Anmerkungen zur Transkription
Das Original ist in Fraktur gesetzt.
Im Original in Fraktur gesetzter Text ist so ausgezeichnet.
Im Original gesperrter Text ist so ausgezeichnet.
Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des Buches.
Das Obererzgebirge.
Heimatkundliche Geschichtsbilder
für
Haus und Schule
von
Max Grohmann,
Schuldirektor.
Zweite veränderte und erweiterte Auflage.
Annaberg 1900.
Graser'sche Buchhandlung (Richard Liesche).
Verlag.
Geyer.
Heimatkundliche Geschichtsbilder
für
Haus und Schule
von
H. Lungwitz,
Oberlehrer.
Geyer.
Buchhandlung von Otto Stopp.
Geyer:
Das Obererzgebirge:
Ausführliches Inhaltsverzeichnis befindet sich am Schlusse des Buches.
Zweifellos ist die alte Bergstadt Geyer nach den Geiern benannt worden, jenen Raubvögeln, die früher in dem waldreichen Erzgebirge häufig nisteten. Die Sage schreibt ihnen die Veranlassung zur Gründung der Stadt zu. Sie berichtet:
»Einst hatten Geier dem Hühnerhofe des Rittergutes Tannenberg argen Schaden zugefügt. Da bestieg der geschädigte Edelmann sein Jagdroß, um den Raubvögeln nachzuspüren. Das Gestrüpp der bewaldeten Höhe hinderte ihn am weiteren Vordringen; er band daher sein Pferd an einen Baum, schritt zu Fuß weiter und fand den Horst der Geier auf, zerstörte das Nest und erlegte auch die alten Vögel. Als er zu seinem Rosse zurückkam, hatte es mit seinen Hufen Zinnstein entblößt. Der Edelmann steckte einige Erzstücke zu sich, zeigte sie Kundigen, und auf deren Anraten schlug man an dieser Fundstelle ein. So wurde der Geyersberg fündig. Es geschah dies zu Anfang des 14. Jahrhunderts.«
So entstand das Bergwerk im Geyersberge, dessen Größe wir noch erkennen und bewundern, wenn wir am Rande der gewaltigen Binge stehen, welche durch den Einsturz dieses Bergwerkes entstanden ist.
Die Bergleute siedelten sich im Thale des Geyerbaches am Fuße des Berges an, und immer mehr zogen herzu. Es bildete sich nach und nach eine Stadt. Diese wurde Geyer genannt, weil Geier die Entdeckung des Erzes und somit die Gründung der Stadt veranlaßt hatten.
Eine andere Überlieferung sagt, im Neste der Geier seien Zinngraupen gewesen, das habe die Bergleute angeregt, in der Nähe zu schürfen, und so seien die Erzschätze entdeckt worden.
So verdankt die Stadt Geyer der Sage nach Gründung und Namen den Geiern. Der Name der Stadt ließe sich jedoch auch erklären, wenn jene Gründungssagen nicht auf Wahrheit beruhten. Manche Stadt ist nach einem nahen Berge benannt worden, man denke an Scheibenberg oder Schneeberg. Geyer liegt an einem Berge, der früher mit undurchdringlichem Waldgestrüpp und Felsblöcken bedeckt war, sodaß er einen Zufluchtsort für die Geier bot und darum wohl schon in ältester Zeit »der Geyersberg« genannt wurde. Geyer kann demnach den Namen auch von dem nahen Geyersberge erhalten haben.
Da nun die Stadt Geyer ihren Namen, wenn nicht sogar ihre Entstehung, den Geiern verdankt, führt sie diese Vögel auch in ihrem Wappen. Drei Geierköpfe sind darauf zu sehen. Leider wissen wir nicht genau, wie das Stadtwappen von Geyer ursprünglich aussah. In der Handschrift von Tschran (1775 beendet) heißt es:
»Was das Wappen der Stadt anlanget, so ist darüber kein Document ausfindig zu machen. Am Rathause befindet sich das Stadtwappen, nach alter Bildhauer- und Wappenart in Stein gehauen, welches 3 Geyersköpfe in einem besonderen Schilde hat, darüber ein offener Helm mit 3 Spriegeln, und darauf ein Geyer befindlich, unter demselben aber die Jahreszahl 1496 in Mönchsschrift stehet.«
Das hier geschilderte Wappen ist noch erhalten, freilich arg beschädigt. Der Verfasser dieses Abschnittes giebt auf der Bildertafel die Zeichnung davon. Er hat darauf die fehlenden Teile ergänzt, soweit sich ihre einstige Gestalt aus den Resten erkennen ließ. Es fehlten das oberste Stück des Wappens mit dem Kopfe des Geiers auf dem Helme, sowie fast alle Verzierungen um Helm und Schild. Gut erhalten ist der Stein mit der Jahreszahl: Anno dm (= domini) MCCCCXCVI.
Im Jahre 1496, zur Zeit der Gründung Annabergs, hat demnach Geyer schon ein großes Rathaus besessen. Dasselbe ist aber 1844 durch ein neues ersetzt worden, wobei das Wappen entfernt wurde. Es steht zu erwarten, daß dieses nächstens wieder vervollständigt und an einen ihm gebührenden Platz gebracht wird. Noch ist zu erkennen, daß das Wappen vergoldet war und blauen Grund hatte.
Tschran berichtet weiter, daß in der Hauptkirche über dem Ratschore ein hölzernes Wappen in verändertem Aussehen angebracht gewesen sei. Leider konnten wir dieses nicht ausfindig machen. Es wird folgendermaßen beschrieben:
»Im Schilde siehet man einen viereckigten Thurm im blauen Felde, mit offnem Thore, daran ein Schild mit 3 Geyersköpfen hängt. Der Helm darüber ist offen, mit einer goldnen Crone, und oben darauf ein Rittelgeyer befindlich.«
Auch das größere und kleinere Stadtsiegel, sowie das Bergamtsiegel werden geschildert. Aus ersterem hat sich fast ohne Veränderung das heutige Stadtwappen entwickelt. (Siehe die Bildertafel!) Die Farben sind folgendermaßen angegeben: Der Turm im blauen Felde ist rötlich. Auf jeder Seite stehen sieben goldene Sterne. Das Dach ist schieferfarben und trägt zwei goldene Knöpfe mit Fähnlein. Der Schild ist silbern und zeigt drei Geierköpfe in ihrer natürlichen Farbe.
Das Wappen von Geyer ist außerdem noch auf dem sogenannten Dreilagensteine zu finden. Dieser ist ein uralter Grenzstein. Auf ihm sieht man das Wappen von Geyer, das des Abtes von Grünhain und dasjenige der Herren von Schönburg. Das Wappen von Geyer besteht darauf nur aus drei Geierköpfen.
Albert Major.
Schon in früher Morgenstunde nach der Nacht, in welcher Kunz von Kaufungen die Prinzen geraubt hatte, begann die allgemeine Verfolgung der Räuber. Da erklang auch vom Turm der Niklaskirche zu Geyer die große Glocke, laut das geschehene Unheil kündend. Die Glocke zersprang. Urban, der Neffe von Georg Schmidt, welcher zu dieser Zeit in Geyer anwesend war, teilte bei seiner Rückkehr seinem Oheim das Ereignis mit.
berichtet der uralte Berg-Reihen weiter. Der Kurfürst aber ließ später aus Dankbarkeit gegen Gott für die glückliche Errettung seiner Söhne auf seine Kosten die große Glocke in Geyer umgießen. Ungefähr in dieser Weise wird in der landläufigen Art bei der Erzählung des Prinzenraubes der Geyerschen Glocke gedacht.
Zunächst muß festgestellt werden, daß weder die Nikolaikirche, noch die bald nach dem Prinzenraub umgegossene Glocke zur Zeit noch vorhanden sind. Die große Nikolaikirche, welche östlich von der Stadt, links von der Ehrenfriedersdorferstraße – die Pflugschar durchschneidet jetzt das Land – stand, wird bereits[iii] 1491 urkundlich als nicht mehr vorhanden bezeichnet, wahrscheinlich war sie durch Brand zerstört worden. Bezüglich des Glockengusses fehlen allerdings gleichzeitige Nachrichten; auch ist in dem bekannten Manifest, welches der Kurfürst am Jakobitage (26. Juli) 1455 erließ, vom Glockenläuten nicht die Rede. Peter Albinus ist der älteste bekannte Chronist, der den Prinzenraub ausführlich erzählt, und er sagt in seiner Neuen Meißnischen Chronik (1580): »Es haben sich die Hofleute nicht gesäumet, sondern von Stund an in alle Gegenden geschickt und sind zum Teil selbst ausgeritten, den Sturmschlag in allen Städten und Dörfern angehen lassen, daß also das ganze Land rege wurde.« Albinus, als geborner Schneeberger, kannte die Gebräuche des Erzgebirges; er wird wohl nicht ohne Grund vom Sturmläuten berichtet haben.
Das wichtigste Zeugnis giebt uns der um die Geschichtsforschung in Geyer so hochverdiente Pastor Blüher, der der Prinzenglocke eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat und der den Umguß der Glocke auf Kosten des Kurfürsten für wahr hält. Nach demselben waren auf der einen Seite der Glocke die Bildnisse der beiden jungen Fürsten angebracht, auf der andern Seite sah man Kunz auf der Erde liegend und das Pferd am Zügel haltend, daneben den Fürsten Albrecht und den Köhler. Oben um die Glocke stand der Vers:
und unten:
Blüher hat beide Distichen in folgender Übersetzung wiedergegeben:
Im Jahre 1580 besichtigte Herzog Albrecht die Prinzenglocke. Sie wurde nach der Zerstörung der St. Niklaskirche im Turme der Lorenzkirche aufgehängt. Die Freude über die schöne Glocke ist nicht von langer Dauer gewesen, schon 1535 ist sie abermals zersprungen. Der Umguß der neuen großen Glocke hat im Jahre 1539 stattgefunden, ob mit Beisteuer Heinrichs des Frommen, wie vermutet wird, ist nicht erwiesen, er geschah jedoch unzweifelhaft in der berühmten Hilligerschen Gießhütte in Freiberg. Die große Glocke ist 1,60 m hoch, ihr Durchmesser beträgt 1,80 m, ihr Ton gilt allgemein als ausgezeichnet. In dem breiten Laubwerkfries, das sie umgiebt, sind kleine Medaillons angebracht, die Karl V., Ferdinand I. nebst Gemahlinnen etc. darstellen. Vorzüglich gelungen ist das Rundbildnis Heinrichs des Frommen, wovon wir auf der Bildertafel eine Abbildung bringen. Außerdem ist noch der Bibelspruch Johannes 3: Also hat Gott die Welt etc. und die Jahreszahl 1539 auf der Glocke angebracht. Die Angaben über die Schwere der Glocke sind schwankend, ein Glockengießer versicherte mir, daß sie über 100 Zentner wiegen müsse. Sei dem, wie ihm wolle, die Geyersche Gemeinde hängt mit großer Liebe an ihrer Glocke. Dies zeigte sich besonders im Jahre 1839, als die dreihundertjährige Geburtstagsfeier derselben feierlich begangen wurde. Und noch heute ruft der eherne Mund der großen Prinzenglocke die Gemeinde zum Gotteshause und begleitet mit ihrem Schwunge des Lebens wechselvolle Stunden!
Hermann Lungwitz.
Von den Bildern, welche die Brüstung der Empore der St. Annenkirche in Annaberg zieren, trug das 28. Bild, Kains Brudermord darstellend, die Inschrift der Stifter »Michael Lotter und Barbara, dessen Ehefrau«. Dies waren die Eltern des berühmten kurfürstlichen Baumeisters Hieronymus Lotter. Michael Lotter war mit seiner Familie 1509 von Nürnberg nach dem rasch emporblühenden Annaberg eingewandert und hatte es hier durch seine Rührigkeit zu Ansehen und Wohlstand gebracht, sodaß ihm seine Mitbürger das Amt eines Bürgermeisters übertrugen. Sein Sohn Hieronymus hatte sich dem Baufach gewidmet und Leipzig als Schauplatz seiner Thätigkeit gewählt. Hier baute er das Kornhaus auf dem Brühl, das Badstubenhaus am Ranstädter Thor, erhöhte den Nikolaikirchturm und versah ihn mit einer Wächterwohnung, brach das alte Rathaus ab und vollendete den Neubau bis zur Bewohnbarkeit innerhalb 9 Monaten. Fremde Kaufleute, die zur Ostermesse den Anfang des Neubaues mit angesehen hatten, waren, als sie zur Michaelismesse wiederkehrten, »mit Verwunderung über so unverhofften Fortgang fast erstarret«. Kurfürst Moritz übertrug dem Baumeister Lotter, die Pleißenburg als Schloß und Festungsbau neu herzustellen. Sein Nachfolger, Kurfürst Vater August, ehrte seinen Baumeister auch dadurch, daß er, so oft er in Leipzig allein oder in Begleitung seiner Gemahlin erschien, in Lotters Behausung abstieg. Die Leipziger Bürger wählten den hervorragenden Baumeister zu ihrem Bürgermeister.
Mit dem Jahre 1560 finden wir Hieronymus Lotter in der Bergstadt Geyer. Er kaufte den Preußerhof, einen mit »Gerichten über Hals und Hand« versehenen Freihof. Der Freihof stand an der Stelle, an welcher sich die frühere Bürgerschule, die jetzige Posamentenfabrik des Herrn Hermann Dietzsch, befindet. Später erwarb Lotter das Rittergut Geyersberg mit etlichen nahestehenden Bürgerhäusern, die er zum Teil abtrug, als er sein Wohnhaus von Grund aus neu aufführte. Dieses Wohnhaus steht heute noch und befindet sich im Besitz des Herrn C. M. Schürer. Überhaupt begann mit Lotter in Geyer ein neues Leben. Durch seine Kunstfertigkeit zur Baulust angeregt, ließ der Rat die beiden damals vorhandenen Brauhäuser und den Rathausturm neu herstellen, den Wachtturm mit einer Türmerwohnung und mit Glocken versehen. Letztere waren besonders dazu bestimmt, die Bergleute nach achtstündiger Schicht zum Gebet und zur Arbeit zu rufen. Lotter unterhielt allein 300 Bergleute; denn er besaß den größten Teil des Geyerschen Zinnbergbaues nebst 8 Pochwerken, die teils in der Stadt, teils am Greifenbache lagen.
Wie in Leipzig, so war auch auf dem Lotterhofe, so hieß das Rittergut von nun an, der Kurfürst nebst Gemahlin, so oft sie im Gebirge weilten, Lotters Gast. Hier im kleinen Schreibstüblein suchte Kurfürst August seinen Baumeister zu bestimmen, ihm auf dem Schellenberge ein Schloß, die spätere Augustusburg, zu erbauen. Als ob Lotter geahnt hätte, wie viel Beschwerlichkeit, Kümmernis und Undank gerade dieser Bau ihm einbringen werde, ging er anfangs nicht auf den Plan ein, sondern schob sein hohes Alter – er stand damals in seinem 69. Lebensjahre – vor. Erst durch die Kurfürstin ließ Lotter sich bestimmen, ihrem Herrn und Gemahl die Bitte nicht abzuschlagen.
Lotter hat den größten und schwierigsten Bau seines Lebens nicht vollendet. Es wurde ihm die schmerzliche Demütigung, daß man den Bau kurz vor seiner Vollendung dem Grafen Rochus von Linar übertrug. Dem ungeduldigen und äußerst sparsamen Kurfürsten ging der Bau zu langsam und verschlang zu große[v] Summen. Dazu mag noch gekommen sein, daß Neider dem Kurfürsten ins Ohr flüsterten, Lotter bereichere sich an den Baugeldern, während es doch Thatsache ist, daß er von der kurfürstlichen Kasse 15 000 Gulden zu fordern hatte, die ihm nie ausgezahlt worden sind, und ferner Thatsache ist, daß der reiche Leipziger Bürgermeister und Bauherr wenige Jahre nach der Vollendung der Augustusburg ein armer Mann war.
Tiefgekränkt zog sich Lotter auf seinen Geyersbergischen Hof zurück. Aber auch hier erwartete ihn wenig Freude. Die bergmännischen Unternehmungen waren mißglückt, die Seinigen drängten ihn um Herausgabe des Erbes, kurz, der 82jährige Greis sah nur trübe Tage. Am 24. Juli 1580 legte er sein müdes Haupt für immer zur Ruhe. Auf dem Altarplatz der St. Lorenzkirche zu Geyer ist Lotter begraben worden.
Und heute!
Eine der schönsten Straßen Geyers führt nach dem kurfürstlichen Baumeister den Namen: Hieronymus Lotter-Straße. Am 8. Oktober 1893 brachte der Verein der Leipziger Architekten an Lotters Sterbehause, das ist das von ihm erbaute Wohnhaus des Rittergutes, eine Gedenktafel an, welche folgende Inschrift trägt:
In diesem Hause starb
Leipzigs großer Baumeister
Hieronymus Lotter
im 83. Lebensjahre 1580.
Dem alten Meister
zu seinem Gedächtnis
Leipzigs Architekten 1893.
Hermann Lungwitz.
Mit dem Jahre 1632 begann der dreißigjährige Krieg auch seine Schrecknisse in unser sächsisches Erzgebirge zu verbreiten. Während die kurfürstlichen Truppen in der Lausitz und in Schlesien standen, sandte der kaiserliche Feldherr Wallenstein den General Holk mit seinen raub- und blutgierigen Banden über Eger und Neudeck ab, um das sächsische Land für die Verbindung seines Fürsten mit den Schweden zu strafen. Alles auf das Wildeste verheerend, breiteten sie sich im August des Jahres 1632 von Schneeberg durch den sogenannten Grund kommend auch in der Umgegend von Annaberg aus. Das Geyersche Rittergut wurde in dieser Zeit zweimal ausgeplündert und alles Vieh hinweggetrieben; drei Jahre lang, nämlich bis zum Jahre 1635, mußte es in wüstem Zustande und die Felder unbestellt bleiben. Ludwig Lotter, der damalige Besitzer des Gutes und Enkel des großen kurfürstlichen Baumeisters und Bürgermeisters zu Leipzig, Hieronymus Lotter, ward – wie späterhin seine Erben in ihrem Belehnungsgesuch vom 31. August 1649 dem Kurfürsten klagen – auf seinem Rittergute öfter »mit unerhörten Schlägen traktiert, mit Stricken um Kopf und Hals gelegt gerädelt und so henkermäßig gepeinigt, daß sein Leben mehr als einmal nur an einem Faden hing«.
Fehlen auch leider die genaueren Zeitangaben jener Erlebnisse, so hat man doch besondere Nachrichten über die Schicksale der Stadt in diesen schrecklichen Zeiten, welche zur Aufhellung und Bestätigung des obigen mitgeteilt zu werden verdienen.
Als General Holk im August 1632, um sich den Paß nach Böhmen zu erhalten, Schwarzenberg durch den Hauptmann Ullersdorf mit seinen Kroaten hatte besetzen lassen, schickte sie dieser in der Umgegend weit und breit zu Kriegsforderungen,[vi] Brandschatzungen und Plünderungen aus. Die Orte, welche das geforderte Geld nicht brachten oder aus Armut nicht bringen konnten, ließ er pfänden, Vieh und Menschen wegführen, jenes wurde wieder verhandelt oder nach Böhmen getrieben, die gefangenen Personen aber bis zur Erlangung eines stattlichen Lösegeldes behalten. So verfuhr man zu Hermannsdorf, Thum, Ehrenfriedersdorf u. s. w., so auch zu Geyer. Hier fielen die Kroaten am 23. August 1633 ein, brandschatzten und plünderten noch überdies, wobei sie große Grausamkeiten verübten. Ein zweiundachtzigjähriger Greis, der Zehntner Elias Hammann, mußte viel Schläge und Martern erdulden; der Viertelsmeister Puzscher ward vor seiner Hausthüre erschossen. Ein gleicher Überfall erfolgte am 25. November. Bereits war die Stadt bei den Durchmärschen total ausplündert und die Bewohner zu entfliehen genötigt worden, sodaß Geyer fast wüste stand und nichts liefern konnte. Doch hatte Hauptmann Ullersdorf durch seinen Schreiber Samuel Metzler ausgekundschaftet, wenn die Entflohenen in ihre Wohnungen zurückkehrten. So ließ er am 25. November früh 7 Uhr eine Abteilung Kroaten in Geyer einfallen und 3 Personen gefänglich wegführen, den Stadtrichter Georg Klauß, den Pfarrer Johann Andrä (einen Flüchtling aus Kaden) und einen schottischen Bergherrn Paul Northofen, ließ sie nach Schwarzenberg bringen, um für erstere beide 1000 Thaler Lösegeld zu erpressen, letzteren aber, weil er auf einen über Kroaten gesetzten Leutnant geschossen haben sollte, mit einem schmählichen Tod bedrohen. Der Pfarrer löste sich mit Geld und Geschmeide von 400 Thaler an Wert, die beiden anderen wurden gerettet durch sächsische Truppen, die unter Oberst von Taube über Chemnitz anrückten, in Verbindung mit dem in Zwickau liegenden Bosenschen Regimente das Schwarzenberger Schloß eroberten und die Besatzung nebst ihrem Kommandanten Ullersdorf gefangen nahmen. Dies geschah am 4. Dezember 1633.
Die Taubeschen und Bosenschen Regimenter besetzten nun auch die hiesige Umgegend, in Annaberg blieben bis August 1634 4 Kompanien Reiter unter Oberst Bodenhausen. Doch dauerten die feindlichen Streifzüge von Böhmen aus fort, und endlich, nach dem Sieg bei Nördlingen über die Schweden, erhielten die Kaiserlichen völlig die Oberhand in unserm Gebirge, während die sächsischen Truppen sich auf Zschopau zurückziehen mußten. Namentlich wiederholte der kaiserliche Oberstleutnant Schütz von Schützky seinen schon im Mai versuchten Einfall am 28. September, wobei er Annaberg und Umgebung mit unbarmherzigen Brandschatzungen und Plünderungen heimsuchte, bis er, den Hauptmann Kurt Reinicke von Kallenberg mit 30 Reitern zurücklassend, den 14. Oktober nach Zwickau abzog. Dieser Hauptmann ließ Geyer von der angedrohten Plünderung mit 230 Thaler loskaufen und nachher dennoch plündern. Am 27. Oktober erfolgte der Durchmarsch des kaiserlichen Obersten Schönickel, der, mit 5000 Mann auf seinem Rückzuge von Zwickau über Annaberg nach Böhmen begriffen, in Geyer den Stadtrichter wegführen ließ und erst freigab, als die Stadt ihn mit 37 Thaler eingelöst hatte. Diese letztere Nachricht fand sich in einer hiesigen Gemeinderechnung; wie viel Not und Jammer aber dabei verbreitet worden, läßt sich vermuten, wenn man weiß, daß Schönickel, obwohl Chemnitzer von Geburt, doch fern von aller Schonung gegen sein Vaterland war und durch Viehraub, Plünderung, Sengen und Brennen (namentlich bei Zwickau, wo man eines Tages 15 Schadenfeuer zugleich sah) Furcht und Schrecken verbreitete.
Die heißersehnte Ruhe von solchem Ungemach trat für unser Gebirge und das ganze Land erst ein, als der Kurfürst am 24. Juni 1635 Friede mit dem Kaiser schloß und sich somit von den Schweden trennte.
Über die Zeit vom 24. August 1632 bis 25. Juni 1635 bemerkt erwähnte Gemeinderechnung: »An Kontribution, Brandschatzung u. s. w. habe Geyer 2973 Thaler 4 Neugroschen 6 Pfennige aufbringen müssen, außer 200 Stück Rindvieh, das kleine ungerechnet, 24 Pferde, 4 Gebräude Bier, die zunichte gemacht worden.« Zwei Männer und eine Frau seien niedergemacht worden, und wie viele verwundet oder des Ihrigen beraubt worden, sei gar nicht zu ermessen.
Neue Drangsale brachte das Jahr 1639, als die Schweden unter General Baner das Erzgebirge heimsuchten, um mit unmenschlicher Grausamkeit Rache an den Bewohnern für des Kurfürsten Verbindung mit dem Kaiser zu nehmen. Aber auch die kaiserlichen Scharen, die bald als Verfolgende, bald als Verfolgte erschienen, verfuhren nicht viel milder. Damals erlangte Geyer wenigstens bei den schwedischen Truppen Schonung durch den hiesigen Pfarrer Hollenhagen, der denselben, wenn sie einbrechen wollten, entgegen zu reiten pflegte und mit seiner Fürbitte für die Gemeinde um so leichter Gehör fand, da er früher schwedischer Feldprediger gewesen war. Bei Annäherung der Kaiserlichen verbarg er sich mit der Gemeinde im Walde. Nach einer andern Geschichtsquelle wird erzählt, daß dann die Frauen aus Furcht vor dem Feinde auf Bäumen Platz genommen hätten und hier Zäckchen u. s. w. gefertigt hätten. Ein Zeichen, daß auch schon zur Zeit des dreißigjährigen Krieges die Frauen von Geyer durch Handarbeit zum Erlangen des täglichen Brotes beitrugen.
Als die Kaiserlichen von der Saale her durch das Erzgebirge gegen die in Schlesien vordringenden Schweden zogen und die Durchzüge seit Anfang des Februars 4 Monate lang dauerten, waren die Einwohner (wie ein Zeitgenosse, der Scheibenberger Pfarrer Lehmann, in seiner Kriegschronik erzählt) genötigt, von Haus und Hof zu fliehen, wenn sie nicht den übertriebenen Forderungen genügen wollten oder konnten, nämlich sich von Plünderung loskaufen, Salvegarde lösen, Proviant liefern, Wege bessern, Vorspann leisten u. s. w. Bei ihrer Rückkehr fanden die Geflüchteten dann gewöhnlich ihre Häuser niedergebrannt oder ausgeplündert, die Mobilien zerschlagen, die Kirchen erbrochen und für Stallung der Pferde benutzt, die Feldfrüchte teils abgeweidet, teils abgemäht und weggebracht. Menschen und Vieh, wo sich dergleichen treffen ließ, ward mit fortgenommen, ganze Dörfer wurden wüste, so Jahnsbach, Schönfeld, Tannenberg.
Auch Geyer muß damals einen erbarmungswerten Anblick gewährt haben, sagt P. Blüher in seinen Aufzeichnungen, und fährt derselbe in seiner Beschreibung der Stadt, allerdings vor den Bränden in den Jahren 1854, 1862 und 1863 fort:
Wer vom alten Schießhausplatz aus über die Schützenhofgasse herab durch die Badergasse an der Marktschmiede vorüber bis zum Bergamtshaus ging, der sah zur Linken und vom Bergamtshause bis zur Tannenberger Grenze zu seiner Rechten eine fast ununterbrochene Reihe in Asche liegender Häuser und außerdem waren 8 Brandstätten in der Zinngasse, in der Gegend, in welcher sich der große, freie Platz der ersten aufsteigenden Straße gegenüber sich befindet. Noch im Jahre 1661 zählte man 118 Brandstätten und nur 83 bewohnte Häuser.
Der Friedensschluß, welcher den dreißigjährigen, unerhörten Trübsalen ein Ziel setzte, erfolgte am 14. Oktober 1648 zu Osnabrück. Ganz Deutschland erlangte dadurch die heißersehnte Ruhe. Das Friedensfest wurde zwischen Kaiserlichen und Schweden im großen Saale des Rathauses zu Nürnberg gefeiert. Während die Abgesandten in der hochgewölbten, glänzend erleuchteten Halle ein Fest abhielten, waren für die Armen der Stadt zwei Ochsen geschlachtet und viel Brot ausgeteilt worden, und aus einem Löwenrachen lief sechs Stunden lang[viii] weißer und roter Wein herab. Aus einem größeren Löwenrachen waren dreißig Jahre lang im ganzen deutschen Reich Blut und Thränen geflossen!
Hermann Lungwitz.
Als im Jahre 1732 der Erzbischof von Salzburg, Leopold Anton, Graf von Firmian, die religiöse Unduldsamkeit bis auf das Äußerste trieb, wanderten 30 000 friedfertige, arbeitsame Protestanten aus und fanden in dem Lande des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen gastliche Aufnahme. Auf verschiedenen Wegen zogen die Emigranten ihrer neuen Heimat zu, und so geschah es auch, daß ein Trupp Emigranten seinen Weg durch Geyer nahm. Anfangs wollte der Kommissar Balzig die Vertriebenen nicht durch unsere Stadt führen, da dieselbe sich zu dieser Zeit infolge des Niederganges des Bergbaues in mißlichen Verhältnissen befand. Doch, berichtet eine im Besitz des königlich sächsischen Altertumsvereins befindliche Handschrift, gab sich der damalige Geyersche Stadtrichter Neubert selbst die Mühe, am 5. August 1732 nach Zwönitz zu schicken, wo die Vertriebenen ihr Nachtlager hätten und sich den Durchzug von ihnen auszubitten. Als die Bürger Geyers dieses hörten, wurden sie ungemein erfreut, daß sie das Glück genießen sollten, den Salzburgern Gutes zu erweisen. Sie machten sich daraufhin für den kommenden Tag bereit, dieselben mit möglicher Liebe aufzunehmen. Die Schule, der Prediger, der ganze Rat und die Bürgerschaft gingen ihnen entgegen und empfingen sie mit einer Rede. Sie führten die Vertriebenen bei vollem Geläute in die Stadt, wobei dieselben bewegliche Lieder sangen und auf dem Markte Betstunde hielten; verlesen wurde Jerem. Kap. 51, welches von Babels Zerstörung handelt. Nach der Beendigung des Gottesdienstes verschwanden gleichsam die Emigranten, denn die Einwohner nahmen sie in der größten Geschwindigkeit mit sich, daß man auch für Geld keinen mehr bekommen konnte. Der Priester der Stadt war ein wenig abgetreten, um einen kranken Salzburger mit Trost aufzurichten. Er hätte gewiß leer ausgehen müssen, wenn sich nicht der Kommissar über ihn erbarmet und ihm zu zwei Personen geholfen hätte. Nach eingenommenem Mittagsmahle fing man wieder an, mit der großen und weitberühmten Glocke zu läuten. Darauf versammelten sich unsere Emigranten und man führte sie ebenso aus der Stadt, wie man sie eingeholet hatte. Die Abschiedsrede gründete sich auf Offenbarung St. Johannis 2, 10. Dies alles schrieb man in die Kirchenmatricul, damit es zum ewigen Andenken beibehalten würde. Sonntags darauf sammelte man auch hier die Kollekte, welche man in Sachsen für die Salzburger zusammengelegt hatte, sie betrug 19 Thaler 7 Groschen; vorher war keine Kollekte so reichlich, so lange Geyer gestanden hat. Die Emigranten zogen von hier aus nach Wolkenstein weiter.
Hermann Lungwitz.
Unter den Prunkgeräten aus den früheren herzoglichen Schlössern, welche im Museum zu Braunschweig aufbewahrt werden, findet sich auch ein schmuckloses Spinnrad, das von Georg Jürgens, einem Braunschweiger, gefertigt sein soll, der zur Zeit Luthers das Spinnrad erfand und damit die seit Jahrtausenden zum Spinnen dienende Spindel außer Gebrauch setzte. Geyer hätte ebenfalls Ursache, eine Maschinenspindel im Rathaus aufzuhängen, denn Evan Evans, ein Geyerscher Bürger, war es, der das Spinnrad durch das Einführen des Maschinenspinnens[ix] in Sachsen verdrängte. Die Maschinenspinnerei ist eine englische Erfindung. Man schreibt sie gewöhnlich Richard Arkwright zu; doch haben spätere Nachforschungen ergeben, daß er wohl ein großer Verbesserer, aber nicht der Urerfinder des Maschinenspinnens gewesen ist. In Sachsen waren in den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts kleine Handmaschinen von 10 bis 20 Spulen zum Spinnen der Baumwolle in Gebrauch. Gegen Ende desselben führte Karl Friedrich Bernhard das englische Spinnereisystem in Sachsen ein. Seine Maschinen waren Mulemaschinen; sie wurden in einem dazu errichteten Gebäude in Harthau bei Chemnitz durch einen Engländer, Namens Watson, aufgestellt. Da er aber als bloßer Maschinenbauer die Maschinen nicht in Gang zu bringen wußte, namentlich, wird erzählt, die Trommelschnur nicht aufzuziehen verstand, so wurde ein englischer Spinner, Evan Evans, aus England herübergerufen, der auch alsbald auf den Maschinen Garn spann. Der Vater des sächsischen Maschinenspinnens, besonders der Baumwollspinnerei, ist Evan Evans. Er ist 1765 in New-Wales in England geboren und kam im März 1802 auf erhaltene Veranlassung aus Manchester nach Sachsen. Nachdem er sich in Harthau als Spinnmeister bewährt hatte, ging er nach Dittersdorf, um sich mit Maschinenbauen zu beschäftigen. Mit dem Jahre 1809 siedelte er nach Geyer über und legte drei Jahre später den Grund zu seiner eigenen großen Fabrik im benachbarten Siebenhöfen. Evans zeichnete sich als Erfinder auf dem Gebiete des Maschinenspinnens aus und wurde auch als solcher wiederholt von der sächsischen Regierung ausgezeichnet. Er fertigte die Maschinen für eine Menge neu entstehender Fabriken in Erfenschlag, Wolkenburg, Wegefahrt, Mühlau, Lugau, Plaue, Schlettau etc., auch für viele kleinere Werkstätten im Erzgebirge und im Vogtland, sowie in und um Chemnitz. Evan Evans ist am 9. Dezember 1844 in einem Alter von 79 Jahren gestorben und liegt auf dem Friedhofe bei der Hauptkirche in Geyer begraben. Die Saat aber, die der von groß und klein hochgeachtete Bürger von Geyer gesät hat, grünt und blüht heute noch fort, denn am Geyersbach, der der Zschopau zufließt, hat er seine erste Spinnerei gegründet und längs des Zschopauflusses haben sich die größten Spinnereien des Sachsenlandes angesiedelt.
Hermann Lungwitz.
Einst hätten, so erzählt die Sage, Geier dem Hühnerhof des Rittergutes Tannenberg argen Schaden zugefügt. Da bestieg der geschädigte Edelmann sein Jagdroß, um den Raubvögeln nachzuspüren. Das Gestrüpp auf der bewaldeten Höhe hinderte ihn am weiteren Vordringen, er band daher sein Pferd an einen Baum, schritt zu Fuß weiter und fand den Horst der Rittelgeier auf, er zerstörte denselben, ebenso gelang es ihm, die alten Vögel zu erlegen. Als er zu seinem Roß zurückkam, hatte es mit seinen Hufen Zwitter und Zinngraupen entblößt. Der Edelmann steckte das Erz zu sich, zeigte es Kundigen und auf deren Anraten schlug man auf derselben Stelle ein. So wurde der Geyersberg fündig. Es geschah dies nach Tschrans Vermutung zu Anfange des 14. Jahrhunderts. Die Ansiedelung aber, welche sich wegen der schon früher aufgefundenen reichen Silber- und Kupfererze in dem Thale gebildet hatte, bekam nach den Raubvögeln den Namen Geyer, und noch heute führt diese Stadt drei Geierköpfe im Wappen.
Die Ausbeute des Geyersberges scheint eine sehr reiche gewesen zu sein, sind doch aus den Gruben nach einer vom Bergamt zu Freiberg gemachten Zusammenstellung von der Auffindung bis zum Jahre 1845 (die Ausbeute nach diesem Jahre ist ohne Belang) im ganzen rund 72 600 Zentner Zinn gefördert worden,[x] die einen Wert von 7 bis 8 Millionen Mark darstellen. Das Werk im Geyersberg wurde Zwitterstockwerk genannt. Unter Zwitter verstand der Bergmann den Zinnstein, ein dem Gneise verwandtes oder mit ihm durch Übergänge verknüpftes Gestein, hauptsächlich aus eisenschüssigen Quarzen, mit Chlorit, Arsenkies und Zinnstein gemengt. Der Zinnstein in Gängen wurde zuweilen, wie Charpentier berichtet, so reich befunden, daß drei Zentner Zinnerz zwei Zentner Zinn beim Schmelzen gaben. Mit dem Bergbau im Geyersberg ist die Geschichte der Stadt auf das Innigste verknüpft, kein Wunder, daß auch die Sage die Erwerbsquelle umrankt wie der Epheu das verfallene Bergschloß. Es berichtet eine alte Handschrift, auf dem Geyersberge hätte sich ein Paar Raben aufgehalten, welche durch ihren hohen oder niederen Flug Anzeichen von einer bevorstehenden Veränderung gaben, bestünde dieselbe entweder in der kommenden teuren Zeit oder auch in einem Unfalle, welcher dem Bergmann im Schoße der Erde zustieße. Das Rabenpaar habe nie ein anderes neben sich geduldet, selbst die eigenen Jungen habe es, sobald der Hafer begann, gegen den Schuß hin gelb zu werden, mit Schnabelhieben davongetrieben. Ob sie auch im Herbst 1704 ein Anzeichen gaben, darüber schweigt die erwähnte Handschrift, wohl aber geschah es, »daß eine große Wand oder Tagklippe niederging, durch welchen Bergfall viel Holz verstürzet und die Häuser im Geyer erschüttert worden, wie von einem Erdbeben«. Es mag eine furchtbare Erschütterung gewesen sein, als die möglicherweise mit nicht allzu großer Vorsicht angelegten Höhlen in sich zusammenbrachen, wodurch der große Tagebruch, die Binge, entstand. Schon nach der ersten Senkung muß die entstandene Vertiefung eine mächtige gewesen sein; denn als im Herbste 1773 der Kurfürst und spätere König Friedrich August sein durch die große Hungersnot heimgesuchtes Gebirge besuchte und auch am 7. September nach Geyer kam, zeigte man demselben den Geyersberg »und bezeugte Ihro Churfürstliche Durchlaucht nicht undeutlich Höchstdero Wohlgefallen an dessen grauen Altertume und Seltenheit«. Leider hatte es mit dem einen Zusammenbruch nicht sein Bewenden, denn der Hauptbruch erfolgte am 11. Mai 1803. Während die Grubenarbeiter bei dem Bruch von 1704 durch vorherige Anzeichen in den Gruben gewarnt und daher geflohen waren, wurden 1803 die beiden Bergleute Christian Gottlieb Schramm und Johann Gotthilf Zimmermann, welche nach der Senkung das Werk untersuchen wollten, ob weiterer Broterwerb möglich sei, verschüttet. Ihre Leichen ruhen noch jetzt im Schoße der Binge. In dem am Neujahrstage 1804 ausgetragenen Zettel klagt der Kirchner Hofmann:
Obwohl der Betrieb des Bergbaues im Stockwerk vorläufig infolge weiterer Brüche eingestellt werden mußte, nahm man ihn später, wenn auch in geringerem Maße, wieder auf, bis mit dem Jahre 1855 das letzte Zinnschmelzen stattfand. Die Förderkosten belaufen sich zu hoch im Vergleich zum Preis des Zinnes, die reichen Gruben des Auslandes gaben zu große Ausbeute.
Etwas Unheimliches über den Geyersberg berichtet M. Metzler in seinen Totennachrichten von 1692. Da heißt es: Den 24. Novembris starb Gregor[xi] Schneider, ein Kärner, welchem ein Spectrum am Geyersberge unter die Augen gespeiet, daß ihm das ganze Angesicht verbrannt und das eine Auge durch die Nasen ausgeschworen ist.
Heutzutage fürchtet man kein Gespenst mehr am Geyersberge; die Binge ist vielmehr ein von nah und fern gern besuchter Ausflugspunkt in unserem Erzgebirge. Nachdem der Wanderer sich an der köstlichen Fernsicht geweidet hat, schaut er in die grausige Tiefe; das Werk, welches fleißige Hände im Laufe von Jahrhunderten schufen, ist zusammengestürzt. Da sieht man noch Spuren von früheren Förder- und Abbaugängen, von Strecken etc. Die große Binge ist 70 m tief, gegen 200 m lang und 160 m breit. Aus der Ferne gesehen, gleicht sie einem gewaltigen Krater, das dunkle Gestein ähnelt den Lavablöcken.
An Weichbildsgemarkungen, an Kreuzwegen, an Stadtthoren, vor Kirchthüren, auf Gemeindeplätzen, an Ackerrainen, auf früheren Richtstätten etc. findet man im Sachsenlande hier und da Steinkreuze errichtet, deren Zweck im allgemeinen war, die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen und die Erinnerung der Nachkommen festzuhalten. Kreuze stellte man in alten Zeiten auf Märkten, wo sonst Gericht gehalten wurde, auf zum Zeichen, daß ein jeder hier vor Unrecht und Gewalt gesichert sei und in Frieden wandeln könne, und zur Versicherung des königlichen Willens hing man in den Städten, welchen Weich- oder Stadtfriede gegeben war, des Königs Handschuh daran. Doch nicht allein auf der Stelle, wo der Markt oder Gerichtsplatz war, errichtete man derartige Kreuze, man setzte sie auch, soweit der Gerichtsbezirk des Ortes sich erstreckte; daraus entstanden die unter dem Namen Weichbilder bekannten Grenzsteine. Findet man jedoch an solchen Orten Kreuze, die auf nichts, was zum Amte der weltlichen Obrigkeit gehört, Beziehungen haben, jedoch außerhalb der gewöhnlichen Begräbnisstätten stehen, so sind sie zum Andenken oder zur Förderung der Seelenruhe gemordeter Personen von schuldigen, obgleich nicht vorsätzlichen Totschlägern, die ihre That dadurch mit verbüßen mußten, errichtet worden. Wenn ein Totschlag aus Zorn, Trunkenheit oder auf andere unvorsätzliche Weise erfolgt war, so schloß in alter Zeit der Mörder einen gerichtlichen Vergleich mit der Familie des Ermordeten ab, worin er derselben eine Summe Geldes zu entrichten gelobte, wogegen er das Versprechen erhielt, daß er wegen seiner That keine Verfolgung oder Rache zu fürchten haben solle. Oft mußte sich außerdem der Mörder noch zu einer kirchlichen Bußübung oder zur Errichtung eines Kreuzsteines verpflichten.
Nach Blühers Aufzeichnungen ist in Geyer ein solcher Fall vorgekommen. Im Jahre 1530 ward nämlich am Montag nach Michaelis von Balzer Bach in Gemeinschaft von seinen Geschwistern und nächsten Verwandten Bestimmung über 50 Gulden sogenanntes Blutgeld getroffen, welches sie zur Sühne ihres vor 15 Jahren ermordeten Bruders erhalten hatten. Ob von diesem Gelde auch ein Sühnekreuz errichtet oder ob es vollständig dem »Gestifte unserer lieben Frau« zugewendet wurde, läßt sich aus der beregten Quelle nicht ersehen. Ein Steinkreuz stand früher an der alten Zolltafel, wie sich wohl die ältesten Bewohner der Stadt Geyer erinnern können. Die Zolltafel war an der Ehrenfriedersdorfer Straße aufgestellt, da, wo jetzt rechts der Weg nach der Binge abbiegt.
Ein Sühnekreuz mag aber das im Sommer 1890 zufällig aufgefundene Steinkreuz auf der Verlängerung des Ziegelsberges sein. Wie kommt aber das[xii] Richtschwert hinzu, dessen Umrisse ganz deutlich auf der einen Seite des granitnen Kreuzes zu sehen sind? Auf der bekannten Dillichschen Federzeichnung der Stadt Geyer findet sich der Galgen zwar an dem Fußsteige, wo das Kreuz aufgefunden wurde, doch etwas weiter hinauf nach dem Schlegelswald zu. Da jedoch von einer Bebauung mit Häusern auf dem Ziegelsberg auf erwähnter Zeichnung noch keine Andeutung vorhanden ist, da ferner das Steinkreuz in einer vom Silberbergbau herrührenden Halde aufgefunden wurde, so schließt dies durchaus nicht aus, daß an der Fundstelle in Geyers frühester Zeit der Richtplatz zu suchen sei, und daß derselbe nur erst infolge des Bergbaues und der Bebauung des Ziegelsberges weiter dem Walde zu angelegt worden ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach stand vielmehr das Kreuz auf der alten Richtstätte; das darauf gemeißelte Richtschwert deutete an, daß der Mörder eigentlich an dieser Stelle sein Grab habe finden müssen; denn bekanntlich wurden in früheren Zeiten die Gerichteten an Ort und Stelle verscharrt.
Der hiesige Verschönerungsverein hat unter der Leitung des Herrn Kaufmann Max Päßler das alte Steinkreuz wieder aufrichten und im Grunde befestigen lassen. Es ist dies wohl das einzige in unserer Amtshauptmannschaft, wenigstens führt Dr. R. Steche in seiner »Beschreibenden Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen«, viertes Heft, keins auf, während in anderen Amtshauptmannschaften verschiedene erwähnt werden und 1885 bei Ausgabe des Heftes noch das Geyersche nicht bloßgelegt war. Der Verschönerungsverein fühlt sich übrigens den beiden Herren Gustav Morgenstern und Karl Einenkel zum Dank verpflichtet, da ersterer das Kreuz, welches auf seinem Grund und Boden gefunden wurde, bereitwilligst dem Verein übergab und letzterer die Aufstellung auf seinem Eigentume gestattete.
Ein ähnliches Kreuz liegt umgestürzt und vergessen am Fußwege, welcher von der Ehrenfriedersdorfer Hauptstraße links von der Großschen Wirtschaft im Grunde des Greifenbaches abzweigt, einige hundert Schritte oberhalb des Röhrgrabens. Der rührige Verschönerungsverein unserer Nachbarstadt wird hoffentlich dieses Denkmal aus vergangenen Tagen vor Überackerung und Einsinken schützen.
Hermann Lungwitz.
Einst hatten die Geyerschen Stadtpfeifer den Tanzenden im Thumer Ratssaale bis tief in die Nacht hinein aufgespielt und traten, nachdem der Reigen geendet, den Heimweg über den Greifenstein an. Als sie in die Nähe der alten Felsen kamen, schien es ihnen, als ob dieselben in einem besonderen Lichte erglänzten. Ein Spielmann machte den Vorschlag, zu Ehren des Greifensteins eine muntere Weise zu blasen. Wie gesagt, so gethan. Beim Abstieg nach Geyer sahen die Stadtpfeifer im Scheine des Mondes große Zinnstufen am Wege liegen, sie meinten, der letzte heftige Gewitterregen habe sie ausgewaschen. Ohne Säumen hoben sie die Stufen auf und steckten sie in ihren Rucksack. Als die Frauen und Kinder am andern Morgen die Rucksäcke nach einem Wurstzipfel oder sonst einer Gabe durchsuchten, wurden sie die Stufen gewahr und brachten sie zum Schmelzmeister. Der erkannte sie als reines Silber und lohnte die Frauen reichlich. Nutzen hingegen habe die reiche Spende des Greifensteins den Stadtpfeifern nicht gebracht, es sei alles wieder durch die Musikantenkehle geflossen.
Hermann Lungwitz.
Bereits mit dem Jahre 1510 erscheint im Erbbuch der Stadt Geyer das Besitztum Kaspar Thieles als ein ansehnliches Gut aufgeführt. Nachdem das Gut im Jahre 1535 in den Besitz Christoph Schnees übergegangen war, ließ es derselbe mit Genehmigung des Herzogs Heinrich zu einem Ritterlehen oder sogenannten Freihof erheben, um es dadurch der Stadtobrigkeit zu entziehen. Überhaupt scheint Schnee infolge seines hochfahrenden und willkürlichen Wesens zu dem Stadtrat von Geyer in sehr gespanntem Verhältnis gestanden zu haben, was aus den vielen Streitigkeiten hervorgeht. Nach dem im Jahre 1556 erfolgten Tode Schnees gestalteten sich die Verhältnisse des Freihofs »aufm Geyer« insofern ungünstig, als der nunmehrige Besitzer desselben, Heinrich von Etzdorf, als Amtmann von Koburg genötigt war, einen Verwalter, Lorenz von Wolnitz, auf dem Gute einzusetzen, der so wenig Aufsicht führte, daß der Rat in einem Schreiben vom Jahre 1564 über die durch unvorsichtige Gebaren der Gutsinsassen verursachte Feuersgefahr sich beschwerte und zugleich das Gemeindekapital von 247 fl. kündigte. Darauf sahen sich Schnees Erben nach einem Käufer um, den sie im Jahre 1565 in dem kurfürstlichen Landbaumeister Hieronymus Lotter fanden. Unter Lotters Verwaltung erreichte nicht nur das Rittergut seine Blütezeit, sondern es begann überhaupt in Geyer ein neues Leben, da Lotter den größten Teil des Geyerschen Zinnbergbaues besaß, den er schwunghaft betrieb. Von ihm erhielt das Gut den Namen »Geyersbergscher Hof« oder »Rittergut Geyersberg«, wie er es auch durch kurfürstlichen Lehnbrief vom Jahre 1569 erlangte, daß dasselbe auch auf die weibliche Linie forterben durfte. Doch trotz aller Erfolge sollte er gegen Ende seines Lebend noch in eine recht traurige Lage geraten, da er bei seinem Landesfürsten in Ungnade fiel und durch unglückliche Unternehmungen sein ganzes Vermögen verlor. Nach vierjährigem Elende starb er 1580 und hinterließ seinen 3 Söhnen ein zerrüttetes Erbe. Sie verkauften das Gut nach achtjährigem Besitze an ihren Hauptgläubiger Philipp Bruck, und dieser überließ es bereits 1590 für 1300 fl. an Paul Tanner und dessen Schwägerin Anna Buchner, die bereits vorher den Zinnhandel und Bergbau um Geyer in ihre Hände gebracht hatten. Da aber seit dem Jahre 1599, in welchem der letzte Sohn Lotters gestorben war, die Enkel des alten Lotter wieder Erbansprüche auf das großväterliche Gut erhoben, so kam es zu einem recht langwierigen Streit zwischen ihnen und den Tannerschen und Buchnerschen Erben, woraus der häufige Wechsel der Besitzer des Geyersberges erklärlich wird. Es folgten nämlich auf die Anna Buchner im Jahre 1615 zunächst deren Erben bis 1617, dann Paul Tanner auf Neunhof, von welchem es im Jahre 1619 der Hauptmann und Bergrat Samson von Hohenwald in Preßnitz kaufte. Letzterer suchte besonders durch Bierbrauerei und Holzverkauf Nutzen aus dem Rittergute zu ziehen, obwohl er die Kaufsumme für das Gut nie erlegte, sondern nur ein Angeld von 600 fl. an Tanner entrichtet hatte. Inzwischen wußten die Enkel des alten Lotter durch kurfürstlichen Bescheid den Kauf des genannten Hohenwald rückgängig zu machen und verglichen sich bald darauf mit den Tannerschen und Buchnerschen Erben, sodaß das Rittergut samt Zinnbergwerk im Jahre 1627 in den Besitz Ludwig Lotters gegen Zahlung von 5000 fl. überging. Alle Bemühungen des neuen Besitzers um Hebung des arg vernachlässigten Gutes waren erfolglos in der Schreckenszeit des 30jährigen Krieges; denn zweimal wurde der Geyersberg geplündert, sodaß er 3 Jahre lang im wüsten Zustande blieb. Lotter selbst wurde öfter von den Feinden mißhandelt und gepeinigt. Als er kurz nach dem Friedensschlusse[xiv] aus dem Leben schied, hatte der Besitz des Gutes so wenig Verlockendes für seine Erben, daß das Gut bereits 1652 an einen böhmischen Exulanten, Edeslaw von Stampach, verkauft wurde, der bereits das benachbarte Rittergut Tannenberg besaß. Er erlebte ruhigere Zeiten bis zu seinem Tode im Jahre 1666. Seine beiden Töchter verkaufen schon 1669 das väterliche Erbe an den Obersten Heinrich von Bünau für 1000 Mfl., welchem aber nur eine zehnmonatliche Verwaltung desselben beschieden war. Auch seine Erben, 2 Töchter, dachten bald wieder an Veräußerung des Gutes und verkauften es 1678 für 1200 Mfl. an den böhmischen Exulanten und damaligen Besitzer des Rittergutes Tannenberg, Felix Friedrich Hruschka von Briexen. Auch dieser konnte in 26jähriger Bewirtschaftung das Gut nicht heben, sondern hinterließ es bei seinem Tode 1704 in ganz verfallenem und trostlosem Zustande, sodaß seine 4 Töchter das Kaufgebot des Georg Erasmus von Hartitzsch in Lichtenberg bei Freiberg gern annahmen. Da aber das Gut mit großen Schulden belastet und in schwere Händel mit dem Stadtrat verflochten war, wurde von den Gläubigern und vom Rate Einspruch gegen den Kauf erhoben. So geschah es, daß Erasmus von Hartitzsch 1709 starb, ohne überhaupt in den Besitz des Geyersbergs gelangt zu sein. Erst der nächste Kauf des Oberstleutnants von Haß wurde rechtskräftig. Haß, »ein Ordnung und Frieden liebender Mann«, vermochte den Stadtrat zur Ausfertigung einer Urkunde über Gerechtsame und Grenzen des Rittergutes, in welcher als Zubehör desselben genannt werden: ein Brauhaus, ein Malzhaus, die 2 Türme der Kirchhofmauer und ein überbautes Erbbegräbnis mit Kirchenchor. Trotz eines Testamentes entstanden nach dem Tode des alten Haß 1736 Streitigkeiten unter den Erbberechtigten, wobei sich gelegentlich der Erörterungen über die eigentümlichen Verhältnisse des Gutes ergab, daß es seit 1602 auf Bitten der Anna Buchner in ein Erbgut – doch mit Vorbehalt der Lehensfolge – verwandelt, demnach unter dem Namen eines Erblehngutes fortgeführt worden sei. Das Gut ward nunmehr 1744 einem Erben des letzten Besitzers, dem Hauptmann von Reitzenstein, verlehnt. Unter seiner Verwaltung steigerte sich der Wert desselben dergestalt, daß er es im Jahre 1754 für 3700 Thaler an Julius Heinrich von Schütz auf Thum, Hauptmann der Ämter Stollberg, Wolkenstein, Lauterstein und Frauenstein, verkaufen konnte. Bald aber begannen die Leiden und Drangsale des 7jährigen Krieges, während dessen Stadt und Rittergut Geyer durch Einquartierung und Kontributionen stark litten. Amtshauptmann von Schütz starb in der Zeit, da der Notstand seine höchste Stufe erreicht hatte, Anfang des Jahres 1763. Seine Witwe verkaufte das Gut für 3400 Thaler an den Oberstleutnant Friedrich Theodor von Peterkowsky. Der neue Besitzer hatte noch unter den schweren Folgen des Krieges zu leiden, welche durch die Teurung und Hungersnot der Jahre 1771 und 1772 noch verschlimmert wurden. Als er 1781 starb, hinterließ er seinen Erben das Gut mit einer schweren Schuldenlast. Mit Mühe behaupteten sich die Erben 6 Jahre im Besitz, worauf Konkurs ausbrach. Bei der hierauf folgenden öffentlichen Versteigerung wurde es dem Posamentiermeister und Handelsmann Johann Georg Thierfelder aus Thum für 3520 Thaler zugesprochen. Er hätte es am liebsten bald wieder veräußert, wenn sich ein Käufer gefunden hätte. So aber bewirtschaftete er es bis zu seinem im Jahre 1813 erfolgten Tode. Erbin war seine einzige Tochter Frau Schulz, welche wieder schwerere Zeiten erlebte, infolge deren sie Teile ihres Grundstückes an den Tannenberger Rittergutsbesitzer, Kaufmann Hänel in Annaberg, verkaufte. Unter ihrem Sohne und Nachfolger Friedrich August Schulz gingen die mit dem Lehngute von jeher verbundenen Ober- und Niedergerichte auf den Staat[xv] über; ebenso machte sich das neue Grundsteuersystem bei dem Geyerschen Rittergute geltend. Schulz verkaufte das Gut 1859 an Karl Heinrich Zimmermann für 6420 Thaler. Derselbe nahm mit größter Energie die Verbesserung des Gutes in Angriff, ließ die Gebäude neu herstellen und errichtete eine Brauerei. Nachdem Herr Zimmermann das Gut eine lange Reihe von Jahren vorzüglich bewirtschaftet hatte, wurde es im Jahre 1891 an Herrn Hugo Diendorf zu einem Preis von 77 000 Mark verkauft. Herr Zimmermann ist am 6. Dezember 1891 gestorben. Herr Diendorf veräußerte die Grundstücke, und die Gebäude gingen am 8. September 1894 an Herrn Karl Wilhelm Moritz Schürer über. Der genannte Herr verwendete die Nebengebäude zur Errichtung einer Holzwarenfabrik, bekannt unter der Firma: Erste Sächsische Waschbretterfabrik C. M. Schürer. Die Brauerei hatte bereits vorher Herr Franz Naumann erworben. Noch schaut das im wesentlichen unverändert gebliebene Wohnhaus des Hieronymus Lotter auf die alte Bergstadt Geyer herab.
Röder-Johanngeorgenstadt.
Weise: Gott sei mit dir, mein Sachsenland.
T. S.
Das Erzgebirge ist seinem Hauptteile nach ein Kammgebirge. Untergegangen sind die Erinnerungen an die Wenden, bis auf einige Ortsnamen in ihrer Sprache. Auch sind im Aberglauben noch schwache Spuren des kleinen, schwarzhaarigen, fremdsprechenden Volkes, das im verschwiegenen Waldthale dem wenig freigebigen Boden mühsam Nahrung abrang, sich in selbstgewebte grobe Leinen kleidete und vielleicht mit dem behaarten Fell des bekämpften und erlegten Waldtieres gegen das rauhfeuchte Klima des Miriquidiwaldes schützte.
Germanen bewohnten das Gebirge erst vom 14. Jahrhundert an. Im 15. Jahrhundert werden Neustädtel, Schlema, Grünhain außer wendisch benannten Orten schon erwähnt. Da nur wenige zum Kamme vordrangen, blieb das wilde Waldgebirge eine Scheidewand zwischen den Wohnplätzen der Slaven in Böhmen und derer in Sachsen. Die Scheidewand erleichterte die Erhaltung und Einführung des Deutschtums und damit einer höheren Entwicklungsstufe.
Diese schützende Rolle spielte das Gebirge auch im Hussitenkriege. Die Gebirgsmauer hinderte die Unternehmungen der Hussiten sehr, indem sie von einem eigentlichen Besitzergreifen des Landes abgehalten wurden.
Als im 30jährigen Kriege Sachsen Kriegsschauplatz wurde, da hinderte das Gebirge den österreichischen Kaiser, das für ihn als Wiege der Reformation wichtige Land zu behaupten und unmittelbar Einfluß zu gewinnen.
Wie in geschichtlicher, so ist auch in natürlicher Beziehung das Gebirge wichtig für Sachsen. Noch heute finden wir stattliche Wälder. Der Wald aber ist der Vermittler zwischen Luft und Erde. Den rasenden Lauf der Stürme weiß der Wald zu besänftigen, die gefahrdrohende Gewitterelektrizität leitet er ab, das Wasser lenkt er in die Tiefe, aus der es in dem Seitenthale als Quelle hervorbricht, die Fluren des Landmanns tränkt er, dem Müller treibt er die Mühle und günstige Gelegenheit zur Ansiedlung bietet er allen denen, die der Wasserkraft bedürfen. Solche Ansiedlungen bergen die Thäler der Mulde, der Zschopau, der Sehma, der Chemnitz. Im Sommer dient das Gebirge als die Sparbüchse, die bei Wassermangel noch die Not lindern kann. Außer dem Wasser spendet das Gebirge auch dem Lande Holz, das als Brenn- und Bauholz verwertet wird. Zu erwähnen sind besonders die auf den Holzreichtum sich stützenden bodenständigen Gewerbe, so früher die Glasfabrikation, jetzt die Holzschleiferei und Spielwarenfabrikation. Auch die Eisenindustrie, die früher im Gebirge blühte, war auf den Holzreichtum zurückzuführen. Das Erlöschen derselben folgte auf die Verteuerung des Holzes. Wichtig sind auch die Torflager.
Aber auch im Innern birgt das Erzgebirge Schätze fürs Land. Im steinernen Gebirgskörper schlummerten Silberadern. Die Reichtümer verhalfen den Landesfürsten zur Hebung der Macht und des Einflusses unseres Landes. Es entstanden neue Bergorte, die vielfach für die Entwicklung des Landes auch in geistiger Beziehung wichtig geworden sind: wie Freiberg, Annaberg und andere Städte.
Mit dem Erzbergbau in Verbindung stehen die Blaufarbenwerke, die von bedeutendem Einfluß auf Handelsbeziehungen zum Auslande wurden. Ihren eigentlichen Ursprung haben die großartigen chemischen Fabriken in den Glashütten gehabt, die der Holzreichtum des Gebirges in Begleitung der Bergwerke entstehen ließ. 1822 erfand in Schneeberg Dr. Geitner die Bereitung des wichtigen Argentans oder Neusilbers. Eine Grube bei Aue lieferte Böttcher den Stoff zu seinen Versuchen, deren Ergebnis die Porzellanerzeugung in Sachsen wurde.
Da die Bergleute Freunde des Bergmannssohnes Luther waren, so steht auch mit dem Bergbau in Verbindung die Einwanderung Vertriebener aus katholischen Ländern. Die Einwanderer brachten Gewerbefleiß und neue Beschäftigungsarten ins Gebirge. Selbst nach dem Erliegen des Bergbaues finden wir noch die Bodenbeschaffenheit wesentlich. Die dichte Bevölkerungszahl im Bergbaugebiete erleichterte das Entstehen der Hausindustrie, wie der Spitzenklöppelei und der Posamentenfabrikation.
Erst in neuerer Zeit sind die Kohlen, die am Fuße des Erzgebirges reichlich vorhanden sind, von so weittragender Bedeutung geworden. Im Zeitalter der Dampfkraft sind Kohle und Eisen Träger und Stützen der Industrie.
Aus alledem geht hervor, daß unser heimisches Gebirge bedeutenden Einfluß auf die Entwicklung unseres gesamten Vaterlandes geübt hat.
Nach Dr. Jacobi.
Das Erzgebirge zerfällt in das westliche, mittlere und östliche Erzgebirge. Das mittlere liegt zwischen Schwarzwasser und Freiberger Mulde. Elster und Gottleuba begrenzen das ganze Gebirge im Westen und Osten.
In der Richtung von Süd nach Nord unterscheidet man das Obere und das Niedere Erzgebirge; jenes reicht von dem zusammenhängenden Kamme, der eine durchschnittliche Höhe von 800 m hat, etwa bis Falkenstein, Schneeberg, Thum, Wolkenstein, Frauenstein und Schmiedeberg; dieses von den genannten Orten bis in die Gegend von Zwickau, Lichtenstein, Chemnitz, Frankenberg, Hainichen, Nossen, Tharandt. Im mittleren Teile des Erzgebirges kommt der jähe Absturz nach Süden und die sanfte Abdachung nach Norden am meisten zur Geltung.
Das Gebirge besteht aus Urgebirgsarten: Thon- und Glimmerschiefer, Gneis und Granit. Gneis herrscht im Osten vor und reicht bis weit ins mittlere Erzgebirge nach Schlettau, Wolkenstein, Schellenberg. Der Gneis ist die wahre Erzmutter. Um Eibenstock herrscht der Granit. Besonders bemerkenswert sind die Basaltberge des Obererzgebirges: Pöhlberg, Bärenstein, Scheibenberg.
Aus Urgebirge bestehen: Keilberg (1238 m), Fichtelberg (1213 m), der Spitzberg bei Gottesgab (1107 m), der Auersberg bei Wildenthal (1021 m), der Kupferhügel bei Kupferberg (906 m), der Schneckenstein bei Gottesgab (874 m), die Morgenleite bei Schwarzenberg (808 m), der Greifenstein bei Geyer (731 m).
Die Basaltberge sind: der Haßberg bei Preßnitz (991 m), der Bärenstein bei Weipert (898 m), der Pöhlberg bei Annaberg (832 m), der Scheibenberg bei gleichnamiger Stadt (805 m), letztere drei in Grabhügelform.
Bei Eibenstock, Schwarzenberg und Crottendorf befinden sich große Staatsforsten. Fichtenwald herrscht vor, doch finden sich bei Marienberg und Steinbach auch zusammenhängende Buchenbestände.
Die wichtigsten Flußthäler des Obererzgebirges sind: das Schwarzwasserthal, das Zschopauthal, das Flöhathal, das Sehmathal. Das wildeste ist das der schwarzen Pockau.
Im Obererzgebirge sind folgende meteorologische Stationen zu merken: Annaberg, Oberwiesenthal, Reitzenhain. Dem Obererzgebirge ist bisher die Cholera fern geblieben. Bei Gottesgab und Oberwiesenthal erntet man nur Hafer und Kartoffeln.
Bei der Urbarmachung des Gebirges verfuhr man nach dem Grundsatze: »Wo der Pflug kann gehn, soll der Wald nicht stehn.« Am Kamme des Gebirges beträgt die Bevölkerungsdichtigkeit 90–95 auf den Quadratkilometer, am Abhange 145–155.
Wie anderwärts, so hat sich auch im Obererzgebirge jede Industrie in bestimmten Bezirken festgesetzt, demgemäß giebt es bestimmte Industriebezirke. Holzschleifereien, Sägemühlen, Baumwoll-, Woll- und Flachsspinnereien, also alles Fabriken, welche Wasserkraft brauchen, finden sich in den Thälern der Sehma, der Pöhla, der Preßnitz, der Zschopau, der Flöha.
Bei Eibenstock und Schwarzenberg finden sich Hohöfen mit Gießereien, Hammer- und Walzwerken verbunden. Zinnhütten bestehen im Marienberger Gebiete, Blaufarbenwerke zu Oberschlema, Niederpfannenstiel und Zschorlau.
Der Posamentierbezirk umfaßt die Ortschaften Annaberg, Buchholz, Schlettau, Scheibenberg, Geyer, Ehrenfriedersdorf, Wolkenstein.
Der Spitzenklöppelbezirk erstreckt sich von Marienberg über Drehbach und Zwönitz bis Schneeberg und Eibenstock, und von da über Johanngeorgenstadt, Wiesenthal und Kupferberg bis Reitzenhain und Pobershau.
