Project Gutenberg's Madonna, by Elsa Bernstein and Ernst Rosmer [pseud.] This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org/license Title: Madonna Novellen Author: Elsa Bernstein Ernst Rosmer [pseud.] Release Date: March 30, 2020 [EBook #61708] Language: German Character set encoding: ISO-8859-1 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK MADONNA *** Produced by the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This transcription was produced from images generously made available by Bayerische Staatsbibliothek / Bavarian State Library.)
ERNST ROSMER
Novellen
Berlin
S. Fischer, Verlag
1894.
Madonna | 5 |
Corriger l'amour | 27 |
Platonisch | 95 |
In der Mauernstraße | 115 |
Milost pan | 139 |
Er war allein mit ihr. Seit zwanzig Jahren zum ersten Mal. Sie war tot. Er legte den Reisehut auf den alten Lehnstuhl und trat mit gefalteten Händen an die ungeschmückte Bahre. Das mädchenzarte Angesicht eines stillen tiefen Weibes ruhte auf dem schwarzen Totenkissen. In seinen Augen stieg ein altes unendliches Leid auf. »Wenn Du mich geliebt hättest, wie ich Dich!«
Er ging langsam durch das große, von lebendigem Sonnenlicht durchflutete Zimmer. Ueber dem Flügel hing in schwarzem Ebenholzrahmen die Sixtina. »Fräulein Maria von einem alten Freunde zum Andenken. 25. Mai« – stand in der Ecke. Auf dem Flügel lag die schwere Partitur seines letzten Werkes. Missa solemnis. Das Agnus Dei war aufgeschlagen. »So hat sie mich doch nicht vergessen«. Mit wehmutvoller Freude blätterte er die bekannten Seiten durch. Die Partitur mußte viel gespielt worden sein. Verschiedene Druckfehler waren auf kundige Weise ausgebessert. Am Rande standen allenthalben musikalische Anmerkungen. Er las sie langsam durch. »Wie richtig! Welch' vornehmes künstlerisches Gefühl. .... Freilich, hier wäre die Mollterz besser«. Er schrieb sich die Stelle in sein Taschenbuch und schlug die letzte Seite um. Da lag ein großes versiegeltes Couvert. In festen klaren Zügen stand sein Name und seine genaue Adresse darauf. »Nach meinem Tode dem Adressaten zu übergeben und nur von ihm zu öffnen«. Sein Eigentum. Sein ernstes altes Gesicht war von junger Glut übergossen. Von ihr! Er rückte einen Stuhl an die Bahre und brach langsam die Siegel auf. Feine weiße Papierbögen mit blauer Seide zusammengeheftet fielen ihm entgegen. Er nahm sie auf. Sie waren ganz mit schmalen festen Schriftzügen bedeckt, die einige Jahre alt sein mochten. Er las: –
»Wenn ich tot bin, sollst Du wissen, wie's gekommen ist.
Ich hab' Dich immer lieb gehabt. Als kleines Mädchen schon, da Du mich »Aennchen von Tharau« und »Jetzt geh' ich an's Brünnele« singen lehrtest. Aber ich wußte es nicht. Ich fand Dich alt und strenge und gar nicht hübsch. Gleichwohl weinte ich heimlich, wenn Du einen Sonntag nicht kamst. Halb aus unklarer Sehnsucht, halb aus sehr klarer Selbstsucht, denn Du brachtest mir stets ein Buch, eine Spielerei, ein Naschwerk mit. An meinem fünfzehnten Geburtstag schenktest Du mir die Sixtina und nahmst Abschied. Du wolltest nach Italien. »Werden Sie mir schreiben?« fragtest Du. Ich lachte. »Nein, ich mache zu viele orthographische Fehler«. »Die werde ich Ihnen korrigieren. Also schreiben Sie mir und wäre es nur, daß Sie etwas lernen. Sie haben es nötig, denn Sie sind sehr unwissend«. »Ich will aber nichts lernen. Ich bin hübsch und wenn mich einer heiraten will, geht's auch so«. Du sahst mich mit einem ganz strengen bösen Blicke an. »Ich finde Sie gar nicht hübsch«. Und Du gingst.
Meine gute nachsichtige Mutter nahm mich in die Arme und küßte mich. »Warum bist Du so unfreundlich gegen ihn? Er hat Dich so gerne«.
Jawohl. Aber ich wollte Dich nicht. Ich wollte einen jungen, lustigen, der meine orthographischen Fehler nicht korrigierte, und mir sagte, daß ich hübsch wäre.
Der junge Lustige kam. Unserem Hause gegenüber in einer einstöckigen Villa wohnte eine kluge alte Dame. Die beste Freundin meiner Mutter seit dem Tode des Vaters. Ich kam oft zu ihr hinüber, bewunderte die vielen Bilder an den Wänden, lauter berühmte Leute, wie die Vestvali, Daudet, die Goncourts, Flaubert und viele andere. Ein einziges Oelbild war da, aber ohne berühmten Namen. Ein schönes, fröhliches Jünglingsgesicht mit tolllustigen Augen und braunem dicklockigem Haar. Das war der Sohn der alten Dame. Ein junger Schriftsteller, der in Berlin lebte und eine neue naturalistische Zeitschrift herausgab. Diesen Sommer wollte er kommen und seine Mutter besuchen. Ich war sehr neugierig auf ihn. Er kam in der Nacht an. Am nächsten Tage hatten wir ihn und seine Mutter zum Mittagsessen gebeten. Ich hatte allein gekocht und den ganzen Tisch mit blühenden Junirosen geschmückt. Mein weißes Battistkleid hatte ich mir ein wenig kürzer gemacht. Die schwarzen Lederschuhe mit dunkelblauen Stahlschnallen sahen so hübsch aus, und ich hatte sehr kleine Füße.
Er war schöner als das Bild, fünfundzwanzig Jahre alt und von toller lebenatmender Lustigkeit. Wir neckten uns am ersten Tage, schlugen uns am zweiten auf die Hände und nannten uns am dritten Du. Die beiden Mütter wußten es, lachten und freuten sich. Wir waren den ganzen Tag beisammen und den halben allein. Er las mir seine Geschichten vor, die mich entzückten. Das war so leicht und unterhaltend, ich brauchte mir gar keine Mühe zu geben, um es zu verstehen. Manches fand ich ein wenig unanständig und sagte es ihm auch. Er lachte. Das wäre die realistische Schule, daran würde ich mich schon gewöhnen. Ich mochte mich aber nicht daran gewöhnen. Zu eitel und zu feig, es einzugestehen, log ich mich mit einem »wunderbar, großartig, meisterhaft« darüber hinweg. Die kluge alte Dame küßte mich und nannte mich ihr Töchterchen, wenn ich von dem Genie ihres Sohnes sprach, und was für ein großer Dichter er wäre. Eines Tages sah sie mir mit ihren schönen großen Augen fest ins Gesicht. »Möchtest Du ihn wohl heiraten?« Ich wurde sehr rot und wußte keine Antwort. Sie zog mich auf ihren Schoß. »Du bist das einzige Mädchen, dem ich ihn gönne. Ich habe Dich lieber als alle anderen. Es wäre mein größtes Glück«.
Ich hatte mich immer so gefreut auf das Heiraten. Da war's auf einmal. »Ja«, sagte ich ganz leise. »Aber noch nicht gleich. Ich möchte doch den Winter erst tanzen«.
Sie lachte glücklich. »Du liebes kindisches Ding. Jawohl sollst Du tanzen«. –
Drei Tage später standen wir auf unserer großen Schaukel, rings die dämmernde Sommernacht. Wir hatten uns beide müde gearbeitet und blickten nach den Sternen. »Wie blau der Himmel ist!« »In Italien ist er noch tiefer blau«, sagte er. In Italien! Ich dachte an Dich. Er wickelte meine langen Locken um seine Finger und flüsterte mir kaum hörbar ins Ohr: »Du bist ein liebes reizendes Geschöpf. Ich möchte Dich haben, ganz haben, so wie Du bist, mit dem kleinen Muttermal am Kinn und all den süßen kindischen Thorheiten. Willst Du mich?«
Ich war gar nicht verwirrt, fühlte mich nur sehr geschmeichelt und gab ihm mein übermütiges lachendes Ja. Dann liefen wir durch den Garten, küßten die Rosen und küßten uns. Ganz tief innen sagte etwas, daß ich mir die Sache doch anders vorgestellt hätte. Das war ja gerade so, als wenn ich meine wunderschöne große Schreipuppe küßte.
»Müssen wir's nicht der Mama sagen?« fragte ich. »»Nicht nötig. Die weiß es von selbst««. Sie wußten's beide von selbst und ließen uns noch mehr gewähren. Wir rannten stundenlang durch die stillen grünen Eichenwälder, plauderten von unserer künftigen Wohnung, zankten uns über die Tapeten, und heimlich langweilte ich mich oft unaussprechlich. Anfangs Oktober mußte er nach Berlin zurückkehren. Er war trauriger als ich. »Nächstes Jahr im Mai komme ich wieder, und dann ... Wirst Du mich nur nicht vergessen? Du bist so jung!«
Schreiben sollten wir uns nicht, zu meiner großen Erleichterung. »Solch' eine Correspondenz wird leicht langweilig«, sagte die kluge alte Dame. »Er hört von mir über Dich, und Du hörst von mir über ihn«. Ich war sehr zufrieden. Am fünften Oktober reiste er ab. Wir brachten ihn zur Bahn. Ich hatte mein schönstes Taschentuch mitgenommen, um dem Zug nachzuwinken. Auf dem Heimweg weinte ich ein wenig und kaufte mir drei große Aepfel. Die aß ich Abends auch auf.
In meinem Innern rührte und regte sich nichts. Ich langweilte mich in der ersten Zeit, da ich des vielen Alleinseins entwöhnt war. Da war niemand mehr, der viertelstundenlang vor mir auf den Knieen lag, mir die Hände küßte und mir erzählte, wie schön meine Augen und wie glänzend meine Haare wären. Die klassischen Bücher aus der alten Bibliothek meines Vaters verstand ich nicht. Meinen sehr mangelhaften Sprachkenntnissen durch Studien nachzuhelfen, wäre mir schon gar nicht eingefallen. Ich spielte ein wenig Klavier und arbeitete den ganzen Tag für meinen künftigen Haushalt tausend unnütze bunte Sächelchen: Zeitungshalter, Sofaschoner, Tintenwischer, Wandkörbchen und dergleichen. Am Weihnachtsabend traf ein Kästchen aus Berlin ein und eine Kiste aus Rom. In dem Kästchen war ein zierliches Armband aus glänzend farbigen Emailplatten. Von ihm. In der Kiste war der Moses des Michelangelo und ein ruhiger freundlicher Brief, der um kurze Nachricht über unser Befinden bat. Von Dir.
»Du mußt antworten und Dich bedanken!« sagte meine Mutter. Ich that es nicht. Ich war zu sehr mit meinem Armband und meinem neuen Ballkleid beschäftigt. Ich tanzte in diesem Winter zum ersten Mal, tanzte viel und fand mich immer hübscher und liebenswürdiger. Es sagten's mir ja Alle. Die kluge alte Dame schrieb von meinen Triumphen nach Berlin und las mir die Antworten ihres Sohnes vor. Ich hörte äußerlich mit großer Aufmerksamkeit, innerlich sehr zerstreut zu. Ich dachte immer weniger an den guten lustigen Jungen, oder nur in Verbindung mit meinem Brautkleide und den niedlichen kleinen Capotehüten, die ich als junge Frau tragen würde.
Meine Mutter hatte bei einem großen auswärtigen Geschäfte meine Aussteuer bestellt. Ich stickte mir Wäschehalter mit verschlungenen Buchstaben und dachte heimlich daran, die Hochzeit bis zum Herbst zu verschieben. Das Heiraten kam mir jetzt nicht mehr so lustig vor. Ich durfte dann nicht mehr tanzen, und das Tanzen war mir jetzt die Hauptsache.
Als die Ballsaison vorüber war, sank ich in die frühere trostlose Langeweile zurück. Ich quälte meine Mutter, ärgerte mich über die kleine Stadt, wo man so wenig Zerstreuung haben konnte, und wollte Reisen machen. Die kluge alte Dame nahm meine Unruhe und Unlust zu jeglicher Beschäftigung für Sehnsucht. »Ich werde ihm schreiben; er soll schon im April kommen«. Ich freute mich mit übertriebenem Lachen und Händeklatschen, bestellte mir zwei neue Kleider, und schrieb am Abend auf vieles Drängen der Mutter einen trockenen dürren Brief an Dich. Das Schreiben verursachte mir Mühe, die Worte mußte ich aus allen Winkeln meines Gehirns zusammensuchen, ich wurde ungeduldig und namenlos ärgerlich auf Dich. Ich wollte Dich kränken, ich wollte Dir wehthun, und von einem dunklen bösartigen Instinkt getrieben, schrieb ich ganz zum Schluß, daß ich mit einem wunderschönen jungen Manne verlobt sei und ihn ungeheuer liebe. Mit dem unliebenswürdigsten Händedruck preßte ich die Marke auf das Couvert und übergab ihn dem Mädchen. Aber der Gedanke an Dich ließ sich nicht so ohne weiteres fortschicken. Ich erinnerte mich an so viel, was früher gewesen, anders als jetzt gewesen. Ich dachte an mein lang vernachlässigtes Klavier. Ich versuchte zu spielen. Meine Finger waren schwer und unbehilflich geworden. Das reizte mich. Ich spielte – was sehr selten geschah – einige Tonleitern und langte mir schließlich einen Band Sonaten her. Ich schlug auf – das Adagio der Pathétique. Ich hatte es als Kind oft von Dir gehört. Einmal hattest Du mich bei der Hand genommen, mir lange in die Augen gesehen. Endlich sagtest Du: »Wenn Du ein echtes großes Weib werden willst, dann kannst Du es von diesen vier Seiten besser lernen, als durch alle Weisheit der Welt. In diesen Tönen atmet das schönste und reinste Frauengemüt«. Das fiel mir wieder ein. Ich spielte das Adagio. Es ging sehr schlecht, aber die wunderbare Musik siegte über meine Ungeschicklichkeit. Es begann etwas in mir zu zittern. Als ich zu Ende war, weinte ich. Ich weinte vor Ergriffenheit und weil ich leise, aber schmerzhaft deutlich empfand, daß ich nichts, gar nichts von dem Frauengemüt hatte, das in diesen Tönen lebte. Aber seit diesem Abende spielte ich viel, wenn es auch kein geregeltes und regelmäßiges Ueben war.
Nach fünf Tagen kam Dein Brief. Ich warf ihn damals ins Feuer. Weniger zornig über den kühlen traurigen Glückwunsch als über den einen Satz, der sich in mein Gedächtniß bohrte: »Ich glaube nicht, daß Sie ihn heiraten, denn Sie lieben ihn nicht. Sie sind noch ein Kind, kein Charakter«.
Ich sollte ihn nicht lieben, ich sollte kein Charakter sein! Jetzt wollte ich erst recht beweisen, wie sehr ich ihn liebte, was für ein Charakter ich war.
Er kam. Ich war liebenswürdiger gegen ihn als früher, und wärmer. Aber das Adagio der Pathétique spielte ich nicht mehr. Was die Hochzeit betraf, so hatte ich meinen Willen durchgesetzt. Erst im Herbst. Und noch war es mir zu früh.
Der Mai brachte sommerheiße Tage. Ich war seit dem letzten Jahre größer und stärker geworden, atmete tiefer und errötete sehr oft, ohne daß ich wußte warum. Die unnatürlich heiße Frühlingssonne machte mich tagsüber müde, während ich nachts vor den lauten Schlägen meines Herzens nicht schlafen konnte. Ich sagte es der klugen alten Dame. Sie blickte mich mit einem eigentümlichen Lächeln an, das ich nicht verstand.
Drei Tage vor meinem sechzehnten Geburtstag saß ich mit ihm allein auf einem freien grünen Waldrain. Aus der Erde drang ein heißer feuchter Duft empor. Ich hatte den Kopf gesenkt. Plötzlich fühlte ich seinen Blick auf meinem Nacken ruhen. Eine brennende Empfindung und ein leichter widerwärtiger Schauer stieg in mir auf. Dennoch wandte ich mich, von einer bösen Neugier getrieben, zu ihm. Es war nur ein Moment, ein Blick – aber dieser Blick, der wie eine sinnlich zitternde Berührung über meinen Körper glitt – mir war's, als stände ich nackt, von unkeuscher Glut übergossen, in dieser freien, lichtvollen Natur – o Gott!
In der Nacht brach die Lüge meines Innern zusammen. Ich wußte, daß ich ihn nicht liebte. Aber was hatte ich für die Wahrheit geben müssen! Die Keuschheit meiner Seele, auf der jener Blick wie eine Entehrung brannte, nicht Entehrung vor Menschen, Sitte und Religion, aber Entehrung vor dem Höchsten, was es für ein Weib giebt, vor dem geheimnisvollen, gottähnlichen Gefühl der Reinheit. Das fühlte ich in jener Nacht. Ich lag da in stillem irrsinnigem Weinen – ich dachte an Dich. Und ich war noch feige. Drei Tage. Drei endlose verzweifelte Tage schob ich den entscheidenden Schritt hinaus. Da kam mein Geburtstag. Er brachte mir einen goldenen Ring, den Verlobungsring. Ich nahm ihn nicht.
Er verstand mich nicht, und als er mich verstand, fiel er vor mir auf die Knie. Er griff wie einst nach meinen Händen, aber der grauenvolle Ekel, der mein Gesicht erstarren machte, ließ ihn zurückfahren. Er ging, totenbleich, in trostlosem Zorn.
Sie versuchten mich zu überreden. Umsonst. Ich widerstand – nicht aus Charakterfestigkeit, denn – nur zu wahr, ich hatte noch keinen Charakter, sondern mit dem Eigensinne der Verzweiflung um ein ewig Verlorenes. O dies ewig Verlorene, dies Ungreifbare, Unnennbare....
Nun lebten wir ganz allein. Aus dem Häuschen drüben waren sie fortgezogen nach Berlin. Ich arbeitete. Ich hatte einen freundlichen alten Herrn zum deutschen Lehrer, der mit kleinem Kopfschütteln und großer Geduld meine unglaublichen Fehler verbesserte. Nach vier Monaten schrieb ich an Dich. Nicht mehr auf buntem parfümiertem Papier, auf einem einfachen weißen Bogen einen einfachen, orthographisch richtigen Brief. Zuletzt sagte ich, daß ich nicht mehr verlobt sei.
Seitdem schrieben wir uns regelmäßig. Du wurdest nicht müde, mir gute und treue Worte zu sagen. Meine Lebensanschauung habe ich aus Deinen Händen empfangen. Ich fing an zu verstehen, daß wir keinen Richter über uns erkennen dürfen, als das Ideal, das strenge, unerbittliche Ideal, nicht das nach den Forderungen der Menschen zugeschnittene. Ich fing an zu verstehen, warum ich ohne Schmerz und Vorwurf an jene thöricht-traurige Spielerei denken konnte, bis zu dem Augenblicke, wo ich innerlich schuldig geworden war. Das blieb. Das ließ sich nicht hinwegweinen oder hinwegarbeiten. Das blieb.
Nach drei Jahren kamst Du wieder. Ich war nicht mehr hübsch. Aber ich war still und gut geworden. Eine kleine Freude machte es mir, Dich mit allem zu überraschen, was ich gelernt hatte. Französisch, englisch und italienisch. Ich hatte die Klassiker gelesen und konnte auch schwere Bach'sche Fugen spielen. Du gabst mir Compositionslehre, um mir das Partiturlesen zu ermöglichen und meinem instinktiven Verständnis durch das theoretische nachzuhelfen. Ich weiß noch sehr gut, was Du bei den falschen Quinten und Oktaven sagtest: »Man hört sie oft nicht, sie dürfen aber doch nicht gemacht werden«. Ja .... man hört vieles nicht mit Menschenohren und sieht vieles nicht mit Menschenaugen, und doch darf es nicht geschehen.
Dein vierzigster Geburtstag kam. Du verbrachtest ihn bei uns. Ich hatte mittags in der Küche zu thun. Als ich etwas spät ins Eßzimmer kam, hörte ich Dich und die Mutter im kleinen blauen Salon reden. Wie es schien, ernsthaft. Ich wollte nicht stören. Ich nahm mir eine Arbeit. Durch die offene Thür klangen Eure Worte.
Die Mutter fragte: »Warum haben Sie nicht geheiratet?« – – – Deine Worte fielen wie schwere heiße Thränen auf mein Herz. »Ich möchte nur ein Weib lieben, das ich hoch über alle andern stellen, das ich als ein einziges, auserwähltes ansehen kann. Zu diesem Weibe müßte ich beten können, wie zur Madonna. Auf ihrer Stirne dürfte kein Hauch und in ihrem Herzen kein Fehler sein. Ich hätte sie zu lieb, um es ihr vergeben zu können. Bei dem Unendlichen darf es kein Begnügen und keine Nachsicht geben. Ich muß fraglos anbeten und mich in den Staub niederwerfen können: »Ich verdiene Dich nicht, aber ich kann Dich nur lieben, wenn Du bist wie das Licht selbst«. Solch' ein Weib habe ich noch nicht gefunden – ein Weib wie Ihre Tochter«.
Ich starrte mit weiten Augen in die große flammende Mittagssonne.
»Meine Tochter – Wissen Sie, daß sie verlobt war?«
»Ich weiß es. Aber gnädige Frau, halten Sie mich nicht für eine so kleine Natur, daß ich solch' einer äußerlichen Sache nur einen Gedanken schenken würde. Diese empfindungslose Kinderthorheit hat die Seele Ihrer Tochter nicht berührt. Sie ist rein – wie Madonna«.
Die Nacht! Ich sah Dich vor mir stehen und lag mit gefalteten Händen vor Dir auf den Knieen.
Ich liebe Dich – und kann Dir's nicht sagen, denn ich kann nicht mehr Madonna für Dich sein. Ich bin schuldig – und wenn ich's Dir gestehen könnte, so könnte ich mir's doch nicht von Dir vergeben lassen. Du darfst mir nichts zu vergeben haben, Du bist zu hoch dazu und ich liebe Dich zu sehr. Ich bin besser als die Anderen, aber nicht gut genug für Dich. Ich bin stolzer als die Andern, und liege hier vor Dir auf den Knieen: ich liebe Dich.
Ich habe Dir's nie gesagt. Ich konnte nicht, ich konnte nicht. Jener Blick stand nachtdunkel zwischen diesem Wort und mir. Ich ließ Dich gehen und sagte meiner weinenden Mutter: »Ich liebe ihn nicht. Nein. Nein«.
Mein lebendiges Leid hat sich nicht so leicht im toten Herzen begraben lassen. Manchmal wachte es auf und schrie mir mein Elend in die Ohren. Ich wurde älter und sah, wie die Menschen lügen und sündigen, ohne es für Lüge und Sünde zu halten. Ihnen mußte ich lächerlich sein. Aber mein Ideal mit den traurigen goldenen Augen sprach anders.
Die Mutter starb. Ich war ganz einsam. Ich hörte durch die Zeitungen viel von Dir. Dies und Deine Werke waren mein einziges Glück. Ich wußte auch, daß Du nicht geheiratet hattest .... Du konntest keine Madonna finden.
Ich lebe still weiter, freue mich, armen Menschen helfen zu können, und sterbe langsam. Ich liebe Dich zu sehr. Und nun, da lange fünfzehn Jahre vorbei sind, habe ich Dir diese meine Geschichte erzählt. Du sollst sie lesen, wenn ich tot bin. Zu meinem Begräbnis soll meine alte Pflegerin Dich rufen lassen. Ich weiß, daß Du kommen wirst.
Du sollst wissen, daß ich Dich geliebt habe, und doch solltest Du mich nicht Madonna nennen. Es wäre eine Lüge gewesen. Sage mir, daß ich recht gethan habe.
