The Project Gutenberg eBook of Vom Reisen und Reisen lassen by Gerhard Kästner

This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook.

Title: Vom Reisen und Reisen lassen

Author: Gerhard Kästner

Release Date: August 18, 2023 [eBook #71434]

Language: German

Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK VOM REISEN UND REISEN LASSEN ***

Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1910 so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.

Im Text werden anstatt der Umlaute in Großbuchstaben (Ä, Ö, Ü) deren Umschreibungen (Ae, Oe, Ue) verwendet. Dies gilt nicht für die Titelblätter und den Rechtsvorbehalt.

Die Fußnote wurde an das Ende des betreffenden Abschnittes versetzt.

Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original gesperrt gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt erscheinen.

Original-Einband

HAMBURGER HANDELSBÜCHER BAND IV

Vom Reisen
und Reisen lassen

VON

GERHARD KÄSTNER

HAMBURG 1910
GEBRÜDER LÜDEKING, VERLAGSBUCHHANDLUNG

Hamburger Handelsbücher

Band IV. Gerhard Kaestner
Vom Reisen und Reisen lassen

HAMBURG 1910
GEBRÜDER LÜDEKING, VERLAGSBUCHHANDLUNG

Alle Rechte, auch das der
Übersetzung, vorbehalten

Vorwort.

Die ersten beiden Bände der Hamburger Handelsbücher haben in kurzer Zeit weite Verbreitung und, was mehr ist, den Beifall der sachverständigen Kreise gefunden. Damit dürfte der Beweis dafür geliefert sein, daß die aus der Praxis für die Praxis geschriebenen Bücher tatsächlich eine Lücke ausfüllen. Damit ist auch ferner bewiesen, daß es sehr wohl möglich ist, Zweige des kaufmännischen Könnens, die in der Hauptsache auf angeborenen Talenten und auf Erfahrungen beruhen, systematisch so zu behandeln, daß breite Kreise Vorteil aus dieser Art der Behandlung ziehen können.

Trotzdem habe ich es mir sehr reiflich überlegt, ob über die Kunst, als Reisender Erfolge zu erzielen, ein Buch geschrieben werden kann, das dem Reisenden und den vielen Angestellten, die Reisende werden wollen, das sein kann, was die bis jetzt erschienenen Hamburger Handelsbücher bereits Tausenden geworden sind. Ich bin schließlich an die Arbeit gegangen, weil ich aus eigener Praxis wußte, wie schwer es zumal dem angehenden Reisenden ist, alle Erfahrungen zu sammeln, deren Fehlen oft so teuer bezahlt werden muß. Ich wußte, daß auch ältere Berufsgenossen sich ihre Tätigkeit durch mancherlei Reiseunarten erschweren. So hoffe ich, daß das vorliegende Buch sowohl den Angestellten, die sich aus der Enge des Ladens und aus der Einförmigkeit des Kontores hinaussehnen, die nach der freieren, unabhängigeren und besser bezahlten Stellung eines Reisenden streben, manche Fingerzeige, als auch dem älteren „Reise-Onkel“ wenigstens hier und da noch Anregung geben wird. Ich habe darauf verzichtet, „Kniffe“ und sogenannte Kniffe breit und ausführlich zu behandeln. Abgesehen davon, daß manche dieser „Kniffe“ wirklich nicht sehr empfehlenswert sind, glaube ich, daß schließlich jeder Reisende seine Methode selber bilden muß und wird. Ein Kniff, den sich der eine vielleicht noch leisten kann, würde den anderen Reisenden schwer schädigen. Ein Buch kann und soll auch nicht die Erfahrung ersetzen. Vielmehr gilt auch hier als Regel:

Ein Blick ins Buch und zwei ins Leben,
Das muß die Form dem Geiste geben!“

Manche Kleinigkeit mußte ich erwähnen. Ich bitte den Leser, über diese scheinbaren Kleinigkeiten nicht hinweg zu gehen. Es gibt im Reiseleben keine Kleinigkeiten! Kleine Ursachen können gerade für den Geschäftsreisenden große Wirkungen nach sich ziehen. Es scheint mir deshalb notwendig, daß besonders der Anfänger das Buch nicht durchliest, sondern gerade wegen der vielen Kleinigkeiten durcharbeitet!

Zum Schlusse möchte ich noch den „Aeltesten der Kaufmannschaft“ zu Berlin meinen Dank aussprechen für die freundliche Unterstützung, die es mir ermöglichte, über die z. T. recht umständlichen Vorschriften, die in den europäischen Staaten für die Geschäftsreisenden bestehen, bestimmte und genaue Angaben zu machen.

Gerhard Kaestner.

Inhaltsverzeichnis.

 
Seite
 
Einleitung
Wer soll reisen?
Das Recht und der Reisende
a) Der Dienstvertrag
b) Die Vollmacht des Reisenden
c) Der Mietsvertrag mit dem Gastwirt
d) Paßverhältnisse im Inland
e) Die Vorschriften über das Detailreisen
f) Unlauterer Wettbewerb
Der Reisende und sein Haus
Die Ausrüstung
Der Reisende und die Eisenbahn
a) Die Personenbeförderung
b) Die Gepäckbeförderung
c) Die Haftpflicht
Der Reisende im Gasthaus
Bei der Kundschaft
Der Detailreisende
Der Reisende im Ausland
Ein Schlußwort an die Auslandsreisenden

[S. 1]

Einleitung.