Eibenstock ist obererzgebirgischer Mittelpunkt des Näh- und Stickereibezirkes.
Noch sind einzelne Orte mit besonderen Erzeugnissen zu erwähnen: Annaberg, Buchholz, Scheibenberg fertigen Schnürleiber; Annaberg und Buchholz Sargverzierungen; Buchholz besondere Kartonagen; Johanngeorgenstadt Handschuhe; Karlsfeld Schwarzwälder Uhren. Annaberg liefert auch Leonische Waren, das sind unechte Gold- und Silbertressen. Wiesenthal fertigt Stecknadeln; Schönheide allerlei Bürsten, Pinsel und Kardätschen; Lauter, Beierfeld, Bernsbach, Grünhain stellen Blechwaren, besonders Blechlöffel, her; Zöblitz hat seine Serpentindrechselei; Bernsbach seine Feuerschwamm- und Bockau seine Medizinbereitung.
Das Obererzgebirge war nach Lehmann ehedem allenthalben mit dicken Wäldern bedeckt, mit Felsen und Bergen angefüllt, nach denen ihre Namen haben: Rauen-, Harten-, Wolken-, Lauter-, Bären-, Katzen-, Frauen-, Greifenstein, Pöhl-, Schwarzen-, Scheiben-, Keil-, Schotten-, Zechenberg u. s. w. Ferner waren unzählige Moräste, Sümpfe, Moosräume, Bruchwerke und Weiher in Räumen und Wäldern um und unter Platten, Gottesgab, Johanngeorgenstadt, um Scheibenberg, Grünhain, Elterlein, Schlettau, Geyer, Buchholz, Zöblitz, Lengefeld, Kühnhaide, bis die Wälder abgetrieben, die Waldpässe gebrückt, die Wildberge nach ihren Flügeln und Rundungen abgezogen, Floß- und andere Teiche angelegt und durch Röschen und Stolln die Wasser abgezapft wurden. An diese Beschaffenheit erinnern die Namen Moosraum, Rote Pfütze, Sauschwemme, Thörichter See, Filzsumpf.
Wilde Katzen, Marder, Wiesel, Fischottern, Iltisse, Bären, Hirsche, Wölfe, Wildschweine und Raubvögel bevölkerten die Gegend. Daher kommen vor im Crottendorfer Revier die Namen: Vogelleite, Hirsch- und Auerhahnpfalz, Sau- und Bärenfang, Lachsbach, Tier- und Saugarten; im Grünhainer aber: Bärenacker, Fuchs- und Wolfstein; im Lauterschen: Wolfslager, Dachslöcher, Hirschstein, Habichtsbüchel, Bärenstallung, Wolfsgarten, Rabenberg.
Nach den schauerlichen Wäldern und Gründen sind benannt: Teufelsgrund, Drachenleite, Teufelsstein u. a.
Nach feindlichen Einfällen und Kämpfen sind genannt: Streitknochen, Kriegwald, Hundsmarder, Haderwinkel.
Lehmann berichtet von den erzgebirgischen Wäldern: »Da hörte man nichts als der Raben Rappen, der Bären Brummen, der Wölfe Heulen, der Hirsche Börlen, der Füchse Bellen, der Auerhähne Pfalzen, der Ottern Zischen, der Frösche Quaken und Racken; das machte einen Reisenden so lustig, als hätte er Fliegenschwämme und Krähen gefressen. Das waren damals die Lauten, Zithern, Violen, Posaunen, Trompeten, Zinken, Flöten, Schalmeien, Schuarien, Baßgeigen, Clavicimbeln, Trommeln, Heerpauken, Sackpfeifen, Orgeln, Glocken und musikalische Waldinstrumente, welche unter dem Sausen der Winde, Grollen der Donner, Gebrülle der Bestien, Geschnatter der Enten, Geächze der Hohlkrähe, Uhuhen der Eulen, Schnarren der Schnarrer, Geschrei und Geschwirre der Buchfinken, der Quäker, der Zippen, der Schneppen und anderen Gevögels eine gräßliche Harmonie gegeben.«
Johann Salianus verwundert sich in einem dem Rate 1507 gewidmeten Gedichte, daß die Stadt Annaberg innerhalb 10 Jahren in dieser Wildnis mit Mauern, Wällen und Gräben, mit herrlichen Häusern, mit verständigen Ratsverwandten und bürgerlichen Rechten versehen und von einer so volkreichen Gemeinde bewohnt werde. Diese Stadt sei auf einem wilden, unfruchtbaren Boden, in Bergen und unter rauhem Himmel angelegt, da vormals Herzog Georg unter lauter rohem Wald viel hundert Stück Bären, Hirsche, Wölfe und andere wilde Tiere gejagt und niemand vermeint, daß daselbst eine Stadt sollte angelegt werden.
Unsere Berge sind nach Lehmanns Benennung Warten, Wetterpropheten, Zufluchtsorte, Jagdhausstellen, Grenzscheiden, Bollwerke, Wasserständer, Futterkästen, Schatzkästen, Lustplätze, Denkpfeiler Gottes!
Über die Urzeit unseres Gebirges mag uns folgendes Märchen eines Naturforschers ein Bild entrollen. Das heutige Erzgebirge, etwa in der Gegend von Olbernhau, bildete ehemals einen großen Sumpf und See, in welchem die Bewohner auf Pfählen ihre Wohnungen errichtet hatten. In ihren Pfahlbauten übten die Männer das Töpfergewerbe aus, die Frauen fertigten Webstoffe an. Tauschhandel trieb man mit wandernden Phöniziern, die von dem Erzgebirge Zinn holten, dagegen Bernstein und Feuerstein aus dem Norden, sowie aus Griechenland Bronze, gefertigt aus Zinn und dem von Cypern kommenden Kupfer, brachten. Die Kleidung der Urbewohner war sonderbar genug; so bestanden die Beinlinge oder Hosen aus Birkenrinde. Wichtig waren die Waffen; sie bestanden aus Bogen von Taxus oder Eibenbaumholz und aus Pfeilen mit Spitzen von Knochen, Feuerstein, Bronze oder Eisen. Gewaltige Wurfspieße bildeten im Vereine mit diesen Waffen die Ausrüstung zur Jagd, bei welcher große Brakenhunde die Begleiter waren, während kläffende Nachkommen der Schakale zu Hause Wache hielten. Die Jagdbeute bestand in gewaltigen Tieren des Waldes: Elentieren oder Elch, Urochsen oder Wiesen- und Auerochsen; auch der grimme Schalch oder Riesenhirsch fand sich neben Bären und Wölfen in den ausgedehnten Waldungen vor. Hatte der Ansiedler Beute gemacht, so grub er die Rune, die er selbst auf seinem Körper hatte, in das erlegte Stück Wild und kennzeichnete es als sein Eigentum; dann nahm der kühne Jäger Leber[6] und Herz, sowie den Herzknochen, welcher sich zwischen den Herzkammern befindet, mit nach Hause, wo er von seinen Angehörigen festlich empfangen wurde. Auch die Nachbarn fanden sich ein und es entwickelte sich das Gelage nach der Jagd, bei welchem mächtige Braten und eine Unmenge von Bier, Met oder Birkenschnaps vertilgt und dem alten Laster der Germanen, dem Würfelspiele, gefrönt wurde. Bei dieser Gelegenheit verspielte man oft Haus und Hof, Weib und Kind, sowie die Tiere und andere Habseligkeiten. Aber nicht zu ernst war der Verlust zu nehmen; denn am andern Morgen war alles wieder vergessen.
Nach Prof. Dr. Marshall.
Unser oberes Erzgebirge hat von jeher als ergiebiges Jagdgebiet gegolten. Freilich ist es seit den Jahren 1831 und namentlich seit 1849 anders geworden, denn auch bei uns gehört es nun zu den Seltenheiten, einen Hirsch im Freien beobachten zu können, dieses stattliche Tier, den Stolz der Wälder und die Krone der Jagd. Die Kurfürsten von Sachsen waren seit den Tagen des landwirtlichen August Freunde der Jagd. Namentlich war Kurfürst Johann Georg I., welcher von 1611–1656 regierte, einer der gewaltigsten Jäger seiner Zeit. In der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden befindet sich ein Verzeichnis in altsächsischer, schöner Schriftart, als ein stattlicher Band in grünem Samt gebunden mit prächtig gravierten goldenen Beschlägen, Ecken und Schließen versehen, es ist dies das Jagdbuch des Kurfürsten Johann Georg I. Nach demselben hat der Kurfürst in der Zeit von 1611–1653 u. a. 15 228 Hirsche, 29 196 Eber, 203 Bären, 1543 Wölfe, 200 Luchse, 11 811 Hasen und 18 957 Füchse erlegt. Der Kurfürst hatte sich in einem der Giebel des Residenzschlosses zu Dresden ein besonderes Zimmer eingerichtet, welches das Paradies genannt wurde. Die Wände waren mit Waldgegenden bemalt, dabei die Felsen der Bastei, auf denen Gemsen zu sehen waren. In der Mitte waren zwei die Decke stützende Säulen als Bäume mit ledernen Blättern geschmückt. Hier trieb der Kurfürst anatomische Studien an dem erlegten Wild. Schon die Vorgänger von Johann Georg hielten sich wegen der Jagd in unserem Gebirge auf, getreulich hat es Christian Lehmann in seinem Historischen Schauplatz berichtet. Herzog Heinrich fing in einer Stallung, also in einem umfriedigten Raum, in Wolkenstein am 14. September 1516 nicht weniger als 43 Stück Wild, was zu jener Zeit als ein wahres Wunder angestaunt wurde. Das Wild kam zum Kindtaufsschmaus, den der glückliche Waidmann seinem Töchterlein, der Prinzessin Sibylle, in Freiberg ausrichtete. 1542 jagte Herzog Moritz im Gebirge und fing in Grumbach drei »schreckliche« Bären. Wegen der Nutzbarkeit an Fleisch, Fett und Haut und wegen der mit seiner Erlegung verbundenen Gefahr gehörte die Bärenjagd zur wichtigsten Jagdart. Übrigens berichtet ein Augenzeuge weiter, daß Herzog Moritz außer den Bären in einer Stunde 7 Hirsche geschossen habe, er sei grün gekleidet gewesen, habe einen englischen Hund bei sich gehabt und seine Gemahlin habe mit 14 Frauenspersonen neben ihm gestanden. Nach der Bärenhetze ließ er den Bauern ein Faß Bier und den Bergleuten zwei Faß geben, weil sie das Beste gethan hatten. Die Lust an der Jagd führte auch den Kurfürsten Vater August in unser Gebirge, er scheint sich hauptsächlich in Crottendorf aufgehalten zu haben, da der Chronist sagt: »Anno 1567 kam er (Kurfürst August) zu Crottendorf an, lag daselbst in Hackebeils Mühle, bejagte die Wälder, schoß auch eine Stallung ab zu Crottendorf auf David Georgens Feld, ließ das Wild da auswirken.« Als Friedrich[7] Wilhelm, Fürst zu Weimar, zehn Jahre lang Administrator in Kursachsen war, ließ er alles Wild im Gebirge, jung und alt, wegschießen, sodaß viele Jahre hindurch die Landleute zum Schutz ihrer Felder keiner Wildzäune mehr bedurften. Das sah der alte Jägermeister von Rabenstein nicht gern, denn er rief seinen Jägern zu: »Treibt fort, wenn gleich etliche Stücke auf die Seite springen, denn die jungen Herren müssen auch etwas behalten.« Herzog Johann Georg jagte im Jahre 1609 im Gebirge und hielt sich auf dem Fichtelberg auf, da kam ein grausam Wetter, daß auch der Donner in eine Tanne schlug, da zog der Herzog den Hut ab und sagte: »Gott ist ein Herr!« Den Tag hernach gastierte ihn Junker Rüdiger auf Sachsenfeld, und da ihn Nikol Klinger, Rüdigers Schwähervater, fußfällig empfing, sagte er mit Darreichung der Hand: »Alter, stehet auf!« Im Jahre 1609 im August lag dieser Herzog nieder auf dem Hirschpfalz in der Hauerwiesen hinter dem Fichtelberg, da mußte der Pfarrer aus Wiesenthal am 19. August eine Wald- und Jagdpredigt thun. Anno 1613 lag der Kurfürst Johann Georg acht Tage lang in Crottendorf, fischte und jagte nur in den Vorbüschen und schoß bei der Richterin Bretmühle ab, obgleich die Pest im Dorfe grassierte. Im Jahre 1625 kam der Kurfürst Johann Georg mit seiner Gemahlin, den jungen Prinzen und Fräulein am 11. Mai in Annaberg an und schoß den 7. Juni den Vogel ab. Der jungen Herrschaft wurde auch eine Vogelstange zur Lust in Wiesenbad aufgerichtet, woselbst sie den Vogel den 12. Juni abschossen. Der Kurfürst hielt auch ein Abschießen bei Annaberg im Hüttengrunde zwischen der Stadt und Frohnau, darunter war ein so großer und starker Hirsch, daß er unter 2300 Tieren, die in unterschiedlichen Stallungen auf dem Gebirge waren abgeschossen worden, das allerschwerste gewesen ist.
Im August desselben Jahres und, wie es scheint, noch auf derselben Jagdreise begriffen, wurde dem Kurfürsten und seiner Gemahlin angesagt, daß der Hammerherr Heinrich von Elterlein auf dem Löwenthal so schöne Fische in seinem Teiche und sonderlich große Forellen hätte, die er lange gemästet habe. Da ließ der Kurfürst mit seiner Familie sich anmelden, daß er dem Fischzug beiwohnen und denselben sehen wolle. Um 10 Uhr früh kam der Kurfürst selbst mit seinem Jägermeister und anderen Hofoffizieren und bestellte die Mahlzeit, mittlerweile wurde der Teich gefischt; von dem Fischzug bekam der Kurfürst 3 Mandel der schönsten Forellen, darunter war eine, die 8 Pfund wog. Es wurden die Fische in Gegenwart des Fürsten von Darmstadt, der um ein Fräulein aus dem kurfürstlichen Hause freite, gesotten und zu Crottendorf auf die Tafel getragen, darüber sich alle verwundert haben. In des Hammerherren Stube wurde auf zwei Tafeln gespeist unter grünen Birken, doch war der Fehler begangen worden, ehe sie sich zu Tische setzten, hatte man zwar Kannen und Gießbecken aufgesetzt, aber kein Wasser drein gethan. Da nun der Jägermeister dem Kurfürsten Wasser aufgießen wollte, war keins drinnen, da gab es ein gutes Gelächter. Der Kurfürst zeigte sich fröhlich, ritt spät von dannen, dankte mit der Hand, auch der Wirtin, die in der Küche geschäftig war. »Ei,« sagte er, »habt Ihr nicht eine räucherige Küche, doch die Küchen sind nicht anders. Gute Nacht!« Den 23. August hielt der Kurfürst ein Abschießen bei Neudorf, und es war kurzweilig dabei, denn die Crottendorfer hatten einen Bauern auf die Wache gestellt, damit er aufmerke, wenn der Kurfürst aufsäße und wieder nach Crottendorf wolle. Der Kurfürst allein und zu Fuß traf den Bauern auf einem Hügel sitzend an; letzterer aß ein Stück Brot und der Kurfürst setzte sich zu ihm. »Hast Du den Kurfürsten schon gesehen?«[8] fragte er ihn. »Nein, ich soll aufsehen, wenn er wird auf sein.« »Wer, denkst denn Du, wer ich bin?« Der Bauer sieht ihn an, ohne den Hut zu ziehen und ohne eine Reverenz zu machen und spricht endlich: »Ich sehe wohl, daß Ihr ein Herr seid, Ihr habt doch Stiefel an.« Während des weiteren Gespräches kommen die Jäger hinzu und verwundern sich. Der Kurfürst aber lacht und spricht: »Einen solchen tölpischen Fichtelberger habe ich im Gebirge noch nicht gesehen«, und läßt ihm venedische Seife geben, d. i. ergänzt der Chronist, die Haare ein wenig zausen. Von Crottendorf schickte der Kurfürst zwei Waldhüter mit drei Wildtauben nach Annaberg und verehrte dem Superintendenten, dem Kapellenprediger und dem Hospitalpfarrer jedem eine. Als er in Steinbach 300 Stück Wild abgeschossen und auch ein Abschießen in Mauersberg gehalten hatte, kam er von Crottendorf nach Schlettau und fischte daselbst zwei Teiche. Hier ereignete sich's, daß der Bäcker Auersbach auf dem Teichdamm einen Fußfall vor dem Kurfürsten that und um Verzeihung seinen Herrn anflehete. Er hatte nämlich an seinem Krautzaun ein Stück Wild am Fuß in einer Schlinge gefangen. Kurfürst: Was wolltest Du damit machen? Bäcker: Ach, gnädigster Kurfürst und Herr, ich wollte dem Stück Wild nichts am Leben thun, sondern nur ein paar Schläge geben, weil es mir das Kraut abgefressen hatte. Kurfürst: Ja, Dir sollte man Schläge geben. Wenn ich Deines grauen Kopfes nicht scheute, wollte ich Dir weisen, wie Du mein Vieh hegen solltest, laß ich doch Dein Vieh auf meinem Grund und Boden gehen und zürne nicht darum, gehe und hüte Dich.
Am 9. August 1628 hielt der Kurfürst ein Abschießen zwischen Steinbach und Grumbach, er erlegte dabei 570 Stück Wild. Er ließ auch den Herrn Peter Versmann, Pfarrer zu Arnsfeld, vor sich predigen, und da ihm seine Gaben wohl gefielen, versorgte er nicht allein sein Haus mit Wildbret, sondern er befahl auch seinen Leibärzten, sie sollten den armen Mann, weil er wassersüchtig war, doch heilen. Die Ärzte versuchten ihr Heil, trieben zwar das Wasser heraus, aber der Pfarrer fiel in die Schwindsucht, woran er starb. »Gesegne euch Gott, ihr Hölzer, ich sehe euch nicht wieder,« waren die Abschiedsworte des Kurfürsten an sein erzgebirgisches Jagdgebiet.
Die Fanfaren der kurfürstlichen Jäger sind in unserem Erzgebirge schon seit langer Zeit verstummt, der Reichtum an Wild ist verschwunden, dennoch ist die Poesie in unseren Wäldern nicht ganz dahin, denn noch hört man, wenn auch vereinzelt, in unseren Staatsforsten auf dem Kamme des Gebirges den Schrei des Hirsches und noch lacht in hoher Krone der Auerhahn!
Nach Lungwitz.
Eine große Last waren die Jagddienste, welche die Unterthanen zu leisten hatten. Im Amte Crottendorf hatten von 302 Mann die eine Hälfte die Seile in die Wildhecken einzubinden, wieder aufzuheben und vor den Seilen aufs Wild zu warten; die andere Hälfte hatte die Netze, Tücher und Seile aufzuhängen und zu trocknen, sowie das Jagdzeug auf die Wolfsjagd zu fahren. Zu den Netzfuhren mußten auch die Hammermeister Vorspann leisten und erhielten dann von den dienstpflichtigen Dorfschaften für 4 Pferde 16 Groschen, für 2 Pferde 8 Groschen. Außerdem hatten die Dorfschaften noch die Wildbretfuhren, die Abfuhr des erlegten Wildes, zu leisten, die Hammermeister, zwei Jäger mit Jägerburschen, Hundebuben und Hunden, nach Gelegenheit der angestellten Jagden mit Herberge und Mahl zu versorgen. Zu einer im Jahre 1564 beabsichtigten kurfürstlichen Jagd im Erzgebirge wurden erfordert: im[9] Amte Lauenstein 6 Wagen und 268 Mann, im Amte Altenberg 36 Wagen und 352 Mann, im Amte Dippoldiswalde 17 Geschirre ohne Lohn, 13 für 12 Groschen täglich und 64 Mann, im Amte Stollberg 77 Geschirre und 293 Mann, im ganzen also 155 Geschirre und 1277 Mann zu Fuß. Im Amte Lauterstein waren 700 Mann zu Jagddiensten verpflichtet. Von den Dorfschaften des Amtes Augustusburg mußten im Jahre 1585 Dorfschellenberg, Grünberg und Marbach zu den Netz- und Zeugfuhren jede zwei Wagen stellen. Genügte das nicht, so mußten die 482 Anspanner der anderen Amts-Dorfschaften helfen und erhielten dann für jeden Wagen täglich 1 Gulden. Die Gemeinden zu Krummhennersdorf, Dorfschellenberg, Euba, welche die Wolfsnetze und das im Amte gepirschte Wildbret auf die Augustusburg oder nach Zschopau fuhren, erhielten für jeden Schlitten 5 Groschen, eine Kanne Bier und ein Hofbrot. Die Richter zu Flöha, Gornau, Metzdorf mußten jeder einen Wagen stellen, die Anspanner von Hennersdorf im Winter für das Wild Heu in die Mörbitz und hinter das Schloß fahren und jährlich zweimal hinter dem Schlosse die Hirschlecken schlagen und erneuern, den Lehm dazu schlagen und erneuern. Sie erhielten täglich ein Hofbrot. Alle Einwohner des Amtes mußten zur Wolfsjagd als Läufer dienen, bei jeder dritten Reihe die Häusler, doch waren 100 Mann aus verschiedenen Dorfschaften ganz befreit.
Zur Erleichterung dieser Beschwerden, zur Verschonung der armen Unterthanen und Ersparung großer Kosten errichtete der Kurfürst 1560 in allen Kreisen Jagdzeughäuser, in welchen das für den betreffenden Kreis notwendige Jagdzeug verwahrt und wodurch die Nachführung desselben auf zu große Entfernungen vermieden wurde. Andere Erleichterungen suchten sich manche Gemeinden selbst zu verschaffen. So erboten sich die Untertanen des Amtes Grünhain, wenn ihnen die Fronen bei der Wolfsjagd erlassen würden, 100 Mann jährlich 5 Wochen lang zur Räumung der Wege im Amte Schwarzenberg auf eigene Kosten zu stellen und zu unterhalten. Auch die Erhaltung der Jagdhunde führte Belästigungen mit sich. Während der Zeit, in welcher die Hunde zur Jagd nicht gebraucht wurden, ließ der Kurfürst August sie in die Ämter zur unentgeltlichen Verpflegung verteilen.
Nach Schlegel.
Im Jahre 1662 hielt Christian Ernst, Markgraf zu Brandenburg, mit Erdmute Sophia, Kurfürstl. Prinzessin zu Sachsen, in Dresden Hochzeit, bei welcher der damalige Kurprinz Johann Georg III. und nachmalige Kurfürst einen Jägeraufzug ausführte.
Vor dem Oberhofjägermeister schritten drei Waidmänner mit Leithunden. Nachher kamen dreißig, je drei und drei, Oberförster, Forstburschen, Wildmeister, Hof- und Landjäger. Zwei Riesen traten in Gestalt wilder Männer auf. Ihnen zunächst folgten auf einem Festwagen, der einen künstlichen Berg darstellte, gleich einem Walde mit Tieren und Vögeln geziert, vier Personen mit Schalmeien. Seine prinzliche Durchlaucht ritt in Dianengestalt auf einem weißen Hirsche. Nymphen schritten an Lakeien statt vorauf, nebenher und hintennach. Dreißig nun folgende Jäger trugen Schweineisen und Birschbüchsen. Drei Personen waren als Löwenwärter in grüner Tracht und zwei Pfeifer wie Wilde gekleidet. Auf ihrem Wagen befanden sich fünf junge Bären. Es folgte ein Kasten mit zwei Tigertieren, je ein Käfig mit einem Löwen, einer Löwin, einem weißen Bären. Jägerburschen führten englische Hunde. Vier Oberförster begleiteten[10] den größten, den brandenburgischen versinnbildlichenden Bären. Hernach führte man Herzog Moritzens Bären. Auch die wilden Schweine fehlten nicht. Luchse, Wölfe und Füchse, Hasen, wilde Kaninchen und Eichhörnchen, Fischottern, Wildkatzen, Marder und Hamster zogen alle an den Augen der Schaulustigen vorüber. Auf Birschwagen waren Hirsche geladen, der Wendewagen mit Hasen und Füchsen behangen. Im ganzen Zuge befanden sich 265 Personen und 139 Pferde.
Nach Chr. Lehmann.
Die Wildschützen haben nach Lehmann »auf dem Gebirge«, besonders auf den hohen Wäldern um und hinter dem Fichtelberge großen Schaden verübt. Sie haben das Wild haufenweise weggeschossen, die Häute in Böhmen verkauft und sind so sicher gewesen, daß sie des Nachts bei den Köhlern im Kohlkram gelegen, gesotten und gebraten, ihnen ihr Brot mit Gewalt genommen haben und ihnen mit dem Tode drohten, wenn sie Verrat üben würden.
Die Strafen waren hart. Zur Zeit des Herzogs Moritz band man einen Wilderer auf einen lebendigen Hirsch und jagte das Tier in die Wildnis, sodaß er jämmerlich ausstehen mußte. Das geschah, weil vorherige Strafdrohungen nichts genützt hatten.
Als 1559 die Wälder mit der Herrschaft Crottendorf an Kursachsen kamen, wurde Wolf Windreuter zum Oberförster nach Crottendorf gesetzt, der 1566 einen Wildzaun um die Grenzen bauen ließ, worüber man ein Jahr brauchte und außer der Fron 1000 Thaler aufwendete. 1570 bis 1578 mußten kurfürstliche Trabanten die Wäldner bei ihren Umgängen um den Grenzzaun begleiten, um den Wildschützen gewachsen zu sein. Für jeden erschossenen Wilddieb erhielten sie 30, 40 bis 80 Thaler. Erschossene hing man an den ersten besten Baum auf und nagelte über das Haupt ein Hirschgeweih.
Als Eishöhlen im Erzgebirge sind bekannt: der Garische Stollen, die Ritterhöhle und die Stülpnerhöhle bei Ehrenfriedersdorf, die Binge bei Geyer und die »Alte Thiele« bei Buchholz im sächsischen, die Schneebinge bei Platten im böhmischen Erzgebirge. Diese Eishöhlen sind natürliche oder künstliche Hohlräume im Felsgestein, welche das ganze Jahr hindurch oder wenigstens während eines größeren Teiles desselben Eis enthalten, das sich in ihnen selbst gebildet hat. Die Stülpnerhöhle und die Ritterhöhle sind statische oder eigentliche Eishöhlen, auch Sackhöhlen genannt, indem sie, nach hinten zu sich senkend, am unteren Ende abgeschlossen sind, so daß die von außen eindringende kalte Luft nach der Tiefe sinkt und dort die Eisbildung bewirkt; beim Eintritt der wärmeren Jahreszeit aber hält sich durch das Schmelzen des Eises die Temperatur lange Zeit in der Nähe des Nullpunktes, der Eisvorrat geht daher nur ganz langsam seinem Ende entgegen. Der Garische Stollen gehört zu den dynamischen Eishöhlen oder den Windröhren, bei denen ein Spaltensystem, das vom Hintergrunde aus den Berg durchzieht, eine unterirdische Verbindung mit höher gelegenen Stollen ermöglicht, was zur Folge hat, daß sofort eine Luftströmung entsteht, wenn die Temperatur innerhalb und außerhalb der Höhle verschieden ist, und dadurch das Innere im Winter abgekühlt, im Sommer nur allmählich erwärmt wird, das Eis also lange erhalten bleibt. In den Windröhren herrscht meist ein starker Luftzug, während es in den Sackhöhlen im Sommer vollkommen windstill ist. Die »Alte Thiele« stellt sich als Übergang von den[11] Sackhöhlen zu den Windröhren dar, indem sie nach ihrer ganzen Anlage zu den ersteren gerechnet werden muß, aber durch ihre hintere Kammer, welche die Verbindung mit anderen Gängen herstellt, sich dem Charakter der letzteren nähert. Alle die genannten Eishöhlen des Erzgebirges verdanken ihren Ursprung dem Bergbau; denn sie befinden sich in Einsenkungen, welche durch den Zusammenbruch vom Bergbau geschaffener unterirdischer Hohlräume entstanden sind. Bis in den Mai und Juni hinein findet sich in ihnen Eis vor, in der Schneebinge bei Platten, der eisreichsten dieser Höhlen, noch länger. Dort wurde am 21. Juli 1894 die Tiefe des den Boden bedeckenden Firns auf 1,5 bis 3,00 Meter bestimmt. Schon lange ist die Schneebinge wegen ihres Eisreichtums im Sommer bekannt. In eisarmen Zeiten wird von ihr Eis nach Karlsbad geführt; im Jahre 1863 soll sogar nach Leipzig zum Turnfest Eis aus der Binge versendet worden sein. Gegenwärtig ist sie an eine Bierbrauerei in Platten verpachtet.
Nach Fitzner.
Im Zusammenhange mit den reichen Erzgängen des Obererzgebirges, welche Quarz, Hornstein, Jaspis, Chalcedon, Amethyst, Eisen- und Manganerze enthalten, stehen eine Anzahl von Mineralquellen. Solche Gänge, die als Quellengänge bezeichnet werden, sind die Wege, auf denen die verschiedenen mineralischen Wässer unserer Gegend aus der Tiefe hervorquellen.
Im freundlichen Zschopauthale bricht in einer Meereshöhe von 434 Meter aus dem Gneisgebiete auf dem Ausstriche eines fast eine Meile verfolgbaren Quarz- und Hornsteinganges, der häufig Amethyst führt, eine Mineralquelle hervor, die zur Gründung des gutbesuchten Ortes Wiesenbad bei Annaberg führte. Das Wasser befindet sich in einem großen, einige Meter tiefen, überbauten Behälter und zeichnet sich durch außerordentliche Klarheit aus. Die fast fortwährend aufsteigenden Kohlensäureblasen vermögen beinahe den Eindruck hervorzurufen, als ob das Wasser siede. Es ist vollständig geruchlos. Die Quelle gehört zu den warmen alkalischerdigen Säuerlingen und hat eine Wärme von 21,75° C. Sie hat einen angenehmen, frischen Geschmack. In ihrer Wirkung entspricht die Quelle dem Warmbade bei Wolkenstein und Warmbrunnen in Schlesien. Überraschend sind die Wirkungen dieses Wassers bei skrophulösen Krankheiten, besonders wenn mit dem Baden eine Milchkur verbunden wird. Die Quelle wird besonders gegen Nervenschwäche, Gicht, Rheumatismus, Lähmungen und Hautkrankheiten empfohlen. Der alte berühmte Scheibenberger Geschichtsschreiber Christian Lehmann erzählt in seinem 1699 erschienenen »Schauplatz des Obererzgebirges« 70 Krankheiten auf, gegen die das Wasser helfen sollte. Die Entdeckung des Heilbrunnens soll sich von einem armen Manne herschreiben, der seine ungesunden Schenkel in dem Wasser in der sogenannten Rosenaue gewaschen hat und dann heil geworden ist.
Hans Friedrich, ein reicher Fundgrübner und Bergherr aus Geyer, der das Dorf Wiesa besaß, faßte 1501 das Wasser in einem Kasten, ließ ein Badehaus erbauen und dasselbe durch ein Röhrwerk mit dem Quell verbinden. Er soll auch neben dem Bade ein Kirchlein zu Ehren des heiligen Jobs oder Hiobs, des Helfers der Kranken und Schwachen, errichtet haben, das vom Meißner Bischofe 1505 geweiht und vom Fürsten Georg reich begabt wurde.[12] Ein Meßpriester mußte den Badegästen, ehe sie ins Bad gingen, eine Messe lesen. Im Jahre 1602 ließ sich die Kurfürstin Sophie ein eignes Haus bauen, wahrscheinlich an Stelle der Kapelle, und man nannte darauf das Bad Sophienbad. Im Jahre 1699 aber finden wir auch die Bezeichnung Wiesenbad oder St. Jobsbad.
In einem Nebenthale des Zschopauthales, eine halbe Stunde von der Stadt Wolkenstein entfernt, 458 Meter über dem Meeresspiegel liegt ebenfalls in den Gneisformationen sehr geschützt Warmbad Wolkenstein. Die Quelle ist die wärmste Sachsens mit einer Wärme von 31 °C. Man nimmt an, daß sie auf dem im zweiglimmerigen Gneise aufsetzenden Eisensteingange »Neugeboren Kindlein« ihren Ursprung habe und bei dessen Abbau zufällig entdeckt worden sei. Sie bricht aus Drusen eines Erzganges hervor. Nach einer älteren Zeichnung soll sich daselbst ein Silbergang mit zwei Eisensteingängen kreuzen. Die ziemlich tief liegende Quelle ist in neuerer Zeit frisch gefaßt und dadurch gegen Zufluß von »wilden Wässern« geschützt worden. Mittels eines Hebewerkes wird das Wasser nach dem Badehause geleitet, von wo es nach weiterer Erwärmung in die einzelnen Zellen abfließt. Die Quelle spendet in jeder Minute 150 Liter warmen Wassers. Das Wasser ist ebenfalls den Säuerlingen zuzuzählen und hat große Ähnlichkeit mit dem Wiesenbader, wie mit den berühmten Warmquellen von Wildbad in Württemberg, Gastein und Pfeffers. Seine Wirkungen entsprechen dem Wiesenbader. Die Quelle war schon im 14. Jahrhundert als heilkräftig bekannt. Es fanden starke Wallfahrten nach dem Bade statt.
Das Bad Ottenstein bei Schwarzenberg liegt in einer Meereshöhe von 424 Meter im Glimmerschieferthale des Schwarzwassers. Die Anstalt ist nach Nordosten und Nordwesten durch hohe Felsmassen gegen kalte Winde geschützt. Die Quelle ist ein kaltes, an Kohlensäure nicht sehr reiches Eisenwasser mit mittlerem Eisengehalte, das in Form von Trink- und Badekuren Anwendung findet. Erfolgreich wurde das Bad bei Blutarmut, Reißen, Nervenkrankheiten, Lähmungen, Magen- und Lungenkrankheiten gebraucht.
Außer diesen genannten Bädern gedenken wir noch derjenigen Mineralquellen unserer Gegend, die ehemals zu Bädern benutzt wurden. Manche erfreute sich sogar eines gewissen Rufes.
In Niederzwönitz entspringen 580 Meter über dem Meere auf einer von Fichten- und Kiefernwald umschlossenen Wiese nebeneinander 3 Quellen, denen der Volksmund die Namen der »Gute Brunnen«, der »Krätzbrunnen« und der »Augenbrunnen« gegeben hat. Die Wirkungen des Guten Brunnen wurden bereits 1498 oder 1501 erkannt. 1608 wurde dieser Quell, nachdem er in Vergessenheit gekommen, wieder gereinigt. Den Krätzbrunnen entdeckte man 1646 und die Wirkungen des Augenbrunnens kamen 1717 zur Anerkennung. In der Nähe des »Guten Brunnens« soll ehemals eine der heiligen Anna geweihte Kapelle gestanden haben, weshalb man ihn auch »Annenbrunnen«, später aber »Tannenbrunnen« oder »Zu den drei Tannen« nannte. Man sagt, Kenner hätten versichert, daß die Kanne dieses Wassers einen Dukaten wert sei, wenn man das wilde Wasser davon scheiden könnte.
Das Marienberger Bad hatte die Quelle »Frischer Brunnen«, die 1553[13] bekannt wurde. In der Nähe des Zschopauer Thores in Marienberg giebt es heute noch einen »Frischen Quell«, dessen Wasser jedoch nur als Trinkwasser benutzt wird.
Das Bad Raschau wurde 1808 eingerichtet. Nach ihm führt noch ein Gasthaus in Raschau seinen Namen. Auch in der Nähe von Ehrenfriedersdorf giebt es einen Mineralquell, der bald als Stahl-, bald als Sauerbrunnen bezeichnet wird. Im Jahre 1646 wurde in Grumbach bei Jöhstadt am Walde nahe dem »Thumshirn-Brunnen« ein Heilbrunnen entdeckt, dessen Wasser zu warmen Bädern gebraucht ward. Nach ihm war eine Zeit lang großer Zulauf aus Meißen und Böhmen. Es wurden bei ihm selbst Betstunden abgehalten. Auch in Neudorf und Crottendorf hat man aus einer nicht mehr vorhandenen Quelle zur Kur getrunken. Zwei eisenhaltige Quellen sollen vom Fichtelberge in den Zechengrund abfließen.
Mathesius sagt über die Gesundbrunnen und warmen Bäder des Erzgebirges: »Unser Herr Gott ist ein weiser Hausvater. Weil er denn weiß, daß arme Bergleute in Gruben und Hütten viel böses Wetter, koblichten Stank, kalte Dämpfe, feuchten Brodel und giftigen Rauch in sich ziehen, pflegt er neben die Bergwerke gemeiniglich eine eigene Apotheke anzurichten, damit die Bergleute eine Bergarznei hätten wider die Lähme und verschleimte Lunge, erkältete Mägen und verlähmte Glieder und was der Bergsucht und Beschwerungen mehr sind.«
Nach Köhler u. a.
Die Flüsse und Bäche Sachsens enthielten zu der Zeit, wo Petrus Albinus aus Schneeberg seine 1590 erschienene »Meißnische Land- und Bergchronik« schrieb, noch einen Fischreichtum, wie derselbe trotz unserer künstlichen Fischzucht und Fischereigesetze bei den durch Fabrikanlagen verunreinigten Gewässern, ihren Uferbauten und Regulierungen, den Entwaldungen unserer Berge und anderen schädigenden Einflüssen mehr, wohl kaum wieder erzielt werden dürfte.
Man fing in der Elbe bis zu 2 Zentner schwere Störe, und zwar galt als die beste Fangzeit die Zeit der Rosenblüte; ebenso fehlten auch die Welse nicht, die um Johannis am besten waren, »darnach,« so meldet Albinus, »verbargen sie sich in die Felsen, darinnen verhielten sie sich, bis sie die »Eglen«, d. h. wahrscheinlich die gemeinen Fischegel, stachen, hernach machten sie sich wieder heraus«. Brassen und selbst die noch jetzt aus der Ostsee in die Oder kommenden Zährten, ferner Barben, Hechte, Aale, Aalraupen, Lampreten und Neunaugen, sowie Lachse bevölkerten damals unsere Gewässer; in der Mulde fing man Barben bis zu 10 bis 15 Pfund, Lachse bis zu 18 Pfund, und zuweilen wurden 18pfündige Hechte gefangen. Erwähnt wird dabei, daß man 1544 in der Ill bei Straßburg einen Hecht von 26 Pfund und in dem Filzteiche bei Schneeberg einen so großen fing, daß derselbe nicht Raum in einem Bierfasse hatte. Dazu kamen noch in den Bächen zahlreiche Forellen, Steinbeißer und Schmerlen, Gründlinge und Kaulbarsche vor, so daß die Fische vor 300 Jahren einen nicht unwesentlichen Teil der Ernährung, selbst des ärmeren Volkes bilden konnten. Mit besonderer Vorliebe verweilt daher auch Albinus bei diesem Kapitel seiner Landeschronik, und er begnügt sich nicht, dabei nur die Namen der einzelnen Fische zu nennen, sondern durch verschiedene beigefügte Bemerkungen über Laichzeit, Nahrungswert, Schmackhaftigkeit und anderes mehr weiß er für seinen Gegenstand ein noch größeres Interesse zu erregen. So[14] meint er, daß der Hecht von etlichen für den besten Fisch gehalten werde, doch scheint er der Forelle, von welcher eine schwarzgefleckte Art aus dem Schwarzwasser bei Schwarzenberg und aus Bächen um Crottendorf und Annaberg angeführt wird, den Vorzug zu geben, indem er sie den gesündesten und nahrhaftesten Fisch nennt, den man sogar in Wasserkästen groß ziehen könne, so daß er darin 4- und 5pfündig werde. Von dem Salm oder Lachs wird die Meinung damaliger Ärzte mitgeteilt, nach welcher dieser Fisch »stärkerer und gröberer Nahrung sei und gesalzen dem Magen schädlich sein solle«.
Im 16. Jahrhundert »sind die Bäche im Gebirge so fischreich gewesen, daß die Köhler und Holzhauer, wenn sie sich bei Sommerzeit in Bächen gebadet, sie die Waldforellen mit Händen gefangen haben. Nachdem aber das Seifen aufgekommen war und Erze gewaschen wurden, sind die Bäche verdorben, daß die Fische nicht mehr drinnen aufkommen mochten.«
Bereits zu Anfange des 18. Jahrhunderts finden wir die Erdäpfel auch im Erzgebirge. In unserer Gegend sind dieselben zuerst in Crottendorf angepflanzt worden. Bewohner dieses Dorfes brachten in den Jahren 1712 oder 1713 von Stützengrün und Bärenwalde Samenkartoffeln dahin. Bereits in den dreißiger und vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde eine gewaltige Menge dieses Gewächses daselbst erbaut. In dem benachbarten Schlettau hat dann der Anbau der Kartoffeln zunächst Anklang gefunden, da dieses Städtchen bereits in jener Zeit einen nicht unbedeutenden Feldbau betrieb. Besondere Verdienste um die dortige Heimischwerdung derselben erwarb sich der Amtshauptmann Alexander Christian von Beulwitz, der daselbst 1715 bis 1725 wohnte und von dem ihm gehörigen Erlbach im Vogtlande den erforderlichen Samen einführte. Von Schlettau ging der Anbau über nach Elterlein, Grünhain, Zwönitz und deren Nachbarschaft. Eine Teuerung, die im Jahre 1719 das Obergebirge drückte, wurde die Veranlassung zu immer ausgedehnterem Anbau. Der damalige Superintendent zu Annaberg, Dr. Andreas Kunad, forderte sogar in dem genannten Jahre in einer Predigt auf, die Kartoffeln häufig zu bauen, »welches auch soviel ausgerichtet, daß man sich allhier mit mehrerem Ernste der Sache beflissen«. Namentlich im zweiten Viertel des vorigen Jahrhunderts wurden die Kartoffelfelder immer zahlreicher auch um Annaberg. Der Ertrag war ein sehr reichlicher, indem man zehn- bis fünfzehnfältig erntete.
So war bereits vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts der Anbau der Erdäpfel im Obergebirge ein verbreiteter, und die gebirgischen Kartoffeln galten schon damals als durch Geschmack und Größe ausgezeichnet. Sie verdrängten von den Fluren und aus dem Haushalte mehr und mehr die Erbsen, Linsen und andere trockene Gemüse. Der Preis war nach dem damaligen Geldwerte ein mittlerer. Der Scheffel kostete von den geringeren Sorten 8, 9 und 10, von den besseren 16, 18 und 20 gute Groschen.
Schon damals, um 1740, baute man verschiedene Sorten, von denen namentlich drei angeführt und beschrieben werden. Die sogenannten Jobsäpfel, die ihren Namen davon hatten, daß sie bereits zu Jakobi, 25. Juli, reif wurden; sie galten für die beste Sorte. Sie haben ziemlich große Knollen, eine dünne, gelbe Schale und in der Mitte eine kleine Höhlung mit ein wenig Feuchtigkeit. Die andere Sorte ist kleiner, gleichfalls mit gelber Schale versehen, worüber[15] sich noch ein dünnes Häutchen befindet. Auch diese werden als mild und schmackhaft bezeichnet. Die dritte Sorte hat eine rötliche Haut und eine etwas eckige Form, von Geschmack sind sie streng und unangenehm, sodaß sie lediglich als Viehfutter benutzt werden.
Ebenso allmählich wie die Verbreitung der Kartoffeln geschah, ebenso brach sich nur nach und nach der mannigfache Nutzen und Gebrauch derselben Bahn. Man baute sie zunächst mehr zur Mästung und zur Mehlbereitung. Das daraus gewonnene Mehl mischte man unter das Brotmehl und erlangte dadurch ein billigeres Gebäck. Man verwendete es als Stärke oder zu dem damals vielgebrauchten Puder. Das grün abgeschnittene Kraut gab man den Kühen zu fressen, und die Butter bekam dadurch, wie gesagt wird, einen guten Geschmack; getrocknet wurde es im Winter in die Schafe gefüttert. Zeitig benutzte man natürlich auch die besseren Sorten als Nahrungsmittel für die Menschen; aber es ging ziemlich langsam, ehe man entweder durch eigenen Scharfsinn oder durch Nachahmung fremder, namentlich bei den Engländern und Holländern angewendeter Zubereitungsarten anfing, die Kartoffel zu braten und zu rösten, mit Eiern zu vermischen und Klöße, Kuchen und »Strützel« daraus zu backen, sowie Branntwein daraus zu brennen.
Nach Dr. Spieß.
Es sind gelegen: Riesa 108 m, Meißen 110 m, Leipzig 111 m, Dresden 113,4 m, Pirna 116 m, Strehla 118 m, Wurzen 120 m, Großenhain und Wehlen 123 m, Markranstädt und Schandau 125 m, Königstein 127 m, Oschatz 129 m, Grimma und Taucha 130 m, Zwenkau und Trebsen 131 m, Rötha 132 m, Pegau 133 m, Naunhof 134 m, Groitzsch 137 m, Nerchau 138 m, Borna 142 m, Regis 144 m, Mügeln 147 m, Brandis, Dahlen und Radeburg 150 m, Colditz 155 m, Frohburg 162 m, Rochlitz 166 m, Döbeln 170 m, Königsbrück 171 m, Lommatzsch 173 m, Lausigk 175 m, Dohna 177 m, Lunzenau 179 m, Waldheim 186 m, Mutzschen 189 m, Weißenberg 198 m, Roßwein 205 m, Kamenz 206 m, Ostritz 207 m, Tharandt 215 m, Leisnig und Elster 218 m, Bautzen 220 m, Geithain 229 m, Penig und Kohren 231 m, Bernstadt 234 m, Crimmitschau 236 m, Radeberg 242 m, Zittau und Meerane 246 m, Nossen 256 m, Waldenburg 257 m, Geringswalde 259 m, Mittweida und Hartha 260 m, Frankenberg 262 m, Glauchau 264 m, Wilsdruff 265 m, Zwickau und Schirgiswalde 267 m, Löbau 268 m, Pulsnitz 270 m, Sebnitz 274 m, Elsterberg 277 m, Werdau 280 m, Bischofswerda 290 m, Berggießhübel 292 m, Burgstädt 298 m, Mylau 302 m, Chemnitz und Hainichen 304 m, Hohnstein 308 m, Rabenau 311 m, Lichtenstein 315 m, Callnberg 318 m, Siebenlehn und Neusalza 326 m, Glashütte 330 m, Neustadt und Liebstadt 333 m, Zschopau und Gottleuba 338 m, Aue 348 m, Dippoldiswalde, Ernstthal und Hartenstein 350 m, Plauen und Wildenfels 352 m, Stolpen 360 m, Kirchberg 363 m, Limbach 371 m, Hohenstein 374 m, Oederan und Netzschkau 380 m, Reichenbach 390 m, Freiberg 401 m, Oelsnitz und Lengenfeld 404 m, Lößnitz 422 m, Stollberg 423 m, Pausa 446 m, Auerbach 450 m, Neustädtel 468 m, Brand, Schneeberg und Wolkenstein 470 m, Treuen und Schwarzenberg 471 m, Lengefeld 481 m, Adorf 482 m, Mühltroff 483 m, Bärenstein 490 m, Markneukirchen 500 m, Thum und Schellenberg 505 m, Zwönitz 520 m, Lauenstein 526 m, Ehrenfriedersdorf 533 m, Buchholz 557 m, Schlettau 564 m, Falkenstein 567 m, Geising 590 m, Geyer 592 m, Zöblitz 600 m, Annaberg[16] 602 m, Marienberg und Elterlein 610 m, Grünhain 630 m, Eibenstock 643 m, Frauenstein 650 m, Scheibenberg 669 m, Sayda 677 m, Schöneck 735 m, Johanngeorgenstadt 750 m, Altenberg 751 m, Jöhstadt 789 m, Unterwiesenthal 868 m, Oberwiesenthal 913 m. Daraus geht hervor, daß 40 Städte zwischen 100 und 200 m, 33 zwischen 200 und 300, 27 zwischen 300 und 400, 17 zwischen 400 und 500, 11 zwischen 500 und 600, 9 zwischen 600 und 700, 4 zwischen 700 und 800, 1 zwischen 800 und 900 und 1 zwischen 900 und 1000 m gelegen sind. Chemnitz liegt z. B. 196 m höher als die am tiefsten gelegene Stadt (Riesa) und 609 m tiefer als die am höchsten gelegene Stadt (Oberwiesenthal). Bautzen ist zweimal, Glashütte dagegen dreimal so hoch als Meißen gelegen. Neustadt und Liebstadt sind dreimal so hoch als Leipzig gelegen. Aue ist dreimal so hoch als Pirna gelegen. Stolpen ist dreimal so hoch als Wurzen gelegen. Zittau und Meerane sind zweimal so hoch als Großenhain und Wehlen gelegen. Markneukirchen ist viermal so hoch als Markranstädt und Schandau gelegen. Crimmitschau ist zweimal und Geising fünfmal so hoch als Strehla gelegen. Mittweida und Hartha sind zweimal, Reichenbach ist dreimal, Zwönitz viermal und Frauenstein fünfmal so hoch als Grimma und Taucha gelegen. Frankenberg ist zweimal so hoch als Zwenkau und Trebsen gelegen. Glauchau ist zweimal so hoch als Röda gelegen. Löbau ist zweimal so hoch als Naunhof gelegen. Sebnitz ist zweimal so hoch als Groitzsch gelegen. Zöblitz ist viermal und Johanngeorgenstadt ist fünfmal so hoch als Brandis, Dahlen und Radeburg gelegen. Dippoldiswalde, Ernstthal und Hartenstein sind zweimal so hoch als Lausigk gelegen. Falkenstein ist dreimal so hoch als Mutzschen gelegen. Neustädtel ist zweimal so hoch als Bernstadt und Zwönitz zweimal so hoch als Mittweida und Hartha gelegen. Von den höchstgelegenen Städten nimmt Oberwiesenthal die 1., Unterwiesenthal die 2., Jöhstadt die 3., Scheibenberg die 8., Elterlein die 12., Annaberg die 13., Geyer die 15., Schlettau die 18. und Buchholz die 19. Stelle ein.
Weise: Kimmt ä Bugerl u. s. w.
H. in F.
Die erzgebirgische Mundart, die als ein ostfränkisch-obersächsischer Mischdialekt bezeichnet wird, kann als eine einheitliche Mundart aufgefaßt werden, da sie gewisse gemeinsame Züge hat, die nur ihr eigen sind und durch die sie sich von allen Nachbarmundarten wesentlich und bemerkbar unterscheidet. Aber innerhalb der Mundart sind die Verschiedenheiten und Abweichungen, die besondern Eigentümlichkeiten und unterscheidenden Merkmale so zahlreich und augenfällig, daß man gut und gerne eine ziemliche Anzahl von Untermundarten unterscheiden könnte. Ein tiefgreifender Unterschied macht sich zunächst geltend zwischen der Sprechweise des östlichen Gebirges, wo die ostfränkischen Bestandteile noch vorherrschen, und dem Westen, wo sie seltener und meist verschliffen sind; fast ebenso bedeutend ist der Unterschied zwischen dem oberen Gebirge und dem mittleren Höhenlande, wo ein allmähliches Verblassen und Verwischen der weiter oben schärfer hervortretenden Züge der Eigenart stattfindet. Aber auch sonst sind die Unterschiede, die Besonderheiten häufig. Jede Gegend, jedes Thal, ja jede Stadt hat ihre Eigentümlichkeiten, die als solche empfunden werden und die Quelle gegenseitiger Hänseleien zu sein pflegen.
Wir wollen betrachten, »wies Vulk redt«, und das redet anders in Kamms (Chemnitz), als in Edern (Oederan), anders in Griehah (Grünhain), als in Zwehnz (Zwönitz).
Der Erzgebirger, besonders der Obererzgebirger, hat eine Vorliebe für dumpfe Vokale und harte Konsonanten. So werden au, ä, eu und ei zu aa (a), z. B. Fraa, Baar, Fraad, Staan; – ei, eu und ö zu ä, z. B. lächt, lächt'n, schännsta; – e zu a, z. B. har; – a zu oo, z. B. Soog'; – o zu uu (u), z. B. Luus. So wird aus j: g, z. B. gän'r (jener), Gahr, Gung, Gag'r (Jäger); – aus g: k, z. B. genunk, Bark (Berg), Kelick (Glück): – aus h: k, z. B. Fluk (Floh).
Fälle von Lauterzeugungen, insbesondere Vokalerzeugungen zwischen gewissen Konsonanten, sind nicht selten, so beispielsweise: Gelut = Glut, geleich = gleich, Gelanz = Glanz, Gelaaben = Glauben, Galied'r = Glieder, ferner: d'rkannt = erkannt, ahamm = heim, noochert = nachher, weiter: Rumpes = Rumpf, Kupes = Kopf, ähnlich: Millich = Milch, Lärig = Lerche, endlich: Taafet = Taufe, Garmerich = Jahrmarkt (vergl. in Thüringen Almerich = Altenburg).
Weit häufiger aber sind die Ausstoßungen von Vokalen, die Verschleifungen von Silben und Wörtern. Gewöhnlich ist der Vokal in den unbetonten Vorsilben ge, ver u. s. w. kaum hörbar, z. B. g'triem = getrieben. Manche Vorsilben verschwinden ganz, wie: 'rei = herein, 'ro = heran, 'nunger = hinunter. Die unbetonten Endsilben werden entweder ganz abgestoßen oder verschmelzen mit der Stammsilbe, z. B. bleim = bleiben, proom = proben, uhm = oben, Laam = Leben, Oomd = Abend, gaehmt = geebnet, wink = wenig, Kuhng = Kuchen, gebung = gebogen, Seng = Segen, Kerng = Kirchen, aang = eigen,[18] fluung = fluchen, werng = würgen, v'rlaang = verleugnen, d'rwang = deswegen, Toong = Tagen, hiesing = hiesigen, Kann'r = Kantor, Rutkaat = Rotkehlchen, geha = gehauen, laen = legen, wer = würde, wurn = geworden. Die Verkleinerungsendung lein erscheint in der Form: la (le). Für die Adjektiv-Endung ig wird manchmal et gebraucht, z. B. schaaket = scheckig, baanet = beinig. – Aber nicht allein unbetonte Silben werden abgestoßen und verschliffen, sondern auch solche mit einem Nebentone, z. B. Nupr = Nachbar, schawern = scharwerken, Handschch = Handschuh, Echerla = Eichhörnchen, Gahlich'n und Gahl'chen = gelbe Hühnchen, arb'n = arbeiten, nong = nachher. Auch kurze Wörter werden mit einander verschmolzen, z. B. wemmer = wenn wir, gimm'r = geh'n wir, vunna = von ihm, hottene = hat er ihn, nu'ch = nun sich, ing = ich ihnen, Bornkinnel = gebornes Kindlein, gippt'r = giebt ihrer, allezamm = alle zusammen, immadim = um und um, ka'sn = kann es ihnen, guttegor = ganz und gar, epps'n = ob sie ihn, würrerch = würde er sich.
Aus der Wortbeugung mögen nur die besondern Steigerungen serner von sehr (= mehr) und ehnder von ehe, die eigentümlichen Zeitformen: huhl für hielt, fuhl für fiel, fuhng für fing, gehatten für gehabt und maanet für meinte erwähnt werden.
Die Sprache des Erzgebirgers weist noch manche Eigentümlichkeit auf. So mischt er seiner Rede gern selbstgeschmiedete Wörter bei und verunstaltet fremde aufs grausamste. Aus Larifari macht er »Larefar«, das Korsett wird zu einem »Kartschetl«, das Porzellan zu »Porzelih«, eine Guirlande zur »Gorlande«. Etwas ganz Neues ist »nieglnoglnei«, wem man den Standpunkt klar machen will, den »laxenirt« man, und ein ungezogener Junge wird nicht bei den Haaren, sondern »bun (beim) Wisch« genommen. Während der Bauer des Niederlandes den ganzen Tag im Hofe und Felde »scharwerkt«, »schabrt« der erzgebirgische; er heimst nicht ein so viel als möglich, sondern er »schobert«, geht auch nicht zum Nachbar auf Besuch, sondern »hutzn«. Ein lediger »Puß« (Bursche) macht im Erzgebirge zwar keinen Lärm, aber großen »Teebes« oder »Teebs«. Als Verkleinerungssilbe braucht der Erzgebirger statt chen und lein »la« (»Kihla« = Kühchen, »Seila« = Schweinchen); außerdem ist er ein Freund der Flickwörter »fei« und »eppr«. Auch die Namen pflegt er zu verunstalten. Aus einem Ludwig macht er einen »Lud« oder »Wig« und Gottlob, -fried, -lieb verkürzt er zu »Lub«, »Fried« und »Lieb«. Ebenso sind im Erzgebirge die Spitznamen mehr denn anderswo daheim. Jeder im Dorfe weiß z. B., wo der »Mahlhenner« wohnt, während ihm der mit Mehl handelnde Heinrich so und so unbekannt ist. Auch fügt man den Taufnamen gern dem Familiennamen bei. Man macht aus dem Gottlob Schulze einen »Schulzenlob«, und sein Sohn Eduard wird zum »Schulzenlobward«, ja selbst ein »Hansenfritzenkarlfried« ist keine so seltene Erscheinung. Es bedingt schon einiges Nachdenken, um z. B. aus »Mahlhennerwigs Puß« den Sohn von Mehlheinrichs Sohn Ludwig und aus »Fuchsdavidkordel« die Tochter Konkordia des Gutsbesitzers David so und so, der zufällig fuchsfarbige Pferde liebt, herauszufinden.
Nach Dr. Oertel u. a.
('n Baur Hansgörg sei Lieblingsredn.)
Th. Krausch.
Der Erzgebirger ist höflich, gefällig und äußerst genügsam. Gern steht er dem Fremden Rede, und im Zwiegespräche sucht er unaufgefordert das Beste zur Unterhaltung beizutragen. Von seiner Genügsamkeit zeugen die einfache Wohnung und die noch einfachere Kost. Dazu kommt Frohsinn, eine ungemeine Verträglichkeit und große Liebe zur Reinlichkeit. Im Erzgebirge wird eifrig gesungen und noch eifriger musiziert. Klostergrab und Breitenbrunn, Kupferberg und Gottesgab, vor allem aber Preßnitz senden Scharen von Musikern hinaus in die Welt. Während es anderwärts oft nicht gut thut, wenn zwei[20] Familien in demselben Hause wohnen, so hausen im Erzgebirge oft drei bis vier Familien in einer Stube, ohne daß man viel von unfriedfertigen Auftritten hört; sicherlich ein Beweis, daß die Bewohner sanft und schmiegsam sind. Der Sinn für Reinlichkeit tritt dem Fremden ungesucht entgegen. Die Gebäude gefallen meist schon durch ihren gut erhaltenen Bewurf und Anstrich, und das Innere der Häuser und Hütten erfreut noch mehr durch die daselbst herrschende Sauberkeit. Die Zimmerwände sind reinlich getüncht, die Dielen weiß gescheuert, die Haus- und Küchengeräte blank geputzt! Und wenn der Maßstab Liebigs richtig ist, daß man die Kultur von Volksgruppen nach dem von ihnen verbrauchten Quantum Seife beurteilen könne, so wird den Erzgebirgern eine bevorzugte Stellung einzuräumen sein; denn nirgends wird wohl mehr als bei ihnen gewaschen und gescheuert. In der That macht auch der geringe Mann im Erzgebirge eher den Eindruck eines verarmten Gebildeten, denn eines armen Natursohnes. Fragt man den Erzgebirger selbst, was er für die wesentlichste Eigenschaft seiner Landsleute halte, so wird man sicher zur Antwort bekommen: »Die Gemütlichkeit!« Ein vieldeutiges Wort, worunter man aber im allgemeinen das Streben zu verstehen hat, sich und anderen das Leben angenehm zu machen. Im Gebirge wird eben aufmerksam beachtet, nicht nur was man sagt und was man thut. Gewandte Personen gelten als »manierlich« und erhalten leicht Beifall; eckige Naturen werden mit zweifelhaftem Auge, Störenfriede mit Widerwillen betrachtet. Durch die genannte »Gemütlichkeit« wird allerdings die Geselligkeit erhöht und ein angenehmer Ton im gegenseitigen Umgang geschaffen, doch auch die Thatkraft und der Trieb zur Selbsterhaltung abgeschwächt.
Ganz besonders vor dem Niederländer zeichnet sich der Erzgebirger durch seine Vorliebe für Tanzvergnügen aus; selbst in den kleinsten Dörfern trifft man oft mehrere, ziemlich groß angelegte Tanzsäle an. Diese Tanzlust ist vielleicht die Folge sowohl der zum Sitzen zwingenden Hausindustrie, als auch der Grundlosigkeit der im Winter verschneiten, im Frühjahr und Herbst aber aufgeweichten Wege; der Tanz bietet dann oft allein Gelegenheit zu der nötigen Bewegung.
An den alten Resten verschwindenden Volkstums und Volksglaubens hängt der Erzgebirger mit wunderbarer Festigkeit; Sagen und Mären, die sonst verschwunden sind, haben sich hier erhalten.
In den erzgebirgischen Familien ist die Überlieferung noch lebendig. Die alte Ahne im Lehnstuhle, die nicht mehr klöppeln kann, weil ihre Finger zittern, erzählt den Kleinen die Wundersagen und die besonderen Geschichten des Thals und des Dorfs, und die bleiben lebendig in den Herzen und Köpfen und werden von den altgewordenen Hörern weiter vererbt.
Hier oben ist noch manches lebendig, das anderwärts schon lange tot ist und mit Moder bedeckt. Hier leben in den langen Winterabenden die Gestalten der altdeutschen Sagen wieder auf, und leuchtenden Auges lauschen die Kleinen den Mären von dem reichen Silberherrn, den der Satan geholt, von dem Bergmann, der die Silberstufen gefunden hat, von dem grauen Männchen in Schneeberg und dem Schwarzkünstler zu Geyer. Die erzgebirgische Tracht ist zwar fast ganz verschwunden, – nur vereinzelt sieht man noch den roten Brustlatz mit blanken Knöpfen, öfter noch die schwarzledernen Hosen und den Sammetbartel, – aber mit ihr nicht die eigenartige Sitte des Gebirges. Besonders mächtig ist noch die christliche Sitte. Was im Niederlande schon als überlebt beiseite geworfen ist, ist in den Bergen noch lebendig. Die christliche Sitte ist aber nicht nur Äußerlichkeit, sie ist auch ein Ausdruck des christlichen[21] Sinns des Erzgebirges, der sich nicht nur in seinem Thun und Treiben, nicht nur in seinem Verhältnisse zur Kirche, sondern auch in seinen Sprichwörtern und seinen sprichwörtlichen Redensarten kundgiebt. Gemeinsam mit dem Vogtländer ist ihm die sinnige Feier des Weihnachtsfestes. Was bei jenem die Krippe, ist bei ihm das Bethlehem, eine Darstellung des Weihnachtswunders, oft vom Vater geschnitzt, oft auch in den Familien forterbend, um das sich die Familie zum Feste sammelt. Die Stelle des Lichterbaumes wird, besonders in den Bergwerksgegenden, durch einen Bergmann vertreten, der ein Licht hält, oder auch durch einen großen Leuchter.
Nach Prof. Berlet und Prof. Dr. Oertel.