Nun weißt Du, wie's gekommen ist«. –
Das Abendrot hauchte seine Lichter auf die Stirne der Sixtina. Ein Abglanz fiel auf das Antlitz der toten Maria. Es war so ernst und herrlich rein, wie das der Himmelskönigin.
Er lag auf den Knieen und neigte sein Haupt auf ihre bleichen Hände. »Du hast recht gethan – Madonna«.
Soll ichs? ... Es ist ein hübscher Junge und ich ennuyiere mich. Mein geliebter Gemahl ist den ganzen Tag in den Bergen. Er sitzt am See; schreibt seinem Aussehen nach Gedichte. Ich? ... was thue ich? Brauche möglichst lang zu meiner Toilette; lasse mir von der Köchin das Menu zeigen; sitze auf der Veranda und bilde mir ein, See, Wald und Berge zu zu bewundern. Voilà tout. Ah, meine Gnädigste, in solcher Stimmung ist's verzeihlich, ein Tagebuch zu beginnen! Fünfundzwanzig Jahre und ein Tagebuch! Lächerlich! Aber die Langeweile ... Dazu ärgerten mich die weißen, öden Blätter. Ich fing an, Spinnen und Fliegen darauf zu zeichnen. Und während ich es that, kamen mir die Gedanken ... Es ist wirklich ein hübscher Junge. Noch ein wenig blaß von seiner Krankheit. Und so gut erzogen, so rührend ungalant ...
Vor acht Tagen kam der Brief seines Vaters. Fritz las ihn. Ein-, zweimal. Dann schob er die Cigarette in den rechten Mundwinkel. Ah! macht' ich in Gedanken. Der will etwas. Die Cigarette wanderte wieder in den linken Mundwinkel. Mich geht's auch an? So! Pause. Ich sah auf die Badestatuette von Tabachi. Man sagt, ich sehe ihr ähnlich. Ich gähnte.
Thea!
Fritzl?
Der Lobkowitz hat geschrieben.
So. Was?
Sein Jüngster, der Ossi, war krank. Nervenfieber. Hat sich beim Examen überarbeitet. Er möchte ihn auf's Land schicken; zu uns. Willst Du?
Wie alt ist der – Ossi?
Neunzehn oder zwanzig, weiß nicht recht. Also willst Du?
Neunzehn, zwanzig – nein.
Aber Thea!
Fritzl, sei vernünftig. Der Junge ist neunzehn, meinetwegen auch zwanzig. Ich bin hübsch. Wir leben hier sehr einsam. In acht Tagen ist er verliebt in mich bis über die Ohren und wir haben den Skandal.
Das ist Deine ganze Besorgnis? Möglich, daß er sich in Dich verliebt. Sicher, daß ich einen Skandal verhindre. Ich lasse ihn kommen.
Und er kam. Ganz anders, als ich ihn erwartet hatte. Schlank, brünett, mit der zigeunerischen Noblesse des slavischen Adels, aber zugleich schüchtern, linkisch, wie ein bürgerlicher Privatdozent. Keine Spur von savoir-vivre. Und sein Vater ist Gesandter! Ich interpellierte Fritz.
Wo hat der Lobkowitz seinen Jungen erziehen lassen?
Weiß nicht. Keinenfalls in Paris. Der Fred hat ihn zu viel Geld gekostet. Darum sollte der Ossi wohl desto solider werden. Ich glaube, er hat Philosophie studiert. Bist Du nun ruhig, daß er sich nicht in Dich verliebt?
Ganz ruhig, mein Herr Gemahl. Aber Sie hätten das nicht so spöttisch zu sagen brauchen. –
Mein philosophischer Graf sitzt noch immer auf seinem Felsen, dichtend ... Was gilts? Eine Spielerei von zwei Monaten – ce n'est que le premier pas qui coûte.
Soll ichs? – Ich werds!
Ich las, was ich gestern geschrieben. Es amüsiert mich. Ich werde weiter schreiben. Ich langweile mich noch immer. Die – Affaire ist noch nicht im Gang. ... Sentimental wird mein Tagebuch nicht. In dieser Richtung bin ich ein Genie an Talentlosigkeit. Sentimental – Affaire – Genie – wie unlogisch ich durcheinander schreibe. Ah, laissons! Logik ist die schreckliche Begabung der gelehrten Frauen; ich kann sie nicht leiden; sie verstehen nichts von Koketterie. Ich bin nicht gelehrt; kokett? –
Ich spreche französisch, nicht mit schwerfällig-deutscher Institutsrichtigkeit, sondern so anmutig und unordentlich, als käme ich aus dem tiefsten Paris; englisch wie eine Lady, deren Augenbrauen weißer als ihre Haut sind; italienisch – man hat mich für eine Toskanerin gehalten. Weiter kann ich nichts. Oder von allem ein wenig. Natürlich spiele ich Klavier. Mit viel Technik und wenig sentiment. Manchmal phantasiere ich auch, cela veut dire, ich spiele eine unmögliche Melodie, dazu suche ich mir noch unmöglichere Akkorde. Kurz, es sieht in meinem Kopf aus wie in einem bric-à-brac-Laden. Ich weiß es ganz genau und mache mir gar nichts daraus. Die Grisettenwirtschaft solch eines bric-à-brac-Ladens ist weit interessanter als die anständige Steifheit wohlgeordneter Wohnzimmer. Ich habe mich in Paris mit Daudet, in London mit Gladstone, in Bayreuth mit Wagner aufs beste unterhalten. Ohne jede Gelehrsamkeit. Ein wenig Esprit, ein wenig Koketterie. Ich kenne all meine Fehler und finde sie alle reizend. Z. B. meinen Egoismus. Ich beweise ihn schon dadurch, daß ich nur von mir rede. Da ist ja noch – monsieur mon mari. Ich liebe ihn heute ebenso wie vor fünf Jahren an unsrem Hochzeitstage. Mittelmäßig. Warum ich ihn geheiratet? Er war zweiunddreißig Jahre, die Perfektion eines Kavaliers, sein Vermögen groß genug, um mir Toiletten à la Sarah Bernhardt und Diamanten à la Judic zu gestatten; und in mich verliebt! Sehr! Ich? ich wußte recht gut, daß mein Ministerpapa eine glänzende Einnahme, aber kein Vermögen habe. Die glänzende Einnahme wurde durch ein glänzendes Leben verbraucht. Meine Heirat mit Baron Gersewald war das Vernünftigste, was ich thun konnte. Ich that es.
Fritzl ist heute wie vor fünf Jahren galant, liebenswürdig, verliebt. Wir leben in der größten Harmonie. Wir sind beide nicht eifersüchtig. Wir wissen beide, daß wir uns hie und da etwas vorlügen. Was die gegenseitigen Wünsche angeht, schicken wir uns ineinander. Vier Wintermonate in Paris, reizendes Hotel Place Vendôme, das ist für mich. Drei Sommermonate Eibsee, einsame Villa, das ist für ihn. Eine Laune meines seligen Schwiegervaters hat diese Bonbonnière in die Felseneinöde gestellt. Die Gegend entzückte ihn, doch nicht genug, um sie ohne Comfort genießen zu wollen. Fritz hat seine ersten Lebensjahre fast ausschließlich hier verbracht; wahrscheinlich ist seine Bergfexerei auf diesen Umstand zurückzuführen. Sie stimmt keineswegs zu seinem übrigen Charakter. Vor einigen Tagen fand ich in einem Winkel mehrere seiner Schulbücher. Besonders amüsierte ich mich über ein dickes Buch: Homer. Voller Tintenflecke und Eselsohren. Ich zeigte es Fritz. Weißt Du noch etwas davon? Er lachte: Kein Wort.
Mir ist der Aufenthalt hier nicht unbequem genug, um mich dagegen aufzulehnen. Die Luft, die Ruhe die Bäder sind der Gesundheit sehr zuträglich. Volle Gesundheit trägt wesentlich zur Verlängerung der Jugend und Schönheit bei. Ich möchte mir beides möglichst lange erhalten. Aber es ist schwer, hier zu leben, wenn man für sogenannte Naturschönheiten keinen Sinn hat. Fritzl ist tagelang in den Bergen. Ich glaube, er war schon ein dutzend Mal auf der Zugspitze. Die längste meiner Fußpartieen erstreckte sich nur bis nach Lermoos. Seitdem sitze ich lieber zu Hause oder mache kurze Spaziergänge an den Frillensee. Baadersee ist mir schon zu weit; dazu der Rückweg bergauf. Auch wohnen mir in dem kleinen Hotel zuviel Kaufleute und Commerzienräte. Ich befinde mich trotz der Langeweile immer noch am besten – chez moi.
Unser philosophischer Graf bleibt auch zu Hause. Das Bergsteigen ist ihm noch verboten ... L'affaire? Ist noch nicht im Gang. Zum ersten Mal weiß ich nicht, wie einem Menschen beikommen. Wir sehen uns Mittags und Abends. Morgens ist er von fünf Uhr ab im Wald; Fritz in den Bergen.
Punkt zwölf kommt der Graf zurück. Rasch, erhitzt, zerzaust. Er muß über die Veranda, an mir vorbei. Drei Schritte entfernt bleibt er stehen. Sein überkorrektes Compliment ist steif und ungeschickt. Er dreht seinen weichen Schlapphut in den Händen und wird ganz unmotiviert rot.
Wie haben gnädige Frau geruht?
Danke, Graf, gut. Sie?
Vortrefflich, gnädige Frau. Erlauben Sie, daß ich jetzt meine Toilette in Ordnung bringe.
Wieder ein eingelerntes Compliment. Er geht. So eilig als es mit der Höflichkeit vereinbar ist.
Bei Tisch führen Fritz und ich die Conversation. Der Graf spricht nur, wenn er gefragt wird. Wir fragen nicht mehr. Seine Antworten sind zu einsilbig. Auch wird er immer bis an die Haarwurzeln rot. Ich habe eine unwiderstehliche Lust, ihn durch boshafte Bemerkungen in Verlegenheit zu bringen. Fritz verbot es mir. Er hat ein faible für den Grafen. Warum, kann ich mir nicht erklären. Vielleicht weil er ihn für gar so ungefährlich hält. Er ist es auch. Und doch ...
L'affaire s'en va ... Fritz hat sich für fünf Tage verabschiedet. Er macht eine Tour nach Tirol. Gestern Abend teilte er es mir mit. Der Graf stand dabei.
Ich hoffe, Ossi, daß Sie der Baronin während meiner Abwesenheit Gesellschaft leisten.
Der Graf wurde rot – und schwieg. Das aigrierte mich.
Ich werde den Herrn Grafen in keiner Weise bemühen. – Ich klingelte. – Heinrich, Sie werden morgen dem Herrn Grafen hier, mir auf meinem Zimmer servieren.
Ich machte ihm eine förmliche Verbeugung. Mit einem ganz kleinen Blick bemerkte ich, wie er sich auf die Lippen biß. Ich lächelte innerlich. Ça commence.
Eine Stunde später trat Fritz in mein Boudoir.
Thea, Du warst unartig gegen den Grafen.
Nur Revanche.
Er ist schüchtern.
Nein, ungezogen.
Ich zerdrücke einen kleinen, roten Chenilleaffen, der an einer blassen Chrysanthemenblüte hängt. Fritz beobachtet mich. Ich fühl's.
Thea – ich werde meine Partie nicht machen.
Ich erschrak. Ich hatte mich unklug benommen. Das mußte wieder gut gemacht werden. Gleichgiltig, unbeweglich blickte ich vor mich hin.
Es ist nur Deine Pflicht, mich nicht allein zu lassen mit dem dummen Jungen.
Ich accentuierte die »Pflicht« sehr scharf; den »dummen Jungen« ließ ich fallen – eben weil er mir die Hauptsache war. Er sah mich an, drehte bedächtig die feinen Spitzen seines blonden Schnurrbarts:
Ich werde meine Partie doch machen.
Ich spielte die Zornige:
Wirklich? Nun dann bitte ich, sie sofort anzutreten.
Er küßte mir langsam beide Hände:
Sie sind reizend, Baronin.
Er ging.
Ich schlief sehr ruhig. Gegen vier Uhr weckte mich das Oeffnen der Zimmerthür. Fritz. Er beugt sich über mich. Ich stelle mich fest schlafend.
Madame – Mylady – Signora!
Ich rühre mich nicht.
Thea – hübschester kleiner Satan, der je –
Ich konnte das Lachen nicht mehr verbeißen, schlug die Augen auf. Er setzte sich auf den Bettrand und nahm meinen Kopf in seine Arme.
Ich gehe fort, Kleine. Sei artig während meiner Abwesenheit. Quäle den Grafen nicht. Ich habe Befehl gegeben, daß ihr zusammen diniert. Das Souper will ich Dir schenken.
Ich setze mich kerzengrade auf:
Ich werde nicht mit dem Grafen dinieren.
Die Erklärung nehme ich mit Vergnügen an; doch nur die Erklärung. Im übrigen wirst Du die Liebenswürdigkeit haben, meine Anordnung anzuerkennen.
Nein.
Mein liebes Kind, dies »Nein« ist gleichbedeutend für mich mit einer Blamage vor den Dienstboten. Und wenn ich auch duldsam wie ein Lamm bin – darin nicht.
Ich zerreiße die Picots an den Seidenbändern meines Nachtkleides.
Also ja?
J ... j ... ja.
Er will mich küssen. Ich vergrabe den Kopf in die Polster. Er küßt mich in den Nacken und lacht leise:
Baronin, ich nehme mir ein Andenken mit.
Ich schaue rasch um. Er hält eines meiner Morgenpantöffelchen in der Hand und mißt es mit Daumen und Zeigefinger.
Nein 33! rufe ich eifrigst. Er sieht mich komisch-ungläubig an: Wahr? Dann neigt er sich dicht zu mir:
Ich muß es doch wissen. Ich habe dies Cendrillonfüßchcn oft genug in der Hand gehabt. Adieu. –
Jetzt sitze ich auf der Veranda. Schreibend. Der Graf wird kommen. Ich habe eine Toilette gemacht, eine Toilette – –! Er versteht nichts davon, ich weiß es. Doch empfindet jeder Mann unwillkürlich den Zauber eines guten Ensembles.
Spitzen, nichts als Spitzen. Weich, weiß. Nachlässige Draperien von reizender Unregelmäßigkeit. Mein Gesicht habe ich nach meiner Toilette eingerichtet. L'air de petite fille. Das steht mir. Und grüßen werde ich ihn, grüßen – – so, daß er mich anreden muß.
Da kommt er. Sehr langsam. Ist ihm unbequem, daß er an mir vorbei muß. Sehr gut, sehr gut. Ich vertiefe mich eifrigst ins Schreiben. Uebers Papier hinweg sehe ich seinen schmalen Fuß ...
Die Philosophie? Ich lache! Ah Herr Graf, sie wird Sie nicht schützen gegen Ihre zwanzig Jahre. Soll ich schreiben? Das eben stattgehabte Gespräch? Mir zuckt's und prickelt's in den Fingern. Also ... Der Graf kam die Treppe herauf. Ich kratzte zwanzig i-Striche nacheinander. Ich mußte ja schreiben. »Guten Morgen, gnädige Frau.« Mein Ohr seziert den Ton, in welchem er die vier Worte spricht. Schüchternheit und Trotz; so das Resultat meiner raschen Analyse. Ich hob den Kopf, dankte ihm, ohne zu sprechen.
Gnädige Frau ...
Ich sehe mit dem liebenswürdigsten Gesichtsausdruck an ihm vorbei. Er ist tötlich verwirrt.
Gnädige Frau, ich ... ich bin sehr ungeschickt.
Gewiß.
Er wird weiß bis in die Lippen. Noch siegt die Philosophie über seine gekränkte Mannheit. Das ist mir nicht recht. Ich muß ihn reizen, reizen, bis er sich vergißt und ....
Gnädige Frau, ich habe Sie gestern beleidigt.
Graf, beleidigen können Sie – mich nicht.
Einen Augenblick ist's sehr still. Dann macht er mir eine tiefe Verbeugung. Sehr unkorrekt, aber zum ersten Mal frei und natürlich.
Gnädige Frau, ich werde heute Abend abreisen.
Wenn Sie das für das Richtige halten –
Das Richtige?
Es dürfte zum mindesten ein sehr eigentümliches Licht auf mich werfen, wenn Sie nach dem ersten Tage des Alleinseins mit mir – abreisen.
Das trifft.
Ich – werde – bleiben.
Ich schaue von unten zu ihm hinauf und fange an zu lachen.
Aufrichtig, Graf, wir sind doch wie zwei Kinder. Nur, daß es bei mir verzeihlicher ist. Ich bin eine Frau. Sie, ein Mann, der Philosophie studiert hat ....
Er, sehr bitter: Aber keine Lebensart.
Nein. Ich habe es Ihnen schon zu verstehen gegeben.
Sehr deutlich!!!
So? Das kann Ihnen doch nur gefallen. Ein Philosoph, ein Verehrer der Wahrheit ...
Das bin ich.
Beweisen Sie es. Was unsere heutige Unterhaltung angeht – passons. Von heute an werden Sie ein wenig höflicher, ich ein weniger nachsichtiger sein.
Ja.
Mein Mann hat meinen gestrigen faux pas schon wieder gut gemacht. Wir dinieren zusammen.
Ich weiß.
Er hat es Ihnen schon gesagt? Desto besser. Heute Morgen winkte mir die angenehme Aussicht, in Ihrer Gegenwart keinen Bissen genießen zu können. Ich hoffe, es wird besser gehen, aber – –
Aber?
Appetitanregend sind Sie auch gerade nicht, Graf.
Ein schwaches, finstres Lächeln huscht um seine Mundwinkel.
Ich habe mich noch nie um diesen Ruhm bemüht.
Und ich, um eine Nuance wärmer als bisher: Wollen Sie es heute versuchen?
Nein!
Ah!
Gnädige Frau – – Sie – wollen – mir gefallen.
Einen Moment bin ich starr. Nur einen Moment. Vogue la galère.
Er blickt mich mit unverhohlener Entrüstung an. Ich habe keinen Spiegel. Kann mich nicht sehen in diesem Augenblick. Doch weiß ich genau, wie ich aussehe. Sonnig. Lieb. Kindlich.
Ich will Ihnen gefallen. Ist das etwas Schlimmes? Ich will jedem Menschen gefallen. Ich bin mit Allen liebenswürdig, um Allen liebenswert zu sein. Mein Mann hat Sie gerne, Graf. Er hält Sie für eine besondere Natur. Soll ich mich da nicht bemühen, Ihnen zu gefallen?
Ich wende den Kopf so, daß mir die Sonne gerade in die Augen scheint. Ich habe sehr schöne Augen. Sie glänzen im Sonnenlicht wie Tautropfen. Und mit diesen Augen sehe ich ihn an ... er ist eine Weile ganz stumm.
Ich habe Unrecht gethan, gnädige Frau. Ich werde es gut machen.
Und langsam, langsam tritt er ins Haus.
Und jetzt! Ich bin lebhaft geworden; lebhaft vor Freude und Kampflust und Bosheit. Dieser kleine Graf! »Sie wollen mir gefallen!«
Ja, ja, ja, das will ich – und ich werd's.
Ich hätte nicht gedacht, daß ein Tagebuch so anziehend werden könnte. Mir.
Unser Diner – – C'est un drôle d'homme. Um was für Dinge er sich gekümmert hat. Ich wußte nicht recht, was für ein Gespräch mit ihm beginnen, und nahm darum den ersten besten Gegenstand auf.
Waren Sie schon in dem Gasthof zum Eibsee?
Ja.
Wohl alles sehr schlecht?
Nein, einfach.
Ich glaube auch von einem Pensionat Krinner gehört zu haben.
Ja, Pensionat und Künstlerherberge.
Künstlerherberge?
Es wohnen mehrere Maler dort. Außerdem sind nur noch zwei Bauernhäuser da. Eines ist uralt. Zigeuner sollen darin gewohnt haben. Die früheren Besitzer des Eibsees.
Und jetzt?
Wohnen ihre Nachkommen darin, derbe, dunkelköpfige Bauern.
Tiens, wie romantisch. Sie sind sehr unterrichtet, Graf.
Ich spreche manchmal mit den Leuten.
Können Sie sie denn verstehen?
Ich gebe mir Mühe.
So. Und verlohnt es sich der Mühe?
Ja. Diese einfachen sind die interessantesten Menschen.
Unter diesen »interessanten Menschen« sind wohl ein paar hübsche, schwarzhaarige Dirnen?
Die Mädchen sind sehr hübsch.
Ah, nun verstehe ich die Anziehungskraft.
Sie irren, gnädige Frau. Die Mädchen sind mir gleichgiltig. Aber es lebt in dem Hause ein vierundsiebzigjähriger Mann. Der Tonerl. Schwere Arbeit kann er nicht mehr verrichten. Er sitzt im Wald, bindet Besen und raucht seine Pfeife. Ich habe mich oft mit ihm unterhalten. Er sei schon weit herumgekommen, erzählte er mir. Nach München? fragte ich. O nein, aber bis Tölz! Werktags geht er bei gutem und schlechtem Wetter in Hemdärmeln. Sonntags hängt er sich den Lodenrock über die Schulter und steckt sich eine Rose hinters Ohr. Das sieht zu seinem zusammengerunzelten Gesicht rührend komisch aus.
Nein.
Ah, er denkt wohl ins Bäurische übersetzt: Marriage and hanging go by destiny?
Doch nicht. Das Heiraten sei nur für reiche Leute, erklärte er mir.
Sehr wahr. – Aber Sie essen gar nicht, Graf.
Ich bin nicht hungrig.
Nachdem Sie den ganzen Morgen im Wald waren?
Ich habe mir im Bauernhaus ein Glas Milch und ein Stück Brot geben lassen.
Das hätten Sie bei uns nicht bekommen?
Nein. Die Milch nicht so frisch und das Brot nicht so schwarz.
C'est un goût extraordinaire.
Wenigstens kein französischer.
Sie dehnen Ihren Patriotismus auch auf Nahrungsmittel aus?
Hie und da.
Jedenfalls sind Sie kein Anhänger Brillat-Savarins.
Wer ist das?
Sie kennen doch die »Physiologie des Geschmacks«?
Brillat-Savarin ist der Verfasser. Ein französischer Professor.
Ich habe von dem Buch gehört. Gelesen habe ich es nicht.
Ich kann es Ihnen geben.
Ich danke sehr. Ich habe keine Zeit, es zu lesen.
Aber mit Bauern zu plaudern?
Ja.
Ah, Graf, mit Ihnen werde ich nicht fertig. Unsere Ansichten gehen zu sehr auseinander.
Es scheint.
Glauben Sie nicht, daß wir uns vereinigen könnten? Ich bin nicht eigensinnig.
Ich auch nicht. Nur überzeugungstreu.
Ueberzeugungstreu! Wie pathetisch! Diesen Tragödienton goutiere ich nicht. Gehen wir lieber zur Tagesordnung über – zum Marasquin crême.
Das Diner ist vorüber. Er wünscht mir, echt kleinbürgerlich: Gesegnete Mahlzeit. Ich begebe mich in mein Toilettenzimmer. Wie kann er nur mit einem Menschen plaudern, der nach Tisch weder Nagel- noch Zahnbürste gebraucht. Unbegreiflich.
Ich werde in den Wald gehen. Dann baden. Ob der Graf sich verpflichtet fühlt, mir späterhin noch Gesellschaft zu leisten – Ja? Nein?
Oui, madame la baronne!
Er kam mit einem Strauß tiefblauer Enziane aus dem Wald. Ich wartete seinen Gruß nicht ab.
Dieser Strauß! Ravissant! Wo haben Sie die Blumen gefunden?
Auf dem Weg nach den Thörlen. Da wachsen sie in Menge.
Sie lieben die Blumen?
Ja.
Ich auch. Stellen Sie sie hier ins Glas. Ich glaube, sie welken sehr rasch. Wollen Sie nicht Platz nehmen?
