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Anmerkungen zur Transkription

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Liebhaber-
Ausgaben


Signet Liebhaber-Ausgaben

Nr. 107

Künstler-
Monographien

In Verbindung mit Anderen

begründet von

H. Knackfuß

Dekoration auf Serientitel

107

Lovis Corinth

1922
Bielefeld und Leipzig
Verlag von Velhagen & Klasing

Serientitel

Original-Serientitel

Lovis Corinth

von

Dr. Georg Biermann

Mit 140 Abbildungen nach Gemälden,
Zeichnungen usw., darunter acht farbigen
Einschaltbildern ❦ Zweite Auflage

Verlagssignet

1922
Bielefeld und Leipzig
Verlag von Velhagen & Klasing

Buchtitel

Original-Buchtitel

Druck von Fischer & Wittig in Leipzig

Vorwort zur zweiten Auflage.

Die vorliegende Monographie erschien erstmalig im Jahre 1913. Nach dem Verlauf von beinahe zehn Jahren muß sie neu aufgelegt werden. Dieser Zeitraum aber ist für unsere Stellung zu keinem der führenden deutschen Künstler so entscheidend gewesen wie zu unserem Meister. Einmal, weil sich Corinths Bedeutung als schöpferische Persönlichkeit fast vom Tage des Erscheinens dieses Buches an schrittweise immer stärker im Bewußtsein unserer Zeit durchgesetzt hat, dann aber, weil der Verlauf gerade der jüngsten expressionistischen Kunstrichtung das Werk des Künstlers durchaus nicht beeinträchtigt, vielmehr im Gegenteil immer nachdrücklicher herausgehoben hat. So ist es nicht etwa durch die Jugend überholt worden, sondern diese hat das wahrhaft Unvergängliche seiner Kunst bestätigt und die Überlegenheit seines schöpferischen Könnens immer eindrucksvoller dargetan.

Als dieses Buch zuerst erschien, hatte es zu keinem geringen Teil die besondere Aufgabe, Einführung in das Werk eines Meisters zu sein, über dessen Bedeutung damals die Urteile zeitgenössischer Kritik noch sehr weit auseinandergingen, und damit war auch sein Charakter im Sinne einer durchaus leidenschaftlichen Werbung für die Größe des Malers von vornherein bestimmt. Nachdem im Verlauf jener zehn Jahre die Lage insofern geklärt worden ist, daß wohl bei niemandem ernstlich Zweifel gegen die kunstgeschichtliche Bedeutsamkeit dieses Werkes mehr bestehen, galt es nunmehr bei der Neubearbeitung dieser Abhandlung, von den inzwischen gegebenen Tatsachen aus objektiv die Wertung dieses Schaffens zu unternehmen, und es ist deshalb selbstverständlich, daß die Bearbeitung der zweiten Auflage in mancher Beziehung vollkommen neugestaltet werden mußte. Nicht zuletzt gehören auch die verflossenen zehn Jahre zu der fruchtbarsten und erfolgreichsten Periode im Leben des Meisters, und deshalb forderte gerade dieser Abschnitt eine besondere Behandlung. Dieser entspricht im wesentlichen auch die illustrative Neugestaltung des Buches, in dem etwa ein Dutzend weniger wichtiger Arbeiten, die in der ersten Auflage abgebildet waren, fehlen. Dafür sind zweiundzwanzig neue Wiedergaben aufgenommen worden, die die Arbeit des Künstlers im letzten Jahrzehnt wenigstens einigermaßen illustrieren. Über den Graphiker Corinth ist inzwischen im Verlag von Fritz Gurlitt aus der Feder von Dr. Karl Schwarz ein sehr zuverlässig gearbeiteter Katalog erschienen, der diesen Teil der Corinthschen Lebensarbeit grundlegend umschreibt.

Hannover, im Februar 1922.

Prof. Georg Biermann.

Abb. 1. Rudolf Rittner als Florian Geyer. 1908. (Zu S. 93.)
Im Besitze der Frau Carl Toelle, Barmen.

GRÖSSERES BILD

[S. 1]

Lovis Corinth

C

orinth, das ist ein starker Eckpfeiler im Tempel deutscher Kunst. Der trägt in sich Vergangenheit und Zukunft. Denkt ihn euch weg aus den Jahren der letzten Kunstbewegung, die heute bereits in die Geschichte eingeordnet, von Klassizität umweht erscheint — und eine Lücke klafft auf, in die kein Gleichwertiger treten könnte, weil es keinen gibt. Corinth, das ist heute ein Begriff der Kunst, ein Wollen, eine Kraft, ein Temperament, ein Ganzes in sich. Kein Akademiker, der nach Rezepten malt, keiner, der wie andere bewußt an einem Punkte anknüpft und in sich Entwicklung im Sinne des allgemeinen Werdens empfand, aber doch Geist seiner Zeit, Frucht des Bodens, der ihn gezeugt, Bejaher und Weltverächter in eins, ein Riese nach Können und Temperament, ein Kind nach Empfindung und Ehrlichkeit. Schwer, die letzte Harmonie seines Wesens in Worte zu fassen.

Abb. 2. Studienkopf. 1879 in Königsberg entstanden. (Zu Seite 32.)

Zu Corinth kam die Kunst wie ein Göttergeschenk. Schon als Knabe, da er Fetzen bunten Papiers zu mosaikhaften Bildern zusammenklebte, war er Künstler. Seine kindliche Phantasie irrte in Märchenwelten, und hart stößt sich der Jüngling, der widerwillig in Königsberg die Schulbank drückt, an der Realität des Lebens. Bei den Fischern da oben an der Nehrung wohnt für ihn die Freiheit, da sind Menschen ohne Konvention, eingespannt in den Kreislauf ihrer trägen Begierden und Leidenschaften. Mit denen sitzt er tagelang zusammen, versunken in das eintönige Erleben dieser weltfernen Einsamkeit, ergriffen von der Urkraft der Schöpfung, die an die Dünen brandet und[S. 2] Mitleid nicht kennt. Die wächst ihm zum Gleichnis auf für den eigenen Lebensweg. Von hier aus hat er die Wanderung zum Berge der Kunst angetreten, klaren Auges, seiner Kraft sich bewußt. Ohne Straucheln, ohne abzuirren, hat er über vierzig Jahre lang gemalt, in München, in Antwerpen und Paris, in Königsberg und wiederum in München, bis er spät in Berlin seßhaft wird, das ihn in entscheidenden Jahren zu den Seinen zählt.

Abb. 3. Akt aus der Löfftz-Schule. 1883.
Im Besitze des Herrn Gerhart Hauptmann. (Zu Seite 34.)

Corinth, das ist die letzte Einheit aus Persönlichkeit und künstlerischer Kraft, die Synthese aus innerem Erleben und malerischem Gefühl. In seiner Frühzeit, als er u. a. das lebensstarke Bildnis seines Vaters malt, liegt ihm noch ein Schuß reinen Akademikertums im Blute (von Königsberg her, wo er die erste technische Schulung erhielt), aber das hält nicht lange vor. Das Beispiel der Alten, die ihm wesensverwandt sind, der Rubens und Hals vor allem, läßt ihn schnell gesunden — und so sehr ihn auch der Geschmack des Tages in Versuchung führt und zu billigen Erfolgen lockt, er verharrt standhaft und fest, malt[S. 3] lieber überhaupt nicht, als daß er jenen Modemalern ein Zugeständnis machen möchte — und er bleibt so, was er immer gewesen — Corinth.

Abb. 4. Othello. 1884.
Im Besitze von Brakls Kunsthandlung, München. (Zu Seite 40.)

Wie wenige Künstler haben damals ähnlich an ihrer Persönlichkeit festgehalten, wie wenige den Mut der Konsequenz besessen. An Talenten war gewiß kein Mangel, wie späte Entdeckungen längst dargetan, aber sie sind weggespült worden von der breiten Woge jenes schlimmen künstlerischen Banausentums, das die öffentliche Meinung beherrschte, das billigen Eintagserfolgen nachhing, das in jenen Tagen — man kann es heute ruhig aussprechen — speziell das Schicksal der süddeutschen Kunst gewesen ist. Corinth erkannte fast zu spät, daß in München seines Bleibens nicht mehr sei — das war der Augenblick seiner letzten Befreiung.

[S. 4]

Studie vom Jahre 1887. (Zu Seite 46.)
Abb. 5.

Berlin hat ihm raschen Erfolg auch nicht gebracht. Aber es stellte ihn an der Seite der Leistikow und Liebermann mitten hinein in den Kampf, der oft aussichtslos erscheinen mochte und doch der Nährsaft seines Temperamentes geworden ist. Denn diese Kraft brauchte zu ihrer Entfaltung den Widerstand, brauchte die Reibung, brauchte den von Überlieferung unbeschwerten Boden riesenhafter Dimension, an deren Peripherie erst langsam die Morgenröte neuzeitlicher Kultur aufdämmert.

Abb. 6. Halbakt. Paris 1886. (Zu Seite 46.)
Abb. 7. Komplott. 1884. Im Besitze des Herrn Paul Cassirer, Berlin. (Zu Seite 44.)

Heute ist Corinth, der Sechzigjährige, Gemeingut des künstlerischen Deutschlands. Mag vieles von dem in kommenden Zeiten vergehen und vor der Kritik nicht mehr standhalten, was Tagesmeinung und Geschmack auf scheinbar unerreichte Höhe emporgehoben haben, Corinth wird bleiben, wird wie ein einsam ragender Fels in der Geschichte unserer Zeit immer bestehen. Weil das Beste sei[S. 5]nes Werkes, das sich nicht in übersprudelndem Reichtum der Welt mitteilte, die einsame Größe unzeitlicher Bedingtheit besitzt. Wer Bilder wie den Florian Geyer oder die Totenklage, wer die Kreuzabnahme oder die Blendung Simsons im Geiste sieht (um nur wenige Beispiele zu nennen), der fühlt zugleich, daß in solchen Werken, unabhängig von Schlagworten gewisser Richtungen, Ewigkeitswerte verschlossen sind, die neben dem Besten aus den großen Kunstepochen der Vergangenheit bestehen und auch die Zukunft überdauern müssen, weil sie zeitenlos im Gefühl, die starke innere Leidenschaft haben, ohne die höchste Kunst nicht zu denken ist. Auf solchen und ähnlichen Bildern hat sich menschliche Empfindung ein Symbol für Ewigkeiten geformt. Und solche Dinge wuchsen auf aus der Reinheit einer Kraft, die nichts wollte als reine Kunst. Form-Erleben und malerisches Gestalten gaben die Mittel des künstlerischen Schaffens, aber die Quelle[S. 6] desselben sprang auf, sprudelte hervor aus jener höheren Geistigkeit, die die Seele des Künstlers überströmen läßt aus der Fülle innerer Gesichte. Die sind in Corinths Lebenswerk immer greifbar und offensichtlich, mag er auch als lachender Demokrit der Erbärmlichkeiten dieser Welt spotten oder in den Göttern Homers mit herzerquickendem Humor Gleichnisse bannen, die aller Prüderie zum Trotz die Lacher auf seine Seite ziehen. Und dann die Radierungen, Zeichnungen und Lithographien: Das sind die täglichen Bekenntnisse dieser reichen Imagination, die immer der Realität spottete, so sehr auf Leben eingestellt, auch rein äußerlich ihre Vorwürfe zum Teil ansprechen. Ohne diese Schöpfungen, die des Künstlers Meisterschaft im Technischen verraten, wäre der Blick in die letzten Winkel dieser Künstlerseele doch verschlossen. Darum vor allem sind gerade sie uns teuer — ungeachtet ihres reichen künstlerischen Gehaltes, weil sie einmal die Grundlagen für die Wertung des Menschen sind, der restlos auch den Künstler offenbart, daneben aber im Sinne der allgemeinen Kunstentwicklung zu Momenten historischer Betrachtung hinüberleiten, die ihrerseits wiederum Corinths Stellung im Rahmen der gesamten Kunstgeschichte deutlich und vielsagend unterstreichen.

Abb. 8. Bildnis des Vaters des Künstlers. 1887. Im Besitze des Künstlers. (Zu Seite 47.)
Abb. 9. Falschspieler. 1887. (Zu Seite 46.)

GRÖSSERES BILD

Corinth, das ist der Künstler und sein Werk. Das ist Einfühlung in das zeitlich unbegrenzte Kapitel des rein Menschlichen. Gewiß ist der Meister ein Kind unserer Zeit. Tiefe Religiosität, ein Erbteil seiner urgermanischen Rasse, durchweht, erhöht hier und dort sogar mit den Strahlen Grünewaldscher Imagination sein Werk, aber zeitlich ist er doch nur ganz bedingt zu verstehen. Wenn[S. 8] nach hundert Jahren sich gegenüber der gegenwärtigen Kunst der große Prozeß der Umwertung vollzogen haben wird, wenn das Zufällig-Menschliche versunken ist und nur die künstlerische Leistung als solche noch zurückbleibt, dann erst wird man erkennen, wie dieser Künstler als ein Riese in seiner Zeit stand, stark, knorrig, oftmals herb, aber immer unbeirrt im Drange seines reinen Künstlertums, und wie die deutsche Kunst der letzten fünfzig Jahre nie einen Größeren besessen hat als Lovis Corinth.

Abb. 10. Sonntagsfrieden. 1887.
Im Besitze des Herrn Julius Freund, Berlin. (Zu Seite 48.)
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Dies ist ein zusammenfassendes Bekenntnis zu Corinth und seinem Werk, das einmal an anderer Stelle veröffentlicht, trotzdem diesem Buch den Auftakt geben soll, um den Blick des Lesers zunächst auf das Gesamtwerk und die Einheit von Schöpfung und Persönlichkeit hinzulenken. Denn nachdem gerade das letzte Jahrzehnt unzweideutig erwiesen hat, daß die moderne deutsche Kunst kaum über eine malerische und zeichnerische Begabung verfügt, die an Be[S. 9]deutung derjenigen von Corinth gleichkäme, ist es notwendig, diese Tatsache ihrem ganzen Umfang nach allem übrigen vorauszustellen, so sehr es auch immer Zweck dieses Buches bleibt, sie im einzelnen zu begründen. Heute steht das Werk auch nicht mehr wie damals, als die erste Auflage dieses Buches erschien, im Mittelpunkt kunstkritischer Gegensätze. Es ist allmählich in die Zeit hineingewachsen und fast schon historisch geworden. Erst wenn man Corinths stattliches Lebenswerk ganz unabhängig von allen äußeren Berührungspunkten mit dem Werden der Zeit betrachtet, wenn man empfindet, wie sich auf all diesen Proben seines vielseitigen Könnens auch der Mensch im Künstler restlos offenbart hat, wie hier in einer selten erlebten Treue gegen sich selbst alles innerer Notwendigkeit, ja man kann sagen, einer ausgeglichenen Weltanschauung entsprungen ist, erst dann erscheinen auch die einzelnen Proben seiner Kunst als Teile einer großen Gesamtharmonie, die trotz mancher Unausgeglichenheit im einzelnen immer wieder zur Bewunderung zwingt. Allein der Persönlichkeitswert gibt der Corinthschen Kunst seine besondere Note im Rahmen der Kunstgeschichte überhaupt; der stellt ihn im Nu auch über hundert andere malende und vielleicht nicht minder bekannte Zeitgenossen; der[S. 10] wird auch noch nach drei und mehr Jahrzehnten berechtigen, den Meister modern zu nennen, so modern wie Rembrandt oder Hals sind oder alle Künstler der Vergangenheit und Gegenwart, die das Kapitel der Kunst durch sich bedeutend erweitern und der Geschichte neue Gedanken vermitteln konnten, die vordem noch nicht zur harmonischen Erfüllung gekommen waren.

Abb. 11. Der Schnapsriecher. 1889.
Im Besitze von Brakls Kunsthandlung, München. (Zu Seite 48.)
Abb. 12. Das Frühstück. 1890. (Zu Seite 48.)

Man hat den Meister gar oft mit einigen der großen Künstler aus der Vergangenheit in Beziehung gebracht, ohne daß auch nur einer dieser Vergleiche das Wesensverwandte zu erschöpfen vermöchte. An Rubens z. B. erinnert vielfach die beiden Malern innewohnende starke Sinnlichkeit, ihre Freude am menschlichen Körper, ihr Hang zu vielfigurigen, von arkadischem Geist erfüllten Kompositionen. Und doch sind der bewegliche Flame und der schwerblütige Ostpreuße im Innersten so weit voneinander entfernt wie die Anschauungen zweier verschiedener Welten, die mehr noch als durch die Jahrhunderte selbst, durch innere Gegensätze voneinander getrennt sind. Näher kommt der Eigenart unseres Meisters der Hinweis auf den lustigen Maler von Haarlem, Franz Hals, wenn man an das Milieu denkt, in dem beide aufgewachsen sind, an die dem Leben entnommenen Motive (die bei Corinth nur einen Teil seines Schaffens umschreiben), in denen sich soviel frohe Daseinsbejahung und Ursprünglichkeit der Empfindung widerspiegeln — und wenn man nicht zuletzt auch an die technische Entwicklung beider Künstler erinnert, die sich aus einer feinen koloristischen Art der malerischen Behandlung langsam zu jenem höchsten impressionistischen Pinselstrich emporentwickelt hat, bei dem man die Malerei selbst nur noch als die souveräne Kunst empfindet, mit den denkbar geringsten und bis zum äußersten eingeschränkten Mitteln die größtmög[S. 12]lichen Wirkungen zu erzielen. Aber auch dieser Vergleich stimmt nur von ungefähr, genau wie ein ähnlicher Hinweis auf Grünewald, den Meister des Isenheimer Altares, den man gern genannt hat, um den Grad der ernsten und herben, fast katholischen Wirklichkeitsmalerei anzudeuten, die einem vor den religiösen Szenen eines Corinth zum Bewußtsein kommt. Wie wenig aber letzten Endes alle diese zur alten Kunst gesuchten Beziehungen im einzelnen das Charakteristische der Corinthschen Art zu erschöpfen vermögen, im ganzen gesehen bringen sie uns doch dem Sinn seines Wollens sehr nahe.

Abb. 13. Pietà. 1889. Im Besitze des Kaiser Friedrich-Museums zu Magdeburg. (Zu Seite 48.)

GRÖSSERES BILD
Abb. 14. Corinth im Atelier.
Nach einem Gemälde von Carl Bublitz aus dem Jahre 1890. Ausschnitt.
(Zu Seite 49.)

Denn eine so einfache und unkomplizierte Natur, als die Corinth auf diesem oder jenem Bilde wohl erscheint, ist der Künstler beileibe nicht. Hat er schon als bestes Erbe seiner ostpreußischen Abstammung eine gewisse auf die Wirklichkeit eingestellte Art der Lebensanschauung übernommen, so ist er auf der anderen Seite doch auch ein Poet von stärkster Innerlichkeit. Und wie er als Mensch eine fast seltsame Mischung von bullenhaftem Kraftgefühl und einer fast kindlichen Gutmütigkeit ist, so als Künstler heute in all seinen Vorstellungen der[S. 13] Wirklichkeit verbunden und morgen ein phantasiebeschwingter Dichter, der mit überlegenem Humor zum klassischen Sagenschatz oder mit bitterem Ernst zu den Legenden des Neuen Testamentes greift. Heute ein Kämpfer für Recht und Wahrheit, wenn es darauf ankommt, dem Fortschritt in der Kunst die Wege zu ebnen, morgen ein stiller Träumer, der sich ganz in das weite Reich seiner Phantasie verliert. Immer aber als Mensch und Künstler gleich sympathisch, weil er eine ungewöhnliche Erscheinung ist, die sich das stolze Recht ihrer Indi[S. 14]vidualität im Kampfe und unter Verzicht auf die früher üblichen äußeren Ehren und die landläufige Anerkennung der Welt erobert hat.

Abb. 15. Susanna im Bade. 1890. (Zu Seite 49.)
Abb. 16. Schwimmanstalt in Königsberg. 1890. In Berliner Privatbesitz. (Zu Seite 49.)
Abb. 17. Wirtshausgarten am Pregel. 1893. (Zu Seite 49.)

Es muß schon an dieser Stelle vorgreifend daran erinnert werden, daß Corinth auch als Künstler eine Doppelerscheinung ist, Maler und Literat. Der wurde er nicht durch Zufall, sondern genau wie es den Knaben schon zum Malerhandwerk trieb, aus innerer Notwendigkeit. Ein neuer Delacroix also, wenn man durchaus wiederum einen Hinweis bei jenem kleinen Kreis älterer Künstler suchen muß, die neben dem Pinsel auch die Feder zu führen verstanden haben. Nur mit dem Unterschied, daß Delacroix’ Kunst immer für sich bestehen wird und durch seine künstlerischen Abhandlungen keine Vertiefung erfährt, während der Literat Corinth — sicher unbewußt — auch das Verständnis des Menschen und Künstlers erleichtert. Man weiß, daß er im Jahre 1910 die Monographie seines Freundes und Kampfgenossen, des zu früh verstorbenen Walter Leistikow, veröffentlicht hat, ein Buch echter Freundschaft, das später einmal auch als Kulturdokument unserer Zeit wertvoll sein wird. Denn diese Schrift ist im Grunde die Geschichte der Sezession und gibt damit ein bedeutsames Stück Berliner Kulturgeschichte, die von einem ihrer hervorragendsten Vorkämpfer aufgezeichnet wurde. Wir haben von Corinth ferner neben einem Dutzend in Zeitschriften verstreuter Aufsätze über alte und moderne Kunst, die nicht minder vielsagend für den Künstler sind, ein Lehrbuch der Malerei, dessen starker Erfolg unbedingt auch für seine pädagogische[S. 15] Begabung spricht und nicht zuletzt jene wundervollen „Legenden aus dem Künstlerleben“, die als Selbstbiographie authentischen Wert besitzen und die uns deshalb auch hier besonders willkommen sein müssen, wo es sich darum handelt, der Jugendentwicklung des Meisters nachzugehen. Gerade diese Geschichte des jungen Heinrich Stiemer, der das Pseudonym des Verfassers ist, führt zugleich tief hinein in die Seele des Künstlers. Hier sind alle Voraussetzungen aufgezeichnet für die Entwicklung, die der Maler in späteren Jahren genommen hat, und es ist nicht der schlechteste Beweis für die originale Gestaltungskraft des Literaten, wenn einem in diesem Buche wie von ungefähr ein Stück allgemeinen Menschenschicksals zu begegnen scheint, wenn man dies kleine Kapitel aus dem Leben eines Künstlers verallgemeinernd ein Künstlerleben überhaupt nennen darf. Was aber an dem Literaten Corinth im besonderen überrascht, ist die Tatsache, daß der oft als ungeschlacht gescholtene Kraftmensch sich als ein zarter Meister der Stimmung, als ein Künstler auch des Wortes erweist. Freilich, wer Corinth seinem wirklichen Wesen nach kennt und liebt, findet ihn hier nicht anders wie auf all seinen Schöpfungen: als eine Persönlichkeit von innerer Harmonie, als einen humorvollen Beobachter des Lebens, dessen derbes Lachen herzerfrischend auf uns eindringt, als einen überlegenen Demokrit, der der kleinen Umwelt von Grund aus spottet. Alles in allem, man muß den Literaten Corinth kennen gelernt haben, bevor man dem Künstler wirklich so gerecht werden kann, wie es[S. 16] heute Pflicht ist. Sind schon die „Legenden aus dem Künstlerleben“ an sich eines der entzückendsten Künstlerbücher aller Zeiten, so wird dies Buch für Corinth als Selbstbekenntnis immer der Ausgangspunkt sein, von dem aus man sich am ehesten auch seinem malerischen Schaffen nähern darf. Corinths gesammelte Schriften sind übrigens 1921 von Fritz Gurlitt-Berlin in einer ebenso reichhaltigen wie typographisch vorbildlichen Publikation herausgegeben worden.

Abb. 18. Kiefer am Wasser. 1892. (Zu Seite 51.)

Für die richtige Einstellung gegenüber dem Meister erscheint noch ein zweites Moment besonders vielsagend, das auch hier allgemein vorweggenommen werden soll: die Vielseitigkeit der künstlerischen Arbeit selbst. Dabei ist zunächst noch nicht an den Reichtum der sprudelnden Künstlerphantasie gedacht, die gleich souverän Wirklichkeit, mythologische Götterwelt und die Überlieferungen der Bibel durchschreitet und bildlich festhält — auch nicht daran, wie auf diesen verschiedenen Stoffgebieten immer wieder der Mensch selbst nach einem Ausdruck seiner Weltanschauung ringt, sondern vielmehr an die mannigfache Betätigung im Technischen. Man kann Corinth ebensosehr einen Maler wie einen Graphiker nennen, man wird sogar dem Buchillustrator ein besonderes Kapitel widmen müssen und darf daran erinnern, daß er in den Anfängen der Reinhardtschen Bühne sogar für das Theater gearbeitet hat und eine seiner letzten Arbeiten auf diesem Gebiet die Faustinszenierung für das Lessingtheater gewesen ist. Aber auch in dieser seltenen Vielseitigkeit spricht sich doch nur jenes jedem großen und echten Künstler eingeborene Verlangen aus, die Welt mit allen nur erdenklichen Mitteln[S. 17] in den besonderen Kreis der persönlichen Vorstellung einzuzwingen, sie künstlerisch zu überwinden und zu neuen Formen umzudeuten. Aber selbst der Maler allein verfügt wiederum über eine ähnliche Vielseitigkeit. Corinth ist Porträtist, Landschafter, Stillebenmaler, Schilderer der Antike und der Legende, aber überall doch unverkennbar als Schöpfer seiner Bilder, weil sich nirgends die Persönlichkeit verleugnet, der Strich seines Pinsels und die Freude am Gestalten, da er immer innerlich voll Figur ist — um mit Dürer zu reden.

Abb. 19. Diogenes, Menschen suchend. 1892. Im Besitze der Frau Moll, Berlin. (Zu Seite 51.)

Eine der ganz wenigen großen Erscheinungen unserer Kunst und der Kunstgeschichte überhaupt — ein Meister, dessen technische Könnerschaft längst über jede Kritik erhaben ist, der einen auch in kleinen Schöpfungen immer in den Bann zieht, einerlei, ob man in ihnen ein Stück erlebten allgemeinen Menschenschicksals erkennen will oder nur den zufällig von Künstlerlaune gestalteten Ausdruck bewegten, unvergänglichen Lebens.