Kahl stehen die Bäume, öde die Felder, der Herbst ist eingezogen und mischt sich bereits mit den Anfängen des Winters. Da naht das Hauptfest des Landmanns, die Kirmes. Es setzt schon lange voraus Herzen und Hände in Bewegung. Alle wollen am Feste geschmückt erscheinen. Die Kinder erbitten von den Eltern, dort ein neues Paar Hosen, hier eine neue Jacke. Auch die jungen Leute machen bei dem Dorfschneider ihre Bestellungen, der kaum allen Aufträgen genügen kann, und die Botenfrau muß den jungen Mädchen bunte, seidene Bänder und andere Schmucksachen häufiger als sonst aus der Stadt mitbringen. Auch die Hausfrau hat ihre Pläne für das nahende Fest. Lange vorher hat sie schon den Rahm gesammelt, um genug Butter zum Kuchenbacken zu haben, und bereitet nun Käse, läßt Rosinen, Mandeln, Zucker, Hefen u. s. w. holen, auf daß nichts fehle. Die Kuchen sind bereit und wandern zum Bäcker, um nach einigen Stunden, fertig und noch rauchend, unter dem Jubel der Kinder ihren Einzug wieder in das Haus zu halten. – Aber noch andere Opfer sind nötig. Ein Schwein soll geschlachtet, Sauleed oder Krumbeh, Schlachtfest gehalten werden. Der Fleischer ist bestellt, der Schlachtzettel besorgt, Gewürz, Wasser und Brennholz sind schon am Abend vorher herbeigeschafft. Der späte Herbsttag bricht an, schon knistert das Feuer unter dem Wurstkessel: da klingelt die Thüre und herein tritt der Fleischer, Brust und Beine bedeckt die weiße, frisch gemandelte Schürze. Der breite Ledergürtel unter derselben ist mit Perlen oder Silberplättchen verziert, und an der Seite hängt ein Köcher mit Messer, Gabel und Wetzstahl. Er verrichtet sein Werk und bald ruht das tote Schwein in dem bereitstehenden Troge. Mit Hilfe des heißen Wassers und des Schabeisens sind die Borsten entfernt, das Schwein wird geteilt und Stücken Fleisch in den brodelnden Kessel geworfen. Endlich ertönt der Ruf: »Das Wurstfleisch ist fertig« und alles eilt herbei, um an dem leckern Genuß sich zu laben. Das Schwertelfleisch wird an die Hausgenossen und Nachbarn verschickt. Nun folgt das Bereiten und Kochen der Würste, das Einsalzen des aufzuhebenden Fleisches, ein tüchtiges Bratstück ist zur Kirmes ausgesucht und der Abend schließt mit dem Verzehren der Wurstsuppe und frischer Wurst, als eine Art Vorfeier des immer näher rückenden Festes. Die ärmeren Nachbarn holen sich die Wurstbrühe. Nun wird auch das ganze Haus gerüstet, überall wäscht und kehrt, scheuert und putzt man. Der Kirmessonntag ist da. Beim Aufgange der Sonne weckt das Blasen eines Chorals vom Thurme durch die Dorfmusikanten die schlummernden Bewohner. Bald sind alle in der Wohnstube beim Kaffeetisch versammelt. Die gute Kaffeekanne dampft in der Mitte der Tassen und daneben locken Teller mit Türmen von Kuchenstücken. Man thut dem ersehnten Gebäck die möglichste Ehre an, und Teller und Kanne sind schnell geleert. Der heutige Gottesdienst wird nur spärlich besucht, denn erst[22] am morgenden Tage, am Montag, ist der eigentliche Kirchweihtag. Ist er endlich angebrochen und rufen die Glocken zur Kirche, so eilen die festlich geschmückten Landleute in einzelnen Trupps von allen Seiten nach der lieben Ortskirche, deren Weihtag ja heute gefeiert wird. Heute darf die Kirchenmusik nicht fehlen. Wieder ertönt Glockenklang und heraus strömt die Menge, jeder seiner Wohnung zu. – Welche Freude giebt es bei der Heimkunft. Der Vetter aus der benachbarten Stadt, die Frau Gevatterin aus einem entfernten Dorfe und andere geladene Gäste sind eingetroffen. Endlich ist der Tisch gedeckt. Auf dem Tischtuch von selbsterbautem Flachs prangen Schweine- und Hühnerbraten, daneben die beliebten Kartoffelklöße und Sauerkraut, weißes Brot und Bier, vielleicht auch eine Flasche Wein. Alles setzt sich. Auch der zitternde Großvater im silberweißen Haar rückt seinen altertümlichen Lehnstuhl heran und von seinem wirtlichen Sohne gebeten, nimmt er das Sammtkäppchen von dem ehrwürdigen Haupte in die gefalteten Hände und spricht das Tischgebet. Jeder läßt sich die guten Gerichte wohlschmecken, deren Schluß mächtige Kuchenteller bilden. Nach Tische machen die Männer einen Gang ins Freie, die Kinder haben ebenfalls draußen ihre Lust, wo auf Wegen und Stegen ein fröhliches Leben herrscht. Nur die Frauen bleiben sitzen und erzählen sich bei Kuchen und Kaffee die neuesten Geschichten. Die rückkehrenden Männer gesellen sich auch zu ihnen und unter Gespräch und Genuß vergeht die erste Hälfte des Nachmittags. Später geht man wohl in die Schenke, wo der Tanz der jüngeren Leute bereits um 3 Uhr begonnen hat. Dort setzt man sich zum Glase Bier, man spielt einen Skat, auch Schafkopf oder schaut der unermüdlichen Jugend zu. Um 7 Uhr geht man zum Abendessen nach Hause, das von der Hausmutter festlich zugerüstet ist. Alt und jung nimmt Platz, die Teller werden gefüllt und bald ist alles in reger Arbeit. Ist die Rosinensuppe gegessen, folgt Schweinefleisch mit Zwiebelbrühe, oder Schinken mit Sauerkraut, dann Karpfen mit Krautsalat, zuletzt wieder Kuchen. An Bier, Branntwein, selbst an Wein ist kein Mangel. Nach aufgehobener Tafel bleibt man noch eine Weile beisammen sitzen oder man wandert wieder zur Schenke, wo nun auch die Verheirateten am Tanz sich beteiligen, bald einen Walzer, bald einen Rutscher, einen Dreher u. s. w. verlangend. Spät wird die Kirmeslust beschlossen und mit Kuchenpäckchen beladen ziehen die Gäste dankend heim. – Dienstag bildet noch eine Art Nachfeier, bis endlich an der Mittwoch Haus und Arbeit allmählich wieder in das ruhigere Gleis einlenken. – Am nächsten Sonntag verhallen in der Klein-Kirmes die letzten Klänge und Freuden des Festes: nur die Erinnerung tröstet noch und die Hoffnung, daß nächstes Jahr wieder Kirmes ist.
Nach Spieß.
Unter allen Festen des Jahres nimmt im Gebirge unstreitig das Weihnachtsfest die erste Stelle ein. Bereits einige Tage vor dem heiligen Abend reinigt die Hausfrau mit ihren Töchtern das ganze Haus, putzt Fenster und Gefäße und fegt die Stube. Auf die Dielen der Wohnstube streut sie Stroh, welches auch, so lange die Zwölfnächte dauern, liegen bleibt. Der heilige Abend gilt schon als halber Feiertag. Erwachsene und Kinder haben ihr Sonntagskleid angelegt. Aus der Kammer oder aus dem Keller werden die am Andreasabend gebrochenen Reiser geholt, sie haben in der kurzen Zeit Schößlinge getrieben. Kaum ist die Sonne zur Rüste gegangen, so vereinigen sich die Familienglieder zum frohen Mahl, denn heute giebt es »Neunerlei«. Die sonst so sparsame[23] Hausfrau hat den Ihrigen Klöße, Bratwurst und Linsen, Sauerkraut, Heidelbeeren und sonstige erzgebirgische Feiertagsspeisen, sodaß sie neun Gerichte bilden, aufgetischt. Nach dem Essen bestreut der Hausvater einige Brotschnitten mit Salz und Nußkernen und giebt sie dem Vieh im Stalle, auch dieses soll wissen, daß heute Weihnachten ist. Auch die Obstbäume im Garten beschenkt er am Christabend, indem er sie mit einem Strohseile umwindet, aus Dankbarkeit tragen sie im kommenden Jahre besser. Brot und Salz bleibt im Tischtuche eingeschlagen auf dem Speisetisch während der Nacht liegen, denn nur dann geht das ganze Jahr hindurch der Segen nicht aus. Viele verbringen die Christnacht wachend, um, wie sie sagen, die Metten nicht zu verschlafen. Das junge Volk vertreibt sich die Zeit durch allerhand Kurzweil. In ein mit Wasser gefülltes Gefäß gießen die Mädchen durch einen Erbschlüssel flüssiges Blei, aus der Form des plötzlich erstarrten Tropfens suchen sie die Beschäftigung des zukünftigen Bräutigams zu erraten. Drei Silberpfennige läßt man in einer mit Wasser gefüllten Schüssel schwimmen, nähern sie sich, so findet noch im Laufe des Jahres Hochzeit statt, wozu der Pfarrer, welchen der dritte Pfennig darstellt, seinen Segen giebt. Ein Auseinanderschwimmen bedeutet die Lösung der angeknüpften Liebschaft. Die Zwölfzahl, nach den zwölf Monaten, ist bedeutungsvoll bei all diesen abergläubischen Gebräuchen. Zwölf Schüsseln stellt man auf den Tisch, worin in der einen ein Brautkranz, in der andern ein Totenkranz, in der dritten ein Gevattersträußchen u. s. w. liegt, in die vorletzte aber hat man helles und in die letzte trübes Wasser gegossen. Mit verbundenen Augen nahet sich die fragende Person; je nach dem Wasser, wonach dieselbe greift, wird das Jahr trüb oder heiter für sie sein, wehe, wenn sie nach der Schüssel mit dem Totenkranze die Hand ausstreckte! Zwölf Häufchen Salz formt der Landmann in der Christnacht und stellt sie in Zwiebelschalen; nach der Feuchtigkeit, welche sie in der Nacht angezogen haben, läßt sich bestimmen, welcher Monat trocken oder feucht sein wird. Sind mehrere Töchter im Hause, so nimmt eine nach der andern einen Schuh und wirft ihn nach der Thür; zeigt er mit der Spitze nach dem Ausgange, so verläßt das Mädchen im Laufe des kommenden Jahres das väterliche Haus.
Man achte auf die durch das Kochen des Wassers im Ofentopf entstandene Musik, sie prophezeit das kommende Jahr. Um Mitternacht aber, so lange die Turmuhr die zwölfte Stunde verkündet, spendet das Brunnenrohr draußen im Hofe lautren Wein! Verschiedene Mitglieder der Kantoreibrüderschaft steigen nach Mitternacht die steilen Stufen im alten Wachtturme bis zur Türmerwohnung empor und singen da Weihnachtslieder. Durch die offenen Fenster schallt der Choral: »Vom Himmel hoch, da komm' ich her etc.« in die schweigende Winternacht hinaus. Noch ist das Licht der Sterne nicht erblichen, da rufen die Kirchenglocken zur Christmette. Reich und arm, groß und klein geht zum Gotteshaus, wohl das ganze Jahr hindurch sieht dasselbe selten eine so zahlreiche Menge Andächtiger, als an diesem Morgen. Vom Chore herab ertönt das alte lateinische Weihnachtslied, das in der Übersetzung lautet:
Auch die Weissagung aus dem Propheten Jesaias, welche im 9. Kapitel steht und mit den Worten anhebt: »Das Volk, so im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht etc.« wird gesungen. Ein jeder Kirchgänger hat sein eigenes Mettenlicht mitgebracht, der Lichtstumpf wird später daheim heilig aufbewahrt, denn zündet man denselben während eines Gewitters an, so schlägt der Blitz nicht ein, so behauptet wenigstens der Aberglaube. Die letzten Klänge der Orgel sind kaum verklungen, so eilt schon die frohe Kinderschar den elterlichen Wohnungen zu, in ihrer Abwesenheit hat ja das Christkind seine Gaben ausgebreitet. Der Leuchter, welcher auch in der ärmsten Hütte nicht fehlt, ist angezündet, die Pyramide dreht sich, der »Berg« strahlt im hellsten Kerzenlicht. Der Berg ist ein in der Stubenecke terrassenförmig aufgebauter Paradiesgarten mit Hirsch und Jäger, mit Stall und Krippe, mit Engel und Stern, kurz mit allem, was der Vater in den langen Winterabenden für seine Lieblinge zusammenbaute. Heller jedoch als die Lichtlein strahlen die Augen der beglückten Kleinen.
Die Christnacht ist die erste Nacht der Zwölfnächte. Da muß man auf die Träume achten, da sie in Erfüllung gehen. Die Zwölfnächte werden im Erzgebirge auch wohl Innert- oder Internächte genannt, also Zwischennächte, da sie zwischen dem heiligen Abend vor der Christnacht und demjenigen vom Hohenneujahrstage liegen.
In Geyer knüpft sich an den Mettenbesuch folgende Sage: Ein altes Mütterchen, welches von Kindheit an gewöhnt war, die Christmetten zu besuchen, legte sich nicht schlafen, damit sie den Ruf der Glocken nicht überhöre. Die Wanduhr war stehen geblieben, da schien es ihr, als riefen die Glocken zur Kirche. Rasch macht sie sich zum Kirchgange auf, die großen Bogenfenster der Kirche waren auch schon hell erleuchtet. Wie früher hatte ein jeder Kirchgänger sein Mettenlicht angezündet, die Weissagung wurde gesungen, so auch das Quem pastores. Nur däuchte es ihr, als ob die Andächtigen bleicher als sonst aussähen und als sie näher hinschaute, waren es lauter Verstorbene. Eine Nachbarin zupfte sie am Kleid und wisperte ihr ins Ohr: »Gevatterin, Ihr seid zu früh und deshalb in die Totenmetten gekommen, dort seht Ihr die Schattenbilder derer, die in dem kommenden Jahre die unseren werden. Damit Ihr nicht auch dazu kommt, so werft beim Verlassen der Kirche Euern Mantel ab.« Erschreckt verließ das Mütterchen die Kirche, that aber, wie ihr die Gevatterin geheißen. Am andern Morgen fanden die Kirchgänger auf jedem Grabe des Friedhofes, welcher die Kirche umgiebt, ein Stückchen von dem Mantel, den die alte Frau beim Besuch der Totenmetten getragen hatte.
Nach Spieß.
Weihnachtsspiele gab es noch in den beiden ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts im Erzgebirge und in dessen Nähe allenthalben, vorzüglich aber waren sie da heimisch, wo Bergbau getrieben wird, und Bergleute waren auch meist die Darsteller. Es gab zwei verschiedene Arten von Christspielen, die Engelschar und die Königschar. Eigentlich hießen so die Gesellschaften, welche sich gebildet hatten, um die Geburt Christi darzustellen, aber man bezeichnete die Spiele selbst auch mit diesem Namen. Die Engelschar bildeten zwei Engel in weißen Kleidern, mit Flügeln und hohen goldpapiernen Kronen; dann der heilige Christ selbst, der hier seltsamer Weise in Mannesgestalt auftritt, während die Geschichte von seiner Geburt aufgeführt wird, der Bischof Martin und der[25] heilige Nikolaus, statt dessen an andern Orten Petrus auftrat, welche ebenfalls in langen, weißen Gewändern gingen und Kronen trugen, während Christus das Zepter, Martin eine Rute, Nikolaus einen grünen Zweig, Petrus einen großen, gelben Schlüssel in der Hand hielt; ferner Josef, Maria, der Wirt, zwei Hirten und der Knecht Ruprecht. Diese zogen von Haus zu Haus. Der heilige Christ fragte nach dem Fleiß und der Folgsamkeit der Kinder, Martin mußte sie im Katechismus prüfen und Gebete aufsagen lassen, Ruprecht schreckte die Ungehorsamen durch seine Drohungen, der heilige Christ aber beschenkte die Artigen; dann wurden die Geburt Christi im Stalle zu Bethlehem, die Verkündigung an die Hirten auf dem Felde und die Anbetung der Hirten im Stalle dargestellt und an passenden Stellen Weihnachtslieder gesungen; zuletzt verabschiedete sich Christus und die ganze Schar mit einer Ermahnung an die Kinder.
Diese Art der Weihnachtsspiele ist wahrscheinlich die älteste. Als unsere Vorfahren noch Heiden waren, so glaubten sie, daß in den zwölf Nächten nach dem heidnischen Feste der Wintersonnenwende die Götter sichtbar auf Erden herumzögen, und viele der noch heute üblichen Weihnachtsgebräuche deuten noch auf diesen Glauben hin; selbst die zu Weihnachten und zum neuen Jahre in manchen Gegenden vorgeschriebenen Speisen sollen ursprünglich Opfermahlzeiten gewesen sein. Es ist leicht möglich, daß in dieser Zeit die heidnischen Priester als Götter verkleidet umherzogen, um das Volk oder wenigstens die Kinder in Ehrfurcht vor den Göttern zu erhalten. Als aber die Deutschen Christen wurden, behielt man die alte Sitte bei, nur traten an die Stelle der alten Götter Christus, Maria und andere heilige Personen; nur der Ruprecht, dessen Name »der Ruhmesprächtige« bedeutet und der eigentlich der Gott Thor der alten Deutschen gewesen sein soll, der Gott des Donners, blieb noch bei der Schar, aber nicht als Gott, sondern als schreckende Knechtsgestalt, wie wir ja wissen, daß die Geistlichen, da sie die Furcht vor den alten Göttern nicht ausrotten konnten, sie wenigstens als böse oder finstere Mächte darstellten. Bemerkenswert ist auch der Umstand, daß die Engelschar, wie die Leute sich ausdrücken, »das Recht zu gehen«, d. h. herumzuziehen, vom ersten Advent bis zum Neujahr oder Hohenneujahr hatte; vom Hohenneujahr bis zur Lichtmeß hielt dann die Königschar ihre Umzüge. Diese bestand aus zwei Engeln, Josef, Maria, dem Wirt, zwei oder drei Hirten, den drei Weisen oder Königen aus dem Morgenlande, Herodes, seinem Diener und einem Schriftgelehrten und führte die ganze Geschichte von der Geburt Christi bis zum Kindermord in Bethlehem auf, und zwar in der Regel nicht von Haus zu Haus ziehend, sondern in einem größeren Zimmer oder Saal, wo die Zuschauer sich vorher versammelt hatten. An einigen Orten kennt man die Engelschar gar nicht, man nennt dann die Spieler auch nicht die Königschar, sondern die Heiligenchristspieler.
Das Obererzgebirge war früher der eigentliche Mittelpunkt der Weihnachtsspiele. In Annaberg gab es selbst eine Gesellschaft, meist aber kamen die Gesellschaften der umliegenden Ortschaften, die in der Stadt ihre Christspiele aufführten. In der Umgegend von Annaberg giebt es fast keinen Ort, der nicht früher seine Engel- oder Königschar oder beide zugleich hatte. Noch in den 50er Jahren bestand eine Königschar in Frohnau. 1838 wurde dieselbe das letzte Mal in Wiesa aufgeführt. In Hermannsdorf hat die Engelschar am Anfange dieses Jahrhunderts ihr letzte Weihnachtsspiel aufgeführt. 1850 spielte man in Königswalde das letzte Mal. In Raschau gab es noch 1850 das Dreikönigsspiel; ebenso in Grünhain und Crottendorf. In Geyer spielte die Engelschar etwa 1810 zum letzten Male. In Grumbach spielte man noch[26] 1836–40. In den 40er Jahren bestand die Bärensteiner Engelschar noch. Die allerjüngste Aufführung der Engelschar geschah 1857 in Mildenau. – In neuester Zeit sind mehrfach Weihnachtsspiele veröffentlicht und mit Erfolg aufgeführt worden.
Nach Mosen.
Die älteste Form des erzgebirgischen Weihnachtsspieles waren die einfachen Hirtenspiele, welche die Verkündigung der Geburt Christi auf dem Felde und die Anbetung des Christkindes durch die Hirten behandelten. Hierzu kamen dann die »Heilige Christfahrten« und die »Drei Königsspiele«. Aus der Verbindung der »Heiligen Christfahrt« mit dem altüblichen Hirtenspiele ging die »Engelschar«, aus der Verbindung des »Drei Königsspiels« mit demselben die »Königsschar« hervor. Während »Engelscharen« und »Königsschar« vielfach erhalten sind, finden sich »Heilige Christfahrten« nur selten.
1631
Personen:
Der Engel Gabriel.
Hierauf klopft ein anderer Engel oder auch statt des Engels ein Bauer draußen an die Thür und spricht:
Dann tritt der Heiland ein, dem der Engel Michael vorangeht.
Der Heiland.
Beklagen sich die Eltern über ihre Kinder, so spricht der Heiland:
Beklagen sie sich aber nicht, so hebt Uriel an zu klagen:
Darauf der Heiland:
Nikolaus tritt für die Kinder ein und spricht:
Der Heiland.
Nikolaus.
Der Heiland.
Nachdem die Kinder ihre Gebete hergesagt, spricht der Heiland:
Nikolaus.
Der Heiland.
Dann singt man ein Lied und Michael sagt zum Schluß:
Nach den Kirchl. Mitteilungen aus Zwickau und Umgegend.
('n Hannerl sei Liedl.)
J. G. Grund.
An dem Festzuge des ersten sächsischen Volkstrachtenfestes am 5. Juli 1896 in Dresden haben auch die Erzgebirger sich beteiligt und manche ihnen noch eigentümliche Tracht aufgewiesen. Die erste Abteilung des erzgebirgischen Zuges bildeten die Bergleute, und zwar zunächst die Farbenwerk- und Hüttenleute mit Zimmerlingen und Maurern mit Musikkorps, sodann die Gruppe aus den Blaufarbwerken in Oberschlema und Pfannenstiel. Der Gruppe aus dem Kupferhammer »Grünthal« folgte die Gruppe der Kohlenbergleute. Dem Bergmannszug schlossen sich noch Bauern und Hausierer aus dem Erzgebirge an. Hierzu gehörten Löffelhändler aus Beyerfeld, Spielwarenhändler aus Grünhainichen und Kastenleute aus Jöhstadt. Den Schluß des Zuges bildete ein vollständig ausgerüsteter erzgebirgischer Lastwagen, der vom Fuhrwerksbesitzer Israel in Löbtau gestellt wurde.
Streiten ist an sich keine löbliche Eigenschaft, und am allerwenigsten scheint ein sittlicher Grund vorzuliegen, die Erinnerung an einen Streit in einem alljährlich wiederkehrenden, festlich begangenen Tage festzuhalten und auf die kommenden Geschlechter zu vererben. Und doch haben unsere biederen sächsischen Bergleute dies Ungeheuerliche fertig gebracht und sie feiern alljährlich ihren »Streittag« als einziges und höchstes Bergfest, im Schneeberger Bergrevier und auch wohl in anderen am Tage Maria Magdalena, den 22. Juli. Die Grundlage dieses Festes bildet das gewiß begreifliche Verlangen der geplagten Bergleute, wenigstens an einem Tage im Jahre von ihrer saueren Arbeit »tief unter der Erd'« ausruhen zu dürfen. Denn im Dienste der Sicherheit und Regelmäßigkeit des Betriebes giebt es bekanntlich im Bergbau keine eigentliche »Sonntagsruhe«, sondern unablässig arbeitet im Schachte das sogenannte »Kunstgezeug« weiter, wie das von dem auf der Halde stehenden Zechenhäuschen erklingende Bergglöckchen mit seinem regelmäßigen »Kling« anzeigt. Zur Bedienung des »Kunstgezeugs« aber, das den gesamten für den Grubenbau unentbehrlichen Maschinenbetrieb zur Entfernung bez. Nutzbarmachung der Grubengewässer, der Förderung des Gesteins, Beförderung der Belegschaft, d. h. der Mannschaften, u. s. w. zu ordnen hat, sind Menschenkräfte unentbehrlich, und würde einmal plötzlich das Bergglöckchen sein eintöniges »Kling« nicht vernehmen lassen, so wäre die bange Furcht, daß die finsteren Mächte des Abgrundes wieder einmal ihr unheimliches Zerstörungswerk begonnen haben, leider nur allzusehr begründet. Da haben nun vor Zeiten – urkundlich läßt sich das Datum nicht genau feststellen[31] – die Bergleute sich jenen Tag »erstritten«, um frei von den Sorgen ihres schweren Berufs einmal sich und ihren Familien ganz angehören zu können. Damit soll nicht gesagt sein, daß an diesem Tage der Bergwerksbetrieb gänzlich eingestellt sei, das ist eben nach unseren obigen Darlegungen undenkbar. Aber die nur irgendwie abkömmlichen Mannschaften feiern an diesem Tage, und wer sonst, um seinen Verdienst zu erhöhen, neben der Nacht- noch eine Tagschicht verfuhr – jede annähernd 10 Stunden umfassend – der verzichtet heute gewiß auf letztere und jede anderweite Nebenbeschäftigung (Holzschnitzerei, Musikmachen, Garten- und Feldbau u. a.). Daß man aber den Tag als höchstes Fest begeht, zeigt auch die Paradeuniform, die heute selbst den einfachsten Ganghäuer schmückt. Die schönste Zierde des Festes aber, will uns bedünken, und zugleich ein rührendes Ueberbleibsel aus der oft zu Unrecht verspotteten »guten, alten Zeit« bildet die feierliche Kirchenparade der Belegschaft des Reviers mit nachfolgendem Festgottesdienst in der Hauptkirche. Die Bergleute waren es bekanntlich, deren unverfälschter frommer Sinn frühzeitig die Irrlehren der römischen Kirche erkannte und sich dem evangelischen Glauben zuwandte. Noch heute erinnert ein mit einem Bibelbuch und einem Kelche (aus Eisen) geschmückter gewaltiger Granitwürfel inmitten des Schneeberger Grubenreviers auf dem »hohen Gebirge« an die Knappschaftskapelle zu »St. Anna«, in der schon im Jahre der Uebergabe der Augsburger Konfession (1530) evangelisch gepredigt wurde.
Die Kirchenparade der Bergleute am 22. Juli gestaltet sich besonders in der ehrwürdigen Bergstadt Schneeberg zu einem hervorragend merkwürdigen und glänzenden Schauspiele. Nicht nur, daß sich die Bergleute in ihrer altertümlichen Tracht hier auch in größerer Anzahl beteiligen – jetzt etwa 500 Mann, vor 20 Jahren mochten es über 800 gewesen sein –, sondern auch des gewaltigen Gotteshauses wegen, wohin sich der Zug zur Festfeier bewegt. Die Schneeberger Hauptkirche, auf dem höchsten Gipfel des Berges gelegen, welcher der Stadt ihren Namen gab, ist, aus dem Ertrage der Gruben erbaut, schon in ihrem gewaltigen Umfange ein Zeugnis frommen Bergmannssinnes und dem Bergheiligen St. Wolfgang geweiht. Weit und licht, ohne beengende Emporen, an deren Stelle ein in drittel Höhe um das ganze Gotteshaus herumlaufender Prozessionsgang tritt – der Bau wurde im Jahre 1516 katholisch begonnen, im Jahre 1540 aber vollendet und die Kirche evangelisch eingeweiht –, gehört das Gotteshaus, das entsprechend seiner spätgotischen Bauart vor nicht zu langer Zeit innerlich prächtig erneuert ward, zu Sachsens größten Kirchen, dem nicht einmal die St. Annakirche in Annaberg trotz ihrer gewaltigen Größe gleichkommt. Die ehernen Zungen des harmonischen Geläutes (G-dur), darunter Sachsens größte Glocke, die weit über 100 Zentner schwere »Donnerglocke«, begrüßen die in festlichem Zuge Nahenden. Eine besondere Gruppe, die wegen ihrer kleidsamen und eigenartigen Tracht stets ungeteilteste Aufmerksamkeit erregt, sind die Blaufarbenarbeiter. Ihre blinkend weißen, faltigen Blusenhemden, geschmückt mit den nötigen Rang- und Arbeitsabzeichen, stehen seltsam mit den schwarzen, grün gesäumten Paradeuniformen der übrigen Bergleute, deren Lederzeug (Berg- und Knieleder) heute blankgeputzt ist. Altertümlich nimmt sich bei allen auch der federgeschmückte Tschacko aus, während die bergmännischen Werkzeuge – Hammer, Schlägel, Fäustel, Spitzhacke etc. – dem Ganzen ein etwas militärisches Gepräge verleihen. Weniger soldatisch mutet uns die eigenartige Gangart der Bergleute an, die ihnen offenbar infolge ihrer Berufsarbeit zur andern Natur geworden ist: wir meinen das Vorbeugen der Knie bei jedem Schritt. Der Volkswitz nennt daher den uralten Marsch, nach[32] dessen getragenen Klängen der Einzug erfolgt, nicht übel den »Kniebiegel«. Im Gotteshause gebührt der Berggemeinde an diesem Tage der unbedingte Vorrang, ja, in früheren Jahren mußten ihr sogar die sogenannten »gelösten« Kirchenstühle aufgeschlossen und freigegeben werden. Als Zeugnis für die festliche Bedeutung des Tages mag endlich noch der Hinweis dienen, daß, wie an hohen Festen, auch der jeweilige Oberpfarrer und Superintendent die »Bergpredigt« zu halten hat. Nach beendetem Festgottesdienst zerstreut sich die Berggemeinde, die sich übrigens nur aus den männlichen Familiengliedern zusammensetzt, soweit diese beim Bergbau beschäftigt sind, in alle vier Winde.
Leider hat selbst unter den einst ihrer Frömmigkeit wegen bekannten Bergleuten die Vergnügungssucht weit mehr Platz gegriffen, als bei der einfachen Lebensführung, zu der die meisten dieser Familien genötigt sind, erwartet werden dürfte und ihnen gut ist. Das junge Volk begiebt sich zu Spiel und Tanz bei Bier und Branntwein und nur wenige der Bergleute von altem Schrot und Korn ziehen es vor, daheim bei Weib und Kind zu feiern und beim Klange der immer mehr in Vergessenheit geratenden, teilweise recht anmutigen Bergmannslieder, die höchstens noch um Weihnachten allgemeiner gehört werden, oder im harmlosen Gespräch über des liebgewonnenen Standes Würde und Bürde die schönere Vergangenheit zu neuem Leben zu erwecken. Einige suchen wohl auch die benachbarten schattigen Wälder auf, um die gerade ihnen so überaus nötige ozonreiche, würzige Luft zu genießen. Denn im allgemeinen ist der Bergmann wie der Erzgebirger ein Stubenhocker, der beim geringsten Luftzug zu erkranken fürchtet und daher äußerst selten, und auch dann nur mit wohlverwahrtem Hals und Kopf, das Freie aufsucht, wobei ihn manchmal selbst im Hochsommer ein Bedauern überkommen mag, daß nicht auch hier, wie daheim, ein lustiges Feuer im Ofen prasselt. Gleichwohl bildet der »Streittag« als einziges wirkliches Bergfest einen der seltenen Lichtblicke im Leben des anspruchslosen schwarzen Völkchens droben, und wenn es an demselben mit sprichwörtlicher Zähigkeit festhält, so begreifen und billigen wir das nicht bloß vom materiellen, sondern weit mehr vom idealen Standpunkte aus. Denn gerade in dieser Zeit der Ernüchterung und des platten Materialismus ist es mehr denn je geboten, die spärlichen Reste von Poesie und idealem Sinn, die unser Volks- und Berufsleben noch aufweist, sorgsam zu hüten und zu bewahren. Ein solcher Hauch von Poesie verklärte auch dereinst das harte Bergmannsleben, und wer nur ein einziges Mal Anackers leider jetzt so selten gewordenen »Bergmannsgruß«, der, wie Verfasser sich wohl entsinnt, früher selbst in den Schulbüchern zu finden war, mit seiner mächtig ergreifenden »Steiger-Arie«, seinen zarten Familienszenen u. s. w. gehört hat, der wird auch verstehen, warum der echte und rechte Bergmann selbst heute noch mit Begeisterung an seinem schweren Berufe hängt; es ist etwas von dem Himmelssegen, den auch dieser Beruf in sich trägt, wenn anders nur die, welche ihm angehören, sich aus der Tiefe nach oben zu erheben wissen. Und das bedeutet auch der alte sinnige Bergmannsgruß: »Glück auf!«
Nach dem Wochenblatte.
Im 4. Jahrhundert rückten die slawischen Stämme von Osten her vor. Zwischen 454 und 495 drangen die Tschechen in Böhmen ein. Ungefähr zu gleicher Zeit kamen aus der Weichsel- und Odergegend die Milczener, Lutizier, Obotriten und Sorben bis in die später sächsischen, mecklen- und brandenburgischen Länder. Von diesen rückten die Sorben oder Serben, deren Name sie ganz besonders als ackerbautreibendes Volk bezeichnet, in das spätere Meißnische und, da 531 von den Franken und Sachsen das mächtige Reich der Thüringer vernichtet wurde, westwärts bis zur Saale vor. Die Sorben waren demnach die unmittelbar nördlichen Nachbarn des alten Miriquidi. Sie gründeten sehr bald in den fruchtbaren Niederungen und Thälern Orte und bebauten das Land. Aber noch wurde dieses Volk von der Ansiedelung auf den rauhen, unwirtlichen Waldhöhen abgeschreckt, bis endlich nach den langen Vernichtungskämpfen der mächtigen deutschen Kaiser im 9. Jahrhundert, denen die Erbauung der Burg Meißen folgte, und ganz besonders, als unter Otto I. die Grafen Hermann Billung und Gero glücklich die letzte Erhebung an der niederen Elbe und in den Lausitzen niederschlagen, die Macht der Slaven völlig gebrochen war. Der Zinspflichtigkeit zu entgehen, festhaltend an dem Glauben ihrer Väter, erfüllt mit tiefem Haß gegen die christliche Geistlichkeit, welche von ihren Einkünften an Getreide und Vieh, Leinwand, Honig und Wachs den zehnten Teil forderte, zogen sich nun nach den für ihr Volk unglücklichen Kämpfen zahlreiche sorbische Familien in das unfreundliche und von wilden Tieren bevölkerte, aber ihnen doch Freiheit und Sicherheit gegen ihre Besieger verheißende Erzgebirge zurück. So wurden bereits gegen Ende des 10. Jahrhunderts von diesen slawischen Einwanderern daselbst einzelne feste Niederlassungen gegründet. Immer höher stiegen sie, vorzugsweise wohl in den Thälern und so dem Laufe der Gewässer entgegen, auf der nordwestlichen Senkung des Gebirges bis ungefähr zur Linie Eibenstock-Schlettau-Zöblitz-Sayda auf. Erst vom 12. Jahrhundert an, da das Gebirge durch die Entdeckung reicher Silbererze zum Erzgebirge wurde, drangen auch die Deutschen zahlreicher vor, gründeten Städte und Dörfer. Das germanische Element verschlang sehr bald die slavischen Reste, wo sich dieselben bis dahin noch in einiger Selbständigkeit erhalten hatten. Wohl erhielt sich noch, wenigstens am Fuße des eigentlichen Gebirges, ihre Sprache; denn im Jahre 1327 wurde der Gebrauch derselben bei den Zwickauer Gerichten und in Meißen sogar erst 1424 verboten; jedoch auch in den höher gelegenen slavischen Ansiedelungen wird die Muttersprache nach Berührung mit den später vorgedrungenen Deutschen nicht sobald erloschen sein, da viele slavische Wörter, die selbst in der Gegenwart nicht verschwunden sind, von den Deutschen festgehalten wurden.
Nach Dr. Köhler.
Vor über 400 Jahren, bis zum Jahre 1496, wo man Annaberg gründete, war die Stelle, an der jetzt die Stadt steht, nichts denn dicker, finsterer Wald voll Steinblöcke und Felsen, überragt gleich einer Warte von dem Pöhlberge. In den dichten Wäldern hauste mancherlei unzähliges Getier. Des Nachts erklang das gellende Geschrei des Uhus und am Tage krächzten Raubvögel und Unglück verkündende Raben massig in der Luft und horsteten auf den hohen Fichten. Der Bär brummte, der Wolf heulte und die Wildkatze schlich nach Beute. Der Fuchs und der Dachs führten ihre Baue auf und auch das Wildschwein grunzte in den geringen grünen Eichenwaldungen. Scheuen Blickes und eilenden Fußes umgingen die bewaffneten Bewohner der benachbarten Häuerdorfer die »wilde Ecke«, um nicht eine Beute der Raubtiere zu werden. Da die Gegend noch wenig angebaut war, so mußte man die Nahrungsmittel weit herholen. Die »wilde Ecke« führte darum auch noch den Namen »Hungerloch«.
Noch heute erinnert uns manches an die ehemalige Wildheit. Von Süden grüßt uns der Bärenstein, im Norden liegen rechts vom Sehmaflusse die Wolfshöhle und links der Sauwald. Auch die Fuchsgasse mag mit genannt werden.
Nach Arnold und M. Chr. Lehmann.
Die Ansiedelungen im oberen Erzgebirge sind von sehr verschiedenem Alter. Es läßt sich die Zeit der Gründung der einzelnen Städte und Dörfer nur annähernd bestimmen. Im allgemeinen gilt, daß die Bebauung für das Gebirge später eintrat, als für das Niederland und der Bergbau auch in ältester Zeit Anlaß gab, die sonst gemiedene Wald- und Berggegend zur Wohnstätte zu wählen. Aus der Benennung, welche man den Ansiedelungen gab, läßt sich schließen, daß z. B. die Städte des oberen Gebirges: Lößnitz, Zwönitz, Zöblitz, Schlettau bereits während der Zeit der Sorben-Wenden, also vor dem 10. Jahrhundert gegründet worden sind.
Um das Jahr 1173 wurde das Kloster Zelle bei Aue durch Mönche aus dem Kloster zu Zelle bei Freiberg gegründet. – Vorher, im 11. Jahrhundert, mögen zum Schutz und Trutz die Burgen Wolkenstein und Schwarzenberg mit den sich anschließenden Stadtgründungen entstanden sein. Elterlein scheint seine Entstehung dem Bergbaue auf Eisen im 12. Jahrhundert zu verdanken.
Unter Markgraf Heinrich dem Erlauchten, vielleicht auch früher, entstand westlich von Elterlein die Ansiedelung von Grünhain. Daselbst stiftete, wahrscheinlich 1238, Meinherr II., Graf zu Hartenstein und Burggraf zu Meißen, das Kloster Grünhain und stattete dasselbe 1240 mit zehn Dörfern der Umgegend aus. Später kamen teils durch Kauf, teils durch Schenkung noch andere Besitzungen hinzu, sodaß eine große Anzahl Städte und Dörfer dem Kloster gehörten und sein Gebiet im 15. Jahrhundert sich bis unterhalb Zwickau und einige Meilen nach Böhmen hinein erstreckte. – Außer dem Kloster Grünhain gehört dem 13. Jahrhundert noch die Entstehung der Stadt Ehrenfriedersdorf, d. i. Herrenfriedersdorf, um 1240 an.
Das Städtchen Geyer ist um 1395 infolge der reichen Anbrüche auf Zinn, Silber und Kupfer von Ehrenfriedersdorf aus angelegt worden. – Bald nach der Ansiedelung in Geyer soll zu Anfang des 15. Jahrhunderts ebenfalls infolge des Bergbaues die benachbarte Stadt Thum entstanden sein.
Die um Annaberg gelegenen Dörfer Frohnau, Kleinrückerswalde, Geyersdorf u. a. sind früheren Ursprungs als Annaberg und Buchholz.
In dem bei der Teilung 1485 von Albert gewählten Meißnerlande war nach dem Tode dieses Fürsten im Jahre 1500 sein Sohn Georg der Bärtige (1500–1539) gefolgt. Dieser war der eigentliche Gründer von Annaberg, da sein Vater zu jener Zeit als »des Kaisers gewaltiger Marschall und Bannermeister« Krieg mit den Niederländern führte und seinem Sohne während seiner Abwesenheit die Regierung des Meißnerlandes übertragen hatte. Als Georg 1500 zur selbständigen Regierung gelangte, bewies er der durch ihn gegründeten Stadt vor allen seine Gunst und Zuneigung und besuchte die reiche Bergstadt mehrmals von Dresden aus. Er spendete bedeutende Beihilfen zum Bau der schönen Annenkirche (1499–1525), ließ das Franziskaner-Kloster (1502–1512) erbauen und begnadigte die Stadt mit vielen Rechten und Freiheiten.
Bald nach der Gründung der beiden sächsischen Städte Annaberg und Buchholz entdeckte man auch Silber auf der böhmischen Seite des Erzgebirges. Im Jahre 1516 ward Joachimsthal in Böhmen gegründet und 1520 zur freien Bergstadt erhoben. Gewöhnlich nimmt man an, daß die dort vom Jahre 1519 an geprägten Münzen abgekürzt »Thaler« genannt worden seien und dadurch dieser Name für jede Münze von gleichem Werte in Gebrauch kam, was aber von Sachkundigen bezweifelt wird. Man leitet richtiger den Münznamen von talentum ab.
Was die Gründung anderer Städte des Obererzgebirges infolge reicher Erzanbrüche betrifft, so merke man noch: Im Jahre 1517 wurden Gottesgab, Eibenstock und Jöhstadt, eigentlich Josephsstadt, gegründet, 1521 Marienberg, 1522 Scheibenberg, 1526 Wiesenthal, 1532 Platten.
Das Gebiet, wo die Städte Gottesgab und Platten damals erbaut wurden, gehörte 1459–1547 durch den Vertrag zu Eger zur Mark Meißen, fiel aber infolge des Wittenberger Vertrages an Böhmen zurück.
Jenesius sagt in seiner Geschichte Annabergs: »Die Bergstädte haben ihren Namen nicht von ohngefähr, sondern aus reifem Nachdenken bekommen. Meine Vaterstadt ist anfangs Schreckenberg genannt worden. Aber es wurde kurz hernach, auf Ansuchen des Herzogs Georg und der Bürgerschaft durch den Kaiser Maximilian I. bewilligt, daß dieselbe Sankt Annaberg heißen sollte. Die böhmischen Grafen von Schlick nahmen von der Benennung dieser Stadt Veranlassung, die von ihnen erbaute Stadt nach dem Ehemanne der Anna Joachimsthal zu nennen. Dies bewog ferner den sächsischen Fürsten Heinrich den Frommen, den Bruder Georgs, daß er der von ihm gegründeten Stadt den Namen Marienberg beilegte und den Flecken, welcher an der äußersten Grenze des Meißener Landes in waldiger Gegend liegt, Jöhstadt, d. i. Josephsstadt, benannte. Es gefiel also den Herren dieser Länder, die Städte nach denen zu benennen, die die Voreltern des Heilandes nach dem Fleische waren, damit die Einwohner zur Verkündigung der Wohlthaten Christi entzündet würden und sich ihnen mit Seele und Leib, mit Hab' und Gut weihten.«
Der Bergbau in Buchholz war durch einen furchtbaren Wolkenbruch am 21. Juli 1565 fast ganz vernichtet worden, und im Jahre 1568 hatte die Pest Annaberg und die Umgegend verheert. Auf Anregung des Kurfürsten August ward damals überall im Lande nach neuen Schätzen des Erdbodens geforscht. So wurde 1546 der Serpentin bei Zöblitz entdeckt. In den Kalkbrüchen von Crottendorf fand man 1575 abbauwürdige Marmorlager. Der daselbst gebrochene Marmor ist bis auf die Gegenwart herab vielfach zu Bauwerken und Kunstgegenständen verwendet worden. Seit einigen Jahren hat jedoch die Ausbeute an Marmor aufgehört und es wird nur Kalk gefunden.
Nach Schulrat Dr. Spieß.
Das wilde Gebirge ist auf mannigfaltige Weise urbar gemacht worden. Es geschah durch Räumung und Abziehung der Wälder, Anlegung geraumer Wege und Pässe, Brückung und Austrocknung der Moräste, Ausbrennung der Heiden, Ebnung der struppichten und wilden Beerhübel. Auch geschah es durch Ausrottung der Stockräume, Ablesung der Steine und mühsame Wegschaffung der Wacken, womit die Berge und Felder überhäuft waren. Das ist besonders bei so vielen mitten im wilden Walde angelegten und erbauten Dörfern, Flecken und Städten geschehen. Ferner trug der Bergbau zur Urbarmachung bei, indem dadurch vermöge der Bergfreiheit viele hunderttausend Stämme und Schragen Holz weggetrieben und verbaut wurden. Die Hammerwerke, welche durch ihre Holzbauer und Kohlenbrenner die allergrößten Wälder sehr gelichtet haben, hatten auch daran Teil.
Bis tief in das 13. Jahrhundert hinein, dann wieder zu Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts, stellenweise selbst bis in die neueste Zeit ist das Ausroden des Waldes, um Ackerland und auch Wiesenland für neue Ansiedelungen zu gewinnen, im umfangreichsten Maße betrieben worden. Jahrhunderte lang bildete der Wald den unerschöpflich erscheinenden Vorrat, durch dessen Niederschlagen man Raum für Feld, Holz für Bauten, Bergwerks- und Hüttenanlagen, Geld für Zinsen und Steuern u. s. w. erlangen konnte, ohne an die Wiederaufforstung kahl geschlagener Höhenzüge und Abhänge denken zu müssen. Der Wald war die unerschöpfliche Geldquelle für den fortschreitenden Anbau. Erst Jahrhunderte später, nachdem das Land durch die länger als ein halbes Jahrtausend fortgesetzte Urbarmachung und Zerstörung des Waldgebietes seine gegenwärtige Oberflächengestalt und Bedeckung gewonnen hat, ist man zu der Überzeugung gekommen, der Waldvernichtung nicht bloß Einhalt thun zu müssen, sondern auch das Waldgebiet durch Neuanpflanzung erhalten und vergrößern zu sollen.
Mit dem Vordringen des deutschen Stammes in das Gebiet der Slaven und in das Gebiet des waldbedeckten Gebirges beginnt erst die geschichtliche Zeit diesem Landes. Wenn auch die Vorgänge, besonders auf dem letzteren, vielfach unbekannt geblieben oder verschleiert und entstellt auf die Nachwelt gekommen sind, lassen sich doch die allgemeinen Grundzüge dieser Entwickelung noch erkennen.
Nach M. Lehmann und Süßmilch.
Bei der anzutretenden Wanderung durch das Gebiet der Ortsnamen des Obererzgebirges halten wir zuerst eine Umschau über die Berge. Die Namen[37] derselben tragen fast durchgehends deutsches Gepräge und sind nach den verschiedensten Gesichtspunkten gegeben. Auf die Gestalt weisen hin: Spitzberg, Ochsenkopf, Hut- und Kanzelberg, Hirnschädel; auf das Klima oder die Unfruchtbarkeit einzelner Höhen: Kaltes Feld, Kalter Muff, Kahler Berg, Kahle Höhe und Thürmrich, d. i. Dürrer Berg (bei Frauenstein); nach den Pflanzen, die auf ihnen wuchsen oder noch wachsen, sind benannt: Buch-, Eichel-, Ahorn-, Kiefern- und Fichtelberg; nach den Tieren, die häufig dort angetroffen wurden: Bären-, Wiesel- und Wolfsstein, Krahstein, d. i. Krähenstein und Adlerstein; nach Erzen: der Kupferhübel und der Eisenberg. Einzelne, wie der Kapellenberg, der Hofberg, der Zechenberg verdanken ihren Namen bestimmten auf ihnen errichteten Gebäuden, andere, wie Andreasberg, Gastberg, Geringsberg, Richterberg dem Besitzer der Fluren, auf denen sie lagen. Einer ausdrücklichen Erwähnung verdient noch der Name der bei Schwarzenberg sich erhebenden Morgenleite. Der zweite Teil dieses Worten ist das ahd. hlita, mhd. lite, in Norwegen noch in der Form Lid bekannt. Derselbe bezeichnet eine Berglehne oder einen Abhang und kommt in dieser Bedeutung im Erzgebirge außerordentlich häufig vor. Man unterscheidet die Süd- und Nordseite eines Berges als Sommer- und Winterleite: den ersteren Namen tragen in Annaberg zwei an der Sommerseite eines Abhanges angelegte Gassen, den letzteren ein Teil des Geyerschen Waldes; an der unteren Preßnitz heißt ein Abhang die Hirschleite; in der Nähe von Dorfchemnitz bei Sayda finden sich Buch- und Thonleite, bei Oederan die Hammerleite. In der sächsischen Holz- und Forstordnung von 1560 werden aufgeführt: Habichts-, Pech-, Grase-, Brand- und Trachenleite, und bei Elterlein heißt ein Dorf, in welchem sich früher eine Bergwäsche befand, Waschleite. Von dem in vielen unserer Bergnamen hervortretenden Grundworte Hübel, wie bei Lerchen-, Zeisig- und Hahnenhübel, begegnet uns in oberdeutschen Gegenden in Orts- und Bergnamen die umgestellte Form Bühel, ahd. puhil. In unserem Gebirge ist der Ausdruck unbekannt. Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, daß der ehrwürdige Annaberger Geschichtsschreiber Jenisius auf dem richtigen Wege ist, wenn er Pöhlberg auf jenes Bühel zurückführt, aus welchem dann Pihl und Pehl als entstellte Formen hervorgegangen sein würden.
Zwei bekannte Bergnamen, Auersberg und Rammelsberg, haben insofern noch eine besondere Bedeutung, als sie auf die Frage nach der Besiedelung unseres Gebirges führen. Wie die in andere Erdteile Ausgewanderten ihre neuen Ansiedelungen mit Vorliebe nach heimatlichen Orten benennen, so haben auch die durch Krieg und Hungersnot leidenden Harzer Bergleute, die einst massenhaft in die silberhegenden Berge unseres Vaterlandes einwanderten, Namen aus ihrer alten Heimat auf Wohnsitze und Örtlichkeiten übertragen. Noch heute finden sich im Harze nicht nur die erwähnten beiden Bergnamen, sondern auch zahlreiche Ortsnamen des Gebirges wie Hohenstein, Kirchberg, Stollberg und der bekannte Name Quedlinburg, den einmal unser Elterlein geführt haben soll. Ein anderer heute noch im Harze vorkommender Bergname, der Eibenberg, läßt es kaum zweifelhaft erscheinen, daß auch die Stadt Eibenstock als eine Niederlassung jener Harzer Bergleute zu gelten habe und daß der Name derselben wie der jenes Eibenberges auf die in Norddeutschland und auch im Harze heimische Eibe oder den Taxusbaum zurückzuführen sei.
Wir steigen von den Höhen herab und wenden uns nach den Waldungen und Fluren. Wir beschränken uns namentlich auf Hervorhebung einiger aus älterer Zeit überlieferter, jetzt unverständlich gewordener Benennungen von Waldbezirken. Dahin gehören vor allem die mit »Struth« bezeichneten Waldungen[38] bei Bernsbach, Flöha und Plaue, sowie die obere und niedere Struth im Westen von Langenau bei Freiberg. In diesem Ausdrucke lebt noch ein altes deutsches Wort für Wald, Buschwerk oder Dickicht, das heute nur noch in Hessen gebräuchliche, mhd. die strut oder struot, fort. Der von Chemnitzer Geschichtsschreibern aufgeführte Name Bramenwald, der heutige Zeisigwald bei Chemnitz, erklärt sich aus dem ahd. der prâmo und die prâmà, d. h. Dornstrauch, Dorngebüsch, insbesondere Brombeerstrauch. Daß der bei Zöblitz wie bei Satzung vorkommende Name Kriegwald in Beziehung steht zu den in diesen Wäldern ausgefochtenen Kämpfen im Hussitenkriege, daran ist wohl um so weniger zu zweifeln, als man dort noch im 17. Jahrhundert aufgeschichtete Haufen von Totengebeinen und Waffen gefunden hat. Nicht an den Krieg, wohl aber an die um Grenze und Rainung geführten Rechtsstreitigkeiten einzelner Personen oder ganzer Gemeinden mag die in verschiedenen Gegenden erscheinende Bezeichnung Streitwald erinnern. Die meisten dieser Wald- und Flurbezeichnungen lehnen sich wiederum an Tiernamen an: von diesen Bildungen seien nur die in Lehmanns »Schauplatz« angeführten erwähnt: Aus den Lautersteinschen Wäldern: der Drachenwald, Rabenberg, die Dachslöcher; auf dem Crottendorfer Oberforstgebiete: die Vogelleite, Hirsch- und Auerhahnpfalz, der Säu- und Bärenfang, Tier- und Saugarten; im Grünhainer Gebiete: der Bärenacker, Fuchs- und Wolfsstein; auf dem Lauterschen: das Wolfslager, der Hirschstein, Habichtshübel, die Bärenstallung, der Wolfsgarten, Rabenberg, die Drachenleite, Bärenlage und Sauwiese.
Von den Höhen steigen wir herab in die Thäler und gelangen so zu den Flüssen. Bei ihnen ist die Namengebung ausgegangen vom Laufe und der Gestalt derselben, der Farbe des Wassers, den anstehenden Pflanzen, der Umgebung und zuweilen wohl auch von anliegenden Ortschaften. Die Namen der größeren Flüsse Elbe, Elster und Mulde lassen ohne weiteres ihren deutschen Ursprung erkennen. Auch die kleineren Gebirgsbäche wie das Schwarzwasser, der Saubach, Rauschenbach, Sandbach, Schindelbach, Goldkrönlebach, die zwei letzteren bei Großrückerswalde und Pobershau, und andere sind von den Deutschen benannt worden. Für eine größere Anzahl unserer Gebirgswässer läßt sich dagegen eine Ableitung aus dem Deutschen nicht gewinnen. Aus der slawischen oder sorbenwendischen Zeit stammen denn auch die zahlreichen slawischen Orts- und Flußnamen unseres Gebirges. Der Name der Zschopau, nach welchem auch die Stadt genannt ist, wird zurückgeführt auf slawisch Sapawa = die Reißende, Zischende, Tosende; gleiche Bedeutung hat das tschechische bistry, von welchem die in Urkunden als flumen Bistrice, später Wistricz aufgeführte Weißeritz den Namen hat; nach der Buche, slawisch buky, tschechisch buk ist die Bockau, nach der Birke, slawisch briza oder brschiza die Preßnitz, nach dem Biber, slawisch bibra, tschechisch bobr die Bobritzsch, nach dem Wildschwein, slawisch svisnija die Zwönitz benannt. Die Chemnitz, urkundlich flumen Caminizi, heißt Steinbach, nach dem slawischen Kameni = Stein, und Lößnitz, urkundlich Lessenitz aus slawisch lêsu, tschechisch les = der Wald oder Busch, bedeutet der Waldbach.
Unsere Wanderung in den Flußthälern auf- und abwärts und über die Scheiden der Wasserläufe führt uns weiter zu den verschiedenen Ortschaften, den freundlichen Städten und Städtchen und den friedlichen, sauberen Dörfern unseres Gebirges.
Das Dorf Drebach bei Wolkenstein erscheint urkundlich als Träte-, Tretebach, Dratbach. Der erste Teil diesem Namens, Drat oder Träte, ist ein gutes deutsches Wort, ahd. drâti, mhd. draete mit der Bedeutung schnell, rasch. Dasselbe[39] bezog sich auf den raschen Lauf des durch den Ort eilenden Baches. Aber da es längst schon dem Sprachbewußtsein entschwunden ist, suchte man sich den Namen Trätebach durch Anlehnung an das geläufige Zeitwort drehen verständlich zu machen und bildete mit Unterdrückung des inlautenden t Drehbach. Daß der Volksgeist oft mit recht kühnen Deutungen bei der Hand ist, beweist eine Mitteilung über das Städtchen Geyer, wonach dasselbe seinen Namen vom Teufel haben soll, der auf einem Spaziergange beim Anblick der unwirtlichen Gegend ausgerufen habe: »Pfui Geyer!«
Noch 1402 heißt der Ort Cappel bei Chemnitz zu der Capelln, das heißt zu der zur Nikolaikirche gehörigen Kapelle. Die Namen Altenberg, Breitenbrunn, Weißenborn heißen dementsprechend ursprünglich zu dem alten Berge, dem breiten Brunnen, dem weißen Born. Gleiche Bedeutung haben Neundorf, Naundorf, Neudorf, nämlich zu dem neuen Dorfe. Siebenhöfen heißt eigentlich zu den sieben Höfen und ist benannt nach den sieben Wirtschaftsgebäuden, aus welchen der zwischen Tannenberg und Geyer liegende Ort anfangs bestand. Bei Lengefeld zeigt nur noch die urkundliche Form Langenfeld die eigentliche Bedeutung.
Nun ist noch auf die äußeren Gründe einzugehen, von welchen sich die einstigen Ansiedler bei der Benennung ihrer Wohnplätze haben leiten lassen. Als natürlichster Ausgangspunkt erscheint zunächst die Bodenerhebung, das heißt, ob ein Ort auf oder an dem Berge, im Thale oder in der Ebene angelegt wurde. Zahlreich sind die Zusammensetzungen, wie die Städtenamen: Schneeberg, Schwarzenberg, Freiberg, und die Dorfnamen: Grünthal, Blauenthal, Rothenthal. Auf die Höhenlage weisen hin: Steinhübel, Berggießhübel, Scharfenstein, Wolkenstein. Höhen- und Thallage zugleich deuten an Ober- und Unterwiesenthal. Nach der Bodenbeschaffenheit ist benannt der Ort Sand bei Freiberg. Auch die beiden Dörfer Grießbach bei Wolkenstein und Schneeberg haben ihren Namen von dem Sande erhalten, den die hier fließenden Bäche an ihren Ufern absetzen; denn der Ausdruck Grieß (mhd. griez) bedeutet den Sand am Ufer oder Grunde des Wassers. Bei den mit Haide gebildeten Namen müssen wir an Orte denken, die im Heidelande gegründet wurden. Kühnhaide oder Kienhain heißt eigentlich Fichtenheide.
Namengebend dient auch der Wald. Bildungen wie in Königswalde, Fürstenwalde u. a. lassen sich schon seit dem 8. Jahrhundert nachweisen. Ein Wäldchen nennen wir jetzt Hain; früher bedeutete das aus hagan zusammengezogene Wort einen Dornbusch. Hierher gehören Namen wie Grünhain, Altenhain, Pfaffenhain. Eine weitere Gruppe lehnt sich an Tier- und Pflanzennamen an. Dem Worte Gablenz liegt zu Grunde das Wort jablu, der Apfelbaum, Geyer stammt von jawor, der Ahorn, Gelenau von jeleni, der Hirsch. Zahlreiche Orte verdanken dem Wasser ihre Namen. Flußnamen kehren als Ortsnamen wieder: Sehma, Pöhla, Preßnitz. Dorfschaften wie Krumbach, Steinbach, Lauterbach sind nach dem Laufe oder der besondern Eigentümlichkeit des sie berührenden Gewässers benannt. Benennung wie Furth bei Chemnitz weisen auf Übergangsstellen über die Gewässer hin.
Auch auf Personennamen sind Ortsnamen zurückzuführen. So ist es bei den vier Städten, die nach der heiligen Familie genannt sind: Annaberg, Marienberg, Jöhstadt, Joachimsthal; Johanngeorgenstadt, Ober- und Niederneuschönberg sind in Anknüpfung an Johann Georg I. und Caspar von Schönberg auf Pfaffroda benannt. Ohne weiteres verständlich sind: Hermannsdorf, Erdmannsdorf. Cunersdorf weist auf Cunradisdorf und dies auf einen Konrad. Leukersdorf[40] bei Zwönitz wird noch 1306 Leutgersdorf genannt. Leutger ist der alte Namen Liutger. Seifersdorf bei Dippoldiswalde, 1312 Syvirdisdorf, führt auf Siegfried, Röhrsdorf bei Chemnitz, urkundlich Rudigersdorf auf Rüdiger, Hilbersdorf, um 1290 Hillebrandisdorf auf Hildebrand und Dittersbach bei Frankenberg, ehemals Dyterychsbach, auf den vielberühmten Namen Dietrich. Die letzten fünf Namen finden sich sämtlich in Volksepos der Nibelungen; ihnen ließe sich leicht eine Reihe anderer erzgebirgischer Ortsnamen anfügen, in denen uns Personennamen aus der ältesten Zeit unserer deutschen Geschichte entgegentreten.
Nach Prof. Dr. Göpfert.
Das slawische oder sorbenwendische Dorf, für dessen Anlage noch zahlreiche Beispiele nördlich vom Erzgebirgsfuße zu finden sind, bildet ein geschlossenes Ganze und bestätigt schon in seiner äußeren Form und seinem Grundrisse die Verbindung des Gemeindewesens. Die vorwiegende Form, gewissermaßen die Urgestalt des altslawischen Dorfes, ist die Kreisform. Die sämtlichen Höfe desselben liegen aneinandergeschlossen in einem Kreise, und nur ein Eingang führt in das Innere des Dorfes; während die äußere Umfassung von Hecken oder Lehmwänden gewissermaßen die erste Verteidigungslinie bildet. In der Mitte des Dorfes liegt in der Regel ein Teich. Ein von Linden umfaßter Platz bildet die Stätte der Gemeindeversammlungen und Beratungen. Häufig ist eine kleine Kapelle neben demselben; während die Kirche in der Reihe der Höfe liegt. Man kann für diese Dorfform noch zahlreiche Beispiele sorbenwendischen Ursprungs auf dem unteren Rande und am Fuße des Erzgebirgsabhanges nachweisen, häufig selbst da, wo die ursprüngliche Form durch das Anwachsen des Ortes schon bedeutend verändert ist. Auf dem eigentlichen Gebirgsabhange kommen sie über 250 m Meereshöhe nicht mehr vor.
Als oberster Grundsatz allen Besitzes galt, daß die ganze Feldmark des Dorfes an Äckern, Wiesen, Weiden, Waldung, Umland und Wüstungen, Bächen, Teichen u. s. w. der Gemeinde als Gesamtbesitz angehörte und daß der einzelne Hofbesitzer nur als Mitglied der Gemeinde gewissermaßen den Nießbrauch eines entsprechenden Teiles des Gesamtbesitzes hatte.
Nach M. v. Süßmilch.
Anders als bei dem slawischen war es bei der Anlage der deutschen Dörfer im Waldgebiete. Hier wurde das Gesamtgebiet des anzulegenden Dorfes in so viele Teile geteilt, als Höfe gegründet werden sollten, und der dieser Zahl entsprechende Raum in so viele geschlossene aneinander stoßende Hufen zerlegt, als die Dorfgemeinde Höfe zählen sollte. Daher bildeten die mit dem Gehöfte besetzten Hufe ein geschlossenes Ganze. Garten, Feld, Wiese, Wald reihten sich im Zusammenhange aneinander, wenn auch die Reihenfolge dieser Teile des Ganzen in den einzelnen Fällen eine verschiedene war.
In der Regel wurden die einzelnen Höfe innerhalb der Gemeindeflur längs des Hauptweges mit entsprechendem Abstande aneinander gereiht. Da die Niederlassung vorwiegend in breiteren Thalmulden erfolgte, so wurde auf jeder Seite des Wasserlaufes in entsprechender Höhe über der Thalsohle ein Hauptweg geführt, längs dessen die Höfe erbaut wurden. Bei dieser Art von Ansiedelungen in den Thälern, wie sie im Erzgebirge die vorwiegende ist, lagen[41] innerhalb der Waldungen, welche die verschiedene Thalgebiete trennenden Höhenrückenzüge bedeckten, die Grenzlinien zwischen den in gleicher oder ähnlicher Weise angeordneten Nachbargemeinden.
Ein jeder der Höfe lag in seinem ein unzertrenntes Ganze bildenden Besitz. In der mehr oder weniger breiten Sohle der Thäler waren die Wiesen, weiter oben auf dem Abhange und dessen weniger steiler Fläche das Ackerfeld und auf dem Rande zwischen beiden der Hof mit seinen Gebäuden und dem Garten. Weiter aufwärts lagen die Hutungen und oben auf der Höhe der Wald.
Diese Art der Hufenteilung ist die im Erzgebirge bei seiner Besiedelung vorwiegende gewesen. Weniger gebräuchlich, aber doch auch vorkommend, ist die z. B. in Thüringen vorherrschende, mit der slawischen oder sorbenwendischen Hufeneinteilung im Grundgedanken übereinstimmende Hufengattung, bei welcher die Hufe aus einer großen Anzahl einzelner Ackerstücke besteht, welche durch die Feldflur der Dorfgemeinde verstreut liegen. Das gesamte Pflugland wird in eine Anzahl von Vierecken dergestalt geteilt, daß der Boden eines jeden dieser Vierecke von möglichst gleicher Beschaffenheit ist. Nun wird ein jedes dieser Vierecke in so viele Streifen oder Gewende zerlegt, als die Flur Hufen oder Höfe zählt, sodaß eine Hufe wie die andere aus ganz gleichen Teilen zusammengesetzt ist.
Die Wiesen werden auch bei dieser Hufengattung besonders verteilt. In der Regel erhielt eine jede Hufe Wiesenanteile in den drei schon im frühesten Mittelalter unterschiedenen Wiesenlagen, und zwar Thal- oder Bewässerungswiesen, Wiesen an den Hängen oder Thalhängen und Berg- oder Höhenwiesen. Jede aus dieser Hufengattung bestehende Dorfflur bildet ebenfalls ein geschlossenes Ganzes; die Hufe ist sogar vollständig abgeschlossen, wie bei der ersten Hufengattung: denn jedes neugerodete Stück Land liegt außerhalb der Hufe. Daher kommen neben der Hufe häufig noch einzelne Äcker vor, besonders dann, wenn der Wald ursprünglich geschlossenes Gemeindeeigentum war. – Die zu dieser Hufengattung gehörigen Hoferaithen liegen stets zu einem geschlossenen Dorfe vereinigt beisammen.
Für die große Mehrzahl aller Dörfer im Erzgebirge, wenigstens soweit sie mit Ackerbau und Viehzucht in Verbindung stehen oder wenigstens in Verbindung gestanden haben, kann man die Ansiedelung der Dorfgemeinde im ganzen als die Regel annehmen. Dies schließt jedoch nicht aus, daß eine kleine Ansiedelung durch Zuzug einer geschlossenen Menge neuer Ansiedler mit einem Male oder durch allmählichen Zuwachs nach und nach im Laufe der Jahrhunderte wesentlich vergrößert worden ist.
Nach M. v. Süßmilch.
Noch heuzutage sind auf dem Abhange des Erzgebirges mancherlei Wörter und Bezeichnungen inmitten einer vollkommen deutsch erscheinenden Bevölkerung gebräuchlich, welche auf sorbenwendischen Ursprung zurückweisen. In der bergmännischen Sprache begegnen wir den Wörtern »Halde« für eine Aufschüttung von Gesteinen, was auf halda = der Weiler führt; »Perl«, der Breithammer, auf perlik; »Kaue«, das Stollenhaus, auf kavna = die Hütte; »Tscherper«, das Messer der Bergleute, auf serp = die Sichel; »Nusche«, das schlechte Messer (auch Kutternusche), auf nuz = das Messerchen; »Schragen«, Holzschragen, ein bestimmtes Maß Holz auf srak = das Gestell (zum Messen des Holzes); »Bähnert«, ein runder Korb, auf bane = der Flechtkorb. Unter[42] anderen Benennungen deuten »Latschen«, schlechte oder geringe Schuhe, auf hlacice = Strümpfe; »Hütsche« auf hecna = die niedere Bank; »Hurkel« auf hurka = der Hügel, Buckel; »Zieche« auf cicha = der Bettüberzug. Ferner »Schlottig« auf slota = Lumpengesindel; »Klike«, die Gesellschaft, auf klika = das Gespann, Joch; »Schmant« auf smanta = Schmutz; ferner weist »Wischka« auf miska = der Eber; »Kunzen« auf cunce = das männliche Spanferkel. An Orts- und Richtungsbezeichnungen und dergl. kann man aufführen: »Nische« von nize = schrägüber; »lätsch« von lezny = falsch; »quatsch« von kvaz = das Gekrächze; »pritsch« von pric = fort; dergleichen an Zeitwörtern »hätscheln« von hejckám = auf dem Arme schaukeln; »bischen«, das Kind auf dem Arme tragen und einsingen, von pisenka = das Lied; »dahlen« von dal = weitläufig (sprechen); »tatschen« von tacim = im Kreise drehen (mit seiner Rede); »pesteln« von pestam = vorsorgen, pflegen; »pitzeln« von piclam = mit stumpfem Messer schneiden; »anfuzen«, jemand grob anreden, von fucim = sausen; »balzen« von palcivy = hitzig sein; »Husche« von husa (Hus) = Gans; »Kaluppe« oder Schaluppe (schlechte Hütte) von chalupa = Hütte; »paddeln« von padlám = in der Erde wühlen; »pomäle« (behaglich, bequem) von pomalu = langsam; »ketscheln« von kecam = spritzen, sudeln, besudeln u. a.
Nach Dr. Göpfert u. M. v. Süßmilch.