Er setzt sich. Sein Auge schweift mit einem vagen Ausdruck über den sonnenbestrahlten See. Zwischen den Enzianblüten kriecht ein Marienkäferchen. Ich setze es auf meine Hand und beobachte seine ängstlichen Spaziergänge. Auch er blickt auf das Tierchen. Die Sonne schimmert durch meine geschlossenen Finger. Sie zeigt jede Blutwelle in dieser kleinen schmalen Hand. Ich fühle, wie sein Blick an meinen Fingerspitzen haften bleibt.
Sind Sie schon lange von Wien fort, Graf?
Sechs Jahre, gnädige Frau.
Ihr Vater hat Sie nie in München besucht?
Nein.
Sie waren in einem Institut?
Nein. In einer Familie.
Das wußte ich gar nicht. Wohl bei Verwandten?
Bei Fremden.
Nun, ich bitte Sie, diejenigen, die einem Kreise angehören, können sich nie ganz fremd sein?
Es waren Bürgerliche.
Bürgerliche – Graf Lobkowitz?
Ich habe mich nie glücklicher gefühlt, als bei diesen Bürgerlichen. Ich habe ihnen sehr viel zu verdanken. Ich habe noch keine besseren Menschen kennen gelernt.
Nie habe ich einen Aristokraten in stolzerem Ton reden hören. Und dieser Ton wurde für das Lob Bürgerlicher verschwendet.
– Sie sind Demokrat?
Nein. Nur ein Mensch.
Wollen Sie mir nicht von diesen außerordentlichen Bürgerlichen erzählen?
Er schwieg.
Sie können damit ein gutes Werk thun. Mich bekehren. Denn ich habe bis heute keine große Sympathie für die Bürgerlichen gehabt.
Warum?
Genau weiß ich das nicht. Sie verstehen nicht, sich zu benehmen. Die Männer haben keinen Takt, die Frauen keine Grazie.
Lauter ästhetische Fehler, die Sie ihnen vorwerfen. Keine moralischen, keine Charakterfehler.
Aesthetische Fehler verletzen mein Schönheitsgefühl.
Das Schönheitsgefühl darf nicht richten, nur die Wahrheit.
Sie mögen Recht haben. Ich werde darüber nachdenken – was Sie mir wahrscheinlich nicht zutrauen. Doch jetzt erzählen Sie mir von Ihren bürgerlichen Freunden. Wie kamen Sie überhaupt gerade nach München?
Meine Mutter war tot. Mein Vater war nach Paris versetzt worden, wohin er meinen ältern Bruder mitnahm. Ich hatte gegen Wien eine unüberwindliche Abneigung. Das Münchner Gymnasium, die Universität, wurden meinem Vater sehr gerühmt, und ich freute mich, etwas Neues kennen zu lernen.
Und wie kamen Sie in jene Familie?
Durch die Empfehlung des Fürsten Kinsky. Professor Richter ist längere Zeit bei ihm gewesen.
Richter, Richter? Wenn ich mich recht erinnere, habe ich einen Professor Richter in Bayreuth kennen gelernt. Im Jahre 82. Bei Wagners. Er war sehr bekannt, geachtet und etwas gefürchtet. Er soll sehr grob sein können.
Wenn man eine ganz ungewöhnliche Aufrichtigkeit dafür nehmen will – gewiß. Professor Richter ist eben kein moderner Mensch.
Um das zu verstehen müßten Sie mir erst erklären, was ein moderner Mensch ist ... und ich möchte jetzt von jener Familie hören. Die Frau?
Ist eine echte Frau. Sie hat weniger Verstand als Gemüt.
Kinder?
Eine.
Ich horche auf. Diese seltsame kurze Antwort, der Ton ...
Eine Tochter? Sie heißt?
Gabriele.
Wie ist sie?
Sein Auge wird groß und licht:
Gut.
Das ist nicht viel, werfe ich übereilt ein. Er mißt mich mit einem unsäglich mitleidigen Blick.
Bei einem Weibe – alles.
Ist sie schön? –
Ich glaube nicht, daß er spricht, um mir Antwort zu geben. Er träumt die Worte.
Sie ist sechzehn Jahre und hat goldene Locken. Sie kann lachen und weinen. Sie will nicht anders sein als sie ist.
Das halten Sie für einen großen Vorzug?
Ja.
Dessen kann ich mich freilich nicht rühmen. Ich möchte immer anders sein, als ich bin. Denn ich bin mir lange nicht gut genug.
Das gehört nicht hierher. Ich habe mich falsch ausgedrückt. Man soll nicht anders scheinen wollen, als man ist.
Thue ich das?
Ich glaube – ja.
Diese Worte sind zögernd und sein Auge ist traurig. Jetzt ist der Augenblick. Wenn ich ihn jetzt nur ein wenig ...
Man darf nicht immer scheinen, was man ist. Am wenigsten in der Welt. Wenn ich jedes Lächeln und jede Thräne zeigen wollte –
Thräne?
O ja. Sie wiederholen das Wort in so fragendem Ton ... ich habe schon bitter geweint. Nur durfte ich es nicht zeigen.
Er hat mir sein Antlitz voll und ernst zugewendet.
Ihrem Gatten?
Auch – ihm – nicht. Er würde mich nicht verstanden haben.
Ich zwinge mich zu einem Lächeln:
Ich lebe in einer menschenreichen Wüste.
Ich habe Sie für glücklicher gehalten.
Das thun Alle. Und das ist's, was mich oft so tief verletzt. Sie beneiden mich um mein Elend.
Elend? Ist das nicht ein zu schweres Wort?
Vom allgemeinen Standpunkt aus gewiß. Was fehlt mir denn? Ich kann mir mit Konfitüren den Magen und mit französischen Stöckeln die Gesundheit verderben. Aber leider ist die Dame auch ein Weib. Und das Weib sehnt sich nach Licht und Luft, die Brust verlangt nach einem freien kräftigen Atemzug, nicht gehindert durch das seidene Corset der Convention.
Und doch, gnädige Frau, habe ich gerade bei Ihnen die peinlichste Beobachtung der äußeren Form gesehen.
Gewiß, so lange sie eine Rücksicht, ja mehr, eine Höflichkeit gegen unsere Mitmenschen ist. Convention nenne ich die Schranke, die meiner geistigen Ausbildung von Jugend an gesetzt wurde. Was habe ich gelernt? Fast nichts. Ich bekomme jetzt oft ein Buch in die Hand, das ich lesen und verstehen möchte. Dazu fehlt mir eine gewisse Vorbildung. Ich möchte eine Treppe hinaufsteigen, in der so und so viele Stufen fehlen.
Sollte sich das nicht gut machen, nachholen lassen?
Mein Mann hat zu viel andere Dinge im Kopf, um sich für diese zu interessieren. Allein, das gestehe ich offen, ist es mir nicht möglich.
Und wenn ich mich erbieten wollte, Ihnen zu helfen?
Sie sind sehr liebenswürdig. Danke. Ich glaube, es ist zu spät. Von Ihrem Standpunkt aus sind all meine Versuche doch nur Kindereien. Ein so ernster Mann darf sich nicht mit dergleichen abgeben.
Darf nicht? Es ist des Mannes würdigste Beschäftigung, dem nach Wahrheit Strebenden zu helfen.
Aber ich bin ungeschickt.
Desto mehr Freude wird Ihnen das Errungene machen.
Ich bereite Ihnen eine Plage ...
Sie machen mir eine Freude.
Bon. Ich nehme Sie an als Lehrer.
Womit möchten Sie beginnen?
Ich habe soviel von der Iliade gehört. Wollen wir sie morgen lesen, oder ist das noch zu schwer für mich?
Sie verraten einen vortrefflichen Geschmack. Wir können ohne alle Bedenken damit beginnen. Ich habe eine sehr gute Uebersetzung mit.
Und ich habe die von Fritz, denke ich im Stillen. Denn sonst hätte ich weder von Homer noch von der Iliade etwas gewußt.
Und wo soll die erste Stunde abgehalten werden? Hier?
Ich sehe ihn an.
Hier? Nein. Es wäre kaum der geeignete Ort. ... Die anmutige Neugier meiner Dienstboten – – Sie gehen jeden Morgen in den Wald. Kann ich Sie um zehn Uhr am Frillensee treffen?
Ich werde pünktlich sein.
Ich auch. Ich würde gerne früher kommen, aber meine Leute sind nicht gewohnt, mich vor zehn Uhr fortgehen zu sehen. Ah, über die Convention. –
Enfin – wir plauderten noch ein wenig. Das Abendrot überschimmerte meine weißen Hände. Sein Auge haftet auf ihnen – immer wieder.
Gute Nacht, gnädige Frau.
Felicissima notte. –
Sie ist sechzehn Jahre und hat goldene Locken ... seine erste amourette. Natürlich. Jetzt muß ich .... ah, Ihre Augen sollen nicht mehr glänzen, wenn Sie an jene denken. Sie sollen blitzen, flammen – für mich.
Ich bin sehr müde. Doch werde ich noch lernen. Für morgen. Die Iliade durchlesen. Er soll überrascht sein durch mein rasches Fassungsvermögen.
Diese Iliade! Affreux! Langweilig, geistlos. Kein Bonmot, keine pikante Bemerkung. Ich werde Mühe haben, das Gähnen zu maskieren. Meine Kenntnis der griechischen Geschichte erstreckte sich nur bis zur schönen Helena und Orpheus in der Unterwelt. A demain, mon maître; après-demain, mon esclave!
Morgens im Wald. Er war schon da. Ich stieg langsam den schmalen, steilen Weg hinab. Er lächelte – zum ersten Mal.
Wie schön es hier ist!
Nicht wahr, gnädige Frau?
Ich setzte mich auf die niedrige Holzbank. Er blieb stehen.
Es ist nur eine Bank da. Wir müssen uns schon vertragen.
Er nahm am äußersten Ende Platz.
Sie werden aus lauter Rücksicht so rücksichtslos sein, hinunterzufallen. Kommen Sie nur näher. Mir ist es peinlich, Sie in einer so unbehaglichen Situation zu wissen. Commençons!
Er zog ein geschmacklos gebundenes Buch aus der Tasche. Der grünblau marmorierte Einband allein hätte genügt, um mir eine Antipathie gegen den Inhalt einzuflößen. Der Graf schien verlegen.
Was haben Sie? Sind Sie Ihres Lehramtes müde, ehe Sie es angetreten?
Nein, doch überlegte ich, daß die Iliade eine gewisse Kenntnis der griechischen Götterlehre voraussetzt –
Die ich nicht habe, fiel ich ihm lachend ins Wort. Wollen Sie mir vor Beginn unserer Lektüre einen kleinen Vortrag halten?
Und er sprach. Gründlich, ernst, langweilig. Ich gab meinem Blick den Ausdruck der gespanntesten Aufmerksamkeit. Hie und da warf ich eine Frage ein, stellte sie absichtlich kindlich, ja kindisch. Er gab mir bereitwilligst Auskunft. Erst erstaunt über meine Naivetät, dann lächelnd. Schließlich mit der frohen Heiterkeit, die jeder Mann beim Geltendmachen seiner Ueberlegenheit empfindet. Und ich sah ihm in die Augen – – – fortwährend ... mit weichem, träumend lächelndem Blick ... o, ich habe ihn nicht umsonst vor dem Spiegel geprüft ... er sprach stockender, verwirrt, schwieg plötzlich.
Eine Minute lang saßen wir stumm einander gegenüber. Ich weltvergessen, traumumfangen – innerlich jede Geberde berechnend. Verlegen, errötend fuhr ich empor.
Sind – Sie nicht wohl?
Doch – doch.
Er stammelt und beugt sein flammendes Gesicht auf den blaugrünen Homer. Ich streife mit dem Zeigefinger auf der Tischplatte hin und her und sehe zu Boden.
Ich mache mir Vorwürfe. Ich habe Sie zu lange reden lassen. Mein Egoismus. Aber ich will mich bessern. Heute wird nichts mehr gelesen. Schauen wir uns den Wald an. Er ist so schön. Und daß Sie nicht ganz aus Ihrer Lehrerrolle fallen – was ist das für ein Baum?
Ein Ahorn.
Sehen Sie, das habe ich gar nicht gewußt. Und wie heißt die prächtige rote Blume dort?
Das ist ein Türkenbund. Soll ich sie Ihnen holen?
Nein, nein. Das ist zu stolz. Das paßt nicht für mich. Wenn Sie etwas Kleines, Feines sehen, das können Sie mir bringen.
Und ich lasse mir von ihm alle Baum- und Blumenarten erklären. Ich baue aus Tannenzapfen Häuschen und spähe atemlos einem schwarzen Eichhörnchen nach. Graziös, kindlich, mit unterdrücktem Lachen und halblautem Jubel. Ich fühle, daß er mich unverwandt betrachtet. Ich fühle, daß er sich unwillkürlich immer dahin wendet, wohin ich gehe ... o ... o ...!
Ich sehe auf meine Uhr und erschrecke. Auch er.
Adieu, Graf. Auf Wiedersehen. Morgen. O es ist schön hier.
Ich springe davon. Ohne mich umzusehen, weiß ich, daß er mir nachschaut.
Bei Tische sahen wir uns wieder. Er war blaß. Ich blasiert und steif. Nicht seine Worte, der angstvolle Ton seiner Stimme fragte mich: Bist du denn wirklich das Kind, das heute Morgen mit mir im Walde war? Ich beachtete es nicht; sprach über Rennsport und Tanagrafiguren, über alte Spitzen und die Rhapsodien von Liszt.
Sie spielen Klavier, gnädige Frau?
Schlecht.
Ah – darf man Sie nicht einmal hören?
Einmal – vielleicht. Heute nicht. Spielen Sie?
Ja.
Ich fordre ihn absichtlich nicht auf. Es ist noch nicht an der Zeit.
Ich sitze in dem amerikanischen Schaukelstuhl, rauchend, ein Knie über dem andern. Er zerknittert zornig seine Serviette. Ich sehe ihn an und werfe die Cigarette fort.
»Oh – gnädige Frau!«
Der dumme Junge wird feuerrot vor Erregung. Dann läuft er davon.
Andre Frauen würden heute erregt sein. Ich bin so ruhig. Ich spiele meine Partie vortrefflich. Schach dem König .... matt? Noch nicht. Das wäre auch schade. Wenn das Spiel zu Ende ist, werde ich gähnen. Mon petit comte – er ist so recht, was man einen idealen Menschen nennt, und darum würde er mich langweilen, wenn nicht .... Er haßt die Slaven und nennt sich von ganzem Herzen einen Deutschen. Aber sein Blut fragt nichts nach seiner politischen Ueberzeugung. Das ist so heiß, so wild, so echt slavisch ... ich hielt seine Hand eine Sekunde lang in der meinen. Seine Fingerspitzen brannten, pochten –
Wir haben im Homer gelesen, und ich war so begeistert. Wie er sich freute darüber! Ich habe auch eine Aufgabe: den gelesenen Abschnitt aus dem Gedächtnis schriftlich wiederzugeben. Ich bat darum. Er meinte, es sei zu schwer. Ganz recht. Er weiß ja nicht, daß ich weniger aus dem Gedächtnis als abschreiben werde.
Ja heute morgen ...
Dichten Sie? fragte ich.
Nein, nein, nein.
Ich lachte hell auf. So heftig sagen Sie das? Und dreimal? Nun weiß ich, daß Sie dichten. Darf man nichts sehen?
Er schüttelt stumm den Kopf.
Wie Sie wollen. Ich bin nicht neugierig.
Sie sind doch nicht böse, gnädige Frau?
Nein. Oder doch. Aber nicht der vorenthaltenen Gedichte wegen, sondern ... warum sagen Sie mir immer so steif, so kleinbürgerlich »gnädige Frau«? Warum nicht kurzweg »Baronin«, wie es in unseren Kreisen gebräuchlich? Sage ich denn »gnädiger Herr«?
Er sah mit einem schüchtern bittenden Blick zu mir auf.
Ich weiß es nicht anders.
C'est ça. Sie wissen es nicht anders. Sie haben zu lange in einer beschränkten, kleinbürgerlichen Umgebung gelebt. Sie haben dort mit den besten Grundsätzen das steifste Benehmen bekommen. Wenn Sie einmal Ihr Compliment sehen könnten!
Ich machte es ihm vor. Ein wenig karrikiert, die Füße auswärts wie zwei Windmühlenflügel, die Arme steif an den Körper gepreßt. Ich glaubte, er würde lachen. Er sah mich fest und ernsthaft an.
So mache ich es? Das ist wirklich nicht schön.
Wollen Sie es besser lernen?
Ja.
Gut. Ich werde es Ihnen zeigen; aber vorher machen Sie ein anderes Gesicht. Ich würde fragen, ob Sie beleidigt sind, wenn das nicht zu albern wäre.
Ich bin jedem dankbar, der mich auf einen Fehler aufmerksam macht.
Ah, so will ich es auch nicht. Dankbar – Fehler. Sie nehmen alles gleich au grand tragique. Ihr Compliment ist eine Ungeschicklichkeit, kein Fehler, daß ich es Ihnen sage, ist eine Pflicht und verdient keinen Dank. Oder wenn Sie mir danken wollen, revanchieren Sie sich. Ich weiß ja, daß Ihnen vieles an mir nicht gefällt.
Das ist wahr. Sie haben sehr viele Fehler.
Gesamtsumme?
Kann ich noch nicht feststellen.
Details?
Darf ich offen sein?
Welche Frage! Vite!
Ihr erster und größter: Sie können nicht deutsch.
Nicht – deutsch?
Nein. Fast jeder ihrer Sätze enthält ein unnötiges französisches Wort. Sogar jedes ihrer Worte hat einen französierten Klang. Ich habe immer die Empfindung, als setzten Sie Accents über die Vokale.
Und das gefällt Ihnen nicht?
Nein. Unsre deutsche Sprache ist so schön. Der fremde Aufputz steht ihr ungefähr so, wie der griechischen Chlamys eine moderne Schleifengarnitur.
Ich kann Ihnen nicht ganz Recht geben. Es giebt tausend französische Worte, für die der Deutsche gar keine Begriffe hat. Die französische Sprache tanzt, die deutsche geht. Doch werde ich Ihren Wünschen entgegenkommen. Machen Sie mich aufmerksam, wenn ich wieder – tanze.
Ich werde so frei sein.
Wie steif er das sagt. Es klingt sehr komisch und sein bleiches Gesicht hat sich ein wenig gerötet vor Freude.
Der Wind rauscht stärker durch die Bäume und wirft mir Blätter und kleine Zweige ins Haar. Das paßt mir. Ich schüttle sie rasch und energisch ab. Dabei fallen mir die Locken auf die Schultern. Ich weiß es sehr gut, aber ich sehe es nicht.
Jetzt beginnt Ihre Stunde. Stellen Sie sich mir gegenüber. So. Und nun geben Sie Acht. Vor allem zeige ich Ihnen die vier Positionen.
Ich hebe das Kleid ein wenig in die Höhe, um ihn meine Füße sehen zu lassen, und mache es ihm vor. Er macht es möglichst korrekt und möglichst ungeschickt nach.
Ja, ja, so ist es schon recht. Aber Sie müssen mehr auf Kleinigkeiten achten. Sie setzen die Füße viel zu viel auswärts – noch immer zu viel – ach warten Sie!
Ich trete rasch an ihn heran und bringe mit der Spitze meines Fußes den seinigen in die richtige Lage.
Nun treten Sie rechts in die zweite Position, ziehen den linken Fuß an, neigen den Kopf – nicht so tief, nicht so tief! – stehen wieder gerade und treten links einen Schritt zurück. Das wäre die Hauptsache. Jetzt muß aber erst die Leichtigkeit, der gewisse Elan –
Elan?
Pardon! Bitte noch einmal .... Gut – sehr gut. Nur Ihr Gesicht schaut so unliebenswürdig drein, lächeln Sie ein wenig, noch ein wenig ...
Er macht das Compliment zwei-, dreimal, er lächelt.
Nun werde ich Ihnen zur Belohnung ein schönes Damencompliment machen.
Während ich den Kopf neige, blicke ich zu ihm herauf ... o über seine erbleichenden Lippen, seine stockende Stimme.
Es ist schon spät, gnädige Frau.
Gnädige Frau?
Nun denn, Baro – – nein, ich kanns nicht!
Das war ein Schrei. Eine Minute lang – so still. Aug' in Auge.
Er wendet sich ab und birgt sein Gesicht an einem Baumstamm. Ich gehe langsam fort.
Er kam nicht zu Tische. Das war mir sehr angenehm. In seiner Gegenwart hätte ich zum mindesten einige Appetitlosigkeit zeigen müssen. Nach dem Diner schlief ich eine Stunde. Die unerträgliche Schwüle weckte mich. Ein Gewitter steht am Himmel; und in meinem Tagebuch. Ich werde in den Salon hinuntergehen.
Wie ich lache! Wie ich vor Vergnügen mein Taschentuch mit den Zähnen zerreiße. Das Gewitter ist vorbei. Draußen die nasse, funkelnde Erde – und während der rauschende Regen niederströmte, hat er ... Geduld, Geduld.
Im Salon. Er war da. Wir grüßen uns stumm. Ich setze mich an den Schreibtisch. Er blickt zum Fenster hinaus. Ich nehme ein Buch und beobachte ihn. Seine schwarzumränderten glutigen Augen, seine trockenen, zersprungenen Lippen ....
Draußen wetterleuchtets; die Berge sind verschwunden in dem bräunlichgrauen qualmenden Wolkendunst, über ein Kurzes wird der Sturm daherfegen. Ich klingle dem Diener, erteile den Befehl, Thüren und Fenster sorgfältig zu schließen. Er geht. Ich drücke einen Augenblick die Stirn an die Glasscheiben und mit einem leisen Seufzer:
Das wird ein böses Wetter.
Er wendet sich zu mir. Um seine Nasenflügel zuckt es wie gezwungener Spott:
Sie fürchten?
Nicht den Ausbruch des Gewitters. Nur sein Herannahen bedrückt mich unwillkürlich.
Ich gehe ein paarmal unruhig auf und ab.
Möchten Sie mir nicht etwas vorspielen? Ich wäre Ihnen sehr dankbar.
Er verneigt sich und tritt an den Flügel.
Was soll ich spielen?
Das überlasse ich Ihnen.
Er sitzt einen Augenblick still mit tiefgesenktem Kopf. Dann fällt seine Hand wuchtig auf die Tasten ... die ersten Akkorde der Pathétique. Er kann spielen ... aber ich habe die Sonate zu oft gehört, selbst zu oft gespielt, als daß sie mich noch interessierte. Er kann mich nicht sehen. Eben beginnt er das Adagio. Sehr schön. Nur für mein Gefühl zu langsam, zu zart. Ich bin gespannt, ob er dem Presto die nötige Schärfe, ich möchte sagen ein gewisses sarkastisches Weh geben wird. Der erste Blitz – ein Krachen und Prasseln – mein Graf läßt sich in seinem Adagio nicht stören. Daß ihm nicht einfällt, ich könnte ohnmächtig geworden sein ...
Er ist zu Ende.
Wollen Sie mir nicht auch etwas vorspielen, gnädige – Frau? – – –
Ein paar übermäßige Akkorde, und weiter, weiter – sehnsüchtig träumende, wild erregte Volksmelodien, slavische! Und das trotzige Verlangen in mir, diesen Knaben zu zwingen, giebt meinem Spiele eine nie besessene Leidenschaftlichkeit, gesteigert durch alle Tollheiten moderner Virtuosität. Er steht neben mir; sein trockner heißer Atem fliegt mir über die Stirne. Ohne ihn zu sehen, fühle ich, wie er mit sich kämpft. Das schwüle, gewitterdämmrige Zimmer, die verhüllte Sinnlichkeit der Töne ... mit emporgehobenen Armen fällt er vor mir auf die Knie:
Thea!