Bevor indes die Geschichte dieses Künstlerschicksals und das Werden dieser Kunst im einzelnen aufgezeichnet werden soll, sei zum besseren Verständnis jener Stellung, die Corinth im großen Rahmen aller Kunstentfaltung auch heute schon beanspruchen darf, rückwärtsschauend kurz noch der Blick auf das Wesensstarke früherer Zeiten hingelenkt.

[S. 18]

Abb. 20. Bildnis des Freiherrn von Geyling als Georgsritter. 1893. (Zu Seite 53.)

Jener Schar von Künstlern nämlich, die dem Geist ihrer Zeit ein Denkmal gesetzt haben, indem sie aus der Sehnsucht ihres Jahrhunderts heraus den höchsten Ausdruck der Kunst erfanden und die Ideen jener Generation, der sie angehörten, in sich aufsogen und neugeformt auf die Leinwand bannten, steht eine andere Art von Malern gegenüber, deren Werk allein der Wirklichkeit entwachsen ist. Beide Richtungen sind in der Kunstgeschichte in wechselnder Folge feststellbar. Ihre Wertung vollzieht sich dabei immer im Verhältnis der inneren Beziehungen, die die Gegenwart zu ihnen unterhält, und wenn wir heute z. B. wieder stärker den großen Primitiven frühmittelalterlicher Kunst zugewendet sind, so bedeutet das noch längst nicht, daß Rembrandt und Velazquez rein künstlerisch weniger[S. 19] zu bedeuten haben. Da aber unsere Gegenwart zweifellos dem inneren Sein gegenüber dem äußeren Schein den Vorzug gibt, wird man vieles von dem, was auch Corinth geschaffen, heute weniger seiner technischen Bravour wegen, sondern mehr als Ausdruck und Bekenntnis des inneren Menschen werten. In diesem Sinne eben ist seine Modernität unabhängig von dem Geschmack und der Vorliebe der Zeit. Denn gerade die besten Schöpfungen dieses Meisters bleiben als Bekenntnisse der Persönlichkeit, die oft den Blick nach innen gekehrt hält, so unvergänglich wie jede große Kunst, die nicht der Alltäglichkeit erwachsen ist.

Abb. 21. Bildnis des Malers Walter Leistikow. 1893. (Zu Seite 52.)

Darf deshalb in diesem Sinne von der Modernität der Corinthschen Kunst gesprochen werden, weil ihr, ganz unabhängig von den Motiven, ein unerhört starkes malerisches Bewußtsein und zugleich Bekennertum eigen ist, so verdichtet sich der Begriff noch in dem Gefühl, wie gerade das Werk dieses Meisters reine Kunst verschließt, die an Zeitgrenzen überhaupt nicht gebunden ist. Man wird einige seiner Porträts sehen, z. B. den Florian Geyer, die des literarischen Entstehungsgedankens längst spotten, die etwa wie der Ritter Willem von Heythusen der Brüsseler Galerie, den wir einem Frans Hals danken, weniger den Ausdruck eines individuellen Menschenschicksals als vielmehr einen Menschen in seiner Potenz[S. 20] — als Typ im allgemein Menschlichen festgehalten haben. Und ganz ähnlich ergeht es uns vor anderen Werken des Meisters, die wie die Szenen der „Kreuzigung“ oder selbst die burleske „Erziehung des Zeus“ unserem Geschlecht über die Spanne der Jahrhunderte hinaus Gedanken schlechthin vermittelt haben, die immerfort symbolisch sein werden. Ja solche Bilder sind gerade bei Corinth fast ohne jede Voraussetzung, die sonst wohl die Tradition gibt, geworden. Sie sind nur das Ergebnis der schöpferischen Persönlichkeit. Und das Neue liegt bei ihnen weniger im Motiv als in der Art, wie die künstlerische Phantasie den Blick auf allgemein menschliche Dinge hinlenkt.

Abb. 22. Trifolium. 1895. Darmstadt, Museum. (Zu Seite 54.)

Wollte man aber — wie es schon einmal angedeutet wurde — Corinth selbst auf irgendeine Linie einstellen, die aus der Vergangenheit heraus mit sicheren Polen in die Gegenwart weist, man würde ihm bitteres Unrecht tun und seine Persönlichkeit nutzlos verkleinern, einerlei ob man ihn zu Rubens oder Hals in Beziehung bringen wollte. Für andere Künstler besteht in viel höherem Maße der Satz zu Recht, daß sie irgendwo eine früher gegebene Anknüpfung aufgegriffen und weiter entwickelt haben, ja ganze Kunstepochen sind nur durch den engen Anschluß an Vergangenes geworden (Manets Beziehungen zu Velazquez — die deutsche impressionistische Landschaft in ihrem Zusammenhang mit den alten Holländern); Corinth aber ist nur durch sich selbst, seine Malerei nur aus seinem Temperament heraus geworden, und darum ist auch seine Stellung im Rahmen der modernen[S. 21] Kunst durchaus ungewöhnlich, viel mehr als die eines Liebermann, der überall fremde Einflüsse aufgegriffen und verarbeitet hat, der bei Menzel, Munkacsy, Israels und zuletzt bei den Franzosen in die Schule ging und in der Tat oft nur die Anregungen jener Künstler mit der ihm eigenen Routine persönlich umformte. Damit soll nicht gesagt sein, daß Corinth nicht auch von den Lehrern der Vergangenheit befruchtet worden ist, aber diese Einflüsse verschwinden wie von selbst unter dem Eindruck des absolut Eigenen und Neuen, unter dem zwingenden Gefühl, daß er in jedem Bilde ein Stück von sich selbst gestaltet hat, unter der Bewunderung vor der großen Ehrlichkeit und Ursprünglichkeit seines Wollens. Die Folgerichtigkeit seiner künstlerischen Entwicklung ist deshalb auch der beste Teil seines interessanten und vielseitigen Lebenswerkes, und die Empfindung, daß diese Kunst fast unabhängig von der übrigen Entfaltung der neuzeitlichen Malerei eigenwillig und stark geworden ist und so werden mußte, wie sie sich heute darstellt, stempelt ihn selbst als Persönlichkeit im Rahmen unserer Zeit zu einem Typ für sich, der ohne Parallele ist.

Abb. 23. Loge „In Treue fest“. 1895. Im Besitze der Münchner Loge. (Zu Seite 53.)
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Lovis Corinth ist am 21. Juli 1858 in dem ostpreußischen Flecken Tapiau geboren und entstammt einer wohlhabenden Bauernfamilie, die ihren Stammbaum bis ins siebzehnte Jahrhundert zurückverfolgen kann. Der Vater des Künstlers, Franz Heinrich, war der Sohn eines Gutsbesitzers zu Neuendorf und dessen Gattin Luise Stiemer (deren Familiennamen Corinth als Pseudonym in der oben erwähnten Selbstbiographie übernahm). Er hat eine Zeitlang in Pregelswalde ge[S. 22]wohnt, bis er nach Tapiau übersiedelte. Hier wurde er am 2. Oktober 1857 mit der Witwe des Lohgerbermeisters Fr. Wilh. Opitz, die elf Jahre älter als er war, getraut; sie brachte ihm außer einer Lohgerbermühle auch noch einige Söhne mit in die Ehe. Dieser ungleichen Vereinigung ist Lovis Corinth entsprungen, ein nachdenklicher, unter allzu strenger Erziehung etwas verschüchterter Knabe, von dem in seiner Jugend wohl niemand angenommen hätte, daß er als Künstler eines Tages den guten altpreußischen Namen seiner Familie zu hohen Ehren bringen sollte. — Was in diesen Mitteilungen besonders interessant erscheint, ist die Tatsache, daß es echtes, gesundes Bauernblut war, dem unser Meister entstammt, ein bodenständiges Geschlecht, das nie die besonderen Merkmale seiner Rasse verleugnet hat. Von seiner im ganzen freudlosen Kindheit inmitten eines ihm widerwärtig und roh erscheinenden Milieus hat Corinth selbst meisterhaft erzählt. Wie die Einöde des Ortes etwas Beängstigendes hatte, wie die langen Winterabende mühsam dahinschlichen, wie hin und wieder nur die derben Späße der Knechte und Mägde den Knaben nachdenklich aufhorchen ließen, wie im ganzen Strenge und Gottesfurcht das Zeichen dieses Hauses waren und der Knabe oftmals fröstelnd im leichten Hemde auf dem von niedrigen Gebäuden eingefaßten Hofe stand, in dem die roten Blutpfützen von noch triefenden Ochsenfellen seltsam bunte Flecken auf den Boden malten. Manches jener Gespräche, das der Vater feilschend mit dem Schlächter führte, ist ihm in der Erinnerung haften geblieben, und auch daß er dem Zimmermann Bekmann, der des jungen Heinrich Stiemer besonderer Freund war, im Grunde — wenn man so sagen kann — die ersten, freilich recht primitiven künstlerischen Anregungen verdankte. Dieser Meister Bekmann kam oft an Winterabenden zu den befreundeten Nachbarn herüber und er scheint an dem Jungen ein besonderes Gefallen gefunden zu haben, weil er ihm immer Tiere aufzeichnete, auch zuweilen Menschenfresser und anderes spukhaftes Zeug, das die Phantasie des Knaben mächtig erregte. Und während der Vater, der inzwischen Ratsherr geworden war, gern die Gelegenheit solchen Besuches benutzte, um nach dem nahen Wirtshaus zu entschlüpfen, wo er mit den übrigen[S. 24] Honoratioren der Stadt seine Partie Boston oder Whist spielte, spann die Mutter einsam in der Stube unermüdlich und fleißig ihr Pensum zu Ende, bis auch sie die Ruhe suchte, die der Knabe, in dessen Phantasie Onkel Bekmanns Zeichnungen weiterlebten, so bald nicht finden sollte.

Abb. 24. Studie zur nebenstehenden Kreuzabnahme.
Abb. 25. Kreuzabnahme. 1895. Im Besitze des Staatssekretärs a. D. Dernburg. (Zu Seite 54.)

GRÖSSERES BILD
Abb. 26. Bacchanale. 1896. Im Besitze des Herrn E. Kirchner, München. (Zu Seite 55.)
Abb. 27. Bacchantenzug. 1898. Im Besitze des Herrn Ernst Zaeslein, Grunewald. (Zu Seite 62.)
Abb. 28. Geburt der Venus. 1896. Im Besitze des Künstlers. (Zu Seite 55.)

GRÖSSERES BILD
Abb. 29. Herbstblumen. 1895.

So streng auch sonst die Erziehung des kleinen im Sinne der Mutter spät[S. 26]geborenen Nachkömmlings war, so sehr scheinen doch die Eltern und ganz besonders der Vater an dem Jungen gehangen zu haben. Die älteren Stiefbrüder waren alle Handwerker geworden; er, der Jüngste, der vielleicht dem väterlichen Stolz wie „von höherer Art“ erschien, sollte wie Rembrandt, des Müllers Sohn von Leiden, das gelehrte Studium ergreifen, und so kam der Junge mit dem achten Lebensjahre auf das Gymnasium nach Königsberg. Er wurde bei einer Schustersfrau, der Schwester seiner Mutter, untergebracht und trat nun — reichlich verschüchtert — in diese neue Welt ein. „Alles war dem kleinen Jungen neu: die feinen Jungens in der Klasse, das ewige Hochdeutschsprechen und die fortwährenden Nörgeleien über seine falsche Aussprache, endlich die vielen großen Häuser. In seinem Kopf ging ein ganzes Räderwerk herum, wogegen die Lohmühle zu Hause nichts war.[S. 27] Am besten gefiel es ihm noch beim Ohm am Schustertisch. Hier konnte er, ganz ernst mit dem Ohm und den Gesellen, ebenfalls auf einem Dreibein sitzend, hölzerne Speilen in Reste von Sohlenstücken hineinhämmern.“ So erzählt Corinth selbst von den Eindrücken dieser neuen Umgebung, und er hat in diesem Kapitel seines Buches ein Bild unverwüstlich humorvoller Wirklichkeitsmalerei gegeben, das wie ein Gemälde des alten Jan Steen anmutet. Leider starb der gute Onkel schon wenige Monate nach der Ankunft des jungen Lovis, und nun begann eine schwere Zeit für den Knaben. „Die Schusterstühle und der Tritt und die Glaskugel, die so komisch hell machen konnte, wurden weggeholt —. Das Leben mit der Tante wurde einförmig. Sie knauserte an allen Ecken und Kanten.“ Mit köstlichem Humor schildert Corinth, wie er Einkäufe machen mußte, beim Fleischer z. B. „für anderthalb Dittchen Karbonade“ einholte, die ihm die Ladnerin aus reinem Mitleid verkaufte, da der Vater wohl von der Fabrik sei. Wie er sich vor den Kameraden aus der Klasse schämte, wenn er die selbst gekneteten Brote zum Backen in den Laden des Bäckers bringen mußte, und wie er endlich gegen die Tante zu revoltieren begann, als er Eimer von der Bleiche nach Hause tragen[S. 28] mußte. In diesen Momenten packte ihn bitteres Heimweh, Tränen stürzten ihm aus den Augen, aber er mußte aushalten. — Während bei der Tante der gute Familienklatsch an Sonntagnachmittagen umgeht, sitzt Lovis still dabei und[S. 29] zeichnet. Das besorgt er auch, wenn die Tante glaubt, daß er Schularbeiten mache; es ist sein einziger Trost, „denn längst war ihm die Schule und ebenso die Wohnung der Tante zum Greuel geworden.“ Aber das Leben am Pregel interessiert ihn gewaltig, und die vielen Schiffe und Kähne, die in seiner Einbildung nach fernen Ländern, zu Menschenfressern, Indianern und Malaien hinsteuern, erregen seine Phantasie, und so ist auch Königsberg mit seinem bunten Durcheinander, das wie ein kleines Amsterdam im fernen Osten anmutet, nicht ohne Einfluß auf die künstlerische Entwicklung des Knaben gewesen. Am Schloßberg sah er die Soldaten exerzieren und an der Fischerbrücke hörte er die Händlerinnen ihre Waren laut anpreisen. Die Tante zog eines Tages fort aus ihrer Wohnung am Pregel zu ihrem Schwiegersohn. Der Knabe zog mit. Aber in der Schule wollte es durchaus nicht glücken. Der Ordinarius berichtete dem Vater nach Hause, daß der Junge immer mehr auf Abwege gerate, doch das änderte wenig an der Tatsache, daß dem jungen Menschen „der Bücherranzen immer schwerer und die Schulbänke immer härter wurden“.

Abb. 30. Graf Keyserlingk. 1896. Im Nachlaß des Dichters. (Zu Seite 55.)
Abb. 31. Studie. Im Besitze von J. Caspers Kunstsalon, Berlin.
Abb. 32. Fleischerladen. 1897. Im Besitze des Herrn Ernst Zaeslein, Grunewald. (Zu Seite 58.)
Abb. 33. Stallinneres. 1897. Im Besitze der Modernen Galerie Thannhauser, München. (Zu Seite 58.)

Endlich gelangte Lovis aber doch in den Besitz des Berechtigungsscheines zum einjährigen Dienst, und nun willigte auch der Vater darein, daß er von der Schule abgehen und Maler werden durfte, so schwer dem alten Manne auch die Enttäuschung war, daß sein Sohn kein Studierter werden wollte.

Corinth bezog zunächst die Akademie in Königsberg. In dem kleinen Verein der jungen Akademiker sang man, wie der Meister weiter erzählt, wohl spottend:

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„Der Storch steht oben auf dem Haus,
Der Stiemer sieht sehr dammlich aus.“ —
Abb. 34. Umschlagzeichnung zu Corinths Selbstbiographie.
Abb. 35. Selbstbildnis von 1896. Im Besitze des Herrn Dr. A. Ulrich, Leipzig. (Zu Seite 56.)

Aber er machte sich wenig daraus, da sein Innerstes voller Ideen steckte. Und obwohl er all seinen Kameraden an Können weit überlegen war, nahm er doch den Akademiebetrieb nicht sonderlich ernst. Gern verbrachte er seine Zeit bei einem seiner Verwandten, einem Fleischermeister, der ihn oft mit ins Schlachthaus nahm, wo der angehende Künstler trotz dem Unwillen der hier beschäftigten Leute gern malte. Ist auch aus dieser frühen Zeit von solchen Bildern nichts erhalten, so wird man doch diese Eindrücke nicht gering veranschlagen, da Corinth[S. 31] später oftmals und gern die Fleischerläden gemalt hat, die ihn malerisch ebenso lockten wie Rembrandt oder Ostade die Erscheinung eines aufgespannten toten Ochsen. Ja, man kann sogar weiter gehen und behaupten, daß in der Art, wie Corinth schon in diesen akademischen Lehrjahren unbewußt das Leben überall an seinen ursprünglichen Punkten aufsucht, vorgreifend ein Teil seiner späteren künstlerischen Entwicklung angedeutet ist.

Abb. 36. Die Hexen. 1897. Im Besitze des Herrn Dr. A. Ulrich, Leipzig. (Zu Seite 58.)

Wer wissen will, wie Corinth im übrigen diese akademischen Lehrjahre verbracht hat, lese die oft etwas derb-drastischen Kapitel in den „Legenden aus dem Künstlerleben“ nach, wo sich überall eine unübertreffliche Beobachtung der Wirklichkeit mit der Kunst meisterhafter, knapp und charakteristisch gehaltener Schilderung eint. Einer der prächtigsten Abschnitte dieses Buches gilt dem Leben in dem Fischerdorf Buxtehude auf der Frischen Nehrung, wo Corinth damals einen Sommer in süßem Nichtstun verbrachte. Jede Zeile ist hier ein Bild derber Ursprünglichkeit, wie es vor Jahrhunderten ähnlich die Steen, Hals, Ostade und Teniers im Holland des siebzehnten Jahrhunderts malerisch festgehalten haben, und man mag nur bedauern, daß uns gerade aus diesen Monaten der Maler Corinth sehr im Gegensatz zum Literaten nichts mitgeteilt hat. Die Erklärung dafür gibt der Meister selbst an einer Stelle, wo er von einem Zwiegespräch mit einem frisch angekommenen Kollegen berichtet, der neugierig nach seinen Werken fragt. „Meistens“ — so erzählt er — „habe ich die Zeit verbracht, indem ich[S. 32] den Charakter der hiesigen Fischer studierte, was ja auch seinen Reiz hat. Mit geschenktem Schnaps werden sie alle recht mitteilsam und zutraulich, und so habe ich vor lauter Studieren und Trinken keine Zeit gehabt, zu malen.“

Abb. 37. Pfarrer Moser. 1899. In Frankfurter Privatbesitz. (Zu Seite 62.)

Mit dieser Schilderung aber von dem Leben und Treiben in dem Dorfe an der Nehrung schließt auch der erste Teil seiner prächtigen Selbstbiographie, die im nächsten Kapitel den Leser gleich hineinführt in das Bouguereau-Atelier der Akademie Julian, in dem Corinth seine akademische Lehrzeit beenden sollte.

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Als eine seltene Probe seiner akademischen Lernjahre in Königsberg ist der männliche Studienkopf des Jahres 1879 zu bezeichnen, der in der Malschule von Prof. Günther nach einem der üblichen Modelle gemalt ist. Als Arbeit eines Anfängers wird man sie nicht gering bewerten dürfen, so unpersönlich sie auch im ganzen anspricht (Abb. 2).

Abb. 38. Kreuzigung. 1897. In der Kirche zu Tölz. (Zu Seite 59.)
Abb. 39. Aktstudie. 1899. Im Besitze des Museums zu Königsberg. (Zu Seite 63.)
Abb. 40. Bildnis Max Liebermanns. 1899.
Im Besitze der Kunsthandlung Carl Nicolai, Charlottenburg. (Zu Seite 64.)

Zwischen dem Weggang von Königsberg und dem in der Selbstbiographie anschließenden Pariser Aufenthalt liegen die Jahre von 1880 bis 1884, die Corinth in München verbrachte, wo er außerdem Gelegenheit hatte, als Soldat sein Jahr abzudienen. Es kann nicht überraschen, daß es den starrnackigen Ostpreußen damals nach der süddeutschen Residenz hinzog, weil der Ruf Münchens als Kunststadt nie höher gewertet worden ist als vielleicht gerade in jenen Jahren. Und mit Recht. Denn hier hat sich in der Tat die Erneuerung der modernen deutschen Kunst vorbereitet. Nicht weil Leibl und Trübner hier wirkten, die[S. 33] damals noch völlig unbekannte Größen waren, sondern weil gerade der akademische Betrieb hier eine — man kann sagen — im übrigen deutschen Kunstschaffen unbekannte Freiheit — eine der Natur zustrebende Art der Betätigung hatte, aus der so viele unserer besten Meister als starke und eigenwillige Individualitäten hervorgegangen sind. Es sei nur an die Verdienste des alten Piloty erinnert, der, selbst noch in traditioneller Kunstanschauung völlig befangen, als Lehrer[S. 34] den Jungen jene prachtvolle Dosis Selbstbewußtsein, ja jene neuen Lehren vermittelt hat, die unmittelbar dem Aufschwung der deutschen Malerei vorgearbeitet haben. Desgleichen an Wilhelm von Diez und Ludwig Löfftz, in dessen Schule Corinth — wie so viele seiner damaligen Kollegen — eintrat. Aus dieser Münchener Zeit sind uns ebenfalls nur sehr spärliche Proben seines Könnens erhalten, so der Akt, der einen der Schächer einer Kreuzigungsgruppe darstellen soll und zweifellos nach einem Thema, das der Lehrer gestellt hat, gemalt ist. Sehr bedeutsam treten bei diesem im Besitz von Gerhart Hauptmann befindlichen Bild der[S. 35] Sinn für die Plastik des menschlichen Körpers und doch auch ein gewisses selbstsicheres Können hervor, wenn die Arbeit sonst auch noch keinen Blick in die Zukunft gestattet (Abb. 3). Im ganzen aber ist Corinth auch in dieser Zeit noch wenig produktiv gewesen, wie es überhaupt als besondere Eigenart[S. 36] seines sich entwickelnden Talentes — sogar noch im Verlaufe der nächsten zehn Jahre — betont werden muß, daß er überall lieber in sich aufgenommen als künstlerisch produziert hat. Vielleicht sind von keinem Maler der Moderne so wenige Frühwerke festzustellen und nachzuweisen wie von unserem Meister, und sicher ist es auch kein schlechtes Zeichen seiner erwachenden Könnerschaft, daß er gerade in seiner Jugend mit seinen Kräften so sorgsam hausgehalten hat. Viel mag zu dieser Sparsamkeit der Betätigung auch ein gewisses mangelndes Selbstvertrauen beigetragen haben, das nur der etwas schwerfälligen Art des Ostpreußen[S. 37] entsprach, ja es scheint psychologisch durchaus begründet, daß Corinth eigentlich erst auf dem Boden Berlins, in dieser von echter Kampfesstimmung gehöhten Atmosphäre, später ganz aus sich herausging, als ihn das Beispiel der Kollegen und die bittere Notwendigkeit des Tages dazu zwangen. Einmal frei geworden aber in dieser neuen Umgebung, hat er versucht, alle Versäumnisse der früheren Jahre doppelt wett zu machen und der Fülle der Gesichte, dem sprudelnden Reichtum seiner Phantasie wirklich freie Bahn zu schaffen. Die akademische Lehrzeit in München dagegen verschwindet in ein Nichts, empfände man nicht un[S. 38]bewußt, daß der Einfluß von Löfftz auch für ihn sein Gutes gehabt hat und daß gerade er ihn vorbereitend schon auf jene Themen hingelenkt hat, in denen er später wirklich ein Meister werden sollte.

Abb. 41. Perseus und Andromeda. 1901. Im Besitze der Galerie H. B. Simms, Hamburg. (Zu Seite 72.)
Abb. 42. In der Hölle. 1901. Im Besitze von Frau O. Moll.
Abb. 43. Der Dichter Peter Hille. 1902.
Im Besitze der Bremer Kunsthalle. (Zu Seite 72.)

In München war damals die sogenannte Anekdotenmalerei besonders in der Mode; die Technik schöpfte vornehmlich von den alten Meistern, aber als ein beliebtes und billiges Mittel wurde auch viel mit Asphalt gemalt, weil sich dadurch die Lichtwirkung erhöhte. Im ganzen schwammen die Probleme der neuen Zeit doch erst auf der Oberfläche, und gerade bei Corinth kann man feststellen, wie sie sich mehr in äußerlichen Dingen erschöpften und im Grunde immer noch akademisch waren. Es wurde nach Modellen gemalt und skizziert, aber die[S. 39] Themen waren in sich konventionell, und so ist es auch verständlich, daß er im ganzen leer ausging und sich lieber in eine andere, wirklich neue Welt fortsehnte, von der aus seltsame Kunde nach dem deutschen Süden drang. Belgien und Frankreich importierten in jenen Jahren hauptsächlich nach Deutschland. Die modernen Flamen, speziell Leys und Gallait, hatten eine siegreiche Invasion versucht, und in der Tat waren sie ja die Vermittler zwischen einem neuen Realismus und jener halb noch idealistisch befangenen Kunstanschauung, von der zum mindesten die deutschen Akademiker noch nicht losgekommen waren. Das erklärt, warum Corinths nächstes Ziel Antwerpen war, freilich ein Ziel ohne Erfüllung.

Abb. 44. Familienbild. 1902. Im Besitze des Herrn Max Halbe. (Zu Seite 65.)
Abb. 45. Frauenräuber. Radierung.
Im Verlage von Paul Cassirer, Berlin.
Abb. 46. Salome. Um 1899. (Zu S. 66.)
Im Besitze der Frau Carl Toelle, Barmen.