Der Einzelansiedler hatte vollständig freie Hand, sich anzubauen, wo es ihm gefiel. Da gab es bis in die neueste Zeit Einzelhäuser im Walde und Einzelgehöfte vor dem Walde und an dessen Rande, ungerechnet die zahlreichen Mühlen, welche einsam an den Wasserläufen und in den prächtigsten Thalstrecken entlang verstreut liegen. Die verschiedenen Häusergruppen auf dem Gebirgszuge zwischen Freiberg und Brand, die Höfe von Drachenwald und Neusorge, die Gehöfte und Häusergruppen »Auf dem Gebirge« bei Marienberg, die verschiedenen Vorwerke bei Ehrenfriedersdorf und Geyer, sowie im Nordosten von Annaberg und im Norden von Buchholz, die Höfe am Bärenstein, die Vorwerke bei Oberwiesenthal, die Berghäuser bei Unterwiesenthal, die Tellerhäuser bei Oberwiesenthal, die verschiedenen Vorwerke bei Schwarzenberg, Brünnlaß am Gleesberge, die Sonnenwirbelhäuser, die Unruhe, die Spitzberghäuser, die Försterhäuser und andere geben sämtlich Beispiele für die Einzelansiedelungen, sei es als Jäger, Wilddieb, Kohlenbrenner, Bergmann, Viehzüchter und Ackerbauer.
Nach M. v. Süßmilch.
Das für das Erzgebirge eigentümliche Wohnhaus ist das Blockhaus. Das ursprüngliche Blockhaus ist allerdings nur noch in mäßiger Anzahl zu finden, da bei allen neuen Bauten die gesteigerten Holzpreise, sowie staatliche und örtliche Bauvorschriften die Errichtung von wirklichen Blockhäusern verbieten. Das Blockhaus, wie man es in der ursprünglichen Bauweise an einzelnen Stellen noch vortrefflich erhalten findet, und zwar für eine Familie, ist die Grundform für alle Hausbauten auf dem Gebirge.
Auf einem Viereck von großen Steinen in Trockenmauer, seltener in Lehm- oder Kalkbau, steht das aus zweikantig beschlagenen, auf den beiden übrigen Seiten nur geschälten Balken errichtete Haus. Die Balken liegen wagerecht;[43] ihre Enden sind über einander geschnitten und ragen etwa eine Hand breit vor. Die Balken waren 30 bis 35 cm starke Bohlen, und man fügte dieselben zwischen stehende Säulen von 30 cm Stärke. Für Thüre und Fenster sind entsprechende Öffnungen gelassen. Die inneren Zwischenwände sind ebenfalls Blockwände. Nur zur Aufnahme der Esse und Abgrenzung einer kleinen, schwarzberußten Sommerküche ist Mauerwerk von mehr oder weniger hart gebrannten Ziegeln aufgeführt. Die Fugen zwischen den Balken sind mit Moos, Erde oder Lehm ausgestopft und das Innere ist mit Kalkfarbe gestrichen, bei wohlhäbigeren Bauten aber mit Holzverkleidung bedeckt. Die Stuben- und Kammerdecke ist mit Brettern zwischen den Balken verschlagen; die Fenster sind mit Läden versehen. Die Holzverkleidungen sind meist in Felder geteilt; aber eigentliche Holzschnitzereien sind nirgends zu treffen. Zunächst der kleinen Hausflur befindet sich eine ungefähr 5 m im Gevierte haltende Stube, an dieser eine Kammer. In der Stube steht ein großer Kachelofen, in der kleinen Küche ein Herd. Das zweiseitige, mit Schindeln gedeckte Dach bildet ein gleichseitiges Dreieck über den niederen Außenwänden. Die über das Dach wenig aufragende Esse ist von Lehmsteinen oder Ziegeln gebaut, mit einer Holzverkleidung umfaßt und mit einem Wetter- und Schneedache überdeckt. Zu dem Dachboden führt eine offene Stiege. Dem Verlaufe der Ansiedelung entsprechend, liegen die Häuser vereinzelt, mitten im Lande, am Wege oder in Gruppen über oder nebeneinander, am Abhange oder auf dem Bergvorsprunge.
Nach M. v. Süßmilch.
Die Grundrisse der erzgebirgischen Kirchen verraten eine gemeinsame Kunstanschauung. Die zu Annaberg besteht aus drei Schiffen, von welchen das mittlere nur wenig breiter ist als die äußeren. Gegen Osten sind drei aus dem Achteck gebildete Chorbauten angeordnet. Der Bau bildet im übrigen ein Rechteck, welches etwa doppelt so lang als breit ist.
Die Kirche zu Pirna entspricht der Annaberger fast völlig. In dieser Planbildung sehen wir die ältere Schule jener Gegend; denn die Pirnaer Kirche entstand seit 1504. Ihr Meister dürfte jener Peter von Pirna sein, von dem wir wissen, daß er vor Jakob von Schweinfurt in Annaberg baute.
Diese Grundrißform war keine neue. Ihre Wahl war vielleicht durch Jerusalem beeinflußt; dort stand die Abtei St. Anna, die im 12. Jahrhunderte von den Kreuzfahrern über der Gruft der Großmutter Christi errichtet worden war. Auch sie zeigt jene Form und war eine jener Heilstätten, die damals kein Wallfahrer unberührt ließ. Schwerlich ist aber die Annenkirche in Jerusalem allein maßgebend gewesen. Das Vorbild der Teynkirche zu Prag und verwandter Bauten wirkte jedenfalls mit. Das dortige Chor findet sich schon 1388 an der Moritzkirche zu Halle wiederholt.
Aber zwischen allen diesen Bauten und dem Annaberger besteht ein sehr einschneidender Unterschied. Dort sind die Umfassungsmauern zwischen die inneren Endungen der Strebepfeiler gestellt, sodaß diese nach außen die Wandfläche gliedern; hier ist die Außenwand völlig glatt gebildet, sind die Streben ganz nach innen gezogen. Ursprünglich war die Hallenkirche geplant. Die folgenden Meister gingen erst zur Emporenkirche über, wie in der Wolfgangskirche zu Schneeberg und der Kirche zu Laun. Der Emporenumgang über den eingebauten Kapellen erstreckte sich in Brüx nun auch über das Chor. Die reiche, bildnerische Ausschmückung der Emporenbrüstungen, die feine Gliederung der[44] Pfeiler, die die Decke zu einem ganzen zusammenfassende Bildung der sich durchdringenden Kurvenrippen, die Stellung der Kanzel – alles dies giebt solchen Kirchen im hohen Grade den Eindruck des Saalartigen, des Gemeindebaues, der Predigtkirche, soweit dies bei gotischen Formen überhaupt erreichbar ist. Ähnlich ist die Schneeberger Kirche gestaltet. Schon hielt man hier nicht mehr für nötig, dem Mittelschiffe einen chorartigen Abschluß zu geben. Der Altar steht frei vor der ringsumlaufenden, den Eindruck des Raumes künstlerisch beherrschenden Empore. Diese Form war entlehnt von der Marienkirche zu Zwickau, welche 1465–1475 erbaut wurde.
In der Kirche zu Oederan aber, wie in jenen zu Penig und Geithain und sämtlichen kleineren Orten des Erzgebirges, ließ man auch die Pfeiler als Dachstützen fort und schuf lediglich den von den Emporen umgebenen Saal, an den das Chor als etwas Selbständiges sich anlegt. Am entschiedensten und merkwürdigsten zeigt sich die neue Richtung an der Kirche zu Joachimsthal, die erst nach dem Beginne der lutherischen Reformation angelegt wurde. Die böhmische Bergstadt ist in vielen Beziehungen eine Tochter Annabergs. Die ganze Anlage der Kirche ist sehr nüchtern. Sie ist durchaus protestantisch, durchaus zweckmäßig, durchaus im bewußten Gegensatze zu der Altarkirche des alten Glaubens errichtet, sodaß hier dem Katholizismus ernste Schwierigkeiten erwuchsen, als er den Bau für seinen Gottesdienst einrichten ließ.
War also das Aufgeben der malerisch reizvollen Grundrißformen der Gotik zu Gunsten einer möglichst klaren, einheitlichen Raumgestaltung ein Werk des Bestrebens, Predigt- und Gemeindekirchen zu schaffen, so zeigt sich dies auch in der Pfeilerbildung. Die Pfeiler wurden nun fast notwendige Übel. Man bildete sie deshalb so einfach als möglich und suchte einen Stolz darin, die Zahl der Stützen unter den Gewölben thunlichst zu beschränken. In Schneeberg ist die sehr nüchterne Führung der Gewölblinien in allen drei Schiffen dieselbe; in Laun tritt eine Eigentümlichkeit der Spätzeit der Gotik auf, nämlich die, daß die Rippennetze aus Bogen gebildet sind, eine Erscheinung, die sich in Brüx, am Hauptchor in Pirna, am Chor der Stadtkirche zu Lommatzsch und an der Annaberger Kirche wiederholt. Diese Formen finden sich auch wieder am Wradislavsaale des Schlosses auf dem Hradschin und in dem erst durch Jakob von Schweinfurt errichteten Wappensaale der Albrechtsburg in Meißen. – Von besonderer Wichtigkeit ist, zu sehen, wie die Baumeister sich den Emporen gegenüber verhielten. Man errichtete neben den Pfeilern des Mittelschiffes der alten Kirche die neuen, schwächeren Pfeiler, spannte die Gewölbe ein und konnte dann die alte Kirche aus dem Innern der neuen entfernen. So geschah es in Annaberg. In Annaberg entwickelte sich der Emporenbau nur schrittweise; der älteste Teil ist die »Musika«, die Orgelempore. In der Marienberger Kirche (1558–1564 erbaut) liegt die Sakristei hinter der Empore, welche den ganzen Bau umzieht. Das Chor als solches ist ganz aus dem Plane gestrichen. In der Bergkirche zu Annaberg ruhen die Emporen auf Säulen und ziehen sich ringsum. Jemehr die Strebepfeiler nach innen rückten, desto ungegliederter wurde das Äußere. In Laun, Freiberg, Schneeberg, Oederan, Buchholz erscheinen die Streben als mehr oder minder schwache Wandstreifen. In Brüx und Annaberg sind die Umfassungswände ebenso glatt wie an den meisten Schloßkapellen. Die Art der Gotik ist umgewendet.
Während an dem Dome zu Köln, wie an den großen französischen Kirchen eine gewaltige Zahl von Nebenkapellen, Strebepfeilern und Bogen, Fialen,[45] Brüstungen und Wimpergen sich äußerlich zeigt, die ein schmales, schlank aufsteigendes Mittelschiff als eigentlichen Hauptraum der Kirche umrahmen, erscheint hier ein äußerlich schmuckloser, ganz nach innen gekehrter Hallenbau; während dort das Ganze in seinen zahlreichen Teilen, seinen verschiedenen Schiffen und Kapellen dem Wesen der Heiligen-, Klerikerkirche entspricht, ist hier der Predigtbau bei allem Bauaufwande doch in seiner zweckdienlichen Einfachheit ausgebildet, ein durchaus neues, zwar aus der Gotik entwickeltes, aber keineswegs mehr mittelalterliches Werk geschaffen.
Licht! lautet eine Grundforderung der erzgebirgischen Bauten. Die Meister der erzgebirgischen Predigtkirche fanden auch statt der Abteilung des Baues in verschieden heilige Teile eine einheitliche Form durch unbefangene Ausgestaltung der Forderungen des neuen Gottesdienstes.
Nach Gurlitt.
Es ist lehrreich, die Städtewappen des Erzgebirges zu vergleichen. Dieselben trennen sich in zwei große Gruppen: in die Wappen der Städte, welche vor 1500 bestanden, und in die der Städte, welche nach 1500 gegründet wurden. Diese letzteren sind alles Bergstädte, wie auch ihre Bergmannswappen bezeugen.
Der größte Teil der alten Städte führt eine Stadtmauer mit Thor und Türmen als Beleg ihrer Wehrhaftigkeit im Wappen. Diese Städte sind sämtlich im 13. Jahrhundert, jedenfalls zu Anfang desselben, wo nicht schon früher, am Ausgang des 12. Jahrhunderts, gegründet worden. So haben Colditz, Leisnig, Döbeln, die drei alten Städte vor dem Fuße des Erzgebirges, eine Mauer mit offenem Thor, Döbeln sogar drei, und drei Türme. Colditz hat über dem mittelsten Turme einen Schild mit dem Meißener Löwen, Leisnig vor dem Thore den Wappenschild der Burggrafen von Leisnig. Freiberg führt eine Mauer mit Thor und drei Türmen, vor dem Thore den Schild mit dem Meißener Löwen; Lößnitz eine Mauer mit drei Türmen, vor deren mittelsten den Schild der Burggrafen von Meißen; Elterlein eine Mauer mit Thor und zwei Türmen, rechts oben an der Mauer den Schild der Burggrafen von Meißen mit dem Andreaskreuz, links oben den Schild der Grafen von Schönburg mit seinen zwei roten Schrägstreifen. Wolkenstein führt eine Mauer mit offenem Thor und drei Türmen, auf dem rechten bläst der Wächter ins Horn. Später hat man das Wappen durch zwei zwischen die Türme gesetzte Schilderhäuschen verunziert. Frankenberg hat eine Mauer mit Thor und zwei Türmen, zwischen denen eine Jungfrau mit Kranz steht. Kirchberg, sowie Zschopau hat eine Mauer mit Thor und drei Türmen; Chemnitz ebenfalls, an dem mittelsten Turme jedoch den Schild mit dem Reichsadler. Öderan hat eine Mauer mit Thor und zwei Türmen, zwischen denen sich ein Wagenrad als Wahrzeichen der Heerstraße befindet. Die uralte Stadt Sayda hat nur den Schönburgschen Löwen.
Die Ansiedelung im Waldgebiete bezeugen die Wappen von Geringswalde oder Gerungiswalde, eine Tanne, an welcher sich ein Eber reibt, von Grünhain mit drei Tannen, vor welchen ein Auerhahn steht. Hainichen führt zwei umgeschlagene Tannen, auf dem einen Zweige sitzt ein Vogel. Nossen hat drei große Bäume, zwischen denen ein Turm steht. Dippoldiswalde zeigt zwei gekreuzte[46] Eichen und das Brustbild eines Mannes mit Bart. Zöblitz führt einen Bärenkopf in goldenem Schilde.
Die Wappen von Dohna und Frauenstein haben keine geschichtlichen Beziehungen; ebensowenig das am Rathause von Geyer 1496 angebrachte Stadtwappen mit den drei Geiersköpfen.
Ein uraltes, redendes Bergmannswappen führt Eibenstock, nämlich Rechen und Radehaue als Wahrzeichen des Zinnseifens.
Die Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts gegründeten Bergstädte Altenberg, Schneeberg, Aue, Annaberg, Buchholz, Sebastiansberg, Marienberg, Scheibenberg, Oberwiesenthal, Sonneberg, Kupferberg, Gottesgab, Platten, Jöhstadt, sowie das weit später gegründete Johanngeorgenstadt führen sämtlich Bergmannswappen mit Schlägel und Eisen, Hacken, Hauen, Keilen u. a. mit Heiligen- oder anderen Schmuckbildern oder ohne solche.
Nach M. v. Süßmilch.
Die ersten Pfadmacher in den unwirtlichen, waldigen Schluchten und Bergen unseres Gebirges sind jene großen Säugetiere gewesen, welche in alter Zeit zahlreich unsere Gegenden durchstreiften. Die ersten, die Wege herstellten, sind slavische Ansiedler gewesen. Es entstanden eine Reihe von Burgen und Grenzfestungen, welche teils zum Schutz der Straßen dienten, teils aber wohl auch allerlei Raubgesindel Unterschlupf gewährten. So hören wir schon aus dem Jahre 968 von der Burg Schellenberg, weiter von Rauenstein, Nieder- und Oberlauterstein, Purschenstein, Sayda, Scharfenstein, Wolkenstein, Tannenberg, Stein, Hartenstein, Schlettau, Schwarzenberg. Ums Jahr 923 wird bereits die Burg Wildeck erwähnt, von deren Vorhandensein heute noch der Berchfrit, der einen wesentlichen Bestandteil des Schlosses in Zschopau bildet, Zeugnis ablegt. Ebenso soll bei Rittersgrün und Rübenau eine Burg gestanden haben. Rauenstein wird zuerst urkundlich 1289 erwähnt, Niederlauterstein 1315, während Sayda und Purschenstein im Jahre 1240 aus böhmischem in sächsischen Besitz kamen und Scharfenstein, Wolkenstein und Schlettau im 12. Jahrhundert entstanden sein dürften. Von der Burg Tannenberg, von der nur noch der bekannte alte viereckige Turm übrig geblieben ist, wird in zeitgenössischen Quellen nichts erwähnt. Alle diese Burgen lagen in der Nähe der großen Straßen, welche am Gebirge entlang oder über dasselbe führten. Da ist zunächst die alte Frankenstraße, welche vom Vogtlande durch das niedere Erzgebirge nach Osten ging und von Plauen aus Reichenbach, Zwickau, Lichtenstein, Chemnitz, Flöha und Freiberg berührte. Hier teilte sich die Straße, indem die obere über Wilsdruff, die untere über Bobritzsch nach Dresden führte. Parallel zu ihr hatte schon frühzeitig eine große Handelsstraße im Egerthale Bedeutung, welche von Eger über Falkenau, Karlsbad, Kaden, Komotau, Brüx nach Aussig lief. In die ersterwähnte Frankenstraße mündeten von Norden mehrere Straßenzüge ein. So kreuzten dieselbe in Plauen und Zwickau Straßen von Leipzig, welch letztere sich über Kloster Grünhain, das ja früh schon mit Zwickau in enger Verbindung stand, Elterlein, Schlettau nach Böhmen zog. Eine dritte Straße von Leipzig fand in Chemnitz Anschluß an die Frankenstraße, welche von hier aus nach dem Egerthale weiterführte. Ob diese Straße Karl der Große bei seinem Zug nach Böhmen im Jahre 805 und Heinrich II. im Jahre 1004 benutzte, ist nicht genau festzustellen, aber nicht ausgeschlossen. Die Straße ist[47] in ihrem Vorhandensein bis Zschopau urkundlich festgestellt, wie sie weiter verlief, ist nicht genau bekannt. Andere Straßen führten von Zöblitz über Rübenau nach Görkau, von Marienberg über Reitzenhain, Bastelberg (Sebastiansberg) nach Komotau, von Zschopau über Mildenau, Jöhstadt nach Preßnitz. Auch Kühberg war schon frühzeitig ein wichtiger Straßenpunkt. Alle diese Straßen dienten nicht nur friedlichen Zwecken, oft sind Kriegsheere auf ihnen hin gezogen und haben sich plündernd in die nächsten Marken ergossen. Ferner wird Wolkenstein als an einer Straße nach Preßnitz liegend erwähnt, welche vielleicht von Wolkenstein nach Chemnitz über Erfenschlag ging. Christian Lehmann gedenkt auch eines Weges nach Satzung. Von der Frankenstraße zweigte in Oederan die sogenannte alte Salzstraße nach Süden ab, welche Freiberg und Sayda berührte und in Brüx Anschluß an die nordböhmische Handelsstraße fand. Sayda war schon 1210 eine Zoll- und Gerichtsstätte und das nahe gelegene Schloß Purschenstein findet schon 1213 Erwähnung. Eine andere Straße ging schon in alter Zeit von Freiberg über Frauenstein nach Teplitz. Freilich waren dies alles nicht Straßen im heutigen Sinne, sie folgten meist weder den Höhenzügen, noch den Thälern, sondern gingen bergauf, bergab, wie gerade das Gebiet es ergab. Infolgedessen waren die Wege sehr beschwerlich, und die Gefahren, die sie an sich boten, wurden noch durch die Unsicherheit vermehrt, die durch allerlei Räuber und Buschklepper entstand. So blieb es bis in das 15. Jahrhundert. Allmählich wurden die Straßen besser, sie wurden vermessen und ordentlich in Stand gehalten, bis aus ihnen die prächtigen Kunststraßen wurden, deren wir uns heute erfreuen.
Nach Dr. Simon.
Die größeren Städte und Verkehrsmittelpunkte am Fuße des höheren Erzgebirges verdanken ihre Entstehung nicht den Verkehrsstraßen. Es haben vielmehr die Städte, die ursprünglich Mittelpunkte der Kultur fruchtbarer Landstriche oder ergiebiger Bergbaugebiete waren, mit der Zeit bewirkt, daß sich aus der Fülle möglicher Straßen bestimmte Gruppen ausschieden.
Über den Kamm des Erzgebirges bestanden schon sehr früh verschiedene Übergangspunkte. So bestand ein wichtiger Gebirgsübergang des Passes von Dohna am Mückenberge. Der Name des »Langenbrückeberges« bei Häselich scheint darauf hinzuweisen, daß sumpfige Strecken durch Knüppeldämme wegsam gemacht waren. Die Pirnaer Straße kreuzte das Gottleubathal und erreichte Nollendorf. Die Straßen bestanden, bevor Dresden 1455 das Niederlagsrecht für die nach Böhmen gehenden Güter erhalten hatte. Freiberg ist ebenfalls jünger als die Gebirgsübergänge im Quellgebiete der östlichen Mulde und Flöha. Der Verkehr zog sich hier über den Paß von Sayda. Diese auf dem hohen Gebirge gelegene Stadt mußte als ein Ruhepunkt und wahrscheinlich auch als ehemalige Grenz- und Zollstätte einzig durch die Straße nach Böhmen an Bedeutung gewinnen. Übergangspunkte von Chemnitzer Straßen waren die Pässe von Reitzenhain und Preßnitz. Es gab noch eine Anzahl Straßen, in der sich die Chemnitzer Straße fächerartig spaltete.
Während im östlichen Gebirge auf böhmischer Seite die Stadt Teplitz einen Teil der Straßen auf sich lenkte, fehlte nach Westen ein solcher Mittelpunkt. So überschritten die von Chemnitz kommenden und nach Prag Reisenden die Eger an einem andern Punkte als die, welche das restliche Böhmen besuchten.[48] Die Prager Straße lief über Reitzenhain und überschritt bei Saaz oder Bostelberg die Eger, der westliche Paß dagegen, der von Preßnitz, führte auf Kaaden.
Das westliche Erzgebirge haben immer nachbarliche Beziehungen mit Böhmen verbunden. Wenn auch infolge der Silberfunde von Annaberg, Joachimsthal, Schneeberg und Marienberg und dem Anwachsen der Einwohner neue Straßen entstanden, so hat sich die Zahl der eigentlichen Pässe nicht vermehrt, da der Abfluß des Silbers nach Norden in die Münze des Landesherrn stattfand und so der Austausch der Waren auch dorthin wies. Jedoch hat es weder vor noch nach der Blütezeit des Bergbaues ganz an Verkehrsstraßen über das Gebirge gefehlt. So führte eine solche von Zwickau über Eibenstock, Wildenthal, Sauersack, Frühbuß und Schönlind. Eine Ablenkung von dieser Richtung von Wildenthal über Johanngeorgenstadt, Platten und Bäringen nach Karlsbad ist erst durch Aufblühen Johanngeorgenstadts veranlaßt worden.
Von Zwickau führte außerdem eine Straße über Lindenau, Zschorlau, Bockau und Konradswiese nach Schwarzenberg und spaltete sich hier in zwei Linien, deren eine über Bermsgrün, Crandorf, Breitenbrunn, Wittigsthal, Platten und Bäringen sich nach Karlsbad wandte, die andere dagegen den Paß aufsuchte, der dem Chemnitzer Straßenzuge angehörte, also die Ortschaften Grünstädtel, Raschau, Crottendorf, Cranzahl, Pleil, Preßnitz berührte. Karlsbad als Endpunkt der Zwickauer Straßenzüge kommt erst seit dem Aufblühen der Stadt nach 1347 in Betracht, vorher dürften Elbogen oder Falkenau die Straßenausgänge beherrscht haben.
Die Pässe des Erzgebirges werden nur in Einzelheiten durch das Gelände bestimmt. Die Flußthäler werden im Gebirge sorgfältig vermieden. Die Eisenbahnen dringen meist bis zum Kamme in den Thälern vor. Die alten Straßen teilen sich auf dem Kamme gewöhnlich in mehrere Züge. Sie sind vom Verkehr zäh festgehalten worden.
Nach Prof. Dr. Schurtz.
Ihrer Eröffnungszeit nach durchziehen das Obererzgebirge zur Zeit folgende Eisenbahnlinien: seit 1858 Zwickau-Schwarzenberg, 1859 Niederschlema-Schneeberg, 1866 Chemnitz-Annaberg, 1872 Annaberg-Weipert, 1875 Flöha-Reitzenhain mit Pockau-Olbernhau, Chemnitz-Aue-Adorf, 1883 Schwarzenberg-Johanngeorgenstadt, 1886 Wilischthal-Ehrenfriedersdorf, Thum-Herold, 1888 Schönfeld-Geyer, 1889 Buchholz-Schwarzenberg mit Zweigbahn nach Obercrottendorf und Oberrittersgrün, Zwönitz-Stollberg, 1892 Wolkenstein-Jöhstadt, 1897 Wilzschhaus-Carlsfeld, Mulda-Sayda, Cranzahl-Oberwiesenthal. – Auf böhmischer Seite sind folgende Linien zu merken: 1872 Komotau-Weipert, 1875 Krima-Reitzenhain, 1899 Johanngeorgenstadt-Neudeck.
Die Eisenbahnlinie Zwickau-Glauchau-Chemnitz-Flöha-Freiberg-Hainsberg-Dresden ist die Hauptlinie, an welche sich fast sämtliche erzgebirgische Eisenbahnlinien anschließen.
Längs des Südfußes des Gebirges führt die Linie Tellnitz-Ossegg-Komotau und Komotau-Karlsbad-Falkenau hin.
Wenn in der alten guten Zeit jemand eine größere Reise unternahm, so machte er wohl sein Testament, versammelte seine Familie um sich und nahm rührend Abschied. Dann vertraute er sich dem Postillon an, der ihm die anstrengende Fahrt durch die lustigen Weisen seinem Hornes etwas angenehmer machte. An größeren Haltestellen besichtigten die Reisenden die in der Nähe der Postmeisterei aufgestellten Postsäulen, welche in Stein geschriebene Auskunft erteilten. Sie waren Spitzsäulen, auf deren Seiten die Orte der Poststraße samt Entfernungszahl in Meilen eingetragen waren. Viele solcher Säulen sind unter August dem Starken errichtet worden. Sie trugen das kurfürstlich sächsische und königlich polnische Wappen. Manchenorts trifft man noch diese Reste einer guten alten Zeit, über welche die Gegenwart mit Unrecht bei ihren Verkehrserleichterungen lächelt.
Diese Säulen sind gewissermaßen Denkmale für die frühere Bedeutung der Orte als Verkehrshauptpunkte.
Nach dem Glückauf.
Die Einwohnerzahl erzgebirgischer Städte vor 100 Jahren unter Beifügung der Ergebnisse der letzten Volkszählung im Jahre 1859 zeigt folgende Zusammenstellung:
Es zählten im Jahre
1796 | 1895 | ||
Einwohner | Wohnhäuser | Einwohner | |
Annaberg | 4500 | 600 | 15025 |
Buchholz | 1400 | 180 | 7989 |
Ehrenfriedersdorf | 1000 | 200 | 5123 |
Eibenstock | 2000 | 300 | 7216 |
Elterlein | 900 | 150 | 2105 |
Geyer | 1300 | 250 | 5764 |
Grünhain | 900 | 250 | 1813 |
Jöhstadt | 1300 | 200 | 2358 |
Johanngeorgenstadt | 3000 | 380 | 5313 |
Lengefeld | 1600 | 280 | 3431 |
Marienberg | 3000 | 600 | 6574 |
Oberwiesenthal | 1200 | 200 | 2031 |
Scheibenberg | 800 | 130 | 2567 |
Schlettau | 800 | 100 | 3175 |
Schneeberg | 4400 | 600 | 8284 |
Schwarzenberg | 1300 | 162 | 3738 |
Stollberg | 1600 | 400 | 7028 |
Thum | 1000 | 130 | 4134 |
Wolkenstein | 1200 | 200 | 2099 |
Zöblitz | 800 | 110 | 2386 |
Zschopau | 3700 | 550 | 6962 |
Zwickau | 5000 | 900 | 50391 |
Zwönitz | 1200 | 200 | 2925 |
Wie schnell die Bevölkerungszahl unserer sächsischen Städte gewachsen ist, dürften folgende Ergebnisse der Volkszählung aus dem Jahre 1830 darthun. Vor 70 Jahren hatte Dresden 63 000 Einwohner; Freiberg 10 000; Chemnitz 16 500; Zschopau 5000: Annaberg 4500; Buchholz 2000; Ehrenfriedersdorf 2000; Elterlein 1750; Geyer 2650; Grünhain 1500; Jöhstadt 1500; Johanngeorgenstadt 3000; Lengefeld 1200; Marienberg 3000; Oberwiesenthal 1800; Scheibenberg 1400; Schlettau 1180; Schwarzenberg 1800; Thum 1150; Wolkenstein 1600; Zöblitz 1150; Leipzig 40 000; Schneeberg 6200; Zwickau 5500; Zwönitz 1600; Plauen 6600; Oelsnitz 3200 etc.
Die Ergebnisse der letzten Volkszählungen sind nach erfolgter Zusammenstellung in Sachsen für die Stadtgemeinden bis zu 5000 Einwohnern folgende:
1895 | 1890 | |
Leipzig | 399969 | 293525 |
Dresden | 336440 | 276085 |
Chemnitz | 161018 | 138955 |
Plauen | 55197 | 47008 |
Zwickau | 50391 | 44202 |
Freiberg | 29282 | 28954 |
Zittau | 28133 | 25394 |
Glauchau | 24885 | 23404 |
Reichenbach | 24411 | 21498 |
Bautzen | 23668 | 21517 |
Crimmitschau | 23554 | 19975 |
Meerane | 23003 | 22429 |
Meißen | 18828 | 17874 |
Werdau | 17356 | 16256 |
Döbeln | 15763 | 13890 |
Wurzen | 15674 | 14627 |
Pirna | 15672 | 13848 |
Annaberg | 15025 | 14959 |
Mittweida | 13451 | 11299 |
Großenhain | 12024 | 11946 |
Frankenberg | 11915 | 11369 |
Riesa | 11768 | 9389 |
Oelsnitz | 11557 | 9427 |
Limbach | 11429 | 11832 |
Radeberg | 10295 | 8739 |
Oschatz | 10012 | 9382 |
Waldheim | 9935 | 9215 |
Grimma | 9803 | 8935 |
Löbau | 8694 | 7522 |
Aue | 8415 | 6007 |
Schneeberg | 8284 | 8212 |
Borna | 8251 | 7485 |
Sebnitz | 8199 | 7956 |
Auerbach | 8133 | 7481 |
Hainichen | 8066 | 8258 |
Roßwein | 8062 | 7602 |
Falkenstein | 8004 | 7068 |
Buchholz | 7989 | 7812 |
Kirchberg | 7910 | 7729 |
Leisnig | 7761 | 7946 |
Kamenz | 7694 | 7748 |
Netzschkau | 7538 | 6585 |
Hohenstein | 7534 | 7549 |
Mylau | 7379 | 6354 |
Markneukirchen | 7270 | 6652 |
Eibenstock | 7216 | 7166 |
Stollberg | 7028 | 6937 |
Zschopau | 6962 | 7441 |
Rochlitz | 6847 | 6186 |
Treuen | 6784 | 6472 |
Penig | 6582 | 6560 |
Marienberg | 6574 | 6301 |
Lichtenstein | 6468 | 5837 |
Burgstädt | 6458 | 6693 |
Bischofswerda | 5969 | 5512 |
Lößnitz | 5902 | 5887 |
Markranstädt | 5879 | 4991 |
Geyer | 5764 | 5302 |
Oederan | 5516 | 5665 |
Groitzsch | 5451 | 5390 |
Lengenfeld | 5139 | 5213 |
Ehrenfriedersdorf | 5123 | 4599 |
Colditz | 5121 | 4681 |
Johanngeorgenstadt | 5113 | 5124 |
Pegau | 5084 | 5286 |
Von 999 bis 1002 regierte in Böhmen Herzog Boleslaw III., Rothaar. Dieser gab bei Antritt seiner Regierung Befehl, seine Brüder Jaromir und Udalrich zu töten. Sie flohen hilfesuchend zu Kaiser Heinrich II. Die Schwäche des Böhmenherzogs erkannte auch der Polenherzog Boleslaw Chrobri, der, nachdem er früher schon Schlesien, Mähren und die Slowakei erobert hatte, in Böhmen einrückte, Boleslaw entthronte und seinen jüngsten Bruder zum Herzoge machte. Das war ein Tyrann und Trunkenbold; er starb 1003. Nach ihm nötigte der Polenherzog den Böhmen Rothaar wieder auf, welcher nun an seinen Feinden Rache nehmen wollte. Am 10. Februar 1003 lud er die Vornehmsten des Reiches zu einer Hoffestlichkeit ein, bei welcher er die Nichtsahnenden niedermetzeln ließ. Das Volk rief den Polenherzog, der gern kam, Rothaar gefangen nahm und ihn mit glühenden Blechen blenden ließ. Er starb in Polen in der Gefangenschaft. Der Polenherzog kümmerte sich nicht um die Brüder des Entthronten und dachte, ein großes Reich gegründet zu haben durch die Vereinigung Polens und Böhmens.
Da er nicht dem Kaiser huldigte, brach sofort der Reichskrieg gegen Polen aus.
Kaiser Heinrich, auch von den vertriebenen Prinzen gedrängt, ließ für die Mitte August 1004 in Sachsen, Thüringen und Franken den Heerbann nach Merseburg ausschreiben. Man glaubte, er werde in Polen einfallen, er wandte sich aber plötzlich nach Süden und brach auf gänzlich unbekanntem Wege über das Erzgebirge in Böhmen ein.
Als man Boleslaw Chrobri bei einem Gastmahl nach Prag die Nachricht brachte, sagte er in anbetracht der bekannten Wildheit, Unwegsamkeit und der Sümpfe des Erzgebirges: »Ja, wenn sie Frösche wären, könnten sie wohl da hereinkommen, so aber nicht.«
Heinrich II. aber stand plötzlich vor Saaz, dessen polnische Besatzung er mit Hilfe der Saazer selbst leicht bezwang. Er rückte gegen Prag vor, das rasch erstürmt wurde. Jaromir ward auf Böhmens Thron erhoben. Der kühne Zug Heinrichs über das Erzgebirge bleibt eine denkwürdige geschichtliche That.
Man nimmt an, daß der Kriegszug über Chemnitz, Zschopau, Zöblitz, Göttersdorf, Görkau stattgefunden haben müsse.
Chemnitz war eine kaiserliche Stadt, wo auch wie auf der Burg Schellenberg kaiserliche Beamte und Vögte waren. Von dort aus trat der Kaiser, der mit kundigen Führern versehen war, seinen für damalige Zeit unerhörten Marsch durch die dichtesten Waldungen an, rückte über Zschopau gegen Zöblitz, einen kleinen, von den Sorben angelegten Weiler, vor. Von dort aus mögen einzelne Kühne bis zum Kamme vorgedrungen sein, bis wohin Jäger wohl schon einen Pfad nach Böhmen gebahnt hatten. Von solchen Führern unterstützt, muß der kühne Kriegszug von Zöblitz über Beerhübel, Göttersdorf, einen unzweifelhaft[52] alten heidnischen Opferplatz, durchs »tiefe Thal« nach Görkau stattgefunden haben. Da Kaiser Heinrich von einer Seite in Böhmen einfallen wollte, wo noch nie zuvor ein Überfall geschehen war, so mußte er vorher sorgfältige Erkundigungen einziehen, wo der Zug durch den fast endlosen Wald am sichersten zu ermöglichen sein mochte. Selbstverständlich mußte ihm von seinen Beamten in der kaiserlichen Stadt Chemnitz, sowie dem Burgvogte von Schellenberg dieser Weg gegen Böhmen genannt worden sein.
Dieser Kriegszug war es, der Böhmen für die Dauer mit dem angrenzenden Meißenerlande in Verbindung brachte, wodurch die alte bekannte Meißener Straße entstand, die von Meißen über Natschung nach Böhmen, über den Beerhübel nach Göttersdorf, durchs »tiefe Thal« nach Görkau und von da über Buschenpelz nach Prag führte. Dieser Straßenzug verlor wieder an Bedeutung nach Eröffnung der Straße über Reitzenhain und Sebastiansberg.
Nach Fischer.
Ein sächsischer Ritter, Dietrich von Vitzthum, beherbergte auf dem uralten Schlosse zu Frauenstein eine Rotte von Raubgesindel und würdigte sich zum Räuberhauptmann herab, indem er mit seinen Leuten, größtenteils aus böhmischem Auswurf bestehend, am hellen Tage auf Raub und Mord ausging und die ganze Gegend bis unter Freiberg, sowie die Ortschaften, welche unter dem Kloster Altenzella standen, wie z. B. Erbisdorf, Nossen u. s. w., unsicher machte. Da die Klagen über den verwegenen Raubritter bis zum Kurfürsten von Sachsen drangen, so sendete dieser, damals Friedrich der Sanftmütige, einen Truppenteil nach Frauenstein. Die Räuber verteidigten sich tapfer; allein die Soldaten belagerten das Schloß und erstürmten es nach blutigem Kampfe. Das Raubschloß ging in Feuer auf und wurde zerstört bis auf zwei Türme, die zum Teil heute noch stehen. Dietrich von Vitzthum wurde auf dem Schloßhofe nach Urtel und Recht mit dem Schwert hingerichtet, die noch lebenden Räuber aber wurden an den Bäumen des Waldes aufgehenkt. Dies geschah im Dezember 1438. Die adelige Familie von Vitzthum warf aber seit jener Zeit einen unvertilgbaren Haß auf den Kurfürsten, der später eine Veranlassung zu dem verheerenden Bruderkrieg wurde.
Nach Müller.
Herder, Stimmen der Völker.
Der jetzige Fürstenberg trug vor dem Prinzenraube 1455 den Namen Schmiedewald, welcher von den Geyerschen Schmieden herrührt, die das Holz darauf kauften und zu Kohlen brennen ließen. In Geyer war als einer alten Bergstadt das Schmiedehandwerk zahlreich und wohlhabend. Am Fürstenberge befanden sich Bergwerksgruben, so rechts von der Quelle die Fürstenberger Fundgrube, die auch Eisenstein baute, links von der Quelle Himmlisch Heer, der Frischglückstolln, der Mohrenstolln. Auf der Spitze der Berge befand sich ein Marmorbruch, dessen Marmor zu Kalk gebrannt wurde.
Auf dem Schmiedewalde hauste der Köhler Georg Schmidt, als Kunz von Kaufungen mit dem geraubten Prinzen Albrecht nahe der böhmischen Grenze bei Schwarzenberg sich sicher fühlte und im Walde rastete. Am Brunnen trank der Prinz. Georg Schmidt gelang es, denselben zu befreien und mit seinen Gehilfen die Räuber gefangen zu nehmen und nach Grünhain ins Kloster zu bringen, wo der Abt Liborius das weitere besorgte. Seit diesem Ereignisse am Schmiedewalde führt der Berg den Namen Fürstenberg.
1480 besuchte Herzog Albrecht den Berg, um selbst an dem Orte seiner Errettung der Vorsehung zu danken. Zu jener Zeit lebten zu Elterlein noch Urban Schmidt, sowie die Köhler Wiland und Fischer. Ersterer war es, der als Köhlerbursche am Tage der Befreiung des Prinzen mit Lebensmitteln aus Geyer kam und den alten Schmidt mit der Ursache des Glockenstürmens bekannt machte; letztere halfen den Ritter Kunz mit überwältigen. Diese drei Männer mußten Herzog Albrecht nach dem Fürstenberge führen, um ihm daselbst den Ort seiner Befreiung zu zeigen. Albrecht beschenkte seine schwarzen Führer reichlich, kam auch nach Geyer und sah die zersprungene Glocke an.
Am 8. Juli des Jahres 1822 fand auf dem Fürstenberge zwischen Grünhain und Raschau eine merkwürdige Feier der hier am 8. Juli 1455 erfolgten Rettung des von Kunz von Kaufungen entführten Prinzen Albrecht statt.
An der Feierlichkeit der Weihe des errichteten Denkmals zur Erinnerung an die schöne That des Köhlers Schmidt nahm die ganze Umgegend teil. Die Schwarzenberger Bürgergarde marschierte schon vormittags 10 Uhr auf den Platz. Mehr als 10 000 Menschen drängten sich um die Pyramide herum, erkletterten Bäume, erstiegen die Dächer der erbauten Buden. Die Schützen von Crottendorf stellten sich auf dem Brunnenplatze auf. Diesen folgten 230 Bergleute mit Fahnen und Bergmusik. Um 1 Uhr donnerten Kanonen durch das Waldthal. Schon vorher waren Zwickauer und Schneeberger Offiziere angekommen. Wie am 8. Juli des Jahres 1455 in der Umgegend die Sturmglocken ertönten, um alles zur Rettung der Prinzen aufzubieten, so ertönten jetzt die Glocken der benachbarten Orte zum Dank- und Freudenfeste der Rettung für Erhaltung des Fürstenhauses.
Die Feier begann mit einem Weihelied und schloß mit einem solchen. Die Predigt hielt Superintendent Dr. Lommatzsch aus Annaberg. Die Sachsenhymne schloß die Feier.
Das Denkmal hat die Gestalt einer Pyramide, die auf einem Sockel von in Jaspis übergehenden braunrotem Thoneisenstein steht. Das Denkmal ist aus Granit in 13 Stufen und bei Schwarzenberg gehauen. Das Ganze umschließt an der Hinterseite eine steinerne Mauer, an der sich Ruhebänke befinden und die in der Mitte das Denkmal mit dem in dessen Sockel entspringenden Fürstenbrunnen einfaßt.
Zur Beaufsichtigung des Denkmals und der dasselbe umgebenden Waldungen errichtete man am Fürstenbrunnen für einen Köhler eine Hütte. Dazu hatte auch König Friedrich August II. samt seiner Gemahlin beigetragen. Am 27. September 1838 erfolgte die Hebung des Köhlerhauses. Die Bergmusikanten der benachbarten Grube »Gottesgeschick« hatten sich eingefunden. Pastor Richter aus Grünhain hielt die Rede. Schon am 1. November konnte es bezogen werden. Auch erhielt der Ort Schankerlaubnis. Die Vollendung des Baues erfolgte 1839.
Der Fürstenbrunnen erhielt noch vor Vollendung des Köhlerhauses landesherrlichen Besuch. Nachdem König Friedrich August II. samt seiner Gemahlin am 10. September 1838 in Annaberg übernachtet hatte, kam der König am 11. September über Schlettau, Scheibenberg, Elterlein, Zwönitz nach Grünhain mit Gefolge geritten, geruhte daselbst den Klostergarten in Augenschein zu nehmen, wo noch das Gefängnis, Fuchsturm genannt, zu sehen war, in dem Kunz von Kaufungen vom Abte Liborius festgehalten wurde, und ritt sodann nach »Gottesgeschick«, um daselbst höchstdero Frau Gemahlin, die von Scheibenberg kam und das Bergwerk besichtigt hatte, abzuholen, um gemeinsam nach dem Fürstenbrunnen zu fahren. Hier hatten sich zum Empfange die Schuljugend und der Frauenverein samt einer großen Menschenmenge versammelt. Die hohen Herrschaften geleitete der Amtshauptmann des Bezirks, Domherr Freiherr von Biedermann[55] auf Niederforchheim. 12 Grünhainer Mädchen streuten Blumen. Die Bergleute brachten am Brunnen ein »Glückauf!« Einer von sieben Köhlern sprach ein Gedicht. Zwei Mädchen reichten dem Könige einen Teller mit Waldbeeren und der Königin einen Becher mit Wasser. In einer geschmückten Bude speisten die hohen Herrschaften. Unter Hochrufen setzte das Herrscherpaar die weitere Reise über Schwarzenberg nach Schneeberg fort.
Von der großen Glocke in dem alten Bergstädtchen Geyer, welche früher in einem uralten viereckigen Turme an der Kirche hing, erzählt die Sage, sie sei auf dem Geyersberge, an dessen Fuße die Stadt liegt, durch eine Sau mehrere Ellen tief aus der Erde herausgewühlt und von den Bürgern, welche sich dieses Fundes freuten, aufgehängt worden. Sie soll aber nicht eher einen reinen und vollen Klang gegeben haben, als bis ein Priester sie zu ihrer heiligen Bestimmung geweiht hatte.
Mit dem Reformationsfeste 1885 wurden es 350 Jahre, daß die jetzige Glocke der protestantischen Gemeinde zu Geyer ihre eherne Stimme geliehen hat. Sie trägt ein vortrefflich geschnittenes Rundbildnis des Herzogs Heinrich des Frommen. Ihr erstes, majestätisches Geläute hat sicher dem anwesenden Herzog Heinrich als Beförderer der evangelischen Wahrheit und dem Feste der vollendeten Reformation in Geyer zugleich gegolten. Die große Glocke hält 1,80 m im Durchmesser und ist 1,60 m hoch. Sie stammt höchst wahrscheinlich aus der Hilligerschen Gießhütte zu Freiberg. Sie trägt die ausgezeichnet geschnittene Umschrift:
»Also hot got dy welt geliebt, daß ehr seinen einigen son gab uf das alle dy an yn glauben nicht verloren werden sondern haben das ewige leben. Johann am III.
MDXXXIX.«
Das Metall zum Guß der Glocke, die nach der Schätzung von Sachverständigen gegen 63, nach dem Volksmunde aber 100 Zentner wiegt, lieferte seinerzeit die berühmte Prinzenglocke, welche vom Kurfürsten wegen des erfolgreichen Sturmläutens beim bekannten Prinzenraube der Stadt geschenkt wurde. Auf dieser Glocke waren die Bildnisse der beiden jungen Fürsten angebracht; auf der andern Seite sah man Kunz auf der Erde liegend und das Pferd haltend, daneben den Fürsten Albrecht und den Köhler. In der freieren Blüherschen Übersetzung lauten die Glockenverse:
Im Jahre 1480 besichtigte Herzog Albrecht die Glocke, die leider 1535 sprang. Wahrscheinlich auf Kosten des Herzogs Heinrich des Frommen ist die jetzige Glocke umgegossen worden.
Nach dem Annaberger Wochenblatte.
Zwischen den Gebirgsstädtchen Schwarzenberg, Elterlein und Grünhain, unweit der Dörfer Waschleite und Haide, bei der Dudels- oder Oswaldkirche, liegt der geschichtlich merkwürdige Fürstenbrunn am Fürstenberge, der so genannt[56] ist, weil in dessen Gegend die Befreiung des Prinzen Albert aus den Händen des Ritters Kunz von Kaufungen am 8. Juli 1455 stattgefunden haben soll. Zur Erinnerung an diese Begebenheit wurde am 8. Juli 1822 über dem sogenannten Fürstenbrunnen, einer Waldquelle, ein Granitobelisk mit eiserner Inschriften-Tafel errichtet. Auf dieser steht geschrieben:
Fürstenbrunn.
Hier wurde Prinz Albert, Ahnherr des Kgl. S. Fürstenhauses,
am 8. Juli 1455
durch den Köhler Georg Schmidt, hernach
Triller genannt, aus Kunzens von
Kaufungen Räuberhand befreit.
Angebracht, den 8. Juli 1822.
In einer Nische des Fußgestelles ergießt sich über Kristalldrusen der genannte Brunnen. Im Jahre 1838 wurde hier zum Schutze des Denkmals eine Wohnung für eine Bergmannsfamilie erbaut. Jetzt ladet ein Wirtshaus den Wanderer zur Ruhe ein.
Nach Elfried von Taura.
Neudorfs oberes Ende stößt an den Kretscham, welchen Namen der tiefere Teil des angrenzenden Ortes Rothensehma führt. Im engsten Sinne ist der Kretscham ein Gasthof mit Freigut, einer Mühle und vielen Vorrechten, auch zum Teil sehr altertümlicher Bauart. Nach einer Volkssage soll hier und nicht am Fürstenberge bei Grünhain des Prinzen Alberts Errettung aus den Händen Kunzens von Kaufungen 1455 geschehen sein. Noch zeigt man im Westen, diesseits eines alten Marmorbruches, den Fürstenbrunnen und im Süden die Stätte des Kohlkrams, wo der mutige Köhler Schmidt, der Triller genannt, sich aufhielt, welcher später die Erlaubnis erhielt, hier an der böhmischen Straße den Kretscham oder Gasthof anzulegen.
Nach Herm. Grimm.
Nachdem die beiden sächsischen Prinzen Ernst und Albert ihrem Räuber, dem Ritter Kunz von Kaufungen, durch Gottes Hilfe glücklich entronnen waren, machte der ganze Hof eine Wallfahrt nach der Ebersdorfer Kirche bei Chemnitz, und der Kurfürst ließ daselbst die Kleider der beiden jungen Herrlein, so sie bei ihrer Entführung angehabt, wie auch des Köhlers Schmidt, der sie errettet hatte, Kittel und Kappe aufhängen. Bei den Kleidern wurden folgende Verse angeschrieben:
Die gegenwärtig in der Pfarre zu Ebersdorf aufbewahrten Kleider der Prinzen Ernst und Albert sind nur getreue Nachbildungen.
Nach Dr. Köhlers Sagenbuch.
Der Kampf gegen die Hussiten, dessen Last Kaiser Sigismund auf Kurfürst Friedrich hauptsächlich abgewälzt hatte, begann nicht glücklich. 1425 erlitten die Meißner unter großen Verlusten eine Niederlage, sodaß »das Geschrei kam, wie die Hussiten willens wären, ins Meißner Land einzufallen. Darüber erhub sich ein großer Schrecken. Allenthalben wurde man rege, besserte Thore und Mauern aus, baute Schläge und Brustwehren.«
Die zweite große Niederlage des Kurfürsten bei Außig 1426 vermehrte die allgemeinen Besorgnisse. Nach der von Kurfürst Friedrich aufgegebenen Belagerung von Mieß, wo auf dem Rückzuge an zehntausend Mann erschlagen worden sein sollen, drangen 1429 die Hussiten über das Gebirge in das Meißner Land. M. Chr. Lehmann berichtet, die Hussiten seien durch den Komotauer Paß und den Kriegwald nach Zöblitz und durch den Satzunger Paß und den Kriegwald an die Preßnitz gekommen. Sie haben Lößnitz angegriffen; ob aber dieses der hussitischen Tyrannei sich erwehrt, habe er nicht erfahren. Dagegen seien ringsum die Dörfer verwüstet worden. Stadt und Kloster Grünhain, Klösterlein, Aue, Schwarzenberg am Peler Passe sei ganz eingeäschert, seine drei Ellen dicke Stadtmauer abgebrochen, Crottendorf ganz ausgeplündert, Kraxdorf zerstört und als Neudorf wieder aufgebaut, Zwönitz verwüstet, Burgstädtel, Elterlein, Schlettau, Sehma, Cranzahl, die Waldhäuser am Bärensteine, in der Gegend des späteren Annaberg einige Dörfer, von der Schmalzgrube an bis Preßnitz 26 Hammerhütten zerstört, Flecken und Dörfer ringsum verwüstet, alles mit Brand, Zerstörung, Raub und Mord heimgesucht worden. Nur Zschopau und Scharfenstein haben sie nicht viel anhaben können.
Nach Chr. Lehmann.
1. Die Schrecknisse, welche die Züge der Hussiten mit sich brachten, leben noch vielfach in unserer Gegend in der Überlieferung fort, und die Sage hat manches dichtend hinzugefügt. So hat man die Begebenheiten in der Schlacht bei Außig auch in die Gegend von Preßnitz verlegt.
Im Osten von Jöhstadt verbreitet sich über steiles und hohes Gebirge zwischen dem Schwarzwasser und der Preßnitz der Kriegwald, dessen Name nicht ohne Wahrscheinlichkeit auf ein den Hussiten geliefertes, doch für Sachsen unglücklich ausgefallenes Treffen bezogen wird. Man hat ganze Haufen von Totengebeinen gefunden, die mit Moos so verwachsen waren, daß sie gleichsam wie Stücke alter Mauern erschienen. Ferner fand man daselbst viele Hufeisen, Pfeilspitzen, Hacken u. s. w. Das »rote Wässerchen« an der böhmischen Landstraße wurde nach der Volkssage von dem Blute benannt, das in jener Schlacht darin floß.
Wie die Hussiten sich Meister im Felde sahen, rüsteten sie sich 1426, um die entfremdeten Städte wieder zu erobern. Die Kurfürstin von Sachsen ließ, inzwischen ihr Gemahl, der Kurfürst Friedrich, in Ungarn war, bei Freiberg ein großes Heer sammeln, und als dasselbe über den Wald kam, fand man bei dem Dorfe Preslitz (Preßnitz) den Feind wohlgerüstet ihrer warten. Die Böhmen deckten sich mit ihren Schilden und hatten ihr Lager mit einer Burg von 500 Wagen mit Ketten umschlossen, führten auch lange Haken, mit denen sie die[58] Reiter von den Pferden zogen. Wiewohl nun die Sächsischen sie tapfer angriffen, ihnen die Schilde mit Hellebarden vom Leibe zogen und lange fochten, mußten sie doch endlich, von der Hitze noch mehr ermüdet und vom Staube geblendet, die Flucht ergreifen. Der Graf von Gleichen und sein Leutnant, der Graf von Thun, wurden mit 9000 Mann erschlagen, darunter noch 12 Grafen, 4 Freiherren, viel Ritter und Edle, 21 derer von Köckeritz und einer von Schönborn mit 5 Söhnen, da der sechste daheim in der Wiege lag. Konrad von Einsiedel ward gefangen, kam in die Türkei, ward nach 30 Jahren vor Belgrad wieder gefunden und daheim von den Seinen fast nicht wieder erkannt. Es ward nachmals eine Kapelle gebaut an einem Bächlein, das mit dem Blute der Erschlagenen soll geflossen sein.
2. An die schreckliche Zeit der Hussiten erinnert uns auch die Erzählung von dem Mönchsgesichte an der Schlettauer Kirche. Der Pater Benno rettete vor dem mit Unheil drohenden Zuge der Hussiten ein silbernes Kruzifix, das noch allein auf dem Altar stehen geblieben war, indem er es um Mitternacht in die Kirchmauer vergrub; denn Altäre, Bilder und ander heilig Gerät zerstörten die Horden. Am andern Morgen wurde der Pater von den wilden Ketzern erschlagen. Dies träumte einem Priester, welcher die Stelle dem Küster offenbarte, der aber Diebstahl verübte und nun zur Strafe in der Mauer zu sehen ist. In einer Mauernische der Elterleiner Kirche steht ein Kästchen, welches drei Hussitenpfeile enthält.
3. Ebenso erinnern an die Züge der Hussiten das Kreuz und der Kelch in der Mitte der etwa 60 m hohen, steilen Felsenwand, welche sich an der Zschopau erhebt und das Schloß Wolkenstein trägt. Die beiden Wahrzeichen sind in Stein gehauen und sollen nach dem Volksmunde daran erinnern, daß im Jahre 1428 die Hussiten einen katholischen Priester töteten. Sie bedrohten ihn mit dem Tode. Er wollte aber gleichwohl seinen Glauben nicht abschwören. Da schleppten sie ihn an den Rand der steilen Felswand und stießen ihn dort hinab, von wo er in die Zschopau zerschmettert stürzte.
4. Als im Sommer 1427 ein starker Haufe Hussiten über Olbernhau und Sayda durch das Gebirge herunter nach Oederan zog, galt es besonders dem Ottomar von Schönberg, welcher den Hussiten aus der Gefangenschaft entwichen war und nun in seinem Schlosse Reinsberg wohnte. Täglich wurde jetzt dieses Schloß drei Wochen lang von den Hussiten gestürmt. Da rettete den geängstigten Schönberg sein Knappe durch einen unterirdischen Gang, der sich in einem Busche vor dem Schlosse öffnete. Diese Stelle soll noch heute mit einem Denksteine, auf dem ein Kreuz eingehauen ist, bezeichnet sein. Ein bereit gehaltenes Roß trug den Ritter in der dunklen Nacht durch den Forst auf die nahe Straße nach Freiberg. Hier setzten ihm die wachsamen Hussiten nach, und hart vor Freiberg hatten sie den fast zum Tode Gehetzten beinahe eingeholt. Der Turmwächter auf dem Meißner Thore gewahrte in der Morgendämmerung diese Menschenjagd. Er öffnete dem nahenden Ritter, welcher ihm sein weißes Tuch entgegenschwang, einen Thorflügel, den er vor den heransprengenden Hussiten schnell wieder zuschlug. Innerhalb des Thores aber verließen den Ritter die Kräfte. Auf der Meißner Gasse stürzte er mit dem Pferde und wurde tot in das nächste Haus getragen. Auch diese Stelle ward mit einem Steine, den man später an die Stadtmauer gelehnt hat, zum traurigen Andenken bezeichnet.
5. 1429 zog Prokopius mit 300 der edelsten Hussiten aus der Lausitz nach Basel zu einem Friedensversuche. Unangefochten zog dabei der Furchtbare,[59] vor dem die Kinder auf der Gasse davonliefen, über Dresden und Freiberg durch Oederan. Einer von seinem Gefolge, Bodowin von Horomirz wird er genannt, kam zwei Tage nachher ganz allein durch Oederan. Da wurde er sogleich von den Oederanern ergriffen, hinaus an das Weichbild an der Nossener Straße geschleppt, lebendig gespießt und ihm ein silberner Helm oben auf den Pfahl genagelt, an dem der Unglückliche verblutete. Weithin schimmerte in der Sonne diese Silberkappe, an der sich niemand zu vergreifen wagte. Erst zur Zeit der Reformation verschwand sie zugleich mit dem daneben errichteten Heiligenbilde.
6. Zur Zeit der Hussitenkriege zogen die Scharen des gefürchteten Ziska, nachdem sie die Stadt Komotau in Asche gelegt hatten, auch auf die Stadt Görkau und das Schloß Rotenhaus los, um unter den dortigen katholischen Bewohnern ebenfalls mit Blut und Mord aufzuräumen. Es war am Schutzengelfeste, als sie durch einen äußerst dichten Nebel auf ihrem Zuge dahin aufgehalten wurden und sich erst dann wieder in Bewegung setzten, als sie ein aus der Ferne herschallendes Hahnengeschrei vernahmen, welchem sie irre führte. Sie gelangten in die Gegend östlich von der Stadt und kehrten nicht zurück. Zur Erinnerung an diese wunderbare Errettung ließen die Bewohner von Görkau ein Kreuz anfertigen und auf dem Friedhofe aufstellen. Jetzt steht es an der Straße von Udwitz nach Görkau und bei ihm eine Linde.
7. Auf dem Schlosse Hartenberg lebte im Hussitenkriege eine schöne, achtzehnjährige Jungfrau. Der mutterlosen Waise entriß auch das Schwert eines wütenden Hussiten den Vater. Der noch vorhandene Anverwandte, Jodok von Pichlberg, war eifriger Kelchdiener und wollte sie, als sie ihn um Schutz anflehte, zum Übertritt bewegen. Sie wollte die Lehren ihrer Mutter nicht abschwören und vertraute Gott, dem Beschützer ihres Glaubens. Sie versah die Burg mit Lebensmitteln, ließ Mauern, Streittürme und Befestigungen ausbessern und Schießpulver herbeischaffen. – In einer finstern Nacht rötete sich der Himmel von mächtigen Feuersäulen, die aus den benachbarten, von den Hussiten in Brand gesteckten Dörfern emporstiegen. Bald begehrte ein Hussitenschwarm mit drohend grimmigen Worten Einlaß und Übergabe. Auf die Verweigerung aber schrien hundert Stimmen schimpfend nach Sturm, Pfeilen und Pechkränzen. Zdenka von Hartenberg ließ die Feuerschlünde donnern; Steinregen fiel auf die Stürmenden; heißes Pech troff auf sie herab. Da wiederholter Sturm nichts nützte, sollte die Burg ausgehungert werden. Bald trat Nahrungsmangel ein; denn das verzagte Landvolk, welches eine gegen die Wasserseite ausgesteckte Notfahne herbeirufen sollte, hatte die Gegend verlassen. In höchster Not ging die Jungfrau in die Burgkapelle und stärkte sich im Gebete. Das letzte Rehviertel wurde vors Thor geworfen, und durch Hornrufe wurden die Belagerer ins Schloß gelockt. Man wollte bei freiem Abzuge die Burg ergeben. Als die Brücke niederrasselte, zogen sechzehn alte, bleiche Männer mit der alten Wärterin ab, und der Hussitenführer stürzte herein mit seinen Horden. An einer Halle blieben sie stehen; denn in einem Gemache stand Zdenka in bräutlichem Schmucke mit lodernder Fackel neben einem Pulverfasse. Sie wollte die Burg in die Luft sprengen, um nicht den Feinden in die Hände zu fallen. Da wälzte sich ein brausendes Getöse gegen die Burg heran. Ein Haufen bewaffneten Landvolkes eilte zum Entsatze herbei und überwältigte die Feinde. Gott dankend, sank Zdenka auf die Knie.
8. In einem Gange des ehemaligen Benediktinerklosters zu Chemnitz befand sich ein hölzernes Christusbild mit einem krummen oder schiefen Munde.[60] Da nun die Hussiten in das Kloster einfielen und alles darin verwüsteten, soll einer von ihnen das Bild verspottet haben. Von Stund' an hatte derselbe nun einen solchen Mund und ist stumm geworden.
Nach Chr. Lehmann, Dr. Spieß, Dr. Köhler.
1. Mancher Ort ist durch die Hussiten zerstört worden, und nur noch wüste Marken erinnern an sein einstiges Vorhandensein. Wo jetzt das Dorf Waschleite bei Schwarzenberg liegt, hat ehedem das Dorf Gleßberg am Fuße des Gleßberges oder des Schatzensteines gestanden. Es erstreckte sich am oberen Teile des Oswaldbaches hin. Die Hussiten haben es zerstört. Auf einem Teile der Gleßberger Fluren entstand das jetzige Dorf Waschleite. Seinen Ursprung und Namen hat es von den Erzwäschereien genommen, welche der reiche Hammerherr Kaspar Klinger 1500 nebst einer Schmelzhütte am Oswaldbache anlegte.
2. Vor der Gründung von Neudorf an der Sehma, das mitten im Walde aus Holzarbeiter-, Köhler- und Flößerhütten entstand, soll in seiner Nähe nach Crottendorf zu ein Dorf mit Namen Kraxdorf oder Kraftsdorf gestanden haben, wovon früher, und zwar auf dem westlich im Walde gelegenen Morgenberge, noch Mauerreste, alte Schlösser und Schlüssel gefunden wurden.
In einem kleinen Thale, welches Neudorf oberhalb der Kirche von West nach Ost durchschneidet, hat man beim Wegräumen von Teichdämmen auf dem Grunde derselben berußte Steine gefunden, die ihre Schwärze sehr wahrscheinlich einst von einem Feuerherde erhalten hatten.
3. Unweit der Stadt Zöblitz, an den Ufern der Pockau, liegen die Ruinen der alten Burgen Ober- und Niederlauterstein. Die Burg Oberlauterstein, welche eine Viertelstunde westlich von Zöblitz über dem rechten Pockauufer auf einer felsigen Bergecke liegt, wurde im Jahre 1430 von den Hussiten, die eben von der Verwüstung der Schneeberger Bergwerke herkamen, geschleift. Das Schloß Niederlauterstein, das nur einige Minuten unterhalb davon am linken Pockauufer liegt, erhielt sich über 20 Jahre länger. Vieles erzählt man sich von den früheren Besitzern desselben, den Herren von Berbisdorf, deren einer 1520 bei einem Brande des Schlosses auf schreckliche Weise sein Leben verlor. Es war Georg von Berbisdorf, ein gebrechlicher Greis von 90 Jahren. Um ihn vom Flammentode zu retten, wollte man ihn, in Tücher gewickelt, zu einem Fenster herablassen; allein die in Eile nicht festgeknüpften Knoten lösten sich und der unglückliche Alte wurde an den Felsen zerschmettert. 1559 kaufte Kurfürst August das Schloß von Kaspar von Berbisdorf und bestimmte es zum Sitze eines Amtes. Im dreißigjährigen Kriege wurde es zerstört.
4. Sachsens »Kirchengallerie« erzählt, daß man in der Gegend von Johnsgrün öfters alte Schlüssel gefunden hat. Man schließt daraus, daß die Gegend von Johnsgrün vor der Zeit des Hussitenkrieges stark bevölkert gewesen sei.
5. Bei Augustusburg giebt es wüste Marken, die auch an Hussitengreuel erinnern. Zwischen Hennersdorf und Dorf Schellenberg verbreitet sich der von Augustusburg bis in die Nähe von Waldkirchen reichende, große Mörbitzwald, welcher von einem darin gestandenen Dorfe seinen Namen haben soll. – Der zwischen Borstendorf, Eppendorf, Lippersdorf, Reifland in der dortigen Gegend gelegene Staatswald Röthenbach enthält eine Wüstung und einen Bach gleichen Namens, an welchem das im Hussitenkriege verschwundene, nach Borstendorf gepfarrt gewesene Dorf Röthenbach lag. – In dem im Staatsforste zwischen[61] Euba, Bernsdorf und Flöha gelegenen »Strutwald« soll auch vor dem Hussitenkriege ein Dorf gestanden haben. Man hat dort beim Nachgraben Überreste von Häusern und selbst von Gassen, sowie Brunnen und andere Spuren gefunden.
6. Da wo Wüstenbrand bei Hohenstein-Ernstthal liegt, hat das Dorf Gecksdorf der Sage nach gelegen, welches auch im Hussitenkriege zerstört worden sein soll.