Sein Herz sieht mich an und spricht zu mir. Ohne Worte. Und ich sitze still und traurig mit müden Augen vor ihm, bis er nach meiner Hand greift. Da stehe ich auf. Meine zitternden Finger drücken wie unversehens die Tasten nieder: E-Moll-Akkord.
Gute Nacht!
Er liegt noch immer auf den Knien. Sie – kommen doch morgen?
Natürlich, sagte ich innerlich, laut: Nein.
Oh! – Er faßt nach dem Herzen. Thea!
Ich erbebe und mache rasch einige Schritte.
Bitte – bitte!
Ich bin an der Thür. Ein Blick, ein Neigen des Kopfes, ein Hauch der Lippen:
Ja.
Er jauchzt auf und wirft sich vornüber, das Gesicht in den Teppich vergrabend. –
Vor zehn Minuten sah ich ihn im Mondschein im Garten herumrennen. Er hob eine Hand voll Rosenblätter vom Boden auf und preßte sie an seine Lippen. Ach diese Romantik!
Ich muß noch meine Toilette für morgen auswählen. Sie muß vorsichtig gewählt werden. Ich will morgen sehr blaß sein. Dazu brauche ich meine dunkelsten Korallen ...
Das war ein Tag – – –
Der Saum meines weißen Battistkleides ward naß, als ich durch den Wald ging. Unzählige schwarze Molche krochen vor meinen Füßen hin und her. Aus dem Waldboden stieg eine betäubende würzige und feuchte Wärme. Der See lag da wie ein dunkelgrüner Stein, auf welchem tausend boshafte Sonnenteufelchen Cancan tanzten.
Ich bin erstaunt. Er ist nicht da. Ich setze mich und warte. Minute auf Minute – was soll das bedeuten? Ich werde unruhig. Und zornig. Diese Ungezogenheit. Immer noch nichts. Endlich – da ist er. In einem Zustand – das Haar hängt ihm rauh und wirr um die Stirne. Die Gesichtshaut spröde und fleckig. Die schlaffen, zersprungenen Lippen lassen die untere Zahnreihe frei. Mit beiden Händen in eine Dornhecke greifend bleibt er stehen. Ein schauerndes Schluchzen rinnt durch seinen Körper. Und wie von brutalem Jammer erwürgt, grollt es aus seiner Brust: Ich will nicht – ich will nicht!
Ich springe auf, will zu ihm. Er streckt beide Hände gegen mich aus.
Bleib – nicht zu mir – sonst – alles verloren. Ich wollt' nicht kommen. Dich nicht mehr sehen. Nur fort, nur fort. Deine Ehre, meine – und doch, und doch ...
Wie der Strom über die Felswand, so stürzt sein Blick an meiner Gestalt nieder. Ich halte die Wimpern tief gesenkt. Der lächelnde Triumph meiner Augen ist nichts für seine Qual. Und ich überlege auch. Soll ich ihn lassen? Gehen lassen? Le jeu est fait. Schach matt. Allein noch amüsiert mich seine Tollheit. Gefährlich? Ah bah! Ich bin meiner sicher.
Und er ringt mit sich wie ein Sterbender. Ein großes Schluchzen steigt ihm in die Kehle.
Leb wohl – leb wohl!
Und er geht, hat wirklich die Kraft – Das soll nicht! Leise, leise, mehr Klang als Wort:
Ossi! –
Doch er hört's. Mit einem Sprung ist er bei mir. Und ich schlage meine schimmernden Augen zu ihm auf:
Du!
Vergraben das Gesicht in die Falten meines Kleides, wortlos, nur süße wilde gebrochene Laute murmelnd; dann mit einem tolljauchzenden Schrei aufspringend, mich mit seinen Armen hoch emporhebend – dieser Knabe! Er preßt mich an seine Brust, küßt mich mit entsetzlicher Glut, mit taumelnder Innigkeit. Aber mein Körper bleibt kalt wie meine Seele. Ich empfinde keine andre Wollust, als daß seine atmende Trunkenheit an mir abrinnt, wie das Wasser vom glatten Leib einer Schlange. Er setzt sich auf einen Baumstumpf und hält mich auf seinen Knieen.
Wie schön du bist, wie schön! Ich habe nicht gewußt, daß ein Weib so schön ... ich habe ja keines gekannt. Nur ein Kind ... ach wie das vorbei ist, so vorbei. Nur du! Nur du!
Dann sieht er mich eine Weile stumm an. Wie ein Kind mit vorsichtiger Neugier sein Spielzeug, so berührt er meine Haare, meine Stirn, meine Wangen mit seinen Fingern. Dann mit seinen Lippen. Minutenlang ruhen sie auf den meinen, daß mir der Atem zu vergehen droht.
Weißt du, daß ich Gedichte an dich gemacht habe? Willst du sie hören?
Ich schlinge meinen Arm um seinen Nacken und er flüstert mir ins Ohr. Ueberschwängliche Poesie, für die mir jedes Verständnis abgeht. Aber meine Arme zittern und mein Mund haucht ihm zu:
Seine liebende Eitelkeit jauchzt auf, und wie einen farbigen Regen schüttet er mir rückhaltlos seine innersten Gedanken in den Schoß. Er hat Philosophie studiert. Aber er will ein Dichter werden. Ein echter Dichter. Nur das Große, Herrliche, Gewaltige will er den Menschen vorführen. Nun, da er mich gefunden, nun wird er das Höchste erreichen. Die Liebe, die Liebe! Die große, einzige, göttliche Liebe, sie ist ihm alles, Leben und Sterben.
So schwärmt und rast seine Phantasie. Aber in seiner Tollheit ist eine dämonische Kraft, eine Naturkraft, die meine Nerven unangenehm berührt. Ich winde mich aus seinen Armen. Unbändiges Flehen, zornige Thränen, maßlose Küsse ergießen sich über mich. Er läßt mich nicht eher fort, als bis ich verspreche, mich heute Abend im Dunkel noch einmal herzuschleichen.
Das letzte Mal. Denn morgen Nachmittag kommt Fritz. Er denkt freilich nicht daran.
Gegenwärtig fühle ich mich ordentlich müde von dem heute Morgen erlebten Sturm. Ich langweile mich nicht. Aber die Sache fängt an, mir unbequem zu werden. Es wird Zeit, daß ich die Karten zusammenwerfe. Der Spiegel zeigt mir mein fatiguiertes Gesicht. Dieu, wenn ein Fältchen zurückbliebe! Ich wäre untröstlich. Warum ist dieser Narr auch so unbändig in seiner Leidenschaft.
Ah – cette bêtise, cette bêtise! Ruhe, Ruhe! Schreib, überleg. Jetzt gilt nur eins – – – – – ich kann nicht.
Kein Schlaf. Nur die Gedanken wie flatternde Fledermäuse. Rastlos. Planlos. Ich möchte schreien vor Zorn. Daß dies geschehen konnte. Mir! Ich muß mich zwingen, klar zu überdenken – sonst komme ich zu keinem Ende.
Gestern Abend zehn Uhr schlich ich fort. Unbemerkt. Die Nacht war trüb. Er kam mir auf dem steilen Weg entgegen. Er trug mich weiter, immer weiter in den Wald.
Vergeblich. Die Lippen fest in meine Locken gedrückt, schritt er fort. Bis zu einer Schlucht. Unten stürzte das Wasser. Er breitete meinen Mantel auf das Moos und legte mich behutsam nieder. Sein Haupt ruht an meiner Brust.
Dumpfes Wasserrauschen, Nachtdämmer und eine Leidenschaft, die sich wie alle Sonnen des Weltalls über mich ergießt. Ich fühle die Erregung meiner Nerven, das Fiebern meiner Pulse, fühle, wie mein Atem zu fliegen beginnt, fühle es in Zorn und Angst, und dennoch unfähig, mich zu beherrschen, unfähig, mich zu regen. C'est plus fort que moi. Und er! Er fühlt das Beben meines Körpers, das Nachgeben meiner Glieder, meine Schwäche ist seine Kraft – die Perlen meiner zerrissenen Korallenkette rieseln mir kalt über den Nacken –
Ich mußte vorhin aufhören. Die innere Wut erstickt mich. Auch mußte ich meine feuchten, zerdrückten, vom Waldboden beschmutzten Kleider verbergen. Und ein wenig rouge auf meine bleifahlen Wangen.
Louison bringt eine Empfehlung des Herrn Grafen: Ob die Frau Baronin nicht Lust zu einer Partie nach Garmisch hätten, im Hotel wäre ein bequemer Wagen zu haben.
Was soll das bedeuten? Ich habe bitten lassen. Ich muß ja doch mit ihm sprechen. Nur jetzt keine Sentimentalität. Rücksichtslose Klugheit.
C'est fait. Die Affaire beendigt. Ich bin wieder ruhig – bin ich. Aber ich habe mir geschworen, mich nie mehr mit diesen sogenannten idealen Naturen einzulassen, die nichts sind als überspannt und gesellschaftlich schlecht erzogen. Die Tragödienszene von heute Morgen hat mir ihre Lächerlichkeit im hellsten Lichte gezeigt.
Louison meldete den Grafen. Er trat ein. Im schwarzen Anzug. Ungewöhnlich korrekt gekleidet, mit ungewöhnlich tiefer Verbeugung. Als das Mädchen die Thüre wieder geschlossen hatte, warf er sich vor mir nieder. Ein wahrer Thränenstrom und dazwischen Jubel- und Schmerzenslaute: Mein Lieb, mein einziges Lieb, verzeih mir, verzeih mir! Ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Nur seine weiße Stirn. Das unnatürliche, blendende und doch bleiche Weiß echter Perlen, durchzogen von feinen, blauen Adern. Diese Stirn ist sehr schön, sagte ich mir. Es bestimmte mich, ein wenig mitleidig mit ihm zu verfahren. Ich ließ ihn sich ausweinen. Doch es währte nicht lange. Mit einem Ruck sprang er auf. Ich gewahrte erstaunt in seinem Gesicht eine sieghafte Entschlossenheit, einen starken hellen Willen. Er setzte sich und ergriff meine Hände. Er sprach, und auch seine Stimme klang tiefer.
Vergieb mir die Thränen. Es sollen die letzten sein. Der Knabe ist tot. Ich habe Dich, ich habe Dich durch die Welt zu tragen – dazu bedarf es eines Mannes. Und der Mann soll Dir mit der Kraft seines ganzen Lebens vergelten, was Du in dieser Nacht für den Knaben gethan hast.
Ich starrte ihn diesmal in Wahrheit völlig verständnislos an.
Was – was?
Und in steigender Hast, flüsternd, fast atemlos:
Du mußt fort, so rasch wie möglich. Ich bringe Dich nach München. Oder weiter. Leite die Scheidung ein, und dann, dann – Thea – unsere Hochzeit!
Ich entreiße ihm meine Hände:
Sein zum Tod erschrockener Blick gab mir meine Fassung wieder.
Ossi! Was fällt Dir ein! Ein solcher Streich! Ohne Stellung, ohne Geld eine Frau heiraten, die älter ist als Du!
Seine großen irren Augen bohren sich in mein Gesicht.
Thea – ich liebe Dich! Ich werde arbeiten.
Dein Vater, der Eclat –
Ich vertrete mein Recht!
Vous êtes fou!
Er hebt sich halb vom Sessel empor.
Nein. Aber – Thea, was sind das für Worte? Fühlst Du denn nicht, daß ich thun muß, was ich thun will?
Ich sehe nur, daß Du Dich ruinieren willst.
Thea, wenn ich nicht an Dir zweifeln soll, muß ich Deine Worte für Edelmut nehmen. Aber das ist ein falscher, ein schlechter Edelmut.
Und mit weißen, bebenden Lippen raunt er mir ins Ohr:
Was ich in dieser Nacht gethan, ist ein Verbrechen. Kann nur gesühnt werden durch die höchste Liebe, die den Menschen über alle irdischen Schranken, über sich selbst hinaushebt. Und diese Liebe muß den Mut zum Licht haben. Sie darf vor keiner ihrer Consequenzen zurücktreten – sonst, Thea, merk wohl, bin ich ein Schurke, ein gemeiner, erbärmlicher Schurke, ein Ehrloser.
Ich bin ganz kalt, gelassen.
Was Du da sagst, ist Unsinn. Du hast kein Verbrechen begangen, sondern nur eine Dummheit, die am besten durch Schweigen gut gemacht wird. Uns aneinander ketten, heißt, uns beide unglücklich machen. In zwei Jahren bist Du meiner überdrüssig, oder ich Deiner. Ich bin nicht gewöhnt, mich einzuschränken. Die Erträgnisse Deiner Liebesgedichte würden wohl kaum für das Parfum ausreichen, welches ich gebrauche. Unter solchen Umständen ist die höchste Liebe etwas durchaus Unhaltbares.
Sein Körper bricht zusammen. Er scheint tot zu sein. Nur die Augen leben noch. Endlich murmelt er:
Wer bist Du denn? Wer bist Du denn?
Und dann mit drohender Geberde und flehender Stimme:
Geh mit mir!
Nein.
– – – hast Du mich nie geliebt?
Nie.
Ich atme erlöst auf. Nun ists vorbei. Ich trete an den Toilettentisch und schütte mir ein wenig eau de Cologne aufs Taschentuch. Er sieht unangenehm grün aus; es ist ihm wohl sehr schlecht. Ich reiche ihm mein Tuch hin. Er stößt mich zurück. Sein Antlitz flammt.
Nie geliebt!! Aber meine Ehre zerbrochen. Weißt Du, daß ich nicht leben kann, so – so –. Was ich von je als das Schmählichste, das Niederträchtigste angesehen, ich hab's gethan. Und dann verkriechen? Feig verkriechen? Nein, nein! Er soll mich niederschießen wie einen Hund, wehrlos, ich gestehe alles –
Und verrätst eine Frau. Wie edel!
Einen Moment ist mir doch bange. Ich glaube, er stirbt. Auf seinen Lippen stehen zwei Blutstropfen. Ich fühle sehend, wie eisig seine Hände werden. Da lösen sich seine zusammengeklebten Finger. »Meine Ehre, meine Ehre!« Und in jähem Umschlag, rauh, brutal:
Wohl, wenn Sie den Mut haben, eine Dirne zu zu sein, so werde ich den Mut finden – ein ehrlicher Mann zu bleiben. A – Dieu, Baronin!
Welch infame Ironie! Sie trifft mich mehr als die rohe Beleidigung. Er schreitet weiß und kalt zur Thüre hinaus. Die schwere Portière fällt wie ein Grabtuch hinter ihm zu.
Life is a comedy to those who think, a tragedy to those who feel. Ich denke. Das geschriebene Lebenskapitel muß doch einen Schluß bekommen.
Diese vierzehn Tage waren – dégoûtants. Und noch liegt's in der Luft wie Leichengeruch ...
Fritzl traf an dem verhängnisvollen Tag einige Stunden früher ein, als ich erwartet. Sehr braun und verwildert, besten Humors, und galanter gegen mich als je. Daraus schloß ich, daß er mit irgend einem hübschen Gebirgskind ein kleines Abenteuer gehabt. Er ist vernünftig genug, es nicht einzugestehen, sondern durch doppelte Liebenswürdigkeit gut zu machen. Ganz mein Grundsatz. Eine seiner ersten Fragen galt dem Grafen. »Wie vertragen?« Ich zuckte die Achseln:
Nicht gut, nicht schlecht. Heute ist er beleidigt. Er lud mich zu einer Tour nach Garmisch ein. Ich schlug natürlich aus, da ich Dich erwartete. Er muß übrigens bald zurückkommen.
Heinrich, der eben eintritt, bemerkt:
Entschuldigen Frau Baronin, aber der Herr Graf sind nicht nach Garmisch gefahren, sondern haben den Wagen abbestellt und sind in den Wald gegangen.
Fritz schaut verwundert auf:
Und nicht zum Mittagessen gekommen?
Ach, das thun der Herr Graf manchmal.
So – so –, dehnt Fritz vor sich hin. Als der Diener hinaus ist, meint er ein wenig mißtrauisch prüfend:
Ihr müßt Euch doch nicht glänzend vertragen haben.
Die Zeit vergeht im amüsantesten Geplauder. Es thut mir wohl. Fritzl gefällt mir besser als je. Da ist doch Chic, Raffinement. Ich bin ein wenig verliebt, lasse es ihn merken, und er ist entzückt. Die Rokokopendule schlägt mit ihrem hellen zitternden Stimmchen neun Uhr. Fritz fährt erschrocken empor.
Neun Uhr! Und Ossi noch nicht zu Hause! Es wird dem Jungen doch nichts geschehen sein?
Ich wehre ab:
Bitte Dich, was sollte denn – unartig ist er, weiter nichts.
Aber Fritz ist nicht zu beruhigen. Meine Gleichgiltigkeit beleidigt ihn fast.
Natürlich! Du kannst ihn nicht leiden. Aber ich habe den Jungen gern, sehr gern, und werde darum sogleich ...
Er ist schon hinaus. Ich höre Befehle, Anordnungen. Eine Viertelstunde später flammen am Rande des Sees Pechfackeln auf, die sich im Walde verlieren. Der Herr Baron haben auch aus dem Hotel und aus den Bauernhäusern Leute mitgenommen, erzählt Louison, während sie mich entkleidet. Ich schlüpfe in mein Negligé und blättere, auf der Chaiselongue liegend, im neuesten von Malot. Müdigkeit und Nervenabspannung lassen mich in einen tiefen unruhigen Halbschlaf versinken. Verworrnes Stimmengemurmel, dazwischen laute Commandorufe wecken mich. Ich fahre empor. Ans Fenster. Ein Menschenknäuel. Der Fackelrauch läßt mich nichts erkennen. Was ist geschehen? schreie ich hinunter. Eine breite bäurische Stimme antwortet: Tot.
Eine Minute später tritt Fritz ins Zimmer. Mit Erde beschmutzt, die Kleider in Fetzen gerissen, das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Er wirft sich in einen Stuhl.
– – Wir haben ihn gefunden. In einer Schlucht oberhalb des Frillensees. Mit zerschmetterten Gliedern. Halb im Wasser liegend. Er ist verunglückt, oder ...
Er springt auf und packt mich mit einer schrecklichen Geberde am Handgelenk, unbarmherzig:
Thea, als ich mit der Fackel suchend am Rande der Schlucht hinging, blinkte mir aus dem Moos etwas Rotes entgegen. Ich bücke mich. Eine rote Perle, zwei, drei – da!
Er schleudert sie auf den Boden.
Deine Korallen! Wenn es – oh, oh, Deine Korallen!
Ich schaue starr zur Erde, fieberhaft überlegend, was ich sagen, am klügsten sagen ...
Thea, was hast Du mit dem unglückseligen Jungen gemacht? Wenn Du – ah, es wäre zu schändlich, zu schrecklich. Sag, sag Du's: Ist er verunglückt? – – –
Nein! – Heute Morgen gestand er mir seine tolle Leidenschaft, flehte mich an, ihm in die Welt zu folgen. Ich wies ihn zurück. Die Kette nahm er mit sich – als letztes Andenken.
Und das würdest Du mir verschwiegen haben, wenn ich nicht fragte?!
Ja. Hätte ich Dirs immer sagen wollen, wenn mir ein Andrer seine Liebe gestand ...! Wer trägt die Schuld? Ich? Ich habe Dich gewarnt am ersten Tag. Aber Du warst ja so sicher. –
Er bedeckt sein Gesicht mit den Händen: Es ist ja wahr, wahr. Dann dumpf und gewaltsam:
Komm mit.
Er preßt mir die Knöchel zusammen und will mich fortziehen. Ich mache mich kühl und gelassen los:
Keine Beleidigung. Ich gehe allein.
Sein Zimmer. Er liegt auf dem Bett. Der zerschmetterte Unterkörper mit der seidenen Steppdecke verhüllt. Der Kopf ist unversehrt. Die nassen Haare weit von der Stirne zurückgestrichen. Und über diese wunderschöne Stirn läuft ein schmaler roter Streif. Das Gesicht ist finster schmerzlich. Auf den Lippen klebt ein wenig Blut. Ich stehe da und empfinde nicht viel mehr als den unangenehmen Eindruck des Leichenhaften. Fritz beobachtet mich:
Und kein Augenzucken, keine Thräne des Mitleids!
Thränen? Ich habe ihn gehaßt.
Und er ist für Dich gestorben! Geh, geh!
Boten werden mit Telegrammen nach Baadersee hinuntergeschickt; das Haus ist die ganze Nacht in Unruhe. Fritz weicht nicht von dem Toten. Einmal schleiche ich an die Thür. Sie ist halb geöffnet. Er geht ruhelos auf und ab. Mein armer Junge, flüstert er, und dann wieder: Und meine Schuld, meine Schuld.
Am nächsten Tage Telegramme aus Paris und München. Der alte Graf kann nicht kommen. Fritz möchte das Begräbnis übernehmen. Wo, sei gleich. Fritz lachte bitter: Der muß seinen Jungen ja recht lieb gehabt haben. – Anders der Bescheid des Professors. Er wird kommen.
Noch ein Tag und noch einer. Das Begräbnis. Auf einem tannenumrauschten Hügel am See. Eine Menge Menschen sind aus der Umgegend gekommen. Bauern aus Baadersee, Krainau, Garmisch und Partenkirchen. Und die Fremden, die sich gerade dort aufhalten. Ein Zeitungsreporter macht sich Notizen ins Taschenbuch. Alle sind sehr neugierig und sehr wenig betrübt, bis auf die Professorsfamilie. Ich war nicht wenig gespannt, meine ci-devant Rivalin zu sehen. Ein gescheit-hübsches, pikanterieloses Gesicht. Die Figur nicht übel, doch zu wenig geschnürt. Nur das Haar sehr schön und reich. Die Mutter gutmütig, natürlich, ein Muster von Anständigkeit, mit breiter Taille und Doppelkinn. Der Vater schweigsam und unhöflich. Nach der schrecklichen Grabrede des Dechanten von Oberkrainau gingen wir zurück in unsre Villa. Fritz hatte die Professorsfamilie zu Tisch gebeten. Man saß unbehaglich und appetitlos beisammen. Die Frau Professor konnte ihre Thränen nicht zurückhalten. Die Kleine weinte nicht. Das gefiel mir eigentlich. Fritz und der Professor sprachen zusammen.
Es war ein so begabter Junge. Ich setzte große Hoffnungen auf ihn. Noch zu leidenschaftlich und überspannt, aber ich dachte immer: Laß sich den Most auch noch so toll geberden, es giebt zuletzt doch noch 'nen Wein. Im Herbst wollte er seine Gedichte herausgeben, und nun ...
Ich habe alles, was sich in seinem Schreibtisch fand, zusammenpacken lassen, sagte Fritz. Und hier das Notizbuch, welches er in der Tasche trug – Ich erschrecke – man kann aber nichts mehr erkennen, das Wasser hat es vollständig ruiniert.
Ich atmete auf.
Das Mädchen flüsterte mit ihrer Mutter. Diese schien abzuwehren:
Warum denn, Jella, warum!
Ich bog mich hinüber.
Was möchte denn das Fräulein?
Ach – sie hat ihren Rosenstock, den Ossi so sehr liebte, mitgeschleppt – für sein Grab.
Ich hielt mich mit Gewalt ernsthaft.
Unser Gärtner soll es sogleich besorgen.
Nein, ich will es selbst thun.
Leise, aber sehr bestimmt kam es aus dem kleinen Mund. Sie stand auf. Eine gewisse Neugier ergriff mich.
Ich gehe mit Ihnen, liebes Fräulein.
Sie schien nicht sehr erfreut, machte aber ihren schüchtern anmutigen Fräuleinknix und ließ mich vorantreten. Wir kamen auf die Veranda.
Wo haben Sie denn die Blumen?
Ich muß sie aus dem Hotel holen.
Das kann ja der Diener.
Aber sie schüttelte das Köpfchen und flog davon. Ich schritt unterdessen zu dem frischen, ungeschminkten Grabhügel hinunter. Das Kreuz wird erst in einigen Tagen eintreffen. Die Kleine kam wieder. Mit einem unförmlichen weidengeflochtenen Marktkorb am Arm.