GRÖSSERES BILD

Es kann zunächst überraschen, daß der Maler nicht gleich nach Paris ging, sondern erst den Umweg über Antwerpen machte, wohin ihn vielleicht mehr das Gefühl innerer Verwandtschaft, die seinen Heimatboden mit der entfernten flämischen Küste verbindet, als die Überzeugung hinzog, hier wirklich dem neuen befruchtenden Geist der Zeit näher kommen zu können. Auch lockte ihn die gerade in den damaligen Jahren ausgesprochen preußenfeindliche Stimmung wenig, sogleich die französische Hauptstadt aufzusuchen. Auf jeden Fall aber bedeutete diese endgültige Abkehr von München einen Akt gewaltsamer Selbstbefreiung, der sich als ungemein heilsam erwiesen hat. Denn nicht nur die Tatsache, daß jeden künstlerisch empfindenden Menschen in solchen Jahren des Reifens die Bekanntschaft fremder Rassen und Länder von Grund aus erregen und anregen muß, ist auch für unseren Meister wichtig gewesen, sondern erhöhte Bedeutung hat für[S. 40] ihn der Umstand, daß sich sein Schritt einem Lande mit kraftvoller Eigenart und hoher künstlerischer Tradition zuwandte. Die Bekanntschaft der flämischen Sittenmaler vom Schlage der Brueghel, Teniers u. a., vornehmlich aber das Studium eines Rubens und Jordaens haben bewußt die weitere Entwicklung des Malers stark beeinflußt, stärker als alles, was ihm vielleicht kurz nachher das moderne Frankreich vermitteln konnte. Man darf es auch unterstreichen, daß Corinth gerade in dem Heimatlande dieser Künstler den starken Zusammenhang zwischen dem eigentlichen Boden dieser Kunst und dem Spezifischen ihres Wesens sehr schnell erkannt hat und daß ihn angesichts der Werke der alten Meister das beglückende Empfinden ihrer Bodenständigkeit und der Treue gegen die eigene Persönlichkeit überkam. Denn wenn sichtbar überhaupt Einflüsse irgendwelcher Art das Corinthsche Schaffen berührt und in bestimmte Bahnen hingelenkt haben, so sind es höchstens jene alten, ihm wesensverwandten Meister gewesen, die ihm zuerst in Antwerpen in der ganzen Fülle ihres Temperamentes, aber auch als Verkörperer ihrer Rasse bewußt wurden. Daß Corinth schon in München diese Flamen kennen gelernt, will gegenüber dem köstlichen Gefühl wenig besagen, das ihn gefangennahm, als er diese alten Meister erst in ihrem eigenen Lande wirklich neuentdeckte. Auch wir Nichtkünstler haben ja das gleiche Gefühl auf unseren Reisen so oft an uns erfahren; es ist vielleicht die einzige Genugtuung, die einem das Studium der Kunstgeschichte überhaupt bieten kann, weil es im Geiste die Scheide der Jahrhunderte wegzieht und dem Blick im Nu die ganze Persönlichkeit eines Malers in seiner Umwelt als feinen Interpreten auch seiner Zeit enthüllt. Hier in Antwerpen entstand jener „Othello“, der wie ein Gegenstück zu dem von Hals gemalten Mulatten der Kasseler Galerie anspricht (Abb. 4). Das ist nicht der elegante Held der Shakespeareschen Tragödie, sondern ein vom Schicksal in die[S. 41] belgische Hafenstadt verschlagener Neger, sicher aber als Porträt eine hervorragende Leistung dieser frühen Zeit. Indes, für Corinth war die Reise durch Belgien und der kurze Aufenthalt in Antwerpen im ganzen nur ein Umweg nach Paris, das gerade damals das Ziel so vieler deutscher Maler gewesen ist, seitdem Millets Ruhm nach Deutschland gedrungen war, seitdem man in Künstlerkreisen angefangen hatte, selbst in Manet einen neuen Wegweiser zu sehen, und man Bastien-Lepage als eine Art Vermittler zwischen den beiden genannten Künstlern besonders bewunderte. Und in Paris gab es nur eine Möglichkeit, künstlerisch im Sinne[S. 42] dieser neuen Zeit gebildet zu werden, das war die Akademie Julian, deren Mitglied Corinth gegen Ende des Jahres 1884 wird. Er selbst hat den Eintritt bei Bouguereau, diesem „fils naturel de Ribera“, köstlich genug beschrieben: wie die Schüler sich um den Neuling drängten, als er zum erstenmal das Atelier[S. 43] betritt, weil er „mit seinem struppigen dunklen Bart und viereckigen Gesicht bizarr genug von den anderen abstach“, wie er sich zuerst geniert, seine Nationalität zu verraten, bis er doch das Zugeständnis machen muß, daß er aus München komme und dabei seinem Kollegen Bachmann (der wenige Zeit danach in geistiger Umnachtung gestorben ist) vorgestellt wird, der ihm über die erste etwas peinliche Situation hinweghilft. Bouguereau aber fand Gefallen an dem „gros Allemand“ und ließ ihn seine Anerkennung merken, obwohl er ihm neben anderen platten Weisheiten auch den Rat gab, mit zarten Pinseln zu arbeiten, während er selbst[S. 44] die entgegengesetzte Technik handhabte. Umgekehrt unterwies ihn im nächsten Monat Tony Robert Fleury, ja mit kräftigen Pinseln zu arbeiten und Farbfleck neben Farbfleck auf die Leinwand zu setzen, während dieser Meister der Kunst selbst mit kleinen Pinseln malte und die Töne ängstlich auf die Leinwand strichelte. — Über seine Lehrzeit in der Akademie Julian hat Corinth in seiner Selbstbiographie skizzenhaft umrissene Schilderungen mit einer verblüffenden Beobachtungsgabe aufgezeichnet, in denen nicht nur der starke Eindruck widerklingt, den die Stadt, das Leben, die Menschen auf ihn machten, sondern sich auch manches kulturgeschichtlich interessante Zeitbild enthüllt. Während der Tag der Arbeit gehörte, durchzog man am Abend im kleinen Freundeskreis die Théâtres variétés, die Cafés chantants, besuchte im Quartier latin den bal Bullier und andere Lokalitäten, „aber billig mußte es sein, denn mit besonderen Glücksgütern war keiner von ihnen gesegnet“.

Abb. 47. Auf der Redoute. 1898.
Im Besitze des Herrn Dr. von Wilcke, Berlin.
Abb. 48. Die Gattin des Künstlers. 1902. Im Besitze des Künstlers. (Zu Seite 72.)
Abb. 49. Bildnis der Gattin des Künstlers. 1902. Im Besitze des Künstlers. (Zu Seite 73.)
Abb. 50. Selbstbildnis. 1903. Im Besitze der Frau O. Moll. (Zu Seite 73.)

Sicher ist dieser fast dreijährige Pariser Aufenthalt für den Werdegang des Meisters von nachhaltigem Einfluß gewesen. Er hat viel und fleißig gearbeitet, und während das Leben der Großstadt seinen geistigen Horizont nicht unbeträchtlich erweiterte, gelang es ihm in Paris auch, die erste öffentliche Anerkennung in Form einer „mention honorable“ zu erringen, die seinem „Komplott“ vom[S. 45] Jahre 1884 im Salon des nächstfolgenden Jahres zuteil wurde. Auch über diesen Erfolg hat uns Corinth berichtet: von den endlosen Tagen ängstlicher Erwartung, ob seinem Bilde ein „admis“ von seiten der Jury zuteil werden würde, von der tiefen Erregung, als endlich die sehnsüchtig erwartete Nachricht eintraf, von dem Irren und Suchen in den Sälen, in denen die tausend und mehr Bilder oft wie Briefmarken bis oben an die Decke hinaufhingen, und dem Moment, wo er endlich seine Arbeit hoch oben über einem Riesenschinken fast völlig unsichtbar wiederfand. Das war eine schlimme Ernüchterung für den jungen Künstler, der nach der Annahme seines Bildes so stolz gewesen war. Das Bild selbst ist noch vor dem Einzug ins Atelier Bouguereaus in München entstanden; es ist[S. 46] in gleicher Weise typisch für den damals aufkommenden Drang nach realistischer Vertiefung und die von der Mode bevorzugte Genremalerei. Aber es hat Qualitäten künstlerischer Art, die es bedeutsam aus dem übrigen Schaffen dieser Jahre herausheben (Abb. 7). Nicht nur weil die Gruppe der Verschwörer ungemein lebenswahr gesehen ist, sondern weil hier auch der erfolgreiche Versuch gemacht ist, das Licht als eigentlichen Lebensfaktor des Gemäldes zu verwenden. Prachtvoll gelungen ist besonders der Bernhardiner im Vordergrunde.

Abb. 51. Gertrud Eysoldt in Wildes „Salome“. 1903.
Im Besitze des Herrn Ernst Zaeslein, Grunewald. (Zu Seite 66 u. 73.)
Abb. 52. Fluch auf Saul. 1902. (Zu Seite 73.)

Andere Arbeiten führen unmittelbar zum Atelier der Akademie Julian hin, so der weibliche Akt (Abb. 5 u. 6), während die hier wiedergegebene Komposition unter dem Titel die „Falschspieler“ (Abb. 9) wie das vorher genannte „Komplott“ in stärkerem Maße für die damals bevorzugte Kunstrichtung als solche charakteristisch ist. Das Bild existiert leider nicht mehr. Es ist später in Berlin einmal abgelehnt worden, und da mag es der Meister in einem Moment des Unmuts zerstört haben. Und doch wird man gerade diesen Verlust im Hinblick auf die überhaupt spärlichen Proben aus der Frühzeit doppelt bedauern. Denn Corinth hat hier bereits mit selbstherrlicher Meisterschaft eine höchst dramatische Szene wundervoll darzustellen vermocht, wie auch das ganze Milieu dieser Apachenkneipe als Kulturdokument[S. 47] besonders wertvoll ist. Die Gruppe der in Zwist geratenen Menschen hebt sich scharf von dem von außen in die Kaffeeschenke hereinflutenden Licht ab, und jede Bewegung ist hier mit fast photographischer Treue erfaßt.

Abb. 53. Gerhart Hauptmann. 1904. Im Besitze des Herrn Fritz Gurlitt, Berlin. (Zu Seite 76.)

Darf man daher im ganzen die Frucht der Pariser Lehrjahre für Corinth nicht gering einschätzen, so bedeutet der nach seiner Rückkehr 1887 beginnende erneute Aufenthalt des Meisters in Königsberg nicht minder eine Zeit künstlerischer Festigung. Ob er damals in Wirklichkeit daran gedacht hat, in der nüchternen ostpreußischen Hauptstadt dauernd sein Zelt aufzuschlagen — was nach den Erfahrungen seiner Jugend immerhin einigermaßen verwunderlich wäre — entzieht sich unserer Kenntnis. Vielleicht ist in erster Linie die Anhänglichkeit an seine Familie, insonderheit an seinen stammesechten Vater die Veranlassung gewesen, sich seiner Heimat wieder zuzuwenden, und so gering auch der Zahl nach die Frucht dieser nur von wenigen Reisen unterbrochenen Königsberger Zeit gewesen ist, wir danken ihr doch einige wenige Meisterstücke, die auch heute noch im Rahmen des Lebenswerkes einen erhöhten Rang beanspruchen dürfen. Ja, diese Bilder zeigen den Künstler zum erstenmal in voller Selbständigkeit und zum Teil auf neuen Wegen. Allen Arbeiten voran ist aus dieser kurzen Epoche das ausgezeichnete Bildnis des Vaters zu nennen (Abb. 8), das sich noch heute im Besitz des Malers befindet und in seinem von dem durch das Fenster hereinbrechenden Lichte bestimmten bläulich-weißen Gesamtton als erste starke impressionistische[S. 48] Leistung gewertet werden muß. Daneben ist es als reine Porträtmalerei im Erfassen dieses stämmisch-starken Charakters so individuell wie nur irgendein Porträt dieser Zeit. Sehr vielsagend für das innige Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist der dem Alten in die Hand gegebene, eben eröffnete Brief des Jungen, auf dem man deutlich die Unterschrift „Lovis Corinth“ lesen kann, gewissermaßen als Signatur im Sinne mancher alten Meister. — Genremalerei im reinen Sinne ist ein zweites hier wiedergegebenes Bild aus dem gleichen Jahre unter dem Titel „Sonntagsfrieden“ (Abb. 10), wo die Alte mit dem Hündchen neben sich, vom hellen Licht getroffen, auf der Bank sitzt und andächtig in der Bibel liest. Fast zu weich und sentimental ist dieses Bild für die sonst so kraftstrotzende Art des Künstlers, aber es mag von einer jener Stimmungen angeregt sein, die uns alle in Augenblicken überfallen, wo man die Lebensnöte dieser Welt erkennt. Malerisch hat dieses entfernt an Leibl gemahnende Stück prachtvolle Qualitäten, die im Sinne der kommenden Entwicklung besonders hervorgehoben werden müssen.

In der genremäßigen Auffassung erscheint der „Schnapsriecher“ vom Jahre 1889 dem zuletzt genannten Bilde nahe verwandt (Abb. 11). Auch dieses Stück ist nicht ohne besondere malerische Note und entfernt aus Halsschem Geiste geboren. Aber es steht doch bedeutend zurück hinter der im selben Jahre entstandenen ergreifenden „Pietà“, die heute das Magdeburger Museum sein eigen nennt (Abb. 13). Hier begegnet uns zum erstenmal ein Thema, das im Schaffen Corinths seine hervorragende Bedeutung hat, und es mag an dieser Stelle zurückgreifend auch an die Einschätzung erinnert werden, die einleitend bereits dem Meister als religiösem Maler kurz zuteil wurde. Unter allen Beweinungen, die die christliche Kunstgeschichte geschaffen hat, wird man dieses Bild eines unserer Modernsten so leicht nicht vergessen. Denn es ist nicht nur von ergreifender Stimmungsgewalt, sondern in der diagonal gefaßten Komposition, in der meisterhaften Behandlung des toten Körpers eine der stärksten Talentproben dieser Jahre. Und was bei späteren Schöpfungen an allzu kräftig aufgetragenem Realismus der Auffassung leicht verwirrt, ist hier völlig ausgeschaltet. Das von bläulich-weißem Ton bestimmte, mit Asphalt gemalte Bild wirkt gerade durch die diskrete Behandlung dieser schmerzerfüllten Szene so ungemein wohltuend, und etwas Bezwingendes hat die Art, wie hier das Licht, das voll auf die ausgebreitete Leinwand trifft und die Körper mit hellen Reflexen trifft oder tiefe Schatten webt, die Gesamtkomposition in Harmonie verstrickt. Wer aber dem Meister gern seine auf ähnlichen Szenen allzu realistische Art vorhält, vergesse nicht, daß er hier als Dreißigjähriger eine Schöpfung gegeben hat, die — wie wir wissen — ganz aus einem tiefen Gefühl, aus einer bis zur Weichheit gestimmten Seele heraus geformt wurde.

Abb. 54. Odysseus im Kampfe mit dem Bettler. 1903. (Zu Seite 74.)

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Gegenüber diesem Meisterwerke aber treten — was Inbrunst der Empfindung anlangt — alle übrigen Bilder dieser Königsberger Jahre bescheiden zurück, obwohl sie im einzelnen deutlich genug ein Ausgreifen der künstlerischen Kräfte nach den verschiedensten Seiten hin dartun. Das gilt vor allem für das 1890 gemalte, zum Teil schon in breiten Pinselstrichen hingesetzte „Frühstück“, bei dem der Hauptakzent wiederum auf die durch das Licht bedingte malerische Behand[S. 49]lung gelegt ist. Wundervoll ist hier die farbige Apostrophierung des Stillebens auf dem Tisch, nicht weniger auch der ganz skizzenhaft gegebene Köter im Vordergrunde (Abb. 12). Dagegen ist die im gleichen Jahre gemalte „Susanna im Bade“ mehr als Studie, d. h. als Versuch, einen Frauenakt belebt vor einem indifferenten Hintergrund aufzuzeichnen, denn als geschlossene Komposition interessant (Abb. 15), während die prächtige Schwimmanstalt vom Jahre 1890, die noch in Königsberg entstand und nach einem Motiv des Pregels gemalt wurde, zum erstenmal den Meister ganz im Banne des Pleinairismus zeigt (Abb. 16). Wie das Sonnenlicht die malerische Wirkung des Bildes bestimmt, wie man hier das Widerspiel des atmosphärischen Lebens empfindet, wie das Ganze rein zufällig gesehen zu sein scheint, das greift in der Tat bereits bemerkenswert einem großen Kapitel neuer Kunstgeschichte voraus, die die hier vorgetragenen Lehren zu ihrem ureigenen Evangelium gemacht hat. Wundervoll ist auch hier die malerische Durchbildung der menschlichen Gestalten, wie ja Corinth von jeher ein Meister in der Herrschaft über die Anatomie des Körpers gewesen ist.

An diese Königsberger Zeit erinnert endlich der hier wiedergegebene Ausschnitt aus einem Gemälde seines damaligen Freundes und Kollegen Karl Bublitz, der den Meister im Atelier vor dem Bilde der eben erwähnten Susanna gemalt hat (Abb. 14). Corinth seinerseits hat dem Schöpfer dieses Bildes gelegentlich eines späteren Besuches in seiner ostpreußischen Heimat (im Jahre 1893) zurückgegeben, was er von ihm empfangen hat. Der „Wirtshausgarten am Pregel“ zeigt Bublitz nachdenklich vor einem Glase Bier sitzend, interessiert hinausblickend auf das bewegte Leben des Flusses. Es ist hier fast die gleiche Örtlichkeit festgehalten wie in der erwähnten Schwimmanstalt (Abb. 17).

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Das Jahr 1890 brachte in Corinths Leben abermals eine entscheidende Wendung. Königsberg mit seiner zwar ostpreußisch echten, aber doch im Grunde kunstfremden Atmosphäre konnte auf die Dauer den Ehrgeiz unseres Künstlers nicht befriedigen, und da er schon als deutscher Maler gewertet zu werden wünschte, zog es ihn zum zweitenmal — diesmal für fast volle zehn Jahre — in die süddeutsche Kunstmetropole München. Der Entschluß zur Übersiedlung mag Corinth leicht geworden sein, wenn er auch immer gern bekennt, wie ihn gerade die etwas modrige Luft des Münchener Kunstbetriebes in der Folge stark ernüchtert hat. Aber er wollte durchaus vorwärtskommen und innerhalb des großen Wettstreites junger Kräfte entsprechend anerkannt sein. Und hat ihm auch München als Milieu entscheidende Anregungen selbst kaum vermittelt — wie ja überhaupt die bei anderen Künstlern so oft bestimmenden äußeren Einflüsse an ihm fast spurlos vorübergingen — so zeigt doch gerade die auf diesem Boden in den nächsten Jahren geleistete Arbeit eine stetige Aufwärtsentwicklung seiner Kräfte, so wenig diese auch damals schon zur vollen Freiheit gelangt sind. Die Erfüllung seiner Kunst wurde erst der Boden der Reichshauptstadt, aber auf diesem sollte er leider erst verhältnismäßig spät seine Wirksamkeit finden.

In den bereits mehrfach zitierten „Legenden aus dem Künstlerleben“ finden sich einige Kapitel, die Corinth in Erinnerung an seinen zehnjährigen Münchener Aufenthalt geschrieben hat. Schilderungen sarkastischer Art, in denen er z. B.[S. 50] den im Allotria-Kreise üblichen Götzendienst und Firlefanz wunderbar verspottet; Skizzen von einer derben Ursprünglichkeit, die niemand ungelesen lassen sollte, den die Persönlichkeit unseres Meisters wirklich interessiert. Prächtig z. B. — und vielleicht von keinem Literaten übertroffen — ist der Abschnitt über „Thomas Theodor Heine und Münchens Künstlerleben am Ende des vorigen Jahrhunderts“, und bitter verdacht haben ihm seine Kollegen jenes andere Kapitel, in dem die Erinnerungen an den Allotria-Kreis aufgezeichnet sind. Die haben sogar zu einer kleinen Polemik geführt, aus der Corinth ganz zweifellos als Sieger hervorgegangen ist, nicht nur weil er dank seiner haarscharfen Dialektik die Lacher auf seiner Seite hatte, sondern weil man deutlich empfand, wie peinlich auch den herrschenden Herren in der Münchener Künstlerrepublik diese der Wirklichkeit abgelauschten Schilderungen sein mußten.

Abb. 55. Figurine zu Minna von Barnhelm. 1903. (Zu Seite 86.)

Der zehnjährige Münchener Aufenthalt aber hat die Kunst unseres Malers weniger in der Breite entwickelt (weil numerisch gesehen die Zahl der in jener Epoche entstandenen Gemälde kaum an ein einziges Berliner Jahr heranreicht) als seine Persönlichkeit — vielleicht sogar im bewußten Gegensatz zu dem übrigen anerkannten Münchener Kunstschaffen — innerlich gefestigt. Vor allem aber erweitert sich der Stoffkreis seiner Kunst zusehends. Mehr denn je steht das Porträt im Vordergrunde seiner künstlerischen Betätigung und wir werden sehen, wie er gerade in München eine Reihe jener selbstbewußten Männerbildnisse geschaffen hat, die seinen Namen als einen der ersten Porträtisten unserer Zeit längst in das Buch der Kunstgeschichte eingeschrieben haben. Prinzipiell mag an dieser Stelle betont sein, daß unserem Meister überhaupt als Objekt der Mann — wo er geistige Potenz ist — weitaus besser liegt als die Frau. Ausnahmen sind in diesem Sinne nur die Bilder seiner späteren Gattin, der begabten Malerin Charlotte Berend, die daran anknüpfenden Familienbilder, die auch eine Art Lebensbeichte sind, und jene Bildnisse von Schauspielerinnen, auf denen das[S. 51] Buntschillernde eines besonderen Milieus mit der ganzen ihm eigenen Farbenfreudigkeit oder aber die bewußte geistige Überlegenheit über den Durchschnitt des edlen Geschlechtes suggestiv eingefangen ist. Neben den Porträts wendet sich Corinth mehr als bisher auch der Landschaft zu, die seinem nach impressionistischer Gestaltung drängenden Betätigungstrieb besonders liegt, und daneben widmet er sich gleichfalls gern auch vielfigurigen Kompositionen, einerlei ob diese ihre Motive der Wirklichkeit, der biblischen Geschichte oder gar der klassischen Mythologie entlehnen. Das letztgenannte Stoffgebiet ist ja — wie man weiß — eine Lieblingsdomäne des Corinthschen Schaffens geworden, und gerade in seinen Beziehungen zur griechischen Götterwelt und zu den Sagen Homers hat sich der Mensch im Künstler vielleicht von seiner interessantesten Seite enthüllt.

Abb. 56. Blühender Garten. 1904. Im Besitze des Herrn Ernst Zaeslein, Grunewald. (Zu Seite 78.)
Abb. 57. Tanzender Derwisch. 1904. Im Besitze der Frau von Nibelschütz. (Zu Seite 75.)
Abb. 58. Der Harem. 1904. In Privatbesitz. (Zu Seite 75.)

In München entsteht als eines der ersten überlieferten Bilder jene Landschaft mit den „Kiefern am Wasser“ (Abb. 18). Ein anspruchsloses Motiv aus Bernried und doch in der künstlerischen Wiedergabe voll von einer weichen, getragenen atmosphärischen Stimmung. In der gleichen Zeit aber arbeitet Corinth auch an seiner ersten dem Altertum entlehnten Szene, dem „Diogenes“ vom Jahre 1892 (Abb. 19). Auf die Echtheit des antiken Milieus ist hier kein besonderer Wert gelegt, denn sonst würde auf diesem Bilde als neugierige Alte die gute Hauswirtin des Meisters nicht mit dem modernen Marktkorbe erscheinen und noch weniger der Alte im Hintergrund, dessen Haupt ein schlecht gebügelter Filzhut bedeckt. Aber die Akte sind zeichnerisch groß gesehen, und die humorvolle Er[S. 52]scheinung des Philosophen entschädigt reichlich für das gänzlich Unklassische dieser Szene. — Originell im besten Sinne des Wortes ist das Porträt von Walter Leistikow, das der Meister ein Jahr später malte (Abb. 21). Der Künstler, dessen Monographie Corinth nach dessen beklagenswertem Tode geschrieben hat, war ein alter Bekannter aus Königsberg. In Dachau hatte man sich zufällig wiedergefunden, und seit diesem Tage sollten die beiden späteren Vorkämpfer der Sezession in enger Freundschaft miteinander verbunden bleiben, ja Leistikow und kein anderer ist es gewesen, der Corinth später zur Übersiedelung nach Berlin veranlaßt hat. Man kann dem ganz im Profil gesehenen Bildnis des Grunewaldmalers größere malerische Werte wohl kaum nachrühmen; es stört auch die zu forcierte Haltung des Modells, aber der Kopf weist doch unverkennbare charakteristische Züge und[S. 53] den nachdenklichen Ernst dieses Naturpoeten auf, der zuzeiten einer der ganz überlegenen Kämpfer mit der Feder sein konnte. Anzuschließen ist an dieser Stelle das Bildnis des Freiherrn von Geyling als Georgsritter, das ebenfalls 1893 entstanden ist und kunstgeschichtlich wie von selbst vielleicht einen interessanten Vergleich zu dem berühmten Halsschen Kavalier Wilhelm von Heythusen der Liechtensteingalerie gestattet, weil hier wie dort typisches Zeitkolorit gegeben ist und auch die aristokratische Geste mit derselben malerischen Könnerschaft festgehalten wurde (Abb. 20). Entfernt mag unbewußt an den Maler von Haarlem, den berühmten Schöpfer jener unerreicht großen Schützenbilder, auch das nächstfolgende Stück erinnern, obwohl dieses Festmahl der Logenbrüder den Abstand der Jahrhunderte im Vergleich zu jenen Werken des alten Holländers kaum verleugnet (Abb. 23).[S. 54] Ja an die selbstverständliche Meisterschaft der Halsschen Gruppenbildnisse reicht es nicht entfernt heran, weil die Komposition im ganzen zu wenig Konzentration zeigt und die Porträts fast durchweg etwas Gewaltsames haben, obwohl einzelne dieser preußischen, in München vereinten Logenbrüder individuell sehr gut erfaßt sind. Aber im Vergleich mit späteren Schöpfungen verwandter Art kann man vor diesem 1895 gemalten Bilde beinahe von einem Stillstand sprechen, von einer Verbeugung vor dem Konventionellen, das auch dem lieblichen „Trifolium“ der Darmstädter Galerie eigen ist, so schön an sich der Rhythmus des bewegten, von blauen und grünen Tönen gehöhten Bildes sein mag (Abb. 22). Indes, gerade solchen Arbeiten gegenüber spricht die prachtvolle „Kreuzabnahme“ desselben Jahres, die sich heute im Besitz des Staatssekretärs Dernburg befindet, wie eine fast revolutionäre Befreiung aus einer in der Münchener Atmosphäre latenten Gefahr an. Denn hier ist alles neu: der großartige Verismus der Auffassung, die knappe, zusammengedrängte Komposition, der Grünewaldsche Ernst, der vorausgreifend schon das Charakteristische späterer Schöpfungen dieser Art umschließt. Vor einem solchen Werke kann man in der Tat nur noch an den Meister des Isenheimer Altares denken, so sehr ist der Schmerz der Totenklage auf einen einzigen Ton gestimmt (Abb. 24 u. 25). Nebenbei mag hier angemerkt sein, daß die Gottesmutter nach der Zugeherin des Künstlers gemalt ist, die uns vordem schon auf dem Diogenesbilde begegnete.