7. Der Sage nach ist der Anbau von Mittel- mit Ober- und Niedersayda in der Zeit des Hussitenkrieges unter Ziska und Prokopius zwischen 1419 und 1435 geschehen, da viele der bedrängten Hussiten auswanderten und sich in den waldigen Gegenden des Erzgebirges anbauten. Noch in diesem Jahrhunderte lebten in Obersayda zwei Familien, die Seyfertsche und Zimmermannsche, deren Vorfahren zu den Ausgewanderten gehörten. Das wäre also ein seltenes Beispiel, wonach auch die Hussiten einen Ort errichteten, anstatt zu zerstören.
Nach Dr. Herzog, Dr. Köhler u. a.
Den Bauern drückten am Ende des Mittelalters allerhand Lasten weltlicher wie geistlicher Herren. Er hatte Frondienste, Zehnten, Zinsen und Abgaben aller Art zu leisten. Luther sagt: »Wenn der Acker eines Bauern so viel Thaler wie Ähren trüge, es würde nur die Ansprüche der Herren vergrößern.« Die Reformation sollte ihnen auch ihre Menschenrechte vor die Seele führen. Mannigfache Flugschriften erschienen, und bald entstand unter den Bauern eine Bewegung, die man den Bauernkrieg nannte. In 12 Artikeln waren die Forderungen der Bauern zusammengefaßt.
An der allgemeinen Bewegung nahm auch das Sachsenland und unser Obererzgebirge teil. Durch sein tyrannisches Wesen hatte sich besonders Ernst von Schönburg hervorgethan, der damals im oberen Erzgebirge ausgedehnte Besitzungen hatte. Ließ er doch zwei Annaberger Bürgern, die in seinem Gebiete Fischdiebstahl begangen hatten, die Augen ausstechen.
Wolf Göftel aus Buchholz und Andreas Ziehner, beides Bergknappen in Marienberg, machten den vogtländischen Aufrührern zu Waldkirchen bei Reichenbach die Artikel. Wir sehen, daß auch die Bergleute mit fortgerissen wurden von der Bewegung. Größere Ansammlungen von Bauern entstanden zunächst in Zwickau und Stollberg. Daher ist der Amtmann von Annaberg und Schellenberg, Anton von Kospoth, der in letzterem Orte seinen Wohnsitz hatte, bald in Annaberg, bald in Chemnitz, um Ruhe zu stiften. Er gab dem Herzog Georg den Rat, die Schätze der Annenkirche auf Schellenberg zu verwahren. Die Stadt aber blieb still und erklärte, zum Herzoge zu halten. An Annaberg erging von diesem das Ersuchen, sich dem Herzoge zum Kriegsdienste zu stellen. Feldhauptmann Utz von Solgau aus Annaberg sollte das Werbegeschäft besorgen. In Thum, Geyer und Ehrenfriedersdorf, auch in Joachimsthal forderten Maueranschläge zum Kriegsdienste auf. Kospoth schrieb über die Annaberger wegen ihrer Weigerung: »Es sei ein teuflisch Volk unter die Annaberger gekommen.«
Nachdem die aufrührerischen Bauern von Schneeberg, Aue, Schwarzenberg und Zwönitz, von Raschau, Steinberg, Kühnheide und anderen Orten Zuzug[62] erhalten hatten, wandten sie sich gegen Klösterlein und Aue, tranken dem Probst das Bier weg, führten 16 Stück Vieh und sämtliches Getreide davon. Dann wandten sie sich gegen das Kloster Grünhain. Der Abt schickte eiligst zum Bergvogte Matthis Busch nach Buchholz um Hilfe. Dieser ritt mit wenigen nach Grünhain, wo er gegen 700 Bauern die Bewachung des Klosters übernahm. Abt und Mönche wandten sich nach Annaberg. Als das Kloster dem Richter und den Schöffen zu Grünhain zur Verwahrung gegeben war, wurde es bald eine Beute der Aufrührer, die es plünderten. Von Grünhain wandten sich die Haufen nach Schlettau, bemächtigten sich der Stadt und des Schlosses. Ein anderer Haufe zog nach Raschau und zerstörte die Kirche.
Herzog Heinrich verließ nach solchen Ereignissen Wolkenstein und siedelte nach Freiberg über.
Als in Annaberg Bergvogt Hans Rühling die Bergleute nach ihren Plänen fragte, erfuhr er, daß sie mit Leib und Leben für den Herzog einstehen wollten. Bürgerwachen an den Thoren hielten Zuzug fern.
In Joachimsthal hatten sich die Leute der Grafen von Schlick in gefahrdrohender Weise erhoben, das Schloß eingenommen und geplündert. Da vermittelte der Rat von Annaberg mit Glück durch Abgesandte zwischen den Streitenden.
Wolf Göftel und Andreas Ziehner waren immer unterwegs, um aufzuregen. Sie machten den erzgebirgischen Bauern die Artikel und verpflichteten sie, indem sie jeden eine Hand aufheben ließen, zum Zeichen, daß er bei ihnen stehen wolle.
Den Geyerschen versprach Göftel mit den Bauern Hilfe. Das Bestreben der Führer ging dahin, den Edelleuten ihre Sitze zu stürmen, den Fürsten ins Land zu fallen, die Obrigkeit zu vertreiben, Wildbret und anderes frei zu haben, die Klöster zu stürmen. Wenn sie in Grünhain, Marienberg und Wolkenstein Glück gehabt hätten, wollten sie nach Chemnitz und Kloster Zelle.
Zuerst fiel ihnen die Pfarre zu Mildenau zum Opfer. Die Mildenauer teilten den Königswaldern mit, daß die Pfarre leer stehe, da der Pfarrer geflohen sei; da zog der unternehmungslustige Richter Rebentisch mit einer Anzahl Gesellen Sonntag, den 14. Mai, nach Mildenau. Er kehrte um, aber die übrigen drangen in die Pfarre ein, plünderten und zerschlugen alles und tranken dem Pfarrer das Bier aus. Kospoth war auf diese Nachricht sofort mit 12 Pferden aufgebrochen. Bei seinem Erscheinen verliefen sich die Aufrührer, sodaß er nur einige von ihnen gefangen nehmen konnte. Weidenbach, der Wolkensteiner Amtmann, dem sie übergeben wurden, ließ sie frei. Da wurden die Marienberger nötig und überfielen die Rückerswalder Pfarre. Die Mildenauer zogen nach Schönbrunn. Sie nahmen die Pfarre ein und trieben allerlei Unfug. Lukas Merten aus Wolkenstein machte Butter in der Pfarre; dessen Sohn schlachtete eine Kuh und kochte auch sogleich das Fleisch; Eulner aus Neundorf zerschlug mit dem Berghammer ein Kruzifix und warf es ins Wasser; Petzold aus Neundorf hieb dem Johannisbilde, das in der Schönbrunner Pfarre hing, den Kopf ab, hing es an den Füßen auf und trug es im warmen Bade umher zur Freude des Wirtes.
In Geyer unterblieb die Erstürmung der Pfarre, da es zum Ausgleich kam. Die Drehbacher wollten sich gegen ihre Herren, die von Stangen auf Drehbach, erheben. Gegen 400 Mann zogen vor das Schloß und verlangten Freisprechung. Rudtloff von Stangen aber, ein furchtloser Mann, erklärte, würden sie ihm und seiner Mutter etwas nehmen, so würde er sie in Haus und Hof verbrennen. Da zogen sie ab.
In Zöblitz suchten zwei Häuer aus Marienberg Unruhe zu stiften. Sie fanden Anhang. Die Aufständischen hatten vor, die Zöblitzer Pfarre zu plündern, die aber geschützt wurde. Um diese Zeit ward auch die Pfarre zu Lauterbach geplündert.
Am 17. Mai ließen die Gemeinden, die Herzog Heinrich unterthan waren, als Schönbrunn, Neundorf, Wiesa, Drehbach, Venusberg, damals Feuchberg genannt, und Hilbersdorf ihre Beschwerden durch den Wolkensteiner Amtmann Balthasar von Weidenbach an den Herzog gelangen.
Erfüllt wurden die Forderungen der Bauern nicht. Nach der Niederlage bei Frankenhausen zerstreuten sich die Unruhestifter. Viele flohen, um harter Strafe zu entgehen, die auch nicht ausblieb. Herzog Georg erschien bald im Erzgebirge. Am härtesten verfuhr Ernst von Schönberg gegen die Aufständischen. Milde war Kurfürst Johann.
In Annaberg wurden vom Herzog Georg viele ausgewiesen oder in Gefangenschaft gesetzt. Andere mußten die Mauern um Annaberg bauen helfen. Herzog Heinrich ließ die Richter zu Mildenau, Arnsfeld und Schönbrunn köpfen. Die Geringswalder und Rückerswalder wurden gespießt, viele verloren ihre Güter.
Wolf Göftel, der Hauptführer im Erzgebirge, war entflohen. Ernst von Schönburg schrieb an Herzog Georg, er habe dem Pfarrer zu Penitz die Ohren abschneiden lassen. Zu Hartenstein ließ er einen henken und fünf köpfen. In Elterlein büßten ebenfalls sieben die Köpfe ein, fünf ließ er in der Scheibe einziehen, einen bei Rotensehma spießen und viele andere an Geld und Freiheit strafen. Das war das Ergebnis der bäuerlichen Bewegung.
Nach Dr. Wolf.
Eine allgemeine Gährung hatte sich der Gemüter bemächtigt. Wanderprediger und Flugschriften trugen die Gedanken in das Volk hinaus. Auf der einen Seite war lästig der Druck der Kirche und des verderbten Pfaffenwesens, auf der anderen der Druck der weltlichen Herren und die Vorrechte der Städte. Man darf sich nicht wundern, wenn die Bewegung nächst der religiösen auch bald eine politische und soziale Färbung annahm.
Die »zwölf Artikel« der Bauern geben ein Bild ihrer Forderungen. »Die Gemeinde soll das Recht haben, den Prediger zu wählen und zu entsetzen … Der Prediger soll das reine Evangelium lehren … Der große Zehnte vom Getreide soll dem Pfarrer zum Unterhalte dienen; der kleine Zehnte von den übrigen ländlichen Erzeugnissen und das Ehegeld soll abgeschafft sein … Sie wollen nicht unfrei sein, nicht Hörige, Lite, Lassen, sondern freie Männer … Die Frondienste sollen aufhören und mit ihnen die Belastung der Güter und die Hutungsrechte … Gemeindeäcker, Wiesen und Forsten sollen an die Gemeinden zurückgegeben werden … Jagd und Fischerei frei sein.« Allen auf die 12 Artikel gegründeten Forderungen war das Örtliche und Persönliche in reichem Maße beigemischt.
Das Thun und Treiben der Bauern stand in vollem Widerspruche zu ihren Erklärungen von Gehorsam, Gesetzlichkeit und Willigkeit, sich eines besseren belehren zu lassen. Lärmen, Toben, Saufen, Fressen, Unbotmäßigkeit, Plündern, Rauben, Verwüsten, Sengen und Brennen: das waren ihre Heldenthaten.
Lehmann erzählt von einem Sturme, der für Abergläubische als Anzeichen des Bauernkrieges galt. Ein Anzeichen war es, als am 15. Februar[64] 1525 des Nachts das mit Riegeln, Ketten und Schlössern stark verwahrte Schloßthor in Joachimsthal von einem fast unnatürlich gewaltsamen Winde aufgestoßen und geöffnet wurde. Es wurde so getrennt, daß das Hinterteil des mittleren Riegels samt dem starken Thornagel und der eisernen Feder geborsten und das Vorlegeschloß samt dem Kloben, der das Thor mit einer starken eisernen Kette über dem Thorriegel geschränkt, eine Stube weit davon auf dem Schloßplatze verschlossen gelegen. Dieser ungemeine Sturm hat den damaligen Bauernkrieg nach sich gezogen.
Als der Schmalkaldische Bund siegreich gegen Kaiser Karl V. zog, fiel Herzog Moritz in das Kurfürstentum Sachsen ein. Da trennte sich am 23. November 1546 Kurfürst Johann Friedrich von seinen Bundesgenossen, um sein eigenes Land wiederzuerobern. Nachdem er Leipzig vom 9. bis 27. Januar 1547 vergeblich belagert hatte, zog er mit seinem Hauptheere in die Gegend von Borna und Altenburg. Von da aus entsendete er einzelne Truppenabteilungen gegen die von Moritz besetzten Landesteile und Städte, sowohl des herzoglichen als aus kurfürstlichen Gebietes. Es gewannen Mitte Mai seine Heerhaufen die Bergstädte Annaberg, Marienberg und einige andere Orte dieser Gegend und drangen bis Joachimsthal vor.
In dem Schmalkaldischen Kriege scheint die Stadt Geyer durch ihre Doppelstellung zu dem albertinischen und ernestinischen Hause, die auch in betreff des Bergbaues Schwierigkeiten machte, wenigstens auf kurze Zeit in eine gefährliche Lage gekommen zu sein. Der Kurfürst Johann Friedrich war im Anfang März 1547 mit seinem Heere gegen Rochlitz aufgebrochen und hatte hier den Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Kulmbach, damals des Herzogs Moritz Verbündeten, in einem Treffen geschlagen. Während Moritz und August auf Dresden zurückgingen, wandte sich der Kurfürst gegen das erzgebirgische Oberland und nahm hier eine Stadt nach der andern, ohne aber seine glücklichen Erfolge thatkräftig genug auszubeuten. In dieser für das albertinische Haus gefahrvollen Zeit schrieb am 29. März Katharina, die Witwe des Herzogs Heinrich, die sich gleichfalls nach Dresden geflüchtet hatte, an ihre erzgebirgischen Städte Geyer, Ehrenfriedersdorf, Wolkenstein und warnte dieselben ernstlich, daß sie sich nicht wider ihre Landesherren Moritz und August durch den Kurfürsten Johann Friedrich gebrauchen lassen sollten, von dessen Kriegsvolk sie vor etlichen Tagen überzogen worden seien.
Nach Dr. Spieß und Dr. Falke.
Daß sich dieser Krieg, dessen Fäden beim Ausbruch in der Hauptsache nach Süddeutschland führten, im weiteren Verlaufe nach Sachsen spielen und dort zur Entscheidung kommen würde, hatte wohl niemand, die beteiligten Führer nicht ausgenommen, geahnt. Auch unser Erzgebirge mußte manche Sturzwelle desselben über sich ergehen sehen. Ganz besonders hatte die Stadt Zwickau zu leiden. Diese galt in der damaligen Zeit für eine ziemlich bedeutende Festung und wurde als Schlüssel zum Vogtland und zur böhmischen Grenze angesehen. Ihre Bürger waren gut kurfürstlich gesinnt. Ferdinand von Böhmen, der[65] Bruder des Kaisers, sollte zunächst die böhmischen Lehen des Kurfürsten Johann Friedrich einnehmen und dann dem kaiserlichen Bundesgenossen Herzog Moritz von Sachsen bei der Einnahme Zwickaus Hilfe leisten. Die Zwickauer hatten schon im Sommer ihre Stadt gerüstet; durch den kurfürstlichen Obristen Thumshirn waren Adelige, Bürger und Bauern der Gegend gemustert worden. Die großen Geschütze der Stadt wurden auf dem Anger vor der Stadtmauer versucht. Der Kurfürst schickte den Zwickauern 1000 Scheffel Korn zur Versorgung für eine voraussichtliche Belagerung. Die Besatzung bestand aus 7 Fähnlein Knechten, die sich aus einem Fähnlein wirklichem Kriegsvolk und 6 Fähnlein Bauern zusammensetzten. Die wohlgerüsteten Bürger sahen kampfesmutig der Gefahr entgegen. Herzog Johann Wilhelm, der Sohn des Kurfürsten, wurde um Hilfe angegangen, leider vergeblich. Er tröstete die Bittenden in einem Schreiben mit den Worten, Gott werde den boshaften Anschlägen wehren. Unterdessen zeigten sich die ersten Feinde im Erzgebirge. Die Bergwerke von Platten und Gottesgab wurden durch wilde Horden böhmischen Kriegsvolkes heimgesucht. Am 23. Oktober 1546 tauchten dort die gefürchteten und berüchtigten Husaren, vom Volke Hussern genannt, auf. Schrecken ging ihrem Erscheinen voraus, Schrecken verbreiteten sie allenthalben, wo sie sich zeigten. Es waren aber zumeist kroatische, walachische und polnische Grenzer. Leicht und ungerüstet saßen sie zu Roß, nur mit Spieß und Tartsche, einem kleinen Schilde, bewaffnet. Dem deutschen Landsknechte war nach Schilderungen der damaligen Zeit dieses wüste Raubgesindel in seinen viehischen Gelüsten über. Wie mögen die armen Gebirgler unter solchen Barbaren gelitten haben! Von diesen aus dem Gebirge anrückenden Truppen Ferdinands erging die erste Aufforderung an die Zwickauer, sich zu ergeben, wurde aber abgewiesen. Da nahte Herzog Moritz. Er hatte Dresden mit nur wenigen Reitern verlassen und eilte nach Annaberg. Dorthin rief er seine 9 Fähnlein Fußvolk, die während des Sommers in Chemnitz Quartier genommen hatten. Auf dem Zuge nach Lößnitz verstärkten sich diese so, daß Moritz vor Zwickau mit 12 Fähnlein Knechten und 600 Reitern ankam. Dort gedachte er sich mit den Böhmen zu vereinigen, die über Eger in das Vogtland eingefallen waren und dort unterdessen greulich hausten. Am 2. November ließ Moritz die Zwickauer zur Ergebung auffordern. Die Besatzung befand sich in verzweifelter Lage. Bei Adorf waren bereits sechs Stück der Stadt Zwickau gehörige Büchsen unter dem Hauptmann Erhard Zölchner verloren gegangen. Moritz stand wohlgerüstet vor den Thoren, und die Böhmen und Hussern rückten aus dem Vogtlande an. Der Kurfürst schickte Trostbriefe, aber die ersehnte Hilfe blieb aus. Dennoch dachten die Bürger nicht an Unterwerfung. Die Stadt wurde gegen ihren Willen durch die Befehlshaber Dolzig und Planitz übergeben. Am 6. November überreichte eine Abordnung von Ratsherren die Schlüssel der Stadt an Moritz, am 8. leisteten ihm die Bürger auf dem Kaufhause die Zwangshuldigung. Die Bauern verließen die Stadt, die kurfürstliche Besatzung erhielt dem Vertrage gemäß freien Abzug, sie rückte mit fliegenden Fahnen nach Wittenberg.
Moritz zog am andern Tage über Altenburg in nördlicher Richtung weiter, auf seinem Zuge die Zwangshuldigung der Werdauer und Crimmitschauer empfangend. Für die Bergstädte trat nun in gewissem Sinne Ruhe ein, abgesehen von den Reibungen, die fortgesetzt zwischen der evangelischen Bevölkerung und der katholischen Besatzung stattfanden; die Städte des Herzogs Moritz machten hierin keine Ausnahme, weil der Herzog allgemein als Judas an der guten lutherischen Sache angesehen wurde.
Unterdessen war der Kurfürst aus Süddeutschland über Naumburg, Jena, Weimar, Langensalza und Halle gekommen und hatte im Sturme seine verlorenen Städte wiedergenommen. Moritz geriet in Not. Seine einzige Hoffnung beruhte auf den festen Punkten Leipzig, Dresden, Freiberg und Zwickau, welche er noch in den Händen hatte. Aber von Zwickau trafen täglich Nachrichten ein, wie der gemeine Mann gegen die Besatzung »ganz seltsam und aufwägig« sei und durchaus dem alten Herrn anhinge. Der Annaberger Stadthauptmann schickte einige hundert Knechte für Moritz nach Zwickau, die Zwickauer weigerten sich, diese einzulassen. Der Stadtoberst Wolf von Ende sandte eine Klage über die andere an Moritz, bis dieser selbst in der Nacht zum 15. Januar 1547 über Freiberg und Chemnitz in Zwickau ankam.
Er besichtigte die Befestigungen, legte noch ein Fähnlein Hakenschützen und ein Geschwader Reiter in die Stadt und zwang die Bürger, ihm und dem Böhmenkönig noch einmal zu huldigen. Da traf die Nachricht ein, der Kurfürst, welcher 21 Tage vor Leipzig gelegen hatte, wolle in das Gebirge rücken. In seiner Bedrängnis befahl Moritz, das Landvolk solle sich in Dresden, Annaberg und Freiberg in seiner besten Wehr sammeln und für einen Monat Versorgung mitbringen. Die Gebirgler waren zumeist durch die Geistlichen gegen Moritz gestimmt und stellten sich nur in geringer Zahl. Anfang Februar waren 5 Fähnlein böhmischer Knechte nach Freiberg gekommen, um nach kurzer Rast weiterzuziehen, blieben aber liegen, weil sie ihren Sold, den die Offiziere in Dresden verspielt hatten, nicht bekamen. Natürlich mußten darunter die Freiberger bitter leiden. Zwischen den Berghäuern und Soldknechten kam es dort zu Thätlichkeiten, die selten unblutig abliefen. Als wenige Wochen darauf die Freiberger Besatzung gemustert wurde, waren nicht weniger als 150 Knechte entlaufen.
Schrecklich war es während dieser Zeit den Zwickauern ergangen. Dort war der Markgraf Albrecht von Brandenburg-Culmbach zur Sicherung der von den Bürgern bedrohten Besatzung eingerückt. Als er aber am 31. Januar nach Chemnitz beordert wurde, ließ er ohne weiteres die Bürger aus der Stadt ausweisen. Nur die zur Arbeit nötigen wurden zurückbehalten. Die Bürgerschaft zog an diesem Tage unter entsetzlichem Jammer der Weiber und Kinder bei großer Kälte aus der Heimat in die Nachbarstadt Schneeberg. In Zwickau wurde zum Zeichen des Kriegsregiments auf dem Markte der Galgen aufgerichtet. Die Vorstädte und 18 Dörfer der Umgegend legte die Besatzung in Asche. Die Plünderung war allgemein. Als Gegenstück, angeblich aus Rache gegen den Zwickauer Befehlshaber Wolf von Ende, Besitzer von Rochsburg, ließ der Kurfürst Rochsburg verbrennen und die Höfe von Kriebstein ausbrennen. Furchtbar litt das arme Sachsenland unter dem Vetternkriege, der sich immer mehr zu Ungunsten des Herzogs neigte. Dieser zog sich deshalb nach Freiberg zurück, um im Falle einer Niederlage Dresden oder Böhmen nahe zu sein. Ja, selbst in Freiberg fühlte er sich nicht sicher; er lebte in beständiger Furcht, daß ihm die Wege nach Böhmen versperrt werden könnten. Am 8. März wurde Chemnitz durch eine kurfürstliche Abteilung zur Übergabe aufgefordert, die Chemnitzer gaben gar keine Antwort und blieben vorläufig unbehelligt. Im Erzgebirge aber wurde der kurfürstliche Obrist Thumshirn, welcher von einem Streifzuge aus Franken her anrückte, mit offenen Armen aufgenommen.
Die Annaberger empfingen ihn mit Freude, die Wolkensteiner und Marienberger ergaben sich auf bloße Aufforderung. Die Ratsherren dieser Städte waren zwar gegen sofortige Ergebung, allein das Volk, das Moritz als Verräter[67] ansah, riß die Gewalt an sich. Oederan und Zschopau wurden am 27. und 28. März durch Thumshirn nach Annaberg zur Huldigung befohlen. Auch Joachimsthal nahm dieser ein und veranlaßte dadurch den Aufstand in Böhmen gegen Kaiser und König, der dort schon lange gärte. Wäre Thumshirn in der eingeschlagenen Richtung weiter vorgerückt, so hätte er Ferdinand und Moritz, die mit ihren Truppen von Freiberg über Lauenstein nach Teplitz und Brüx zogen, um sich in Eger mit dem Kaiser zu vereinigen, den Weg abschneiden können. Moritz selbst war als letzter aus Freiberg am 24. März abgezogen, um den üblen Eindruck seines fluchtartigen Aufbruchs zu verwischen. Sein Zug ging über Frauenstein, Sayda und Klostergrab nach Brüx. Thumshirn aber benutzte seinen Vorteil nicht, sondern plünderte das herzogliche Schloß zu Marienberg und zog weiter brandschatzend durch das sächsische Erzgebirge. Am 3. April fiel Chemnitz, am 8. Freiberg und das Amt Schellenberg bei Chemnitz.
Trotz dieser Erfolge zog sich das Verderben dunkel und drohend über die Kurfürstlichen zusammen. Lange hatte der Kaiser gezögert, ob er sich um seiner Krankheit willen pflegen oder ins Feld ziehen solle. Da verbreitete sich plötzlich die Nachricht, daß der Zug nach Sachsen beschlossen sei. In Eger war noch in Gegenwart des Kaisers das Osterfest feierlich begangen worden. Am 10. April rückte Herzog Moritz, dem das ganze kaiserliche Heer folgte, mit einem Vortrab im Vogtlande ein. Am 16. April unternahm der Obrist Kruda mit 800 Reitern, einigem Fußvolk und Geschütz einen Ausfall von Zwickau nach Schneeberg, das sich nach kurzer Gegenwehr ergab, worauf der Obrist das Ratskollegium und die höheren Bergbeamten mit fortschleppte und erst nach Erlegung einer Summe von 500 Gulden wieder losgab. Am 16. April war der Kaiser selbst in Werdau. Das nachbarliche Zwickau vermied er absichtlich, weil dort eine fürchterliche Seuche wütete. – Der weitere Verlauf des schmalkaldischen Krieges bis zu dem Unglückstage auf der Lochauer Haide bei Mühlberg an der Elbe ist allenthalben bekannt. Als die aufrührerischen Böhmen von der Niederlage des Kurfürsten hörten, unterwarfen sie sich kläglich und ließen Thumshirn mit seinen 4000 Fußknechten und 600 Reitern im Erzgebirge im Stich. Moritz beeilte sich nun, diesem Rest der kurfürstlichen Truppen die Erzgebirgspässe zu verlegen. Es gelang ihm nicht. Thumshirn brach durch und vereinigte sich mit des Kaisers Feinden. Bald ertönten die Friedensglocken auch im Erzgebirge, aber der ersehnte Frieden mochte nicht kommen. Lange noch raubten und plünderten die unbezahlten Söldnerscharen im armen, unglücklichen Lande.
Obgleich nun am 24. April schon der Kurfürst Johann Friedrich auf der Lochauer Haide Schlacht und Kurhut verloren hatte, so schwärmten doch noch später kurfürstliche Truppen unter dem bekannten Obersten von Thumshirn hier im Gebirge umher. Es war, wie es scheint, die Kunde von des Kurfürsten Mißgeschick sogar da noch nicht bis hierher gedrungen, als an einem schönen Frühlingstag, Sonntag Jubilate am 1. Mai um 10 Uhr vormittags, eine stattliche Reiterschar von Zwickau her durch die Zwickauer Gasse nach der sogenannten Fürstengasse, dem heutigen Fürstenplatz in Schneeberg, hereingetrabt kam. Es waren vornehme Kavaliere, unter ihnen ein Kaspar von Stadion, also wohl ein Württemberger. Die Schneeberger aber, die etwa bei der Hand waren, um die glänzenden Reiter anzustaunen, mögen thatsächlich wohl Mund und Nase aufgesperrt haben, denn von den lauten Reden, die die Herren[68] wechselten, als sie sich vor Wenzel Gassauers Gasthof – dem späteren Fürstenhaus, einem Gebäude, das wechselvolle Schicksale gehabt – von den Rossen schwangen, haben die Zuschauer wenig verstanden, da hauptsächlich Spanier und Italiener sich darunter befanden. Vielleicht ist einer von den Bergleuten, die in der Umgegend wohnten, dann später den Leuten des Thumshirn in die Hände gelaufen, oder es hat ein treuer Anhänger des Kurfürsten – und das scheint bei der damals in den Bergstädten vorhandenen Gesinnung gegenüber den katholischen Hilfstruppen des Herzogs Moritz wahrscheinlicher – Botschaft hinüber in die Annaberger Gegend, wo die kurfürstlichen Völker streiften, gesendet. Fast möchte man der Zeit nach freilich glauben, daß diese schon nach unserer Gegend her unterwegs waren, denn gerade als die 28 kaiserlichen Offiziere unter fröhlichem Scherzen und Lachen beim stattlichen Mahle waren, »etwan nach Mittags um 1 Uhr« heißt es in der Chronik, da kam ein starker Haufe der Thumshirnschen Reiter zum Hartensteiner Thor herein. Sie mögen wohl durch Nebengassen heranschleichend das Haus umstellt haben, einen Warner für die Schmausenden hat es aber nicht gegeben, denn urplötzlich brach das Verhängnis über sie herein. Kaum hatten sie Zeit, nach der Wehr zu eilen, ein fürchterliches Getöse entstand. Die Überraschten und vom Wein vielleicht schon etwas Bemeisterten vermochten nichts gegen die Übermacht. Ob sie sich auch tapfer zur Wehr setzten, einige auch die Thür gewannen und die Treppe hinab mit wuchtigen Hieben sich Bahn brachen, die Gegner waren zu stark, hier und da brach einer blutend zusammen, zwölf wurden ihrer niedergemacht und einer, der sich auf die Oberstube des Nebenhauses gerettet, dort zum Fenster heruntergestürzt; die übrigen gaben sich gefangen.
Nach Dr. Jakobi.
Schon im Jahre 1613, als die in Böhmen ausgebrochenen Religionsstreitigkeiten und Unruhen immer bedenklicher wurden, errichtete Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen für sein ganzes Land, um dasselbe möglichst wehr- und kriegsfähig zu machen, ein sogenanntes Verteidigungswerk, d. h. eine Art von Land- und Bürgerwehr, wozu durch besondere Ausmusterungen die kriegstüchtigen Männer aus den Städten und Dörfern ausgehoben und in besondere Haufen gebracht wurden.
So bestand das Freiberger Verteidigungswerk aus der Mannschaft, die nicht allein aus der Stadt und dem Amtsbezirke, sondern auch aus dem Wolkensteiner, Grünhainer und Tharandter Amte genommen war und zusammen 520 Mann ausmachte. Diese Mannschaften mußten von den betreffenden Städten mit den nötigen Waffen und den vorgeschriebenen Ausrüstungsstücken, nämlich grauen Röcken mit roten Aufschlägen, roten Tuchstrümpfen und schwarzen Hüten versehen werden. Zum Unterhalte dieser Verteidiger wurde im ganzen Lande eine Steuer ausgeschrieben, wozu jede Stadt nach Verhältnis beizutragen hatte. Die Marienberger Stadtgeschichte berichtet, daß von diesem Orte allein im Jahre 1631 nicht weniger als 513 Gld 9 Gr 2 Pf Angeld und 43 Scheffel 9½ Metze Hafer an das Amt Augustusburg abgegeben werden mußten. Im genannten Jahre, wo die Kriegsunruhen die sächsischen Grenzen bereits aufs schlimmste bedrohten, wurden von den erwähnten Verteidigern viele an die sächsisch-böhmische Grenze geschickt, um da in Gemeinschaft mit den gebirgischen Bewohnern alle Pässe zu verhauen oder[69] wenigstens zu bewachen und das Eindringen von feindlichen Streifhorden aus Böhmen zu verhindern.
Nach Donat-Holzhaus.
Kaum hatten sich die unglücklichen Bürger Annabergs von den Schäden des großen Brandes 1604 notdürftig erholt, da hatten sie um die gerettete Habe wegen des in Böhmen 1618 ausgebrochenen Dreißigjährigen Krieges zu fürchten. Von 1622 an suchten verschiedene böhmische Protestanten in Annabergs Mauern eine Freistatt ihres bedrückten und verfolgten Glaubens. Dieser Zuzug steigerte sich wesentlich 1625–26. Namentlich viele Edelleute waren es, die sich hier niederließen. Zu ihnen gehörte Sidonie von Hassenstein. Das gewöhnliche Volk bezog die Dörfer oder gründete neue Ansiedelungen. So ließen sich in damaliger Zeit eine Anzahl Flüchtiger in Cranzahl, Bärenstein, Stahlberg und anderen Orten nieder. Aus einem Dorfe bei Elbogen hinter Karlsbad flüchtete ein vertriebener Bauer, Barthel Leibelt, in die Cranzahler Richterschmiede. Bei dem glaubensfrischen Steiger Christian Päßler in Stahlberg, der an seiner Kirche sein Paradies gehabt hat, ließen sich sehr viele nieder und bauten sich an. Wie groß die Glaubenstreue gewesen ist, ersieht man daraus, daß Georg Wagner, Richter am Weipert, 1643 als Apostata oder Abtrünniger erwähnt ist. Insbesondere mußten auch die Geistlichen, in Joachimsthal sogar 3, katholischen Priestern und Mönchen weichen. Der Weiperter Pfarrer vermochte sich bis 1625 zu halten. Als er da der Macht wich, zog er nach Cranzahl. Seine Gemeinde ging mit ihm hier zur Kirche. Erwähnt sei noch, daß 1620 Michael Mahn und Joachim Petzelt von Cranzahl in Böhmen von Kriegsleuten angegriffen und ums Leben gebracht worden sind. Ihnen wurden wenigstens in Cranzahl Leichenreden gehalten.
Nach P. Schultze und Finck.
Im Jahre 1629 wurde am 6. März zu Annaberg das Restitutionsedikt, das die Herausgabe sämtlicher Kirchengüter forderte, veröffentlicht. Bis zum Jahre 1629 hatte man im Erzgebirge von dem großen Kriege in den deutschen Landen nur wenig bemerkt. Einige Durchmärsche der Kaiserlichen über das Gebirge brachten nur vorübergehende Unzuträglichkeiten. 1630 feierte man in allen protestantischen Kirchen das Jubeljahr der Übergabe des Augsburgischen Bekenntnisses. Die entscheidende Wendung brachte das Jahr 1631, nach Gustav Adolfs Sieg bei Breitenfeld am 7. September. Kurfürst Johann Georg I. ließ nun Truppen werben. Die Erzgebirgspässe wurden besetzt. Der alte Slavenpaß, der über Weipert und Komotau in das Egerthal führt, bildete nun in dem wechselvollen Kriege eine viel benutzte Heerstraße. »Das gute Gebirge mußte alle Parteien von Freund und Feind erdulden, sie speisen, auslösen, fördern und hausen lassen.«
Meltzer erzählt in seiner Stadtgeschichte Schneebergs von Wunderzeichen am Himmel, welche den Krieg anzeigten. Am 25. Januar oder Pauli Bekehrungstage 1630 hat man überall im Gebirge ein Feuer- und Wunderzeichen am Himmel gesehen, als wenn unterschiedene Kriegstruppen miteinander im Gefechte wären. Dergleichen hat man gehöret, als wenn Musketen losgingen, zur Begrüßung geschossen würde. Dies haben unzählige Personen mit Verwunderung und Schrecken beobachtet, aber auch mit seiner Bedeutung in erfolgten feindlichen Einfällen und Kriegsbewegungen erkannt.
Nach Meltzer u. a.
Drei Hauptpässe, erzählt Chr. Lehmann in seinem »Schauplatze«, gehen über dieses Gebirge nach Böhmen, nämlich der Rittersgrüner, Preßnitzer und Reitzenhainer. Der Rittersgrüner liegt in einer festen Enge, daß man den ganzen Grund mit einer Schanze sperren konnte, und hat Holck viel Mühe und Beschwerden gekostet, ehe er durch das enge und morastige Waldgebirge hat brechen können. Der Preßnitzer geht über Kühberg, Paßberg und ist ein gut Stück gebrücket. Die 10 Minuten langen Schanzen am Blechhammer sind noch jetzt zu erkennen. Der Reitzenhainer geht über Stollberg, Zschopau und Marienberg hin, liegt mitten im Walde eine halbe Meile von Paßberg und hat der reisenden Leute halber einen Gasthof.
Durch diese Pässe haben die Gebirger im Dreißigjährigen Kriege großen Schaden erlitten. Diese Waldpässe wurden im Jahre 1631 im September weit und breit verhauen, viel tausend Bäume gefället, daß sie meist mannshoch übereinander lagen, weder Roß noch Wagen durch konnten und Korn, Malz und Mehl, alles herübergetragen oder geschleppt und kümmerlich durchgezogen werden mußte.
Vor dem Reitzenhainer Paß war eine böhmische Schanze und ein Vorratshaus von Böhmen besetzt, welche der sächsische Oberst Taube mit 1500 Mann zerstörte. An dem Preßnitzer Paß hatte man zwei Schanzen angelegt. Die eine war nahe an Weipert am Grenzwasser beim Gasthofe. Man hatte den Hof und das Haus mit hohen Pfählen verschanzt, Schießlöcher durch die Ställe gemacht und den hohlen Weg zum Laufgraben gebraucht. Das Wachhaus war mit Pfählen hoch verschanzt und darüber eine kleine viereckige Schanze. Diesen Paß besetzte der auf Preßnitz liegende Hauptmann Krebs mit 50 Musketieren, setzte die nächsten Dörfer umher in Kriegskosten, gab Schutzwachen aus nach Crottendorf, Sehma, Cranzahl.
Ehe diese Pässe verhauen wurden, mußten die Gebirger vier Wochen lang in großer Anzahl davorliegen. Die Wolkensteiner bewachten den Paß von Reitzenhain und Kriegwald, die Annaberger und Grünhainer den Preßnitzer, das Amt Schwarzenberg den Paß bei Wiesenthal und Rittersgrün.
Vor alters hatte man von Freiberg die Pässe von Frauenstein, Reitzenhain, Preßnitz. Durch diese sehr wilden und engen Pässe ist man nach Halle, Leipzig und dem Harze gefahren und zwar nicht ohne große Mühe und Gefahr wegen des Morastes, des tiefen Schnees und der Räuber. Sie sind aber auf viertel, halbe und dreiviertel Meilen gebessert und gebrücket, auch darum mit Zöllen und Geleitgeldern beleget worden. Überdies findet man auch richtige Wege zur Jägerei und Anführung der Zeugwagen. Bei Joachimsthal ließ General Holck einen neuen Weg durch Aufhauung des Waldes räumen.
Ein Lichtungsweg oder Paß berührte also auch die Bärensteiner und Weiperter Flur. Eine Fortsetzung der Handelsstraße von Prag nach Laun, Saaz, Kralup und Kaden darstellend, zog er sich durch Reischdorf nach Preßnitz, wo ein Schloß mit drei Türmen stand, von einem Wassergraben umgeben und geschützt durch eine Zugbrücke. Von dieser mutmaßlichen Zollstätte führte der Paß nach Pleil und Sorgenthal, dem Weißen Hirsch und durch die nördliche Spitze Weiperts nach dem Blechhammer herunter. Hier überschritt er den Grenzbach, die Pöhla, und ging über Kühberg und[71] Zollhaus Berghäusel nach Cranzahl herein, von hier aber auf der »alten Schlettauer Straße« nach Schlettau und weiter nach Elterlein, Zwönitz, Stollberg, Leipzig und Halle, woher die Böhmen das unentbehrliche Salz holten, das ihr Kesselland nicht besitzt. Noch heute sind an vielen Stellen die tief und breit in Felsboden ausgefahrenen Hohlwege sichtbar, wie am Blechhammer, in Kühberg, vor dem Erbgerichte und auf der »alten Straße« nach Schlettau, das übrigens noch im Jahre 1807 zur Wiederherstellung der Grenzbrücke am Blechhammer 72 M beitragen mußte.
Nach Chr. Lehmann und P. Schultze.
Am 16. September 1631 wurden 1500 Mann kaiserliches Fußvolk, das bei Leipzig nach der Schlacht bei Breitenfeld, am 7. September, sich ergeben hatte und nun freien Abzug nach Böhmen erhielt, durch sächsische Reiterei und Infanterie bis Reitzenhain geführt, bei welcher Gelegenheit die Stadt Marienberg die genannten Truppenteile aufzunehmen hatte und derselben ein Kostenaufwand von 425 Gld 20 Gr erwuchs.
Sehr verhängnisvoll sollte das Jahr 1632 für Marienberg werden. Dies erfuhr die Stadt schon, als am 4. Mai die Fürsten von Anhalt und der von Altenburg auf dem Durchmarsche nach Böhmen mit zwei Regimentern einrückten und einige Wochen später der sächsische Oberst Vitzthum von Eckstädt mit einem Reiterregimente die Stadt als Musterungsplatz wählte. in beiden Fällen hatte dieselbe für Verpflegung u. a. 825 Thlr 5 Gr, sowie später noch 1435 Gld 9 Gr 8 Pf zu zahlen.
Nach Donat-Holzhaus.
In großen Schrecken sollte das Obererzgebirge versetzt werden, als Wallenstein seine dem Laster ergebenen und aus allerlei Volk zusammengelesenen Truppen nach Sachsen führte. Der General Holck, Wallensteins Oberstfeldmarschall, ein Protestant aus Dänemark, sowie der Kroatenoberst Corbitz führten ihre Banden über Altenberg, Schneeberg und Annaberg durch unser Gebirge, wodurch dieses aufs höchste geängstigt ward. Am 10. August 1632 rückte der Vortrab des Holckschen Heeres unter Oberst Isaak von Brandenstein vor Annaberg, wo nicht nur 2000 Thaler Brandschatzung gezahlt werden mußten, sondern auch, trotz des gegebenen Ehrenwortes, die Stadt vor aller Unbill zu schonen, in schrecklichster Weise geplündert und alles Vieh weggetrieben wurde.
Nach dieser Heldenthat ging es weiter, und mitten in der Nacht kam die Bande vor Marienberg an. Ein kaiserlicher Trompeter sprengte vor das verschlossene Annaberger Thor und begehrte im Namen des Kaisers Öffnung und Übergabe der Stadt. Der Bürgermeister Franke bat um einen Tag Bedenkzeit; der Trompeter ritt zurück und nach einer in großer Angst durchwachten Nacht öffnete man das Thor und – nirgends war ein feindlicher Soldat mehr zu erblicken. Die Gefahr war für diesmal abgewendet; aber die Angst stieg wieder aufs höchste, als man vernahm, daß der grausame General Holck selbst bereits in Schneeberg angekommen sei und sein Heer dort nicht nur alles geplündert und zerstört, sondern auch Fliehende und Flehende unbarmherzig niedergeschossen, viele Bürger getötet oder bis auf den Tod gequält, ja den Stadtrichter vor der Thür seines Hauses und einen 90jährigen Greis, den früheren Bürgermeister von Schlackenwerth, niedergemetzelt hatte.
Von Eger kommend, drang 1632, Mitte August, der General Holck mit seinen Scharen über Elbogen, Neudeck nach Eibenstock und von da gegen Schneeberg vor. Gar übel haben die Kroaten überall gehaust. Schwarzenberg, Schneeberg, Lößnitz, Grünhain, Elterlein, Geyer wurden geplündert und niedergebrannt. Schreckliche Zeiten waren gekommen. Das liebe Getreide wurde zertreten, viele hundert Stück Vieh wurden geraubt, von den Marketendern teuer verkauft, Brot und Bier wurde durch dieselben abgeführt und dadurch Hunger, Brotmangel, Zagen und Wehklagen verursacht.
Nach Donat-Holzhaus u. a.
Am 21. August rückte Oberst Preuß vor Marienberg, nachdem ihm Holck, in Rücksicht darauf, daß die Stadt noch vom großen Brande her zum Teil in Schutt lag, einige Schonung anempfohlen hatte. Am genannten Tage früh 10 Uhr reitet ein Trompeter vor das verschlossene Thor und verlangt, daß man öffne. Niemand hört ihn und erbittert reitet er zum Heerhaufen zurück. Als auch auf eine erneute Aufforderung keine Antwort erfolgte, ward Sturm geblasen, das Thor gesprengt, und vorsichtig rückte man auf den großen, weiten Markt vor. Zwei volle Stunden läßt der Oberst, der einen Hinterhalt vermutet, seine ungeduldigen Soldaten hier stehen. Ringsum herrscht aber die Stille des Kirchhofs – kein Mensch zeigt sich! Da wird das Rathaus gewaltsam geöffnet; aber auch hier ist kein Mensch zu finden. Selbst der Rat hatte den Mut verloren und mit zuerst die Flucht ergriffen; alle Einwohner waren samt den Geistlichen in den Wald geflohen und nur einige Arme und Kranke zurückgeblieben. Der Ratsdiener aber und einige Bürger wurden noch in der Nähe der Stadt ergriffen und von den Kroaten niedergeschossen.
Als die Bande sah, daß die Stadt aus Furcht vor der Gefahr preisgegeben worden war, begann sofort die Plünderung, welche zehn volle Tage hindurch fortgesetzt wurde. Mit einem unglaublichen Spürsinne wußten die Soldaten in Kellern und Bergschächten, wohin man das Beste der Habe vergraben und verborgen hatte, diese aufzufinden. Auf dem Rathause fand man so viel Gold- und Silberzeug, daß damit allein die Stadt hätte von der Plünderung befreit werden können, wenn der zweite Bürgermeister, Adam Genser, nicht ganz und gar den Kopf verloren gehabt hätte. Als derselbe sich nach einigen Tagen wieder aus dem Reitzenhainer Walde hervor in die Stadt wagte, nahmen ihn die Kroaten gefangen und ließen ihn nicht eher los, bis die Kämmerei 100 Thaler für ihn bezahlt hatte.
Hunger und Elend nahmen unter den unglücklichen Bewohnern überhand, welche neun Tage in Höhlen und Klüften der Wälder gelebt hatten, weshalb sich eine Anzahl mutiger Bürger entschloß, beim Oberst Preuß um sichere Rückkehr in die Stadt zu bitten. Die Erlaubnis ward gegeben und sogar eine Abteilung zur Deckung des traurigen Einzugs beordert, und so kehrten am 30. August sämtliche Bewohner zurück, fanden aber bald genug zu ihrem größten Schrecken, daß ihre so sicher geglaubte Habe geraubt war. Der Stadtgeschichtsschreiber berichtet hierüber: »38 Fähnlein Fußvolk sind auf dem Markte, als der Marsch wieder fortgegangen, gestanden; die Reiterei ist aber bei der Stadt vorüber nach Freiberg zu marschiert; es ist weder Brot noch einiger Trunk in der Stadt zu bekommen gewesen, und hat nach diesem Unglücke ein Brot – sonst einen Groschen – 5 Groschen und eine Kanne Bier 3 Groschen gegolten.« Auch wird noch weiter hinzugefügt: »Es sind auch 325 Personen an[73] der Soldatenkrankheit gestorben, welche die kaiserlichen Völker für Ausplünderung der armen Stadt als Trinkgeld hinterlassen. Unter den Verstorbenen waren auch die Stadtschreiber Joachim Frank und Josephus Collmann, sowie der Stadtrichter Heinrich von der Feldt.« Übrigens lagen noch bis zum 25. September Soldaten in der Stadt, wo sie bis auf 15 Mann, welche als Schutzgarde zurückgeblieben, abzogen. Ehe aber der Aufbruch geschah, sollte zuvor einer, der einen Mönch erschlagen, stranguliert werden, »hatte sich aber, als ein seltsamer Abenteurer, vom Galgen wieder losgemacht«.
Nach Donat-Holzhaus.
Früher ward in der gewölbten Sakristei der Zwickauer Marienkirche ein in Gold gefaßtes Stücklein vom Kreuze Christi verwahrt, welches der Hauptmann Martin Römer im Jahre 1479 der Kapelle geschenkt hatte. An dieses Kreuz heftete sich der Fluch: »Wer ein Stücklein von diesem Holze mit Gewalt nehmen wird, der sei verflucht und das heilige Kreuz bringe ihn um.« Nun hat Herzog von Friedland oder Wallenstein am 1. September 1632 dieses Kleinod durch seine Vettern Graf Maximilian von Wallenstein und Graf Paul von Lichtenstein abholen und dem Kaiser eigenmächtig im Namen der Stadt Zwickau anbieten lassen. Nachdem dies am 14. September geschehen, hat Wallenstein am 6. November die große Schlacht bei Lützen verloren und seit dieser Zeit kein Glück mehr gehabt, also daß er schließlich zu Eger umgekommen ist. Auch die beiden Grafen sind eines unnatürlichen Todes gestorben. So erzählt die Sage. In der Lützner Schlacht hat auch auf Seite der Kaiserlichen Herzog Franz von Sachsen-Lauenburg mit gekämpft. Es ist derselbe, welcher die Kapelle auf dem Kupferhügel in Böhmen gründete. Er weihte sie der Maria. Man hat jeden Freitag zur Zeit der Blüte des dortigen Bergbaues Gottesdienst darin gehalten. Später verfiel sie und ward erst 1821 wieder hergestellt. Der Gründer, Franz von Sachsen-Lauenburg, ist derjenige, welchem der Tod des Schwedenkönigs Gustav Adolf in der Schlacht bei Lützen zugeschrieben wird. Die kaiserliche Besatzung vor Leipzig fiel den Schweden in die Hände, wurde entwaffnet und von schwedischen Reitern auf dem Weiperter Paß nach Böhmen geführt. Kaum war die schwedische Bedeckung fort, so fielen die in die Wälder geflüchteten Bauern am Kühberge über Wagen und Rosse her und hieben die Begleitung der Rosse nieder.
Der Rückzug der Kaiserlichen nach der Schlacht bei Lützen verbreitete von neuem Schrecken, Elend und Not. Die Kaiserlichen trieben alles Vieh, was sie überhaupt noch in den Ställen fanden, mit fort. Als einigermaßen wieder Ruhe wurde, kamen die geflüchteten Landesbewohner aus den Bergschluchten und Wäldern wieder hervor. Kaum elendes Kleienbrot und Salz konnten sie auftreiben, als der Landmann wieder zum Pfluge griff. – Sogar Bernhard von Weimar ließ Wolkenstein, Lauterstein, Augustusburg, sowie die Bergstädte brandschatzen. Am 16. Dezember rückte er vor Zwickau, beschoß die sich lebhaft verteidigende, von Kaiserlichen besetzte Stadt und legte mit dem Feuer von acht halben Kanonen die Stadtmauer am Rößleinturme nieder, sodaß die Kaiserlichen mit fliegenden Fahnen, Kugeln im Munde, brennender Lunte und viel Vorratswagen abzogen.
Im nächsten Jahre 1633 kam Holck wieder ins Gebirge. 16 000 Kaiserliche zogen über den Weiperter Paß nach Böhmen. Zwei Jahre lang blieb[74] derselbe besetzt. Alles wurde zu nichte gemacht. In Schneeberg raubt er den Altar, heilige Geräte, Meßgewänder, vernichtete die Bilder von Luther und Melanchthon. Aue wurde niedergebrannt, Lößnitz geplündert und ausgeraubt. Dazumal ist auch das Getreide im Felde an vielen Orten niedergetreten worden. Wochenlang brachten die Bewohner der Orte in den Wäldern zu.
Später befreite der sächsische Oberst von Taube das Land von den Kaiserlichen. Aber die eigene verwilderte Soldatenhorde hauste nicht minder schrecklich. Es waren sächsische Dragoner, welche die Thore von Marienberg stürmten und die Stadt, wie später auch Annaberg, plünderten.
Nach Dr. Köhler, M. v. Süßmilch u. a.
Als im Jahre 1632 die Kaiserlichen die Ausgänge der Pässe von Preßnitz und Reitzenhain besetzt hielten, thaten sich die Bauern zusammen, vertrieben die Kaiserlichen aus den Schanzen und lauerten ihnen auf, wenn sie mit Beute durchs Gebirge zogen. Der Anführer der Bauern war der Amtsschösser von Grünhain, Friedrich Türck. Als nun von allen Seiten Klagen über die Bauern beim General Gallas, welcher um Freiberg lag, einliefen, schickte dieser wiederholt Boten an Türck mit Warnungen und Drohungen und verlangte Kriegskosten. Friedrich Türck wollte davon nichts wissen und ließ den Kaiserlichen entbieten, er wollte ihnen Pestilenz, Pulver und Blei und alle katholischen Steine aus dem Kloster Grünhain auf die Köpfe geben. Dies konnte nicht ungestraft bleiben. Gallas entsandte 2000 Pferde mit 20 Standarten unter dem Obersten Kehreuß gegen die Bauern ins Gebirge. Am 7. November kamen sie auch durch Kühnhaide. Von Friedrich Türck wird gerühmt, »er habe seine Bauern dermaßen begeistert und abgerichtet, daß sie frisch vorm Feinde standen, keine Gefahr scheuten und sich trefflich wehrten, sonderlich, wenn er dabei war und ihnen zusprach«. – Es drängt sich die Vermutung auf, daß die »Türckenheide« bei Kühnhaide ihren Namen von jenem Bauernführer erhalten hat.
Auch in andern Gegenden wehrten sich die Bauern erfolgreich. Das berichtet die Erzählung von den sechs Brüdern bei Geyer. Als nämlich in demselben Jahre, 1632, kaiserliche Truppen von der Burg Scharfenstein die ganze Umgegend durchstreiften und plünderten, war es einem Trupp herzhafter Burschen aus Elterlein und Zwönitz gelungen, in der Nähe von Scharfenstein sechs Österreicher, welche im dichten Walde schliefen, zu überfallen und gefangen zu nehmen. Was nun mit den Gefangenen zu beginnen sei, darüber entstand bei den Siegern heftiger Streit. Die von Elterlein meinten, daß es das beste sei, sie sämtlich totzuschlagen. Die von Zwönitz wollten nichts davon wissen und brachten es dahin, daß man beschloß, sie zum Heere zu bringen. Sie zogen fort. Als sie in die Nähe von Geyer kamen, erhob sich der Streit von neuem, und weil die Elterleiner mit Gewalt drohten, so wurden die Zwönitzer voll Ärger und schieden von ihnen, die Gefangenen ihrem Schicksale überlassend. Dieses war ein trauriges. Denn kaum waren die Zwönitzer im Walde verschwunden, so fielen die mordlustigen Elterleiner über die wehrlosen Opfer ihrer Wut her und ermordeten fünf Österreicher auf die grausamste Weise, den sechsten aber warfen sie in ein tiefes Loch, in welchem ihn die Vorübergehenden noch am andern Tage jammern hörten. Zum Gedächtnisse dieser Greuelthat heißt jene Stelle der Wiesen bei Geyer noch jetzt[75] »Sechs Brüder«, ohne daß man bestimmen kann, ob wirklich die sechs unglücklichen Österreicher Brüder gewesen sind.
Die unmenschliche Behandlung, welche die friedlichen Bewohner von Freund und Feind zu erdulden hatten, brachte es so weit, daß eben jeder Soldat, gleichviel, welcher Seite er angehörte, als Feind betrachtet wurde. Daher herrschte zwischen den Bürgern und den Söldnerhorden ein fortwährender Kriegszustand. Die Soldaten brannten, plünderten, mordeten und schändeten; die Bewohner wehrten sich ihrer Haut und wagten nicht selten auch den Angriff. Versprengte Soldaten wurden unerbittlich niedergehauen. So lockten die Bauern von Dorf-Chemnitz nach der Leipziger Schlacht sechs hungrige Soldaten und ein Soldatenweib in den Wald, erschlugen sie und raubten alles, selbst die Kleider. Als die Leichen verscharrt werden sollten, findet man einen Halbtoten und macht ihn noch vollends nieder. Der Jahnmartin am Kühberge klagte oft, seine Hände röchen so nach Menschenfleisch; denn er hatte viel Soldaten helfen erschlagen. 1641 erschlugen die gebirgischen Bauern bei Unterwiesenthal 9 Flüchtige von dem Heere Baners, entkleideten sie und bedeckten sie mit Reisig: davon hat sich einer wieder ermuntert und ist halbnackt nach Wiesenthal gekommen.
Nach Chr. Lehmann und Dr. Pöschel.
Alle Schrecken des Kriegen kehrten im Jahre 1634 wieder. Namentlich wütete zu jener Zeit der kaiserliche Oberstleutnant Schutz von Schutzky in unserem Gebirge, setzte unter anderm Sayda in Flammen, brandschatzte Annaberg mit 1200 Thalern und rückte auch vor die Stadt Marienberg. Hierüber berichtet die Stadtgeschichte: »Den 29. September rückte ein kaiserlicher Oberstleutnant Hans Heinrich von und zu Schutz zu Roß um 2 Uhr nachmittags vor die Stadt; solchem ging der Rat entgegen und bat für die arme Stadt, da sich's denn etwas besser angelassen als im ersten Einfall; er kam mit etlichen Pferden in die Stadt und nahm sein Quartier bei Georg Löven. Da er nun eingelassen worden war, begehrte er von der Stadt für die Plünderung und als Lösegeld 6000 Thaler; es blieb auf der Geistlichen und des Rats Bitten bei 1000 Thaler. Ingleichen wurden dem Oberst 65 Thaler Tafelgeld und dem Regimentsquartiermeister 35 Thaler verehrt. Das Lösegeld wurde halb, nämlich 500 Thaler, den folgenden Morgen ausgezahlt, die anderen 500 Thaler sollten innerhalb 14 Tagen abgestattet werden. Obgleich aber der Rat wegen dieser 500 Thaler einen Schuldschein von sich ausstellte, haben sie doch um mehrerer Versicherung den ältesten Ratsherrn Michael Seeliger mitgenommen. Bei diesem ankommenden Volke entstand auch am Michaelistage abends 7 Uhr eine von den Soldaten angelegte Feuersbrunst vor dem Annaberger Thore und verderbte in solcher ein Haus und eine Scheune und ward ein großes Geschrei in der Stadt, weil es sehr nahe an der Stadtmauer war.« Die letzte Abzahlung der obengenannten Brandschatzungssumme leistete die Stadt am 31. Oktober durch den Bürgermeister Augustin Eckstein, und mußte dieselbe, da alle Geldmittel erschöpft waren, zum größten Teile in Naturallieferungen, worunter auch Heringe und Stockfische aufgeführt werden, geschehen.
In die bedenklichste Lage sollte die Stadt geraten, als im Oktober 1634 der österreichische Major Beck den bisher verhauen gewesenen Paß bei Reitzenhain in einer Nacht öffnen ließ, sodaß nun diese Heerstraße von hin- und herziehenden Heereshaufen wimmelte und es auch zuweilen zu Gefechten zwischen sächsischen und kaiserlichen Truppen kam. So entstand etwa eine halbe Stunde[76] von der Stadt entfernt, auf den Lautaer und Hilmersdorfer Höhen, ein Treffen, später auch an dem ganz nahen Kaiserteiche, wobei Marienberg in die größte Gefahr geriet. Täglich mit Brand und Plünderung bedroht und von Kroaten und Spaniern umringt, sollte es immer und immer wieder für die in der Nähe lagernden Truppen Lebensmittel schaffen. Es war der Mangel so groß, daß der Rat das Brot von Haus zu Haus in einzelnen Stücken zusammentragen ließ und es manche Eltern im Augenblicke, wo sie es essen wollten, den hungernden Ihrigen entreißen mußten. Aus jenen trüben Tagen erzählt der Geschichtsschreiber: »Es haben sich die Kroaten und spanischen Regimenter vor die Stadt am Walde geleget, da denn die Offiziere auf den Tag hereinkamen und mußten gespeiset werden, dem Volke aber alle Tage 2 Faß Bier, Fleisch und Brot und wöchentlich jedem Regimente 20 Thaler Kriegskosten, welche 12 Tage gewährt, wobei das Götzsche Regiment noch dazukommt, welches gleichsam seine Verpflegung hat haben müssen. Der Kroatenoberst Joh. Tischler hat die Einquartierung in der Stadt haben sollen, weil aber keine Möglichkeit, vornehmlich auch wegen des sächsischen Volkes, welches in Zschopau gelegen, da dann groß Unglück der Stadt hätte entstehen sollen. So hat der Oberst Tischler 200 Thaler und 6 Paar Stiefel für die Einquartierung begehrt, ist aber bei dem halben Teile verblieben, und ist damals große Not wegen des lieben Brotes gewesen; denn man hat weder aus noch ein können und vielmals die Ratspersonen und Bürger das Brot von Haus zu Haus stückweis von Bürgern einbringen und korbweise nausschicken müssen. Dieses aber alles mußte man dulden, daß die Stadt nicht in Brand gestecket wurde.«
Nach Donat-Holzhaus.
Am 21. November 1634 war es, als die Bewohner Marienbergs zu ihrem größten Schrecken mitten in der Nacht den Himmel hoch gerötet sahen. Zschopau stand in Flammen, dessen Besatzung von 4 Regimentern kaiserlicher Truppen unter dem Obersten Colloredo überfallen worden war. Sie richteten in der Stadt, welche mit Menschen überfüllt war, da sich außer den Soldaten und Bürgern auch die Landleute darin aufhielten, ein schreckliches Blutbad an. Hering schildert das Ereignis in folgender Weise: »Die Schlafenden schreckten plötzlich durch den Ruf der Kriegstrompeten empor. Zschopau ist umringt; Frauen, Kinder, Greise flüchten in die Keller; die Männer stürzen sich mit hinaus und alle Schrecken der Schlacht erhöhen sich durch die dichte, nur durch die tötenden Blitze der gelösten Gewehre erleuchtete Finsternis. Es rast die Schlacht – es wütet der Tod in allen Gassen; es häufen sich Leichen von gefallenen Soldaten, Bürgern und Bauern, und jetzt schlagen die Flammen empor – rechts und links und fern und nah steht die Stadt in Feuer. Dem Tode in den Flammen entfliehend, stürzen die Versteckten hervor und suchen sich zu retten. Aber ach, wie viele hatten dem Schutze der Keller sich lieber vertrauen wollen als der würgenden Schlacht und waren hier erstickt. Außer den im Kampfe Gefallenen zählte man am Morgen nach dieser schaudervollen Nacht 90 Leichen von Erstickten.
In Angst und Mitleid schloß sich in jener Nacht auch in Marienberg kein Auge zum Schlummer. – Da brauste nach Mitternacht das rückkehrende Heer heran; alles wollte, nach Brot schreiend, in die Stadt stürzen. Oberst Colloredo aber ließ die Thore besetzen und nur die Offiziere hinein, sodaß[77] die schreckensreiche Nacht für die Stadt ebenso glücklich endete, als sie über die Nachbarstadt unbeschreibliches Elend und Unheil gebracht hatte.«
Nach Hering-Holzhaus.
Auch der Anfang des Jahres 1635 war für die Stadt noch trübe genug, und zwar kam diesmal die Bedrängnis nicht von feindlicher Seite, sondern von sächsischen Truppen her. Am 2. Januar ritt der sächsische Oberstleutnant Unger mit 300 Dragonern vor die Stadt, wo die Thore Tag und Nacht verschlossen gehalten wurden. Er begehrte Einlaß. Man fürchtete sich aber vor den Sachsen ebenso, wie vor den Kaiserlichen, und der Rat zögerte, ob er öffnen lassen sollte oder nicht. Da verbreitete sich plötzlich allgemeiner Schrecken; denn krachend ertönten die Schläge der Hämmer und Äxte, womit das Freiberger Thor aufgehauen wurde. Gleich einem feindlichen Heere strömten die Krieger herein. Von den zwei Mann, welche der Rat von der kaiserlichen Besatzung in Reitzenhain als Schutzwache erhalten hatte, war nichts zu sehen. Man suchte nach ihnen, und der eine hatte sich in einen Gasthof geflüchtet, während der andere glücklich nach Reitzenhain entkommen war. Derjenige, welcher sich versteckt hatte, wurde von einem Dragoner bemerkt, herunter geholt und auf den Markt vor den Oberstleutnant gebracht; die Ratsherren baten für ihn, aber vergebens. »Hund, knie nieder!« war die Antwort auf die inständigen Bitten, und der Arme wurde sofort erschossen. Die Soldaten quartierten sich selbst ein, und ist es nach den Worten des Geschichtsschreibers »zuletzt übel hergegangen, indem sie geplündert; alle Pferde, so auch sind bei den feindlichen Einfällen erhalten worden, haben sie mitgenommen, so haben die Bürger damals ihren Schaden über 1700 Thlr angegeben, welches nichts Geringes gewesen und die Stadt für die erschossene Schutzwache auf große Bitte noch 28 Thlr bezahlen müssen, ohne, was sonsten an Verheerung und anderem aufgegangen ist.«
Nach Donat-Holzhaus.
Kurfürst Johann Georg I. hatte am 30. Mai 1635 den Prager Frieden geschlossen. Aber dieser Friede hatte die größten Drangsale für Kursachsen im Gefolge. Verödung, Hungersnot und Pest waren schon da. Nun brachte die gesteigerte Verwilderung und vor allem die Rachsucht gegen die verlassenen Bundesgenossen die fürchterlichsten Greuel. Hatten vorher nur die Kaiserlichen im Lande gehaust, so wurden von nun an auch die Schweden zu Feinden und übertrumpften die Kaiserlichen an Ingrimm und Wut.
Raub und Erpressungen bezeichneten ihren Weg. Städte und Dörfer wurden verheert und niedergebrannt, Wohnungen und Eigentum zerstört. Keine Kirche und Schule, kein Hospital, keine milde Stiftung wird verschont, und die Bewohner werden aufs grausamste gequält, gemartert und getötet. Die Verstorbenen in den Gräbern haben keine Ruhe vor ihnen. Die Kruzifixe an den Wegen werden mutwillig zerhauen und verstümmelt. Das Land war bis aufs Mark ausgesaugt. Baner marschierte nach den Bergstädten. Vor Annaberg nahmen die Schweden allenthalben die besten Pferde weg, ließen sich mit Kleidung, Schuhen, Stiefeln, Sätteln, Hufeisen, Nägeln versehen.
Am südlichen Ende des zwischen Chemnitz und Schellenberg gelegenen Dorfes Euba erhebt sich eine kleine Anhöhe. Auf dieser befindet sich eine einfache, hölzerne Säule, welche der Eigentümer der Anhöhe zu erhalten hat. Man hält sie für einen ehemaligen Galgen, an dem eine Abteilung Schweden, welche da ihrem Feinde gegenübergestanden hat, einen gefangenen Spion aufgehängt haben soll.