Den haben Sie von München hergeschleppt?
Ja.
Vorsichtig hebt sie einen großen, schönen Rosenstock heraus. Gloire de Dijon. Dann wühlt sie mit ihren Händen die Erde auf.
Mais, ma petite, Sie machen sich schmutzig.
Sie sieht mich erstaunt an: Was thut das?
Ich begebe mich jedes weiteren Einwandes. Und sie drückt die Erde wieder fest; schöpft in ein Blechgefäß Wasser, um die Pflanze zu begießen; wäscht am Strand ihre Hände rein. Nun steht sie am Grab. Die scharfe, heiße Nachmittagssonne huscht über ihr schwarzes Cachemirekleidchen, dessen Einfachheit von der Eile der Herstellung zeugt. Es sieht trostlos dürftig aus im Gegensatz zu den funkelnden Perlenagréments meiner schweren Atlasrobe. Plötzlich fällt die Kleine mit einem tiefen Schluchzen auf das Grab hin. Erschrocken will ich ihr emporhelfen. Aber sie krallt sich förmlich in die Erde. Ich muß sie gewähren lassen. Endlich richtet sie sich halb empor und schluchzt wie entschuldigend:
Ich habe ihn so lieb gehabt, so lieb! Und nun soll ich nicht einmal sein Grab in der Nähe haben, nicht manchmal zu ihm gehen und ihm Blumen bringen können.
Aber liebes Fräulein, Ihr Herr Papa hat meinem Mann auf seine Anfrage doch geantwortet, er sei dafür, den Grafen hier zu beerdigen. Hätte da nicht ein Wort von Ihnen ...
O, Papa hat mich gefragt. Und da habe ich gesagt – sie sollen ihn hier begraben. Nicht auf dem großen öden Friedhof mit den vielen andern. Er hat die Berge so lieb gehabt. Es ist auch recht selbstsüchtig daß ich darüber weine, aber –
Sie macht in schmerzlichem Heroismus einen kleinen harten Ballen aus ihrem Taschentuch und steht auf. Sie ist plötzlich wieder sanft und schüchtern.
Ich – möchte – zu Mama.
Wir gehen zur Villa hinauf, und sie sieht sich um, sieht sich fortwährend um mit den schmerzensgroßen Kinderaugen – c'est drôle!
Einförmig gehen die Tage weiter. Fritz ist höflich, eiskalt höflich gegen mich. Ich bin gleichmäßig ruhig mit glatter Stirn und klaren Augen. Ich lasse ihn völlig gewähren. In ein paar Monaten habe ich ihn so gewiß zurückerobert, als ich noch jung und schön bin. Ich bin ganz froh, daß ich etwas zu thun haben werde, und lege mir jetzt schon die Karten zurecht.
Fritz war öfters wieder fort. Aber keine Gebirgstouren. In München. Vor drei Tagen kündigte er mir den Verkauf der Villa an:
Ich kann nicht mehr hier bleiben. Das Grab da unten ist mir ein ewiger Vorwurf ...
Allein auf meinem Zimmer klatsche ich vor Freude in die Hände. Die Villa verkauft! Mein sehnlichster Wunsch erfüllt, nicht mehr in diese Einöde zu müssen.
Die Möbel sind teilweise schon fortgeschafft. In den Zimmern ist's jetzt in Wahrheit – bric-à-brac. Die Vorhänge sind herabgenommen. Ungehindert strömt das Sonnenlicht herein. Ich kann das große vergoldete Kreuz auf dem Grab dort unten sehen. Es ist ein Geschenk von Fritz. Er hat sich das nicht nehmen lassen. Und der Rosenstock hat eine Menge Blüten. Ich habe den zurückbleibenden Gärtner beauftragt, ihn zu pflegen. Warum sollt' ich nicht? Dafür bin ich gerade gutmütig genug.
Auf dem Boden liegt ein Haufen zusammengekehrter Papierschnitzel, Spitzen, Schleifen, Haarnadeln, Stecknadeln, Seidenfäden, eine Puderschachtel mit verschüttetem Inhalt – es sieht häßlich aus im vollen Sonnenlicht.
Was schimmert denn so?
Eine rote Perle ....
»Sie lassen sich also nicht von mir lieben, kleine Eigensinnige?«
Sie streifte die weichen dänischen Handschuhe noch ein wenig über den Ellenbogen und schaute mit suchendem Blick auf den Requisitentisch.
»O ja, aber –«
»Aber?«
»Platonisch.« – Er lachte aufdringlich. Die Coulissenelegance seiner Haltung für einen Augenblick vergessend, steckte er die Hände in die Hosentaschen.
»Platonisch? Das ist ein weiter Begriff. Was verstehen Sie darunter?«
Die schmalen abfallenden Schultern des jungen Mädchens schienen noch tiefer zu sinken. Sie musterte mit melancholischer Bosheit die von der Schminke stark porös gewordene dunkle Gesichtshaut des Bonvivant.
»Etwas, was Sie nicht verstehen. Stumme Liebe.«
Der Schauspieler brach in ein rohes schmetterndes Gelächter aus und warf wie im Uebermaße der Lustigkeit seine Rolle zu Boden.
»Teufel noch einmal! Sie verlangen hübsch viel –«.
»Weil ich nichts verlange.«
Der Inspizient eilte erschrocken herbei. »Aber meine Herrschaften! So laut! Eben hat der Regisseur geklingelt. Uebrigens kommen Sie in der nächsten Scene, Herr Possanski. Und Sie auch, Fräulein!« Der Schauspieler hob die schmutzige stark zerlesene Rolle wieder auf, ohne den Staub abzuklopfen. Seiner Kollegin noch ein liebenswürdiges Lächeln und einen bösen Blick zuwerfend ging er nach dem Vordergrunde der Bühne.
»Kröte!« murmelte er vor sich hin. Die junge Dame war zurückgeblieben.
»Ich habe keine Requisiten,« wandte sie sich an den in seinem Buche blätternden Inspizienten. »Ich kann doch nicht selbst in die Requisitenkammer gehen.«
Der Inspizient sah sich um. »Wo sind denn all' die Kerls.... Aha, Klaus!«
Der baumlange Theaterarbeiter ließ die Versatzstücke stehen. Schon eine ganze Weile hatte er sie geräuschlos aus dem Wege geräumt, ohne in dem trügerischen Dämmer von Gas- und Taglicht bemerkt zu werden.
»Verlangen Sie in der Requisitenkammer einen Brief und eine Zeichenmappe. Aber rasch.«
Die anmutig herbe Stimme der Schauspielerin fügte hinzu: »Ich bitte.«
Ich bitte! Wie zwei kleine silberne Perlen fielen diese Worte in die großen abstehenden Ohren des ungeschlachten Burschen, und diese Ohren hatten vorher schon einiges aufgefangen von »platonisch« und »stummer Liebe«.
Der schweigsame Theaterarbeiter hatte das Gespräch wohl gehört. Für gewöhnlich besaß er gar keine Beobachtungskraft. Wenn nur die Kleine nicht gewesen wäre. Anfangs hatte er sie gar nicht bemerkt. Sie war ja so sehr klein; gegen ihn. Er hatte über sie hinweggesehen wie der gemalte Mont Blanc im Manfred über die cachierten Felsstücke zu seinen Füßen. Aber gehört hatte er sie. Diese eigentümlich regungslose Stimme, die immer so unendlich viel zu verbergen schien. Er glaubte sie zu sehen, wenn er die Augen schloß, glaubte eine weite sonnenbeschienene Haide zu sehen. Das war seine Heimat. Von dorther hatte er die riesigen Glieder mitgebracht, gelbe Haare und tote tagklare Augen. Aber jene Stimme hatte sie lebendig gemacht. Er fing an, zu sehen. Das kleine Geschöpf mit dem weichen blassen Gesicht. Während der Proben machte er sich in ihrer Nähe etwas zu schaffen. Er schleppte die schwersten Dekorationsstücke zehnmal allein hin und her, nur um vom Theatermeister an keine andere Arbeit geschickt zu werden. Auf der letzten Galerie des Schnürbodens oder im dritten Versenkungsstockwerk horchte er mit Anstrengung auf ihre Stimme, auf ihre kleinen ruhigen Schritte. Die eintönige Musik derselben verfolgte ihn den ganzen Tag.
Abends bemächtigte sich seiner eine schwerfällige Unruhe, bis sie aus der Garderobe kam. Das sammtartige Weiß und Rot der Schminke, die feinen schwarzen Striche an Brauen und Wimpern machten ihr Gesicht lebhafter, leuchtender. Seine kritiklose Bewunderung fand sie so am schönsten. Er hatte sich ihre Photographie gekauft; ein schlechtes Bild in der beliebten Tischkantenposition. Das übermäßig retouchierte Gesicht lächelte wie die Vignette eines Cigarrenkastens. Wenn der Arbeiter spät Abends nach Hause kam, war es seine liebste Beschäftigung, bei einem qualmenden Lichtstümpfchen den Platz des Bildes hundertmal zu verändern. Im geleimten Muschelrahmen aus dem Fünfzig-Pfennig-Bazar sah es mit hochmütiger Gewöhnlichkeit auf die rauhen, zersprungenen Zimmerwände.
Morgens wickelte er es in einen blauen Papierbogen. In großen schwerfälligen Buchstaben war ein Wort darauf gemalt. Das einmal gehörte und halb verstandene Wort mit dem fremdartigen Klang. Es hatte in seinem Gedächtnis Wurzel gefaßt wie die Haideblüten im rauhen dunklen Boden seiner Heimat. Farb- und duftlos, aber mit hundert zähen kleinen Wurzeln, mit schmerzlicher Eigensinnigkeit. Dieselbe Eigensinnigkeit machte den langen Haideburschen verschlossen und einsilbig. Er lebte ganz in der Phantasie, ohne Phantasie zu haben. Im Theater verspotteten die andern Arbeiter seine Dummheit und beneideten seine Kraft. Die Schauspieler ärgerten sich heimlich über die unbewußte stolze Unverdorbenheit seines Wesens. Den Vorgesetzten war er nicht höflich und diensteifrig genug. Alle nannten ihn den Haidelümmel. Er wußte es nicht. Es hätte ihn auch wenig gekümmert. Aber seine Augen waren dunkler geworden und sein Schritt schwerer.
Es war eine Woche vor Weihnachten. Eine großartige Feerie sollte als Festvorstellung am fünfundzwanzigsten Dezember zum ersten Mal gegeben werden. Dornröschen. Nach den Vorstellungen mußte oft bis vier Uhr Morgens gearbeitet werden, um die neuen Dekorationen und Maschinerien fertig zu stellen. Die doppelt bezahlte Nachtarbeit ging schwerfällig und langsam von statten. Die übermüdeten Arbeiter schwatzten viel und tranken noch mehr, um sich wach zu erhalten. Beleuchtungseffekte sollten probiert werden. Zwei Arbeiter setzten neue farbige Gläser vor die Rampe. Die gähnende Unterhaltung klang abgebrochen ins zweite Versenkungsstockwerk hinab, wo Klaus unter Aufsicht des Maschinenmeisters ein Netzwerk von eisernen Stangen anbrachte.
»Warum geht sie denn Neujahr?«
»Wer's wüßte! Sie hat ihre Entlassung verlangt. Ich denk' mir, der Schwarze setzt ihr stark zu. Das ist ihre letzte Rolle. Dornröschen.«
Im Versenkungsstockwerk krachte etwas zu Boden. Die Erschütterung war so stark, daß den Händen des älteren Arbeiters eine rote Glastafel entfiel. Sie zersplitterte in tausend Stücke.
»Was ist denn los?« schrie er zornig hinunter.
»Nichts, nichts,« tönte es zurück.
Nach einigen Minuten kam der Maschinenmeister herauf. »Aergerlich! Der Klaus muß sich überarbeitet haben. Er scheint krank. Ich muß ihn fortschicken. Kommt ihr beide hinunter.«
Er war wirklich krank. Sie geht fort. Diese drei Worte hatten ihn aus dem dämmernden Zustand, in dem er dahinlebte, herausgerissen. Sie geht fort. Eine stille traurige Wut ließ ihn ruhelos in seinem Zimmer auf und ab rennen bis es dämmerte. Er wurde so müde. Ein innerliches Weinen durchschütterte ihn. Aber seine Augen blieben trocken. Ohne eine Minute geruht zu haben, ging er morgens ins Theater. Es war die erste Probe von Dornröschen. Sie ging in ihrer lautlosen verschleierten Weise an ihm vorüber. Einen Augenblick hätte er sie am liebsten vor Zorn geschlagen. Dann versank die rohe Gewaltsamkeit seiner Natur in dem stärkeren Gefühl eines großen Leids. Sie geht fort. Sie geht fort.
»Ich gehe auch fort,« sagte er, spät abends in seine Kammer zurückkehrend. »Auf den Haidhof. Da ist's still.«
Er sah sie jetzt täglich. Auf den Proben. Er hörte, wie die Kollegen ihr jedesmal auf's neue ihr unendliches Bedauern über ihren Fortgang ausdrückten. Mit einem Aufwand von Herzlichkeit, dem man die Lüge anmerken mußte, wäre er auch weniger bühnenhaft gewesen.
»Lassen Sie sich an dem Abend nur ja einen Heuwagen kommen, sonst können Sie all' die Blumen und Kränze nicht fortschaffen,« sagte mit schiefgezogenen Mundwinkeln der Bonvivant. Die lächelnde Impertinenz seines Gesichts zeigte nur zu deutlich, daß er mindestens die Hälfte dieser Blumen und Kränze auf selbstgekauft taxiere. Und mit einem Wiederschein dieser Impertinenz, der sich je nach dem Rollenfach naiv oder intriguant äußerte, stimmten die Uebrigen bei. »Ja, die Blumen und Kränze!«
Während der Mittagspause überzählte Klaus sein Geld. Sie soll auch von mir einen Kranz haben. Den allerschönsten. Er hatte die grünen Dinger nach den Aktschlüssen oft auf die Bühne fliegen sehen, wenn die Leute im Zuschauerraum so erschrecklichen Lärm machten. Er hatte nie begriffen, was an diesen farbentoten Blätterkränzen schön sein sollte. Sie vertrockneten in wenigen Tagen. Dann mußte man sie fortwerfen. Sein Kranz sollte ganz anders werden. Groß, ungeheuer groß. Er wollte ihn selbst binden. Als Knabe hatte er beim Einzug der Gutsherrschaft an den langen Blumenketten mitgeholfen, die über der Schloßthür befestigt wurden. Er erinnerte sich noch an die bunten Schleifen, die zwischenhinein geflochten waren. So wollte er's auch machen.
Erst kaufte er bei einem Faßbinder einen elastischen Holzreifen. Groß wie ein Wagenrad. In einem Eisenmagazin Draht und eine feine Zange. Mit Herzklopfen öffnete er zuletzt die spiegelnde Glasthüre eines großen Geschäfts. Lauter ausgezeichnete Ware zu fabelhaft billigen Preisen. Eine blondgefärbte Ladnerin mit großen Nasenlöchern und falschen Korallenohrringen fragte ihn, was er wünsche. Blumen. Sie brachte mehrere Kartons herbei. Moderne Ballgarnituren in fahlen Farben und raffinierten Zusammenstellungen. Er schüttelte den Kopf. So nicht. So welche zum Kranz binden. Die Ladnerin sah ihn an. Es mochte ihr wohl einfallen, daß dieser blöde Riese im schmutzigen Leinwandkittel keine mit Glastropfen übersäten Ballgarnituren kaufen werde. Mit einem leichten verächtlichen Achselzucken, soweit es die übermäßig spannende Trikottaille gestattete, trug sie andere Kasten herbei. Das war das Richtige. Haufenweis zusammengebundene Papierblumen in schreienden Farben. Lauter naturgeschichtliche Unmöglichkeiten. Daneben glänzende, grünlackierte Blätter mit langen Drahtstielen und starkem Leimgeruch. Er wählte sich einen Berg von Blumen und Blättern aus. Zuletzt forderte er farbige Bänder. Die Ladnerin, jetzt mit dem Geschmack des Käufers schon besser vertraut, legte ihm ordinäres raschelndes Knitterband vor. Blau, rot, gelb, grün. Er ließ sich von jeder Farbe mehrere Meter abschneiden. Die Ladnerin sah ihm mit einem gemeinen prüfenden Blick nach, als er das Geschäft verließ, das große Packet vorsichtig im Arm haltend.
Am Weihnachtsabend band er den Kranz. Es war eine schwere Arbeit für seine harten großen Finger. Viele Papierblumen wurden zerdrückt oder zerrissen. Der fertige Kranz war von einer ungeheuerlichen Größe und Unregelmäßigkeit. Zwölf Schleifen mit lang flatternden Enden prangten in der Runde. Nach vielem Ueberlegen befestigte er rückwärts eine steife weiße Karte. Mit unendlicher Mühe hatte er wenige ungelenke Buchstaben darauf gemalt. Das Ganze ein Werk lächerlicher Geschmacklosigkeit. Er wußte es nicht. Mit dunkelglänzenden Augen betrachtete er den Kranz wieder und wieder. Sein wirkliches Leid verschwand in der naiven Selbstbefriedigung. Er dachte nicht mehr daran, daß sie fortgehe, sondern nur, daß sie sich mit diesem Kranze freuen würde. Er war getröstet.
Am nächsten Tag holte er seine Sonntagskleider hervor. Er wusch und kämmte sich so sauber, wie er's nur einmal in seinem Leben gethan hatte. Bei dem Begräbnis seines Vaters. Um vier Uhr nachmittags ging er ins Theater. Den Kranz trug er in ein großes Tuch eingeschlagen. Es dunkelte bereits stark. Er war froh darüber. Beim Portier gab er den Kranz ab. Erst ganz zum Schluß sollte er geworfen werden. Ein Herr habe ihn damit beauftragt. Er log zum ersten Mal. Er war feuerrot, stotterte und hätte in seiner Verwirrung beinahe vergessen, dem Portier den bereitgehaltenen Thaler zu geben.
Auf der Bühne lärmten die Arbeiter. Hinauf und hinunter schallten durch's Sprachrohr die Kommandorufe der Maschinisten. Der Theatermeister prüfte noch einmal die verschiedenen Versenkungen und las die im Buch des Inspizienten notierten Klingelzeichen nach. Der Abend war für ihn von großer Bedeutung. Er hatte eine ganz neue Mechanik erfunden, um die Dornenhecke aus der Erde wachsen und sie wieder versinken zu lassen. Aus dem farbduftigen Feenmärchen war eine geschminkte Feerie geworden. In acht Bildern, mit einem ungeheuern Aufwand von Farben und Beleuchtung, und eben darum ohne Duft und Licht. Dornröschen selbst kam erst im dritten Bilde. In den ersten beiden wurde ihre Geburt und Verwünschung mit Dekorationseffekten, Ballet und Musik gefeiert. Nachdem der Vorhang zum zweiten Male gefallen und das prächtige Königsschloß aufgestellt war, erschien Dornröschen auf der Bühne.
Alles drängte sich um sie. Die überschlanke Gestalt im Schleppkleid aus lichtrosigem Atlas, mit silbernem Gürtel geschürzt, einen schmalen Heckenrosenzweig wie ein Krönlein durch's Haar geflochten. Das fiel wie ein goldseidener Mantel über die Schultern bis hinab auf die Schleppe. Das Licht versank in der weichen glänzenden Fülle. Es war eine echte Märchenkönigstochter.
Sie stand in der Seitencoulisse und wartete auf ihr Stichwort. Ein wenig bleich und erregt, fröstelnd im scharfen Bühnenzug. Der Inspizient trat an sie heran. »Gleich, Fräulein.« Sie wendete sich zu Klaus, der dicht neben ihr stand. »Bitte, wollen Sie mir das Taschentuch halten, bis ich wiederkomme?« Er hatte keine Zeit, Ja oder Nein zu sagen. Das feine weiche Ding lag schon in seiner Hand, und Dornröschen trat aus dem Halbdunkel der Coulisse in den blendenden Bühnentag hinaus. Klaus hörte nichts von dem lärmenden Beifallsgetön, mit dem sie empfangen wurde. Er sah nicht, wie viele Kränze und Blumen zu ihren kleinen rosa beschuhten Füßen niederflogen. Er betrachtete nur das winzige weiße Spitzentüchlein. Er fühlte es nicht auf seiner hartgearbeiteten Hand. Der leiseste Hauch konnte es fortwehen und dennoch wagte er nicht, es fest zu fassen. Er hätte es zerdrücken können. Das machte seine Freude ängstlich. Er blickte nicht auf die Bühne, wo Dornröschen arme Kinder mit ihren Perlen und Edelsteinen beschenkte. Er atmete erst wieder auf, als sie in die Coulisse abging und das Tuch mit einem »Danke« entgegennahm. Jetzt besann er sich, daß er eigentlich zusehen wollte. Aber ein Schwarm von Kindern, Balleteusen und müßigen Zuschauern drängte ihn aus der Coulisse fort. Der Theatermeister rief ihn in die Versenkung. Mühselig kletterte er die dunkle gewundene Treppe hinunter. Die andern Arbeiter in ihren schmutzgetränkten Leinwandkitteln lachten über seinen Sonntagsrock. Zum ersten Mal ekelten ihn die vom Coulissenstaub fahlgrauen Gesichter. Er horchte nach oben. Wie ein unendliches jubelndes Lachen tönte es herunter: »Prinzeß Dornröschen spinnt, kann spinnen, spinnen.« Gleichzeitig das erste Klingelzeichen. Die Arbeiter packten die eisernen Hebel fester. Man hörte die gemachten Entsetzensrufe der Choristen, bis ein kleiner müder gebrochener Schrei mitten hinein klang. Die Königstochter hatte sich mit der verwunschenen Spindel gestochen. Dann wurde es still, totenstill. Ein zweites Klingelzeichen, und langsam durch die Kraft vieler schwer arbeitender Hände stieg die Dornhecke aus dem Boden vor den Augen der Zuschauer bis in den gemalten Himmel hineinwachsend.
Nun durfte Klaus wieder auf die Bühne. Er sah, wie das schlafende Dornröschen auf der Marmorbank in üblicher elektrischer Beleuchtung dem blausammtnen Prinzen als Traumbild erschien. Er sah, wie die Dornhecke zu blühen begann und der Theaterprinz sich in herrlicher Tapferkeit einen Weg durch die leinwandnen Dornen bahnte. Er sah, wie er mit dem erlösten Dornröschen auf goldenem Thron bis in die Soffiten hinaufschwebte, von bengalischen Flammen rot und grün beleuchtet, begleitet vom rasenden Klatschen des Publikums.
Der Applaus wurde auf jähe Weise unterbrochen. Es polterte etwas wie ein eisernes Gewicht auf die Bühne. Durch den Zuschauerraum ging ein schallendes Gelächter. Der Regisseur stürzte aus der ersten Coulisse an die elektrische Klingel: »Vorhang herunter!« Der Vorhang fiel. Alles rannte auf die Bühne. Klaus mit. Da lag sein Kranz.
Dornröschen war von ihrem Thron heruntergestiegen. Mit weißen starren Lippen betrachtete sie das Ungetüm. Die Meisten lachten. Die Damen trugen eine übermäßige Entrüstung zur Schau. Es sei unerhört, jemandem auf solche Weise den Abend zu verderben, ihn vor dem ganzen Publikum zu blamieren. Der Bonvivant hob den Kranz ein wenig in die Höhe. »Da ist ja auch ein Zettel. Ah – ah – ah!« Er schüttelte sich vor Lachen. »Meine Herrschaften lesen Sie doch: ›Blathonisch‹!« Ein tief verächtlicher Blick aus den schlafdunkeln Dornröschenaugen traf ihn. Sie wandte ihm den Rücken und ging. Zwei Kolleginnen folgten ihr, mit einander flüsternd. »Du, was glaubst Du, von wem der Kranz ist? Von dem Schwarzen?« »Pst! Freilich«.