Abb. 59. Die Weiber von Weinsberg. 1892/93. Aus den „Tragikomödien“. (Zu Seite 80.)

[S. 55]

Abb. 60. Maria Antoinette. 1892/93. Aus den „Tragikomödien“. (Zu Seite 80.)

In dem lustigen „Bacchanale“ vom Jahre 1896 dagegen, das einstmals in München, für uns heute unbegreiflich, abgelehnt wurde, enthüllt sich das Dionysische heiterer Lebenskunst, mythologisch verklärt, in reinster Form (Abb. 26). Botticellische Frühlingsstimmung paart sich auf diesem Bilde mit dem tanzfrohen Rhythmus bewegter Gestalten. Derbe Sinnenfreudigkeit sucht einen Gleichklang in der blumensprießenden Landschaft. Ein dekorativer Zug beherrscht die Komposition, der später nur selten ähnlich begegnet. Diesem Werke nahe verwandt ist die auf eine ähnliche Note gestimmte „Geburt der Venus“, die vielleicht in noch höherem Maße die Erinnerung an den genannten Meister des ausgehenden Florentiner Quattrocento wachruft (Abb. 28). Vielleicht darf man in diesem Bilde auch entfernt Böcklinsche Reminiszenzen vermuten, obwohl man gerade dieses Meisters Einfluß sonst bei Corinth am wenigsten feststellen kann; das Verlangen nach dekorativer Wirkung ist auch hier unverkennbar.

Abb. 61. Joseph vor Pharao. 1892/93. Aus den „Tragikomödien“. (Zu Seite 80.)
Abb. 62. Bildnis des Pianisten Conrad Ansorge. 1904. (Zu S. 77.)
Im Besitze der Sezessionsgalerie in München.

GRÖSSERES BILD

Eine der bedeutendsten Schöpfungen dieser Münchener Epoche ist das Dichterbildnis des Grafen Keyserlingk, das Corinth im Jahre 1896 gemalt hat (Abb. 30). Einfach bis zur Primitivität, legt es den künstlerischen Nachdruck ganz und gar auf die physiognomische Durchbildung des Antlitzes. Seltsam beängstigend wirkt der starre Blick des Poeten, die mehr als Geist, denn als Körper empfundene Gestalt dieses später erblindeten Dichters, den unsere Literatur mit zu den besten zählt. Wollte man ein von ähnlicher Durchdringung des Charakters erfülltes[S. 56] Bild namhaft machen, man käme wie von selbst zu jenem köstlichen Selbstporträt des Meisters aus dem gleichen Jahre (Abb. 35). Durch das Atelierfenster irrt der Blick zu den Häusern von Schwabing hin und das Totengerippe neben dem Künstler mag an die Vergänglichkeit alles Irdischen mahnen. Ernst und grübelnd sieht der Künstler den Beschauer an, und man empfindet vor diesem willensstarken Menschen deutlich, daß nachdenkliche Stunden seinem Leben den wahren Reichtum zugeführt haben. Vielleicht, daß man eines Tages gerade dieses Selbstbildnis in eine Reihe mit den berühmten Porträts der Kunstgeschichte stellen wird, obwohl sich der Meister in den nachfolgenden Jahren wie Rembrandt gern und oft in wechselnder Erscheinung porträtiert hat. Diese Selbstbildnisse haben neben dem rein künstlerischen auch ein biographisches Interesse. Sie sind Belege für Seelenstimmungen und stellen nie den ganzen Menschen dar, aber alle zusammen spiegeln sie doch die Vielseitigkeit eines Geistes, der in seinem Verlangen nach künstlerischer Universalität nicht zu unterschätzen ist. Hier erscheint Corinth in Reflexionen befangen, dort mit offenen Armen der frohen Lebenslust zugewandt. Hier ein Draufgänger in mittelalterlicher Rüstung, so wie er sich später auf dem berühmten „Fahnenträger“ darstellt, dort ganz erfüllt von der Freude an Heim und Familie. Immer aber überkommt den Betrachter die Empfindung, daß neben den rein malerischen Aufgaben es in erster Linie psychologische Probleme gewesen sind,[S. 57] deren er mit Hilfe der Farbe Herr zu werden bemüht war. Wie schon gesagt wurde, erinnert diese Folge der Selbstporträts an den großen holländischen Meister, dessen Menschenschicksal nirgends so unmittelbar vor unser Bewußtsein tritt wie auf den jubilierenden Bildnissen der glücklichen Saskiazeit und im Gegensatz dazu erschütternd auf jenen Selbstporträts seiner Spätzeit, die ganz Weltabkehr und Resignation geworden sind. Psychologisch verwandte Momente zeigen auch die Corinthschen Schöpfungen dieser Art, allen voran das eben erwähnte Selbstbildnis mit dem Skelett.

Abb. 63. Grölender Bacchant. 1905.
Im Besitze der Kunsthandlung Carl Nicolai, Charlottenburg. (Zu Seite 81.)
Abb. 64. Mutter und Kind. 1905.
Im Besitze des Herrn Konrad Meyer, Königsberg i. P. (Zu Seite 83.)
Abb. 65. Bildnis des Malers Hans Olde. 1904.
Im Besitze des Herrn Ernst Zaeslein, Grunewald. (Zu Seite 76.)
Abb. 66. Hände mit Blumen. 1907. Im Besitze des Direktors Stern, Berlin. (Zu Seite 91.)
Abb. 67. Des Künstlers Gattin mit Kätzchen. 1904.

Aus dem folgenden Jahre stammen zwei Bilder, die Corinth wiederum von einer neuen Seite kennen lehren und doch an früher gekennzeichneten Punkten anknüpfen, denen der Meister auch in seiner Selbstbiographie bedeutsam genug Erwähnung getan hat. Man erinnere sich an die Königsberger Zeit, wie er mit dem Onkel Fleischer den Schlachthof zu besuchen und hier nach den Tieren zu zeichnen pflegte. Bei der Schilderung des Pariser Lebens aber verweilt Corinth auch bei dem schönen malerischen Eindruck, den die Schlächterläden der französischen[S. 58] Hauptstadt auf ihn gemacht haben. Solche Reminiszenzen mögen für ihn bei der Entstehung jenes ersten bedeutenden „Fleischerladens“ mitgewirkt haben, den er bei einem Besuch in Unterschäftlarn an der Isar 1897 gemalt hat (Abb. 32). Es ist ein malerisch ungemein feines, koloristisch in seinen weiß-roten Tönen stark vertieftes Bild, auf dem die Wirkung des Lichtes wiederum eine hervorragende Rolle spielt. Etwas skizzenhafter ist das „Stallinnere“ gegeben, bei dem man entfernt an Zügelsche Motive denken könnte, wenn nicht die malerische Handschrift auf einen so viel ursprünglicheren Künstler hinwiese, der hier seinem Stoffgebiet ein neues, ziemlich vereinzelt gebliebenes Thema anzugliedern bemüht ist (Abb. 33). Dagegen begegnen in den beiden anderen Hauptbildern dieses Jahres, den „Hexen“ und der prachtvollen „Kreuzigung“ in der Kirche von Tölz, von früher her bekannte Motive, so neu auch die Themen im einzelnen sind. Das erstgenannte Werk zeigt in drastisch derber Auffassung eine genreartige, aber doch stark realistische Szene Münchener Lebens, wie etwa ein hübsches Modell für die Redoute vorbereitet wird und wie die neugierigen Gevatterinnen aus der Nachbarschaft baß erstaunt sind über die frische, vielleicht ein wenig zu üppige Schönheit der jungen Hexe, die eben ihre Toilette beendet und kommenden Freuden des Abends entgegenlacht[S. 59] (Abb. 36). Das Bild hat in dem Gegensatz von Hell und Dunkel und speziell in der Gruppe der alten Weiber Momente, die entfernt an Velazquez gemahnen könnten, so gesucht auch dieser Vergleich hier anmuten mag. Hat Corinth hier dem Leben eine etwas indiskrete Szene abgelauscht, so erschüttert der tragische Ernst jener ersten großen Kreuzigungsgruppe, die später von andrer Seite der Kirche in Tölz geschenkt worden ist (Abb. 38). Hier ist nichts, was nicht von der höchsten Meisterschaft des Könnens kündet, und so grausam realistisch auch alle Gebärden dieser Schöpfung sein mögen, so überwältigend ist doch die furchtbare Klage der vier Menschen, die den verscheidenden Heiland umstehen, dessen Erscheinung wie jener Christus am Kreuz von Grünewald im Museum zu Kolmar die Züge des Duldens mit dem göttlich hohen Erlösergedanken verwebt. Prachtvoll ist die Gestalt der[S. 60] klagenden Magdalena, wunderbar echt der tiefe fragende Schmerz, der sich im Antlitz des Johannes spiegelt, welcher die in Ohnmacht dahinsinkende Gottesmutter stützt. Vielleicht, daß ohne die Grimassen schneidenden Gesichter der beiden Schächer das künstlerische Moment dieses Bildes noch besser zum Durchbruch käme — vielleicht, daß sich erst im Gegensatz zu diesen brutal realistischen Gesellen die erschütternde Tragik, von der die Gruppe der Klagenden erfüllt ist, voll empfinden läßt. Einerlei, das Werk gehört — so wie es ist — in die vorderste Reihe jener Kreuzigungsgruppen, die uns von den ganz großen Meistern der Kunstgeschichte[S. 61] geschenkt worden sind, und es ist durchaus nicht nebensächlich, im besonderen darauf hinzuweisen, daß sich Corinth in der religiösen Inbrunst seines Gefühles hier dem deutschesten aller Maler, dem Meister des Kolmarer Altares nähert. Aber es muß auch an dieser Stelle gesagt werden, daß diese „Kreuzigung“ schlechthin als das Bild seiner Münchener Zeit angesprochen werden darf, ähnlich wie die früher genannte, in Königsberg gemalte Pietà im Magdeburger Museum das Werk seiner ersten selbständigen Periode ist. Vielleicht, daß man überhaupt — auch in der Folge — dem Künstler Corinth in seiner wahren Größe nie ähnlich nahe kommt wie auf jenen religiösen Schöpfungen, auf denen sich das Wesensstarke — man möchte sagen — Urgermanische seiner Art am unverfälschtesten ausgesprochen hat. Sie kennzeichnen schlechthin die eine große, künstlerisch impulsiv gestaltende[S. 62] Seite seines Wesens, die nie den Ernst und die große Menschlichkeit verleugnen kann, wie die arkadisch heiteren mythologischen Bilder ihrerseits der kräftigen Lebensfreude ein Denkmal setzen. Zwischen diesen beiden Polen, die den Weltweisen und Lebenskünstler in sich begreifen, scheint das ganze Schaffen des Meisters eingeschlossen.

Abb. 68. Unter dem Kronleuchter. 1905. Im Besitze des Herrn Eduard Krüger, Berlin. (Zu Seite 82.)
Abb. 69. Im Fleischerladen. 1906. In rheinischem Privatbesitz.
Abb. 70. Hektor. 1905. In Wiener Privatbesitz. (Zu Seite 81.)

Dionysisch im besten Sinne des Wortes ist der „Bacchantenzug“ vom Jahre 1898, der auf der ersten Berliner Sezessionsausstellung zum ersten Male öffentlich gezeigt wurde (Abb. 27). Gewiß denkt man vor diesem Bilde ohne weiteres an Rubens, aber in der Art, wie hier die weinseligen Gestalten direkt vor einem rötlich aufflammenden Abendhimmel gesehen sind, wie gerade das Licht die Körper modelliert, ist es doch ein Beleg jener vom Pleinairismus bestimmten neueren Kunstanschauung. — Nach der Tölzer Kreuzigungsgruppe hat sich Corinth übrigens bewußt für längere Zeit von den Bildern großen Formates ferngehalten, weil bei ihnen die Verkaufsmöglichkeiten zu gering waren, und sicher ist diese mit Recht geübte Enthaltsamkeit der Entwicklung seines Talentes zustatten gekommen. Aufträge waren damals im ganzen für unseren Meister noch große Seltenheiten, und seine Bilder fanden nur zu sehr billigen Preisen Käufer. Unter den Werken der letzten Münchener Jahre verdient noch ein Bild besonders erwähnt zu werden. Es ist das Bild des Pfarrers Moser vom Jahre 1899, das sich in Frankfurter Privatbesitz befindet (Abb. 37). Ein männlich starkes, geistig vertieftes Porträt, das den gottesgelahrten Herrn ungemein charakteristisch erfaßt hat. Wie hier alles[S. 63] Gewicht auf den bedeutenden Kopf gelegt ist, demgegenüber das knapp angedeutete Milieu nur skizzenhaft umrissen erscheint, das läßt wiederum an eines jener unvergänglichen Halsschen Porträts wie das Bild des zu seiner Zeit berühmten Herrn Caspar Sibelius von Deventer (heute in der Sammlung Borden in Neuyork) denken. Auch ist es berechtigt, gerade vor einem solchen Werke darauf hinzuweisen, wie die malerische Technik des Corinthschen Pinsels sich immer mehr auf Knappheit reduziert, wie die Breite der Pinselstriche zunimmt und wie doch auch ein sichtlich gesteigerter malerischer Geschmack die Valeurs zusammenfügt. Rein als Studie ist in diesem Sinne der prächtig modellierte Frauenakt desselben Jahres interessant, den das Museum zu Königsberg verwahrt und bei dem das[S. 64] Schwarz der in breiten Strichen hingemalten Haare sehr hübsch gegen den weichen Schmelz des Körpers kontrastiert (Abb. 39), während das psychologisch ungemein ansprechende Bildnis Liebermanns, das Corinth im gleichen Jahre gemalt hat, in der Reihe der Männerporträts immer einen hervorragenden Rang beanspruchen darf (Abb. 40). Es bedeutet im Leben unseres Meisters fast den ersten Übergang von dem Münchener Aufenthalt in die herbere Atmosphäre der Reichshauptstadt. Denn es kündet zuerst von den Beziehungen, die Corinth mit dem kleinen Kreise jener fortschrittlich gesinnten Künstler Berlins verband, die später seine Kollegen und Mitkämpfer in der Sezession geworden sind. Ob nachher auch noch dieses oder jenes Werk in München entstand — in dem Augenblick, wo Corinth das Porträt Liebermanns während eines längeren Aufenthaltes in der Reichshauptstadt gemalt hat, ist innerlich auch sein Entschluß gefaßt, München dauernd den Rücken zu kehren. Wie er selbst über die etwas vermoderte Luft gedacht hat, in der sich das offizielle künstlerische Leben in der süddeutschen Residenz abspielte, wissen wir nur zu gut aus den der „Allotria“ und dem Simplizissimuskreise gewidmeten Kapiteln seiner Selbstbiographie, und fast will es scheinen, als hätten wir allen Grund, jenen Augenblick zu preisen, in dem der längst erwogene Entschluß zur Tat wurde. Denn mag man die durch Paris-Königsberg-München bisher umschriebenen Stufen seiner Entwicklung auch nicht gering schätzen, weil jede für sich einen Zuwachs an Kräften bedeutet, so brachte doch erst Berlin die[S. 65] letzte entscheidende Wendung in sein Leben, eine Wendung, die man doppelt freudig begrüßen muß, weil sie das im Grunde stark norddeutsch ausgeprägte Temperament des Künstlers zu einem wesensverwandten Boden hingeführt und mehr: weil es ihn in einen großen künstlerischen Kampf gestellt hat, der seine Kräfte erst vollends entfalten mußte.

Abb. 71. Die Kindheit des Zeus. 1905. In Berliner Privatbesitz. (Zu Seite 81.)
Abb. 72. Venus und Mars. 1906. (Zu Seite 86.)

Denn wenn einer von unseren modernen deutschen Künstlern eine geborene Kämpfernatur ist, dann ist es Corinth. Indem er sich mit seinem Schaffen von Anbeginn auf die Seite jener kleinen mutigen Schar stellte, deren Ehrgeiz niemals nach offizieller Anerkennung gedurstet hat, wurde er eine der Hauptstützen der Berliner Sezession, die ihn auch heute noch als eigentlichen Führer anerkennt. Freilich hat Corinth auch für die Folge seine alten, langjährigen Beziehungen zu München nicht verleugnet. Die dortige Sezession hat ihm stets eine ehrende Aufnahme bereitet, und er ist gern und oft auch zu längerem und kürzerem Besuch nach München zurückgekehrt. Bei einer solchen Gelegenheit sind z. B. das Bild der Familie des Dichters Max Halbe (Abb. 44) und ein Porträt der anmutigen Gattin Halbes entstanden. Vor allem aber war es der Aufenthalt an den bayrischen Seen, der Corinth immer wieder nach dem Süden geführt hat.

[S. 66]

Abb. 73. Eisbahn. 1907. Im Besitze der Galerie Arnold, Dresden. (Zu Seite 91.)

Trotzdem aber bezeichnet die im Jahre 1900 erfolgte Übersiedlung des Meisters nach Berlin den wichtigsten Wendepunkt in seinem Leben, und es ist ganz augenfällig, wie von nun an nicht nur seine Produktionsfreudigkeit im großen zunimmt, sondern wie sich auch die künstlerischen Kräfte immer freier entfalten. In der Beziehung mutet die gegen Ende 1899 gemalte große „Salome“ im Besitz der Frau Carl Toelle in Barmen wie ein erster Auftakt auch zu einem neuen koloristischen Stil an, nicht nur weil die Farbigkeit rhythmisch mehr gesteigert ist, als auf früheren Bildern dieser Art, sondern weil auch der Pinselstrich an kaum verkennbarem Schmiß gewonnen hat. Aber auf diesem Werke überrascht auf der anderen Seite nicht minder auch die Diskretion, mit der Corinth hier eines der blutrünstigsten Themata der Kunstgeschichte behandelt hat. Nichts wild Perverses schlummert in dieser Salome, sondern — sähe man nicht den Kopf des Täufers — so käme man fast auf die Vermutung, Corinth habe hier eine jener morgenländisch heiteren Szenen aus „Tausendundeiner Nacht“ gestaltet, als sei es ein lustiges Spiel, den Vorstellungen eines fernen Traumlandes entnommen, was sich hier vor unseren Augen enthüllt (Abb. 46). Mehr Hauptaktrice in der Johannestragödie im wahrsten Sinne des Wortes als diese mit einem Unterton des Dekorativen inmitten einer orientalischen Szene behandelte blutdürstige Königstochter ist jene Eysoldt als Salome, die er später nach dem Leben gemalt hat (Abb. 51).

Berlin aber schenkte ihm vor allem einen Kreis innerlich verwandter Kollegen; es hat dem Hagestolzen sogar die viel jüngere sympathische Gattin in der Gestalt[S. 67] der begabten Malerin Charlotte Berend zugeführt, die eine Zeitlang seine Schülerin gewesen ist. Nur in Berlin ist Corinth auch als Lehrer denkbar gewesen, weil diese alles Neue begierig suchende Stadt auch mit Sicherheit der rechte Nährboden für einen stolzen künstlerischen Nachwuchs sein mußte. Und so ist auf diesem Boden des Meisters Schaffen nicht nur selbst ungeheuer reich gewesen, sondern es hat auch in höchstem Maße fruchtbar und anregend auf die jüngere Generation gewirkt.

Abb. 74. Kreuzabnahme. 1906. Im Besitze des Museums zu Leipzig. (Zu Seite 83.)

Sehr vieles wird im Laufe dieser Ausführungen noch hervorgehoben werden müssen, was im guten Sinne der Einfluß des oft zu Unrecht verkannten Berliner Kunstbetriebes, mehr vielleicht noch die imponierende junge Größe dieser Stadt, ihr starker Rhythmus innerlichen Lebens dem Meister vermittelt haben, und nicht minder scheint es begründet, gerade im Zusammenhang hiermit darauf hinzuweisen, daß die Lebensenergie dieser kosmopolitisch bewegten Zentrale überhaupt der deutschen Moderne den weitaus größten Wertzuwachs gegeben hat. Gerade im Geiste des in jenen Jahren anhebenden künstlerischen Kampfes, der mit der Begründung der Sezession einsetzt, erscheint das immer mächtiger sich entfaltende[S. 68] Schaffen Corinths doppelt erstaunlich. Es ist im letzten getragen und vorwärts getrieben von dem Rhythmus einer neuen Zeit, die den Persönlichkeitswert wieder zu schätzen weiß und mehr denn je nach ausgesprochenen Kämpfernaturen verlangt. Schade nur, daß uns für diese mehr als zwanzigjährige Entwicklung nicht auch autobiographische Notizen unseres Meisters zu Gebote stehen wie für seine Jugendzeit; man würde dann besser noch empfinden, was diese starke Persönlichkeit an das Leben gekettet hat, was ihren Kräften den unerhörten Auftrieb gab, dem wir fortan begegnen — und was den Kämpfer im Innersten mit seiner kleinen Sezessionsgemeinde verband. Etwas von diesen nicht zu entbehrenden Aufklärungen klingt in der schon erwähnten köstlichen Biographie seines Freundes Walter Leistikow wieder, die Corinth 1910 veröffentlicht hat, deren Wert daher immer wieder hervorgehoben werden muß. Aber gerade hier begegnen uns immer nur vereinzelte Momente, bei denen wohl die allgemeine Stimmung durchzittert, indes von sich selbst erzählt Corinth leider nur zu wenig.

Abb. 75. Selbstbildnis. 1907. Im Besitze der Kunsthalle zu Mannheim. (Zu Seite 86.)
Abb. 76. Fächer mit der Darstellung der tanzenden Salome. 1906. Im Besitze von Frau Mauthner, Berlin. (Zu Seite 86.)

GRÖSSERES BILD
Abb. 77. Die Blendung Simsons. 1907. In Mainzer Galerie. (Zu Seite 89.)
Abb. 78. Martyrium. 1907. Im Besitze des Künstlers. (Zu Seite 88.)

Übrigens erkennt man vielleicht auch nirgends die Schnellebigkeit unserer[S. 70] Zeit so klar wie in jenem verhältnismäßig doch sehr kurzen Kapitel Berliner Sezessionsgeschichte. Daß diese heute unbedingt ein Stück Historie ist, daß die an jener Stätte gezeigten Werke zum großen Teil bereits Besitz klassischer deutscher Kunst geworden sind, gibt nicht wenig zu denken, nicht minder auch, wie das schnelle Emporkommen gerade der Jüngsten das Tempo unseres Zeitalters auch künstlerisch kennzeichnet. Es mag bei dieser Gelegenheit deshalb daran erinnert werden, daß diese Zeit darum auch andere Menschen und eine neue Spezies von Künstlernaturen verlangt, deren Überzeugung aus dem Gefühl unserer Tage herausgewachsen ist, ja daß die ganze Vielgestaltigkeit unseres Zeitalters neue Menschen braucht, die den Mut des Bekennertums von Hause aus mit sich bringen. Für diese neue Zeit erscheint gerade Corinth als ein prachtvoll-vorbildlicher Typ.[S. 71] Er ist unbeirrt seinen künstlerischen Zielen mit einer selten wieder erlebten Treue gegen sich selbst nachgegangen, die staunen macht, und er hat die ihm von Natur angeborene geistige Überlegenheit auch im Dienste seiner Kunst wohl zu verwerten gewußt. Das macht ihn als Menschen und Künstler so prachtvoll groß, das wird unabhängig von der Qualität seiner malerischen Arbeit seiner Persönlichkeit immerfort einen hervorragenden Platz in der Geschichte unseres Jahrhunderts sichern. Es wäre verkehrt, von ihm zu sagen, daß er — kunsthistorisch gesehen — irgend[S. 72]eine Entwicklungslinie fortgesetzt und zu einem Endpunkt geführt habe, wie man es bei anderen Meistern unserer Zeit mit philologischer Akribie so gerne zu beweisen sucht, sondern bei ihm ist eine große Dosis echter Menschlichkeit, die in der bahnbrechenden Kunst alter Jahrhunderte lebt, in ein neues Gefäß gefüllt worden, und aus diesem Gefäß heraus hat sich der Zauber seiner Schöpfungen enthüllt. Vielleicht, daß man diesen letzten Reiz seinen Werken nur ablauschen kann, wenn man den Menschen kennen und lieben gelernt hat, diesen prächtig starken Geist, der um seiner herzgewinnenden Ehrlichkeit willen jeden, der das Glück hatte, ihm innerlich nahezutreten, in seinen Bann zieht. Man hat diesen Künstler Jahre hindurch verkannt und gering gewertet. Daran hatte er weniger Schuld als die Nüchternheit eines Jahrhunderts, der er die königliche Fülle seiner Phantasie schenkte. Man hat seinen Humor falsch gedeutet und den scheinbaren Realismus seiner Schöpfungen aus Empfindungen heraus verkehrt verstanden, die ganz und gar mit dem Künstlerischen nichts zu tun haben.

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Eine der ersten großen Schöpfungen der Berliner Jahre ist das Gemälde „Perseus und Andromeda“ (Abb. 41). Das Bild ist 1901 gemalt und gibt einen bedeutsamen Auftakt zu späteren Werken aus verwandtem Stoffgebiet. Und doch wird es immer für sich gewertet werden müssen, weil es eines der wenigen Gemälde ist, die wahrhaft monumental ansprechen. Wenn man durchaus kunstgeschichtliche Reminiszenzen hören will, dann kann man sagen, daß es über die Jahrhunderte hinweg unbedingt neben Pisanellos „Heiligem Georg“ in St. Anastasia zu Verona steht, jenem Bilde, auf dem sich das romantische italienische Mittelalter ein unvergleichliches Denkmal gesetzt hat. Mythologie (antik oder christlich bleibt eins) hier wie dort. Die etwas kokette Erscheinung der befreiten Schönen, der in mittelalterlicher Rüstung verkleidete Don Juan der antiken Göttergeschichte, alles ist hier mit modernen Augen gesehen, modern auch mit leuchtendem Kolorismus gemalt und voll der inneren souveränen Größe eines Künstlers, der fortan im Technischen nirgends mehr zaghaft erscheint. Nur wenige kräftige Linien geben der Komposition ihren Raumgehalt; ein taufrischer Humor hat die Szene verklärt.