Den 26. Februar 1639 nahte das schwedische Unheil auch der Stadt Marienberg; denn der Geschichtsschreiber teilt folgendes mit: »Ein schwedischer Fähnrich kam mit seinen Reitern und begehrte alsobald die schwedischen 2000 Rthlr, so ihnen vor zwei Jahren sein Rest geblieben, davon uns aber nichts wissend. Ist schwer hergegangen und hat der halbe Teil an Geld, Pferden, Speisen, Schuhen, Stiefeln und Tuchen an 500 Rthlr zusammengelaufen, und 500 Rthlr alsdann Rest geblieben, haben's aber doch bezahlen müssen, daher auch Stücke verpfändet worden, so den Vermächtnissen und dem Armenkasten zuständig, weil sonst kein ander Mittel gewesen.«
Im Februar 1639 floh alles, was fliehen konnte, in die Städte Freiberg, Annaberg und Marienberg; die Landgeistlichen schafften ihre Frauen und Kinder wenigstens dahin in Sicherheit, um bei wirklicher Gefahr schneller mit dem Reste der Kirchenkinder in die Wälder flüchten zu können. Die Nähe der großen Waldungen ist damals für das Gebirge die Rettung aus tausend Todesgefahren gewesen. Vom Februar an streiften bereits schwedische Banden überall im Gebirge umher, und es wurde damals auch von nur drei schwedischen Reitern das Schloß Lauterstein angezündet und in Asche gelegt.
Am 12. April, es war Karfreitag, kamen etwa 500 solcher schwedischer Brandstifter, nachdem sie Zöblitz geplündert und angezündet, sowie dessen Bewohner in jeder Weise mißhandelt hatten, auch nach Marienberg. Es heißt hierüber: »Dieselbigen kamen vor das Annabergische Thor, wollen dasselbe aufhauen, gaben auch Feuer darauf. Da man sie aber mit Gottes Hilfe durch hinausgeworfene Steine abgetrieben, mußten sie weichen. Sie zündeten aber das Schießhaus an und die Hilligersche Scheune, da denn die Bürgerschaft in sehr großer Gefahr war.« Am ersten Osterfeiertage kehrten die Erbitterten in noch größerer Anzahl zurück, aber ein gleicher Steinhagel lehrte ihre verwundeten Köpfe, daß die Bürger hier fest wie ihre Steine wären. Einige Tage darauf wurde erneuter Sturm dadurch glücklich abgewehrt, daß die Bürger anstatt der Steine – Brot hinauswarfen.
Glücklich sollte das fast täglich in Angst und Schrecken gesetzte Marienberg am 10. August desselben Jahres wegkommen, als der schwedische Oberst Holck mit 250 Reitern und 200 Infanteristen Einlaß in die Stadt verlangte. Zagend öffnete man die Thore, und drohend ziehen die Schweden ein. Es fehlte Brot und Bier so ganz in der armen Stadt, und diese wilden Gäste verlangten doch so viel und drohten, die Stadt aufs äußerste zu quälen. Sie verteilen sich bereits in die Häuser, wo Jungfrauen und Kinder sich verkrochen haben und angst- und hungerbleich der Bürger die Räuber empfängt, die unter gräßlichen Verwünschungen Geld, Brot und Bier und was nicht alles, fordern. Da – ruft plötzlich die Trompete; die Soldaten stürzen auf den Markt vor; dieser füllt sich mit sächsischen Dragonern; ein wütendes Gemetzel beginnt; die Schweden ergeben sich; einzelne entfliehen; der Oberst mit mehreren Offizieren und Frauen[79] wird gefangen genommen, und es werden gegen 6000 Rthlr Wert erbeutet. Der sächsische Oberst Stritzky hatte der Stadt Rettung gebracht.
Nach Donat-Holzhaus.
Das schrecklichste Jahr war das Jahr 1639.
Sobald die Schweden Zwickau und Chemnitz genommen hatten, teilte Baner wie das ganze Land, also auch den Obererzgebirgischen Kreis unter seine Obersten und Regimenter. Das Amt Schwarzenberg und Amt Grünhain kamen unter Oberst Leßle. Da war kein Amt, Stadt, Flecken, Dorf oder Schloß im Gebirge, das nicht geplündert oder gebrandschatzt wurde, von Marienberg an im Gebirge hinunter bis an die Flöha und Olbernhau, ja gar nach Böhmen hinein.
Den 25. Februar kamen zwei Unteroffiziere vom Leßlischen Regiment. Einer, Barthel Moth, kam ins Amt Schwarzenberg, der teilte Sicherheitswachen aus. Das waren unberittene Reiter, die die Gemeinden mußten verpflegen und versehen mit Pferden und Roßzeug, Stiefeln, Kleidern, Röcken, Mänteln. Es wurde das ganze Amt gebrandschatzt um 6000 Thaler.
Der Leutnant Peter Kupfer legte sich aufs Schloß in Schlettau und plünderte das Amt Grünhain und was hineingehörte um 5000 Thaler, auch Schlettau, auf welches allein 1250 Thaler kamen, nahm viel an Geschmeide und auch den silbernen Schützenvogel, mitsamt den Schulden 80 Thaler wert. Das Vieh mußten die Schlettauer samt den Scheibenbergern nach Schwarzenberg treiben. Das Volk war arm, konnte nichts erwerben; daher konnten die Richter die Kriegssteuer nicht eintreiben und zur rechten Zeit abstatten.
Der Richter Hans Schwaner zu Walthersdorf war nicht zu finden, als die Boten Kupfers erschienen. Da wurde der Ort zum großen Teile niedergebrannt. Nichtsdestoweniger mußte das Dörflein seinen Teil abstatten, alle Wochen 14 Thaler und Nahrungsmittel ohne Gnade geben.
Das Städtchen Scheibenberg wollte der oben erwähnte Barthel Moth wegbrennen lassen; doch es wurde durch Bitten und Versprechungen der Bürger abgewendet. – Es fehlte wenig, daß das ganze Amt Wolkenstein von dem Obersten Höcking, der in Annaberg auf Vorwache lag, vernichtet worden wäre, weil dessen Vetter unterwegs von einer Rotte loser Burschen erschlagen worden war. Das kurfürstliche Vorwerk und die Schäferei zu Geringswalde, sowie der Försterhof zu Hilmersdorf, die Heinzebank genannt, waren bereits in Asche gelegt, da griff man einen der Burschen auf, einen der harmlosesten, der nur das Pferd des Ermordeten gehalten, prügelte ihn solange, bis er 21 Thaler und alle seine Sachen, die er im Felde versteckt hatte, herausgab, und lieferte ihn an den erzürnten Obersten ab. Dieser ließ ihn am 25. März vor dem Thore vom Henker enthaupten und seinen Kopf aufs Rad legen. Das Haupt eines Buckauers, der sich eines ähnlichen Vergehens schuldig gemacht haben sollte, wurde zur Warnung für andere vor dem Thore auf eine Stange gesteckt. Auch in Wiesa war ein Soldat erschlagen worden; da ließ der Oberst Höcking die Edelfrau, der das Dorf gehörte, in Annaberg einsperren, bis sie den Getöteten teuer bezahlte.
Aus dem gleichen Grunde wurden in Königswalde elf Güter samt dem Gerichte angezündet. Auch wurden im Dorfe Olbernhau an der Flöha Kirche, Pfarre, Schule, Försterhof und viele Bauernhäuser niedergebrannt.
Nachdem Baner im April die vereinigten Kaiserlichen und Kursachsen bei Chemnitz geschlagen, wobei fast das ganze sächsische Heer aufgerieben worden[80] war, gingen die Drangsale im Gebirge aufs neue an. In Annaberg lag ein schwedischer Leutnant, Christian Zastro, ein Pommerischer von Adel, mit einer Sicherheitswache. Derselbe konnte es nicht hindern, daß eine Abteilung Schweden am Palmsonntage einfiel und vor ihrem Abzuge am nächsten Tage 3000 Thaler verpraßte. Als er acht Tage später, am dritten Ostertage, den 16. April, 250 Mann vom Regimente Königsmark, welche durch das Wolkensteiner Thor einfallen wollten, nicht in die Stadt einließ, zündeten sie Veit Wolfens Vorwerk an, schossen dessen Sohn, sowie den eines anderen Bürgers, Kaspar Enderlein, die zum Löschen herbeieilten, nieder und stifteten noch sonst viel Unglück.
Zöblitz war am Gründonnerstage ganz ausgeplündert worden, und am Karfreitage brannten es gar 500 Reiter weg. Da wurde auch von Baners Scharen das Schloß Niederlauterstein bei Zöblitz an der Pockau von drei schwedischen Reitern in Brand gesteckt und von seinen Bewohnern verlassen.
Vor Marienberg erschien ein Trupp nach dem andern und begehrte Einlaß, sodaß die Sicherheitswachen kaum Steine genug hatten, um die Zudringlichen zurückzutreiben. Friedens halber mußte man ihnen Brot und Bier hinausschicken. Lößnitz und Aue wurden wiederholt geplündert. Am 19. April wurden die Leßlischen Offiziere samt den Sicherheitswachen abgefordert. Die Durchzüge der schwedischen Regimenter nach Böhmen und ihre Kämpfe dauerten bis August. Den 23. Mai wurden vier Regimenter unter den Obersten und dem Herzoge von Holstein in Annaberg untergebracht, die es so arg gemacht als auf dem Lande, also daß mancher arme Landmann im Gebirge nicht einen Löffel wiedergefunden, und viele feine Bürger mußten nach dem lieben Brot gehen, weil es sehr teuer war und doch nichts zu erwerben war.
Baner ließ nach dem ausgesogenen Böhmen Vorräte aus Sachsen herbeischaffen. Ein solcher Vorratszug war unter starker Bedeckung am 19. August abends um 5 Uhr von Chemnitz aus in Marienberg eingetroffen. Da erschien plötzlich der kurfürstliche Befehlshaber von Freiberg, Florian Stritzky, mit vier Kompanien Dragonern und einer starken Reiterabteilung aus Dresden, drang durch drei Thore in die Stadt ein und fiel über die vom langen Marsche ermüdeten Schweden her.
Ein Major und acht Soldaten wurden erschossen, der gefürchtete Oberst Höcking, vier Oberstleutnants, sieben Rittmeister, vier Hauptleute, zwei Reiterfähnriche, zwei Fähnriche, viele Unteroffiziere und Mannschaften gefangen genommen und samt ihrem Vorrate, ihren Weibern und Sachen nach Freiberg abgeführt. Auch der Leutnant Zastro mit seinem eigenen Schatze und 20 000 Thalern Kriegskosten, die er für seinen Obersten Leßli eingetrieben hatte, befand sich unter den Gefangenen. Viele Bürger von Annaberg, welche sich dem Obersten Höcking angeschlossen hatten, um in dem schwedischen Lager ihre Waren zu verhandeln, kamen bei dieser Gelegenheit ebenfalls um das Ihrige. Es wurde ihnen alles als schwedische Beute mit abgenommen.
Seit Gustav Adolfs Tode völlig im Kriege verwildert, brachen die Schweden 1639 über das Erzgebirge in Böhmen ein und warfen Feuer in jeden Ort, sodaß das Egerland vom Gebirge aus einem riesigen Flammenmeere glich. Vor den Unholden waren die Bewohner des Gebirges wieder in die Wälder geflüchtet. Auf dem Bärensteine war ein Wächter bei einer hohen Stange. Nahte von irgend einer Seite ein Feind, so warf er seine Stange um. Das war das verabredete Zeichen, auf das sich alle ins Dickicht warfen. 1640 wurden die Schweden wieder nach Sachsen getrieben. Sie[81] deckten den Rückzug für ihre Geschütze und ihre Beute in den Pässen auf dem Gebirgskamme. Auf diesem Rückzuge wohnte Baner in Annaberg. Schon im nächsten Jahre erschien er wieder, verfolgt von den Sachsen. Wie durch ein Wunder entkam er auf Eilmärschen. Sein verschanztes Lager hielt die Kaiserlichen lange auf. Endlich steckte er es in Brand und vernichtete seine 500 Vorratswagen. Nachzügler zündeten Hassenstein, Preßnitz, den Weiperter Grund an. 1643 gingen 600 Reiter Torstensons durch die Pässe nach Kaden. 1644 waren Pässe und Schanzen in den Händen der Kaiserlichen. Im Herbste stand Torstenson davor und erzwang im Januar 1645 den Durchbruch nach Böhmen.
Christian Lehmann erzählt, daß die Befreiung Freibergs von den Schweden zu Neujahr 1643 in Elterlein einem Mädchen, das sich vor den schwedischen Einfällen sehr geängstigt hat, im Traume sei geoffenbaret worden. Sie hat im Traume gesehen, daß zwar Torstenson die Stadt an einer Kette hatte; aber es kam ein vornehmer Reiter mit einem bloßen Schwerte geritten, der hieb die Kette mit einem Streiche entzwei, daß der Torstenson mit der halben Kette zurückfiel. Darüber sind seine Soldaten erschrocken und ausgerissen.
Nach sieben Wochen ging der Traum in Erfüllung, und der Feind mußte abziehen.
Die Greuel nahmen im Gebirge erst ein Ende, als 1645 der Kurfürst mit den Schweden den Waffenstillstand zu Kötzschenbroda schloß.
Nach Chr. Lehmann, Dr. Pöschel und P. Schultze.
Im Herbste 1640 mußte eine Beerdigung bis Sonntag Estomihi, also Ende Februar, 1641 verschoben werden. Als am 18. Januar 1640 Georg Ottens 84jährige Witwe begraben wurde, lief, nachdem die Einleitung der Predigt vorüber war und soeben zur Erklärung geschritten werden sollte, die Nachricht ein, es seien Banersche Reiter mit etlichem Vieh in der Nähe. Alle eilen aus der Kirche. Man bringt schnell den Leichnam ins Ruhekämmerlein. Die Predigt ist nachher am Sonntage Estomihi gehalten worden. Am 24. Januar ist ein 74jähriger Greis von Cranzahl von den Soldaten des Schwedengenerals Königsmarck, die hier, in Crottendorf, Neudorf, Weipert, der Sehma und diesem Gebirge herum drei Tage und Nächte in Quartier gelegen, im Walde ertappt und so mißhandelt worden, daß er am 30. desselben Monats starb und am 1. Februar in des Pfarrers Abwesenheit, der sich verborgen halten mußte, zugleich mit noch einem 78jährigen Manne mit Sang und Klang beerdigt ward. Beiden ist am Sonntage Invocavit die Predigt gehalten worden. Den 28. Februar fielen gegen Sonnenuntergang etliche Banersche Reiter so plötzlich ein, daß die meisten es nicht gewahr wurden, bis schon das Pfarrvieh auf den Platz bei der Brücke getrieben war. Daher war niemand entwichen und weder Kuh noch Pferd, noch Samengetreide in Wälder geborgen. Als nun diese Reiter fast alle Ställe geplündert, kamen sie auch zu Kaspar Schmiedel, der sich seine zwei Pferde und Kühe nicht nehmen lassen wollte, aber von ihnen mit einem Hammer so auf den Arm geschlagen wurde, daß er ihn wenig mehr würde haben gebrauchen können; sie hätten ihn auch erschossen, wenn das Gewehr nicht versagt hätte. Als nun diese Horden das Vieh zusammengeraubt hatten, trieben sie es nach Preßnitz zu. Um es auszulösen, liefen viele bis nach Preßnitz nach. Da aber die Reiter weiterziehen und die Nacht anbricht, bleiben sie dort. Nur Kaspar Schmiedel und Jakob[82] Gruner laufen bis nach Brunnersdorf. Da haben sich aber etliche böhmische Bauern in einem Verstecke zusammengerottet und schießen auf die Reiter. Ein Trupp eilt auf die Seite, zu erspähen, woher die Schüsse fallen, und wird unserer Ortskinder gewahr. Sie eilen auf sie zu und fragen, wo sie das Rohr hätten? Als sie sich aber entschuldigen, sie hätten nicht geschossen, sondern wollten das Vieh von ihnen einlösen, glaubten es die Reiter nicht, und flugs schießt einer auf Schmiedel, der, ins Herz getroffen, tot niedersinkt. Auf Gruner aber, den Sohn des 1634 erschossenen Martin Gruner, schoß ein zweiter Reiter, fehlte ihn jedoch; aber der Reiter stieg vom Pferde, schlug ihn auf den rechten Arm, daß derselbe fast herunter war, und stach ihn dermaßen in die Seite, daß er auch starb. Sie blieben am Wege liegen. Geschehen war's nachts zwischen 12 und 1 Uhr. Am Morgen, einem Sonnabende, wurden sie von den in Preßnitz Zurückgebliebenen gefunden, auf einen Schlitten aufgebahrt und am Sonntag Reminiscere früh nach Hause gebracht. Welch Reminiscere! Montag, den 2. März, hat man sie christlich und ehrlich vor überaus großem Zudrange Einheimischer und Auswärtiger mit Predigt bestattet. Schmiedel war 33, Gruner 30 Jahre alt.
Nach P. Schultze.
Am 23. Februar 1646 lief der Waffenstillstand zwischen Kursachsen und den Schweden zu Ende. Da kam General Wrangel mit 20 Regimentern über den Preßnitzer Paß und hatte das Hauptlager in Schlettau bezogen. Der linke Flügel lag im Felde und im Grunde bei den Teichen. Da standen viele Oberste zu Roß und Fuß bei einem frischen Brünnlein, zogen ihre silbernen und vergoldeten Becher heraus, schöpften Wasser, löschten den Durst auf das Annaberger Bier. Sie lobten dabei das gute, gesunde Wasser viel höher als Bier. Der Brunnen heißt der süße Kühl- und Löschbrunnen.
An der Straße, die von Schlettau nach Scheibenberg führt, stand früher ein altes, stark verwittertes Steinkreuz. Dasselbe soll die Stelle bezeichnen, an welcher im Dreißigjährigen Kriege ein schwedischer Offizier begraben wurde.
Nach Dr. Köhler.
Im Jahre 1620 waren 250 Menschen in einem Stollen am Wolfssteine bei Cranzahl verborgen. Die Wohnungen, die man während des Krieges in den Wäldern aufschlug, konnten nur ganz dürftige sein und boten daher wenig Schutz gegen die Witterung. Häufig benutzte man auch gleich natürliche Tannenzelte, wie man sie von ästereichen oder ineinander verwachsenen Bäumen gebildet fand. Wenn nun ein Sturmwind kam mit Sausen und Brausen und mächtige Stämme rings um die Geflüchteten zu Boden geschlagen wurden, da mußten die Flüchtigen jeden Augenblick darauf gefaßt sein, von den stürzenden Bäumen zerschmettert zu werden. Am 14. Oktober 1630 wütete ein furchtbarer Sturm. Da erwies der gütige Gott seinen allgewaltigen Schutz an flüchtigen Gebirgern. 21 Personen hatten ihre Hütten unter eine dicke Tanne gebaut. Sie fielen unter dem Heulen des Sturmes auf ihre Knie und beteten. Um 9 Uhr warf der Wind eine zweiklafterige Tanne auf ihr Obdach. Diese blieb aber eine Elle hoch über ihrer Hütte am Baume lehnen, und die andächtigen Flüchtlinge kamen alle mit dem Leben davon.
Das Elend der in die Wälder Geflüchteten war, wenn größere feindliche[83] Scharen ihren Aufenthalt ausgespürt hatten, überaus schrecklich. Im Walde wurden Betstunden und Predigten von den Priestern gehalten, auf Baumstümpfen die unter so traurigen Umständen geborenen Kinder getauft; sogar Eheschließungen fanden statt. 1639 ist am 8. April im Walde bei Cranzahl, wo sich auch Wölfe und Bären so mehrten, daß sie in Rudeln von 10 bis 20 den Soldaten nachliefen, um die Überreste vom geschlachteten Vieh zu verschlingen, in dieser rauhen Jahreszeit ein Kind getauft worden. Ähnliches wird auch von andern Gegenden berichtet. Als die Bewohner von Rabenau in die nahen Waldungen flüchteten, hielten sie auch Gottesdienste im Freien ab. Es heißt der Felsen, von dem herab die Pfarrer predigten, noch jetzt der Predigtstuhl oder die Kanzel. Im Gebirge hörte alle Gerechtigkeit, Andacht auf, und aller Gottesdienst verfiel. In Scheibenberg ist in 10 Wochen keine Beichte gewesen. Auch sind wenig Predigten verrichtet worden wegen der Unsicherheit vor den Feinden. Alles Volk hatte sich verlaufen.
Ebenso wurde für die leiblichen Bedürfnisse gesorgt, so gut es ging. Wie als Taufsteine, so mußten die Baumstöcke auch als Verkaufstische für Fleischer und Brotträger dienen. Der Markt mit den Nahrungsmitteln fand also im Walde statt.
Der Scheibenberger Pfarrer Chr. Lehmann erzählt sehr eingehend von den Drangsalen des Krieges. Er sagt unter anderem: »Ich habe mit meinen Augen gesehen, daß im Jahre 1640, da die Schweden die Gottesgaber Wälder plünderten, einem vermögenden Handelsmanne nachjagten. Der ist in einen stehenden, hohlen Baum gekrochen. Sein Weib hat die Öffnung mit Moos artig verdeckt, damit er sicher bliebe. Mein Priesterrock ist sechs Wochen lang in einem hohlen Baume gesteckt. Um Steinbach und Wolkenstein wachsen viele Eschen, daraus Lanzenschäfte zur Kriegsrüstung acht und mehr Ellen lang gemacht wurden. Im Jahre 1633 fand der kaiserliche Oberst Brandstein in Preßnitz viel gesottenes Harz. Er ließ daraus viel Pechkränze machen und damit den Annabergern alle ihre Güter am Bärensteine wegbrennen.«
Eine halbe Meile über Satzungen an einem wilden, mit Kiefern bewachsenen rauhen Ort ist ins Gevierte 30 Schritt breit und lang ein Pfuhl mit rotem Moos bewachsen. Niemand soll sich früher gern allein an diesen Ort gewagt haben. Im dreißigjährigen Kriege sind aber die Leute auch dorthin geflohen, um sicher vor den Feinden zu sein. Doch haben sie daselbst von den Gespenstern des Sees manche Anfechtung erdulden müssen.
Nach Chr. Lehmann.
Während des Dreißigjährigen Krieges unterblieb das Bestellen der Felder oft gänzlich. Man warf den Samen gleich auf die Stoppeln aus und mußte ihn dort aus Furcht vor umherstreifenden feindlichen Abteilungen oft vier bis fünf Wochen lang uneingeeggt liegen lassen. Höchstens wagte man sich bei Nacht einmal an die Arbeit; dann spannten sich Männer und Weiber an die Eggen. Mit dem Vieh lagen sie am Tage im Walde. Häufig aber ersparten ihnen das Eggen, freilich auch das Einernten, die wilden Schweine, welche nachts in Haufen kamen und den Samen »aufleckten«. Zum Schutze gegen sie wurden die Zäune anderthalb Ellen hoch, fest und dicht gemacht; aber es half doch nichts. Brachen die Tiere einmal im Herbste in einen Acker ein, so verdarben sie in einer einzigen Nacht ein großes Stück.
Nach Chr. Lehmann.
Für Sachsen endigte im allgemeinen 1645 mit dem Waffenstillstande zu Kötzschenbroda die persönliche Gefahr der Einwohner, sowie Raub und Brand. Dagegen sah das sächsische Hochland noch an mehreren Orten die früheren Greuel erneuert, indem die Schweden, die in Böhmen hausten, die Flüchtlinge oft bis nach Sachsen verfolgten. Annaberg, das mit seiner Umgebung seit 1632 fort und fort alljährlich teils von kaiserlichen, teils von schwedischen Heerhaufen vielfach gelitten, hatte in dieser ganzen Zeit des Waffenstillstandes eine sächsische Besatzung. Eine Abteilung derselben traf am 15. Januar 1648 auf eine kaiserliche Streifhorde bei dem Städtchen Thum, wo sofort ein hitziges Reitergefecht entstand, weil man vergeblich die Kaiserlichen für Schweden hielt. Die Leichen der Gefallenen blieben längere Zeit liegen und davon heißt noch heute der Wiesengrund zwischen Thum und Herold »Das Elend«. Dies war der letzte Kampf des Dreißigjährigen Krieges auf sächsischem Boden. Zum Andenken daran hat man an der Straße von Thum nach Ehrenfriedersdorf im Jahre 1848 eine Spitzsäule mit Inschrift errichtet.
Nach Dr. Spieß.
Wie es am Ende des Krieges in Sachsen und fast in jedem Orte desselben aussah, schildert ein Zeitgenosse jenes Elends in folgender ergreifenden Weise: »Ihr wisset, wie über Euch fliegende Drachen, zerreißende Bären und Löwen gekommen sind, die Eure Städte ausgebrannt, Eure Ernten, Ochsen und Schafe vor Euren Augen verzehrt, viele Tausende Bürger und Bauern zu Tode gemartert und so barbarisch gehaust haben, daß aller Menschen Sinne es nicht begreifen können. Wie jämmerlich stehen Eure Städte und Flecken; da liegen sie verbrannt, zerstört, daß weder Dach, Gesperr, Thüren oder Fenster zu sehen sind. Man wandert oft zehn Meilen und sieht nicht einen Menschen, nicht ein Vieh, nicht einen Sperling. In allen Dörfern sind die Häuser voller Leichname, Mann, Weib, Kinder, Gesinde, Pferde, Schweine, Kühe und Ochsen, neben und unter einander von Pest und Hunger erwürgt, voller Maden und Würmer und von Wölfen, Hunden und Krähen zerfressen, weil niemand ist, der sie begraben hat. Ihr wisset, wie Lebendige sich unter einander in Kellern und Winkeln zerrissen, totgeschlagen und gegessen haben; daß Eltern ihre toten Kinder, und Kinder ihre toten Eltern gegessen, daß viele um einen toten Hund oder eine Katze gebettelt und das Aas aus den Schindergruben genommen und verzehret haben.«
Zehn Jahre nach Beendigung des Krieges schrieb der Rat der Stadt Buchholz: »Dieses offene Städtlein ist bei dem verderblichen Kriegswesen durch vielfältige Einfälle, Ausplünderung, Durchzüge, Einquartierung, hohe und schwere Kriegskosten und Auflagen gänzlich verderbt und ruiniert worden, also, daß öfters in keinem Hause ein Schloß, Band, Fenster, Ofen und anderer Hausrat gelassen, sondern alles weggenommen, eingeschlagen und verbrannt, ja auch eine große Anzahl Häuser und öffentliche Gebäude ganz und gar verwüstet und eingerissen worden, sodaß sie noch jetzt öde und wüste liegen.«
Auch sind im Dreißigjährigen Kriege im Erzgebirge manche Orte von Grund aus zerstört worden und als wüste Marken liegen geblieben. Westlich vom Morgenberge bei Neudorf an der Sehma kamen die Waldarbeiter nach einem Orte im Walde, wo früher ein Dorf mit Namen Eibendorf gestanden[85] hat, das in jener Zeit zerstört worden sein soll. Ein nach Frankenstein gepfarrtes Dorf Ailitz soll vor dem Kriege zwischen Frankenstein, Memmendorf und Hartha gestanden haben. Ebenso bezeichnet man unterhalb Wingendorf eine Stelle am Kemnitzbache als diejenige, wo das Dorf Kuhren zerstört worden ist. Zwischen dem Städtchen Bärenstein und den Dörfern Falkenhain und Jahnsbach lag einst das Dorf Greifenbach. Ebenso liegt zwischen Bärenstein und Börnichen die Wüstung des Dorfes Elend.
Nach dem Dreißigjährigen Kriege trieben sich in den Wäldern, wie anderwärts so auch in Scharfenstein Räuber und Wildschützen umher, welche entlassene Söldlinge waren, denen das wüste Leben nun Gewohnheit war. Ein Herr von Einsiedel, welchem Scharfenstein gehörte, beschloß, den Wildschützen mit aller Macht nachzugehen, um sein Gebiet von ihnen zu säubern. Es gelang ihm endlich, zwei derselben gefangen zu nehmen. Es gab damals noch eine furchtbare Strafe für die auf der That ertappten Wilddiebe: das Hirschreiten. Der Schloßherr hatte einen starken, lebenden Hirsch einfangen lassen. Die Diebe sollten auf ihn gebunden werden. Das war einem zehnfachen Tode gleich zu achten. Man hatte Beispiele, daß nach Tagen und Wochen die geängstigten Tiere ihre schreckliche Last zerfleischt und doch noch lebend mit sich herumschleppten. Die Missethäter flehten da inständig um Gnade. Die soll ihnen gewährt worden sein, weil sie versprochen haben, in drei Tagen und Nächten einen Stollen durch die Felsenrippe am Fuße des Schloßberges zu treiben, damit das Zschopauwasser mit viel Fall eine Mühle treiben könne.
Nach Holzhaus, Dr. Spieß und Dr. Köhler.
Die Kriege und Durchmärsche, die in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts verheerend über das Kurfürstentum Sachsen gingen, erstreckten auch auf die Stadt Geyer ihre niederschlagenden Wirkungen, wovon sich vereinzelte Nachrichten auch in den Akten erhalten haben. Zum Jahre 1701 bringt Meltzer die Nachricht, daß ansteckende Krankheiten durch dänische Soldaten nach Annaberg wie auch Geyer getragen seien. Im Jahre 1706 wurde eine Kompanie Schweden nach Geyer gelegt, deren Feldprediger am Freitage und Sonntage in der Hospitalkirche und am Weihnachtsfeste der Schweden in der Hauptkirche predigte. Ein schwedischer Fähnrich, Israel Hall, wurde im Jahre 1707 in der Halle dieser Kirche begraben.
Am 23. Mai 1707 hielten die Büchsenschützen zu Geyer zu den gewöhnlichen Übungen ihren Auszug, wobei auch ein schwedischer Feldwebel, N. Topf, Sohn des in Buchholz einquartierten Leutnants, mit schoß und das Unglück hatte, einen unvorsichtigen Knaben zu treffen. Vor Schrecken fiel er in Ohnmacht; doch zeigte sich die Verwundung als nicht tödlich, da die Kugel durch den hohlen Leib gegangen war. Am 23. August desselben Jahres zogen die Schweden wieder ab. Am 30. August bat der Rat in einer besonderen Bittschrift um Wiedererstattung der von den Schweden aus der Geleitskasse mitgenommenen 13 fl 16 Gr oder um einen Nachlaß an dem Geleits- und Gerichtspachtgeld, wurde aber mit solchem Ansuchen gänzlich ab und zur Ruhe verwiesen. Da der Rat aber in seinen Bitten nicht nachließ, erhielt er im Jahre 1709 die Erlaubnis, diese Summe, die er beschwören mußte, bei der Bezahlung des Pachtgeldes in Anrechnung zu bringen.
Von Tannenberg wird aus jener Zeit berichtet, daß am 27. November[86] 1706 an 25 schwedische Soldaten mit einem Leutnant, einem Feldwebel und einem Fahnenjunker einquartiert wurden. Dieselben haben alle Tage zweimal Betstunden gehabt. Zu Weihnachten und am neuen Jahre 1707 haben schwedische Feldprediger in der Tannenberger Kirche Predigt gehalten. Nach Lichtmeß, den 4. Februar, 1707 hat sich ein schwedischer Student in derselben Kirche als künftiger Feldprediger hören lassen. Es haben zu dieser Zeit auf einmal »über die 400 Schweden und mehr in der kleinen Kirche« Gottesdienst gehabt. »Das schwedische Volk ist von hier aus dem Lande wieder weggekommen am 23. August 1707.«
Außer den genannten Orten Annaberg, Geyer und Tannenberg hatten auch Schneeberg, Wolkenstein, Marienberg und andere Städte des Gebirges ebenfalls schwedische Besatzung. Bis zum Sommer 1707 blieben die Schweden im Lande. Trotz des Altranstädter Friedens vom 24. September 1706 ruhte die Hand des Schwedenkönigs, Karls XII., schwer auf Sachsen. Die Schweden lagen in allen Städten. Sie hielten zwar strenge Manneszucht, mußten aber von den hart gedrückten Einwohnern beköstigt und gekleidet werden.
Die gesamten Kosten dieser schwedischen Besatzungen in Sachsen werden auf 23 Millionen Thaler berechnet, und lange seufzten unsere Vorfahren über diese neue »Schwedenangst«. Endlich im August 1707 verließen die Schweden neugekleidet und wohlgenährt Sachsen, um gegen Peter den Großen von Rußland zu ziehen. Dort wurden sie im Jahre 1709 bei Pultawa geschlagen. Der größte Teil fiel, ein anderer wurde nach Sibirien geschickt und sehnte sich vergebens nach den Fleischtöpfen Sachsens und den warmen Öfen des Erzgebirges zurück. Sie konnten recht deutlich die Unwahrheit der Bezeichnung des Erzgebirges als »sächsisches Sibirien« an sich erleben.
Die Schweden waren im September 1706 in einer Stärke von 19 000 Mann nicht im besten Zustande nach Sachsen gekommen. Viele Sachsen, auch Erzgebirger, wurden dem schwedischen Heere einverleibt, sodaß das schwedische Heer 32 000 Mann stark, neugekleidet und wohlgerüstet, das Land verließ.
Nach Dr. Falke, Zippert, Dr. Spieß.
Zehn Jahre des tiefsten Friedens waren seit dem zweiten Schlesischen Kriege vergangen. Da brach plötzlich der König von Preußen 1756 auf drei Punkten in Sachsen ein. Österreich und Rußland hatten ein Schutz- und Trutzbündnis gegen Preußen geschlossen und sich alle Mühe gegeben, den König von Polen und König von Sachsen mit in dies Bündnis zu ziehen. August weigerte sich, demselben beizutreten. Friedrich legte die Unterhandlungen, die ihm durch den bestochenen Vaterlandsverräter Menzel bekannt geworden waren, für eine Verschwörung zu seinem Untergange aus und begann sofort den Krieg.
Torgau wurde auf Befehl des preußischen Königs befestigt und daselbst eine preußische Behörde eingesetzt, an welche alle Einkünfte aus den besetzten sächsischen Landesteilen abgeliefert werden mußten.
Die Preußen waren bereits im September 1756 bis Chemnitz vorgerückt und begannen von da aus Anforderungen zu machen und Lieferungen auszuschreiben im ganzen Gebirge, daß den Ortschaften, denen noch kein feindlicher[87] Krieger zu Gesicht gekommen war, das Dasein feindlicher Soldaten mehr als zu sehr fühlbar wurde. Für sich durften übrigens die Preußen nicht wirtschaften, sondern mußten ausgezeichnet gute Manneszucht halten.
Die erste Lieferung, welche nach dem Einrücken der Preußen in Chemnitz im ganzen Erzgebirge ausgeschrieben wurde, bestand darin, daß jede Hufe im Gebirge täglich liefern mußte: 6 Pfund Brot, 3 Pfund Fleisch, 3 Kannen Bier, 12 Pfund Hafer, 13 Pfund Heu, 3 Metzen Häckerling und 20 Pfund Stroh. Es wurden bald Lieferanten angestellt, ein Hauptlieferant und ein Aufkäufer für das Gebirge verordnet. Anfänglich wurde zwar alles bezahlt, aber im Monate Oktober mußte alles unentgeltlich in das zu Freiberg für die Preußen errichtete Vorratslager abgeliefert werden.
Die 16 000 Mann Sachsen, welche unter die preußischen Regimenter gesteckt worden waren, entliefen scharenweise dem aufgedrungenen, widernatürlichen Joche. Da gab der preußische König Befehl, daß die sächsischen Landstände 10 000 Rekruten für das Heer schaffen sollten. Am 23. November rückten 100 preußische Husaren nach Schneeberg ins Winterquartier. Am 25. desselben Monats wurden in aller Stille alle ledigen Männer von 18 bis 30 Jahren aufgeschrieben und am 30. November nachts aus den Betten geholt und zur Aushebung abgeführt. Man kaufte in Städten und in Dörfern, man fing sich gegenseitig die Leute weg. Es entstanden tausenderlei Beschwerden und Feindschaften. Wenn aber ein Ort mit seinen Rekruten in Rest blieb, so drangen Abteilungen preußischer Krieger ein und griffen schonungslos auf, wen sie tauglich fanden, nicht achtend, ob er Familienvater oder durch seine bürgerliche Stellung vom Soldatendienste frei sei. Um das häufige Ausreißen zu verhindern, erging aus dem zu Torgau errichteten Kriegs-Direktorium der Befehl, daß kein Sachse, welcher vom Regiment gewichen sei, in seiner Heimat geduldet, sondern an den nächsten preußischen Truppenteil abgeliefert werden solle. Wer einen solchen Flüchtigen verberge oder ihm zur Flucht behilflich sei, sollte selbst als ein Ausreißer behandelt werden. Dagegen sollten alle, welche sich freiwillig wieder stellten, Begnadigung erhalten.
Ungestört vom Feinde blieb von der 146 157 Mann starken preußischen Armee der größte Teil während des Winters in Sachsen stehen. Wenn wir hören, daß zu ihrer Erhaltung monatlich 911 080 Thaler nötig waren, so kann man sich denken, welche Kosten unserem Vaterlande entstanden.
Vorzüglich konnte es nicht fehlen, daß Lebensmittel aller Art im Preise stiegen, besonders im Erzgebirge, da aus Böhmen nichts heraus durfte. Als die preußischen Husaren im November in Schneeberg zum Winteraufenthalt einrückten, kostete ein Brot bereits 4 Groschen.
1757 im Frühlinge begann das preußische Heer zum Teil durch das Erzgebirge in Böhmen einzubrechen. Kleinere Abteilungen blieben zur Eintreibung der Lieferungen zurück. Allein nach der Schlacht von Kolin verfolgten die Österreicher ihre fliehenden Gegner nach Sachsen. Das Gebirge bekam nun plötzlich auch einzelne Heeresteile seiner Freunde und Beschützer zu Gesicht, die aber wie die eigentlichen Feinde schalteten und walteten. Bei den Preußen[88] war lobenswerte Manneszucht. Bei den Österreichern ging das aber anders. Da waren die Husaren, Kroaten und Panduren noch ganz so wie in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges. Rauben und Plündern bei Freund und Feind blieb diesen immer die Hauptsache.
Doch im August bemächtigte sich Friedrich wieder des Gebirges. In Schneeberg verordnete er am 2. Januar, daß sich die sächsischen Stände am 14. Januar in Leipzig einfinden sollten bei 1000 Dukaten Strafe, wer nicht erscheine. Das Ergebnis war: Sachsen mußte sofort 6000 Rekruten, 600 Artillerieknechte, 1200 Pferde schaffen und Kriegskosten bezahlen. Auf den erzgebirgischen Kreis kam davon: 286 875 Thaler 17 Groschen, 800 Rekruten, 67 Artillerieknechte und 150 Pferde, was an den Feldmarschall von Keith nach Chemnitz abgeliefert werden mußte. Als die Rekruteneinführung begann, nahmen die Preußen nur die tüchtigsten Leute und Männer von ansehnlicher Größe.
Nach der Niederlage bei Hochkirch 1758 drangen die Österreicher und die Reichsarmee zugleich in Sachsen ein. Ende November beherrschte es aber doch wieder Friedrich. Am 20. November wurde ein Befehl erlassen, daß 800 Wagen vom erzgebirgischen Kreis nach Chemnitz für die Preußen geliefert werden sollten. Oft trafen auch von beiden Seiten Befehle zum Liefern zugleich ein. Wenn mit unsäglicher Mühe die Gemeinden das Verlangte zusammengewürgt hatten und es an den bestimmten Ort abliefern wollten, da überkam sie gar oftmals unterwegs der Gegner von dem, für den die Lieferung bestimmt war, und nahm alles als gute Beute oder ließ sich vielleicht durch ein ziemliches Lösegeld abfinden.
Preußen, Österreicher und das Reichsheer belästigten auch 1759 unsere Gegend. Friedrichs Bruder, Heinrich, lag in Sachsen. Dies erzeugte eine Reihe von Durchzügen, die den armen Gebirgern namentlich große Beschwerung brachten, da der österreichische General Daun mit 30 000 Mann durch das Gebirge von Böhmen aus in Sachsen einzubrechen drohte. Am 1. Mai mußte der erzgebirgische Kreis 300 Wagen nach Chemnitz und Zwickau stellen, auf jedem Wagen 12 Säcke.
Am Sonntage Exaudi, den 27. Mai, stießen Österreicher und Preußen aufeinander. Der preußische Oberst von Wolfersdorf trieb die Österreicher, Husaren und Kroaten, unter Generalmajor von Brentano, aus Aue heraus. Den Kaiserlichen mußten die Lebensmittel auf Schiebkarren nachgefahren werden, weil die wenigen noch vorhandenen Wagen zum Fortschaffen der Verwundeten verwendet werden mußten. Das ist die sogenannte Auer Schlacht.
Auch das Jahr 1760 brachte dem Gebirge eine Menge Drangsale. Die Neigung des Volkes war für die an Manneszucht gewöhnten Preußen. Zu Anfange des Jahres 1761 waren die Kaiserlichen von den Preußen ganz aus dem Erzgebirge bis an die böhmische Grenze zurückgedrängt. Die Preußen stellten jetzt viel ärgere Forderungen als früher. Zwickau mußte 18 000, Annaberg 16 000, Schneeberg 16 600, Aue 3000 Thaler Brandschatzung geben. Einquartierungen und alle anderen Steuern und Abgaben waren noch[89] außerdem zu leisten. Die Preußen verfuhren mit einer Strenge, wie man sie nicht von ihnen gewohnt war. Mord und Brand waren sofort die Losung, wenn das Geforderte nicht geschafft werden konnte. Im Mai kamen die Kaiserlichen wieder, die sich als Retter geehrt wissen wollten.
Im Juli 1762 hatten aber die Preußen unter dem General Kleist schon wieder bei Zwickau ein Lager aufgeschlagen. Die Kaiserlichen zogen sich zurück, ohne den Angriff abzuwarten.
Die Kriege zwischen Österreich und Preußen drückten mit Einquartierungen und Kosten schwer auch auf Geyer und schlugen die Nahrung der Stadt vollends nieder. In einer Urkunde von 1762 bekannte der Stadtrichter Christian Porges mit den Ratsherren, Viertelsmeistern und einem Bürgerausschusse, daß die Gemeinde, um die von den Preußen auferlegte Brandschatzung von 6000 Thalern, die in 3 Teilen von 8 zu 8 Tagen gezahlt werden sollte, aufzubringen, von Hofrat Karl Friedrich Trier, Oberhofgerichtsassessor in Leipzig, 6000 Thaler aufgenommen habe, unter der Bedingung, daß die anderen 3000 Thaler durch jährliche Lieferung von 100 Schragen Holz, jeder Schragen drei Ellen hoch und neun Ellen breit, an das Geyersche Vitriol- und Schwefelwerk vom Jahre 1763 an verzinst und abgezahlt werden sollten. Schon im folgenden Jahre fand eine neue Anleihe statt. Ein Eintrag vom 15. Januar 1763 berichtet, daß die Preußen binnen wenigen Tagen wieder eine Summe von 6265 Thalern verlangt hätten; um dieses Geld aufzubringen, hätten sich die Bürger insgesamt verbindlich gemacht, alle bei währenden Kriegsdrangsalen erborgten und zu erborgenden Gelder samt Zinsen künftig aus eigenen Mitteln und Vermögen wieder zu bezahlen, insoweit solches nicht durch Holz, Stöcke und Kohlen geschehen könnte. Dieser öffentlichen Verpflichtung der gesamten Bürgerschaft folgte, um der gedrohten Ausplünderung zu entgehen, am 19. Januar 1763 das Bekenntnis einer neuen Anleihe von 2000 Thalern bei Hofrat Trier mit 112 Thaler Zinsen, die durch Lieferung von Stöcken an das Vitriolwerk bezahlt werden sollten. Dieser Urkunde folgte am 3. Februar das Bekenntnis der Gemeinde über eine Gesamtschuld von 10 000 Thaler bei Hofrat Trier mit dem Versprechen, die kurfürstliche Anerkennung binnen ¾ Jahr bei Personalarrest zu beschaffen. Die letzten 2000 Thaler waren infolge einer dritten Kriegsforderung von 3480 Thaler unter denselben Bedingungen aufgenommen worden.
Im Juli 1762 ist ein preußischer Truppenteil unter Generalleutnant von Seydlitz, gegen 7000 Mann Kavallerie, Infanterie und Husaren, teils durch Tannenberg durchmarschiert, teils haben sie auf den Feldern gerastet. Das ganze Kriegsvolk marschierte durch den Pfarrhof und hat der damalige Geistliche 3 Schock Korn, ein Fuder Heu und 1½ Schragen Holz eingebüßt. Vom 28. Dezember 1762 bis zum 2. Februar 1763 hat eine Eskadron schwarzer Husaren unter Rittmeister Franz v. Sorini in Tannenberg und in Dörfel gelegen. Auch haben zu dieser Zeit zwölf Husaren in Tannenberg das heilige Abendmahl genommen. Von einem Husaren ist sogar ein Altartuch der Kirche verehrt worden.
Am 24. November 1762 schloß Friedrich II. mit den Österreichern einen Waffenstillstand, worauf ein Teil des Obergebirges in der Gewalt der Kaiserlichen blieb. Am Fastnachtstage, den 15. Februar 1763, kam endlich der ersehnte[90] Frieden zu Hubertusburg zustande. Auch in unserer Gegend hatte man Veranlassung, Gott in besonderer kirchlicher Feier zu danken.
Nach Karl Lehmann, Zippert und Dr. Falke.
Es war in einer stürmischen Nacht in der Zeit des Siebenjährigen Krieges, als in einem Hirtenhause zwischen Pichelberg und Thein bei Bleistadt Vater und Sohn vor einem Kienfeuer sitzend in einem lauten Gespräch begriffen waren. Dieses war besonders für letzteren unterhaltend, denn oft ließ der fünfzehnjährige Michel seine Hände, welche sich mit Kieferspäneschnitzen beschäftigten, sinken und hörte lange Zeit mit gespanntester Aufmerksamkeit auf das, was sein Vater, ein alter, verdienter Soldat, von seinen Feldzügen gegen den hartnäckigsten Feind Maria Theresias mit großem Eifer und gewisser Lebendigkeit zu erzählen wußte. Besonders heute war sein Mund gesprächiger als je; denn eine österreichische Truppenabteilung, bei deren Anblick sich des Alten Erinnerungen neu belebten und gestalteten, war seit wenigen Stunden an der Hütte vorbeimarschiert und lagerte sich für die Nacht eine kurze Strecke davon. Immer und immer wieder wurde Michel zu bewundernden Ausrufen hingerissen, und es wäre ihm am liebsten gewesen, wenn er gleich als Soldat mit Säbel und Gewehr hätte Bekanntschaft machen können.
»Aufgemacht!« schrie da plötzlich eine rauhe Stimme und begleitete den Befehl mit einem Kolbenschlage, der das Fenster zertrümmert in die Stube warf. »Heraus mit Euch, oder das Feuer wird schnelle Beine machen!«
Auf seinem Stelzfuß hinausgehumpelt, sah sich der alte Soldat einem Haufen preußischen Fußvolkes gegenüber, dessen Anführer von ihm zu erfahren wünschte, wenn die kaiserliche Truppe hier vorbeigezogen, wie stark sie sei und wo dieselbe liege. Der Alte erwiderte, daß er dieses alles nicht wisse, und weder Versprechungen, noch harte Drohungen und arge Mißhandlungen, welche Michel zum Widerstande bewogen, konnten den braven Mann veranlassen, zum Verräter zu werden, sodaß die Preußen diesen verschlossenen Leuten gegenüber einen anderen Weg einschlugen, um zum Ziele zu gelangen.
Zwei Mann mußten den alten Hirten bewachen, während Michel gezwungen wurde, den Weg zu zeigen. Man warf um seinen Leib einen Strick, dessen Ende der Befehlshaber selber in die Hand nahm, wobei er drohend und nachdrücklich sagte: »Du, Bursche, gehst links zwei Schritte neben mir und wirst weder husten, noch scharf auftreten. Zwei Mann mit gezogenen Säbeln gehen vier Schritte voraus, ebensoviele hinten und an den Seiten, die Mannschaft folgt sechs Schritte entfernt nach. Du führst uns den nächsten Weg zu dem Lager der Österreicher, und wenn irgend ein Wort meiner Befehle übertreten wird, so werden Dich meine Leute augenblicklich niederstoßen.« Der arme bedauernswerte Michel leistete anfangs mit stürmischem Herzpochen, was man von ihm verlangte; allmählich wurde er aber ruhiger, dachte nach und machte endlich den Versuch, die verhaßten Preußen irrezuführen, um die Soldaten seiner Kaiserin zu retten. Die Absicht wurde aber von dem Offizier bald gemerkt; denn dieser zog ihn an sich und zischelte dem Burschen ins Ohr: »Wenn wir in einer halben Stunde die Österreicher nicht haben, stirbst Du eines martervollen Todes.« Nun wußte Michel keinen Ausweg mehr und entschlossen bog er links in einen Hohlweg ein, der gerade auf das Lager der kaiserlichen Truppen führte. Die schwarze Nacht, die unheimliche Stille, das raubtierartige Gebaren seiner schlagfertigen Begleiter hatten etwas Fürchterliches, was im[91] Vereine mit den heute von seinem Vater erzählten Kriegserlebnissen seine Thatkraft zeitigte und den kühn gefaßten Entschluß zur Reife brachte. Plötzlich entdeckten die Vordermänner eine Schildwache, welche, als sie den Werdaruf geben wollte, lautlos zu Boden sank. Die Kaiserlichen mußten in der Nähe sein, weshalb der Führer sich wendete und ein leises Zeichen zum Stillstande gab. Diesen Augenblick benutzte der Bursche, sprang wie ein Luchs auf den Befehlshaber und, ihn am Halse fest umschlingend, schrie er aus allen Leibeskräften: »Auf! auf! die Preußen! Holla! die Feinde!« Der Heldenmütige blutete schon aus vielen Wunden, bevor der Todesstoß auf ewig seinen Mund verstummen machte, dessen Rufe die kaiserliche Mannschaft rettete und ihr über die durch den unverhofften Verrat betäubten Preußen einen leichten Sieg verschaffte.
Nach Joh. Böhm.
Unter dem Namen »Das Banner der Freiwilligen« sollte dem gebildeten Teile des sächsischen Volkes, wie in Preußen durch die Jägerkorps, Gelegenheit gegeben werden, seine Teilnahme an dem großen Werke der Befreiung Deutschlands werkthätig an den Tag zu legen. Der Ausschuß des Erzgebirgischen Kreises zur Landesbewaffnung erließ deshalb folgenden Aufruf:
»Das Vaterland erhebt sich zum heiligen Kampfe für Ehre, Recht und eine bessere Zeit, die mutig erzwungen werden muß. Wem noch ein deutsches Herz im Busen schlägt und wer den kräftigen, mutvollen Geist der Sachsen treu bewahrt hat im Drange der Ereignisse, der hört mit lauter Freude den Ruf der Ehre und des Vaterlandes. Schon strömen von allen Seiten mutige Jünglinge und Männer in die Reihen der Freiwilligen, und bald erhebt sich der Sachsen Banner in dichten Haufen der Edlen, Blut und Leben dem heiligen Kampfe weihend.
Biedere Bewohner des Erzgebirges! – stets brav und treu der Ehre und dem Vaterlande – eilt, den ersten Preis des mutigen Sinnes für die gerechte Sache zu gewinnen. Sorgt, daß der alte Ruhm des Biedersinns und der Vaterlandsliebe nicht unserem Kreise entrissen werde! Wer von Euch könnte es ertragen, einst sagen zu hören, daß die Söhne des Gebirges schmachvoll zurückgeblieben seien im großen Kampfe für die gute Sache? Was Ihr jetzt thut für diese, wie Ihr jetzt Euch zeigt vor den Augen der Völker, das entscheidet für Jahrhunderte hinaus über Eure Ehre, das Glück Eurer Enkel, den Ruhm unseres Kreises!
Und Ihr werdet – wir verbürgen das mit Stolz im voraus – kräftig und mutvoll Euch zeigen, werdet tapfere Beschützer des Rechts und willige Förderer der guten Sache sein; Ihr werdet ruhmvoll kämpfen oder, wenn die Umstände Euch diese Ehre versagen, eifrigst sorgen, daß das große Werk des Volkes durch jedes Hilfsmittel, durch willige Opfer, That, Kraft und warme Teilnahme mächtig gefördert und erleichtert werde.
Wir werden deshalb in den nächsten Tagen näher zu Euch reden. Um indes im voraus dem edlen Drange derer, die bereits freiwillige Beiträge zur Ausrüstung der unbemittelten Landesverteidiger bei uns gemeldet haben und noch melden wollen, zu begegnen, haben wir eine Kreiskasse zur Aufnahme[92] solcher Beiträge bestimmt und ein offenes Buch anlegen lassen, worin der Name und der Beitrag jedes edelmütigen Vaterlandsfreundes, der auf diese ehrenvolle Weise seinen Eifer für die gute Sache an den Tag legt, eingetragen wird. Diese schöne Liste soll öffentlich bekannt gemacht werden, damit das Vaterland die Förderer seiner Ehre und seiner Wohlfahrt kennen lerne. Diese Beiträge können hier unmittelbar oder durch die Bezirksämter gemeldet werden.
Ausschuß des Erzgebirgischen Kreises zur Landes-Bewaffnung.«
Das sächsische Banner sollte aus 5 Schwadronen Reiterei, 2 Regimentern Jäger, 1 Kompanie Sappeurs und aus einem verhältnismäßigen Artilleriekorps bestehen. Die Mitglieder des Banners erhielten den Rang eines Gefreiten, Befreiung von körperlicher Züchtigung und wurden mit »Sie« angeredet. Wer aus bürgerlichem Dienste in das Banner trat, behielt sein Amt und die Einkünfte desselben. Nach Beendigung des Krieges konnte jedes Banner in seine vorigen Verhältnisse zurücktreten. Jeder, der den Feldzug mitgemacht hatte, sollte bei seiner Beförderung im Dienste berücksichtigt werden. Die Freiwilligen des Banners mußten sich selbst kleiden, beritten machen und womöglich auch bewaffnen. Anfang Dezember war die Anzahl der Freiwilligen bereits auf 1500 gestiegen. Die angesehensten Männer traten in die Reihen der Gemeinen. Einer der ersten Freiwilligen war der Professor Krug in Leipzig, der das Jahr zuvor Rektor Magnifikus gewesen war. Ebenso folgte der Professor Dr. Tzschirner in Leipzig als Feldprobst.
Aus Schwarzenberg und dem Hammerwerke Erla traten 17 junge Männer zum Banner.
Aller Orten und Enden wurden zahllose Scharen von Rekruten geübt, um geschickt zu werden, an der feierlichst verkündigten und versprochenen Freiheit des deutschen Vaterlandes mit aller Macht kämpfen und arbeiten zu helfen. Das Erzgebirge blieb nicht zurück. Mehrere Abteilungen Landwehr bildeten sich auf den Bergen und in den Thälern desselben. Auch das Banner erhielt manchen Gebirger in seinen stattlichen Reihen. Das erste Bataillon des Banners empfing sogar eine Fahne von Schneeberg.
Nach Karl Lehmann.
Zu den Drangsalen durch den Feind gesellten sich die Verheerungen, welche die Pest über das ganze obere Gebirge brachte. Sie wütete besonders im August und September 1633 in Annaberg, Marienberg, Zöblitz, Altenberg, Zwickau und Umgegend. Annaberg hatte eine Menge der wegen Kriegsdrangsale flüchtigen Landleute nur eben aufgenommen, als fast gleichzeitig die Pest ihren grauenhaften Einzug hielt und in kürzester Zeit die meisten unglücklichen Flüchtlinge tötete. Ebenso wurden viele Bewohner der Stadt selbst von der Seuche erfaßt. Im August gab es in 140 Häusern Pestkranke. Es sind deshalb manchen Sonntag 385 Abendmahlsgäste in der Kirche gewesen, um noch Trost vor dem nahenden Tode zu suchen. Auch die meisten Schüler der Lateinschule wurden dahingerafft, daß nur wenige, wie schon 1521, übrig blieben. General Holck starb auch 1633 zu Adorf an der Pest. Die an der ansteckenden Krankheit Verstorbenen, deren Särge man nicht durch die Gottesackerkirche trug, schaffte man durch das von der Geyersdorfer[93] Straße unmittelbar hineinführende Thor. Es erhielt davon den Namen »Pestthor«.
Nach Arnold u. a.
Die Krankheit besteht in einem durch Ansteckungsfähigkeit schnell fortschreitenden Fieber, welches meist entzündlicher Natur ist und einen nervösen und fauligen Zustand erzeugt, heftige Entzündung der Drüsen, besonders in den Weichen, sowie den Blutschwären ähnliche Beulen bildet, die äußerst schmerzhafte, bald in Brand übergehende und entzündete Geschwülste in den häutigen und fleischigen Teilen des Körpers verursachen. Sie tötete in den allermeisten Fällen oft schon in wenigen Stunden, zuweilen aber auch erst nach einigen Tagen, manchmal noch später. Sie ist wohl nie in ihrer das Leben und die Gesundheit zerstörenden Wirkung von einer anderen Seuche übertroffen worden. Das hauptsächlichste Mittel zur Verbreitung ist unstreitig das Pestgift, welches durch die Krankheit selbst erzeugt wird und sich besonders durch unmittelbare Berührung mitteilt.
Nach Dr. Köhler.
Während früher unter allen erzgebirgischen Städten einzig Schneeberg gänzlich von der Pest verschont blieb, wurde namentlich Annaberg 1568 furchtbar verheert. Das am 17. Juli desselben Jahres daselbst beobachtete Erdbeben sah man als die Ursache der Krankheit an. Kein Haus blieb damals verschont, und was sich heute noch, so berichtet der Geschichtsschreiber, gesund begrüßte, war morgen schon eine Beute der Pest. Vergeblich verlangten die Sterbenden nach Tröstung durch das heilige Abendmahl, da die dasigen Geistlichen nicht zu den Verpesteten gehen durften. Es erschien daher die Anstellung eines besonderen Pestgeistlichen nötig. Aber niemand fand sich, der den todbringenden Seelsorgerdienst übernehmen wollte. Damals irrte ein geächteter sächsischer Geistlicher seit 5 Jahren unstät und flüchtig in den böhmischen Grenzorten umher, Wolfgang Uhle, ein Bürgerssohn aus Elterlein, welcher am 10. Juli 1563 als Pfarrer zu Clausnitz in wildem Jähzorne den dortigen Dorfrichter Georg Biber mit einem Hammer erschlagen hatte. Dem Vollzuge des über ihn ausgesprochenen Todesurteils hatte er sich durch schnelle Flucht nach Böhmen entzogen, wo er die Bedrängnis der Stadt Annaberg erfuhr. Alsbald ließ er dem Rate sagen, daß er sein ferneres Leben gern dem Troste und Beistande der Pestkranken opfern wolle, wenn ihm Begnadigung gewährt werde. Kurfürst August begnadigte ihn hierauf auch wirklich unter der Bedingung, daß er seines Berufes als Pestprediger treu warte. Der Geächtete kehrte nun frei ins Vaterland zurück, begab sich nach Annaberg, wo bereits 2228 Personen an der Pest verstorben waren, setzte sich mutig der größten Gefahr aus, blieb aber wunderbarerweise von der schrecklichen Krankheit unberührt. Als die Pest erloschen war, wurde Uhle als für immer Begnadigter zum Pastor in Breitenbrunn ernannt, wo er bis 1594 in Segen wirkte und im gedachten Jahre mitten in der Ausübung seines Amtes am Altar von einem Schlagflusse getroffen ward, sodaß er nach den Worten des Geschichtsschreibers so schnell zu Boden sank, wie 30 Jahre zuvor der Unglückliche, den er erschlagen hatte.
Nach Dr. Köhler.
Da man sich über die Ursache der todbringenden Pestkrankheit nicht klar war, so vermutete man, die Totengräber wendeten Zaubermittel an, um nur[94] recht viel Leichen zu haben, damit ihre Einnahme sich mehre. Sonderbare Sachen werden uns aus den Pestzeiten erzählt.
Im Jahre 1680 wurde zu Geyer der Totengräber wegen Zauberei auf dem Gottesacker verhaftet und gefänglich eingezogen. Man hatte ihn auf den Markt gehen und aus einer Schachtel etwas ausstreuen sehen. Als nun hernach allerhand Merkmale gesucht wurden, ihn seiner Bosheit zu überweisen, fand man unter anderm, daß er sein eigenes Weib wieder ausgegraben, ihr Augen, Nase und Zunge ausgeschnitten und die Teile zu Pulver verbrannt hatte, welches er also auf die Gasse gestreut. Er wurde deswegen mit dem Staupenschlag bestraft und ewig des Landes verwiesen.
Zu Wolkenstein hat im Jahre 1614 ein Totengräber einer Pestleiche den Kopf im Grabe abgestoßen, diesen in seiner Stube an einer Schnur in Teufelsnamen aufgehängt. Darin hat er Hefen, Bier und Blut von Verstorbenen, ebenso Milch vermischt, warm gemacht und gegessen. Soviel nun Tropfen aus dem schwitzenden Hirnschädel gefallen, so viele Pestleichen hat er selbigen Tag gehabt. Dieser Pestzauberer hatte auch zweierlei Pulver, ein gutes wider die Pest und ein ansteckendes, so er aus einer Pestdrüse gemacht. Um solcher schrecklichen Übelthaten willen ist er verbrannt worden.
Im Jahre 1620 regierte die Pest zu Gottesgab, davon der Ort halb ausstarb. Der Totengräber kam in Verdacht, er habe die Seuche mit bösen Mitteln verursacht. Hans Leonhard, ein verwegener Mühlknecht, der eben aus dem Kriege gekommen, wagte sich hinein in des Totengräbers Häuslein und fand einen Totenkopf über dem Ofen hängen. Darüber hat er sich erbost und den Totengräber samt seinem Weibe krumm und lahm gehauen. Er holt Feuer und brennt das Spital gar weg. Aus dem sind zwar die tödlich Geschlagenen gekrochen. Aber dennoch sind sie an ihren Wunden gestorben.
Im Jahre 1630 hatte eine gewisse Pittelin zu Abertham, einem früher durch seinen Käse berühmten Dorfe, die Pest durch Zaubermittel vermehren helfen. Wie sie in der Marter bekannte, hat sie eine Bürste neben eine Leiche ins Grab geworfen, welche dann auf ihren Rat wieder herausgenommen werden mußte, denn sonst würde nach ihrer Aussage ganz Abertham aussterben. Schon 263 Personen waren gestorben. Es hat sich mit der Bürste auch also befunden und wurde diese Pestzauberin am 18. November in Joachimsthal an einem Pfahl mit dem Strange erwürgt, die Tochter von 13 Jahren enthauptet, beide Körper verbrannt und der Sohn des Landes verwiesen.
Nach Dr. Gräße.
Pestopfer waren an Zahl 1582 in Großrückerswalde 51, 1585 in Schwarzenberg 54, 1586 in Geyersdorf 86, in Kleinrückerswalde 61, 1607 in Aue 73, in Wiesenthal 50, in Joachimsthal 204, 1613 in Wiesa 133, 1625 in Zöblitz 323, 1626 in Gottesgab 178, in Breitenbrunn 81, in Schwarzenberg 205, 1633 in Joachimsthal 800, in Breitenbrunn 145, in Marienberg 117, 1634 in Wiesa 145, 1636 in Gottesgab 107, 1637 in Schwarzenberg 262, in Bernsgrün 52, in Lengefeld 80, 1639 in Gottesgab 114, in Fernrückerswalde 205, in Cranzahl von 1582 bis 1640 auf 200.
1679 wütete in Wien die Pest. Von da aus verbreitete sie sich auch nach Prag und schritt dann über die Grenze nach Sachsen.
Am 24. Oktober 1679 wurde ein »Fast-, Bet- und Bußtag um pestilenzialischer Krankheiten« feierlich begangen. Furchtbar trat der Würgengel im Erzgebirge auf. In Freiberg sollen 1200 Menschen dahingestorben sein.
1680 zeigte sich der erste Pestfall in Marienberg, ihm folgten 554 Personen. In Wolkenstein fielen der Krankheit viele zum Opfer. Annaberg, Schneeberg und Chemnitz wurden abgesperrt. In Annaberg ließ man einen Spitzenhändler, welcher aus einem angesteckten Orte kam, durch den Steckenknecht oder Gerichtsdiener gleich nach seinem Eintritte aus der Stadt bringen. So erging es einem andern, der bald auf freiem Felde hilflos niederfiel und verstarb. In der Stadt trat Brotmangel ein. Die Bürger Lahl und Scheuereck setzten das eigene Leben daran, ihre Leidensgenossen durch den gefahrvollen Ankauf von Lebensmitteln vom Hungertode zu erretten. Dr. Macasius besuchte ohne Scheu die Kranken und starb bald selbst. In Marienberg starben beide Geistliche. In Rauenstein starben sieben Abendmahlsgäste. Bei Reifland nahmen die Geängstigten das Abendmahl unter freiem Himmel. An der Stelle errichtete man einen Denkstein zur Erinnerung an das letzte Pestjahr in Sachsen.
Nach Lehmann und B. Schlegel.
Auch bei dem besten Ertrage der Felder unseres Erzgebirges ist derselbe nie zur Ernährung der dichten Bevölkerung hinreichend. Wir sind bei dem Getreideeinkauf auf die Niederungen angewiesen, mit deren Bewohnern wir gegen unsere Industrieerzeugnisse Brot eintauschen. Jetzt umspannt das Eisenbahnnetz den ganzen Erdteil, aus den entferntesten Gegenden kann mit Leichtigkeit Getreide herbeigebracht werden. Wie war es aber früher, als es noch keine Bahnen gab, die Straßen noch nicht im besten Zustande waren und oft der verschneite Hohlweg den Verkehr auf Tage, ja auf Wochen hinaus hemmte? Auch in den Zeiten vor den Eisenbahnen mußte das Getreide drunten im Niederlande gekauft oder aus den gesegneten Gefilden des nahen Böhmerlandes herbeigeschafft werden. Der Haupthandelsplatz war die Stadt Zwickau, hierher brachte der Altenburger Bauer sein Korn, der Müller und Bäcker aus dem Gebirge kaufte da ein. Wenn aber auch in den Niederungen Mißernte eingetreten war, wenn Böhmen die Grenzen sperrte und kein Getreide hereinließ, dann pochte die drückende Sorge um das tägliche Brot an die Pforten der Wohnungen der sonst so frohgesinnten Gebirgsbewohner, dann trat wohl eine Hungersnot ein, wie sie die Altvordern in den Jahren 1771 und 1772 erlebt haben.