Armer Klaus! Er war allein auf der verdunkelten leergeräumten Bühne. Nur der phantastische, goldene Thron stand noch in der Mitte und die Coulissen zeigten die Bruchstücke der Dornhecke. Ganz im Hintergrund schliefen auf Holzbänken die Feuerwehrmänner. Die Schauspielerinnen kamen aus der Damengarderobe. Sie mußten über die Bühne gehen, um durch den Korridor zur Ausgangstreppe zu gelangen. Jetzt waren alle fort. Sie war die letzte. Sie ging gewöhnlich durch die vordere Bühnenthür. Da wartete er, an die große Donnerpauke gelehnt. Sie kam. In einen grauen Radmantel mit großem Pelztragen eingewickelt, das Köpfchen in einem weißen Tuch versteckt. Sie ging rasch und geradeaus blickend, so daß sie ihn nicht bemerkte, obwohl er eben unter der herabgeschraubten Gasflamme stand. Er mußte sie anreden. »Fräulein.« Sie wandte sich um, erstaunt, aber nicht erschrocken. »Wer ist ...? Was wollen Sie?« Er schwieg. In seinem Leben war ihm das Weinen nicht so nahe gewesen. Sie wartete einen Augenblick auf Antwort. Dann zog sie mit einer kleinen ungeduldigen Bewegung den Mantel fester um sich. Das brachte ihn zum Reden. Stotternd, halb erstickt klemmte es sich zwischen seinen Lippen hervor: »Der Kranz.« Mit einer tiefinnerlichen Heftigkeit trat sie rasch auf ihn zu. »Sie wissen, von wem er ist?«
Er sah in ihre heißen zorntraurigen Augen und das Bekenntnis seiner Schuld stürzte in wirrem Durcheinander aus seiner Seele hervor. Er wußte nicht mehr, was er sprach. Es war eine Wohlthat, eine Buße, sich anzuklagen. Und doch hätte er sich nicht besser verteidigen können. Das schienen die zwei Augen ihm gegenüber auch zu glauben. Sie waren wieder still und klar geworden. Als er schwieg und die große Erregung noch wie eine rote Welle auf seiner Stirn auf- und abwogte, reichte sie ihm die Hand. »Wenn ich all' dies früher gewußt hätte, würde ich mich nicht gekränkt haben. Ihr Kranz ist mir jetzt der liebste von allen.« Er sah sie traurig ungläubig an. Es war ganz still geworden. Sie wußten nichts zu sagen und doch hätte keines gehen mögen. Endlich fragte sie: »Könnte ich Ihnen gar keinen Gefallen thun? Haben Sie keinen Wunsch?« Er schüttelte den Kopf und blickte sie unverwandt an. Es wurde immer stiller. War auf der totengrauen Bühne ein Märchenhauch zurückgeblieben, der einen unfühlbaren Zauber ausübte?
Sie hob sich ein wenig auf die Zehen. »Wie groß Sie sind«, sagte sie mit einem bewundernden Kinderlächeln. »Bitte, bücken Sie sich ein wenig – noch ein wenig – so ....«
Ueber die steinerne Treppe hastete ein kleiner herzklopfender Schritt hinunter. Wie er lauschte, der arme Glückliche, mit geschlossenen Augen, unbeweglich. Dornröschen hatte ihn geküßt. Das Licht huschte wie mit Elfenfüßen über den einsamen goldenen Thron. Dicht vor ihm lag eine zertretene blaue Papierblume ... platonisch.
Armer Junge! Er saß auf der ausgetretenen Schwelle und weinte große stille Thränen. Sie hatten seine Mutter begraben und ihn aus der kleinen sauberen Dachstubenwohnung fortgeführt. Zu entfernten Verwandten. Die wollten für ihn sorgen. Was sie eben sorgen nannten. Sie waren sehr arm. Er konnte mit ihnen hungern.
Seine Mutter war auch arm gewesen. Aber sie hatte ihn nicht hungern lassen. Sie hatte sehr viel gearbeitet und sehr wenig gegessen, um ihr blasses verkrüppeltes Kind mit einem Schimmer von Wohlbehagen zu umgeben. Früh morgens saß sie an ihrem zerbrochenen alten Nähtischchen und stickte mit feinem Leinenfaden Blumen und Arabesken in durchsichtige Batisttücher. Die schickte man ihr aus dem großen Weißwaarengeschäft. Das Geschäft war berühmt wegen seiner billigen Preise. Darum wurde die arme Stickerin sehr schlecht bezahlt. Abends, wenn ihre Augen zu brennen anfingen, nahm sie ihr stilles geduldiges Kind auf den Schooß. Sie erzählte ihm von seinem Vater. Der war Lehrer an der Antonyschule gewesen. So brav und so gescheit. Und so stolz. Er hatte nie eine Unterstützung angenommen. Er hatte gearbeitet – bis er sich zu Tode gearbeitet. Seine Frau dachte wie er. Am letzten Weihnachtsabend war die Versuchung freilich groß gewesen. Sie hatte kein Bäumchen für ihr Kind. Im ersten Stock wohnte eine vornehme alte Dame. Sollte sie bitten .... Sie stand mit thränenzitternden Augen vor dem kleinen Jungen. »Friedel, – soll ich hinuntergehen – soll ich – betteln?« Und mit sonderbar wildem Aufschrei hatte er sich vor ihr auf die Kniee geworfen: »Nein, Mutter, nein!« Im Frühjahr war sie gestorben. Mit der Arbeit in der Hand und einem Seufzer auf den Lippen: »Nur nicht betteln.«
Und ihr Kind saß auf der Schwelle und weinte.
Es war ein anderes Leben im Hinterhause der Mauernstraße als in der kleinen Dachstube. Der Oheim kaufte und verkaufte alle alten Gegenstände, vom rostigen Eisen bis zur gebrauchten Balltoilette. Er sprach heiser, von beständigem Husten unterbrochen. Auf den Versteigerungen hatte er sich die Stimme verschrieen. Er trug Leinwandhosen und einen Bedientenfrack. Dinge, die er nicht mehr hatte anbringen können. Seine Frau war klein und zusammengerunzelt, beständig in Demut versinkend wie ein verprügelter Hund. Und die Tochter .... ein hübsches braunes Ding mit runden Armen und heißen Augen. Sie hatte gelacht, als der kleine Friedel zum ersten Mal mit seinen Krücken die steile Treppe heraufgestolpert kam. Sie hatte gelacht und sein verweintes Gesicht in ihre Hände genommen. »Er ist häßlich wie ein Maulwurf, aber ich werde ihn über die Treppe tragen.«
Sie trug ihn hinunter. Jeden Morgen, ehe sie in die Schule ging. Er saß auf der Schwelle und sah, wie das schleimige Moos in den Rinnsteinen wuchs. Schmutzige Kinder mit ungesunden blauroten Gesichtern spielten um ihn herum. Sie schrieen und zankten sich mit häßlichen gemeinen Worten. Das machte ihnen dieselbe tierische Freude, wie das Wühlen im Straßenkot. Auf die zersprungenen Asphaltplatten zeichneten die Größeren mit Kreide oder Kohle scheußliche Köpfe. Das seien die reichen Leute, sagten sie, spieen darauf und trampelten mit den Füßen auf ihnen herum. Sie waren böse, und schlimmer, sie wußten das Böse. Mit den übergroßen Augen des jungen Lasters sahen sie alles und bemerkten alles. Dann schlüpften sie in die dunkelsten Ecken zwischen den schiefen alten Häusern und erzählten sich mit innerlich fiebernder Stimme schlimme Dinge, oft durch schrilles Gelächter unterbrochen. Das Leben in der Mauernstraße war so faul und übelriechend, wie das Pfützenwasser in den Löchern der ausgebrochenen Pflastersteine. Tagsüber schillerte das Sonnenlicht in blau und grünen Spiegeln darüber hin. Nachts versanken die bleichen trostlosen Sternstrahlen in dem trüben Tümpel. Es war sehr traurig.
So dachte auch der lahme Junge auf der Thürschwelle. Er konnte nicht mit den anderen spielen und hätte auch keine Freude daran gefunden. Er wäre lieber in die Schule gegangen. Seine Mutter hatte ihn aus einem großen alten Buche schon Buchstaben und Zahlen gelehrt. Aber man hatte ihn nicht genommen. »Zu schwächlich«, sagte der Lehrer. »Noch ein Jahr warten.« Und er wartete. Er suchte aus den Lumpensäcken, welche der Oheim nach Hause brachte, die Seidenfleckchen heraus und packte sie in Cigarrenkisten. Er kehrte die dunkle dunstige Stube zusammen und schälte die Kartoffeln möglichst dünn ab. Er stopfte dem wilden lustigen Mädchen die Löcher im Rock und wichste ihr Sonntags mit großer Kraftanstrengung die Schuhe. Er wollte das Brot doch nicht ganz umsonst essen. Und noch ein Anderes war's.
Mit dem leidenschaftlichen Liebesbedürfnis eines kränklichen frühreifen Kindes hing er an dem schönen, bösartigen Geschöpfe, das ihn schlug oder liebkoste, je nachdem seine Laune war. Jeden Abend spähte er fiebernd vor Erwartung die von einer einzigen Gaslaterne erleuchtete Straße hinunter, bis er sie kommen sah. Einen gemeinen Walzer singend, sich lässig und herausfordernd in den Hüften wiegend, an jedem Arme eine ältere Freundin. Sie hatten alle drei die belebtesten Straßen der Stadt abgelaufen. Weniger um die strahlenden Schaufenster der großen Geschäfte zu betrachten, als um mit innerlichem Vergnügen die zweideutigen schmeichelhaften Scherze eines Vorübergehenden zu hören. Mit heimlicher unbefriedigter Erregung schlenderten sie langsam nach Hause. Die beiden Aelteren schlüpften scheu und geduckt in die Hausthüren, nachdem sie sich für den nächsten Abend verabredet hatten. Die Jüngste fürchtete sich nicht. Der Vater kam erst später, und die Mutter ... lieber Gott! Mit überlautem Singen tastete sie die steinernen Stufen hinauf, bis ihr Fuß an den wartenden Knaben stieß. Er faßte mit den von der Nachtluft starren Händen in den Saum ihres Kleides. »Ich hab' auf Dich gewartet.« »Dummer Junge! Wäre auch gescheiter gewesen, Du hättest Dich schlafen gelegt.« Aber sie nahm ihn doch auf den Arm, um ihn hinaufzutragen. Sie mußte über den finsteren Hof. Wenn sie über Kohlstrunken oder einen Haufen Kartoffelschalen stolperte, puffte sie den Kleinen. In einem Anfalle von Reue küßte sie ihn nachher mit unheimlicher Leidenschaftlichkeit. Keuchend unter ihrer Last langte sie in der moderdumpfen Stube an. Eine leise schwindsüchtige Stimme klagte aus den schweren Federkissen des Bettes hervor: »So spät, Kinder.« Das Mädchen gab keine Antwort. Sie gähnte und begann sich auszuziehen. Die Kleider warf sie auf den Boden. Der kleine Friedel legte erst die ihren sorgfältig glatt gestrichen auf den Schemel, dann auch seine eigenen. Sie hielt ihm die Füße hin. »Zieh mir die Schuhe aus. Die Strümpfe auch.« Und mit einer elastisch katzenartigen Bewegung sich in das Bett schwingend, suchte sie sich die bequemste Stelle dicht an der Wand aus. Sie wühlte sich mit Wollust in die dicken Kissen. Ihrem Schlafkameraden gönnte sie nur ein notdürftiges Plätzchen. Gut, daß er nicht viel brauchte. Sein magerer kleiner Körper drückte sich geduldig an die äußerste Kante. Sie versank nach wenigen Augenblicken in den tiefen Schlaf einer urgesunden, rücksichtslosen Natur. Der Knabe lag oft bis Mitternacht wach. Er betrachtete die vom Mondlicht versilberten Zahnreihen der Schläferin, und brachte sie vorsichtig in eine andere Lage, wenn sie mit dem Kopfe auf dem Arme ruhte. Das mache böse Träume, hatte seine Mutter einst gesagt. Seinen Schlaf bewachte Niemand.
Morgens weckte er sie. Ein unangenehmes Amt. Sie war kaum aus dem Schlaf zu bekommen und dann in sehr ungnädiger Stimmung. »Es ist noch eine halbe Stunde zu früh. Kannst Du keine Ruhe geben, boshafter Junge.« Während sie sich ankleidete, suchte er die verstreuten Schulhefte zusammen. Sie wusch und putzte sich wie ein Kätzchen, weniger aus Reinlichkeitsbedürfnis als aus Eitelkeit. Teilweise erstreckten sich ihre Bemühungen auch auf den kleinen Jungen. Sie rieb ihm das geduldige Gesichtchen, bis es von der schwarzen Pechseife feuerrot brannte. Mit dem zerbrochenen Kamme scheitelte sie seine dünnen weichen Haare. »Das steht Dir besser, als wenn Du sie ganz aus der Stirne gekämmt hast.« Und er schielte mit trübseligem Lächeln in die quecksilberarme Spiegelscherbe. Er wußte recht gut, wie häßlich er war.
Von seinem Frühstücksbrot gab er ihr die Hälfte. Die Mutter sah es manchmal und schalt. Dann lachte sie ihr halb böses, halb übermütiges Lachen. »Er darf nicht viel essen; er muß klein bleiben. Sonst kann ich ich ihn nicht mehr über die Treppe tragen.«
Manchmal traf sich's, daß die Kinder einen Nachmittag allein zu Hause waren. Dann schlichen sie hinauf ins Magazin. Ein langer, schmaler Raum mit halbrunden, dicht am Boden angebrachten Fenstern. Da befanden sich all die tausend Dinge, welche der Vater gekauft hatte, um sie wieder zu verkaufen. »Ich weiß, er hat gestern ein Ballkleid nach Haus gebracht«, sagte das Mädchen. Und sie suchten so lange, bis sie es in einer Kiste oder in einem Schrank entdeckt hatten. Sie jubelte. »Das zieh ich an. Friedel, Du mußt mir's zuschnüren. Schuhe sind auch dabei, schau nur!« Sie konnte nicht rasch genug in die zerknitterte Pracht schlüpfen. Das tief ausgeschnittene Kleid, zu weit für ihre kindliche Gestalt, fiel fast von den Schultern herunter. Die Aermel ihres grobleinenen Hemdchens sahen hervor. Die Schuhe mit den schiefgetretenen Holzabsätzen waren zu groß. Ins Haar hatte sie sich eine blätterarme Rose mit deutlich sichtbarem Wattekern gesteckt. Um den Hals eine Kette aus großen zersprungenen Wachsperlen geschlungen. Mit beiden Händen nahm sie das Kleid vorn in die Höhe, um gehen zu können. Sie war schön in dem jämmerlichen zigeunerhaften Aufputz. Das ungesunde reizende Schöne der schlechtverhüllten körperlichen und seelischen Nacktheit. »Trag mir die Schleppe«, befahl sie. Und er humpelte ihr nach, in der einen Hand die Schleppe, in der andern seine Krücke haltend. So zogen beide durch den staubdämmernden Raum, sie singend, er in stummer Bewunderung. Bis sie müde waren. Sie setzten sich auf eine der rissigen Kisten. Sie stemmte die Ellenbogen auf die Kniee und ließ den grünen Atlasschuh auf der Spitze ihres Fußes tanzen. Ihr kleiner Finger wies dem Knaben einen roten fettigen Fleck am Taillenausschnitt. »Das ist Schminke«. Er wußte nicht, was das war. »Damit macht man sich hübsch. Rote Wangen und rote Lippen.« »Wer hat's Dir gesagt?« »Die von Nummer 8. Das ist eine von's Theater.« »Was macht sie denn?« »Sie tanzt.« Sie spannte beide Hände über das Knie und beugte sich zurück. »Ob ich's auch könnte? Hübsch wär's.« Sie stand auf. Ein leiser versteckter Zug spielte um ihre Mundwinkel, während sie langsam das Kleid ablegte. »Pack's wieder ein.« Er legte sorgfältig ein Stück nach dem andern in die große Schachtel. Ohne Schuhe, im sehr kurzen zerflickten Unterröckchen, die Blume noch im Haar und die Perlen um den Hals, stand sie mit halb gehobenen Armen da, halblaut, aber scharf im Takte eine Tanzweise summend. Zögernd, versuchend folgten ihre Füße der Melodie. Erst vor, dann zurück, immer vereint mit der leicht gleitenden Bewegung des Oberkörpers. Nach wenigen Sekunden waren die Schritte rascher, sicherer, die Füße lösten sich vom Boden. Das atemlose Lachen, das von den weitgeöffneten Lippen klang, war nur die Einleitung zu einem Wirbel wilder Bewegungen. Feurig, sinnlich schön, aber ohne Weichheit, ohne Reinheit. Sie tanzte, bis sie sprachlos, schwindelnd niederstürzte. Der kleine Friedel kniete erschrocken neben ihr. Sie richtete sich atemringend in die Höhe. »Weine nicht.« Sie schlug ihn auf die Finger. »Ich kann das Weinen nicht leiden.« Langsam, liebkosend streichelte sie ihre Arme und küßte sich mit einem seltsamen Ausdruck auf die Schultern. »Ich bin doch schön. Wenn ich nur schon stärker wäre –«
Drei Tage später war in der engen Stube großer Lärm. Die Mutter weinte, die heisere röchelnde Stimme des Vaters schalt und fluchte, der Knabe drückte sich krampfhaft ängstlich in eine Ecke. Das Mädchen stand ein wenig blaß, mit übereinander gebissenen Zähnen in der Mitte des Zimmers. Aber nicht die leiseste Erregung zitterte in ihrer Stimme. »Nächsten Monat komme ich doch aus der Schule ....« Der Vater ließ sie nicht ausreden. »Dann steck' ich Dich in ein Geschäft, wo man Dir aufpaßt.« »Das Fräulein wird im Theater schon auf mich Acht geben.« »Die soll erst selber auf sich Acht geben, die Person die ....« »Und im Theater bekomme ich jeden Monat fünf Mark. Im Geschäft geben sie mir im ersten Jahr gar nichts.« Fünf Mark! Das wirkte. Der Vater dachte daran, wie viel er sich plagen mußte, um fünf Mark zu verdienen. Wenn das dumme Mädel es für ein bißchen Springen und Hüpfen bekommen konnte – gut. Und er wollte ihr schon die Knochen entzwei schlagen, wenn sie sich unterstehen sollte ....
Sie unterstand sich gar Vieles. Aber er wußte nichts davon. Denn sie war klug. Sie ging jetzt täglich ins Theater. »Balletratte« schrieen ihr die Kinder in der Straße nach. Dem kleinen Friedel wurde es bei dem Worte immer so sonderbar heiß und schwindlich. Er wußte nicht warum. Er hatte sich schon an so viele häßliche Worte gewöhnt. Er gebrauchte sie selbst. Er war ja ein Kind. Er hatte der Verdorbenheit nichts entgegenzusetzen. Nicht die bessere Erkenntnis, nicht die Kraft des Willens. Aus seinem Wesen war die unbewußte Feinheit gewichen, die sein häßliches Gesichtchen angenehm und rührend gemacht hatte. Um die Mundwinkel lagerte schon ein leiser Strich der Gewöhnlichkeit. Nur die Augen waren noch klar und sanft wie einst. Denn in ihnen schimmerte die Rettung des einsamen Kindes. Die große stille Liebe, ob auch für ein unwertes Geschöpf. Er ahnte es dunkel – und liebte sie. Er mußte jetzt noch mehr leiden als früher. Er konnte sie abends nicht mehr erwarten. Sie kam oft erst um zehn oder um elf Uhr nach Hause. Sie hatte »zu thun«.
War sie tags zu Hause, so achtete sie nicht auf ihn, sondern arbeitete. Sie machte stundenlang mit Armen und Füßen ein und dieselbe Bewegung. Der Knabe sah ihr schüchtern und geduldig zu. »Was machst Du da?« fragte er manchmal. Und sie erklärte herablassend: »Das ist ein Steh-Glissé und das ist ein Balancé und das ist ein Chassé.« Des öfteren wurde sie ärgerlich auf sich. »Ob ich mich nicht mehr in die Hüfte legen kann!« Dann arbeitete sie mit solcher Heftigkeit und Ausdauer, bis sie, mit weißen eisigen Lippen, auf einen Stuhl sank. Sie sah auch sonst nicht mehr so frisch aus. Unter den Augen schwammen mattblaue Schatten und die Lider waren von gelbbräunlicher Färbung. Sie fing an, sich zu pudern. Ihr Anzug war ein Durcheinander von Putz und Armseligkeit. Sie stahl ihrem Vater alle Augenblicke eine Schleife, eine zerknitterte Blume, ein unechtes zerbrochenes Schmuckstück. Sie kämmte sich die Locken tief in die Stirne, und verlängerte mit angebrannten Schwefelhölzchen ihre Augenbrauen. Sie wurde unzufrieden und verbittert. Die für die Uebungsstunden notwendigen Gegenstände mußte sie sich selbst beschaffen. Dazu reichten die fünf Mark monatlich gerade hin. Leinwandschuhe ohne feste Sohlen, bis weit übers Knie reichende Strümpfe, Gazeröcke und kurze weite Pumphöschen. Der kleine Friedel stopfte mit grober Wolle die rasch durchgetanzten Schuhe. Er nähte die abgerissenen Knöpfe ans Mieder, und die Bänder an die Höschen. »Genierhöschen«, sagte sie mit zusammengekniffenen Augen. Was er sich heimlich grämte. Er hätte das kleine Bild seiner Mutter darum gegeben, sie einmal wieder lächeln zu sehen. Sie lächelte nicht mehr. Den zeitweiligen Vorwürfen des Vaters setzte sie so herausfordernden Trotz entgegen, daß er anfing zu schweigen. Langsam verlor er die Gewalt über sie. Sie fürchtete ihn nicht mehr.
Eines Tages zeigte er seiner Frau ein feines Schmuckkästchen. »Da habe ich was billig gekauft. Schau her.« Er hielt ihr ein hübsches Armband aus doppelreihigen Granaten hin. Das Mädchen stand daneben. »Schenk mir's.« – »Bist Du verrückt? Das wird nochmal so teuer verkauft. Freilich, Dir schenken!« Er packte den Schmuck wieder ein und ging. Sie sah ihm starr nach. In ihrem Antlitz dämmerte der drohende Entschluß der Sünde. Der Junge faßte angstvoll ihre Hand. »Das Armband – ist das so teuer?« »Teuer! Wenn man's im Laden kauft – fünfzehn Mark. Ein Lumpengeld. O wenn ich wollte – nicht heimkommen, nur eine Nacht –« Sie biß sich erschrocken auf die Lippen. Aber der Knabe hatte begriffen. Die Kinder in der Mauernstraße begreifen so schnell. Er fällt vor ihr nieder. »O, Du, Du – das thust Du nicht. Ich versprech' Dir's – bis Weihnachten schenk' ich Dir das Armband – aber Du kommst heim, gewiß, Du kommst heim.« Sie versteht seine Worte, aber nicht den rasenden Schmerz, der seine Stimme entzweibricht. Ein letztes menschliches Empfinden, das Mitleid, regt sich in ihr. »Dummer Junge – was fällt Dir denn ein? Freilich komme ich nach Haus. Sei nur still!«
Er ist still. Sehr still. Er atmet kaum. Es thut ihm weh. Am nächsten Morgen steht er fröstelnd im nassen Novemberwind vor der Hausthüre. Sein weißes blutloses Kindergesicht ganz starr, ganz farblos. Er schleppt sich mühselig die schmutzige schwarze Straße entlang. An der Ecke bleibt er nochmals stehen. Sein Körper zittert vor innerlichem Schluchzen. Aber er geht weiter, biegt in die große lärmende Straße ein. Er geht betteln.