Daß die Kräfte Corinths gerade in jenen Jahren seiner Berliner Frühzeit gewaltig gereift sind, ist unverkennbar. Immer mehr wird er zu einem Virtuosen des Pinsels, wenn das ominöse Wort gestattet sein mag. Aber innerlich stark steht er Porträtaufträgen doch nur dann gegenüber, wenn sie ihn — wie man das beim Bildnis des Dichters Peter Hille (heute im Besitz der Bremer Kunsthalle) deutlich genug empfindet — bedeutenden Persönlichkeiten nahebringen (Abb. 43). Dieses Bildnis steht in einer Linie mit dem Pfarrer Moser und dem Grafen Keyserlingk.

Abb. 79. Blick auf die Elbe bei Altona. (Zu Seite 104.)
Im Besitze der Kunsthalle zu Hamburg.

GRÖSSERES BILD
Abb. 80. Das Urteil des Paris. 1907. Im Besitze der Sammlung Rothermundt, Dresden. (Zu Seite 86.)

In dem Jahre 1902, in dem Corinth das Porträt des Peter Hille gemalt hat, begegnet uns zum erstenmal in seinem Schaffen jene Frau, die die Gefährtin seines Lebens, die Mutter seiner beiden prächtigen Kinder geworden ist, Charlotte Berend, die er als Schülerin kennengelernt und die sich inzwischen zu einer Künstlerin von ausgesprochener Eigenart entwickelt hat. Das erste Bildnis zeigt sie als Braut des Meisters mit dem Blütenzweig in der Hand, koloristisch[S. 73] sehr fein abgewogen, stehend vor grauem Hintergrund mit seitwärts gewandtem Kopf, der ein kräftig markiertes Profil erkennen läßt (Abb. 48). Wenn Corinth sich auf der Signatur noch als „der Herr Lehrer“ bezeichnet, so weist das humorvoll auf jenen rein äußerlichen Zufall, der den Hagestolzen spät der Ehe zugeführt hat. Ein etwas später, aber noch im gleichen Jahre entstandenes zweites Bildnis, das in jeder Beziehung ungleich intimer und persönlicher anspricht, zeigt die junge Gattin sitzend im Lehnstuhl, vollgetroffen von dem von außen durch das Fenster hereinbrechenden Tageslicht (Abb. 49). Wie hier das Antlitz in stille Beschaulichkeit versunken ist und das Licht die Fleischpartien modelliert und wie man die Empfindung hat, daß hier das Bewußtsein jungen Glückes dem Künstler bei seiner Arbeit helfend zur Seite gestanden, das gibt gerade diesem weiblichen Porträtstück einen unvergleichlichen Reiz und hebt es turmhoch über alle ähnlichen Frauenbildnisse, die Corinth im Auftrag irgendwelcher Besteller gemalt hat. Ein Denkmal dieser neuen beruhigten Stimmung, die das Schaffen des Künstlers in jenem Augenblick häuslichen Glückes überkommt, ist auch das dritte Bild, auf dem er sich ein Jahr später mit der Gattin im Arm selbstporträtiert hat, das von fern an das üppige Doppelbildnis Rembrandts mit Saskia in Dresden erinnert (Abb. 50). Vor einem Tisch mit Früchten und Wein sitzt der Künstler, das gefüllte Glas dem Beschauer darbringend. Frohe Sinnlichkeit atmet in diesem Werke, und auch die Farbe, das halb Visionäre des Bildes unterstreicht bewußt, aber auch mildernd, die auf Lebensbejahung und Daseinsfreude eingestellte Note der Szene, die man im Rahmen des Biographischen besonders gern willkommen heißt. — Das hier abgebildete Gemälde unter dem Titel „Fluch auf Saul“, das noch im Jahre 1902 entstand, existiert heute nur noch in einem Bruchstück. So köstlich die Erscheinung des Alten festgehalten ist, so wenig glücklich und gelöst spricht die Komposition an, und diese Erkenntnis wird auch den Meister veranlaßt haben, sein Bild später zu zerstören (Abb. 52). Dagegen zählt das unter dem Eindruck einer Aufführung von Oskar Wildes „Salome“ entstandene Porträt der Frau Eysoldt unbedingt zu den stärksten Leistungen auf dem Gebiet weiblicher Bildnismalerei, die Corinth gelungen sind. Die tierisch perverse Art dieser Salome ist ausgezeichnet getroffen, der skizzenhafte Schmiß täuscht bewußt über die abstoßenden Details der Szene hinweg, aber im ganzen wird man gerade diesem Bilde das Lob psychologischen Durchdringens im Motiv nicht vorenthalten können (Abb. 51). Koloristisch ist das Stück ganz auf einen kalten grau-weißen Ton gestimmt, von dem sich hier und dort die malerisch kräftig nuancierten Valeurs abheben. Vorgreifend mag gegenüber dieser Schöpfung weiter angedeutet sein, daß das literarische Schaffen der Zeit Corinth in der Folge mehr als einmal befruchtet hat; man denke nur an den später zu wertenden prachtvollen Florian Geyer, an das Bildnis der Frau Tilla Durieux und anderes mehr. Ja, ist nicht im Letzten die Vorstellungswelt gerade des bildenden Künstlers oft dem Theatralischen überhaupt verwandt! Von Rembrandt wissen wir, wie ganz bestimmte Szenen seiner Bilder und Radierungen den Eindrücken des Theaters seiner Zeit entsprungen sind, wie ihm der Bühneneindruck mit seinen festbestimmten Kulissendistanzen oft den Rahmen seiner Kompositionen gegeben hat, wie die visionäre Kraft seines Goldlichtes an dem durch die Bühnenbeleuchtung hervorgerufenen Widerspiel von Licht und Schatten entzündet[S. 74] wurde. Und auch in Corinths Schaffen wirkt eine so drastisch derbe Szene wie der hier farbig abgebildete „Kampf des Odysseus mit dem Bettler“, ebenfalls vom Jahre 1903, wie die Darstellung einer vor Zuschauern gegebenen Burleske. Denn hier ist alles auf den Betrachter hin orientiert, der Ansprung des „göttlichen Dulders“, der mit derber Faust seinem Gegner ins Antlitz greift, der Chorus der applaudierenden Männer und Weiber und das Geschlossene dieser Komposition überhaupt (Abb. 54). Hier begegnet der Meister uns aber auch so ursprünglich in seinem Temperament wie auf nur wenigen Schöpfungen dieser Jahre. Der Humor dieser Szene ist wirklich drollig, und wenn wir ehrlich sind, müssen wir auch gestehen, daß Corinth seinen Homer im Grunde viel besser verstanden hat, als jene oft klassisch verbildeten Philologen, die uns in unserer Jugend vor allem Derben und moralisch irgendwie Verletzenden behutsam durch Überspringen einiger Verse zu schützen suchten. So skizzenhaft übrigens das Bild — ausgenommen die Hauptgruppe — angelegt ist, so fein abgewogen ist es gerade in seinen koloristischen Werten. Dies warme Ziegelrot, das mit dem kühlen Silbergrau hier und dort kontrastiert, hebt sich aus der bräunlichen Gesamtharmonie fein heraus, so daß wir malerisch das Werk unbedenklich als eine der besten Leistungen bezeichnen dürfen. Von geradezu fabelhafter suggestiver Gewalt ist die Gruppe der Streitenden. Diese Akte sind in ihrer Bewegung meisterhaft erfaßt und bis[S. 75] ins letzte durchmodelliert. Hier spricht eine Könnerschaft, die immer exzeptionell bleibt und zeichnerische Schwierigkeiten überhaupt nicht mehr kennt. Dieses Bild aber steht als Mittelglied zwischen dem in München gemalten „Diogenes“ und allen nachfolgenden, von der griechischen Mythologie angeregten Szenen, die nicht immer ähnlich ursprünglich gesehen, meistens aber doch von derselben frohen Lust erfüllt sind und alles klassisch Verklärte mit Bewußtsein meiden. — Wie ein Bruder jenes Bettlers auf dem Odysseusbilde mutet der in dem von reicher Produktion gekrönten Jahre 1904 entstandene „Tanzende Derwisch“ an, der ganz als Skizze behandelt ist, aber was Meisterschaft in der Bewältigung eines vom derben Tanz bewegten Körpers anlangt, seinesgleichen sucht (Abb. 57). Als Beweis für die souveräne zeichnerische Könnerschaft unseres Künstlers verdient er darum auch an dieser Stelle hervorgehoben zu werden.

Abb. 81. Paul Baum. 1908. Im Besitze der Galerie Arnold, Dresden. (Zu Seite 96.)

Vielleicht leitet er unbewußt zu einer größeren Komposition über, die einer ähnlichen Freude am menschlichen Akt ihre Entstehung verdankt, jener köstlichen Haremsszene, heute bei Generaldirektor Dr. h. c. Ganz in Luzern, die ganz wie ein hohes Lied üppiger Sinnlichkeit verstanden sein will (Abb. 58). Ich glaube sogar, daß es einem Rubens (und wen packte nicht gerade vor einem solchen Werke die Erinnerung an den großen Flamen!) kaum besser gelungen ist, das Fleisch eines Frauenkörpers in seiner stolzen Üppigkeit so sinnfällig zu machen, wie man es hier empfindet. Dabei ist gerade dieses Bild voll von einer reinen künstlerischen[S. 76] Schönheit, wenn man sieht, wie aus dem Licht heraus die malerischen Werte entwickelt sind, wie wunderbar weich z. B. der Rückenakt modelliert ist und wie die Skala engverwandter Töne in der Erscheinung des Haremswächters ihren letzten Ausklang erlebt. Auch dieses Bild hat daher den Anspruch als eines der Hauptwerke im Rahmen des Corinthschen Schaffens gewertet zu werden.

Abb. 82. Deutsche Eiche. 1908. Im Besitze des Herrn Paul Cassirer, Berlin. (Zu Seite 96).
Abb. 83. Die Familie des Künstlers. 1909. Im Besitze des Kestner-Museums zu Hannover. (Zu Seite 98.)

Das überaus fruchtbare Jahr 1904 erhält eine besondere Bedeutung auch durch die imponierende Zahl zeitgenössischer männlicher Porträts, die mittelbar die engen Zusammenhänge unseres Meisters mit dem übrigen geistig-künstlerischen Leben seiner Epoche dartun. Allen voran ist hier das einfach erfaßte, aber von hoher geistiger Kraft und starker Charakteristik erfüllte Bildnis des Malerkollegen Hans Olde zu nennen, dem Corinth von der Löfftzschule her befreundet gewesen ist (Abb. 65). Daneben fesselt das auf den ersten Blick vielleicht ein wenig fremdartig ansprechende Bildnis des Dichters Gerhart Hauptmann, der — wie wir sehen werden — mittelbar durch sein Schaffen in die künstlerische Entwicklung Corinths mehr als einmal eingegriffen hat. Dieses Hauptmann-Porträt versucht mit aller Energie das geistig Bedeutsame des interessanten Kopfes auszudrücken, und man darf sagen, daß in diesem Antlitz wirklich ein Widerschein jener Stunden aufzuleuchten scheint, die uns die „Versunkene Glocke“, den „Florian Geyer“ und so vieles andere geschenkt haben (Abb. 53). Als malerische Leistung erscheint das[S. 77] ebenfalls in diesem Jahre gemalte Bildnis des Pianisten Conrad Ansorge (heute im Besitze der Sezessionsgalerie in München) ungleich bedeutender (Abb. 62). Aber auch dieses Porträtstück kann die Höhe einer der geistigen Größe des Dargestellten gleichwertigen Potenz im Künstlerischen nicht verleugnen. Wie hier der Pianist ganz zufällig in seinem Garten sitzt — der für sich betrachtet ein köstliches Landschaftsbild darbietet — wie aber trotzdem das durchfurchte Antlitz, hinter dem eine echte Leidenschaft zu schlummern scheint, das Auge des Betrachters immer wieder in seinen Bann zieht, das zeugt von einer selbstverständlichen Größe des Einfühlens in das Wesensstarke des Dargestellten, die staunen macht, die mehr noch die Diskretion in der Bewältigung einer so schwierigen Aufgabe, wie sie nur der höchsten Könnerschaft zu lösen vergönnt ist, bewundern läßt. Man darf sagen, daß Corinth auch in späteren Jahren über diese Summe künstlerischer Intuition bei Porträtaufgaben nicht hinausgekommen ist, vielleicht weil ihm fast nie wieder[S. 78] ähnliche Menschen begegnet sind, die ihn um ihrer Bedeutung willen innerlich in gleichem Maße erregt haben; es sei denn, daß man ihn selbst mit seinen Selbstbildnissen in eine Parallele dazu stellen will.

Abb. 84. Stilleben mit Porzellanfigur. 1912. Im Besitze der Galerie Arnold, Dresden.

Aus dem fruchtbaren Jahre 1904 stammt noch die prächtige Szene unter dem Titel „Frauenräuber“, die ähnlich monumental empfunden ist wie das früher genannte Gemälde „Perseus und Andromeda“, das als eines der ersten vorbildlichen Werke auf Berliner Boden gewertet wurde. Beide Bilder stehen in Thema und Behandlung wie zwei Geschwister nebeneinander, und was jenem zuerst erwähnten Werke im besonderen nachgerühmt werden konnte, trifft unbedingt auch auf die zuletztgenannte Schöpfung zu. Dagegen ist der „Blühende Garten“ vom gleichen Jahre auch in diesem Zusammenhang nicht zu übersehen, weil er wieder einmal ein Beispiel reiner Landschaftsmalerei ist, der Corinth eigentlich erst in den letzten zehn Jahren in wahrhaft großem und alles überragenden Stil nachgegangen ist (Abb. 56).

Abb. 85. Die Versuchung des heiligen Antonius. 1908. Im Besitze des Herrn Paul Cassirer, Berlin. (Zu Seite 96.)

GRÖSSERES BILD

Im ganzen aber haben die hier behandelten Beispiele seiner Kunst unzweifelhaft dargetan, daß Corinth auf dem Boden der Reichshauptstadt einen Auftrieb seiner künstlerischen Kräfte erlebt hat, der nicht zu verkennen ist. Nicht nur weil die glückliche Wendung seines äußeren Lebens ihr Teil dazu beigetragen hat, ihm wirkliche Schaffensfreudigkeit zu geben, sondern weil das hastende Gebrause einer Weltstadt ihn innerlich mehr als einmal ergreifen mußte. Wir sehen ihn geradezu als einen Repräsentanten dieser neuen Zeit, und die Geschichte der Sezession beweist, daß er nicht minder auch einer ihrer besten Vorkämpfer gewesen ist. Künstlerisch greift sein Schaffen immer weiter aus. Während er der Malerei seine[S. 80] Hauptarbeit widmet, werden seine radierten Blätter, seine Zeichnungen und Lithographien zu Zeugnissen besonderer Art, die vereinzelt sogar noch vernehmlicher von seiner hohen Menschlichkeit künden. Diesem Teil seiner Tätigkeit wird der Biograph zwar späterhin noch in besonderer Weise gerecht werden müssen, aber trotzdem mögen an dieser Stelle schon jene frühen Arbeiten gewertet werden, die leider nur noch in zwei Exemplaren vorhanden sind, in Wien und Hamburg, und dennoch den kleinen Zyklus von „Tragikomödien“, der im Jahre 1894 begonnen wurde, unter Kennern sehr berühmt gemacht haben.

Denn in der Tat sind diese Blätter Zeugnisse von einer unverwüstlichen und weitausgreifenden künstlerischen Phantasie, der sich — so oft sie nur will — auch Episoden der Geschichte durchaus modern offenbaren. In diese kleine Folge spukt alles hinein: Heidentum und Christentum, Vorgeschichtliches und historisch Überliefertes; den Ausschlag aber gibt für die Beurteilung einzig und allein der Grad von Können, der diesem Meister des Stiftes eigen ist. Ich habe bei einem flüchtigen Besuch der Wiener Albertina das eine vollständige Exemplar dieser Tragikomödien eingesehen und einige lose Notizen aufgezeichnet, die ihren Inhalt näher umschreiben: Auf dem Titelblatt sieht man eine Frauenbüste, darüber einen Schweinskopf, eine Arbeit, die, wenn sie nicht von Corinth wäre, nur Felicien Rops zum Urheber haben könnte. Das erste Blatt der Folge zeigt das Auge Gottes, eine auf einem Faun reitende Frau und daneben einen fetten Kerl. In der Mitte hält ein riesiger Arm ein Herz auf der Wage. Was Corinth hier verspotten wollte, bedarf kaum einer Erklärung. Auf dem zweiten Blatt sieht man den Auszug der Weiber von Weinsberg, mit der mittelalterlichen Stadtsilhouette im Hintergrunde (Abb. 59). Eine berückend stilechte Schilderung der Zeit von köstlicher Komik. Wie die hageren Männer ihren Ehehälften auf dem Rücken sitzen, wie die Soldaten staunend dem Auszug dieser viel zu mutigen Weiber zuschauen, das ist von einer so eindringlichen Drastik, daß man kaum noch den Sinn dieser Sage anzudeuten braucht. Das dritte Blatt schildert mit einem fast allzu stark betonten Realismus den Gang der Königin Marie Antoinette zum Schafott unter Trommelwirbel und dem Gekreisch der Marktweiber (Abb. 60). Auf einem weiteren Blatt versucht mit spöttisch-überlegenem Geist der Künstler seinen Übermut an der Legende von der Versuchung des heiligen Antonius zu kühlen. Hier sieht man ein Weib auf den Schultern eines Faunes reiten als Symbol für den Kampf christlicher Moral gegen die Sinnenlust des Fleisches, während das nächste Blatt in den Personen von Alexander dem Großen und Diogenes die Paradoxe des ruhmseligen Tatendranges und sogenannter Alltagsweisheit verkörpert. Köstlich ist auch die auf dem sechsten Blatt festgehaltene Parodie, wie Joseph dem Pharao seine Träume deutet, diese Mischung jüdischer Geschwätzigkeit und eines archaistisch, fast stilecht gesehenen altägyptischen Milieus (Abb. 61), dem das Schlußblatt einer chaotischen Walpurgisnacht mit ungeheuerer Turbulenz gegenübersteht.

Abb. 86. Der Apostel Paulus.
Flügelbildnis vom Altargemälde „Golgatha“. In der Kirche von Tapiau.
(Zu Seite 98.)

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Alles in allem begegnet uns gerade auf diesem, leider fast völlig unbekannt gebliebenen Zyklus von Radierungen die Überlegenheit einer Weltanschauung im Verein mit dem sprudelnden Reichtum einer echten Künstlerphantasie, die an keinerlei Grenzen mehr gebunden zu sein scheint, und vielleicht hat sich auch[S. 83] die Ursprünglichkeit dieses Temperamentes nirgends ein ähnlich überzeugendes Denkmal gesetzt, denkt man nicht an jene künstlerisch allerdings ungleich stärkeren Zyklen der letzten Jahre wie den „Götz“ oder „Luther“.

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Nach dieser im Hinblick auf das malerische Schaffen notwendigen kurzen Ablenkung soll das nun anhebende Kapitel ausschließlich der künstlerischen Produktion des Jahres 1905 gewidmet sein.

Ein weiteres Selbstbildnis des Meisters, auf dem er sich als „grölender Bacchant“ karikiert hat, mag den Auftakt geben. Es ist für sich wiederum ein Beweis von jener dionysischen Lebenslust, die in Augenblicken das Schaffen Corinths verklärt hat und für die wir ohne Mühe in den Werken alter Meister Gleichnisse finden. So denkt man vor diesem Bilde an Brouwer, an den Simson, der an seinen Ketten rüttelt, so wie ihn Jan Steen geschildert hat, und an vieles andere, was mit Worten einfach nicht zu erschöpfen ist. Mag das Gemälde auch für sich einer noch so übermütigen Laune des Augenblicks entsprungen sein, malerisch ist es eine Leistung von unvergleichlich hohem Range. Wie hier die derbe Grimasse mit wenigen kräftigen Pinselstrichen festgehalten, wie alles nur skizzenhaft und doch von einer ursprünglichen Wucht des künstlerischen Temperamentes umrissen ist, das gibt dieser kleinen Probe malerischen Könnens seinen einzig dastehenden Wert (Abb. 62). In der Technik nähert sich gerade dieses Bild schon ganz den Spätwerken eines Hals. Denn jeder Pinselstrich ist mit dem Spachtel hingemeißelt. Wie das Weinlaub im Haar nur mit zwei, drei vom Lichte gehöhten Farbflecken angedeutet ist, so sind auch die Furchen des Antlitzes beinahe plastisch aus der Farbe herausmodelliert worden. — Technisch steht dem Bilde das prächtige Porträt eines Hundes nahe, das Corinth für einen Wiener Bekannten gemalt hat und das als Stück bravouröser Malerei einen hohen Rang beanspruchen darf (Abb. 70). Trübner hat ähnlich einmal eine Dogge gemalt, aber an Verve ist er doch mit seinem Hunde hinter dieser Corinthschen Bestie zurückgeblieben. Derartige Schöpfungen wollen im Sinne dieser biographischen Darstellung weniger neue Belege für das längst begründete Können unseres Künstlers, als vielmehr Beispiele seiner umfassenden malerischen Begabung vermitteln, während andere Werke aus dieser Zeit sicher unmittelbarer den Blick zur Werkstatt des Künstlers hinlenken und seiner Sinnesart einen weitaus besseren Ausdruck gewähren. Als ein solches Bild sei an dieser Stelle die „Kindheit des Zeus“ notiert, die dem „Kampf des Odysseus“ sehr nahe steht und doch im Sinne der Komposition von jenem wiederum stark verschieden ist (Abb. 71). Nicht nur, weil eine größere Freiheit der Bewegung diese durchweg gleichmäßig behandelten Gestalten beherrscht, sondern weil auch die Landschaft hier bei der Komposition wesentlich mitspricht und das Burlesk-Dionysische kräftig unterstreicht. Das ist ein echtes Stück mythologischen Lebens, so wie es die Kunstanschauung eines reinen Naturvolkes erfunden und gestaltet hat, und es ist wichtig, auch an dieser Stelle wiederum zu betonen, daß der kräftige Realismus solcher und ähnlicher Szenen besser jene ursprüngliche Note trifft als alles, was die Kunst vor solchen Motiven mit dem Kulturgehalt unserer Zeit und einem fein abgewogenen, aber doch wohl meist unechten Sentiment erfüllt hat. Vielleicht erkennt man den Menschen Corinth[S. 84] nirgends besser als auf derartigen Schöpfungen, wo seiner Phantasie keine Grenzen gezogen sind, aber seiner ursprünglichen und stammesechten Art die schönsten Möglichkeiten zum künstlerischen Ausleben dargeboten werden. Im übrigen braucht man an die malerischen Vorzüge, an die zeichnerische Pracht eines solchen Bildes kaum noch besonders zu erinnern, weil der artistische Reiz mit völliger Selbstverständlichkeit vor unser Bewußtsein tritt.

Abb. 87. Tilla Durieux als spanische Tänzerin. 1908. (Zu Seite 93.)

Aus dem gleichen Jahre stammt noch das hier abgebildete Gemälde „Unter dem Kronleuchter“, das in einem köstlichen Farbenmosaik das Flackernde des Kronleuchters, den Glanz von Gläsern und Tellern eingefangen und im ganzen eine Interieurstimmung von äußerst intimem Reiz festgehalten hat (Abb. 68).[S. 85] Ferner muß in diesem Zusammenhang das gleichfalls 1905 unter dem Titel „Mutter und Kind“ gemalte Bild genannt werden, das wiederum ein kleines Stück persönlicher Lebensbeichte bedeutet, da die Dargestellte die Gattin des Meisters und der nackte kleine Kerl auf ihrem Schoße der Erstgeborene des Künstlers, sein Sohn Thomas ist (Abb. 64).

Abb. 88. Bildnis des Schriftstellers Kerr. 1907. Im Besitze des Künstlers.
(Zu Seite 91.)
Abb. 89. Kreuztragung. 1909. Im Besitze des Künstlers. (Zu Seite 96.)

GRÖSSERES BILD
Abb. 90. Golgatha. Altargemälde. In der Kirche zu Tapiau. Mit Erlaubnis von Paul Cassirer, Berlin. (Zu Seite 98.)

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Unter den zahlreichen Werken des folgenden Jahres steht die heute im Leipziger Museum befindliche „Kreuzabnahme“ obenan (Abb. 74). Ja, man kann sagen, wenn der Satz, daß die reine Kunst überhaupt mit dem Motiv nichts zu[S. 86] schaffen habe, vor einem einzigen Bilde zu erhärten wäre, man hier die Probe aufs Exempel machen könnte. Denn hier ist alles groß gesehen, die malerische Komposition, die in der Mitte durch den Kreuzesstamm ihre Achse erhält, die Art, wie die Gruppe vor den Abendhimmel gestellt ist, wodurch dem Licht wiederum die Rolle des eigentlichen Lebensfaktors zuerteilt wurde, das Gedankenvolle auf den einzelnen Gesichtern der Menschen und die Verschiedenartigkeit ihrer Temperamente, der Gegensatz zwischen dem von hinten gesehenen, derb und teilnahmlos dreinschauenden Kriegsknecht und der schmerzerfüllten Frauengruppe der rechten Hälfte. Nichts ist auf diesem Bilde übertrieben, das Großartigste an malerisch zeichnerischem Können bedeutet aber doch der vom Kreuze herabgeholte Heiland, dessen müdes Dahinsinken ganz meisterhaft gesehen ist. Das Leipziger Museum darf sich zu diesem von einem Kunstfreunde gestifteten Werke aufrichtig beglückwünschen.

Abb. 91. Studie zur Kreuztragung. (Zu Seite 98.)
Abb. 92. Federzeichnung nach einer Frauenhand. (Zu Seite 108.)
Abb. 93. Mutter und Kind. Radierung.