Schon im Frühjahre 1770, als ein später Schneefall den Wintersaaten großen Schaden zufügte und darauf anhaltendes Regenwetter folgte, begann eine allgemeine Besorgnis um die Zukunft sich der Gemüter zu bemächtigen; sie bestätigte sich in den seit Johannis von Woche zu Woche steigenden Getreidepreisen und in einer Mißernte, die sich nicht bloß über das Erzgebirge, nicht bloß über Sachsen, sondern über die fruchtreichsten Gegenden Deutschlands erstreckte. War die Bedrängnis schon groß, welche dadurch für die dichte Bevölkerung unseres Obererzgebirges herbeigeführt wurde, so mußte sie sich zur höchsten Not steigern, als im nächsten Jahre der späte Schneefall und die regnerische Witterung sich wiederholte. Die Felder boten den düstersten Anblick, sie waren von den Eigentümern entweder mit selbst erbautem geringen oder teuer erkauftem Samen möglichst dünn bestreut, oder aus Mangel an solchem gar nicht besät, und die Kartoffelsaat war hier und da von den Armen wieder aufgewühlt. So ließ sich das Schlimmste befürchten, eine nochmalige Mißernte. Und sie trat ein! – trat zu einer Zeit ein, als auch die anderen[96] Nahrungsquellen bei der herrschenden Gewerblosigkeit versiegten und alle Zufuhren aus Sachsens Kornkammern, aus Böhmen und Altenburg gehemmt waren. Da entrollte sich endlich vollständig das Bild der furchtbarsten Hungersnot, die je erlebt worden war. Man sah ganze Scharen von Bettlern umherziehen, darunter Greise, die von ihren Angehörigen nicht mehr ernährt, fremde Unterstützung suchen mußten, Jünglinge, die, sonst kräftig und blühend, jetzt halb verschmachtet, mehr durch ihren Anblick, als durch Worte sich Mitleid erflehten; Männer, die nach Verkauf des letzten, was sie hatten, selbst ihrer Werkzeuge, an den Bettelstab gebracht waren, viele, die bisher in Wohlstand gelebt, jetzt mit bitteren Thränen anderer Milde ansprechen mußten. – Man sah Scharen von Kindern, die, von Eltern hilflos gelassen, Brot aus reicheren Händen zur Stillung ihres Hungers zu erlangen suchten. Die Zahl der Bettler war so groß, daß, wie z. B. Pastor Oesfeld aus Lößnitz versichert, an einem Tage oft mehr als 400 vor den Thüren die Mildthätigkeit in Anspruch nahmen.
Der Kornpreis war vom Frühjahr 1770 bis dahin 1772 von 1 Thlr 4 Ggr auf 14 Thlr gestiegen. Wie vielen Familien mochte es da unmöglich geworden sein, das tägliche Brot zu kaufen. So nahm man seine Zuflucht selbst zu den unnatürlichsten Nahrungsmitteln: die gröbsten Kleien, unreife Waldbeeren, gekochtes Gras, zerriebene Baumrinde als Mehl und dergleichen mehr mußte zur Stillung des peinigenden Hungers dienen.
Die unausbleiblichen Folgen waren bösartige, ansteckende Fieber, die allenthalben die Opfer des Todes im Jahre 1772 ins Unglaubliche vermehrten. In Annaberg zählte man deren im erwähnten Jahre 490, während nur 89 Kinder geboren wurden. Auf der Scheerbank starb im Februar innerhalb vierzehn Tagen ein Haus, welches von 9 Personen bewohnt war, ganz aus. Nach einer Angabe des Geyerschen Rates hatte man am 19. Mai schon 192 Leichen, darunter 50 Hausbesitzer. In Ehrenfriedersdorf konnte man keine Bretter mehr auffinden zu Särgen für die Verstorbenen. Im Quartalbuch der Fleischer in derselben Stadt heißt es vom Jahre 1773: »Das ehrsame Handwerk ist so in Verfall gekommen, daß keiner imstande gewesen ist, etwas zu schlachten. Das liebe Brot mußte mit Einteilung gegessen werden. Es sind in diesem Jahre 585 Personen gestorben.« Die meisten Bewohner waren vom Hunger völlig abgemattet. Manche sanken auf offener Straße um und blieben tot. Wie es in solcher Zeit um die Ernährung und Pflege der Kinder im Hause und ihrer Sittlichkeit außer demselben stand, kann man leicht vermuten.
Das 49. Stück des Dresdner gelehrten Anzeigers vom Jahre 1772 schreibt: Hier ist ein Auszug aus einem Briefe eines sicheren Mannes, der am 4. September die Gegend nach Johanngeorgenstadt zu durchreist hat: Ich habe das Elend in Breitenbrunn, Rittersgrün, Wiesenthal, Crottendorf, Pöhla, Wildenthal, Eibenstock und Neudorf gesehen. Nie wünsche ich mir und keinem andern, einen so traurigen Anblick wieder zu erleben. Schon auf der Reise fand ich nicht wenige unbesäet gebliebene, zum Teil schon zur Aussaat aufgerissene Felder: auf diesen nichts als etwas Gras, das kaum zur Hutweide nutzen kann. Auf den Wiesen noch vieles Heu, das nicht hatte eingebracht werden können und nun verderben mußte, weil das Zugvieh und die erforderlichen Kosten gemangelt hatten, oder wo der Hauswirt krank oder gar gestorben war und ein Haus voll hilfloser Waisen hinterlassen hatte; die Feldfrüchte, die nur in wenig Roggen, meist in Hafer bestunden, gar dünn und[97] noch hin und wieder grün wie Gras, und bei den schon einfallenden kalten Nächten nicht viel Hoffnung zu ihrer Reife. Die im Vergleich mit anderen Jahren wenig eingelegten Erdäpfel waren schon großenteils ausgegraben und halb unreif verzehrt; die noch in der Erde liegenden der Dieberei ausgesetzt, und auf allen Fall nur ein Vorrat auf einige Wochen. Das innere Elend der Orte wage ich mich gar nicht zu schildern. Traurig war es von vielen sogenannten Halb- und Viertelgutsbesitzern zu hören, daß sie nicht eine Hand voll Samen ausgesät hätten, daß ihr Rindvieh größtenteils verstoßen und die wenigen Pferde aus Mangel an Futter gefallen wären; noch viel trauriger, die meisten Einwohner nicht so notdürftig bekleidet, daß sie ihre Blöße bedecken konnten, ihre Wohnungen von allem Hausgerät, ihr Lager von Betten leer zu sehen. Kleider, Wäsche, Betten, Haus- und Handwerksgeräte hatten die meisten, so viele die eisernen Töpfe und bleiernen Röhren aus den Öfen, die Schlösser von den Thüren und ihre Äxte verstoßen und um ein Geringes verkaufen müssen, viele haben sogar die Fenster, die Ziegelsteine von den Feueressen etc. aus Not verkauft. Viele Häuser, die ausgestorben waren, sind von ihren Nachbarn eingerissen und das Holz verbrannt worden, um ihr und ihrer Kinder Leben auf einige Tage zu fristen. Handwerker und Gewerbetreibende hatten keinen Verdienst. Zu der schweren Arbeit in Eisenhämmern und Holzschlägen, welche sonst den Mannspersonen ihren Verdienst schaffen, jedoch jetzt auch liegen, sind sehr viele zu entkräftet. Oft müssen sie von der Arbeit wieder abgehen, oft davon hinweggetragen werden; ja einige sind tot dabei liegen geblieben. Ich habe Männer in ihren besten Jahren gesehen, die nicht im stande waren, das ihnen geschenkte Holz im Walde zu hauen und herein zu holen. Der Winter setzt die Männer außer allen Verdienst. Der Lohn bei den Fabriken, für welche die Weibspersonen und Kinder arbeiten, reicht nicht zu, das Brot der arbeitenden Person zu bezahlen, geschweige ganze Familien zu ernähren, Kranke zu erquicken, Kleider, Betten, Hausgeräte anzuschaffen. Ja, ich habe Klöpplerinnen gefunden, die der Hunger dumm und blind gemacht hatte; andere, die wegen zurückgebliebener Mattigkeit und blöden Gesichts wie die Kinder, wieder mit kleinen Zäckchen und schmalen Borten zu arbeiten anfangen mußten. Ich erstaunte über die Gelassenheit der vielen Elenden, die mir allenthalben entgegenkamen, aber selbst zu Kummer und Klagen schon zu empfindungslos, zum Teil auch schon sorglos für sich und die Ihrigen waren, weil sie, wie mir einige selbst sagten, sich auf den bevorstehenden Winter weder zu raten noch zu helfen wußten. Viele haben sich schon des Lebens begeben. Die Krankheiten hatten auch wieder sehr überhand genommen, vornehmlich durch den Genuß unreifer Erdfrüchte und durch die Erkältung wegen Mangels hinlänglicher Bedeckung am Tage sowohl, als besonders des Nachts. Die meisten Genesenden können sich wegen der schweren Kost nicht wieder erholen. – Mit Nahrungsmitteln, die im Niederlande zu dem notdürftigsten Unterhalte gehören, kann man hier Sterbende retten. Doch habe ich in Breitenbrunn etliche vor Hunger schon halb Verschmachtete gesehen, die keine Gabe mehr retten, sondern ihnen den Tod nur weniger peinlich machen konnte. Viele wissen über keine Krankheit noch Schmerz zu klagen, aber geschwollen, keuchend, ganz verschmachtet taumeln sie umher, vermutlich sind ihre Eingeweide zusammengeschrumpft. – Nur erst vor vierzehn Tagen hatte man in der Gegend von Eibenstock zwei Kinder, die in den Wald gegangen waren, um sogenannte Schwarzbeeren zu holen, auf der Straße aus Mattigkeit umgefallen und tot gefunden. Die fremden Almosen nehmen ab und die Kollekten jedes Ortes sind, wenn gleich[98] diejenigen, die noch wohlhabend heißen, über ihr Vermögen thun, doch ein weniges für so viele Arme, die sich täglich vermehren. Mancher, der noch vor etlichen Monaten Almosen gab, bittet jetzt um Almosen, und dadurch wächst die Zahl der Armen, so viel auch hinwegsterben, doch immer wieder so sehr, daß die an sich beträchtlichen Gnadengeschenke nur kleine Gaben werden. 150 Scheffel Korn mußten jüngst unter 12 800 Arme verteilt werden.
Ferner teilt die erwähnte Zeitung später mehr mit: Bei einem Bereisen einiger Dorfschaften im Monat März fand ein gebirgischer Medikus zu Rittersgrün in einem Hause den Wirt mit seiner Frau und sechs Kindern in äußerster Armut, das siebente, eine Tochter von neunzehn Jahren, die für sich und die übrigen noch Brot verdienen konnte, war vor etlichen Wochen gestorben, eine Tochter von sechzehn Jahren lag seit einigen Tagen vor Hunger, ein Kind von neun Jahren an Hitze und Geschwulst, eins von sieben Jahren an der Auszehrung darnieder. Von zwei Broten, die der Hausvater in einer Woche noch verdienen konnte, und etwas Milch von seiner Kuh mußten sie alle leben. Seine Kinder zu retten hatte er diese Kuh verkaufen wollen, aber nirgends einen Käufer gefunden. In einem andern Hause waren drei Genesene, aber der Hunger warf sie aufs neue nieder. Ein Hausgenosse war vor zwei Tagen verhungert, lag aber noch in dem Bette, in dem er gestorben war, weil Witwe und Kinder, alle ganz unbedeckt, nichts zum Sarge auftreiben konnten. Nicht weit davon lag der Wirt vom Hause abgemattet auf dem Boden, ohne etwas klagen zu können. Dessen Bruder mit seiner Frau nebst sechs Kindern waren seit sechs Wochen eins nach dem andern verhungert. – In Crottendorf fand man einen Hausgenossen, dem in der Nacht vorher ein Kind verhungert war, und zwei Kinder nebst der Mutter lagen verschmachtet dem Tode nahe. Aus eben diesem Hause war ein Knabe betteln ausgegangen, aber abends nicht heimgekommen. Tags darauf, da man das Haus öffnete, lag er tot vor der Thüre, ohne Geld, ohne Brot etc.
Der Notschrei, welcher vom Gebirge her erklang, fand im ganzen Sachsenlande und darüber hinaus Widerhall, durch Spenden suchte man die Not zu lindern. Seit dem 12. Januar 1771 bis zu Ende 1773 sind allein aus dem Leipziger privil. Intelligenz Comtoir 25 726 Thlr 6 Gr 9 Pfg bares Geld, 300 Scheffel Getreide, 37 Zentner Reis, auch viele Bücher und Kleidungsstücke an eingegangenen Wohlthaten in unser Gebirge zu verzeichnen. Bereits im Januar 1772 bekam der Stadtrat zu Annaberg 100 Thaler von einem unbekannten Wohlthäter in Leipzig, wovon 644 Brote, jedes zu 3 Pfund an 399 Familien oder an 1052 Personen verteilt wurden. Chemnitz, Ehrenfriedersdorf, Eibenstock, Geyer, Johanngeorgenstadt und Schneeberg werden als die Schauplätze des größten Elends damaliger Zeit genannt.
Die immer hoffnungsreicher hervortretende Ernte des Jahres 1773 richtete endlich die fast bis zur Verzweiflung niedergebeugten Gebirgsbewohner wieder auf und half durch ihre gesegneten Gaben die letzte Not überwinden. Der Scheffel Korn, welcher 1772 mit 14 bis 15 Thalern bezahlt wurde, galt 1773 nur 4 Thaler und Anfang des Jahres 1777 nur 2 Thaler. Die Kartoffeln kosteten während der Hungerjahre der Scheffel 2 Thaler 18 Groschen, am Anfang des Jahres 1774 nur 6 bis 8 Groschen. In einigen Städten ließ man Gedenkmünzen schlagen, auf welchen die Getreidepreise in den Zeiten der großen Teuerung verzeichnet stehen. Das Annaberger Museum erzgebirgischer Altertümer besitzt deren mehrere, eine solche Bleimedaille aus dem Jahre 1772 zeigt z. B. auf der Vorderseite: Sachsens Denckmahl 1771.[99] 1772. große Theurung, schlechte Nahrung. Die Rückseite besagt: im Gebürge galt 1 Sch: Korn 13 Th: 1 Sch: Weitze 14 Th: 1 Sch: Gerste 9 Th: 1 Sch: Haber 6 Th: 1 Pfd. Butter 8 gr. 1 Pfd. Brodt 2 gr. In Geyer ward am 16. August 1773 mit dem Erntedankfest das ausgeschriebene allgemeine Dankfest für Rettung aus der großen Drangsal verbunden. Mit welcher Rührung und Inbrunst mögen die Geretteten daran teilgenommen haben!
Im September des Jahres 1773 bereiste der damalige Kurfürst und spätere König Friedrich August I. nebst Gemahlin und Gefolge das Gebirge, überall reiche Mittel und infolge seiner Teilnahme Trost spendend.
Von Marienberg ging am 1. September die Reise zu Pferde über Ehrenfriedersdorf, Geyer, Zwönitz, Lößnitz, Schlema nach Schneeberg und von da an demselben Tage wieder zurück nach Marienberg. Am 2. September war der hohe Herr in Annaberg. Dort wäre er beinahe verunglückt, weil das Pferd vor den Schüssen scheute, die man am Pöhlberge ertönen ließ, als er die Pöhlbergstraße aufwärts ritt.
Nach Lungwitz.
Der Name Köhler gehört so recht dem Erzgebirge an, wo das Kohlenbrennen seit Jahrhunderten für zahlreiche Bewohner einen Erwerbszweig bildete, der noch in der Gegenwart, freilich bedeutend sparsamer, in den oberen Waldbezirken, bei Zöblitz, Hirschenstand, Carlsfeld und Morgenröte, bei Göttersdorf in Böhmen und anderwärts angetroffen wird.
In der Geschichte und in den Sagen treten wiederholt Köhler auf. Der Köhler Georg Schmidt befreite am Fürstenberge bei Schwarzenberg den Prinzen Albert aus den Händen des Kunz von Kaufungen; ein Köhler soll im Jahre 1458 im Walde beim Abräumen seines Meilers ausgeschmolzenes Zinn gefunden haben, was Veranlassung zur Gründung der Bergstadt Altenberg gab. Köhler haben sich nach der Sage zur Zeit der Hussitenkriege im Walde, da wo jetzt Crandorf liegt, ihren Kohlenkram, d. h. Hütten aufgebaut, weshalb man den daselbst entstandenen Ort zuerst Kram- und später Crandorf genannt habe.
Als im Gebirge an zahlreichen Orten Eisenhütten entstanden, brannte man auch überall in deren Nähe das Holz zu Kohlen, da diese zum Ausschmelzen der Erze nötig waren. In der 1697 erneuerten kurfürstlichen Holzordnung von 1560 wurde aber bestimmt, daß die Köhler das Holz nicht mehr selbst schlagen lassen durften und das Kohlenbrennen nur noch vom 25. März bis 16. Oktober zu gestatten sei.
In früherer Zeit wurden die Kohlen da und dort auch in muldenförmigen, ungefähr einen Meter tiefen Gruben gebrannt, in welche man Reisig und Holzabgänge warf, diese dann anzündete und mit Erde bedeckte. Man erhielt auf diese Weise die sogenannten Grubenkohlen. Das gebräuchlichste Verfahren bestand aber, wie noch jetzt, im Verkohlen aufgebauter Meiler. Die größeren Kohlen wurden zur Verwendung für die Zerrennfeuer, durch welche das Schmelzen des Eisens, um es weicher und geschmeidiger zu machen, wiederholt ward, mit Dreschflegeln in kleinere Stücke zerschlagen.
Es wird den Köhlern das Verdienst zugeschrieben, den Wald nach und nach urbar gemacht und das Dorf Ansprung, welches im 16. Jahrhundert Aschberg hieß, gegründet zu haben. Es haben aber gewiß auch die Aschebrenner ihren Anteil an der Besiedelung der Gegend; der Name dürfte auf das frühere Äschern, d. h. Aschebrennen zu Pottaschebereitung, zurückzuführen sein.
Ehemalige Meilerstätten trifft man noch häufig im Gebirge an; manche derselben stammen jedenfalls aus sehr alter Zeit. In der Mitte einer Meilerstätte ward eine Stange eingeschlagen. Unten hin legte man trockenes »Zünderholz«, dann wurden Stöcke rundum aufgeschichtet; obenauf legte man schräg[101] Scheitholz, sodaß das Ganze wie ein gewölbter Backofen erschien. Die Eindeckung erfolgte mit Fichtenreisig, Erde und Rasen. Der Köhler hat mittels der Zündlöcher für Gleichmäßigkeit im Brande zu sorgen. Mit dem Schürbaum stößt er Löcher in die Decke, um nachzufüllen. 10 Tage dauert die Arbeit. Einfach ist die Köhlerhütte in seiner Nähe.
Nach Dr. Köhler.
Umkränzt von riesigen Fichten rauchten und dampften kegelförmig gebildete Meiler, und an die gewaltigen Baumstämme lehnten sich niedrige, kunst- und schmucklos von eigner Hand erbaute Lehmhütten, vor den brausenden Waldstürmen der Höhe Schutz suchend, an.
Höchst einfach, nach unseren Begriffen mehr als ärmlich, sah es in diesen Hütten aus. Von Dielen erblickte man keine Spur, nur in der Mitte erhob sich ein Tisch von ungehobelten Brettern auf vier in die Erde eingeschlagenen Pfählen, umgeben von einigen gleichartigen Bänken und Holzschemeln.
In einer Ecke stand der Ofen, wenn man eine Vertiefung im steinigen Boden, von einigen Mauersteinen umgeben, so nennen will, in welchem fast beständig ein helles Feuer brannte, bei dem die einfachen Gerichte gekocht oder gebraten wurden. Einige rußige Töpfe und unförmliche Tiegel, sowie hölzerne Teller und Löffel waren das einzige Haus- und Küchengeräte. Schlösser an den Thüren wären unnötig gewesen; denn wer sollte aus jenen Lehmhütten in finsterer Nacht etwas Erhebliches stehlen? – Unter dem Dache standen die Betten, unter welchen man sich kunstlose Lagerstätten von Waldmoos, Heu oder Stroh auf rohen Dielen zu denken hat. Eine Esse hielt man ebenfalls für überflüssig, denn der Rauch fand durch die verschiedenen Ritze in der Thür und in den Wänden einen ganz gemütlichen Ausweg. Die Stelle der Fenster ersetzten einige viereckige Löcher in der Wand, durch die der goldene Sonnenstrahl die inneren Herrlichkeiten erleuchtete und welche bei stürmischem Schnee- und Regenwetter mit einem Brette verschlossen wurden.
Nach Müller.
Lehmann berichtet: »Es heißt insgemein der ganze böhmische gegen Meißen zu an der Zschopau und an dem Schwarzwasser bis über den Wiesenthalischen Fichtelberg Harz- oder Schwarzwald, davon jährlich 1000 Zentner Pech abgeharzt wurden.« Besonders die Crottendorfer harzten viel und zogen handelnd in die Fremde und blieben oft Jahre aus. Das Harzen erpachteten die Schwarzenberger im 16. Jahrhundert von den Tettaus. 1648 wurde das Zinspech in Geld verwandelt. Die Pechgewerken hatten 80 fl Zins abzustatten. Vor alters mußte der fünfzehnte Zentner Zinspech ins kurfürstliche Amt geliefert werden. 1666 waren die Hölzer so verhauen und verkohlt, daß man kaum zwei Zentner Pech herstellen konnte.
Die Rinden der Bäume wurden mit dem Harzeisen der Länge nach aufgerissen. Im folgenden Jahre wurde das ausgetriebene Harz abgeschabt. In der Pechhütte ward es in Kesseln gesotten und dann in Formen gegossen.
Gegenwärtig beobachtet man noch an manchen Orten unseres Obererzgebirges Raithalden, das sind Anhäufungen tauben Trümmergesteins, das[102] nach dem Zinnseifen oder Auswaschen des Zinnerzes übrig geblieben ist. Diese Halden sind durchwühlt worden. Durch Zuführung von Wasser wurde aus ihnen nicht nur das Zinnerz, sondern auch die Feinerde ausgeschieden. Nach Mathesius in Joachimsthal führte der Zinnwäscher Wasser in zinnhaltige Gebiete und stach eine torfähnliche Masse. Grobe Stoffe und Steine warf man mit der Gabel heraus. Der gute Stein setzte sich dann zu Boden. Man reiniget ihn, um dann das Zinn zu gewinnen. Diese Seifen befanden sich besonders in flachen Thalmulden. Außer Zinnstein fand man auch Topas, Opal, Beryll, letzten besonders im Denitzgrunde bei Eibenstock. Auch Goldkörner fand man, so 1733 am Auersberge eins von 13 Aß Gewicht, das in demselben Jahre dem Kurfürsten bei der Huldigung in Freiberg überreicht wurde.
Sehr zahlreich waren die Seifenwerke im Gebiete von Schneeberg und Eibenstock. Zahlreich waren auch im 17. und 18. Jahrhundert die Seifen in der Umgegend des Dorfes Bockau. Da hat man in jedem Thälchen nach Zinnerzen gesucht. Das geschah im ganzen Gebirge bis nach Johanngeorgenstadt hinauf.
Besonders bemerkenswert sind die Seifen bei Geyer und Umgebung, die zu den ältesten gehören. Der jetzt durch seine Spielwaren weit bekannte Ort Seiffen verdankt seine Entstehung auch dem Zinnbergbau.
Nach Dr. Köhler.
Ein Bergmann:
Der volle Chor:
Ein Bergmann:
Chor:
Ein Bergmann:
Chor:
Ein Bergmann:
Chor:
Ein Bergmann:
Chor:
Chor:
Was die Namen der Zechen nach ihrer Entstehung und Bedeutung anlangt, so ist zu merken, nur die wenigsten knüpfen an die ursprüngliche Benennung des Ortes an, wo sie entstanden, oder an bestimmte Eigentümlichkeiten der Zeche selbst und der bei ihrer Eröffnung maßgebenden Umstände. Die meisten erklären sich aus dem dem Bergmannsstande namentlich in früheren Jahrhunderten vor anderen eigenen frommen Glauben an die göttliche Allmacht, zum Teil auch aus seinem Aberglauben. Frommer Glaube war maßgebend bei den überaus zahlreichen Benennungen der Gruben nach Heiligen und anderem, der Aberglaube in Namen wie Wilder Mann, Wilde Frau, Einhorn, Löwe, Wolf, Rabe, Molch, Hase, Goldner Esel. Riesen und Einhörnern schrieb man die Kraft zu, gewisse »Bergsäfte«, namentlich das Quecksilber, zu edlem Erze zu verdichten. Der Molch sollte seinen Winterschlaf in der Nähe geheimer Schätze halten. Wolf und Rabe galten als »weisende« Tiere. Der Hase schien als fruchtbarstes Tier von guter Vorbedeutung zu sein. Im Goldnen Esel hat man wohl gar eine Erinnerung an das Märchen vom »Eselein, streck' dich« zu erblicken.
Nach Dr. Bachmann.
Bekannt und gut beglaubigt ist die Überlieferung, daß im 12. Jahrhundert in unserem Sachsen zunächst der Freiberger Bergbau durch den Zuzug Goslaer Bergleute aus dem Harz begründet worden sei. Nach seinen ursprünglichen Bewohnern, sächsischen Bergleuten aus dem Harz, heißt heute noch ein Teil von Freiberg die »Sächsstadt«. Es steht fest, daß umgekehrt im 16. Jahrhunderte Bewohner unseres Landes, Bergleute aus dem Obererzgebirge und namentlich aus dem westlichen Teile desselben, der Gegend von Freiberg, Annaberg und Schneeberg, nach dem Oberharz gezogen sind und dort Anlaß zur Gründung namentlich der Bergstädte Andreasberg, Clausthal, Zellerfeld, Wildemann, Lautenthal und Altenau gegeben haben. Zwar war schon im 13. Jahrhundert, von Goslar aus dahin verpflanzt, auch auf dem Oberharz um das Kloster Celle her der Bergbau in Blüte gekommen, aber dieser verfiel bald wieder, wie das Kloster selbst, bis bald kaum noch eine Spur davon in dem wieder verödenden Lande sich zeigte. Erst im Zeitalter der Reformation lockten reiche Silberanbrüche in der Gegend des heutigen Andreasberg und anderswo eine bergbaulustige Bevölkerung wieder herbei, nur konnte diese nicht aus der Nähe kommen, nicht aus Goslar, das vielmehr selbst des Zuzuges bedurfte und zudem mit den im Oberharz gebietenden Fürsten verfehdet war, und nicht aus dem Mansfeldischen, sondern man mußte sie anderswo suchen. Daß man sich zu diesem Zweck nach dem Erzgebirge gewendet, daß von dort her die ohnedies stets wanderlustigen und auf jedes »neue Geschrei« hin leicht beweglichen Bergknappen zugeströmt seien, das wird, soweit es nicht urkundlich bezeugt ist, durch folgendes bewiesen.
Zunächst handelte es sich bei der Errichtung des neuen Bergwerks auf dem Oberharz um Stollenbau, auf welchen sich damals eigentlich nur »Meißnische Bergleute« aus dem oberen Gebirge, die deshalb auch in aller Welt gesucht waren, verstanden. Die Chroniken von Freiberg, Schneeberg, Annaberg etc. wissen zu erzählen, wie Bergleute aus diesen Gegenden nach allen Teilen Europas gekommen seien und dorthin ihr Bergrecht mitgebracht hätten, ja selbst in Calcutta, im fernen Indien, finden wir solche und kaum[104] 40 Jahre nach der Entdeckung Amerikas im Dienste der Welser auf dem fernen San Domingo. Die Sendung einzelner hervorragender Bergverständiger, Bergmeister etc. aus dem Erzgebirge nach dem Harz wird ausdrücklich bezeugt, und es versteht sich ganz von selbst, daß diese nicht allein kamen, sondern zur Ausführung der ihnen übertragenen Arbeiten Bergleute in größerer Zahl mit sich führten. Diese ließen dann wieder, wie es heute noch Sitte der Auswanderer ist, dafern es ihnen anders in der neuen Heimat gefiel und daselbst wohlging, ihre Angehörigen und Freunde nachkommen, und so entstand in dem Jahrhundert von 1520–1620 etwa eine größere Kolonie von aus dem Meißnischen eingewanderten Bewohnern und damit eine Sprachinsel mit oberdeutscher Mundart mitten in dem sonst niederdeutsch sprechenden Gebiet. Diese oberdeutsche Mundart aber ist die des Erzgebirges, und zwar des westlichen Teiles desselben, und das ist der Hauptbeweis für die Herkunft der ursprünglichen Bewohner jener Harzstädte aus unserem Erzgebirge.
Es ist zu bemerken, daß die Ähnlichkeit des Oberharzischen und Obererzgebirgischen in der That ganz außerordentlich groß und gemeinsame Abstammung unabweisbar ist.
Ferner ist bemerkenswert das überaus häufige Vorkommen derselben Grubennamen im Oberharz und Erzgebirge und daß mindestens die große Hälfte der im Oberharz vorkommenden Namen den älteren Bergwerken des Erzgebirges entnommen ist. Da es sich bei der Namengebung namentlich auch um solche von guter Vorbedeutung handelte, so sind Namen besondere häufig, die als Benennungen solcher Zechen, welche im Erzgebirge reiche Ausbeute gebracht hatten, bekannt waren, wie z. B. der Name der stolzesten Schneeberger Zeche, »St. Georg«, deren ausgebrachtes Silber auf 40 Tonnen Goldes, d. i. 4 000 000 Thaler, geschätzt wurde, auch im Harz vorkommt, ebenso die »St. Anna«, die in Schneeberg schon 1478 gewaltig »schüttete« und 1528 von allen Gruben die größte Ausbeute gab.
Nach Dr. Bochmann.
Im Jahre 1497 findet man schon Spuren von den Kunstgezeugen in der Schneeberger Gegend. 1504 bestand ebenda der erste bekannte Pferdegöpel. 1512 führte Sigismund von Maltitz auf Dippoldiswalde die nassen Pochwerke zuerst daselbst ein. Seit 1529 waren gedruckte Ausbeutebogen, seit 1533 sind Anschnittzettel statt der Kerbhölzer üblich. 1550 wurden die Stangenkünste eingeführt, 1551 die Bergquartale statt der vorherigen Drittale, mit Ausschluß des Obergebirges, wo man schon seit 1477 nach Quartalen rechnete. Im Jahre 1555 wurde das Rohschmelzen erfunden; in die Jahre 1540 bis 1560 fällt die Aufkunft der Blaufarbenwerke. Im Jahre 1561 nahm die Stollnmaurung ihren Anfang, 1567 die Grubenmaurung durch den Bergmeister Martin Plauer in Freiberg. Vom Jahre 1578 schreibt sich die Anordnung des Gebets auf den Gruben her. 1613 wurde das Sprengen mit Pulver eingeführt. Seit 1649 stiftete man Quartal-Bergpredigten. In den Jahren 1710–1717 wurde die General-Schmelz-Administration eingeführt. Mit dem Bergbohren machte damals man die ersten bekannten Versuche. 1731 schaffte man beim Rechnungswesen die Meißnischen Gülden ab. 1765 ist die Freiberger Bergakademie gegründet worden. Im Jahre 1768 ward das Tragen der Berguniform verordnet und 1788 die Entführung der Amalgamation versucht.
Der erzgebirgische Bergstaat zerfiel am Anfange unsern Jahrhunderts in das Oberbergamt und in das Oberhüttenamt zu Freiberg. Unter ersterem standen die Oberzehntner- und Austeilämter in Freiberg und im Obergebirge, wo wir finden die Bergämter Annaberg, Geyer, Ehrenfriedersdorf, Johanngeorgenstadt mit Schwarzenberg und Eibenstock, Marienberg, Scheibenberg mit Oberwiesenthal.
Außer den Steigern giebt es: Kunstarbeiter, Ganghäuer, Helfersknechte, Zimmerlinge, Doppelhäuer, Lehrhäuer, Siebsetzer, Treibeleute, Haspelmeister, Nachtpocher, Gruben-, Wasch- und Scheidejungen. Eine Schicht umfaßt 4, 6 oder 8 Stunden. Im Annaberger Bergamte gab es 5 Schichten die Woche, weil Sonnabend frei war.
Die Häuerglocke forderte zum Anfange auf. Seit 1595 wurde im Hut- oder Zechenhause vor Beginn Betstunde gehalten. Im Huthause wohnt der Steiger, der das Werkzeug bewahrt.
Ist ein Arbeiter alt oder krank, so heißt er bergfertig. Die Büchsenpfennige fließen in die Knappschaftskasse.
Ehemals gab es in jedem Bergamte einen verpflichteten Rutengänger. Für die Bergleute sind auch Getreidemagazine angelegt worden. Sie sind frei von allen Abgaben.
Schon der Bergknabe vom 6. Jahre an kennt und übt den Fleiß als eine der ersten Tugenden, und dadurch wird sie dem Bergmanne gleichsam zur andern Natur. Die Poch- und Scheidejungen müssen bei Karbatschenstrafe oder Vogelbolzen täglich ihre bestimmte Zahl Körbe voll Erz pochen, ja sogar die Feiertage in den Wochentagen nach und nach mit einbringen. Sie treiben einander häufig durch Wetten an. Wer z. B. zum Johannisfeste am ersten mit der bestimmten Arbeit fertig ist oder Schicht hat, heißt König oder Staatslümmel und wird, mit Blumen oder Kränzen behangen, unter dem Vorantragen einer roten Fahne mit Ehrenbezeigungen nach Hause geführt. Den aber, der zuletzt Schicht hat, nennt man den faulen Lümmel und begleitet ihn, ihn mit diesem Namen neckend, nach seiner Wohnung.
Ein Schacht ist eine viereckige Öffnung, die senkrecht in die Erde führt. Dahinein führen Fahrten oder Leitern. Die Absätze zum Ruhen heißen Böhnen. Das Innere ist ausgezimmert oder ausgemauert. Die Stolln führen wagerecht ins Gebirge und dienen zum Wasserabfluß, zur Zuführung frischer Luft und Abfuhr des Erzes auf Hunden.
Gänge nennt der Bergmann nach ihrem Gehalte edel oder taub, mächtig oder leer.
Fäustel, Schlägel, Bohrer sind Werkzeuge des Bergmanns. Das Zutagefördern geschieht mit dem Haspel, an dem durch einen an dem Seile hängenden Kübel die Erze emporgewunden werden. Tiefe Gruben brauchen den Göpel, welchen Pferde oder Wasser treiben. Das Wasser heben die »Künste« empor, deren Pumpen durch Räder getrieben werden.
Bergbauanteilscheine heißen Kuxe.
Im Berggebiete war das Holz ein wichtiges Bedürfnis. Das Auszimmern der Schächte und Stolln, der Wasser- und Maschinenbau, die Schmelzöfen, Schmiedehammer, Siedewerke, Pechhütten und dergleichen verschlangen viel Holz. Schon im Anfange des 15. Jahrhunderts merkte man das. Der Bergbau, das damalige weit stärkere Brauwesen, die häufigen Brände nagten um die Wette an dem Kern der Waldungen. Hierdurch wurden die ersten Flößen aus holzreichen in holzärmere Gegenden veranlaßt.
Steinkohlen benutzte man erst in der Mitte des 16., Torf im Anfange des 17. Jahrhunderts.
Der erste sächsische Fürst, der vom Bergsegen den besten Gebrauch machte, war der Kurfürst August. Er ließ herrliche Schlösser bauen, kaufte große Güter an, richtete nützliche Anstalten ein, rief Künstler und Handwerker ins Land und sorgte bei alledem noch für seinen Schatz. Unter ihm erhielt das Bergwesen weit bessere Einrichtung, und er ist als der eigentliche Gesetzgeber des Bergwesens zu betrachten.
Erwiesenermaßen ist der Freiberger Bergbau der älteste unseres Landes, und zwar fällt die Entdeckung der Freiberger Erzgänge in die Zeit zwischen 1162 und 1170. Die Sage von dem Goslarer Fuhrmann weist auf Bergleute aus dem Harze hin, von wo auch eine Einwanderung bergbaukundiger Sachsen in unser Erzgebirge in den Jahren 1167 und 1181 im Zusammenhang mit den Kämpfen zwischen Heinrich dem Löwen und den niedersächsischen Fürsten und Städten erfolgte. Um diese Zeit regierte Otto der Reiche in Sachsen. Die beginnende Ausbreitung des Bergbaues tritt im ganzen in Wechselbeziehung zu der fortschreitenden Besiedelung unserer Gegend, das heißt, entweder begann man da, wo deutsche Niederlassungen auf dem Waldgebirge entstanden, nach Erz zu graben oder der Erzsucher schweifte mit seiner Wünschelrute durch die Bergwildnis, und da, wo er Erzgänge erschloß, entstanden neue Niederlassungen.
Im 13. Jahrhunderte finden wir die Herren von Waldenburg bereits im Besitze von Silberbergwerken zu Wolkenstein und von Zinn- und Silbergruben auf dem Sauberge bei Ehrenfriedersdorf. Mit dem Tode Heinrichs des Erlauchten, 1288, schließt die erste Glanzzeit des Freiberger Bergbaues. Dann kommt die Zeit, in welcher die Menschen in den Schoß der Erde eindringen müssen. Der beschwerliche Schacht- und Stollenbau ward nun erforderlich. Aus den Jahren 1335 und 1339 stammen dann die ersten Nachrichten über den Bergbau in dem unter die Burggrafen von Meißen gehörigen Gerichte Frauenstein, sowie in dem zur Grafschaft Hartenstein gehörigen Gebiete des Klosters Grünhain.
Im 15. Jahrhunderte kam neues Leben in den Bergbaubetrieb durch das Fündigwerden der mächtigen Erzgänge auf dem Schneeberg. Damit beginnt die zweite Blütezeit des erzgebirgischen Bergbaues. 1606 wurde eine neue Bergordnung von den Landesherren erlassen.
Im Gebiete der Herren von Waldenburg fand ein lebhafter Bergbaubetrieb um das Jahr 1407 bei Wolkenstein, Ehrenfriedersdorf, Thum, Geyer und Zschopau statt. Als 1470 bei Schneeberg das Hauptsilberlager erschlossen wurde, da verließ der Bauer Acker und Pflug, der Handwerker Werkstatt und Heimatsort; alles strömte hinauf nach dem Schneeberg, um dort das erträumte Glück zu erjagen. Einzelnen gelang es; Hunderte kehrten als Bettler, getäuscht und verspottet, nach Hause zurück. Am Schneeberg sanken die uralten Fichten- und Eichen-, Buchen- und Ahornwälder unter der Köhleraxt dahin; sie alle verschwanden in den gierigen Schloten zahlloser Schmelzhütten. Am Anfange des nächsten Jahrzehntes begann ein Herr von Schönburg-Glauchau in Beierfeld bei Schwarzenberg nach Silber zu[107] graben und den schon früher betriebenen Bergbau am Galgenberge bei Elterlein fortzusetzen. Im Jahre 1484 sehen wir weiter ein Bergwerk, die »Mönchsgrube« bei Wüstenschletta, später Marienberg, in Betrieb, während ein Jahr später eine ältere, am Eisenberg bei Geyer gelegene Fundgrube wieder aufgethan wird. Schließlich werden in derselben Zeit noch die Orte Breitenbrunn, Breitenbach, Ober- und Niederjugel in Urkunden erwähnt. Nicht minder zahlreich sind endlich aber die Zeugnisse von einem lebhaften Bergbaubetriebe zu Ehrenfriedersdorf, Wolkenstein, Grünhain u. a.
Aber alle die genannten Bergwerke erlangten nicht die Bedeutung, wie der gleichfalls inzwischen erschlossene Annaberger Bergbau. Am Pöhlberge ist schon 1442 auf St. Briccius Silber gefunden worden. Die erste sichere Nachricht stammt aus dem Jahre 1483. Der eigentliche Annaberger Bergbau aber knüpft sich ja an den Schreckenberg. Erst vom 31. Juli 1492 hat sich eine Urkunde erhalten, in der den Gewerken am Schreckenberge eine Münzfreiheit auf 6 Jahre gewährt wird. Die entstehende Ansiedelung erhielt unterm 28. Oktober 1497 Stadt- und Bergrecht und am 22. März 1501 den Namen St. Annaberg. Es entstanden alsbald zahlreiche Zechen; allein in den Jahren 1496–1499 waren es 51; in der Zeit von 1496–1530 sind nicht weniger als 380 Zechen in Betrieb gewesen. Neben dem Schreckenberge werden aber auch schon 1497 Bergwerke zu Buchholz genannt.
Der Eisenbergbau blühte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, namentlich im Gebiete des Klosters Grünhain, sodaß sich der Abt dieses Klosters einen eigenen Bergmeister hielt und zu Elterlein und Waschleite seine Eisenhämmer besaß. Schließlich mag zum 15. Jahrhundert auch noch des beginnenden Kohlenbaues gedacht werden, insofern, als das schon genannte Kloster Grünhain um die Mitte dieses Jahrhunderts im Gemeindewald zu Bockwa bei Zwickau ein Kohlenbergwerk besaß, von dem es den Kohlenzehnten erhob.
Das darauffolgende, das 16. Jahrhundert, war der Entwickelung des erzgebirgischen Bergbaues im allgemeinen günstig, indem die Landesfürsten, wie Herzog Georg der Bärtige, Heinrich der Fromme und Moritz in den zuständigen Gebieten, nachmals aber Kurfürst August I., der große Volkswirt des 16. Jahrhunderts, im ganzen Lande dem Bergbau eine vorzügliche Pflege angedeihen ließen. 1515 wird das Bergstädtchen Brand gegründet, 1517 Gottesgab, Eibenstock, Jöhstadt, 1521 Marienberg; gleichzeitig wird Schlettau zur Bergstadt erhoben. 1522 ist Scheibenberg gegründet, 1526 Wiesenthal, 1532 Platten. 1534 werden wir durch eine landesherrliche Bergordnung mit dem Bergbau zu Schwarzenberg, Gottesgab und dem Zinnbau zu Platten bekannt gemacht; während in den Jahren 1515–1537 nach einem Annaberger Silberbuche zu Annaberg 86, Marienberg 17, Elterlein 4, Wiesenthal 2 und zu Scheibenberg 8 Zechen in Erzlieferung waren. Gleichzeitig deutet eine Urkunde vom Jahre 1538 auf den auch zu Olbernhau betriebenen Bergbau. In den 50er Jahren finden sich dann Zechen zu Lauterstein, zu Drehbach, zu Scharfenstein und 1556 der Zinnbau zu Eibenstock erwähnt. 1578 erfahren wir etwas vom Bergbau zu Wildenau, Dörfel und Jugel. Seit 1573 wird dann die Stahlfabrikation erwähnt, und 1561 schon begegnen wir zahlreichen Eisen- und Blechhämmern, namentlich in der Schwarzenberger und Eibenstocker Gegend. Seit 1561 finden wir die Torfstecherei im oberen Erzgebirge erwähnt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden die Marmorbrüche bei[108] Crottendorf, 1583 die Serpentinsteinbrüche zu Zöblitz begonnen. Auch hatte man im Jahre 1577 noch den Versuch gemacht, zu Wolkenstein ein Salzwerk anzulegen, ohne damit jedoch einen Erfolg zu erzielen.
Im nächsten Jahrhunderte vernichtete der Dreißigjährige Krieg den Bergbau im Obererzgebirge fast ganz.
Nach W. Zöller.
Anfang des 19. Jahrhunderts zählte man auf dem Erzgebirge etwa 700 Gruben mit gegen 12 000 Bergleuten, während 50 000 Menschen vom Bergbau lebten.
Der Erzgebirgische Bergstaat bestand 1815 aus dem Oberbergamt und dem Oberhüttenamt zu Freiberg.
Unter dem Oberbergamt standen die beiden Oberzehntner- und Austeilerämter in Freiberg und im Obergebirge, die Bergakademie und die Bergämter Altenberg mit Berggießhübel und Glashütte, Annaberg, Freiberg, Geyer mit Ehrenfriedersdorf, Johanngeorgenstadt mit Schwarzenberg und Eibenstock, Marienberg, Scheibenberg mit Oberwiesenthal und Hohenstein, Neugeysing, Bärenstein, Seiffen.
Unter dem Oberhüttenamte standen alle Schmelzhütten und das Halsbrücker Amalgamirwerk. Dagegen waren die Saigerhütte Grünthal, das doppelte Blaufarbenwerk in Oberschlema, die Blaufarben-Kommunfaktorei in Schneeberg, das Pfannenstieler, Zschopauthaler und Schindlersche Blaufarbenwerk unmittelbar unter dem Geheimen Finanz-Kollegium.
Unter der Verwaltung des Oberberghauptmanns Freiherr von Herder, 1821 Berghauptmann, 1826 Oberberghauptmann, entwickelte sich auf Grund der alten Verfassung und eines edlen Standesgeistes ein außerordentlich reges bergmännisches Leben. Neue Maschinen wurden in Anwendung gebracht, das Schmelzwesen bedeutend verbessert, besonders seit der Einführung der Koaks im Hüttenwesen 1820, und das Ausbringen bedeutend erhöht, wenn es auch noch nicht den Umfang der neuesten Zeit erreichte.
Im Freiberger Revier baute man auf Silber und Blei, im Altenberger auf Zinn und Eisen, im Glashütter auf Silber und Vitriol, schwefelsaure Metallsalze, im Marienberger auf Silber, etwas Arsenik und Zinn, in Geyer und Ehrenfriedersdorf auf Zinn, Vitriol und Arsenik, in Annaberg auf Silber und Kobalt, im Scheibenberger Revier, welches jedoch in dieser Zeit schon einging, auf Silber, Kobalt, Eisen, Arsenik, im Johanngeorgenstädter auf Silber, Eisen, Zinn, Vitriol, Schwefel, und im Schneeberger auf Silber, Kobalt, Wismut, Eisen, Vitriol, Schwefel und Arsenik.
Nach Süßmilch.
Die Hammerschmiede gehörten in früherer Zeit zu den Besonderheiten des Erzgebirges. Heute noch ist der Beiname »Hammer« bei manchem Orte gang und gäbe. Die »Hämmer« schmiedeten das Eisen nicht nur, wenn es heiß, sondern auch, wo es zu Hause war; sie waren bodenwüchsig, diese Eisenhämmer. St. Johann am Rotenberge bei Schwarzenberg, Irrgang an der böhmischen Grenze, Rehhübel und Henneberger Zug bei Johanngeorgenstadt, Vier Gesellen und Altermann beim Auersberge, Urbanus, Spitzleite bei Eibenstock, Schwalbener Zug und Roter Kamm bei Schneeberg, das sind die mächtigsten Eisenerzgangzüge,[109] auf denen die Gewinnung jahrhundertelang bergmännisch betrieben wurde. Vielfach sind diese Gänge zu Tage ausgegangen: Frühzeitig hat man schon das Erz verwertet. Es ist wahrscheinlich, daß der Aufschwung der Eisenhüttenwerke im 16. und 17. Jahrhundert zu suchen ist. Im 16. Jahrhundert entstanden Muldenhammer, Unter- und Oberblauenthal, Wildenthal, Breitenbach, die Hämmer von Pöhla und Raschau. Im 17. Jahrhundert sind gegründet Carlsfeld und Wittigsthal. Vom Jahre 1660 stammt ferner die »Hammerordnung« Kurfürst Johann Georgs II. für die Blechhämmer in den Ämtern Schwarzenberg, Wolkenstein und Lauterstein. 1775 sind im Bezirke des Kreisamtes Schwarzenberg allein 18 Eisenhämmer, ohne die Waffen- und Drahthämmer, im Gange gewesen. Heutzutage sind von den alten Eisenhämmern noch Pöhla, Obermittweida, Erlahammer, Morgenröte, Rautenkranz, Schönheiderhammer als Eisengießereien vorhanden. Der Hohofenbetrieb hat ganz und gar aufgehört.
Es muß in der Zeit der Blüte dieser Eisenhämmer ein gar reges Leben in den Gebirgsthälern gewesen sein. Da dampften die Hohöfen, die Gebläse pfauchten, und hell erklang der Schall der mit der Hand geschwungenen Hämmer zwischen den vereinzelteren dumpfen Schlägen des großen Hammers, den Wasserkraft in Hub setzte. In den niederen schwarzen Hütten rührten sie sich emsig, die rußigen Gestalten der Hammerschmiede, die um die Frischfeuer, die Ambosse und Gießstätten herum thätig waren. Sie bildeten eine echte und gerechte Zunft. Manche der ersten von ihnen im wilden Waldgebirge werden stellenweise ihr bißchen Eisenstein selbst erst gegraben haben, um es dann zu verschmelzen. Meist hatten sie jedoch nur sogenannte »Zerrennfeuer« und »Blauöfen«. Erstere sind Gebläseöfen gewesen, in denen nur Eisen geschmolzen werden konnte, auch in letzteren konnte nur Harteisen geschmolzen werden, doch sind die Blauöfen gewissermaßen als Vorstufe der Hohöfen anzusehen. Ende des 16. Jahrhunderts scheinen die ersten Hohöfen gebaut worden zu sein. Hammerschmiede hießen die Gesellen dieser Hammermeister. Mitte des 18. Jahrhunderts stellte man schon eiserne Kessel, Öfen, Ofentöpfe und dergleichen Gußwerke her. Im 17. Jahrhundert, im Jahre 1683, hat man zu Carlsfeld ein Eisenschmiedewerk angerichtet. Auch ein Pfannenschmiedewerk erstand. Die Hauptsache war aber die Herstellung der Bleche. An die Blechhämmer schlossen sich die zahlreichen Löffelschmiedereien an. Von diesem Gewerbe hat sich noch ein bedeutender Rest erhalten.
Nach Dr. Jacobi.
Jedes Hammerwerk hat wenigstens einen Leiter, welcher ein technisch gebildeter Mann sein muß, und einen Schichtmeister, dem das Rechnungswesen anvertraut ist, während ersterem die technische Leitung des Werkes obliegt. Zu dem Hohofen, in welchem der Eisenstein geschmolzen wird, gehören 1 Steinpocher, 2 Aufgeber, 2 Hohöfner und 1 Schlacken- oder Wascheisenpocher. Ehe der Hohofen angeht, wird durch den Leiter der untere Teil des Hohofens eingebaut, was man Zustellen nennt; früher besorgte dies der Hohofenmeister. Bei einem Stabhammer oder Frischfeuer, in welchem das rohe, durch den Hohofen gewonnene Eisen ausgeschmiedet wird, arbeiten der Meister oder Frischer, der Vorschmied, der Einschmelzer und ein Junge; zuweilen bei französischen Feuern noch ein Fröner, welcher Vorschmiedsstelle dann mit versehen muß. Die Arbeit der Hammerschmiede ist und bleibt wohl eine der schwersten[110] und schweißvollsten. Der Aufgeber muß in die Mündung des Hohofens, wo die Flamme hoch in die Höhe schlägt, Kohlen und Eisenstein schütten. Der Arbeiter in dem Frischfeuer steht neben dem Feuer, wo das Roheisen gefrischt und geschmolzen wird, und muß das glühende Eisen, mehrere Zentner schwer, herausnehmen, auf dem Amboß teilen und die Teile ausschmieden. Während des Schmelzprozesses verdient ein Hohöfner wöchentlich 3 Thaler, ein Aufgeber und Steinpocher 2 Thaler. Der Meister erhält rohes Eisen und Kohlen und muß dafür eine bestimmte Anzahl Stabeisen liefern. Hat er Überschuß, so ist der Gewinn sein, allein er darf den Überschuß nur an den Hammerherrn verkaufen. Liefert der Frischer nicht so viel Eisen, als er sich verbindlich gemacht hat zu liefern, so muß er das Fehlende bezahlen. Seinen Arbeitslohn erhält er nach dem Gewichte des ausgebrachten Stabeisens. In dem Zainhammer wird das Arbeitslohn nach der Wage bezahlt, d. h. je mehr Wagen Eisen die Arbeiter auszainen, desto mehr erhalten sie. Sie können ebensoviel verdienen, als die Arbeiter beim Frischfeuer oder Stabhammer. Da die Hammerschmiede während ihrer Arbeit einer großen Hitze ausgesetzt sind, so ist ihre Kleidung sehr einfach. Sie gehen meist nur im blauen Hemde und in leichten Hosen, welche ein langes Schurzfell festhält; früher gingen sie meist nur im bloßen Hemde, weil der glühende Sinter, der während der Arbeit herumspringt und mithin dem Arbeiter sehr oft auf den Leib gerät, leichter auf die Erde fällt, wenn er das Schurzfell lüftet. Das Rohschmelzen im Hohofen, das Toben der Hämmer, das Heulen und Pfeifen der Gebläse und dabei das pausenweise Aufschlagen der Gichtflamme, welches zur Nachtzeit dem Wetterleuchten ähnlich ist, die von Kohlenstaub geschwärzten Arbeiter mit starken, ausdrucksvollen Gesichtszügen, Zähnen wie Elfenbein, das Innere der Hände mit hufartiger Rinde, an welche sich die krummen, wenig gelenkigen Finger anschließen, kann uns das Gemälde des Dichters versinnlichen, wenn er von der Werkstätte des Vulkans und seiner Cyclopen schreibt. Ein königlicher Hammer-Inspektor führt die Aufsicht über sämtliche sächsischen Hammerwerke, geht den Werksbesitzern mit Rat an die Hand, nimmt etwaige Beschwerden entgegen und sieht die Betriebstabellen ein.
Das Eisen, welches sich in 12stündiger Schicht im Hohofen angesammelt hat, fließt einem Feuerstrom gleich in einen trogartigen Sandgraben, welches Ablaufen, »Abstechen« heißt. Diese Masse erstarrt sehr bald und heißt eine »Ganz«, weil es eine ganze rohe Eisenmasse ist. Eine solche Ganz wiegt 3 bis 4 Zentner. Diese Gänze, sowie überhaupt das Roheisen, werden, wie erwähnt, verfrischt. Das Walzen der Stäbe geschieht, um aus den gefrischten, höchstens nur unter dem »Stirnhammer« etwas vorgeschmiedeten Eisenmassen die Stäbe herzustellen, oder um die schon unter dem »Aufwerfhammer« weiter ausgestreckten Kolben oder dicken Stöcke zu verfeinern. Im ersten Falle wendet man erst Präparierwalzen und nachher das eigentliche Stabwalzwerk an, im zweiten Falle gebraucht man letzteres allein. Die dünnsten Stäbe werden oft durch eine das Auswalzen an Schnelligkeit noch übertreffende Verfahrungsart dargestellt, indem man 3 bis 5 Zoll breite und 30 bis 40 Fuß lange gewalzte Schienen nach ihrer ganzen Länge in Streifen zerschneidet. Hierzu bedient man sich des Eisenspaltwerkes, der Schneidewalzen.
Nach Elfried v. Taura.
Man darf nicht glauben, als würde der Löffel mit einem Male vollendet; es gehen da eine Masse Arbeiten voraus, ehe er als solcher verkauft werden[111] kann. Zunächst bezieht die Fabrik das Eisen für alle Gattungen von Löffeln von den Hammerwerken, wo es unter dem Namen Löffeleisen in Stäbe geschmiedet und nach der Wage verkauft wird. Der Fabrikant liefert dasselbe nach dem Gewichte an die Plattenschmiede, welche zerstreut in nahen und entfernt liegenden Ortschaften wohnen; diese verfertigen daraus die Platten, d. h. die ebenen, plattausgehenden Eisenstücke, die noch keine Vertiefung haben. Zwei solche Plattenschmiede können täglich gegen 24 und aus einer Wage etwa 36 Dutzend Platten schmieden, die sie an den Fabrikanten wieder nach dem Gewichte abliefern. Nun kommen die Platten wieder in die Hände der zerstreut wohnenden Löffelmacher, welche sie austeufen, wozu sie einen Amboß, worauf die stählernen Modelle oder Formen befestigt und nach verschiedenen Größen und Gestalten eingelassen sind, und verschiedene Teufhämmer haben. Dann bringt man sie wieder zur Ablieferung. Täglich kann ein Löffelmacher 25 Dutzend abteufen. Endlich werden die Löffel ins Zinnhaus abgegeben, da verzinnt, dann mit Kleie gescheuert, sortiert und so vollendet aufs Lager und in den Handel gebracht.
Nach Elfried v. Taura.
Elfried von Taura schildert den Besuch eines Blaufarbenwerkes zu seiner Zeit wie folgt. Bei den Gesamt-Blaufarbenwerken, dem Schlemaer und beiden gewerkschaftlichen zu Pfannenstiel und dem Schindlerschen zwischen Aue und Schwarzenberg, ist die Einrichtung getroffen gewesen, daß kein Werk seine gefertigten Farben für sich verkaufte, sondern solche in das gemeinschaftliche Lager nach Leipzig und Schneeberg lieferte. Diese Bestimmung der gleichen Absendung der Farben besorgte der in Schneeberg wohnende Kommunfaktor. Die Ablieferung geschieht demnach von allen Werken zu gleichen Teilen, sodaß das Ganze als ein ⁵/₅ betrachtet wird, wovon das königliche als Doppelwerk ⅖ und das Gesamt Privatwerk ⅗ abliefert. Die Werke haben das Recht, daß alle Kobalte, die im Lande gefunden werden, an sie verkauft werden müssen, und darum kommen in jedem Quartal Berg- und Blaufarbenwerk-Offizianten, zu welchen letztern die Faktore und Farbenmeister gehören, nach Schneeberg, um die Kobalte chemisch zu untersuchen und nach dem ausgefallenen Werte den Gruben die Kobalte zu bezahlen. Alle Kobalterze werden geröstet, gepocht, kalziniert und mit andern Materialien verschmolzen, um die blauen Farben zu bereiten. Jedes Farbenwerk hat seine nötigen Schürer oder Schmelzer, Gemengmacher, Kalzinierer, Waschstübner, Farbereiber, Oxydmacher u. s. w., die alle den gemeinschaftlichen Namen Farbearbeiter oder Farbebursche führen. Ihre Erzeugnisse sind Smalte, Safflor, Zaffers, Ultramarin. Zum Schmelzen des Kobaltglases dient ein besonders eingerichteter Ofen, in welchen Häfen aus festem, gutem Thon hineingebracht, in welche das Gemenge eingelegt wird, um dies eben darin zu Glas zu verschmelzen. Das Kobaltoxyd giebt mit Säure Salze, welche rot gefärbt sind. Die zur Herstellung der Farben nötigen Hauptmaterialien sind: die Kobalterze, Pottasche, Quarz, Arseniksäure als Zuschlag. Die Kobalterze sind entweder schon oxydiert oder müssen oxydiert werden. Dieselben werden zuvörderst gesaigert und dann geröstet, was in besondern Öfen geschieht; das geröstete Erz wird gesiebt und so zur weiteren Verarbeitung aufbewahrt. Der Quarz wird »gebrannt« und dann »gepocht«.[112] Das Gemenge wird im Schmelzofen geschmolzen, was gewöhnlich 8 Stunden dauert. Ist die Masse flüssig, so schöpft man das Glas mit eisernen Löffeln und bringt es in einen daneben stehenden Trog mit Wasser zum »Abschrecken«. Unter dem Glase befindet sich im Schmelzhafen die leichter flüssige »Speise«, welche nicht »abgeschreckt«, sondern in eisernen Eingüssen, in Form von Schüsseln, hart an dem Ofen eingesenkt, aufgesammelt wird. Die abgeschreckten blanken Gläser werden aus dem Troge genommen und unter Pochstempeln gepocht, dann gesiebt, auf Mühlen mit Wasser vermahlen. Der so gewonnene Schlamm kommt in ein Waschfaß, wo die Abscheidung der Farben durch Niederschlagen erfolgt. Die über dem Niederschlage stehende Flüssigkeit wird in die »Eschelfässer« abgezapft, in denen man den »Eschel« gewinnt. Die gewonnene Farbe sowohl als der Eschel werden wiederholt von den Waschstübnern verwaschen, bis alles rein ist. Das trübe Wasser, vom Verwaschen der Eschel bläulichgrau aussehend, setzt zuletzt den schlechtesten Eschel in den »Sumpf« ab, d. i. »Sumpfeschel«, der den Glasgemengen wieder beigesetzt wird. Die Farben und Eschel werden getrocknet, sowohl in den geheizten Trockenstuben als auch von der Luft in Trockenhäusern, dann zerrieben und gesiebt.
Jedes Werk wird verwaltet vom Faktor, dem bei dem königlichen Werke noch ein Chemiker, bei dem Privatwerke zu Pfannenstiel noch ein technischer Faktor (zugleich mit für das Schindlersche Werk) beigegeben ist. Die Farbenbereitung leiten die Blaufarbenmeister. Sämtliche Blaufarbenwerker müssen beim Läuten des Hüttenglöckleins punkt 5 Uhr im Werke eintreffen: zuerst wird gebetet und gesungen, um 6 Uhr ist alles in voller Thätigkeit. Abends um 6 Uhr, nachdem wieder gebetet und gesungen worden, wird Schicht gemacht. Die Arbeiter haben bei Paraden ihre besondere Tracht, bestehend in einem weißen Leinwandbergkittel mit blauem Steh- und Hängekragen, weißen Leinwandhosen, blauem Schurz, schwarzem Schachthut, den die Sachsenkokarde ziert. Die Offizianten haben nach ihrem Range ganz die Uniform wie die Bergoffizianten. Ihr Gruß ist »Glück auf«, ihre Zeichen sind Krücke und Kratze. – Jeder Arbeiter beginnt seine Laufbahn als Taglöhner. Zeigt er sich als Taglöhner brav und brauchbar, so wird er »wirklicher Arbeiter« und darf nun als Auszeichnung die weiße Schürze bei der Arbeit tragen.
Als im 16. Jahrhundert der Bergsegen des Obererzgebirges jährlich sich verminderte und überall ein Wehgeschrei über den Silberräuber, so oder Kobold nannte man das taube Erz, welches das Silberausbringen erschwerte, sich erhob, da kam Christoph Schürer, eines Apothekers Sohn aus Westfalen, landesflüchtig seines evangelischen Glaubens wegen, nach Schneeberg, wo er, als ein in der Chemie und Naturlehre wohlerfahrener junger Mann, bald eine Anstellung bei den Hütten fand. Schon wenige Tage nach seiner Ankunft gewann er die Liebe Annas, der Tochter des Hüttenmeisters Rauh, und bald auch durch sein einnehmendes Betragen das Jawort ihres Vaters, sodaß die Hochzeit auf das nächste Bergfest bestimmt wurde. Ehe aber das Bergfest kam, drohte Schürers Unstern alle seine Hoffnungen zu vernichten. Nämlich in seiner Forschgier war er auf den Gedanken geraten, den vielverrufenen Kobold, den verhaßten Silberräuber, durch chemische Zubereitungen zu etwas Nützlichem umzugestalten. Er machte demnach insgeheim in einer Schmelzhütte in Oberschlema vielfache Versuche, und trieb es damit oft die ganze Nacht hindurch, so eifrig, daß er bald[113] in den Verdacht der Alchymisterei und Schwarzkünstelei geriet. Als daher aus Platten in Böhmen, wo er sich bei seinem früheren Aufenthalte daselbst durch seinen Glauben Feinde und durch seine Kenntnisse und sein Ansehen Neider gemacht hatte, mehrfache Klagen einliefen, daß er ein Zauberer, Dieb und Glaspartierer gewesen sei und man seine Auslieferung forderte, gebot der Bürgermeister, ihn zu verhaften. Eben war Schürer in der Schmelzhütte mit seinen Versuchen beschäftigt, da kam der Fron, ihn festzunehmen, fand aber die äußere Thür verschlossen und meldete es dem Bergmeister. Diesen, sowie den Hüttenmeister Rauh und einige Geschworne trieb jetzt die Neugier, mitzugehen. Die Thür wurde aufgesprengt, und mit freudefunkelnden Augen trat der gesuchte Verbrecher den Eintretenden entgegen. Aber wie staunte er, als der Fron ihn griff und ihn einen Zauberer, Dieb und Partierer schalt! »Männer,« rief er, schnell sich fassend, mit fester Stimme, »Männer, prüfet, ehe Ihr entscheidet! Meint Ihr, ich treibe bösen Unfug hier mit schwarzer Kunst, so tretet her! Seht, dies wollte ich gewinnen und, Gott sei Dank, endlich ist's gelungen! Ich meine, es soll dem Lande von großem Nutzen sein!« Somit reichte er ihnen eine Mulde voll feinen, schönblauen Staubmehles hin. Die Bergherren staunten und begehrten zu wissen, wie und woraus er solche schöne Farbe bereitet habe. Schürer zeigte ihnen alles willig und reinigte sich so von dem Verdachte, daß er ein Schwarzkünstler sei. Auch machte es dem Bergmeister so große Freude, daß derselbe versprach, alles zu thun, um Schürers Unschuld gegen die Anklagen der Böhmen zu erweisen. Dies gelang auch dem wackern Manne bald, und Schürer erhielt nun seine Freiheit wieder und kam durch die Erfindung der schönen blauen Farbe, die man anfangs nur blaues Wunder nannte, zu großen Ehren, und als das Bergfest gekommen war, wurde er des Hüttenmeisters glücklicher Eidam!