Tag für Tag. Die Vorübergehenden wissen nicht, welch' wehevolle Ueberwindung jede Bitte aus diesem kleinen schmerzverzerrten Munde ist. Es schaut ihm ja Keiner in die Augen. Sie blicken aus dem müden Gesichtchen wie zwei aus dem Herzen emporgewachsene Todesblumen. Denn er stirbt langsam. Er stirbt an der Schande.
Jeden Abend wechselt er seine kleinen Münzen in einem Bäckerladen. Die dicke gutmütige Frau hat so großes Mitleid mit ihm. Sie hat auch noch nie solch' seltsames Bettelkind gesehen. Als er am zweiten Abend kam, wollte sie ihm ein Stückchen Kuchen zustecken. Er dankte mit unverständlicher Heftigkeit. Und als sie es ihm mit Gewalt in die Tasche schieben wollte, fing er an zu weinen. »Nein, nein.« »Warum nicht?« »Ich will nichts für mich.« »Ist denn das Geld nicht für Dich?« »Nein.« »Für wen denn?« Er bleibt stumm. Auf dem Heimweg schleicht er sich regelmäßig an einem großen Juweliergeschäft vorbei. Da hat er im Schaufenster genau so ein Armband entdeckt wie jenes. Zwei Reihen Granaten mit schmalem goldenem Schloß. Auf einem Zettelchen steht der Preis notiert. Vierzehn Mark und fünfzig Pfennige. Soviel Geld!
Daheim fragt ihn Niemand, was er den ganzen Tag auf der Straße macht. Oft kommt er spät nach Hause. Sie wissen's gar nicht. Ob der kleine Junge im Bette liegt oder nicht, es kümmert sich Keiner darum. Und wenn er kommt, schleicht er so leise durch das Zimmer, daß sie ihn nicht hören.
Der Weihnachtstag. Er steht an der Staßenecke, frierend, in Todesangst. Er hat noch nicht genug. Wie flehend er seine von großen roten Frostbeulen bedeckten Hände den Vorübergehenden entgegenstreckt. Aber die haben's heute so eilig. Wer sieht solche kleinen Betteljungen. Der Weihnachtstag wird für ihn der schlimmste. Er hat nichts, gar nichts bekommen. Es ist dunkel geworden. Er hält sich an der schneeverwehten Mauer. Er geht nicht nach Hause, wenn er sein Versprechen nicht erfüllen kann. Ihm gerade gegenüber blitzt's und funkelt's im Schaufenster des Juweliers, sein Verlangen und seine Hoffnungslosigkeit nur vergrößernd. Das Menschengewühl hat längst nachgelassen. Die wenigen noch Vorübereilenden wagt er nicht mehr anzureden. Er fällt auf die Kniee und weint. Plötzlich fühlt er, daß Jemand neben ihm stehen bleibt. »Lieber Gott, Kind – warum weinst Du denn?«
Ein junges Mädchen steht neben ihm. Das rote Licht der Gaslaternen glitzert auf den Stahlknöpfen ihres dunkelblauen Tuchmantels. Er kann vor Schluchzen nicht reden. Sie hebt ihn mitleidig in die Höhe »Willst Du etwas? Kann ich Dir etwas helfen?« Er blickt auf, in ein schmales, freundliches Gesicht mit ruhigen, grauen Augen. Er faltet die Hände. »Das Armband – da drüben. Ich muß es haben. Und ich habe nicht genug.«
Sie stutzt. »Wofür brauchst Du denn ein Armband?« Er giebt keine Antwort, murmelt nur eintönig, herzzerreißend vor sich hin: »Das Armband – das Armband.« Sie faßt ihn bei der Hand. »Komm' mit.« Sie führt ihn über die Straße, gerade vor das Schaufenster. »Welches willst Du?« Er weist hin. »Da, da.« »Wie viel Geld hast Du?« Er giebt ihr ein schmutziges Papier. Darin hat er's aufbewahrt. Sie zählt es nicht, sieht ihn nur nochmals an. »Warte hier. Ich werde Dir das Armband kaufen ...« Ihm ist, als fiele der ganze große Sternenhimmel zu seinen Füßen nieder. Er sucht und ringt nach einem Worte. »Mutter, Mutter!« Er findet kein anderes. Das junge Mädchen kommt aus dem Laden zurück und steckt ihm ein feines buntes Schächtelchen in die Hände. »Da – das ist Dein Christkindchen. Nun weine nicht mehr. Gute Nacht.«
Nach Hause! Nur nach Hause! Durch die stillen, eisigen Straßen stolpert er atemlos dahin, nicht einen Blick nach den weihnachtshellen Fenstern hinaufwerfend. In der Mauernstraße ist's dunkel. Die Gaslaterne brennt noch. Er steht vor der Thüre und drückt angestrengt auf den rostigen eisernen Knopf. Er giebt nicht nach. Die Thüre ist verschlossen. Es schlägt neun Uhr. Was soll er thun? Klopfen? Rufen? Man wird ihn nicht hören. Und er fürchtet sich auch. Er will warten. Um zehn Uhr muß sie heimkommen. Sie hat sich heute morgen den Hausschlüssel von der Mutter geben lassen. Es sei abends noch eine große Probe, aber um zehn Uhr sei sie gewiß zu Hause. Er wartet. In die Ecke zwischen Thüre und Mauer gedrückt, in der Hand das Armband. Er hat es aus dem Schächtelchen herausgenommen, um es zu betrachten. Wie's funkelt! Er denkt an ihre Freude. Nur daran. Nicht an seine Schmerzen. Auch nicht an die Geberin. Nur an sie.
Zehn Uhr. Nun wird sie gleich kommen. Wirklich Schritte ... Er beugt sich weit vor. Es ist nur der Mann, der die Laternen auslöscht. Sie nicht. Die Probe kann länger gedauert haben. Sie hat sich vielleicht verspätet. Sie wird schon kommen. Gewiß. Es wird immer kälter. Er steckt die Hände in die Hosentaschen und zieht abwechselnd die Füße empor. Ist das ein trauriges Warten in der schneehellen, todesstillen Winternacht. Von Viertelstunde zu Viertelstunde verfolgt er die dröhnenden Schläge der Turmglocke. Elf Uhr. Sie ist nicht da. Er weint nicht. Er drückt die Hände in die kleinen spitzigen Eiszapfen an den Mauervorsprüngen. Wem er umsonst gebettelt hätte, umsonst ...! Ihm ist, als müßte das Blut zu seinen entzündeten Augen herausspritzen. Und warten, warten, warten! Er kann vor Kälte nicht mehr ruhig stehen. Er humpelt die Stufen herunter und wankt hin und her. Mechanisch drei Schritte vor und drei zurück, den Kopf weit zurückgeworfen, zum silberschimmernden Weihnachtshimmel aufstierend.
Mitternacht. – Er wirft sich zu Boden, heult und beißt mit den Zähnen in die gefrorene Erde. Seine Krücken hat er weit von sich geworfen. Auf allen Vieren kriecht er zur Thüre zurück. Und liegt da – ächzend, wimmernd, sterbend. Er verliert das Bewußtsein. Eine rote, glitzernde Schlange mit goldenem Krönchen ringelt sich um seinen Hals. Sie erwürgt ihn. Er regt sich nicht einmal. Da knarrt's über den Schnee her. Er richtet sich krampfhaft wild empor. Seine flimmernden Augen sehen zwei dunkle, aneinandergepreßte Gestalten. Mehr kann er nicht erkennen. Er hört nur, hört – Worte, die ihm alles Blut in Thränen verwandeln. Umsonst!
Müde, schwankend kommt sie die Stufen herauf. Ihre tastende Hand stößt an den Knaben. Sie fährt zurück. Er streckt ihr die erstarrte Hand mit dem funkelnden Reif entgegen. »Da – Dein Armband. Weißt Du, ich – habe – gebettelt.« Er fällt schwer und steif vor ihren Füßen zu Boden. Er ist tot.
Personen: |
William Stoneberg. |
Katya Stanyek. |
Ein Diener. |
Ein großes Zimmer. Im Hintergrund rechts eine Thüre. Vorn rechts ein geöffneter Flügel mit Notenheften und Partituren bedeckt. In der Mitte des Zimmers ein großer, runder Tisch. Darauf ein Schreibzeug. Rechts und links Stühle. Links vorn in einer Gruppe von Zierpflanzen eine schwarze Säule mit großer Beethovenbüste. Dicht davor ein kleiner Tisch mit zwei niedrigen Fauteuils. Weiter zurück links ein Fenster mit schweren Vorhängen. In der Mitte des Hintergrundes ein hohes Regal mit Partituren. Rechts und links davon Luftheizungsklappen. Die ganze Einrichtung schwer und dunkel. Es ist vollkommen Nacht.
Die Thüre wird von außen aufgeschlossen. Stoneberg in Winterrock und Cylinder. Der Diener trägt eine Lampe und einen Violinkasten. Die Thür bleibt offen. Man sieht in ein kleines Vorzimmer mit einigen Rohrstühlen, Kleiderhaken und Schirmständern. Von ferne hört man ganz leise die spanischen Weisen von Sarasate mit Orchesterbegleitung.
Stoneberg (auf den Mitteltisch deutend): Hierher.
(Der Diener stellt den Kasten und die Lampe nieder, hilft dann Stoneberg den Ueberrock ablegen. Stoneberg ist in Frack und weißer Kravatte.)
Stoneberg: Ich kann hier bleiben, ungestört?
Diener: Ganz ungestört. Das Zimmer wird nur vor- oder nachmittags zu den Einzelproben benützt. Abends nie.
Stoneberg: Gut. Zünden Sie das Gas an. (Zieht die Handschuhe aus, reibt sich die Hände.) Unerträgliche Kälte.
Diener: Ich werde sogleich die Heizungsklappen öffnen.
Stoneberg (geht an eine der geöffneten Klappen, die Hände in die ausströmende warme Luft haltend, spricht mit rückwärts gewendetem Kopf zu dem Diener, der die Fenstervorhänge zuzieht und das Gas anzündet): Wie lange bleibt der Portier auf?
Diener: Nach Schluß des Konzertes noch eine Stunde. Aber wenn Herr Stoneberg wünschen, daß er länger ....
Stoneberg: Nein; so lange bleibe ich nicht. (Geht im Zimmer umher, bleibt vor dem Flügel stehen): Ah, ein Stoneberg. (Schlägt ein paar Tasten an und geht dann an den Mitteltisch, sucht einen Briefbogen und ein Couvert heraus, schreibt. Der Diener ist unterdessen mit dem Anzünden fertig geworden.)
Diener: Wünschen Herr Stoneberg noch etwas?
Stoneberg (schreibend): Warten Sie. (Der Diener geht ins Vorzimmer.)
Stoneberg (schreibend): Sie haben auch den Dienstmann bezahlt, welcher den Violinkasten aus meinem Hotel holte?
Diener: Ja.
Stoneberg (steht auf, wirft einen prüfenden Blick nach dem Diener, geht langsam im Vordergrund des Zimmers auf und ab, halblaut das Geschriebene lesend): »Gnädigste! Heute Abend habe ich mich überzeugt, daß Ihr Instrument der Künstlerin nicht würdig ist. Sie haben das Adagio des Beethovenkonzertes nicht gespielt, wie Sie es spielen können. Das Publikum hat es nicht bemerkt, wohl aber das Ohr eines Musikers. Ich habe mich daher entschlossen, Ihnen die in meinem Besitz befindliche Amati zu überlassen. Ich muß so unhöflich sein, Sie noch heute Abend zu bemühen. Ein vor wenigen Stunden erhaltenes Telegramm zwingt mich morgen früh fünf Uhr zur Abreise nach New-York. Darf ich Sie für wenige Minuten auf das neutrale Gebiet des Probezimmers bitten? Ich habe das Instrument holen lassen, Sie können es genau prüfen. Ihr bewundernder Verehrer William Stoneberg.« (Geht an den Tisch, schließt den Brief in ein Couvert, schreibt die Adresse, winkt dem Diener.) Gehen Sie ins Künstlerzimmer und warten Sie bis zum Schluß des Konzertes. Wenn Fräulein Stanyek kommt, übergeben Sie ihr diesen Brief und bitten um Antwort. Sollte sie es verlangen, so führen Sie die Dame her. Nun – (zieht seine Börse heraus) für den Dienstmann und Ihre Bemühungen.
Diener: Danke, gnädiger Herr. (Geht, schließt hinter sich die Thüre.)
Stoneberg (allein. Klappt seinen Cylinder zusammen, trägt den Ueberrock auf einen Stuhl im Hintergrund, öffnet den Violinkasten). Wird sie kommen? Glaube wohl. Anstandsrücksichten kommen bei ihr nicht allzuviel in Betracht. Und wo sich's um eine Amati handelt, um diese Amati! – Aber warum lass' ich sie kommen? Um ihr die Amati zu überlassen? Ich denke nicht daran. Es wäre denn, daß sie einen Preis dafür zahlt, einen Preis ... ich glaube nicht, daß sie ihn zahlt. Aber versuchen. Und einmal will ich mit ihr allein gesprochen haben. Ganz allein. – Dies Geschöpf! Was zwingt mich zu ihr? Ihr Lachen, ihr großes tolles Lachen – und ihre schwermütigen Augen. Ich verstehe sie nicht. Gehört sie zu den Frauen, die nur deshalb reizend sind, weil sie sich an der äußersten Grenze bewegen? Ich habe viel Unpassendes von ihr gesehen, tausend Sonderbarkeiten wie die rätselhafte Gürtelkette, nie etwas Unschickliches. Bin ich noch deutsch-sentimental genug, daß ihre Begabung auf mein Gefühl wirkt? Zwanzig Jahre in Amerika und noch sentimental. (Pause.) Ob ich mir nicht Unrecht thue? Sentimental? Es könnte noch eine andre Regung dabei sein. Ich würde sie mir leichter verzeihen. (Die Musik verstummt. Man hört lange anhaltenden Applaus.) Zu Ende. Nun werde ich ja gleich wissen .... (Geht mit kurzen Schritten auf und ab, fährt sich ein paarmal erregt über die Stirne. Aergerlich): Daß mich so etwas noch nervös machen kann! Was ist's denn? Ein kleines Slavenmädchen von möglichst dunkler Herkunft. Aufgewachsen im künstlerischen Vagabundentum. Darin liegt meine Hoffnung. Und in der Amati. (Er nimmt die Violine aus dem Kasten, betrachtet sie. Es klopft.)
Stoneberg: Herein.
Katya Stanyek (tritt ein, läßt die Thüre halb offen. Man sieht den Diener und eine ältere, einfach gekleidete Person. Katya ist in vollständig weißer Konzerttoilette. Nur an der Schulter und im Haar dunkle Rosen. Um die Taille eine feine, goldene Gürtelkette, deren Enden sich in einer Falte des Kleides verlieren. Lose um die Schultern geschlungen ein weißes Seidentuch. In der linken Hand hält sie Stonebergs offenen Brief und ein kleines Taschentuch. Sie ist etwas erschöpft, in starker aber verhaltener Erregung, spricht mit durchaus czechischem Accent, aber ohne Gewöhnlichkeit, mit weicher, ein wenig gebrochener Stimme.)
Katya: Bin ich da. (Tritt an den Tisch.) Also?
Stoneberg (verletzt, macht ihr eine ostentative Verbeugung): Ich habe die Ehre, meine Gnädigste, Sie zu begrüßen.
Katya (ohne darauf zu achten): Wie viele Geld verlangen Sie? Bitte – rasch.
Stoneberg: Gnädiges Fräulein, Sie nehmen die Sache sehr geschäftlich. Ich halte die Hergabe einer Amati für mehr als einen bloßen Handel. Zum mindesten ist dabei ein oder das andere Wort zu reden, welches die Dienerschaft nicht zu hören braucht. (Geht an die Thüre, schließt sie.)
Katya (folgt ihm mit den Augen): Ah – so! (Geht.)
Stoneberg (für sich): Was?! (Laut, mit halbem Lachen): Das hätte ich von Fräulein Stanyek nicht erwartet. Sie fürchten sich?
Katya (schon an der Thüre, wendet sich rasch um, mißt ihn von oben bis unten, greift einen Moment an die Gürtelkette): Nein. (Geht an den Mitteltisch, fest sich auf den Stuhl rechts, nimmt ihr Tuch ab.)
Stoneberg (nimmt den Stuhl links): Gestatten ... ... (setzt sich.) Gnädiges Fräulein, Sie befinden sich in einer ungewöhnlichen – bei Ihnen ganz ungewöhnlichen Aufregung. Ich halte mich für berechtigt, nach der Ursache zu fragen.
Katya (schweigt).
Stoneberg: Wenn Sie meiner Neugierde die Erklärung verweigern, so gewähren Sie dieselbe meiner Teilnahme. Ich helfe gerne – Ihnen. Was haben Sie?
Katya (in Thränen ausbrechend, wirft sich vornüber auf die Tischplatte): Hab' ich gespielt schlecht.
Stoneberg: Schlecht gespielt?! Heute? Sie haben mit einem Feuer, mit einer Leidenschaft gespielt, das Publikum –
Katya: Feuer, Leidenschaft, Publikum! Adagio habe ich gespielt schlecht. Und Narren da unten haben geschrieen Bravo. O, hätten ausgezischt mich, mir wäre nicht so unglücklich. Aber nehmen Lob und haben nicht verdient. Ist mir in Herzen, als hätte ich beschimpft Mutter Gottes.
Stoneberg: Ach, lassen Sie doch die Mutter Gottes aus dem Spiel. Sie thun dem Publikum Unrecht und sich. Haben Sie Ihre Ansicht vielleicht meinen Zeilen entnommen? Sie haben das Adagio ausgezeichnet gespielt. Nur meine hohe Meinung von Ihrer Begabung veranlaßt mich zu dem Glauben, daß Sie's noch besser können.
Katya: Sie sind Narr wie Andere. Wissen nicht, daß man spielt Beethoven schlecht, wenn man nicht spielt Beethoven vollendet.
Stoneberg: Demzufolge müßten freilich sämtliche moderne Virtuosen das Beethovenspielen aufgeben.
Katya: Ich nicht gehöre zu Ihre moderne Virtuose. Hexerei von große Technik haben keine Wert für mich, seit ich kann Hexerei. Weiß ich sehr gut, daß ich kann mehr als die Andere. Und hab' ich gesehen heute, daß ich kann gar nichts.
Stoneberg: Auf die Gefahr hin, mich wieder von Ihnen den – Narren beigezählt zu hören, erlaube ich mir nochmal die Bemerkung, daß Sie sich Unrecht thun. Sie haben den ersten und letzten Satz des Beethovenkonzertes gespielt wie – wie eben nur Sie es können. Wenn das Adagio Sie nicht ganz befriedigen konnte, so liegt die Schuld an dem Ton Ihres Instruments. Er ist groß, kräftig, aber ohne jene höchste Weichheit, jene innere Verklärung, wie sie einer – Amati innewohnt.
Katya (leise): Weiß ich lange wohl. Aber will ich nicht geben zu mir. Ist so jämmerlich, suchen Entschuldigen für Nichtkönnen von sich selbst.
Stoneberg: Also diese weibliche Schwäche haben Sie nicht. Nur thun Sie auf der anderen Seite zuviel. Und wenn Sie wirklich schlecht gespielt hätten, so verstehe ich noch immer nicht, warum Sie die Sache so tragisch behandeln, als ein solches Unglück.
Katya: Für mich – ist es Unglück.
Stoneberg (zuckt die Achseln).
Katya (mit tiefgesenktem Haupt, sehr leise beginnend.) Seit erstemal habe ich gehört einer Melodie von Beethoven, ist Herz geworden taub für andere Ton. Hab' ich gespielt viel andre Ton, weil ich wollte lernen. Wollt' ich warten, bis ich konnte ganz viel, um es zu machen recht für Beethoven. Aber wenn ich habe gespielt andre Ton, war es immer so leise in mir: Kde je – milost Pan? Wo ist – gnädiger Herr? O mein gnädiger Herr, hab' ich es gemacht schlecht!
Stoneberg (für sich): Interessante Komödie. Gut gespielt. Nur ihre Augen – ich darf nicht hineinschauen. Sonst fange ich an, ihr zu glauben ....
Katya: Ist ungeschickt von meine Mund, Ihnen sagen solche Worte. Aber bin ich so große Trauer.
Stoneberg: Und in solchen Fällen thut es den Damen wohl, sich auszusprechen. Bitte, sprechen Sie nur weiter. Einem Freund gegenüber –
Katya (sehr rasch): Sie nicht sind Freund von mir.
Katya: Weiß nicht so deutlich. Und Sie kennen gar nicht mich.
Stoneberg: Sie kennen mich auch nicht.
Katya: O ja.
Stoneberg: So?
Katya: Sie haben gewesen arm in Deutschland und haben verdient viele Geld in Amerika. Nun Sie haben gemacht Ihre Namen bis in die Hälfte amerikanisch. Stone-berg. Ihre deutsche Name ist Steinberg. Das ist nicht gefallen mir. Würde ich nie nehmen eine andere Nam' als die von meiner Vaterland.
Stoneberg: Mehr haben Sie mir nicht vorzuwerfen?
Katya: Doch. Ist mehr noch. Aber kann man nicht sagen es.
Stoneberg: Sagen Sie's nur. Meinen Ohren wirds nicht weher thun es zu hören, als Ihren Lippen es auszusprechen. Die Schellenkappe haben Sie mir vorhin schon aufgesetzt. Ich nehm's Ihnen nicht übel, wenn Sie mir auch noch die Pritsche in die Hand geben.
Katya: An die Uebelnehmen – die Uebelnehmen ist mir gleich. Werd' ich Ihnen sagen ganze Wahrheit. In Ihre Herz ist geblieben noch eine kleine Stück von deutsche Wald und so klare Blum'. Doch über sie stehen amerikanische Verstand, der ist so klug und haben eine große Sack mit Geld. Und über Wald und Blume und Verstand und Sack mit Geld ist gebreitet eine lange Teppich von Höflichkeit und ganz feiner Benehmen. Seit ich bin hier vier Wochen habe ich gesehen Sie vieler Abend in großer Gesellschaft. Haben Sie nie gemacht eine Fehler und haben nie gesagt besseres Wort als andre feine Herrn.
Stoneberg: Wissen Sie denn, Fräulein Stanyek, daß Ihre Worte eine große Schmeichelei für mich sind? Sie haben mich ja beobachtet, als ob ich Ihnen interessant wäre.
Katya: Hat man gesagt zu mir, Sie sind gewesen arm als kleine Junge. Sie sind gegangen ganz mit sich allein über Meer und haben gemacht Arbeit so viel und so gut, bis Sie waren reiche Mann, vor dem Leute haben Achtung. So hab' ich gehabt Aufmerken für Sie – weil ich war auch arm.
Stoneberg: Sie waren arm? Davon hab' ich nichts gehört. Aber sonderbare Dinge von Ihrer Herkunft. Eine sehr romantische junge Dame erklärte mir mit großer Bestimmtheit, Sie stammten von echt indischen Zigeunern ab. Der französische Gesandtschafts-Attaché äußerte sich mit liebenswürdigem Lächeln dahin, er hielte Sie für die Tochter eines ungarischen Magnaten; ein Dritter –
Katya: Haben Unrecht alle. Wahrheit weiß nur eine Mensch. Ich.
Stoneberg: Wollen Sie auch mir ein Geheimnis daraus machen?
Katya: Ja.
Stoneberg (erregt): Was haben Sie für einen Grund? Müssen Sie sich vielleicht der Wahrheit schämen?
Katya (schweigt).
Stoneberg: Reden Sie, ich bitte, reden Sie.
Katya: Habe ich keine Grund zu schämen mich, aber Grund Wahrheit nicht zu sagen. Sage ich ihr jetzt, so schreiben Sie morgen großer Artikel in Zeitung über Leben von Katya Stanyek.
Stoneberg: Ich werde schweigen. Mein Ehrenwort.