Leider ist die hier abgebildete, nicht ohne einen Stich ins Burleske gegebene Komposition „Venus und Mars“ in diesem ursprünglichen Zustand nicht mehr erhalten, da der fettleibige, vielleicht doch gar zu unhellenisch wiedergegebene Kriegsgott später der Zerstörungswut des Künstlers zum Opfer gefallen ist (Abb. 72). — Dagegen ist der hier abgebildete Fächer, den Corinth für Frau Mauthner in Berlin gemalt hat, als Beweis für das gelegentlich von ihm versuchte Übergreifen auf rein dekorativ kunstgewerbliche Gebiete (dem auch seine seltenen Theaterentwürfe für Reinhardt beizurechnen sind) (Abb. 55) gewiß nicht ohne Interesse, obwohl gerade die hier gegebene Darstellung der tanzenden Salome in ihrer starken Anlehnung an archaistische Vorbilder viel unpersönlicher anspricht als alle zuletzt behandelten Arbeiten (Abb. 76). Auf einem Selbstporträt des nächstfolgenden Jahres (1907) erscheint Corinth mit entblößtem Oberkörper, das Glas Wasser in der Hand, auf dem Haupte ein lang herunterhängendes Tuch gewissermaßen als „ouvrier par excellence“. Und doch webt gerade in diesem Antlitz ein nachdenklicher Ernst, eine verhaltene Energie, die der etwas derben Physiognomie eine Art höherer Vergeistigung verleiht (Abb. 75). Ist es vielleicht auch nicht das sympathischste unter seinen zahlreichen Selbstbildnissen, so sicherlich doch eines des besten, was malerische Verve und starke Charakteristik anlangt. Technisch spielt auf diesem Bilde der Spachtel eine Hauptrolle, der noch stärker auf einem anderen Werke des gleichen Jahres, dem in der Dresdner Sammlung Rothermundt befindlichen „Urteil des Paris“ in die Erscheinung tritt (Abb. 80). Setzt das Bild im Thema die Reihe der schon[S. 87] bekannten, der homerischen Götterwelt entnommenen Szenen fort, so steht es eben in der technischen Behandlung sehr im Gegensatz zu allen früher erwähnten Werken dieser Art; denn es ist kräftiger in der Betonung der farbigen Valeurs und dabei im ganzen doch auf eine seltsam transzendentale Note gestimmt, so daß man fast den Eindruck bekommt, als spiele sich diese entzückend naive Szene hinter einem ganz feinen, kaum fühlbaren Nebelschleier ab. Dadurch wird die Illusion bedeutend erhöht, und das Wirklichkeitsmoment zugunsten einer gewollten Verklärung merklich zurückgedrängt. Das Bild atmet in jeder Beziehung eine fast arkadische Heiterkeit. Die Freiheit der Komposition, die durch den schönen Akt der Liebesgöttin in sich zusammengehalten wird, berührt ebenso wohltuend wie das Gegenüber der beteiligten Gruppen, links der Göttinnen, rechts des Paris mit seinen Schafen und des im Hintergrunde harrenden und doch der Szene nicht sehr diskret beiwohnenden olympischen Sendboten. Besonders fein ist auch der Ausblick auf das Meer gegeben, das hinter der göttlichen Venus sichtbar wird wie ein feiner Hinweis auf die Geburt der Anadyomene. In sich[S. 88] aber ist die Gruppe durch die Handlung zu einer köstlichen Konzentration gekommen. Wie die beiden Göttinnen neiderfüllt der nackten Aphrodite zuschauen, wie Paris halb noch zögernd den Apfel wägt und doch bereits durch das Versprechen der Verführerin gelockt wird, das ist alles sehr fein und diskret, aber auch mit einer meisterhaften Überlegenheit angedeutet.

Abb. 94. Susanna im Bade. 1909. In Berliner Privatbesitz. (Zu Seite 97.)
Abb. 95. Gott Bacchus. 1909. Im Besitze des Museums zu Königsberg i. P. (Zu Seite 97.)
Abb. 96. Bildnis des Anatomen Edinger. 1909. (Zu Seite 97.)

Dieser heiteren dionysischen Welt stehen zwei andere Schöpfungen aus dem gleichen Jahre mit einem fast zu brutalen Realismus gegenüber. Das groteske, „Martyrium“ genannte Werk aus dem Besitze des Künstlers will nicht als Kreuzigung im Sinne der Bibel verstanden sein. Hier mag Corinth in erster Linie die Anatomie dieses von einem Kreuzesstamm hängenden Körpers zur Darstellung gereizt haben, die ja in der Tat auch mit einer unvergleichlichen Könnerschaft ergründet worden ist (Abb. 78). Der Meister hat dem Schreiber dieser Zeilen erzählt, wie er sich zu dem Zweck einen Athleten bestellt hatte, der im Atelier immer für einige Minuten — solange er es überhaupt ertragen konnte — an einem Pfosten in die Höhe gezogen wurde und wie er seine Helfer bei dem[S. 89] etwas grausigen Handwerk gleich mit auf dem Bild verewigt habe. So ist diese etwas blutrünstige Szene entstanden, die letzten Endes doch nur dartut, wie reiner künstlerischer Wissensdurst der Antrieb zu dieser Schöpfung gewesen ist. — Auf einen verwandten Ton ist die ebenfalls im Jahre 1907 entstandene „Blendung Simsons“ (heute als Stiftung von Alfred Ganz in der Mainzer Galerie befindlich) gestimmt, die Corinth selbst einmal als sein bestes Werk bezeichnet hat (Abb. 77). Und diese hohe Wertung kann kaum überraschen. Mag man unwillkürlich vielleicht auch vor diesem Bilde an Rembrandts Gemälde im Frankfurter Städelschen Institut erinnert werden, weil hier wie dort das Hinstürzen eines athletischen Menschen das Leitmotiv der bildlichen Verkörperung ist, so unterscheidet sich doch Corinths Darstellung in jeder Beziehung von dem älteren Vorbilde. Dort ist alles auf den Effekt des silbrig-bläulichen Lichtes hingearbeitet, der der Komposition entfernt etwas von Theaterpathos gibt; hier dagegen handelt es sich fast ausschließlich um die Anatomie des Künstlerischen, d. h. um die Bewältigung dieses vor Wut aufbrüllenden Riesen. Wie der Körper diagonal im Raum steht, wie der Kerl rechts sich mit der Masse seines Gewichtes auf den überwundenen Feind geworfen, wie Simson mit der Linken den Kriegsknecht am Halse würgt, selbst wie Delila im Hintergrund, über die Bettlehne gebeugt, ihrem verräterischen Triumph beiwohnt, das ist von einer die ganze Szene erfüllenden[S. 90] dramatischen Leidenschaft, die auch in einem so reichen Lebenswerk einzig ist. Und fast möchte man sagen, daß die malerische Technik auch von der Vehemenz der Handlung durchdrungen sei, so hat der Spachtel besonders im unteren Teile mit breit hingemauerten Farbflecken gearbeitet. Aber vor diesem hervorragenden Meisterstück wird einem der eigentlich für jedes große künstlerische Schaffen Geltung habende Satz wieder zum Bewußtsein gebracht, daß nämlich immer nur in wenigen Arbeiten dem Genius der große Wurf gelingt, daß oftmals zehn, auch zwanzig Bilder mittleren Ranges (wobei man diesen Ausdruck im Sinne der an sich hohen Qualität des Corinthschen Schaffens nicht mißverstehen darf!) not[S. 91]wendig sind, um die Kräfte eines Künstlers ganz für eine Hauptschöpfung seines Lebens reif werden zu lassen. Denn so hoch auch an sich gerade die malerische Produktion des Jahres 1907 im Schaffen unseres Meisters steht, so wenig reichen doch andere Arbeiten dieser Zeit an die „Blendung Simsons“ heran. Das gilt bei aller augenfälligen malerischen Schönheit, die hier helle sonnengehöhte Töne sucht, ebenso von den „Händen mit Blumen“, einem delikaten, fast stillebenhaft anmutenden Bildnis der Gattin (Abb. 66), wie von dem im ersten Augenblick sehr fremdartig wirkenden Porträt des Schriftstellers Alfred Kerr (Abb. 88). Aber gerade an diesem Gemälde stellen wir die schon oft betonte souveräne Art fest, mit der Corinth einem geistig verwandten männlichen Modell gegenübersteht. — Als eine der seltenen Proben für die Landschaftsmalerei des Künstlers aus dieser Zeit sei endlich noch die flott hingesetzte „Eisbahn“ erwähnt. Das Motiv[S. 92] zu diesem Bilde lieferte das winterliche Treiben auf dem Neuen See im Tiergarten zu Berlin (Abb. 73).

Abb. 97. Totenklage. 1908. Im Kestner-Museum zu Hannover. (Zu Seite 96.)
Abb. 98. Pferdestall.

Nach dieser kleinen Auswahl von Werken aus der reichen Ernte des Jahres 1907 kann man vielleicht sagen, Corinth habe damals schon die Höhe seines Schaffens erklommen. Denn in der Fülle der Gesichte lebt eine Farbenfreudigkeit auf, die alles Bisherige in Schatten stellt. Wir sehen den Meister im Vollbesitz aller Mittel, die ihm die Herrschaft über die Form sichern, wir sehen ihn in seiner Arbeit bis an die Grenzen höchsten monumentalen Wollens vorwärts getrieben, und doch bleibt auch in der Folge noch unendlich viel, was mindestens auf der gleichen Höhe steht, im einzelnen sogar sein Schaffen menschlich noch mehr vertieft. Aber im Vergleich zu dem übrigen deutschen künstlerischen Mühen dieser Jahre erscheint die Persönlichkeit unseres Meisters fast singulär. Während der sogenannte Impressionismus (eine Kennzeichnung der Richtung, die auf Corinths Schaffen im ganzen vielleicht überhaupt nicht zutrifft) sonst in Deutschland beinahe schon zu einer Art Rezeptmalerei geworden ist, bricht er aus Corinths Seele mächtig und impulsiv hervor, und kein Bild entsteht von ihm, das man nicht unter Hunderten des übrigen zeitgenössischen Schaffens durch die Handschrift des Meisters sofort erkennen würde. Dem Blick des Betrachters aber öffnen sich auf diesen Werken alle Tiefen einer von starker Leidenschaft gehöhten Gedankenwelt; überall empfindet man das nachhaltige innere Erlebnis, das in der Farbe nach Ausdruck ringt, und dieses Moment charakterisiert auch alle Schöpfungen der nachfolgenden Jahre.

[S. 93]

Abb. 99. Reiter. 1911. Im Besitze des Herrn Rittmeisters von Wrede, Hannover.

Wie die Eysoldt als Salome, so erinnert das 1908 gemalte Porträt der Frau Tilla Durieux als spanische Tänzerin wiederum an bühnenmäßige Eindrücke (Abb. 87), wie sie sich stärker noch in jenem unvergleichlichen Bildnis Rudolf Rittners als Florian Geyer zu einem Ewigkeitssymbol verdichtet haben (Abb. 1). Vielleicht daß dieses heute in der Galerie Toelle befindliche Werk überhaupt den nie wieder erreichten Höhepunkt moderner Porträtmalerei bezeichnet, vielleicht daß der Eindruck nur auf uns, die wir im Banne der Hauptmannschen Dichtergröße stehen, so unaussprechlich bezwingend wirkt. Aber das eine muß solchen Erwägungen gegenüber doch betont werden, daß diese Schöpfung in nichts mehr an der bloßen theatergemäßen Reminiszenz klebt. Mag es Rudolf Rittner, der unerreichte Verkörperer der Hauptmannschen Gestalt sein oder sonstwer, vor dem Ahnen dieses mutigen und doch halb verzweifelten Draufgängertums, das uns, einerlei in welches Gewand es auch gekleidet sein mag, fabelhaft echt, ja symbolisch anspricht, tritt der Gedanke an den Darsteller und die Darstellungskunst von selbst zurück. Auf diesem Bilde ist das ganze Mittelalter, die Tragödie des Rittertums im besonderen, Fleisch und Blut geworden. Hier hat ein Ge[S. 94]danke Form gewonnen, der ähnlich bezwingend nur in Verrocchios Colleoni lebt, diesem höchsten Denkmal mittelalterlichen Kondottierentums. Wer nach hundert Jahren dies Bild sehen wird, muß erstaunt sein über die gottbegnadete Kraft eines Menschen, der im zwanzigsten Jahrhundert noch so echte Töne für den damals die Weltgeschichte bestimmenden Gedanken längst verklungener Zeiten gefunden hat. Aber vielleicht sind es überhaupt nicht historische Dinge, die hier Gestalt geworden sind; vielleicht wird auch die nachfolgende Epoche immer das in diesem Meisterwerk empfinden, was seine Erscheinung gar nicht mehr an Zeitgrenzen kettet, das allgemein Menschliche, das überall mit dem Tragischen verschwistert ist, den Kampf des Mannes schlechthin gegen die dräuenden Gefahren der Welt, das Schicksal eines jeden von uns, das uns mit jedem neuen Tag dem Streit entgegenführt, auch wenn wir nicht das blanke Schwert in der Rechten und die zerfetzte Fahne in der Linken tragen. Gerade die geistige Verklärung dieses Florian[S. 95] Geyer ist so bezwingend stark, daß das Bild wie von selbst auch über die eng gestellte Spanne, wo es zunächst aktuell gewesen, hinauswächst; ja man möchte behaupten, daß hier gar nicht Rudolf Rittner porträtiert wurde, sondern daß sich in diesem Bilde der Künstler selbst wiedergefunden hat. So steht das Bild gewissermaßen auch als Symbol über dem Leben und künstlerischen Werden unseres Meisters, wie sich ein jeder darin entdecken mag, dem hier vertraute Klänge begegnen. Malerisch ist der Florian Geyer zweifellos eins der besten Werke des Künstlers. Der stahlblaue Ton der Rüstung beherrscht wundervoll die ins bräunlich Warme verklingende Gesamtharmonie, und die Durchbildung des Kopfes mit seinen Furchen und einer vor Ingrimm verhaltenen Leidenschaft spottet jeglicher Beschreibung.

Abb. 100. Donna gravida. 1909. Im Besitze der Kunsthandlung Carl Nicolai, Charlottenburg. (Zu Seite 97.)
Abb. 101. Der Fahnenträger. 1911. Im Besitze des Herrn Paul Cassirer, Berlin. (Zu Seite 102.)

[S. 96]

Vielleicht wird es schwer, nach diesem neuen Höhepunkt, den die Kunst unseres Meisters erklommen, noch die Fühlung mit dem übrigen Schaffen des Jahres 1908 zu gewinnen, obwohl uns eine ganze Anzahl ähnlich meisterhafter Schöpfungen gerade in diesem Zeitabschnitt begegnen. An erster Stelle sei hier ein wenn auch nur indirekt biblisch anmutendes Thema genannt, das Corinth in seiner „Totenklage“ zu gestalten versucht hat, heute im Besitz des Kestner-Museums in Hannover (Abb. 97). Bei diesem Werke liegt der Nachdruck ähnlich wie bei der „Blendung Simsons“ auf der kompositionellen Vertiefung, die in der kauernden Gestalt des Mittelgrundes ihren starken Pol besitzt. Wie die athletische Erscheinung dieses Körpers und des erschlagenen Jünglings vom Licht umspielt ist, wie sich alle Gestalten beinahe riesengroß von dem leuchtenden Abendhimmel abheben, das ist von suggestiver Gewalt und einer unerhört großen monumentalen Pracht. Sie leidet auch nicht unter der vielleicht zu theatralisch akzentuierten Klage um den Gefallenen, noch weniger unter dem bizarren Gefühlsausdruck der die Haare raufenden Mutter rechts im Hintergrunde. Bedeutsam allein bleibt das Michelangeleske der Hauptgruppe, das ganz von selbst zum Bewußtsein kommt.

Als Komposition großen Stiles, als eine von Rubensschem Geist erfüllte Szene, die im letzten trotzdem des älteren Vorbildes spottet, mag hier die große Darstellung der „Versuchung des heiligen Antonius“ vom gleichen Jahre angeschlossen sein (Abb. 85). Das Bild wirkt wie eine Orgie der Sinnlichkeit und ist zugleich eines der am stärksten dekorativ empfundenen Werke dieser Epoche. Ganz wundervoll ist dem Gewirr der linken Bildfläche mit ihren lebensvollen Frauenakten die fast von klassischer Ruhe erfüllte rechte Hälfte gegenübergestellt. Orientalisches mischt sich mit jener derb zugreifenden Sinnenlust, die im Körper des Büßers alle Pulse in Bewegung bringt und dem fast schreckerfüllten Ahnen seines Unterliegens eine tragische Weihe verleiht. Indes gerade auf dieser Schöpfung tritt das Thema bescheiden hinter seiner eigentlichen malerischen Gestaltung zurück. Wie in einem funkelnden Mosaik spielen alle Klänge der Palette gegeneinander, die Wucht des Pinsels mauert hier unter dem Eindruck des Lichtes die höchsten farbigen Werte, und das Ungewollte, völlig Unakademische der Komposition (wann wäre der Meister einmal auch nur entfernt akademisch gewesen!) sichert dem Ganzen den Ausdruck starker Monumentalität. Diesem Bilde lassen sich noch andere, auf den gleichen Ton gestimmte Schöpfungen angliedern, die hier illustrativ leider nur zum Teil behandelt werden können. Dagegen sind das Bildnis des Malers Paul Baum, den Corinth in dessen eigentlichem Milieu, in Sluys in Holland, porträtiert hat (Abb. 81) und ebenso die Studie nach einer deutschen Eiche doch nur Beweise einer stets bereiten, alle Erscheinungen des Lebens beherrschenden Gestaltungskunst (Abb. 82).

Abb. 102. Der Sieger. 1910. (Zu Seite 102.)
Im Besitze der Kunsthandlung J. Caspari, München.

GRÖSSERES BILD

Näher kommt dem bezwingend Menschlichen, das im Schaffen unseres Meisters ewig neu nach Ausdruck ringt, ein Bild wie die 1909 gemalte „Kreuztragung“, die in mancher Beziehung an frühere Darstellungen ähnlicher Art erinnert und trotzdem weder die tragische Wucht eines biblisch erschütternden Vorganges noch kompositionell jene von jeher bewährte Geschlossenheit der Szene besitzt (Abb. 89). Gegenüber dem künstlich markierten Gesichtsausdruck der klagenden Gruppe rechts wirken weder der Schmerz des Heilands noch die perfide Schadenfreude der Kriegsknechte[S. 97] überzeugend, aber das Bild ist in Einzelheiten doch voll starker, malerischer Eindringlichkeit. Weitaus besser (weil als Komposition geschlossener) mutet die auf drei Personen beschränkte „Susanna im Bade“ an, die sich in Berliner Privatbesitz befindet (Abb. 94). Auch dieses Bild ist in der Hauptsache Spachtelmalerei, aber das Ganze ist doch von einer buntschillernden Farbigkeit, und namentlich der Akt hat alle Vorzüge jenes köstlichen Duftes, in dem der Fleischmaler Corinth von jeher, wenn es sich um einen lebenswarmen Körper handelte, ein echter Nachfahre des alten Rubens war.

Aus diesem Jahre stammt noch ein hier nicht abgebildetes Hauptwerk unseres Künstlers, jenes köstliche, vielleicht allzu deutliche Bild unter dem Titel „Homerisches Gelächter“. Wie kaum eine andere Arbeit ist gerade dieses Stück vielsagend in dem Sinne, wie Corinth die mythologische Götterwelt als Gleichnis unseres Lebens benutzt. Denn diese Szene mit der lockeren Liebesgöttin, die den hinkenden Hephästus nur zu schnell vergessen hat und den Göttern des Olymps (so wie es Ovid in einem seiner Gesänge schildert) in ihrer Sünden Maienblüte vorgeführt wird, ist ein lustiges Symbol auf jene leichtfertigen Ehefrauen, denen im Gegensatze zu Schiller die Treue in der Tat nur ein leerer Wahn ist. Die suffisante Miene eines gleichsam aus Offenbachs Burlesken entnommenen Jupiters ist ebenso erfrischend wie der stille Liebreiz jener mit ihrem Galan überraschten himmlischen Beauté, die von den metallenen Netzen ihres Herrn Gemahls eingesponnen, in einer heikeln Situation zur Augenweide den Göttern des Olymp vorgeführt wird, die ihrerseits mit dem Ausdruck ihres „tout comprendre, c’est tout pardonner“ nicht zurückhalten. Und während Corinth gerade in diesem Jahre alle Höhen und Tiefen seiner antikischen Welt als ein Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts mit dem Vollgefühl echter Menschlichkeit durchschreitet, eine Menschlichkeit, die sich ganz ähnlich auf dem Königsberger Bacchanten-Bild, dieser von Licht und Luft gehöhten köstlichen dithyrambischen Szene, Ausdruck schafft (Abb. 95), greifen sein eigenes Familienleben, das persönliche Glücksgefühl auch in seinem Schaffen wieder in die Motive des ihn umgebenden Alltags hinein. In diesem Sinne ist jene „Donna gravida“, die Gattin, die die kleine ostpreußisch urwüchsige Mine unter dem Herzen trägt, wiederum ein Stück echter Lebensbeichte. Ergreifend ist der Ausdruck dieser von banger Hoffnung erfüllten Mutter festgehalten (Abb. 100). So lapidar wie das Gefühl dieser Minute, ist auch die malerische Handschrift des nur mit zwei Tönen hingesetzten Bildes. Unter den männlichen Porträts dieses Jahres steht dagegen das Bildnis des Anatomen Edinger obenan (Abb. 96). Es hat kaum die geistige Prägnanz früherer Stücke dieser Art, ist dafür aber malerisch unter Zuhilfenahme des reichen Milieus sehr glücklich vertieft. Man möchte diesem Bildnis gleich hier das zwei Jahre später entstandene andere Gelehrtenporträt, den Professor Ed. Meyer von der Berliner Universität, gegenüberstellen, das zwar nach seiner ganzen Anlage von dem erstgenannten Werke sehr verschieden ist, sich aber doch im Geistigen unmittelbar mit jenem berührt (Abb. 103). Alfred Lichtwark hat mit klugem Blick das Gemälde für die Hamburger Kunsthalle erworben, die überhaupt einige der besten Werke aus der letzten Schaffenszeit des Künstlers, darunter auch das Hagenbeck-Porträt mit dem mächtigen Walroß (Abb. 104), ihr eigen nennt. Meisterhaft ist auf dem[S. 98] Bildnis des Professors Meyer der von früher her überlieferte malerische Gedanke wiederaufgenommen, den Dargestellten mitten vor das Fenster zu stellen, durch das er vom Licht eines winterlichen Tages getroffen wird. Hier spielen darum alle Reflexe auf dem dunkelblauen Talar, und der etwas grobe, aber doch nicht uninteressante Gelehrtenkopf erhält unter dem Eindruck desselben Lichtes den Schein geistigen Fluidums. Als Gegensatz dazu betrachte man das noch im Jahre 1909 vollendete große Bild mit der Familie des Künstlers, das heute dem Kestner-Museum in Hannover gehört (Abb. 83). Wie die Örtlichkeit und die erhobene Palette in der Rechten des Malers andeuten, ist es damals im Atelier des Künstlers entstanden. Der kleine Thomas links ist im Laufe der Jahre schon zu einem sehr geweckten Jungen herangewachsen, der seinen Herrn Papa nur mit Lovis anzureden pflegt, während die kleine Mine, die dem Vater so ähnlich sieht wie Thomas seiner Mutter, kaum die ersten Wiegenmonate hinter sich gebracht hat. Frau Charlotte Berend aber — die Gattin unseres Künstlers — ist in bezaubernder Mütterlichkeit gesehen, während der Meister selbst sich nur unfreiwillig in die Rolle als Familienvater zu schicken scheint. Prachtvoll sind auch auf diesem Bilde die malerischen Gegensätze von Warm und Dunkel gegeben.

Abb. 103. Bildnis des Professors Ed. Meyer. 1911.
Im Besitze der Hamburger Kunsthalle. (Zu Seite 97.)
Abb. 104. Aus Hagenbecks Tierpark. (Zu Seite 97.)

GRÖSSERES BILD
Abb. 105. Stilleben mit Figur. 1911. Im Besitze des Herrn Artur Kraft, Berlin. (Zu Seite 106.)
Abb. 106. Stilleben. 1911. Im Besitze des Herrn Fritz Gurlitt, Berlin. (Zu Seite 106.)