Neben dem Filzteiche befindet sich eine beträchtliche Torfstecherei. Man hat schon ums Jahr 1708 im obern Erzgebirge Versuche mit Torfgraben gemacht, z. B. am Kranichsee bei Carlsfeld, bei Scheibenberg und Schneeberg. Aber kein Mensch wollte Torf kaufen, denn man hatte des Holzes genug; und so blieb es bei dem Versuche, der im Jahre 1756 fast ebenso erfolglos wiederholt wurde. Man gab da für 1000 Torfziegel zu stechen 10½ Groschen und verkaufte solche zu 21 Groschen. Aber die Macht des Vorurteils war so groß, daß man den Torf nicht einmal umsonst haben wollte, sodaß viele hunderttausend Stück Ziegel verdarben und zerfielen. Erst seit dem Jahre 1789 wurde auf wiederholte Anordnung des Finanzkollegiums die Torfstecherei am Filzteiche ordentlich in Gang gebracht, und im Jahre 1790 wurden auch Trockenhäuser und Kohlenschauer angelegt. Ein einziger Arbeiter konnte täglich über 1000 Stück stechen; sogar Kinder verdienten dabei ihr Brot, denn man bediente sich ihrer zum Zählen und Aufschlichten der Ziegel. Der Torf, ein aus Wurzeln bestehender Filz, ist schwarzbraun. Die Ziegel wurden in den 4 großen Trockenhäusern gedörrt und dann nach Schneeberg ins Torfmagazin geschafft. Man verkohlte deren viele Hunderttausende in Meilern zu 36 000 Stück. Im Jahre 1795 wurden 1000 Stück zu 8 Groschen verkauft. – Nicht weit vom Filzteiche ist auf Johannisgrüner Revier im Jahre 1791 eine zweite Torfstecherei angelegt worden. Die Torffeuerung ist in Sachsen schon seit dem Jahre 1560 bekannt.
Nach Schumann.
Bei Aue wurde noch am Anfange dieses Jahrhunderts in der Fundgrube des Weißen St. Andreas weiße Thonerde bergwerksmäßig gewonnen und zur Verfertigung des Meißener Porzellans verwendet. Es fuhren außer dem Steiger täglich 32 Bergleute an. Die Erde oder das »Weiße Zeug« wurde getrocknet, von wilden Arten oder Beimischungen geschieden, und fässerweise wurden aller 14 Tage gegen 120 Zentner durch zwei verpflichtete Fuhrleute nach Meißen geschafft. Die Fässer waren umschnürt und wohlversiegelt. Die Erde durfte nicht außer Lande geschafft werden, ja auf der Zeche selbst bekam man sie kaum zu sehen. In die Gruben, Trocken- und Vorratshäuser durfte niemand ohne Erlaubnis. In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Ausfuhr des weißen Thons der Auer Gegend anfänglich bei großer Geldstrafe und im Jahre 1745 sogar beim Strange verboten. Im 7jährigen Kriege ließ Friedrich der Große mehrere Wagen voll Auer Erde nach Berlin schaffen, um sie untersuchen zu lassen, damit er in seinen Ländern nach ähnlicher graben lasse. Es entstand auch daraufhin die Berliner Porzellanfabrik.
Nach Schumann.
Richard v. Meerheimb.
Aus früherer Zeit wird uns über das Spitzenklöppeln im Erzgebirge folgendes Bild von Berthold Sigismund entworfen:
Im Obererzgebirge sieht man fast hinter jedem Hüttenfenster eifrige Klöpplerinnen. In der schönen Jahreszeit trifft man ganze Gesellschaften von klöppelnden Frauen, Mädchen und Kindern im Freien. Im Winter kommen die Klöppelmädchen abends zusammen und arbeiten gemeinschaftlich, wie anderwärts die Spinnerinnen. Die Haltung der Klöpplerinnen ist allerdings nicht sonderlich anmutig, indem sie beim Arbeiten den Oberkörper, ähnlich wie beim Schreiben, etwas vorbeugen. Die gewandten Bewegungen der Hände aber lassen sich ebenso schwer darstellen, wie der flüchtige Tanz der Finger des Klavierspielers. Die Handhabung der Nadeln beim Stricken ist nichts im Vergleiche zum Gebrauche der Klöppel beim Spitzenanfertigen. Die Verwunderung über die Kunstfertigkeit der Klöppelhände wird noch gesteigert, wenn man das äußerst schlichte Werkzeug sieht, dessen die Klöpplerin sich bedient. Sie sitzt vor einem walzenförmigen, einen Fuß langen, mit Kattun umhüllten Polster, dem sogenannten Klöppelsack oder Klöppelkissen, das mit einer großen Anzahl von Stecknadeln gespickt ist. Der Klöppel selbst ist ein 10 cm langes, zur Form eines Trommelstockes gedrechseltes Holzstück, über welches das »Tütle«, eine dünne hölzerne Hülse von 4 cm Länge, gesteckt ist, damit der um den Klöppel gewickelte Faden nicht beschmutzt wird. Einen solchen Klöppel mit Tütle kauft man um einige Pfennige. Das Köpfchen ziert eine Perle. Jede Klöpplerin sucht ihren Stolz in einer bunten Mannigfaltigkeit der letzteren. Zu schmalen Spitzen gehören 2–4, zu breiten wohl 100 Paare. Um die Mitte des Kissens ist ein Streifen starken Papiers, auf welchen das Muster durch Nadelstiche vorgezeichnet ist, der sogenannte Klöppelbrief, geschlungen. Zunächst werden soviele Fäden, als das Muster erfordert, auf ebensoviele Klöppel aufgewunden, die freien Enden in einen Knoten geschürzt und auf dem Kissen befestigt. Dann beginnt das Klöppeln, welches im wesentlichen nicht anders ist, als eine kunstvolle Art zu flechten. Die Arbeiterin faßt mit den Fingerspitzen bald der rechten, bald der linken Hand mehrere Klöppel, wickelt durch gewandte Drehung derselben etwas Faden ab und kreuzt die Fäden durch einen »Schlag« zu einer Art Knoten. Die so gebildeten Maschen werden zeitweilig durch bunte, glasköpfige Stecknadeln an dem Klöppelbriefe festgehalten. Rasch beseitigt nun die Hand diejenigen Klöppelpaare, welche eben gebraucht wurden und bis auf weiteres entbehrlich sind, dadurch, daß sie dieselben mit einer großen Aufstecknadel seitlich am Kissen feststeckt. Dann nimmt sie mit bewunderungswürdiger Sicherheit aus der Menge der Klöppel, die alle gleich aussehen und nicht an Nummern oder sonstigen Zeichen kenntlich sind, andere Paare heraus, um damit weiter zu arbeiten. – Es ist begreiflich, daß die Fertigkeit, mit welcher die Klöpplerin für jede Nadel den rechten Klöppel findet und benutzt, nur durch Übung von frühester Jugend an errungen werden kann, weshalb auch Kinder schon im vierten und fünften Lebensjahre zu klöppeln anfangen. Auch sorgen für Erlernung der erzgebirgischen Kunst außer den Familien mehrere vom Staate unterstützte Klöppelschulen.
Nach Berthold Sigismund.
Nach Dr. Otto Krause.
Ein armes Mädchen mußte durch Klöppeln für sich und die alte Mutter das kärgliche tägliche Brot erwerben. Da wurde ihm einst von der reichen Edelfrau, der Besitzerin ausgedehnter Güter und ihrer Herrin, der Auftrag erteilt, für sie in einer bestimmten kurzen Frist ein reiches Spitzenkleid zu fertigen. Wenn die arme Klöpplerin ihre Aufgabe pünktlich und zur Zufriedenheit ihrer Herrin löste, sollte ihr reicher Lohn werden; beim Gegenteile erwartet sie dagegen Spott und bitterer Hohn. Die arme Klöpplerin saß Tag und Nacht bei ihrer Arbeit. Doch als die sechste Nacht kam, da konnte sie sich nicht mehr des Schlafes erwehren, und sie wankte todmüde an das Bett der Mutter hin. Aber wunderbare Träume zogen jetzt wie ein Frühlingshauch durch ihre Seele. Die ärmliche Stube erglühte in rosenrotem Schein, und leise trat eine holde Frau ein mit einer goldenen Krone auf dem Haupte. Es war die Himmelskönigin Maria. Dieselbe setzte sich an das Klöppelkissen, und die Klöppel flogen so zauberhaft, wie es dem Mädchen nie gelungen war, sodaß vor Anbruch des Tages das reichste Spitzenkleid vollendet dalag. Als das also träumende Mädchen aus dem Schlafe erwachte, stand bereits die Sonne hoch am Himmel. In Wirklichkeit aber, wie der Traum es gezeigt hatte, war das Spitzenkleid fertig und die Klöpplerin trug es frohen Mutes hinauf zum Schlosse. Da freute sich die stolze Herrin und belohnte die Arbeit so reichlich, wie nie zuvor. In dem Kleide jedoch war Gottes Segen eingewoben, welcher in der Folge nicht nur der strengen Edelfrau, sondern auch der armen Klöpplerin zu teil wurde.
Nach Bowitsch und Dr. Köhler.
In der Kreishauptmannschaft Zwickau bestehen 27 vom Staate beaufsichtigte und unterstützte Spitzenklöppelschulen. Die Orte, in denen sich die Schulen befinden, sind: Albernau, Aue, Bermsgrün, Breitenbrunn, Crandorf, Elterlein, Grünhain, Hammerunterwiesenthal, Haßlau (I und II), Hundshübel, Jöhstadt, Neustädtel, Oberwiesenthal, Planitz (I und II), Pöhla, Rittersgrün (I, II und III), Rothenkirchen, Schlema, Schneeberg, Schwarzenberg, Unterwiesenthal, Wilkau (Abteilung A und B) und Zschorlau. Diese Schulen wurden im Jahre 1896 von 1303 Schülerinnen besucht. Der gesamte Arbeitsverdienst betrug 30 177 M 48 Pf, durchschnittlich 23 M 16 Pf. Die gesamten Einnahmen beliefen sich auf 22 718 M 36 Pf und die Ausgaben auf 20 717 M 51 Pf. Als Staatsbeihilfen wurden 15 580 M gewährt. Das Gesamtsparguthaben der Klöppelschülerinnen bestand am Schlusse des Jahres 1896 in 29 935 M 45 Pf. In der Kreishauptmannschaft Dresden besteht nur eine Spitzenklöppelschule, nämlich in Brand bei Freiberg. Außerdem besteht in Schneeberg die Königl. Spitzenklöppelmusterschule.
Zahlreiche Erzgebirger früherer Zeit wanderten in jedem Jahre monatelang gleich Zugvögeln in die Fremde, um dann wieder zur heimischen Scholle[117] zurückzukehren, die ihnen als das schönste Erdenfleckchen erschien und darum über alles teuer war.
Die im Anschlusse an den erzgebirgischen Bergbau auf Eisen und andere Metalle betriebenen Gewerbe erzeugten eine mannigfaltige Menge von Gegenständen. Zahlreiche Bewohner fanden nicht nur unmittelbar beim Eisenbergbau, sondern auch in den Hammerwerken, Walz- und Drahtwerken, sowie bei der weiteren Bearbeitung des Eisens und Stahls zu Löffeln, Nägeln, Nadeln, Schneidewerkzeugen Beschäftigung und Brot. Neben den Waren aus verzinntem Blech wurden auch solche aus Schwarzblech gefertigt. Im Raschauer Grunde war die Nagelfabrikation ein Jahrhunderte alter Erwerbszweig.
Alle die genannten Erzeugnisse der Handarbeit unserer Erzgebirger wurden nun von zahlreichen Personen im Kleinhandel vertrieben. So bildete sich ein Wanderleben, das lange Zeit eine Eigentümlichkeit vieler Bewohner des Erzgebirges gewesen ist. Schon 1628 besuchten die Bockauer mit hölzernen und blechernen Waren die Jahrmärkte viele Meilen weit. Im 17. Jahrhunderte führten die Händler auch Eisenwaren mit sich.
Die mit Blechwaren hausierenden Schönheider nannte man »Röhrenschieber«. Mit ihnen waren es auch Bärenwalder, Bernsbacher und Beierfelder, welche auf Schiebkarren oder kleinen selbstgezogenen Wagen die schwarzen Blech- und Eisenwaren von Ort zu Ort fuhren und so lange von ihrem Dorfe fortblieben, bis sie alles verkauft hatten.
Neben den Haarnadeln und anderen in das Nadlergewerbe einschlagenden, aus Stahl gefertigten Gegenständen lieferte Oberwiesenthal vor etwa 100 Jahren besonders auch Stecknadeln, zu denen der Messingdraht aus Rodewisch bezogen wurde.
Unter den von erzgebirgischen Hausierern geführten Waren sind auch Farben aus den obererzgebirgischen Blaufarbenwerken gewesen.
Als Landreisende können wir die Bergfertigen, alten oder kranken Bergleute bezeichnen, welche mit Nachbildungen von Berg- und Pochwerken umherzogen, um sie bei Jahrmärkten auf den Straßen, in Wirtsstuben oder in den Schulen zu zeigen und zu erklären.
Als der Bergbau erlag, wandte man sich vielfach anderer Beschäftigung zu. Zunächst bot der Wald mit seinem billigen Holze dazu Gelegenheit. Aus kleinen Anfängen entstand die Holzwarenindustrie. »Seiffner Waren« nannte man die Schachteln, Nadelbüchsen, Knöpfe, Spindeln und dergleichen. Im Vogtlande nicht nur, auch im Erzgebirge und besonders im Amte Schwarzenberg fanden viele Bewohner durch Pechsieden und Rußbrennen Beschäftigung und Verdienst.
Die Rußbuttenmänner zogen Handel treibend im Lande umher. 1501 erhielt Wilhelm von Tettau durch den Kurfürsten Friedrich den Weisen die Belehnung über die Pechwälder der Herrschaft Schwarzenberg. In der Neuzeit ist das Pechsieden untersagt.
Wie die Rußbuttenmänner, so sind auch die Bernsbacher, Beierfelder, Neuhausener, Oberwiesenthaler und Wolkensteiner Händler mit Feuerschwamm verschwunden. Der aus Buchenschwämmen bereitete Feuerschwamm wurde nicht nur auf Messen und Jahrmärkten, sondern auch im Hausierhandel verkauft.
In Lauter bildet noch gegenwärtig die Korbflechterei einen hervorragenden Erwerbszweig. Nicht nur aus Weidenruten, auch aus Holzspänen und Wurzeln verfertigt man Körbe.
Besonders zahlreich waren die mit allerhand Arzneien, Ölen umherziehenden Händler. Ihre Absatzgebiete waren außer den sächsischen Erblanden die Ober- und Niederlausitz, Thüringen, Bayern, Mecklenburg, Polen, Schwaben, Schweden, selbst die Türkei. Ausgedehnt war besonders der Handel mit Schneeberger Schnupftabak. Der Hauptort seiner Herstellung war Bockau. Aus heilkräftigen Kräutern wurden allerhand Arzneien von den »Laboranten« hergestellt. 1782 waren in Bockau 20 »Laboratorien« im Gange. Noch 1799 beschäftigten sich 41 Personen mit Herstellung von Arzneien oder dem Wurzel- und Kräuterhandel. Der Handel blühte besonders am Anfange unseres Jahrhunderts in Bockau, Eibenstock, Sosa, Jöhstadt, Jugel, Neudorf, Crottendorf, Johanngeorgenstadt, Hundshübel, Lauter, Schneeberg.
Von dem Boden und seinen Erzeugnissen unabhängig entstanden die Spitzenklöppelei, Posamenten- und Bürstenfabrikation. Auch diese Erwerbszweige waren auf die Hausierer angewiesen, welche die Waren an den Mann brachten.
Viele Hunderte zogen noch am Anfange unseres Jahrhunderts fast den größten Teil des Jahres mit Blechwaren, blauer Farbe, Schwefel, mit Spielzeug, Bändern und Spitzen, mit Schneeberger Schnupftabak, Pillen und Pflastern, Schönheider Pinseln und Bürsten umher. Aber zum Winter kehrten sie heim, wie die Strichvögel, und verzehrten, umnebelt von Dünsten des vaterländischen Bodens, von Hütten und Hohofendampf, und oft in verschneiter Heimat den sauer erworbenen Verdienst mit Weib und Kind.
Nach Dr. Köhler und Engelhardt.
Die Zeiten, in welchen die Hausfrau mit ihren Töchtern und Mägden während der langen Winterabende am Spinnrade saß und spann, sind vorüber; nur dem Namen nach hat sich das Andenken daran in verschiedenen Gegenden erhalten. »Sie geht zu Rocken,« sagt man wohl noch heutzutage im Gebirge, wenn die Nachbarin die andere besucht; indes hier ist an Stelle des Spinnrades und des Rockens oder der Kunkel das »Böckel« getreten, worauf die »schwarze Arbeit«, welche zum Verzieren der Frauenkleider dient, aufgerollt wird. In den Dörfern des oberen Vogtlandes wird noch immer fleißig Leinengarn gesponnen, von den ländlichen Webern gewebt und gebleicht, zu Leib-, Tisch- und Bettwäsche, sowie indigoblau gefärbt, zu Schürzen und Taschentüchern verwendet. Das in den altdeutschen Einrichtungen unseres Jahrzehntes aufgestellte Spinnrad ist bloß ein stilvolles Zierstück. Das Spinnen der Baumwolle dagegen besorgen die großen Spinnereien, die sich überall in unserem Gebirge, wo irgend eine genügende Wasserkraft vorhanden war, angesiedelt haben. Und doch sind noch nicht hundert Jahre verstrichen, seitdem es überhaupt in Sachsen Spinnereien giebt!
Die Erfindung der Maschinenspinnerei ist bekanntlich eine englische; man schreibt sie gewöhnlich Richard Arkwright zu. Doch haben spätere Nachforschungen ergeben, daß Arkwright wohl ein großer Verbesserer, aber nicht der Erfinder der Spinnerei gewesen ist. Schon im Jahre 1730 spann Wyatt in Litchfield einen Baumwollfaden ohne Hilfe der Finger; doch hatte sein Versuch keine weiteren Folgen. Im Königreiche Sachsen waren in den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts kleine Handmaschinen zum Spinnen der Baumwolle in Gebrauch. Gegen Ende des Jahrhunderts führte Karl[119] Friedrich Bernhard das englische Spinnereisystem in Sachsen ein. Seine Maschinen waren Mulemaschinen; sie wurden in einem dazu errichteten Gebäude in Harthau bei Chemnitz durch einen Engländer, Namens Watson, aufgestellt. Da Watson als bloßer Maschinenbauer die Maschinen nicht in Gang zu bringen wußte, namentlich, so wird erzählt, die Trommelschnur nicht aufzuziehen verstand, wurde im März des Jahres 1802 der englische Spinner Evan Evans herübergezogen, der auch alsbald auf den Maschinen Garn spann. K. F. Bernhard hatte sich im Jahre 1801 mit seinem Bruder Ludwig vereinigt, und sie führten die Firma: Gebrüder Bernhard.
Evan Evans war 1765 in Llangeblidt in Caernavonshire in Nord-Wales, Großbritannien, geboren und kam aus Manchester 1802 im März als Werkmeister nach Harthau. Bei Gebrüder Bernhard, denen das Verdienst des Unternehmens gebührt, spann er auf neu von ihm hergestellten Maschinen die ersten Mulgarne, erfand hier die so weit verbreitete Spindelschleifmaschine, ehe eine dergleichen in England vorhanden war, erhielt auch dafür von der sächsischen Staatsregierung außer 400 Thalern Prämie eine Verdienstmedaille. Er war zugleich der Lehrer der ersten Spinner in Sachsen. Im Jahre 1806 fing er an, zu Dittersdorf selbständig sich mit Maschinenbauen zu beschäftigen, wählte aber 1809 Geyer zur Fortsetzung seiner zu immer höherer Anerkennung gelangenden Arbeiten. Evan Evans fertigte die Maschinen für eine Menge neu entstehender Fabriken in Erfenschlag, Wolkenburg, Wegefahrt, Mühlau, Lugau, Plaue, Schlettau u. a., auch für viele kleinere Unternehmungen im Erzgebirge und im Vogtlande, sowie in und um Chemnitz. Im Jahre 1810 brachte er die selbsterfundene, später vielfach nachgeahmte Maschine zum Cylinderreifeln am Wasser in Gang, während man sich damals selbst in England noch der Handarbeit dazu bediente. Zwei Jahre später legte Evans den Grund zu seiner eigenen Fabrik in Siebenhöfen. 1823 brachte er die erste sächsische Spulmaschine (Flyer) nach eigener Erfindung in Gang und empfing dafür von der Regierung eine Belohnung von 500 Thalern. Ebenso erfand er eine andere Spulmaschine zum Abwickeln des Garns, deren Nachahmungen weit verbreitet waren. Auf der Dresdener Ausstellung von sächsischen Gewerbeerzeugnissen erhielt der rührige Spinnmeister und Fabrikbesitzer die Große silberne Medaille auf ein Bündel von baumwollenem, rohem, zweidrähtigem Zwirn. Der amtliche Bericht meldet darüber, daß die ausgezeichnete Beschaffenheit des Fadens, sowohl hinsichtlich der Gleichmäßigkeit, als auch der Haltbarkeit alles zu übertreffen scheine, was bisher in dieser Art in Sachsen geleistet worden sei. Evan Evans ist in einem Alter von 79 Jahren am 9. Dezember 1844 gestorben und auf dem Friedhofe neben der Hauptkirche zu Geyer beerdigt worden.
Der Ruhm der Evansschen Spinnerei lebte unter Eli Evans, einem Sohne des Gründers, lange Zeit fort. 1845 erhielt die Spinnerei auf der Dresdener Ausstellung die goldene Medaille für die zweidrähtigen Zwirne (Lacedreath) Nr. 70 bis Nr. 120. Sie erschienen nicht nur an sich vollkommen, sondern auch in dieser Vollkommenheit und in Darstellung der höheren Nummern in ganz Deutschland als einzig in ihrer Art, und auch die Preise stellten sich verhältnismäßig billig. Eli Evans war Mitglied der sächsischen Kammer und des deutschen Parlaments.
Evan Evans war im Kreise seiner Bekannten geschätzt und verehrt als ein Mann von seltener Redlichkeit und Hoheit der Gesinnung, bewährt unter allen Wechseln der Zeit. Pastor Blüher hat in der »Leipziger Zeitung« zur[120] Errichtung eines Denkmals für Evan Evans aufgefordert. Dasselbe sollte an der Stelle, wo der um Sachsen hochverdiente Mann seinen letzten Schlummer schläft, in Geyer, errichtet werden, wo er sich durch Thätigkeit seines rastlosen Geistes die Mittel zur Begründung der eigenen Fabrik in dem angrenzenden Siebenhöfen erworben, in Geyer, welches ihm immer als seine zweite Heimat galt, und wo er sich neben Gattin und Enkeln seine Ruhestätte gewählt hatte.
Die erwerbslosen Jahre ließen den Vorschlag Blühers nicht zur Reife gedeihen. Der gesammelte Betrag wurde zu einer Evansstiftung an den technischen Staatslehranstalten in Chemnitz verwendet. Die Saat, die Evans gestreut, grünt und blüht noch heute im Erzgebirge und im ganzen Königreiche Sachsen fort. Zwar ist in dem mächtigen, von dorischen Halbsäulen flankierten Baue in Siebenhöfen jetzt eine Pappenfabrik und Prägeanstalt untergebracht, aber es haben sich doch an den Ufern der Zschopau und ihrer Zuflüsse, zu denen auch der Geyersche Stadtbach zu rechnen ist, der kurz unterhalb der »Evansschen« Fabrik einmündet, die größten und bedeutendsten Spinnereien des Sachsenlandes angesiedelt.
Zu den beiden Faktoren, Steinkohle und Eisen, welche die Welt regieren, ist als dritter die Baumwolle hinzugekommen. Der dünne, baumwollene Faden bildet eine starke Kette von Erdteil zu Erdteil, von Volk zu Volk, von Werkstatt zu Werkstatt. Tausend fleißige Hände müssen sich regen, ehe die Baumwolle verarbeitet zu dem Pflanzer und Erbauer derselben zurückkehrt. Ein Neger z. B. arbeitet in einer Plantage Brasiliens. Die gewonnene Baumwolle wird dem Händler eingeliefert, wandert über den Ozean und kommt in eine erzgebirgische Spinnerei. Als gesponnenes Garn geht sie nach Thum, wird hier gewirkt, und eine Chemnitzer Weltfirma schickt sie über das Weltmeer zurück nach Amerika, und hier gelangt sie schließlich als Strumpf wieder in die Hände desjenigen Negers, welcher sie seiner Zeit als Wolle in der Kapsel von der Staude pflückte.
Nach Lungwitz.
Im 16. Jahrhunderte verpflanzten ausgewanderte Schweizer die Musselin- und Schleierweberei nach dem Vogtlande und dem daranliegenden Erzgebirge. Nach den Drangsalen des Dreißigjährigen Krieges vermehrte sich die Bevölkerung hier eher wieder, als in anderen, weit besser gelegenen Landschaften. Wesentlich trug dazu die Einwanderung von böhmischen Protestanten bei, welche, ihres Glaubens wegen aus der Heimat vertrieben, sich in den verödeten erzgebirgischen Orten ansiedelten und neuen Unternehmungsgeist und neue Arbeitskraft mitbrachten. Während in anderen Bezirken damals manches zerstörte Dorf als Wüstung liegen blieb, entstand im Erzgebirge sogar eine neue Stadt, Johanngeorgenstadt; denn dieses ist nur wenige Jahre nach dem Westfälischen Friedensschlusse, im Jahre 1654, von böhmischen Vertriebenen angelegt worden.
Doch half auch zur Hebung des Gebirges, daß in den nächsten Jahrzehnten neue Erwerbszweige aufkamen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde Chemnitz und Umgegend der Sitz einer bedeutenden Baumwoll-Industrie, der sich später die Wollindustrie anschloß. Der damalige Faden war Handgespinst, und es mußten Tausende von Leuten sich rühren, um den Bedarf an Garn zu decken. Später fertigte man den Faden auf Handmaschinen, von denen jede 10–30 Spulen zählte. Noch zu Anfange unseres Jahrhunderts gab es 18 000 Menschen, welche auf solche Art Baumwolle spannen. – Zu[121] der Spinnerei gesellte sich die Weberei und Strumpfwirkerei. Vor dem Dreißigjährigen Kriege hatte in Chemnitz außer der Leinweberei die von Niederländern eingebürgerte Tuchmacherei geblüht. Nunmehr wandte man sich mit Erfolg der Baumwollweberei zu und fertigte anfangs 1717 Barchent und dann 1725 Musseline und Kattune und allerlei bunte Waren. Fünfzig Jahre nach dem Betreten der neuen Bahn mögen in und um Chemnitz 2000 Handstühle in Thätigkeit gewesen sein. Die Strumpfwirkerei war in Chemnitz schon 1728 eingeführt worden. Sie gewann aber erst große Bedeutung, als es dem Kaufmann Esche in Limbach 1776 gelungen war, mit Hilfe zweier geschickter Arbeiter den von dem Engländer Lee erfundenen Strumpfwirkerstuhl nachzubauen.
Auch das erzgebirgische Frauengewerbe erhielt im Laufe des 18. Jahrhunderts eine Zugabe. Die aus Bialystock gebürtige Klara Angermann, welche sich mit dem Förster Nollain in Eibenstock vermählte, hatte in einem polnischen Kloster das Tambourieren oder Sticken mit einer Häkelnadel gelernt und verpflanzte es 1775 nach Eibenstock.
Rechnet man zu dem allen, daß der Bergbau durch die 1765 in Freiberg errichtete Bergakademie zur Wissenschaft erhoben wurde und man nun im stande war, einen größeren »Teufen« abzubauen und minder edle Erze zu verhütten, so wird man begreifen, daß schon im verflossenen Jahrhunderte das Erzgebirge ein Hauptindustriegebiet für Sachsen, ja für ganz Deutschland wurde. Dabei ist jedoch anzuerkennen, daß die Großindustrie erst seit Anwendung der Maschinen und der Einführung des fabrikmäßigen kaufmännischen Betriebes entstanden ist. Der Gebrauch der Spinnmaschine, die 1775 durch Richard Arkwright in England verbessert wurde, die Anwendung des Jacquard- und des Kraft- oder mechanischen Webstuhles wirkten entscheidend. Trotzdem daß die Handspinnmaschinen in die Rumpelkammer verwiesen, das Weberschifflein der Hand des Arbeiters entzogen und der gewöhnliche Strumpfwirkerstuhl auf gewisse Arbeiten beschränkt wurde, so wuchs die Erzeugung von Waren doch ungemein und wurden überhaupt viel mehr Leute beschäftigt denn früher.
Auch bei der Klöppelei und Stickerei traten Maschinen auf, so die 1809 von Heathcoat in Nottingham erfundene und rasch vervollkommnete Bobbinetmaschine, welche einfache Spitzen sehr billig herstellt, und ferner die von den Schweizern aufgebrachte Stickmaschine, welche 200–500 Nadeln durch einen Hebeldruck in Bewegung setzt und darum nicht zu verwickelte Muster um einen geringen Preis liefert. Beide Maschinen machten der Frauenarbeit gefährlichen Wettbewerb, drückten die Löhne herab und drohten, der weiblichen Hand, welche früher das Spinnrad und neuerdings durch die Strick- und Nähmaschine fast das Strick- und Nähzeug verloren hat, auch den Klöppel und die Sticknadel zu entwinden. Aber durch den Übergang zu künstlicheren Mustern und die Verbindung von Maschinen- und Handarbeit ist es ihr dennoch gelungen, sich neben und mit den Maschinen zu behaupten.
Im Sehmathale herrscht die Posamentenerzeugung als Hausindustrie und zieht sich in starkbevölkerten Dörfern über Annaberg und Buchholz bis zu dem Fichtelberge hinauf, an dessen Fuße die vier Städtlein Wiesenthal liegen. Die Mannigfaltigkeit der Posamentenerzeugung läßt sich nur andeuten; alles, was Kleiderbesatz und Garnitur heißt, Ornamente, Knopf, Borte, Franse, Quaste, Schnur, wird gewirkt und geschlungen, gedreht und genäht. Geht das Geschäft flott, wie 1844–1849, in den 60er Jahren, auch in den ersten 70er Jahren noch, dann sind Tausende von Posamentierstühlen, Hunderte von Mühlstühlen[122] und Chenillemaschinen im Gange. Im Jahre 1863 hat ein Annaberger Geschäft für 600 000 Mark umgesetzt. Die Jahresausfuhr nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika, welches ein Konsulat in Annaberg unterhält, beträgt ungefähr 5½ Mill. Mark. Annaberg hat über 100, Buchholz 30 Posamenten- und Spitzenhandlungen, Buchholz 100 Posamentenfabrikanten und Verleger. In Annaberg wohnen über 600, in Buchholz über 450 Posamentierer. In beiden Städten giebt es zusammen 20 Schnurenfabriken. Besonders merkwürdige Erzeugnisse sind Gold- und Silberspitzen in Annaberg und Kleinrückerswalde, sowie gedrehte und geklöppelte Theater- und Uniformschnüre. Je nach der herrschenden Mode werden fast auf dem ganzen Gebirge durch Frauen- und Kinderhände Zwirn-, Woll- und Seidenspitzen geklöppelt. Der Verdienst der Klöpplerinnen ist sehr gering, dennoch mögen manchmal im Annaberg-Buchholzer Arbeitsbezirke 20 000 Klöppelkissen in Thätigkeit gewesen sein. Neue Geschäftszweige, welche bei gänzlichen Modeveränderungen und umfänglichen Geschäftsstockungen allgemeine Notstände nicht mehr aufkommen lassen, sind beispielsweise in Buchholz durch 8 Kartonnagenfabriken und 6 Prägeanstalten vertreten. Da werden Pappkartons, von den einfachsten Apothekerschächtelchen bis zu den feinsten Bonbonnieren und Ostereiern, mit kostbaren Stickereien und Gemälden, Holzkästen, von den billigsten Sparbüchsen und Federkästchen bis zu den schönsten Schreibschatullen, Zigarren- und Nähkästen hergestellt. Die Prägeanstalten liefern aus Gold- und Silberpapier Sargverzierungen, welche das letzte Haus der Sterblichen mit Randschmuck und sinnigen Bildern und Inschriften bedecken und in teueren Formen besonders in Österreich, Ungarn, Spanien und Südamerika beliebt sind, und fertigen aus Silber- und Papierkanevas tausenderlei Unterlagen zu Stickereien, von den Buch- und Lesezeichen an bis zu Lampen-Tellern und -Schirmen, Papierlaternen, Puppenstubenmöbeln und dergleichen. Sie bringen »papierne Zinnsoldaten«, unter dem Christbaume aufzustellende »Krippen«, »Christgeburten«, Jagden u. a. in den Handel. Holzbildhauerwerkstätten liefern Schrankgesimse und Leisten, Sargfüße und Flaschenpfropfen und dergleichen. – Andere Geschäfte versenden Kränze von Moos und trockenen Blumen, andere wieder Sträuße, Borten und Kartons, Papier-Manschetten und -Spitzen. Auf eigenartigen Stühlen werden Perlengewebe, Sessel, Kissen, Ofenschirme und Fußbänke angefertigt, ein Ersatz kostspieliger Stickereien.
In der ganzen Umgegend von Annaberg und Buchholz ist denn auch die Landwirtschaft von untergeordneter, die Industrie von weit überwiegender Bedeutung. Ja, bezeichnend genug für die späte und doch so schnelle Entwickelung des Obererzgebirges ist es, daß man auf der alten Poststraße, ohne mehr als zwei Dörfer zu berühren, zwölf Städte besuchen kann: Annaberg, Buchholz, Schlettau, Scheibenberg, Elterlein, Zwönitz, Geyer, Thum, Ehrenfriedersdorf (Stadt), Wolkenstein, Marienberg, Zöblitz.
Nach Prof. Berlet und Dr. Manke.
Das obere Erzgebirge ist die Heimat oder der längere Aufenthaltsort einer Reihe bedeutender Persönlichkeiten gewesen, die für die Kulturentwickelung unseres engeren und weiteren Vaterlandes nicht ohne Bedeutung geblieben sind. Zu ihnen gehören Barbara Uttmann, die das Spitzenklöppeln 1561 in Annaberg bekannt machte, und Klara Angermann, welche in Eibenstock 1775 das Tambourieren einführte. 1589 schon hat Georg Einenkel, angeblich[123] aus Dünkelsbühl in Schwaben, das Posamentiergewerbe in Buchholz eingeführt. 1776 gelang es dem Kaufmann Esche in Limbach, den Strumpfwirkerstuhl den Engländern nachzubauen. In der Nähe von Geyer errichtete 1812 in Siebenhöfen der um die sächsische Baumwollenspinnerei sehr verdiente Evan Evans die erste Baumwollenspinnerei in Sachsen.
Aber außerdem giebt es noch eine Anzahl bekannter Männer des Obererzgebirges, die auf Kunst und Wissenschaft, auf das ganze Geistesleben des sächsischen Volkes nicht ohne Einfluß geblieben sind. Wir gedenken des 1492 geborenen Rechenmeisters Adam Ries aus Staffelstein, der seine Rechenwerke in Annaberg als Bergbeamter schuf. Ferner haben wir den berühmten Rektor der Annaberger Lateinschule, Johannes Rivius, der 1552 in Meißen starb, zu nennen. In Grünhain wurde 1586 Johann Hermann Schein geboren, der Dichter des Liedes: »Mach's mit mir, Herr, nach deiner Güt'.« 1619 ist der Dichter des Liedes: »Liebster Jesu, wir sind hier, dich und dein Wort anzuhören«, Tobias Clausnitz, in Thum geboren worden. 1726 wurde zu Annaberg der berühmte Kinderfreund Felix Weiße geboren. 1674 stellte in Annaberg auf der Münzgasse in dem ihm vom Kurfürsten Johann Georg II. überlassenen Münzgewölbe der Chemiker Kunkel, als einer der allerersten, Phosphor her.
Zu den erwähnten fügen wir hier noch die Namen eines Mykonius, Sarcerius, Pufendorf, Gottfried Arnold, Kramer und Duflos.
Friedrich Mykonius, eigentlich Mekum genannt, gehört zu der Reihe der deutschen Kirchenreformatoren. Am 24. Dezember 1491 ist er zu Lichtenfels in Oberfranken geboren. Er gehört zu den bekanntesten Schülern der Annaberger Lateinschule und ist als solcher schon berühmt geworden durch sein bekanntes Gespräch mit Tetzel. 1510 trat er ins Annaberger Franziskanerkloster ein, später in das zu Weimar. Er gehört zu den ersten und eifrigsten Anhängern Luthers. 1524 ward er evangelischer Pfarrer in Gotha. Am 2. Juli desselben Jahres predigte er in Buchholz unter großem Andrange. Am 4. Mai 1539 hielt er in Annaberg die erste evangelische Predigt. Als Superintendent von Gotha wirkte er für die Einführung der Reformation in Thüringen, sowie in Leipzig, wohin er 1539 berufen ward. Er nahm am Marburger Religionsgespräche 1529, an dem Schmalkaldner Tage 1537 und auch am Hagenauer Religionsgespräche 1540 teil. Gestorben ist er 1546. Seine Geschichte der Reformation erschien erst 1715 zu Gotha.
Nach Ledderhose.
Am 28. November 1501 wurde in Annaberg einem schlichten Bergmanne Namens Scheurer ein Sohn geboren; das war der ehedem berühmte Erasmus Sarcerius, wie sein Name lateinisch lautet. Der junge Sarcerius besuchte die Lateinschulen Annabergs und Freibergs. In Leipzig und Wittenberg studierte er Philosophie und Theologie. Er gehört zu den eifrigsten Anhängern Luthers und seines Reformationswerkes. Mehreren Schulen hat später Sarcerius entweder als Konrektor oder Rektor vorgestanden; es waren Schulen in Rostock, Lübeck, Dillenburg, Wien und Graz. In Österreich hielt er sich nicht dauernd auf, weil er wegen seines Glaubens Anfeindungen ausgesetzt war. Er kehrte nach Lübeck zurück, wo seit 1531 die Reformation eingeführt worden[124] war. Der Graf Wilhelm der Reiche von Nassau berief ihn in sein Land als Oberpfarrer, weil er die Reformation einzuführen gedachte. Sarcerius wirkte in Nassau erfolgreich zu diesem Zwecke. Da er sich aber dem 1548 von Kaiser Karl V. aufgestellten »Interim« nicht fügte, ging er, seines Amtes entsetzt, nach Annaberg. 1549 ward er Pfarrer an der Leipziger Thomaskirche, 1554 Pfarrer in Eisleben und 1559 Superintendent in Magdeburg. Am 28. November 1559 starb er. Er hat zahlreiche Schriften hinterlassen.
Nach Dr. Röselmüller.
Freiherr Samuel von Pufendorf, einer der Gründer der Wissenschaft des Natur- und Völkerrechtes, ist am 8. Januar 1632 zu Dorfchemnitz geboren. Er besuchte die Fürstenschule zu Grimma, widmete sich dann in Leipzig und Jena dem Studium der Rechte und wurde 1658 Hofmeister im Hause des schwedischen Gesandten Coyet in Kopenhagen. Die Schrift »Elemente der allgemeinen Rechtswissenschaft«, welche 1660 in Haag erschien, bewirkte 1661 seine Berufung zum Professor des Natur- und Völkerrechts an die Universität Heidelberg. Doch schon 1670 folgte Pufendorf einem Rufe an die neue schwedische Universität Lund. Durch weitere Schriften erhob er das Naturrecht zu einer selbständigen Wissenschaft. Für das Verhältnis des Staates zur Kirche schuf er die von allen gegenwärtigen Staaten angenommene Theorie des Kollegialismus. 1686 wurde er nach Stockholm berufen und zum Staatssekretär, königlichen Hofrat und Historiographen ernannt. 1688 begab er sich nach Berlin, wo er von dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg als Historiograph und Kammergerichtsbeisitzer angestellt und 1690 zum Geheimrat ernannt wurde. König Karl XI. von Schweden erhob ihn 1694 in den Freiherrnstand. Er starb am 26. Oktober 1694 in Berlin. Pufendorfs älterer Bruder, Esaias Pufendorf, starb am 26. Oktober 1689 als dänischer Gesandter in Regensburg. Derselbe hat mehrere theologische und historische Schriften veröffentlicht.
Nach Meyers Lexikon.
Der lutherische Theologe Gottfried Arnold ist am 5. September 1666 zu Annaberg geboren. Seine Studien machte er in Wittenberg. Im Jahre 1697 ward er Professor der Geschichte in Gießen. Sein Verkehr mit Spener in Dresden regte ihn pietistisch an. In Frankfurt und Quedlinburg kam er durch persönliche Verbindungen zu einem mystischen Separatismus. Er enthielt sich des Kirchenbesuches und verschmähte das heilige Abendmahl. 1698 legte er seine Professur nieder. Später, 1700, hat er sich verheiratet. Da er seine Ansichten geändert hatte, wurde er Hofprediger der verwitweten Herzogin von Sachsen-Eisenach in Allstedt. 1714 starb er in Perleberg als Prediger, nachdem er seit 1707 dort gelebt hatte. Vorher wirkte er seit 1704 als Prediger in Werben. Von Arnold rühren mehrere mystische Schriften her. Geistliche Lieder hat er auch gedichtet. Sein Hauptwerk aber ist die ihrer Zeit schon durch die Darstellung Aufsehen erregende »Unparteiische Kirchen- und Ketzerhistorie«, worin er der Ketzerei ein Streben nach wahrem Christentume zuschrieb und ihre Berechtigung durch die Mängel und die Ausbreitung der Kirche nachwies.
Nach Dr. Röselmüller.
Der berühmte Kanzelredner und Kirchenliederdichter Johannes Andreas Kramer wurde 1723 in Jöhstadt geboren. Er wurde 1748 Prediger zu Krollwitz bei Magdeburg. 1750 schon treffen wir ihn als Oberhofprediger in Quedlinburg. Seit 1754 ist er deutscher Hofprediger in Kopenhagen und seit 1765 zugleich Professor der Theologie ebenda gewesen. Lübeck berief ihn 1771 zum Superintendenten. Dann ward er 1774 erster Professor der Theologie in Kiel. Hier wurde er 1784 zum Universitätskanzler und Rektor ernannt. Am 12. Juni 1788 starb er in Kiel. – Er stiftete ein homiletisches Institut und ist der Gründer des ersten Schullehrerseminars für Schleswig-Holstein geworden. Auch gab er den Herzogtümern einen verbesserten Katechismus und ein neues Gesangbuch. Am bekanntesten sind unter seinen Werken seine »Sämtlichen Gedichte« und seine »Hinterlassenen Gedichte«, woraus viele Lieder in die Gesangbücher übergegangen sind.
Nach Meyers Lexikon.
Im Jahre 1889 starb zu Annaberg der Geheime Rat Professor Dr. Adolf Ferdinand Duflos, Ritter u. s. w. Er stammt aus Artenay bei Orleans in Frankreich und ist am 2. Februar 1802 daselbst geboren. In den Napoleonischen Kriegen kam er mit seinem Vater nach Torgau. Er fand ein Unterkommen bei dem dortigen Rektor Benedict, welcher später die Waise bei seiner Übersiedelung als Rektor der Lateinschule nach Annaberg mit sich nahm. Duflos trat als Lehrling in die Annaberger Apotheke ein. Als einst, den 27. Februar 1817, Apotheker Hertel einen Vortrag über die Beleuchtung durch Gaslicht aus Steinkohlen nebst einigen erläuternden physikalischen Versuchen in der Museumsgesellschaft zu Annaberg hielt, bereitete der damalige Apothekerlehrling Duflos das Gas dazu. Niemand mochte ahnen, zu welcher Bedeutung der 15jährige noch in ganz Deutschland gelangen würde. Er gilt in ganz Deutschland als »Vater der Pharmazie« und ist Verfasser vieler hochgeschätzter chemischer Werke. Seit 1866 lebte er in stiller Zurückgezogenheit in Annaberg. Sein Grab wird zu den berühmtesten des schönen Friedhofes gezählt werden. Er liegt im Brodengeyerschen Schwibbogen.
Nach Fr. Brodengeyer und Ruhsam.
Das Obererzgebirge. | ||
Erster Abschnitt. | Seite | |
Die Landschaft des Obererzgebirges | 1 | |
1. | Unera Hamet | 1 |
2. | Das Lied vom Erzgebirge | 1 |
3. | Die Bedeutung des Erzgebirges für das Vaterland | 2 |
4. | Das Obererzgebirge | 3 |
5. | Ehemaliges Landschaftsbild des Obererzgebirges | 4 |
6. | Erzgebirgische Jagden | 5 |
a. Eine Jagd im Erzgebirge im Jahre 1 nach Christo | 5 | |
b. Kurfürstliche Jagden im oberen Erzgebirge | 6 | |
e. Jagdfronden der Obererzgebirger | 8 | |
d. Ein Jagdaufzug mit erzgebirgischen wilden Tieren in Dresden | 9 | |
e. Die Wildschützen | 10 | |
7. | Eishöhlen im Erzgebirge | 10 |
8. | Die obererzgebirgischen Mineralquellen und Bäder | 11 |
9. | Fischreichtum erzgebirgischer Flüsse | 13 |
10. | Die Kartoffeln im Erzgebirge | 14 |
11. | Reihenfolge der Städte Sachsens bezüglich ihrer Lage über der Ostsee | 15 |
12. | De Stähd in'n Öber-Ärzgebärg | 16 |
Zweiter Abschnitt. | ||
Das Volkstum des Obererzgebirgers | 17 | |
13. | Die Mundart des Obererzgebirgers | 17 |
14. | Arzgebergsche Sprichwörter | 18 |
15. | Der Volkscharakter der Erzgebirger | 19 |
16. | Die obererzgebirgische Kirmes | 21 |
17. | Weihnachten im Obererzgebirge | 22 |
18. | Die Weihnachtsspiele im Obererzgebirge | 24 |
19. | Erzgebirgische Heilige Christfahrt aus der Zeit des 30jährigen Krieges | 26 |
20. | Erzgebirgische Weihnachtslieder | 27 |
a. Dr Weihnachts-Heiligohmd | 27 | |
b. Ä annersch Weihnachtslied | 28 | |
21. | Michels Erzählung vom Annaberger Vogelschießen | 29 |
22. | Dos arzgebergische Mädl | 29 |
23. | Erzgebirger beim ersten sächsischen Volkstrachtenfest | 30 |
24. | Der Streittag | 30 |
Dritter Abschnitt. | ||
Die Besiedelung des Obererzgebirges | 33 | |
25. | Die Besiedelung des Erzgebirges | 33 |
a. Die Besiedelung des Erzgebirges in vorwettinischer Zeit | 33 | |
b. Die Besiedelung des oberen Erzgebirges in wettinischer Zeit | 34 | |
1. Die wilde Ecke | 34 | |
2. Entstehung der Orte in Annabergs Umgegend | 34 | |
3. Entstehung Annabergs und anderer Bergstädte des Obererzgebirges | 35 | |
4. Jüngere Gründungen im Obererzgebirge | 36 | |
26. | Die Urbarmachung des Gebirges | 36 |
27. | Die obererzgebirgischen Ortsnamen | 36 |
28. | Die Dörfer | 40 |
a. Slawische Dörfer | 40 | |
b. Deutsche Dörfer | 40 | |
c. Reste der sorbischwendischen Sprache | 41 | |
29. | Einzelansiedelungen im Obererzgebirge | 42 |
30. | Die Bauart des Erzgebirgshauses | 42 |
31. | Der erzgebirgische Kirchenbau | 43 |
32. | Die Wappen der Erzgebirgsstädte | 45 |
33. | Uralte Verkehrswege im Erzgebirge | 46 |
34. | Die Pässe des Erzgebirges | 47 |
35. | Die Verkehrswege | 48 |
a. Die obererzgebirgischen Eisenbahnen | 48 | |
b. Die alten Postsäulen | 49 | |
36. | Die Bevölkerung des Obererzgebirges sonst und jetzt | 49 |
Vierter Abschnitt. | ||
Die Kriegszeiten des Obererzgebirges | 51 | |
37. | Der Kriegszug Kaiser Heinrichs II. über das Erzgebirge | 51 |
38. | Raubritterunwesen im Obererzgebirge | 52 |
39. | Der obererzgebirgische Schauplatz des Prinzenraubes | 52 |
a. Altes Volkslied | 52 | |
b. Der Fürstenberg bei Grünhain | 53 | |
1. Wie der Berg den Namen erhält | 53 | |
2. Herzog Albrecht besucht seinen Befreiungsort | 53 | |
c. Wie das jetzige Brunnendenkmal geweiht wird | 54 | |
d. Das Köhlerhaus am Fürstenbrunnen | 54 | |
e. König Friedrich August II. und seine Gemahlin am Fürstenbrunnen | 54 | |
f. Sagen und Geschichten zum Prinzenraube | 55 | |
1. Die große Glocke in Geyer | 55 | |
2. Der Fürstenbrunn bei Raschau | 55 | |
3. Der Kretscham und Fürstenbrunnen bei Neudorf a. d. Sehma | 56 | |
4. Die Prinzenkleider in der Kirche zu Ebersdorf | 56 | |
40. | Die Hussitenkämpfe im Erzgebirge unter Friedrich dem Streitbaren | 57 |
a. Der Ausbruch des Krieges | 57 | |
b. Schrecknisse im Obererzgebirge während des Krieges | 57 | |
c. Wüste Marken im Obererzgebirge aus der Zeit der Hussitenkriege | 60 | |
41. | Das Obererzgebirge im Bauernkriege | 61 |
a. Die Kriegsereignisse | 61 | |
b. Die 12 Artikel der Bauern | 63 | |
c. Anzeichen für den Bauernkrieg | 63 | |
42. | Das Obererzgebirge im Schmalkaldischen Kriege | 64 |
a. Der Kriegsschauplatz im Obererzgebirge | 64 | |
b. Kriegsdrangsale in Zwickau | 64 | |
c. Drangsale in Schneeberg | 67 | |
43. | Der Dreißigjährige Krieg im oberen Erzgebirge | 68 |
a. Kurfürst Johann Georgs I. Verteidigungswerk | 68 | |
b. Wie in Böhmen der Krieg ausbricht | 69 | |
c. Wie dem Obererzgebirge das Kriegsunglück naht | 69 | |
d. Wie wichtige Obererzgebirgspässe besetzt werden | 70 | |
e. Die ersten Kriegsdrangsale in Marienberg | 71 | |
f. Wallensteins Truppen kommen | 71 | |
g. Oberst Preuß vor Marienberg | 72 | |
h. Wie die Kaiserlichen nach der Lützner Niederlage im Gebirge hausen | 73 | |
i. Wie Bauern die Kaiserlichen vertreiben | 74 | |
k. Das Kriegsjahr 1634 | 75 | |
l. Zschopau wird niedergebrannt | 76 | |
m. Die Sachsen in Marienberg | 77 | |
n. Wie die Schweden ins Gebirge kommen | 77 | |
1. Der Beginn der Schwedengreuel | 77 | |
2. Die Schweden werden aus Marienberg vertrieben | 78 | |
3. Das Schreckensjahr 1639 | 79 | |
4. Kriegsgreuel in Cranzahl | 81 | |
o. Wie General Wrangel nach Schlettau kommt | 82 | |
p. Wie die Bewohner des Gebirges als Flüchtlinge leben | 82 | |
q. Wie die Landwirtschaft darniederliegt | 83 | |
r. Die letzte Schlacht auf sächsischem Gebiete | 84 | |
s. Wie es nach dem Kriege im Gebirge aussah | 84 | |
44. | Im nordischen Kriege | 85 |
45. | Das Obererzgebirge im Siebenjährigen Kriege | 86 |
1. Beginn des Krieges | 86 | |
2. Die Preußen im Erzgebirge | 86 | |
3. Die ersten Lieferungen | 87 | |
4. Aushebungen im Erzgebirge | 87 | |
5. Nach der Schlacht bei Kolin 1757 | 87 | |
6. Nach der Niederlage bei Hochkirch | 88 | |
7. Die Auer Schlacht 1759 | 88 | |
8. Die Jahre 1760 und 1761 | 88 | |
9. Das Ende des Kriege | 89 | |
10. Ein Beispiel der Vaterlandsliebe aus dem Siebenjährigen Kriege | 90 | |
46. | Die Freiheitskriege | 91 |
Das Banner der sächsischen Freiwilligen | 91 | |
1. Der Aufruf | 91 | |
2. Die Einrichtung des Banners | 92 | |
47. | Die Pest im Erzgebirge | 92 |
1. Wie die Pest in Annaberg auftritt | 92 | |
2. Wie die Krankheit sich zeigt | 93 | |
3. Wie schon 1568 kein Geistlicher mehr zu den Pestkranken gehen will | 93 | |
4. Wie man an Pestmacher glaubt | 93 | |
5. Die letzte Pest im Erzgebirge | 94 | |
48. | Die Teuerung und Hungersnot im Erzgebirge 1771 und 1772 | 95 |
Fünfter Abschnitt. | ||
Das Wirtschaftsleben des Obererzgebirges | 100 | |
49. | Die obererzgebirgische Kohlenbrennerei | 100 |
a. Die Entstehung des Gewerbes | 100 | |
b. Eine Köhlerwohnung in alter Zeit | 101 | |
c. Das Harzen in früherer Zeit | 101 | |
50. | Der ehemalige Zinnbergbau | 101 |
51. | Der ehemalige Silberbergbau | 102 |
a. Altes Berglied | 102 | |
b. Die Namen der Zechen | 103 | |
c. Obererzgebirgische Bergleute in der Fremde | 103 | |
d. Die bergmännischen Werkzeuge etc. in früherer Zeit | 104 | |
e. Die Verbreitung des obererzgebirgischen Bergbaues | 106 | |
1. In seiner Blütezeit | 106 | |
2. In späteren Jahrhunderten | 108 | |
52. | Die erzgebirgische Eisenindustrie | 108 |
a. Die Eisenhämmer | 108 | |
b. In einer obererzgebirgischen Eisenhütte vor 50 Jahren | 109 | |
c. Die Blechlöffelfabrikation | 110 | |
53. | Die Blaufarbenwerke | 111 |
a. Besuch eines alten Blaufarbenwerkes | 111 | |
b. Sage von der Erfindung der Blaufarbenbereitung | 112 | |
54. | Torfstecherei im Erzgebirge | 113 |
55. | Die Auer Porzellanerde | 114 |
56. | Die Spitzenklöppelei im Erzgebirge | 114 |
a. Barbara Uttmann | 114 | |
b. Das Spitzenklöppeln im Obererzgebirge | 115 | |
c. Die Namen der Spitzenmuster | 115 | |
d. Maria im Erzgebirge | 116 | |
e. Die jetzigen Klöppelschulen | 116 | |
57. | Der ehemalige Hausierhandel im Erzgebirge | 116 |
58. | Die erste Baumwollspinnerei Sachsens | 118 |
59. | Die gegenwärtigen Industriezweige im oberen Erzgebirge | 120 |
60. | Ehrentafel berühmter Obererzgebirger: 1. Mykonius 2. Sarcerius. 3. Pufendorf. 4. Gottfried Arnold. 5. Kramer. 6. Duflos | 122 |
Druck von C. G. Roßberg in Frankenberg i. Sa.
der Graser'schen Buchhandlung (Richard Liesche) in Annaberg.
Das Erzgebirge. Gemeinverständliche wissenschaftliche Aufsätze. Herausgegeben vom Erzgebirgs-Zweigverein Chemnitz. Band I M. 1,50:
– Band II M. 1,50:
– Band III. 1. Die Unruhen im Erzgebirge während des Bauernkrieges. Von Dr. Paul Uhle. M. –,50.
Album vom Obererzgebirge. Visit M. 1,20.
Album des historischen Festzugs zum Jubiläum der Stadt Annaberg. 1896. M. 1,50.
Annaberger Bergmannsmarsch. Nach alten Weisen gesetzt von E. Stahl
für Pianoforte oder Zither | je M. –,60, |
für Hornmusik | M. 1,20. |
für Orchester oder Harmonikamusik | je M. 1,80, |
für Kavalleriemusik | M. 1,–. |
Aus dem Zwönitzthale. Herausgegeben vom Erzgebirgszweigverein Zwönitz, 1895/96. M. 1,–.
Bartusch, P., Seminar-Oberlehrer, Die Annaberger Lateinschule im 16. Jahrhundert. Ein schulgeschichtliches Kulturbild. 1897. M. 2,50.
Berlet, B., Professor, Wegweiser durch das sächs.-böhm. Erzgebirge. 1900. 9. von E. Prasse und Dr. Köhler bearbeitete Auflage, geb. M. 2,–.
Böthig, B., Hymnus auf Annaberg, für Pianoforte M. 1,–.
Carl Crüwell, Das Stadttheater zu Annaberg. Ein Gedenkblatt zum Tage der vierhunderjährigen Jubelfeier der Gründung der Stadt Annaberg. 1896. Komm.-Verlag. M. 2,–.
Ficker, B., Annaberg vom Jahre 1843–68. (M. 2,50) für M. 1,25.
Finck, Barbara Uttmann, die Begründerin der Spitzen-Industrie im Erzgebirge. M. –,50.
Führer durch Eibenstock, Wildenthal, Carlsfeld, Rautenkranz, Morgenröthe und Umgebungen. Mit Karte, Panorama vom Auersberg und Bildern. M. –,50.
Frisch, Dr. phil., Die Flora des Pöhlberggebietes. M. 1,50.
Gedichte und Geschichten in erzgebirgischer Mundart. 4 elegante Leinwandbände je 2,50 und 5 Hefte je –,70 geheftet, –,80 kart.
Die Sammlung erzgebirg. Gedichte und Geschichten spiegelt mit ihrem innig-sinnigen, ernstheiteren, herzerfreuenden Inhalt getreu den Sinn des Erzgebirgers wieder. Die Bändchen bieten Ernst und Scherz in bunter Reihe; voll tiefen Gemütes und oft zwerchfellerschütternden Humors sind sie eine kräftige, kerngesunde Kost und von Heft zu Heft finden sie erfreulicherweise immer mehr Anklang und Teilnahme bei den Freunden und Bewohnern unseres Erzgebirges.
Göpfert, Dr., E., Prof., Über den Unterricht in der Heimatkunde. M. –,90.
– Der Greifenstein zu Ehrenfriedersdorf und seine Sagen. M. –,40.
Grohmann, Max, Das Obererzgebirge und seine Städte in Sage und Geschichte. 2. erweiterte Auflage. 1900. a) Gesamt-Ausgabe. b) In Sonder-Ausgaben für jede Stadt einzeln.
– Die St. Annenkirche als Mittelpunkt kirchlicher Kunst und religiösen Lebens in Annaberg. M. –,50.
Herrig, Seminar-Oberlehrer, Geognostisch-geologische Beschreibung von Annaberg und Umgegend. Kommissions-Verlag, M. 1,–.
A. Israel und J. Ruhsam, Schlüssel zum Bestimmen der in der Umgegend von Annaberg-Buchholz wildwachsenden Pflanzen. M. 2,80.
Separat-Abdruck daraus: Abbildungen der Pflanzen. M. –,50.
Krauß, P., Touristenkarte vom Zentral-Erzgebirge. 1 : 75 000. M. –,90, aufgez. auf Lwd. M. 1,80.
Lindner, Wanderungen durch die interessantesten Gegenden des sächsischen Obererzgebirges. Mit 12 Lithographien. 1848. M. 2,40.
Lungwitz, H., Altes und Neues über Karl Stülpner, den Raubschützen des Obererzgebirges. Komm.-Verlag. M. –,75.
– Geschichte des Rittersgutes Tannenberg bei Geyer. 1897. M. 1,–.
Metzner, Osk., Das Erzgebirge und seine Bedeutung für die Kulturentwicklung Sachsens. M. –,40.
Metzners Führer durch das gesamte Vogtland. 4. Auflage. Gesamtausgabe M. 2,50.
– 1. Teil: Plauen und die vogtländische Schweiz, mit 25 Illustrationen, einer Karte und Stadtplan. 4. Auflage. M. –,50.
– 2. Teil: Das Saalethal und das untere Elsterthal, mit Illustrationen und einer Wegekarte. 4. Auflage. M. 1,20.
– 3. Teil: Das obere Vogtland und die Übergangstouren nach dem Erzgebirge. Mit Illustrationen, einer Wegekarte, Rundsicht vom Friedrich-Auguststein u. s. w. M. 1,20.
Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaberg und Umgeg. Komm.-Verlag. Jahrbuch 1–6, je M. –,80 bis 1,50.
Peschel, C., Pfarrer in Buchholz, Aarzgebergsches Wiengliedl für 4-stimmigen Männerchor oder Quartett. Partitur und Stimmen M. 1,60.
Prinzenraub, der sächsische, nebst einer Beschreibung des Denkmals am Fürstenberge bei Grünhain. M. –,80.
Rückblicke auf Annabergs und seiner Umgebungen Vorzeit. Hauptquellenwerk der Geschichte Annabergs und des Obererzgebirges. M. 2,–.
Rundsicht vom Fichtelberg und Keilberg M. –,30, vom Auersberg M. –,30, vom Pöhlberg bei Annaberg M. –,30.
Schwerdtner, E., Schulrat, Vierter Bericht über das Königl. Lehrer-Seminar zu Annaberg. 1889–1896. Komm.-Verlag, M. 2,50.
Siegel, E., Zur Geschichte des Posamentier-Gewerbes, besonders der erzgebirg. Posamentier-Industrie. Geh. M. 2,50, geb. M. 3,–.
Siegert, Hans, A bieser Traam. Schwank in erzgebirgischer Mundart. M. –,60.
Straumer, F., Prof., Allerlei aus dem Erzgebirge. Bilder und Geschichten. Zwei Bände, geh. je M. 1,50, geb. M. 2,–.
Süßmilch-Hörnig, M. v., Oberst z. D., Das Erzgebirge in Vorzeit, Vergangenheit und Gegenwart. Geh. M. 4,50, geb. M. 6,–.
Dem von Süßmilch'schen Werke ist von den wissenschaftlichen wie politischen Zeitungen, von den besten Kennern unseres Gebirgslandes, von den Leitern des sächsischen Schulwesens glänzende Anerkennung zu teil geworden. Das Hohe Kultusministerium von Sachsen hat den Volks- und Schulbibliotheken, das Hohe Kriegsministerium den Truppenteilen und Militärbibliotheken der Königl. Sächs. Armee das Werk zur Anschaffung warm empfohlen.
Volkslieder aus dem Erzgebirge. Gesammelt von Dr. A. Müller. M. 1,–.
Wanderungen durch das obere Zschopauthal (Crottendorf und Umgegend). Komm.-Verlag, M. –,50.
Wildenhahn, J., Prof., Dr., Vortrag über Felix Weise aus Annaberg. M. –,60.
Zabel, H. P., Chronik von Zöblitz. Geh. M. 4,–.
– Geschichte der Serpentinstein-Industrie von Zöblitz. Geh. M. –,80.
Ziehnert, W., Sachsens Volkssagen. Balladen, Romanzen und Legenden. 5. Aufl. Geh. M. 3,–, geb. M. 4,–.
Zimmermann, K. E., Aus Annabergs Vergangenheit. M. –,60.
Bothe, Prof., Dr., Sammlung von Rechenaufgaben für höhere Schulen. 3. Auflage. 3 Hefte, je M. 1,– bis M. 1,50.
Damm, O., Schopenhauers Ethik im Verhältnis zu seiner Erkenntnislehre. M. 2,–.
Hahnemann, B., Praxis des Zeichen-Unterrichts. M. 1,80.
Hartmann, B., Direktor, Dr., Das volkstümliche deutsche Kinderlied. M. 1,–.
Jahresberichte des Annaberg-Buchholzer Vereins für Naturkunde. Komm.-Verlag. 9 Hefte, je M. 1,25 bis M. 2,40.
Israel, A., Schulrat, Erfahrungen auf Alpenreisen. M. –,60.
Israel, G. A., Seminardirektor, Einführung in das Gesangbuch für die evang.-luth. Landeskirche Sachsens. M. 1,–.
Kaden, Edmund, Aus Höhen und Tiefen. Gedichte. M. 1,75.
Krug, J., Rechnung mit gemeinen Brüchen. M. –,80.
Lubrich, Fritz, Psalm 21. Für gemischten Chor. Partitur und Stimmen, M. 1,60.
Naturgeschichtliche Tafeln für Schule und Haus. 1) Eßbare Pilze, M. –,90. 2) Giftige Pilze, M. 1,20. 3) Die wichtigsten Schmetterlinge, M. 1,20. Großfolio-Wandtafeln in 10farbigem Buntdruck.
Mixtur, Musikalische. M. –,50.
Röselmüller, A. W., Dr., Gottfried Arnold als Kirchenhistoriker, Mystiker und geistl. Liederdichter. Komm.-Verlag, M. 1,–.
– Das Leben und Wirken des Erasmus Sarcerius. Komm.-Verlag, M. 1,–.
Sammlung christlicher Festspiele.
Schreyer, W., Schulrat, Entwurf zu Stoff- und Stundenplänen für die einfachen Volks- und allgemeinen Fortbildungsschulen, sowie eine Schulordnung. M. 2,–.
Stiehler, Kgl. Bezirksarzt, Dr., Zur Schulgesundheitspflege. M. –,25.
Stößner, Prof., Dr., Elemente der Geographie in Karten und Text. 15. Auflage, geh. M. 1,50, geb. M. 2,–.
Vogel, F. W., Fibel für den vereinigten heimatkundlichen Anschauungs-, Sprech-, Schreib- und Leseunterricht. M. –,60.
– Die Forderungen der Gegenwart an die Volksschulfibel. M. –,50.
Voigt, G., Dr., Friedrich Rückerts Gedankenlyrik. M. 1,–.
Zeißig, E., Zur Reform des Geometrieunterrichts in der Volksschule. M. –,60.
Zienert, G., Hochzeit beim Wastl-Wirth. Schwank, M. 1,50, Klavierauszug, M. 3,–.
– Im Wastlwirthshäusl. Schwank, M. 1,50, Klavierauszug, M. 3,–.
Eine Anzahl kleiner Hefte und älterer Schriften ist nicht mit aufgenommen.
Die Verlagsbuchhandlung sieht Angeboten neuer Manuskripte gern entgegen.
Graser'sche Buchhandlung (Richard Liesche) Verlag.
Weitere Anmerkungen zur Transkription
Offensichtliche Satzfehler wurden stillschweigend korrigiert. Unterschiedliche Schreibweisen wurden beibehalten.
Korrekturen:
S. 64: 1625 → 1525
am 15. Februar 1525 des Nachts
S. 81: Trauung → Beerdigung
mußte eine Beerdigung bis Sonntag Estomihi