Katya: Ehrenwort? Habe ich gehört schon oft geben Ehrenwort und dann (macht die Bewegung des Entzweibrechens) – mitten entzwei. Nein. Ist nichts Ehrenwort.
Stoneberg: Sie mögen an manchen Menschen solche Erfahrungen gemacht haben. Ich halte denjenigen, der sein Wort bricht, für einen Schurken, dem nur eins übrig bleibt: sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Nochmals: mein Ehrenwort.
Katya (sieht ihn eine Weile stumm an): Sehen wohl, jetzt haben wieder gerauscht deutsche Wald in Ihre Herz. – Haben Sie gehört, was macht Böhme, wenn wird geboren eine Kind?
Stoneberg: Nein.
Katya: Rechts von Kind legt man Geige, links von Kind Beutel mit Geld. Greift Kind nach Geige, wird es Musikant. Greift Kind nach Geld, wird es Dieb.
Stoneberg: Es war schon klüger von Ihnen, nach der Geige zu greifen.
Katya: Habe ich müssen thun. Hat mir nur hingelegt Geige. Vater hatte keine Beutel mit Geld. War böhmische Musikante, wo ziehen hinauf hinunter an große Fluß Moldau. Hatte junges Weib mit Augen von Nacht und kleine Fuß. War nachgelaufen arme böhmische Musikante und geworden sein Weib ohne Ring an Finger und ohne Segen in Kirche. Ohne Segen! Auf Landstraße war geboren kleine Katya, auf Landstraße junge Weib war tot.
Stoneberg (ist ein wenig näher gerückt, beobachtet Katya mit wachsender Teilnahme): Und dann?
Katya: Dann hat Vater getragen kleine Mädchen auf der Rücken durch ganze Land. Waren Leute viel mitleidig, weil er war immer so traurig und hatte nur lieb kleine Katya. Hab' ich gelernt eher Singen wie Gehen. Und spielen auf Geige. Hat so geweint Vater als erstemal spielte ich ohne Helfen: Kde domov muj –
Stoneberg: Was heißt das?
Katya: Das ist schönste böhmische Volkslied und heißen: Wo ist meiner Heimat? Hab' ich es gesungen oft mit so heißer Gefühl und habe gehabt in Heimat so große Weh. Hab' ich gefürchtet mich, wenn kam weiße stille Schnee. War viel kalte Nacht und haben wir gehabt oft keine Bett zu schlafen. Aber bei Häuser, wo wird gemacht bunte Glas, liegt große Berg von Asche. Wird gefahren aus Ofen für Glas und ist warm. Haben wir uns gewühlt in warme Asche und geschlafen. Nach eine Nacht ist Vater geschlafen sehr lange. Hab' ich genommen Geige, gespielt Kde domov muj. Vater haben geschlafen weiter. Hab' ich gewußt, er war tot. Leute haben gesagt, Asche war zu heiß, haben gehabt in sich böse Dampf, arme Vater ist erstickt. Arme, arme Vater.
Stoneberg: Armes Kind.
Katya: Hab' ich wollen springen hinein in Grab zu meine Vater. Aber Leute haben gehalten mich. Hab' ich geschrieen wie wilde Tier und gebissen mit Zähnen vor meine Jammer. Ist gekommen alte Herr von Haus mit buntes Glas, haben gesagt, er will geben viele Geld, weil ist geschehen mir so große Unglück auf seiner Eigentum. Haben mich schon gehört spielen Geige seine Arbeiter. Haben gesagt zu alte Herr, er soll schicken mich in Praha und geben zu gute Lehrer von Geige. Haben er gethan. War ich noch so kleine Kind von sechs Jahre, haben er mich lassen bringen in Praha durch eine von seine Arbeiter. Eine junge Mensch mit guter Gesicht. Haben mich gebracht zu seine Mutter. Alte Frau mit Schnee auf Haar. Alte Frau war gut mit traurige Kind. Haben geführt zu berühmte Lehrer von Geige. Hab' ich nicht wollen spielen vor. Habe wollen spielen nie wieder, nie wieder. Alle Rede von alte Frau und berühmte Mann waren keiner Hilfe. Ist geschehen eine Wunder. Im Zimmer neben haben gespielt eine Hand einer Melodie .... oh .... bin ich gefallen auf Knie, habe gebeten berühmte Mann, mir geben Lehre, daß ich könnte spielen eine Mal in meiner Leben solcher Melodie. War Beethoven.
Stoneberg: Was ist das für eine Melodie?
Katya: Opus 90, zweite Satz. Nicht für Geige, nur für der Klavier. Aber war meiner Sehnsucht von dieser Tag zu spielen ihn auf Geige. Wollte ich spielen jeder Melodie von Beethoven auf Geige. Habe ich immer gehabt Zorn, daß er haben gedichtet so vieler Melodie für Klavier. Ist eine tote Instrument – – Aber glaube ich meine Erzählen gehen lange, zu lange, werden haben Langeweile.
Stoneberg: Nein. Ich möchte Ihnen zuhören – tausend und eine Nacht.
Katya: Ist nicht mehr zu sagen vieles. Habe ich gespielt Geige ganze Tag und halbe Nacht. Nicht gethan andres, nicht gelernt andres. Haben keine Mensch mich erzogen. Als kam ich in große Welt war böse Gesellschaft. War ich oft in Gefahr, zu thun nicht gute Sache. Aber war dann in meine Ohr eine Zittern von Melodie von Beethoven und habe nicht gethan Unrecht. Ist meine Glauben, daß ich kann nicht mehr spielen Beethoven, wenn ich thue Sünde. Habe ich oft nicht rechte Benehmen, weiß ich wohl gut. Aber hab' ich in Herz Rechtes, weil bete ich zu große Genius. Er ist meine Heiland.
Stoneberg: Und dieser Heiland hat Sie bewahrt – in jeder Versuchung?
Katya: Ja. Denn hab' ich gelernt bewahren mich selbst. Sehen hier (zieht die Kette ein wenig empor. Am Ende derselben ist ein kleiner Dolch befestigt) kleine spitze Ding. Trag' ich seit lange Jahre. Ist Gefühl von Sicherheit. Habe ich geglaubt heute Abend Sie haben böse Sinn. Wäre nicht geblieben mit Ihnen ohne kleine Messer. Aber habe ich gehabt Unrecht. Sehe wohl, Sie sind nicht böse Sinn.
Stoneberg (ruhig, aber mit tiefer, innerer Bewegung): Sie irren sich, Fräulein Stanyek. Ich habe sehr bösen Sinn gehabt. Ich wollte Ihnen keineswegs die Amati geben –
Katya: Die Amati? Nicht die Amati? O wie können sagen Sie so harte Wort. Will ich Ihnen geben, was Sie verlangen, will ich Ihnen geben alles, was werde ich verdienen noch in viele Jahre, will ich lieber hungern, aber geben Sie mir der Amati, geben Sie mir!
Stoneberg: Ich werde sie Ihnen geben. Aber lassen Sie mich jetzt reden. Ich werde es schlechter machen als Sie, wenn ich auch die rechten Worte habe. Sie haben den rechten Ton. Der geht in die Seele tief hinein. Ich wußte nicht mehr, daß ich eine Seele habe. Durch Sie, durch Ihr Wesen, durch Ihr .... ja, sehen Sie, ich weiß wirklich nicht weiter – ich liebe Sie.
Katya (steht langsam auf, die Augen starr auf ihn geheftet).
Stoneberg (leidenschaftlich werdend): Ich will vor Ihnen nicht mehr lügen. Ich liebe Sie – seit dieser Stunde. Aber ich verlangte nach Ihnen, leidenschaftlich, ehrlos, schon viele Nächte. Ich hatte nur eine Begierde: Sie zu küssen. Jetzt habe ich nur einen Wunsch: vor Ihnen zu knieen.
Katya: Ihre Worte klingen gut, aber kann ich nicht geben Glauben. Lassen mich gehen mit Amati und geben mir Hand als gute Freund.
Stoneberg: Nein.
Katya: Dann Sie haben nicht Liebe für mich. Nur Leidenschaft.
Stoneberg: Ich habe die wahre Liebe für Sie. Nehmen Sie die Amati – als Brautgeschenk. Werden Sie mein Weib.
Katya: Ah – die Amati –
Stoneberg (leise): Werden Sie mein Weib.
Katya: Nein. Lieb' ich Sie nicht.
Stoneberg: Sie haben Vertrauen zu mir. Sie werden's lernen mir gut sein.
Katya: Lernt man nicht.
Stoneberg: Ich liebe Sie so unendlich –
Katya: Glauben Sie – aber ist nicht Wahrheit. Haben mir jetzt gesagt viel Worte mit schöner Klang, nicht eine Mal meiner Nam', weil steht meiner Nam' nicht in Ihre Herz. Er haben mir nur gesagt meiner Nam', haben geschrien meiner Nam' im Tod ....
Katya (eintönig): War arme Junge. Sohn von alte Frau, wo ich haben gewohnt in Praha. Haben mich sehr geliebt. Und ich – war ich jung und war er schöne Bursch, wär' ich vielleicht gelaufen mit ihm betteln auf Landstraße ohne Ring an Finger und ohne Segen in Kirche. Aber der gnädige Herr – haben er verlangt große Opfer und hab' ich gegeben ihm. Habe gesagt nein zu armer Junge. Bin gefahren hinaus in Welt und er haben geworfen sich vor der Pferde und geschrien meiner Nam': Katya, Katya! – Oh er haben geliebt mich recht.
Stoneberg: Aber begreifen Sie denn nicht, daß die Natur eines jeden Menschen sich anders äußert?
Katya: Ist nur eine Liebe. Liebe immer gleich.
Stoneberg: Ich mag's glauben, daß jener Ihnen seine Liebe anders gestanden hat. Ich glaub's nicht, daß er Sie mehr geliebt hat als ich. Ich mache Sie zu meinem Weib. Ich trete mit meinem Namen, mit meiner Ehre für das Weib ein. Das ist nicht wenig vor der Welt, denn die Welt kennt Sie nicht, wie ich. Und dennoch bin ich bereit, Sie auf meinen Armen wie eine Königin durchs Leben zu tragen, Allen zum Trotz.
Katya (leise): Ist Wahrheit, was er sagen. Sehr Wahrheit. Aber würde er nicht sagen mir, wenn er liebte mich.
Stoneberg: Glauben Sie mir nun?
Katya: Glaube ich, daß Sie würden haben wahre Liebe, wenn müßten leiden eine große, große Weh um mich. Jetzt – nein.
Stoneberg (wendet sich von ihr): Gute Nacht.
Katya (geht ein paar Schritte, wendet sich zögernd um) Und – der Amati – darf ich nicht nehmen ihr mit?
Stoneberg: Nein.
Katya (steht, mit sich kämpfend, an der Thüre): Der Amati – o der Amati – (Kehrt um). Bitte, schauen Sie mir in Gesicht. Habe ich Ihnen gesagt, daß ich nicht liebe Sie. Wollen Sie meiner dennoch?
Stoneberg: Ich will, ich will! Denn ich weiß, daß Sie mich lieben werden.
Katya: Wollen Sie helfen mir werden immer besser in meine Kunst?
Stoneberg: Ich werde ehrgeiziger sein als Sie.
Katya: Wollen Sie nicht haben Zorn, wenn ich mache Fehler in Leben und mit gute Wort mir sagen wie ich soll machen anders?
Stoneberg (neigt sein Haupt auf ihre Hände): Ich habe Ihnen nichts zu sagen.
Katya: So – so werd' ich sein Ihre Weib.
Stoneberg (fällt in wortloser Bewegung vor ihr auf die Knie): – Dank.
Katya: O nein. Wissen nicht, ob Sie haben Dank mir.
Stoneberg: Sie werden's nicht bereuen, Sie werden Ihr Wort nicht zurücknehmen?
Katya: Nein.
Stoneberg: Ich fürchte mich – ich fürchte mich, Sie zu verlieren. Sie – Sie werden mein Weib?
Katya (langsam): Meine Ehrenwort.
Stoneberg: Ihr Ehrenwort? Wissen Sie, was das bedeutet? Wissen Sie's?
Katya: O ja. Hab' ich jetzt Ring an Finger. Meine Ehrenwort.
Stoneberg (hält einen Moment stumm ihre Hand. Nimmt dann die Amati, giebt sie Katya): Ihr Brautgeschenk.
Katya (schreit auf, preßt die Geige in die Arme, küßt sie. In namenlosem Jubel): Mein, mein!
Stoneberg (für sich, auf Katya blickend): Mein.
Katya: O – o die kleine, braune Ding, wie ich ihr liebe. Wird sie helfen mir, wenn ich suche rechte Ton für gnädige Herr. Werd' ich können spielen, wie ich habe geträumt seit Jahre. Werd' ich finden eine Mal, eine Mal in meiner Leben Glück.
Stoneberg (für sich): Welche Schönheit, welche Kraft! Ich liebe – ich fürchte sie. Aber ich lasse sie nicht. Und müßte ich um sie ringen – mit ihr selbst.
Katya: Hab' ich einer großen Bitte an Sie. Kann nicht erwarten zu hören Amati. Möchte spielen Melodie, erste, die habe ich gehört von Beethoven als kleine Kind. Wollen begleiten mich auf Klavier. Bitte, bitte!
Stoneberg: Kind, großes Kind! Wenns Dir Freude macht – (Katya zuckt leicht zusammen). Aber ich kann den Satz nicht auswendig.
Katya: Wird sein hier unter Noten. Sehen wohl – hier Beethoven.
Stoneberg (nimmt den Band, setzt sich ans Klavier, schlägt auf. Katya behält von jetzt bis zum Schluß die linke Seite, zwar so, daß sie sich immer mehr der Beethovenbüste nähert).
Stoneberg: Ja, hier stehts.
Katya: Spielen immer zu. Geh' schon mit. Aber Tempo zu schnell nicht. So. (Taktiert mit dem Bogen.)
Stoneberg (spielt prüfend die ersten Takte): So recht?
Katya: Ja. Eins, zwei –
(Katya und Stoneberg spielen den Satz durch. Nach dem Schluß läßt Katya Bogen und Geige sinken, unbeweglich vor sich hinstarrend.)
Stoneberg (steht auf, sehr erschüttert): Heute habe ich die Melodie zum ersten Mal gehört. Sind Sie zufrieden mit sich – und der Amati?
Katya (reicht ihm die Geige hin): Da.
Stoneberg: Was soll das? Sie geben sie mir wieder?
Katya (wie in einer Vision unbeweglich): Habe ich gehört reden zu mir seine Stimme aus kleine, braune Ding und sagen gewaltige Wort. Von Sünde, die trägt nicht Namen von Sünde, von Verbrechen, die trägt nicht Namen von Verbrechen, von Schande, die trägt nicht Namen von Schande. Und will ich thun Sünde, will ich thun Verbrechen, will ich thun Schande.
Stoneberg: Was geht in Ihnen vor? Um Gotteswillen, sehen Sie mich an, einmal –
Katya: Will ich werden seine Weib! Und habe nicht Gefühl zu gehen mit ihm auf Landstraße betteln, hungern, sterben. Ah, ah, will ich reißen von mir meiner Ehre – denn keine Ring an Finger und keine Segen in Kirche kann machen mich zu seine ehrliche Weib!
Stoneberg (sehr bleich, atemringend): Sie – steigern sich mit aller Gewalt in eine Einbildung hinein. Wären Sie nur einen Moment ruhig, Sie würden fühlen, daß es vor allem Sünde ist, das Glück eines Menschenlebens zu zertreten.
Katya: Ueber Glück stehen Ehre und meiner Ehre sein mehr wert als Menschenleben tausend! Haben es gesagt gnädiger Herr zu mir, und sollen er haben nicht gesprochen für nichts.
Stoneberg: Und hat er Ihnen auch von Ihrem – Ehrenwort gesprochen?
Katya (aufschreiend): Meine Ehrenwort! (Sehr leise): Bitte.
Stoneberg: Reden Sie nicht! Bitten Sie nicht! Jeder Laut von Ihren Lippen macht mich unfähiger, Sie zu lassen. Ich könnte Sie sterben sehen, ehe ich Sie freigebe!
Katya (ganz gebrochen, fällt vor ihm auf die Knie): Seien Sie Erbarmen! Geben Sie mir wieder meine Ehrenwort!
Stoneberg: Nein.
Katya (hebt die gerungenen Hände zu ihm empor): Geben Sie mir wieder –
Stoneberg: Nie, ich schwör' Dir's, nie!
Katya (springt auf): So muß ich brechen meine Ehrenwort – mitten entzwei. (Stößt sich mit einer raschen kleinen Bewegung den Dolch in die Brust.)
Stoneberg: Nicht – nicht – o Gott!
Katya (steht noch einen Augenblick aufrecht): Meine gnädige Herr werden verzeihen mir. (Sinkt langsam an der Beethovenbüste nieder.)
Stoneberg (hat unterdessen die Thür aufgerissen): Rennen Sie zu einem Arzt, schnell, aber erst Wasser, es ist ein Unglück – (zu Katya zurückkehrend) – und mußte das geschehen – o Du, Du!
Katya: Lassen doch! Ist Bestes für mich, sterben für meine Glauben. Hab' ich gespielt deiner Melodie doch gut. Nicht wahr – milost pane? (Sie sinkt tot zurück.)
Stoneberg (beugt sich über sie, fällt dann vor ihr nieder): Katya, Katya!
Ende.
Druck von Leistner & Drewfs, Magdeburg.
Von Ernst Rosmer sind erschienen: |
Wir Drei. Schauspiel, Verlag von Dr. Albert & Co. Separatconto in München. |
Dämmerung. Schauspiel, Verlag von S. Fischer in Berlin. |
S. Fischer, Verlag, Hofbuchhandlung, Berlin W.
Moderne Dramen. | |
Herm. Bahr, Die häusliche Frau. Lustspiel. | Geh. M. 1.50. |
Edvard Brandes, Ein Besuch. Schauspiel. | Geh. M. 1.—. |
Max Dreyer, Drei. Drama. | Geh. M. 1.50. |
Edmond und Jules de Goncourt, Henriette Maréchal. Uebers. v. Fritz Mauthner. Schauspiel in 3 Akten. | Geh. M. 1.—. |
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Max Halbe, Jugend. 2. Aufl. Ein Liebesdrama. | Geh. M. 2.—. |
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Gerhart Hauptmann, Das Friedensfest. Eine Familienkatastrophe. Bühnendichtung. 2. Auflage. | |
Gerhart Hauptmann, Einsame Menschen. Drama. 3. Auflage. | |
Gerhart Hauptmann, Die Weber. Schauspiel aus den vierziger Jahren. Uebertragung. 6. Auflage. | |
Gerhart Hauptmann, College Crampton. Komödie i. 5 Akten. 2. Aufl. | |
Gerhart Hauptmann, Der Biberpelz. Eine Diebskomödie. 2. Aufl. | Jeder Band geh. M. 2.—, gebd. M. 3.—. |
Gerhart Hauptmann, Hannele. Eine Traumdichtung. Reich illustrirt. | Geh. M. 5.—, in Prachtband geb. M. 7.50. |
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— Henrik Ipse, Der Frosch. Familiendrama. | Geh. 1.—. |
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Dichtungen. | Geh. M. 2.—, gebd. M. 3.—. |
Fortgang. Der »Dichtungen« 1. Folge. | Geh. M. 2.—, gbd. M. 3.—. |
Im Thüringer Wald. Lieder. | Geh. M. —.50. |
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Schatten. Novellistische Studien. | Geh. M. 2.—, gebd. M. 3.—. |
Anna Hermsdorff. Trauerspiel. | Geh. M. 1.—. |
Die Menschen der Ehe. | Geh. M. 1.50, gebd. M. 2.50. |
Die letzte Pflicht. Eine Geschichte ohne Handlung. 1893. | M. 2.—, gebd. M. 3.—. |
A. Seydel & Cie., Berlin C., Neue Friedrichstr. 48.
Der Zweittitel wurde entfernt.
Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt.
Darstellung abweichender Schriftarten: gesperrt, Antiqua, fett.
Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, mit folgenden Ausnahmen,
Seite 14:
":" eingefügt
(tausend unnütze bunte Sächelchen: Zeitungshalter, Sofaschoner)
Seite 29:
".." geändert in "..."
(Und so gut erzogen, so rührend ungalant ...)
Seite 30:
"." eingefügt
(Nervenfieber. Hat sich beim Examen überarbeitet)
Seite 35:
"." eingefügt
(Unser philosophischer Graf bleibt auch zu Hause.)
Seite 39:
"j .. ja" geändert in "j ... ja"
(J ... j ... ja.)
Seite 43:
"." eingefügt
(Ich habe mich noch nie um diesen Ruhm bemüht.)
Seite 48:
Absatz eingefügt hinter "lesen."
(Ich habe keine Zeit, es zu lesen.)
Seite 57:
"sechszehn" geändert in "sechzehn"
(Sie ist sechzehn Jahre und hat goldene Locken)
Seite 62:
"." eingefügt
(Ich spiele meine Partie vortrefflich.)
Seite 69:
".." geändert in "..."
(Er kann spielen ... aber ich habe die Sonate)
Seite 70:
"," entfernt hinter "diesen"
(Verlangen in mir, diesen Knaben zu zwingen)
Seite 71:
"vosichtig" geändert in "vorsichtig"
(Sie muß vorsichtig gewählt werden.)
Seite 78:
"," eingefügt
(zerdrückten, vom Waldboden beschmutzten Kleider verbergen)
Seite 79:
"." eingefügt
(Mit einem Ruck sprang er auf.)
Seite 82:
"nnd" geändert in "und"
(trete an den Toilettentisch und schütte mir)
Seite 82:
"." eingefügt
(ein wenig eau de Cologne aufs Taschentuch.)
Seite 103:
"mindenstes" geändert in "mindestens"
(zeigte nur zu deutlich, daß er mindestens)
Seite 105:
"Korallenohringen" geändert in "Korallenohrringen"
(mit großen Nasenlöchern und falschen Korallenohrringen)
Seite 112:
"vereidigen" geändert in "verteidigen"
(Und doch hätte er sich nicht besser verteidigen können.)
Seite 118:
"," eingefügt
(Dinge, die er nicht mehr hatte anbringen können.)
Seite 124:
"jämmerlicheu" geändert in "jämmerlichen"
(Sie war schön in dem jämmerlichen zigeunerhaften Aufputz.)
Seite 125:
"." eingefügt
(Rote Wangen und rote Lippen.)
Seite 126:
"Ausruck" geändert in "Ausdruck"
(küßte sich mit einem seltsamen Ausdruck auf die Schultern)
Seite 149:
"," eingefügt
(Klappt seinen Cylinder zusammen, trägt den Ueberrock)
Seite 149:
"nm" geändert in "um"
(eine Amati handelt, um diese Amati!)
Seite 155:
"." eingefügt
(Sie nicht sind Freund von mir.)
Seite 157:
"hab" geändert in "hab'"
(So hab' ich gehabt Aufmerken für Sie)
Seite 160:
"." entfernt hinter "sein"
(geworden sein Weib ohne Ring an Finger)
Seite 163:
"hab" geändert in "hab'"
(Aber hab' ich in Herz Rechtes)
Seite 164:
"Tief" geändert in "tief"
(Der geht in die Seele tief hinein.)
Seite 165:
"Nam" geändert in "Nam'"
(haben geschrien meiner Nam' im Tod)
Seite 172:
":" eingefügt
(Stoneberg (hat unterdessen die Thür aufgerissen):)
End of the Project Gutenberg EBook of Madonna, by Elsa Bernstein and Ernst Rosmer [pseud.] *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK MADONNA *** ***** This file should be named 61708-h.htm or 61708-h.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/6/1/7/0/61708/ Produced by the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This transcription was produced from images generously made available by Bayerische Staatsbibliothek / Bavarian State Library.) Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. *** START: FULL LICENSE *** THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase "Project Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg-tm License (available with this file or online at http://gutenberg.org/license). Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at http://pglaf.org For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director gbnewby@pglaf.org Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. 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Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: http://www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.