Aus ungefähr der gleichen Zeit stammt noch jenes wiederum an Grünewald gemahnende Triptychon, das Corinth für die Kirche seiner kleinen Heimatstadt Tapiau gemalt hat (Abb. 86, 90 und 91). Mag man auch über ein Jahrzehnt hinweg unbewußt Beziehungen von diesem Bilde zu der Kreuzigung in der Kirche[S. 100] von Tölz suchen, so weist doch das letztgenannte Werk auf den bewußten Abstand malerischer Entwicklung hin. Etwas Alttestamentarisches ist der neuen Schöpfung eigen, so sehr sie auch an die neutestamentliche Überlieferung gebunden ist. Mag der Apostel Paulus z. B., der seiner ganzen Auffassung nach mehr der Realistik der prophetischen Schilderungen des Alten Testamentes als dem Typ des ritterlichen Kämpfers angepaßt ist, auf den ersten Augenblick enttäuschen, so hat seine Erscheinung doch eine von den Mosaiken Ravennas überkommene Monumentalität. Das Mittelbild aber mit seiner erschütternden Golgathastimmung sprengt den engen Rahmen der biblischen Geschichte. Es ist bis zum letzten dramatisch bewegt und durch eine Stimmungsgewalt ausgezeichnet, die von kaum einer anderen verwandten Schöpfung der Kunstgeschichte je wieder erreicht wurde. Wirken aber in der Tat nicht jene Gegensätze, die uns im Schaffen des Meisters überkommen, herzbeklemmend! Ist es nicht, als ob der Reichtum einer großgestimmten Menschenseele im Künstler kaum noch seiner Phantasie und seiner Gestaltungskraft Grenzen setzt. Heute dionysischer Bejaher, morgen intuitiv schöpfender Gebärer einer neuen Vorstellungswelt, die nicht mehr an Grenzen gebunden ist und dazwischen auch Untertan seinem eigenen menschlichen Erleben: was ist es, das uns noch von der höchsten Bewunderung vor dieser vielseitigen Schaffensfreudigkeit fernhalten könnte? Erleben wir nicht mit und in dem Werk eines Lovis Corinth wirklich alle Schönheiten unserer eigenen unbegrenzten künstlerischen Vorstellung, und darf man einem solchen Schöpfer überhaupt allzu kleine menschliche oder gelegentliche malerische Schwächen nachrechnen, der uns in seinem,[S. 101] viele hundert Bilder umspannenden Werke letzten Endes doch nichts als jene große Menschlichkeit offenbart hat, die in der Kunst unserer Tage immer seltener wird. Wie nüchtern wirkt im Hinblick auf diesen Reichtum an Temperament und Phantasie der ganze übrige Impressionismus der Berliner Sezessionskollegen und wie souverän steht unser Meister immer vor uns auf, wenn er selbst diesem nüchternen Wirklichkeitsgebot der Zeit folgt. Ja, auch eine so innerlich unausgeglichene Arbeit wie die „Schmiede des Vulkan“, mit der an dieser Stelle die Produktion des Jahres 1910 eingeleitet sein mag, die weder den Humor früherer ähnlicher Schöpfungen noch die Wucht des farbigen Ineinanderfügens der Details verrät, bleibt — gemessen an der sonstigen Nüchternheit unserer Tage — immer noch als Beweis einer ganz und gar dichterisch gewordenen Vorstellungswelt interessant (Abb. 107). Daß von hier aus allgemeine Beziehungen zur längst bekannten homerischen Welt hinüberlenken, macht auch dieses Werk immer wertvoll, so sehr es ihm vielleicht an jener grotesk bezaubernden Art, die uns von verwandten Schöpfungen her bekannt ist, und an jener köstlich kräftigen Durchbildung in der malerischen Form gebrechen mag. Indes für sich gesehen, ist jedes Detail auf diesem Bilde, so die prachtvollen Putten im Vordergrunde, bemerkenswert genug, auch wenn es im ganzen nicht entfernt an eine ähnliche Schöpfung des gleichen Jahres heranreichen kann, wie sie in den „Waffen des Mars“ vor unsere Augen tritt (Abb. 108). Das künstlerische Merkmal dieser Arbeit ist ihre wunder[S. 102]volle Geschlossenheit und die Schönheit der Linien, der kräftige Strich der Akte. Venus scheint sich zum Auszug des Kriegsgottes zu schmücken, Putten schleppen die Waffen herbei. Des Künstlers Sohn Thomas hält das breite Schwert in seinen Kinderfäusten. Eitel Glanz und Frühlingsahnen weben auf dem Bilde, und der Reiz dieser Stimmung wird noch durch die im Hintergrunde angedeutete Landschaft erhöht. — Diesem Werke ist aus dem gleichen Jahre das prachtvolle Selbstbildnis in Rüstung anzuschließen, das unter dem Titel „Der Sieger“ bekannt geworden und hier farbig wiedergegeben ist (Abb. 102). Ernst, ja fast mißmutig schaut der Künstler hier den Betrachter an, als gelte es eine nahe Entscheidung. An seine Brust gelehnt steht vor ihm, mit dem Lorbeerkranz des kommenden Sieges im Arm, eine blühend schöne Frau, die die Züge der Gattin trägt. Sie ist in ein loses Gewand gehüllt, in dem wenige blaue, gelbe und grüne Töne wie der Glanz eines üppigen Emails schillern, und gibt die Büste frei. Als gelte es diesen kostbaren Besitz gegen irgendeinen unsichtbaren Feind zu verteidigen, hat der Ritter die erzgepanzerte Faust auf ihre Schulter gelegt, während seine Linke die Lanze entschlossen umfaßt hält. Wundervoll geschlossen aber steht diese Gruppe vor dem bräunlichhellen Hintergrund wie ein Symbol, dessen Bedeutung man nur von ungefähr errät. Malerisch ist hier jeder Ton in eine bezwingende Gesamtharmonie eingebettet, die dieses Werk zu einem der besten aus dem reichen Schaffen des Meisters stempelt. — Besonders vielsagend wirkt gegenüber der psychologischen Note des zuletzt genannten Gemäldes ein zweites ähnliches Selbstbildnis in Rüstung, das dem Jahre 1911 entstammt und unter dem Titel der „Fahnenträger“ hier abgebildet ist (Abb. 101). Fast will[S. 103] es scheinen, als sei das Werk wenige Stunden oder Tage nach dem „Sieger“ entstanden; denn der psychologische Moment zeigt im ganzen eine bewußte Steigerung dem ersterwähnten Bilde gegenüber, das weniger eine Heimkehr des Siegers, als einen Auszug zum Kampf zu verkörpern scheint. Anders der „Fahnenträger“. Das ist der vom Schlachtfeld heimgekehrte Kämpfer, der das siegreiche Banner über der Schulter trägt und mit trotzigem Selbstgefühl nach vollbrachter Tat den vom Helm befreiten Schädel dem Betrachter weist. Und als wenn auch in der Malerei jenes frohlockende Siegesbewußtsein hätte zum Ausdruck kommen sollen, spielen weiße Glanzlichter auf dem bläulichen Stahl der Rüstung. Hier atmet der Trotz des mittelalterlichen Rittertums, aber mehr noch vielleicht der viel köstlichere Trotz eines Meisters, der der Welt und der Mode der Zeit niemals Konzessionen gemacht hat. Hier begegnet uns Lovis Corinth auf der Höhe seines Lebens als der furchtlose Typ seines Geschlechtes, als urgermanische Vollkraft, als zäher Trotz und verhaltene Energie. Hier hat sich die Persönlichkeit in ihrem eigensten Wesen belauscht, in einer jener glücklichen Minuten, wo er ganz er selbst gewesen ist. Vielleicht mag man darum mit Recht gerade dieses Selbstporträt das menschlich sympathischste nennen, wie es künstlerisch fraglos eine der gelungensten Schöpfungen darstellt. „Sieger“ und „Fahnenträger“ aber stehen als Ausdruck der Persönlichkeit innerlich unbedingt nebeneinander, weil sie sich psychologisch ergänzen und den inneren Menschen von zwei verschiedenen Seiten erkennen lassen.

Abb. 107. In der Schmiede des Vulkan. 1910. (Zu Seite 101.)
Abb. 108. Die Waffen des Mars. 1910. Im Besitze der Galerie Arnold, Dresden. (Zu Seite 101.)

Im übrigen sind gerade die beiden Jahre, in denen die zuletzt erwähnten[S. 104] Werke entstanden, von einer Produktionsfreudigkeit sondergleichen erfüllt gewesen. Was bildlich an dieser Stelle daher von dem reichen Schaffen sonst mitgeteilt wird, gibt immer nur wenige Stichproben. So mag die fast ganz skizzenhaft behandelte Darstellung des „Heiligen Michael“ mehr als Vorstudie zu einer größeren, nicht ausgeführten Komposition von Wert sein, wie sie technisch eine auf äußerste Knappheit der Mittel reduzierte Handschrift verrät (Abb. 110). Was Corinth im Sinne eines reinen Impressionismus kann, lehrt vielleicht am sinnfälligsten ein Blick auf die kostbare „Ansicht der Elbe bei Altona“, die er in Lichtwarks Auftrag für die Kunsthalle in Hamburg gemalt hat (Abb. 79). Wie von einer hohen Warte aus ist hier das buntbewegte Elbpanorama mit wenigen Farben festgehalten, und bei allem Eingehen aufs Detail ist doch gerade diesem Bilde, als einem in dieser Zeit seltenen Beispiel für die Landschaftskunst des Meisters, eine bezwingende malerische Geschlossenheit eigen. Es gehört in die Reihe jener Schöpfungen, auf denen der neue Geist unseres technisch-industriellen Zeitalters zu Worte gekommen ist. Bis weit an den fernen Horizont schweift der Blick des Beschauers über die von Dampfern und Seglern bewegten Wasserflächen, über die Schlote der Fabriken am Ufer.

Abb. 109. Photographische Aufnahme des Künstlers von H. Boll, Berlin. 1911. (Zu Seite 107.)
Abb. 110. Der heilige Michael. Im Besitze der Modernen Galerie Thannhauser, München.
(Zu Seite 101.)

Vor allem aber verlangt gerade an dieser Stelle die bisher nur flüchtig berührte Stillebenmalerei, der sich Corinth überhaupt erst seit 1910 nachhaltiger zugewandt hat, nach eingehender Erörterung. Drei große Stilleben aus dem[S. 105] Jahre 1911 sind diesem Buche als Proben dieses Stoffgebietes beigefügt, allen voran das farbig wiedergegebene Rosenstilleben (Abb. 120). Für Corinth bedeutet Stilleben Malerei an sich. Hier verlangt die künstlerische Interpretation Eingehen auf die Wesensart der Pflanzen und Blumen und eine im ganzen ausgeglichene Gesamtharmonie, aus der heraus die Gegenstände ihr durch Licht und Atmosphäre bedingtes höheres Leben gewinnen. Aber so sehr man auch vor jedem dieser[S. 106] Stilleben die Liebe empfindet, mit der der Meister die Arbeit seines Pinsels, oft auch des Spachtels, jeder Einzelerscheinung untergeordnet hat, so überzeugend groß ist immer der Gesamteindruck solcher Kompositionen. An die Wand gehängt, sind diese Bilder Inbegriff der in Buntheit sprühenden Gottesnatur, strahlender Sonnenglanz, der den Blumen ihre köstliche Pracht verleiht. Hin und wieder hat der Meister auch derartige Themen erweitert, ganz im Geiste der Holländer Figürliches hinzugenommen oder gar die Früchte und Blumen um Wildbret und Gläser bereichert, wie wir es auf dem großen Stilleben mit weiblicher Figur sehen (Abb. 105). Auch das dritte hier wiedergegebene Stilleben variiert das Thema sehr merklich, indem es vor einem Blütenkranz von Zweigen üppige Früchte, Trauben, Äpfel, Pfirsiche u. a. aufbaut (Abb. 106). Aber immer spricht aus solchen, rein aus der Freude am Malerischen heraus entstandenen Bildern der Vollblutinstinkt eines geborenen Meisters der Farbe, und auch hier spiegelt sich etwas von der üppigen Daseinsfreudigkeit wider, die das Zeichen des gesamten Corinthschen Schaffens ist. Wie überlegen der Meister aber im Laufe der Zeit alle technischen Mittel zu beherrschen gelernt hat, das erkennt man vielleicht nirgends besser als hier, wo jedes malerische Sehen in die Sprache der Farbe umgesetzt ist.

Abb. 111. Der Wasserfall. 1911. Im Besitze des Herrn Paul Cassirer, Berlin. (Zu Seite 107.)

An dieser Stelle mag endlich noch aus den zahlreichen Arbeiten des Jahres 1911 ein Bild herausgegriffen werden, das zweifellos im Rahmen der bisher[S. 107] immer nur spärlich gepflegten Landschaftsmalerei unseres Künstlers eine besondere Stellung beanspruchen darf. Es ist der große „Wasserfall“, den Corinth nach einem Motiv des Grödnertals bei Bozen gemalt hat (Abb. 111). Man hat die Empfindung, als habe der Künstler dies Bild nicht so sehr seiner Gesamterscheinung wegen gemalt, sondern vielmehr um der Einzelheiten willen. Wie die Felsblöcke inmitten des tosenden Elementes gesehen und herausgemeißelt sind, wie die ganze Natur einen Zug ins Monumentale bekommt, wie hier an entlegener Stelle etwas dramatisch Ungestümes widerklingt, das geht weniger auf Kosten des Motives als auf die persönliche künstlerische Art seiner malerischen Bewältigung.

Abb. 112. Skizze zum Gemälde „Das Paradies“. 1912. (Zu Seite 109.)
Abb. 113. Das Paradies. 1912. (Zu Seite 109.)

Ein diesen Zeilen eingestreutes Bildnis zeigt den Meister nach einer Photographie vor der Staffelei sitzend an dem früher erwähnten „Heiligen Michael“ arbeitend (Abb. 109).[S. 108] Es ist vor jener schweren Krankheit aufgenommen, der der Meister gegen Ende des Jahres 1911 anheimfiel und die ihm für einige Monate Pinsel und Palette aus der Hand genommen hat. Aber kaum halb genesen, hat er seine Arbeit neu begonnen und inzwischen um ein weiteres Jahrzehnt fortgeführt. Fast noch auf dem Krankenbette sind einige der hier dem Text eingefügten köstlichen Zeichnungen entstanden. Als er Genesung suchend an der Riviera, in Bordighera, unter der Pflege der Gattin weilte und später den Sommer 1912 in Bernried am Starnberger See verbrachte, ist er unausgesetzt tätig gewesen, getrieben von einer Schaffensfreudigkeit, die geradezu wundernimmt. An der Riviera entstand z. B. jene einzige „Meeresstimmung“, auf der das bewegte Element mit höchster technischer Bravour gestaltet wurde (Abb. 124), während ähnlich eine Reihe prachtvoller, zum Teil mit farbigen Stiften hingeschriebener Studien die Erinnerung an diesen Aufenthalt an der italienischen Küste noch vertiefen (Abb. 125). So die in Tusche hingesetzte Frauenhand, vor der man an Rembrandtsche Studien denken möchte (Abb. 92), so auch die Lithographie mit der auf dem Stuhl sitzenden Frau, wo im Hintergrunde mit wenigen Strichen der südliche Schauplatz angedeutet ist (Abb. 122). Das sind nur wenige Beispiele für die hohe Wertschätzung, die man auch den zeichnerischen Arbeiten unseres Meisters zuteil werden lassen muß, die leider nur spärlich diesen Text durchflechten können. Man sehe aus dieser Zeit z. B. den Männerakt (Abb. 123), wie groß erscheint hier allein die Herrschaft über die Anatomie des Körpers. Hunderte solcher Zeichnungen sind im Laufe der Jahre entstanden und zum großen Teil in den Besitz von Sammlern übergegangen. Für das Verständnis Corinthscher Kunst sind (wie eigentlich im Schaffen eines jeden großen Meisters) solche Skizzen nicht zu umgehen. Sie haben aber noch den besonderen Vorzug, daß sie gewissermaßen für sich immer auch die malerische Produktion erklärend vertiefen und daß sie besonders wichtig sind, wenn man an die unerhörte Fruchtbarkeit denkt, die Corinth vornehmlich im letzten Jahrzehnt als Graphiker entfaltet hat.

Abb. 114. Venus mit Spiegel und Amor. 1915.
(Zu Seite 123.)

Gerade das Jahr, das unmittelbar auf die schwere Erkrankung folgte, ist von einer erstaunlichen Schaffensfreudigkeit erfüllt gewesen, und technisch sind gerade die Arbeiten dieser Zeit in mancher Hinsicht von denen der früheren Epoche verschieden. Wir erleben eine Steigerung im Malerischen, einen Ausdruck höchster[S. 109] Farbigkeit, dem manchmal selbst die Konzentration der Form geopfert wird. Wuchtig und breit werden die Pinselstriche auf die Leinwand hingesetzt. Es ist, als wenn die Kraft des Künstlers alle Lichter seines reich bewegten Innenlebens auch auf diese Bilder überträgt. Daß der Meister auch das rein Formale sicher beherrscht, beweist schlagend die hier abgebildete Szene „Das Paradies“ (Abb. 113).

Abb. 115. Bacchantin. 1913. (Zu Seite 123.)

Zu dieser lebensgroßen Schöpfung gibt es eine kleine Vorstudie, die der Meister dem Schreiber dieser Zeilen als seinem „l. Biographen“ gewidmet hat, und wenn das Lob des eigenen Besitzes gerade an dieser Stelle gestattet sei, dann darf gesagt werden, daß jene vielleicht nur in wenigen Minuten auf die Leinwand hingeworfene Skizze alles an sprudelndem Reichtum der Phantasie, an einer großartigen malerischen Verve enthält, was auf der kartonartigen, monumental gedachten Vergrößerung der Mittelgruppe gar nicht ähnlich in Erscheinung tritt (Abb. 112). Dieser skizzenhafte, aber darum gerade so ursprünglich behandelte Entwurf eines mit allen Mitteln jener nie versagenden künstlerischen Phantasie gefügten szenischen Vorganges ist für die Kunst unseres Meisters vielleicht wie kaum eine zweite Arbeit ähnlich charakteristisch. Über einem niedrigen Hügel im Hintergrunde geht die Sonne auf. Links stehen Flamingos mit langgestreckten Hälsen, nach Nahrung suchend, im Wasser. Dahinter ein weiter Ausblick auf einen neuen, von Tieren belebten See. Ganz im Vordergrunde sieht man zwischen Adam und Eva, von denen der erstere fast geblendet vom Glanz dieser Frühmorgenstimmung die Hände über die Augen hält, um in die Weite zu spähen, zwei Rehe, und rechts und links traben Wolf und Elefant heran (der letztere mit seinem plumpen Dröhnen und mit erhobenem Rüssel gar köstlich gesehen), während rechts, ganz im Vordergrunde, ein Tiger seine Glieder im nassen Tau der Wiese reckt und in den Zweigen Affen ihr munteres Spiel treiben. Wie der Glanz des Lichtes, das auf dem Hügel im Hintergrund in feurigen Bündeln entzündet ist, die Erscheinung der Lebewesen — Mensch und Tier — malerisch höht, wie es die Umrisse der Körper weich und aufsaugend modelliert und wie das Ganze wirklich nur mit wenigen Pinselstrichen hingeschrieben[S. 110] worden ist, das ist von höchster impressionistischer Meisterschaft. Die in der endgültigen Ausführung überlebensgroß und monumental behandelte Mittelgruppe hat die genannte Studie ins Dekorativ-Erhabene gesteigert und besitzt vornehmlich in der überlegenen Durchbildung des Anatomisch-Zeichnerischen ihre Hauptvorzüge. Aber interessant gerade in einem solchen Falle der Gegensatz zwischen dem ursprünglich Gesehenen und seiner endlichen Verkörperung, weil er wie von selbst auch den Blick in die eigentliche Werkstatt des Schaffenden öffnet.

Abb. 116. Orientalischer Teppichhändler.
(Zu Seite 123.)
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In diesen Jahren neu beginnender Schaffensfreudigkeit erfährt auch das graphische Werk des Meisters eine ungeheure Bereicherung, und wie erste Vorboten auf die überraschende Vielseitigkeit, die Corinth gerade im letzten Jahrzehnt auf diesem Gebiet entfaltet hat, müssen aus dem Jahre 1910 zwei wichtige Proben reiner Buchillustrationen erwähnt werden, die er im Auftrag der von Paul Cassirer begründeten „Pan-Presse“ vollendete. Unter dem Gesamttitel „Bücher der Bibel in der Übersetzung Martin Luthers“ hat Corinth hier zwei bibliophile Ausgaben herausgebracht; zuerst im Jahre 1910 das Buch Judith, dem im nächstfolgenden Jahre das Hohe Lied folgte. — Beide Publikationen haben einen wahrhaft monumentalen Charakter. Und zu ihm stimmen jene köstlichen Lithographien, die der Meister als Randleisten, Vignetten und ganzseitige Illustrationen beigesteuert hat, die ihn wiederum als Persönlichkeit künstlerisch in engster Beziehung zu einem Stoff offenbaren, der seiner eigenen Seele in beiden Fällen durchaus verwandt ist (Abb. 118, 119 u. 121). Freilich derart, daß die Stoffe dieser beiden Gedichtbücher des Alten Testamentes weniger eine geschichtlich getreue Wiedergabe ihres der Zeit angemessenen Kolorits, als vielmehr eine menschlich tiefe, von starker Leidenschaft erfüllte Darstellung verlangten, die dem Wesen unseres Meisters entsprach. Aber wer überhaupt in diesen von höchster künstlerischer Phantasie erfüllten Schöpfungen das über die Jahrhunderte hinaus ewig geltende moderne Element sucht, wer in dieser von Blut und Kampf erfüllten Schilderung des Buches Judith ein allgemein menschliches Drama empfindet, so wie einen im Hohen Lied das süß-schmerzliche Bewußtsein einer nicht an Zeiten geketteten Liebesglut gefangennimmt, der muß sagen, daß die hohe Könnerschaft unseres Meisters hier in Form und Ausdruck rein Symbolisches gestaltet hat. Um das zu verstehen, muß man zunächst den Text des Buches Judith lesen, der ein in vorgeschichtlicher Zeit sich abspielendes Drama erzählt. Ein mächtiger Eroberer zieht aus, um Völker zu[S. 111] unterjochen, um gegen die geheiligte Religion einer Rasse zu kämpfen, die dem Wege ihres Gottes bisher, allen Schicksalsschlägen zum Trotz, gefolgt ist. Der Sieg begleitet seine Schritte; schwüle, kaum verhaltene Sinnlichkeit verklärt den Triumph seines Erfolges, bis er dem letzten, dem höchsten Glanz seines siegreichen Vordringens begegnen soll, der seinen Gott über den der Feinde stellen wird. Da tritt ihm ein Weib entgegen, schön wie der Morgentau, verführerisch wie der Schein der Sonne, und an dem menschlich Allzumenschlichen geht seine ganze Genialität zugrunde. Er unterliegt ihrem Zauber, wird ein Opfer seiner eigenen Wollust, und Judith, das hebräische Weib, die keusche Witib zieht heim, das Haupt des erschlagenen Holofernes unter dem Arme! Ein Buch der Lebensweisheit ist diese Dichtung, eine der höchsten dichterischen Offenbarungen, die uns aus alter Zeit überkommen sind. Wie aber hat Corinth das Thema gestaltet! Er gab das Tumultuarische der Masseninszenierung, gab das Brutale kriegerischer Stimmung, den tosenden Kampf der Rosse und der Streiter, die imponierende Allmacht des mächtigen Feldherrn und die Angst der Juden, die in der höchsten Not zu ihrem Gotte sich bekennen. Er gab ein Drama typischen Menschenschicksals, das immer wiederkehrt. Aber daneben erzählte er die Geschichte jenes israelitischen Weibes, das sich ihrer Schönheit wohlbewußt ist und trotzdem den Zauber ihrer Keuschheit kennt. Er stellte der grausamen Wirklichkeit den Duft zarter lyrischer Stimmung gegenüber und faßte auch sie ganz aus dem männlichen Instinkt heraus, der alle Reflexionen verneint, wo der Preis des Kampfes so real empfunden ist wie hier. Er wurde in seinen Gestalten archaisch, assyrisch-babylonisch und hat sich trotzdem nie einen Augenblick von der Gegenwart, von dem Empfinden unserer Zeit entfernt. Weil er nichts als reine Menschlichkeit gab und weitentlegene Dinge mit dem Maßstab ewiger Gebote gemessen hat.

Abb. 117. Bildnis des Malers R. Sieger. 1912.
(Zu Seite 123.)

Gerade dieser Stoff, der auf jeder Seite des Buches von einer neuen Leidenschaft entzündet ist, hat das Wesensverwandte in der Seele seines Interpreten berührt. Es werden hier längst bekannte Klänge laut, die ebensosehr von den früher behandelten mythologischen Szenen wie von der großartigen Inbrunst seiner religiösen Darstellungen herübertönen und die doch letzten Endes immer Bekenntnisse der wesensstarken menschlichen Eigenart ihres Schöpfers sind. Technisch hat Corinth gerade mit diesen Lithographien[S. 112] wiederum glänzend bewiesen, wie er auch die Behandlung eines Themas ihren äußeren künstlerischen Gesetzen anzupassen vermag. Überall sind die Momente mit wenigen charakteristischen Farben umrissen, die dem rein Zeichnerischen ebenso wie dem Malerischen gerecht werden.

Abb. 118. Aus dem Hohen Lied. Lithographie.
Verlag von Paul Cassirer, Berlin. (Zu Seite 110.)
Abb. 119. Schlußstück aus dem Hohen Lied. Lithographie. Verlag von Paul Cassirer, Berlin. (Zu S. 110.)

Und was von diesem Buch Judith gilt, hat vielleicht noch in höherem Maße für die zweite buchkünstlerische Arbeit, das Hohe Lied Salomonis Geltung, deren Illustrationen ebenfalls lithographiert sind. Um den etwas schwülen Zauber dieser Dichtung zu verstehen, mag daran erinnert werden, daß hier verliebte Ekstase nach einem fast übersinnlichen Ausdruck gesucht hat. Diesen zu formen, lehnt Corinth ab. Dafür aber sieht er um so schärfer hinter der süßen Rede die Realität der Tatsachen, und für ihn verkörpert diese Gärtnerin im Weinberg, die nicht nur mit der Seele ihren Geliebten sucht, schlechthin den Typ des verliebten Weibes, das einmal höchster Raserei verfallen ist. Man kann dem Hohen Lied Salomonis gewiß nicht nachsagen, daß es die tragische Wucht jenes Buches Judith besitzt. Aber was in dieser Dichtung der realen Vorstellungswelt Möglichkeiten der Darstellung preisgibt, hat Corinth auch in diesem Werke wunderbar gestaltet, und zwar[S. 113] mit einer Diskretion, die seinen künstlerischen Absichten in der Tat alle Ehre macht.

Abb. 120. Rosen. 1911. Im Besitze des Herrn Buchenau, Niendorf. (Zu Seite 105.)

GRÖSSERES BILD
Abb. 121. Aus dem Buch Judith. 1911. Lithographie. Verlag von Paul Cassirer, Berlin. (Zu Seite 110.)
Abb. 122. Lithographie. 1912. (Zu Seite 108.)
Abb. 123. Skizze.
Abb. 124. Meeresstimmung. 1912.
Im Besitze des Herrn Dr. Victor Klinkhardt, Leipzig. (Zu Seite 108.)
Abb. 125. Auf der Veranda in Bordighera. 1912. (Zu Seite 108.)

