willst: Zerrüttung oder Friede,
Sei Licht, sei Dunkelheit — lass mir nur eins gelingen:
Mich, Satan-Göttin, DIR als Opfer darzubringen.
Nach Jules Laforgue
Ihr seid gereizt durch mein Benehmen?
So sagt mir doch, was euch gefällt!
Vor mir braucht man sich nicht zu schämen!
Ich bin ... das Weib! Mich kennt die Welt.
Die Haare glatt? ... Nach der Methode?
Wollt ihr mich wild? Wollt ihr mich zart?
Ich hab’ Frisuren jeder Mode
Und habe Seelen jeder Art.
Pflückt doch die Blume meines Mundes!
Trinkt meinen Kuss, nicht meinen Sinn,
Und suchet, Narren, nichts Profundes,
Wo ich mir selbst Geheimnis bin.
Ihr dünkt euch überlegne Kenner?
Ach, unsre Waffen sind nicht gleich!
Ihr seid nur giergeplagte Männer:
Ich bin ... das Weib, mein ist das Reich!
Mein Ziel wird ewig sich erfüllen,
Ich bin die Isis alter Zeit,
Und niemand konnte mich enthüllen,
Doch bin ich eurer Lust bereit.
Und irritiert euch mein Benehmen,
So sagt mir doch, was euch gefällt!
Vor mir braucht man sich nicht zu schämen,
Ich bin ... das Weib! Mich kennt die Welt.
Nach Théodore Hannon
Herbst-Nacht. Das Meer, in grosser Trauer, celebriert
Den Tod des Lichts. Ein Chor von starren Finsternissen
Steigt nieder von dem schwarzen Himmel, der sich hellt
Mit Sternen, Silberpunkten dieser düstren Kuppel.
Ein dunkler Wind verneigt die aufgeschwellten Wogen,
Der Ocean verblutet sich in Totensängen,
Die Fluten-Orgel stöhnt ein dumpfes De Profundis,
Und eine Welle scheint ein Schweisstuch zu bewegen.
Da, plötzlich, brennt der Mond und jubelt und ist rund.
Wie diese Scheibe auf dem schwanken Meere schwimmt,
Da kommen aus der Ferne große schwarze Vögel
Und schreien sehr und küssen diesen Hostienteller.
Sie töteten drei Mägdelein,
Zu sehen in ihr Herz hinein.
Das erste Herz war voll von Lust,
Und wo sein Blut geflossen war,
Da zischten drei Schlangen drei lange Jahr.
Das zweite Herz war voll von Ruh,
Und wo sein Blut geflossen war,
Da grasten drei Lämmer drei lange Jahr.
Das dritte Herz war voll von Qual,
Und wo sein Blut geflossen war,
Da wachten drei Engel drei lange Jahr.
Die Hex sperrt’ sie in eine Grott
Und zeichnete das Tor verquer,
Die Maid vergass das Sonnenlicht,
Der Schlüssel, der fiel in das Meer.
Sie wartete die Sommertag,
Sie wartete wohl sieben Jahr,
Vergehend gingen all die Jahr.
Sie wartete die Wintertag,
Und ihre Haare, wartende,
Die dachten an das Licht zurück.
Sie suchten es, sie fanden es,
Sie glitten zwischen Kieseln fein
Und leuchteten auf Felsgestein.
Des Abends geht ein Mann vorbei,
Begreift nicht dieses Schimmerlicht,
Und nah zu kommen wagt er nicht.
Er glaubt, es sei ein Märchenschein,
Er glaubt, es sei ein goldner Quell,
Er glaubt ein Spiel der Engelein
Und wendet sich und wandert schnell.
Der Mittag ist so karg erhellt.
Ein schwarzer See sinkt in sein Grab.
Dies ist das letzte Licht der Welt,
Das bleichste Glimmen, das es gab.
Aus Sümpfen schwankt Gestrüpp und Baum.
Die Birken-Nerven ästeln weh.
Die Zeit erblasst, es krankt der Raum.
Tot steht das Schilf im toten See.
Die Luft strömt grau ins Mündungs-All.
Der Rabe schreit. Der Wald schläft ein.
Mich trennt ein rascher Tränenfall
Vom Ende und der Flammenpein.
Da Stund um Stunde, selbst die bängste,
Wie silbergraues Plätschern kam,
Da wards ein Tag, wo ich die Ängste
Mit lässig-stillem Lächeln nahm.
Da tropften alle Qualen linder,
Sie perlten kaum auf meiner Hand,
Sodass ich, endlich Überwinder,
Nichts mehr zu überwinden fand.
Ich presse zu Linien die lästigen Bäche
Und denk’ die ent-ölten in ebenen Plan;
Ich hasse den Raum, ich vergöttre die Fläche,
Die Fläche ist heilig, der Raum ist profan.
Ich werde mich listig der Plastik entwinden
Und lass euch gebläht im gedunsenen Raum.
Ich denke die lieblichsten Schatten zu finden
Im gefälligen Teppich, im flächigen Traum.
Ein Vormittag, september-kränklich.
Die Sonne glimmt. Ich liebe sie.
Ich lieb’, stilistisch-unbedenklich,
Die janze Villencolonie.
Ergebnis ist sie dunkler Nöte ...
Noch pfeffern ja den Milljardär
Die Nacht-Phantome seiner Schlöte
Gewissentlich —: [imaginär].
Der Herbsttag affichiert Platanen.
Schon gilbt das Polizeibureau.
Das Weinlaub hisst Orange-Fahnen.
Das Postamt kreischt geranien-loh.
Ein Fräulein kommt und träumt Amönem
[Es exhibierts] Validen-Dank.
Da: o: verkritzelt mit Obscönem
Ist, lasciviert, die Strassenbank!
Jetzt naht [damit ich recht geniesse]
Ein Reiterpaar in prallem Trab.
Die falbe Wildnis ist Actrice.
... Dies Referat nennstû: „verab.....“??!!
Was wir waren,
Dürfen wir nie erfahren;
Wie gütig ist die Lehre:
Quiëta non movere.
Der Fülle des Gegebenen
Entwachst das Schmale, Zarte;
Die Betten sind die Ebenen
Für Smarte und Aparte.
N’est-ce que ça?
Stendhal
Bientôt, se retirant dans un hideux royaume,
La femme aura Gomorrhe, et l’homme aura Sodome,
Et, se jetant de loin un regard irrité,
Les deux sexes mourront chacun de son côté.
Alfred de Vigny
Der Dinge Gutes: Verlassbarkeit.
Frei — das heisst doch wohl: befreit.
Zweifel | 7 |
Die Antwort | 8 |
Ein Hand-Buch? | 9 |
Zerbrechlich | 10 |
Sublimierung | 11 |
Sich beschäftigen | 12 |
Antonius | 13 |
Das Café-Sonett | 11 |
Das Bar-Sonett | 15 |
Diplomatie | 16 |
Splendeurs et misères des courtisans | 17 |
Ballade | 18 |
Regie | 19 |
Baum | 21 |
Der Dichter T* | 22 |
Herr Salzmann-Zwei | 23 |
Signalement | 24 |
Morgendämmerung | 25 |
Besessenheit | 27 |
Ich bin das Weib | 28 |
Offertorium | 29 |
Wallonisches Lied | 30 |
Wallonisches Märchen | 31 |
Spät | 32 |
Genesung | 33 |
Abneigung | 34 |
Auf der Bank | 35 |
Xenien | 36 |
Anmerkungen zur Transkription
Offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt (vorher/nachher):