Indes gibt dieser Hinweis auf die ersten größeren Schöpfungen der Buchillustration nur eine sehr unvollkommene Vorstellung von der reichen Ernte, die gerade das letzte Jahrzehnt auf diesem Gebiete gezeitigt hat. Wäre Corinth ein Leben lang nur als Graphiker tätig gewesen, er hinterließe ein Gesamtwerk von geradezu erstaunlicher Großartigkeit, das schon allein dazu berechtigte, ihn als einen der auf diesem Gebiet bahnbrechenden Meister aller Zeiten anzusprechen. Der im Vorwort erwähnte Katalog von Schwarz, der erstmalig 1917 erschien, verzeichnet allein rund 250 Nummern, und wenn man bedenkt, daß gerade die letzten Jahre dem Zeichner, Radierer und Buchkünstler ununterbrochen neue Aufgaben beschert haben, daß gerade in diesen Jahren vielleicht seine großartigsten Folgen entstanden sind, die — wenn man schon kunstgeschichtlich vergleichen möchte — vielleicht nur im Werke eines Rembrandt, Callot oder Goya Gegenbeispiele besitzen, dann muß man bescheiden vor solcher Schaffenskraft eines Sechzigjährigen stillestehen. Das Meiste und Wichtigste, was Corinth in diesem Lebensabschnitt geschaffen hat, ist bei Fritz Gurlitt in Berlin erschienen, und bei dieser Gelegenheit wäre es unrecht zu verschweigen, daß Wolfgang Gurlitt überhaupt derjenige gewesen ist, der sich als Kunsthändler und Verleger am nachhaltigsten für unseren Meister eingesetzt hat. Seiner Anregung ist es nicht zuletzt zu danken, wenn heute das Werk des Künstlers in einigen der hervorragendsten Privatsammlungen zum[S. 114] Teil vereinigt ist, und unter diesen dürfte die bedeutende Galerie von Hauptwerken des Malers, fast aus allen Perioden seines Schaffens, die der Generaldirektor Dr. h. c. Alfred Ganz in seiner schönen Villa in St. Niklausen bei Luzern, wo Corinth im Frühjahr 1921 mehrere Wochen als Gast verweilte (um bei der Gelegenheit auch das Porträt des Besitzers zu malen), sein eigen nennt, wohl einzigartig dastehen. Im genannten Verlag sind auch jene graphischen Zyklen erschienen, die vor allem die Stellung unseres Meisters als Graphiker für alle Zeiten begründen werden. Daß eine Künstlernatur wie Corinth eines Tages zum „Götz von Berlichingen“ kommen mußte, kann eigentlich niemanden überraschen, der die Wesensart dieses kerndeutschen Meisters erkannt hat, der in sich schon einmal die Tragik eines Florian Geyer empfand und auf einem seiner besten Bilder künstlerisch gestaltet hat. Aber dieser „Götz“, dessen „Leben und Fehden“ nach der Originalhandschrift Corinth mit 15 Lithographien und reichem Buchschmuck illustrierte, ist fortan für jeden, der auch die Zeit historisch zu sehen vermag, nur vorstellbar unter dem Ausdruck der Corinthschen Kunst. Wie der Meister seinen Helden gesehen, wie er ihm durch das vielleicht in der Verwandtschaft der Rasse ruhende Gefühl Gestalt und Formung seines bewegten Lebensschicksals[S. 115] gegeben hat, das ist so erstaunlich, wie ähnlich Goethes Frühwerk immer durch die Höhe intuitiver Einfühlung unvergänglich bestehen wird. Diese Art, Geschichte zu gestalten, die mehr ist als bloße Illustration im Sinne z. B. einer leichter beschwingten Begabung, wie sie etwa Slevogt eignet, ist von ewiger Daseinskraft getragen, und es ist bestimmt nicht übertrieben, wenn man diesem „Götz“ eines Lovis Corinth in der Kunstgeschichte eine Stellung prophezeit, wie sie etwa Goyas „Tauromachie“ auf Jahrhunderte hinaus behaupten wird. Auch dem Goetheschen „Reineke Fuchs“ ist Corinth in der gleichen Folge des Gurlittschen „Bilderbuches“ gerecht geworden und ähnlich wie beim „Götz“ begegnete er hier einem Stoff, der seiner Lust am Fabulieren mächtig entgegenkam. In seinem „Martin Luther“ aber und im „Fridericus Rex“, die ebenfalls an der gleichen Stelle erschienen sind, waren es wieder die historischen Gestalten im Sinne einer weltgeschichtlichen Idee, die unseren Meister tief ergreifen mußten (Abb. 134). Kraft und Bekennertum, die hier geschichtlich personifiziert erscheinen, trafen in Corinth auf eine wesensverwandte Note, und es ist sicher nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß in der Folge unsere eigene Vorstellung sehr stark von den Formungen, die der Künstler hier seinen[S. 116] Gestalten gegeben hat, abhängen wird. Denn solchen Themen hat Corinth die eigene Persönlichkeit angeglichen, die in mehr als einer Beziehung einem Götz und Luther innerlich nahe steht. Bei der „Anna Boleyn“ dagegen, die er mit Herbert Eulenberg ebenfalls in dieser Folge herausgegeben hat, war es vorwiegend der überwältigende Eindruck jenes von den Massen bewegten Kolossalfilms, der seine Phantasie erregen mußte, die hier unmittelbar aus dem Erschauten heraus ihren künstlerischen Niederschlag erlebt (Abb. 138). Für die gleiche Folge hat Corinth sodann Bettina von Arnims „Der tolle Invalide“ illustriert und ein ABC entworfen, in dem sich noch einmal der dem Künstler eingeborene Humor in voller Breite entlädt. Unter den reinen Mappenwerken aber, die die Gurlitt-Presse ebenfalls in den letzten Jahren herausgebracht hat, sind die Folge „Die ersten Menschen“ mit sieben Originalradierungen und der litho[S. 117]graphierte Zyklus „Die Offenbarung Johannis“ — ein Thema, das Corinth für mein Gefühl am wenigsten glücklich gestaltet hat — weiterhin zu nennen. Viel mehr lag ihm als Motiv „Die Liebschaften des Zeus“ nach Ovid, das als Folge an gleicher Stelle erschienen ist und graphisch jene Linie fortsetzt, die dem Leser längst durch die mythologischen Szenen und Bilder des Malers Corinth vertraut ist. An den sommerlichen Aufenthalt am Walchensee erinnert eine Mappe des gleichen Verlages (Abb. 135) und als Dokument seines bürgerlichen Lebens, das hier eine wundervolle künstlerische Verklärung findet, ein Zyklus „Familie“. Ähnlich hat der Meister von sich und seinem häuslichen Leben in einer prachtvollen radierten Folge unter dem Titel „Bei den Corinthern“ (im Verlag von E. A. Seemann, Leipzig) ein einzigartiges künstlerisches Bekenntnis abgelegt, das alles bestätigt, was vordem auf diesen Seiten über Corinths Verhältnis zu Weib und Kind zu lesen war. Der gleiche Verlag brachte auch noch einen Zyklus von sieben farbigen Lithographien unter dem Titel „Im Paradies“ heraus. Und ähnlich gebührt Wilhelm Hausensteins geistvollem Buch: „Von Corinth und über Corinth“, an dieser Stelle eine besondere Erwähnung. Daß aber Schriftsteller wie Meier-Graefe und Hausenstein, die vor einigen Jahren noch sehr abwartend dem Werk des Meisters gegenüberstanden, als die erste Auflage dieser Monographie längst erschienen war, sich heute rückhaltlos zu der Größe unseres Künstlers bekennen und die damals an dieser Stelle leidenschaftlich geforderte Anerkennung längst durch Wort und Schrift bestätigt haben,[S. 118] beweist im ganzen vielsagend genug nicht nur den so oft feststellbaren Wandel kunstkritischen Urteils gegenüber den Dingen der Zeit, sondern gibt auch Corinth selbst endlich den Triumph restloser Anerkennung von seiten seiner Generation, die ihm bis auf die Höhe seines Lebens merkwürdigerweise versagt geblieben ist.

Abb. 126. Odysseus im Kampfe mit den Freiern. 1913.
Abb. 127. Kampf der Freier mit Odysseus. 1913.
Abb. 128. Theseus und Ariadne. 1913.
Abb. 129. Aus einer Bilderreihe „Ritter und Drache“. 1914.
Abb. 130.
Aus einer Bilderreihe „Ritter und Drache“. 1914.

Mit diesen Hinweisen aber ist der Reichtum graphischen Schaffens aus dem letzten Jahrzehnt erst mehr angedeutet als erschöpft. Abbildungen, die an dieser Stelle aus der ersten Auflage in[S. 119] voller Wertung ihrer Bedeutung für die frühere Periode übernommen wurden, wollen den Weg, den der Graphiker Corinth inzwischen genommen, mehr vorausdeutend unterstreichen, als rein künstlerisch gegenüber so viel wichtigeren Blättern der letzten Jahre, die nur zu einem geringen Teil neu aufgenommen werden konnten, besonders hervorheben. Zusammenfassend aber darf gesagt werden, daß das Kapitel, das im ganzen Corinths graphisches Schaffen umreißt, immerfort zu den wesentlichsten Bestandteilen neuerer Kunstgeschichte gehören wird. Auch dieses ist Bekenntnis menschlichen Seins und Ausdruck jener Persönlichkeit, die vielleicht am reinsten den künstlerischen Geist unserer Epoche widerspiegelt und für sich neben wenigen der noch Lebenden oder zu früh Verstorbenen (wie etwa Paula Modersohn) berechtigt ist, deutsches Kunstschaffen auch im europäischen Sinne zu vertreten.

Abb. 131. Selbstbildnis. 1918.
Abb. 132. Reiterbildnis. 1917. (Zu Seite 123.)
Abb. 133. Unter dem Weihnachtsbaum. Radierung.
Verlag von Fritz Gurlitt, Berlin.
Abb. 134. Martin Luther. Aus der Reihe farbiger Lithographien.
Verlag von Fritz Gurlitt, Berlin. (Zu Seite 115.)

In dieser Zeitspanne aber, der der Graphiker Lovis Corinth die reichste Entfaltung seines einzigartigen Talentes dankt, hat der Maler ähnlich eine Entwicklung genommen, die das bis dahin aufgezeichnete und umrissene Werk seines Lebens erst zu voller Reife gebracht hat. Wer Corinth in den letzten Jahren beobachten konnte, muß über dies alleinstehende, vielleicht nie erlebte Wunder der Natur staunen, die einem halb schon gebrochenen Körper noch jene Fülle unerhörter malerischer Klänge und mehr noch die Größe bildnerischer Form entlocken konnte, in der Corinth seine vom Lebenspuls durchtränkten Gesichte hat gestalten können. In dem Augenblick nämlich, wo die sonst so zitternde Hand Pinsel[S. 120] und Palette faßte, hatte sie die Kraft ungeschwächter Jugend. Und wer nur halbwegs die Fülle dieser Produktion gerade in den letzten Jahren zu übersehen vermag, muß immer wieder den Atem verhalten vor dem einzigen Wunder, das dem Verfall körperlicher Kräfte die Summe intuitiver und höchster künstlerischer Schaffenslust gegenüberstellt. Ja, man darf sagen, daß alles, was an dieser Stelle mit breiten Strichen die Zeugung dieses Lebens anschaulich zu machen versucht hat, beinahe ein Nichts bedeutet gegenüber dem Reichtum, den erst das letzte Jahrzehnt gezeitigt hat, das im wahren Sinne diesem einzigen Künstlerdasein letzte Erfüllung geschenkt hat. Die ursprüngliche Kraft reinen Porträtaufgaben gegenüber scheint zwar in dieser Lebensspanne sichtbar zu verblassen, vielleicht weil der jetzt ganz nach innen gekehrte Blick des Meisters überhaupt dem einzelnen Menschen gar nicht mehr die Bedeutung zuerkennt, die er vordem noch als Objekt seiner malerischen Schöpferfreudigkeit besessen hat, vielleicht auch, weil Corinth der sichtbaren Natur immer weiter entrückt, die sich für ihn fortan auf herrlichen Stilleben und grandios geschauten Landschaften zu durchaus inneren Gesichten vergeistigt. Denn dies ist in der Tat der geheime Sinn all der glutdurchhöhten[S. 121] Farbenlust, den die Werke der letzten Epoche kennzeichnen, daß sie immer augenfälliger der wahren Existenz göttlichen Seins zustreben und organisches Leben — einerlei ob Landschaft oder Stilleben — von innen her, beinahe metaphysisch sehen und widerspiegeln. Schaut man aber von diesen köstlichsten Dokumenten malerisch-farbigen Seins auf die Arbeiten aus früherer Zeit zurück, dann steht man gebannt vor der Folgerichtigkeit und inneren Wahrhaftigkeit, die diesem unbeirrt Ringenden ein Leben lang — und ohne daß er wie beispielsweise Liebermann, der fast immer irgendwie äußeren Einflüssen erlegen ist, einem Fremden geopfert hat — den Weg der Vollendung gewiesen haben. Diese Bilder, von denen wenigstens einige wichtige Proben dieser Neuauflage illustrativ eingefügt werden konnten, sind malerisch[S. 122] das Stärkste, das deutsche Kunst seit mindestens zwei Menschenaltern zu vergeben hatte. Vor diesen Werken verblassen wie von selbst alle kunstgeschichtlichen Reminiszenzen, die vielleicht dem einen oder anderen Gemälde aus früherer Zeit gegenüber Berechtigung hatten. Nicht einmal der Hinweis auf sonstige europäische Produktion der Epoche (am allerwenigsten auf die französische Kunst) ist gestattet. Sie sind rein und bar jeder Voraussetzung ebenso typische wie grandiose und für die gesamte deutsche Kunstgeschichte als einzige Gipfel zu wertende Werke dieses Meisters.

Abb. 135. Blick auf den Walchensee. Radierung. Verlag von Fritz Gurlitt, Berlin. (Zu Seite 117.)
Abb. 136. Stilleben mit blauer Vase. 1917.
Abb. 137. Blumen und Obst.
Abb. 138. Anna Boleyn. Lithographie. Verlag von Fritz Gurlitt, Berlin. (Zu Seite 116.)
Abb. 139. Im Harem. Radierung. Verlag von Fritz Gurlitt, Berlin.

Technisch sind diese Bilder das Ergebnis eines langen und vielseitigen Künstlerlebens. Sie sind es aber auch (Abb. 114 u. fg.), die heute nachfolgender Jugend voranleuchten und die von keinem der Jüngeren malerisch überholt werden.

Man kann im übrigen diese Betrachtungen nicht schließen, ohne auch noch der kleineren Tatsachen zu gedenken, die den Aufstieg dieses Lebens rein äußerlich begleiten. Daß ein Künstler wie Corinth, der nie der Mode die geringste Konzession gemacht und unbeirrt durch Anerkennung oder Mißerfolg seinen Weg mit der ihm eingeborenen Überzeugungstreue gegangen ist, in dem offiziellen Deutschland der letzten kaiserlichen Zeit ohne jene äußeren Ehrungen geblieben[S. 123] ist, die den damaligen Lieblingen in so reichem Maße zuteil geworden sind, ist selbstverständlich. Aber die Sezession, die Jahre hindurch die entscheidenden Werke des Künstlers auf ihren Ausstellungen gezeigt, hat 1912 ihrem alten Kampfgenossen und Führer eine große Gesamtausstellung seiner Werke in den alten schönen Räumen am Kurfürstendamm bereitet, und es kann gesagt werden, daß vielleicht erst durch diese Ausstellung Corinths wirkliche Stellung im Rahmen der modernen deutschen Kunst weiten Kreisen entscheidend nahegebracht worden ist. Als sich dann später die Sezession in zwei Gruppen schied, ist Corinth als Führer der eigentlichen Stammgruppe Präsident der Sezession geworden, die ihn schon vor der Spaltung 1911 zum Führer berufen hatte. Dies Amt bekleidet er nun schon seit Jahren, und wenn gerade diese Sezession heute noch einen entscheidenden Faktor im Kunstleben der Reichshauptstadt darstellt, so ist das nicht zuletzt das Verdienst ihres Präsidenten, der beizeiten auch dem talentvollen jungen Nachwuchs Tor und Tür geöffnet hat.[S. 124] In einer Zeit aber, wo man sich in Deutschland über diese starke Persönlichkeit noch sehr im unklaren war, hat das Ausland mehrfach das Werk des Meisters ausgezeichnet, indem es ihm, wie auf der letzten großen Internationalen in Amsterdam, die große goldene Medaille verlieh. Die Revolution hat dann auch die Widerstände, die bis dahin in dem offiziellen Berlin gegen ihn bestanden, mit einem Schlage beseitigt, und reichlich spät ist ihm endlich auch der Professortitel verliehen worden, über den sich Corinth selbst wie ein Kind gefreut hat, weil er die Tatsache im Sinne später aber ausgleichender Gerechtigkeit empfand. Auch seine engere ostpreußische Heimat hat sich inzwischen laut und freudig zu ihm bekannt und sich ihres sechzigjährigen Sohnes erinnert, indem ihn seine Vaterstadt Tapiau zum Ehrenbürger ernannte und die philosophische Fakultät der Universität Königsberg ihm den Dr. h. c. verlieh.

Mag heute auch noch Corinths Ruhm auf Deutschland selbst und die angrenzenden Länder beschränkt sein, einmal kommt der Tag, wo das Werk des Meisters auch in den Gesichtskreis der internationalen Welt eintritt, und dann wird man vielleicht sogar jenseits des Ozeans erkennen, daß nicht nur das deutsche Kunstschaffen dieser Zeit, sondern mehr noch die europäische Kunst unserer Epoche in Corinth einen ihrer vollwertigsten Repräsentanten und Meister besessen hat.

Abb. 140. Der Künstler mit dem Tod. Radierung.
Verlag von Fritz Gurlitt, Berlin.

In seltener Prophetie hat einmal vor Jahren, in der Zeit der zweiten Münchener Epoche Corinths, der Dichterfreund Max Halbe das Schicksal unseres Meisters vorausgesehen, indem er folgende Strophen niederschrieb:

Dir ist bestimmt zu wandern auf Erden,
Der anderen ihr Glück soll deines nicht werden.
Sollst suchen und irren in unsteter Hast,
An reichster Tafel friedloser Gast.
Und wie du auch jagst von Westen nach Osten,
Den Jammer der Welt, du sollst ihn durchkosten,
Und wo du nur irrst in Nord und Süd,
Dein Kräutlein, dein Kräutlein nimmer wohl blüht.
Zu suchen bist du verdammt auf Erden,
Der anderen ihr Glück soll deines nicht werden,
Der anderen ihr Frieden, dir leiht er nicht Ruh’,
Ein flüchtiger Wanderer, ein Kämpfer bist du.

[S. 125]

Verzeichnis der Abbildungen.

Abb.
 
Seite
1.
Rudolf Rittner als Florian Geyer. 1908. Farbiges Titelbild
 
2.
Studienkopf. 1879 in Königsberg entstanden
3.
Akt aus der Löfftz-Schule. 1883
4.
Othello. 1884
5.
Studie vom Jahre 1887
6.
Halbakt. Paris 1886
7.
Komplott. 1884
8.
Bildnis des Vaters des Künstlers. 1887
9.
Falschspieler. 1887
10.
Sonntagsfrieden. 1887
11.
Der Schnapsriecher. 1889
12.
Das Frühstück. 1890
13.
Pietà. 1889. Im Besitze des Kaiser Friedrich-Museums zu Magdeburg
14.
Corinth im Atelier. Nach einem Gemälde von Carl Bublitz aus dem Jahre 1890. Ausschnitt
15.
Susanna im Bade. 1890
16.
Schwimmanstalt in Königsberg. 1890
17.
Wirtshausgarten am Pregel. 1893
18.
Kiefer am Wasser. 1892
19.
Diogenes, Menschen suchend. 1892
20.
Bildnis des Freiherrn von Geyling als Georgsritter. 1893
21.
Bildnis des Malers Walter Leistikow. 1893
22.
Trifolium. 1895. Darmstadt, Museum
23.
Loge „In Treue fest“. 1895. Im Besitze der Münchner Loge
24.
Studie zur Kreuzabnahme
25.
Kreuzabnahme. 1895
26.
Bacchanale. 1896
27.
Bacchantenzug. 1898
28.
Geburt der Venus. 1896. Im Besitze des Künstlers
29.
Herbstblumen. 1895
30.
Graf Keyserlingk. 1896
31.
Studie
32.
Fleischerladen. 1897
33.
Stallinneres. 1897
34.
Umschlagzeichnung zu Corinths Selbstbiographie
35.
Selbstbildnis von 1896
36.
Die Hexen. 1897
37.
Pfarrer Moser. 1899
38.
Kreuzigung. 1897. In der Kirche zu Tölz
39.
Aktstudie. 1899. Im Besitze des Museums zu Königsberg
40.
Bildnis Max Liebermanns. 1899
41.
Perseus und Andromeda. 1901
42.
In der Hölle. 1901
43.
Der Dichter Peter Hille. 1902. Im Besitze der Bremer Kunsthalle
44.
Familienbild. 1902
45.
Frauenräuber. Radierung. 1911
46.
Salome. Um 1899. Farbiges Einschaltbild
47.
Auf der Redoute. 1898
48.
Die Gattin des Künstlers. 1902. Im Besitze des Künstlers
49.
Bildnis der Gattin des Künstlers. 1902. Im Besitze des Künstlers
50.
Selbstbildnis. 1903
51.
Gertrud Eysoldt in Wildes „Salome“. 1903
52.
Fluch auf Saul. 1902
53.
Gerhart Hauptmann. 1904
54.
Odysseus im Kampfe mit dem Bettler. 1903. Farbiges Einschaltbild
55.
Figurine zu Minna von Barnhelm. 1903
56.
Blühender Garten. 1904
57.
Tanzender Derwisch. 1904. Im Besitze der Frau von Nibelschütz
58.
Der Harem. 1904. In Leipziger Privatbesitz
59.
Die Weiber von Weinsberg. 1892/93. Aus den „Tragikomödien“
60.
Maria Antoinette. 1892/93. Aus den „Tragikomödien“
61.
Joseph vor Pharao. 1892/93. Aus den „Tragikomödien“
62.
Bildnis des Pianisten Conrad Ansorge. 1904. Im Besitze der Sezessionsgalerie in München. Farb. Einschaltbild
63.
Grölender Bacchant. 1905
64.
Mutter und Kind. 1905
65.
Bildnis des Malers Hans Olde. 1904
66.
Hände mit Blumen. 1907
67.
Des Künstlers Gattin mit Kätzchen. 1904
68.
Unter dem Kronleuchter. 1905
69.
Im Fleischerladen. 1906
70.
Hektor. 1905
71.
Die Kindheit des Zeus. 1905
72.
Venus und Mars. 1906
73.
Eisbahn. 1907. Im Besitze der Galerie Arnold, Dresden
74.
Kreuzabnahme. 1906. Im Besitze des Museums zu Leipzig
75.
Selbstbildnis. 1907. Im Besitze der Kunsthalle zu Mannheim
76.
Fächer mit der Darstellung der tanzenden Salome. 1906
77.
Die Blendung Simsons. 1907
[S. 126]
78.
Martyrium. 1907. Im Besitze des Künstlers
79.
Blick auf die Elbe bei Altona. Im Besitze der Kunsthalle zu Hamburg. Farb. Einschaltbild
80.
Das Urteil des Paris. 1907. Im Besitze der Sammlung Rothermundt, Dresden
81.
Paul Baum. 1908
82.
Deutsche Eiche. 1908
83.
Die Familie des Künstlers. 1909. Im Besitze des Kestner-Museums zu Hannover
84.
Stilleben mit Porzellanfigur. 1912
85.
Die Versuchung des heiligen Antonius. 1908
86.
Der Apostel Paulus. Flügelbildnis vom Altargemälde „Golgatha“. In der Kirche von Tapiau. Farbiges Einschaltbild
87.
Tilla Durieux als spanische Tänzerin. 1908
88.
Bildnis des Schriftstellers Kerr. 1907. Im Besitze des Künstlers
89.
Kreuztragung. 1909. Im Besitze des Künstlers
90.
Golgatha. Altargemälde. In der Kirche zu Tapiau
91.
Studie zur Kreuztragung
92.
Federzeichnung nach einer Frauenhand
93.
Mutter und Kind. Radierung
94.
Susanna im Bade. 1909
95.
Gott Bacchus. 1909. Im Besitze des Museums zu Königsberg
96.
Bildnis des Anatomen Edinger. 1909
97.
Totenklage. 1908. Im Kestner-Museum zu Hannover
98.
Pferdestall
99.
Reiter. 1911
100.
Donna gravida. 1909
101.
Der Fahnenträger. 1911
102.
Der Sieger. 1910. Farbiges Einschaltbild
103.
Bildnis des Professors Ed. Meyer. 1911. Im Besitze der Hamburger Kunsthalle
104.
Aus Hagenbecks Tierpark
105.
Stilleben mit Figur. 1911
106.
Stilleben. 1911
107.
In der Schmiede des Vulkan. 1910
108.
Die Waffen des Mars. 1910
109.
Photographische Aufnahme des Künstlers von H. Boll, Berlin. 1911
110.
Der heilige Michael
111.
Der Wasserfall. 1911
112.
Skizze zum Gemälde „Das Paradies“. 1912
113.
Das Paradies. 1912
114.
Venus mit Spiegel und Amor. 1915
115.
Bacchantin. 1913
116.
Orientalischer Teppichhändler
117.
Bildnis des Malers R. Sieger. 1912
118.
Aus dem Hohen Lied. Lithographie
119.
Schlußstück aus dem Hohen Lied. Lithographie
120.
Rosen. 1911. Farbiges Einschaltbild
121.
Aus dem Buch Judith. 1911. Lithographie
122.
Lithographie. 1912
123.
Skizze
124.
Meeresstimmung. 1912
125.
Auf der Veranda in Bordighera. 1912
126.
Odysseus im Kampfe mit den Freiern. 1913
127.
Kampf der Freier mit Odysseus. 1913
128.
Theseus und Ariadne. 1913
129.
Aus einer Bilderreihe „Ritter und Drache“. 1914
130.
Aus einer Bilderreihe „Ritter und Drache“. 1914
131.
Selbstbildnis. 1918
132.
Reiterbildnis. 1917
133.
Unter dem Weihnachtsbaum. Radierung
134.
Martin Luther. Aus der Reihe farbiger Lithographien
135.
Blick auf den Walchensee. Radierung
136.
Stilleben mit blauer Vase. 1917
137.
Blumen und Obst
138.
Anna Boleyn. Lithographie
139.
Im Harem. Radierung
140.
Der Künstler mit dem Tod. Radierung
*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 67665 ***