Ich war noch Lehrling, aber ein ansehnlicher strammer Kerl. Meine Lehrzeit diente ich ab in einem Tuch- und Manufakturwarengeschäft. Tagtäglich kamen Reisende zu uns, gute und auch recht wenig verläßliche. Schließlich traute ich es mir zu, von vornherein zu beurteilen, ob der oder jener ein Geschäft oder eine „Pleite“ machen werde. Mein Chef war einer der alten Schule. Er hatte vor nichts mehr Respekt als vor einem überfüllten Lager. So hörten selbst die Reisenden bekannter Häuser seine ständige Redensart: „Ich bin mit allem versehen, diesmal brauche ich wirklich nichts.“ Trotzdem kam es zu manchem guten Geschäft für die Reisenden. Ich mußte oft Muster, die zurückgeblieben oder die zu einer engeren Auswahl zurückgelassen worden waren, nach dem Hotel tragen, das die Reisenden beherbergte. Wie gut die es hatten! Setzten sich an die „reichbesetzte Tafel“, tranken, rauchten, spielten Karten und ließen, wie man daheim zu sagen pflegte, den lieben Gott einen guten Mann sein. Damals schon stand es bei mir fest: Ich wollte Reisender werden. Im Geiste sah ich mich dann schon mit großen Koffern durch die Welt streifen. Natürlich verdiente ich auch recht viel Geld und ließ es mir wohl sein, — in Gedanken natürlich!

Aussichten und Hoffnungen.

Das Glück war mir günstig! Ich lernte im dritten Jahre. Unser junger Mann machte sich selbständig, sein Nachfolger schlug nicht ein, da wurde ich denn feierlichst[S. 2] im letzten halben Lehrjahr zum Reisenden der Firma N. N. ernannt.

Mein Traum war damit natürlich noch nicht erfüllt. Statt der „großen Koffer“ begleiteten mich zwei, allerdings auch nicht unansehnliche Handkoffer auf meinen Streifzügen in die Thüringer Dörfer, denn ich war „Detailreisender“. Mit hochgespannten Erwartungen ging ich auf die Tour, flügellahm stellte ich sie wieder ein, nach öfteren vergeblichen Ansätzen, Erfolge zu erzielen. Hatte ich ein Dorf abgeklappert und ging in ein anderes, dann überfiel mich die Angst: Wird das Geschäft besser werden, als es war? Und es war nicht gut! Nicht annähernd erzielte ich den Umsatz, den mein Vorgänger erzielt hatte. Um Ausreden war ich zwar nicht verlegen. Ich glaubte sie selber. Und da mein Chef mir vertraute, hätte es noch lange so gehen können. Zu meinem Glück lernte ich, trübselig einmal in der Schenke sitzend, einen „ausgepichten“ Reisenden kennen. Er war selbst Chef und meine schärfste Konkurrenz! So manches mal hatte ich erfahren, daß Kunden, die bei meinem Besuch „nichts brauchten“, zwei Tage später bei ihm gekauft hatten. Ich war also nicht gut auf ihn zu sprechen. Dieser Mann nahm mich vor, just wie der Vater seinen Jungen vornimmt. Und ich, ich wurde ganz klein.

Ein guter Rat.

Ich wußte nicht, sollte ich ihm mißtrauen? Wollte er mich nur los sein? Wer aber bürgte denn dafür, daß mein Nachfolger nicht viel tüchtiger war als ich? So glaubte ich meinem Berater. Heimgekommen erklärte ich meinem Chef, daß ich nach beendeter Lehrzeit ausfliegen würde. Ich sei kein Reisender, würde es so niemals werden, ich[S. 3] müßte noch viel lernen, ehe ich einmal wieder mit dem Musterkoffer wandern würde.

So ging ich und lernte! Und nach vielen Jahren ging mein Traum wirklich in Erfüllung: Ich reiste mit drei großen Musterkoffern und verdiente ein leidliches Geld. Ich hatte aus Fehlern gelernt! Was ich an Erfahrungen gesammelt habe, das will ich nun, schlicht und einfach, wie es mir gegeben ist, allen Handlungsgehilfen mitteilen, die auch auf der Reise sind, oder doch den sehnsüchtigen Wunsch haben, auf die Reise geschickt zu werden.

Denn den Wunsch, der meinen Jugendtraum ausmachte, verstehe ich! Ist auch der Beruf des Reisenden anstrengender als der eines Verkaufs- oder Kontorangestellten, so bringt er doch auch recht viel Abwechslung, er gibt eine freie und selbständige Stellung und — ein guter Reisender wird noch immer recht gut bezahlt!

[S. 4]

Wer soll reisen?

Ich sagte in meiner Einleitung schon, daß eigentlich mein erster Mißerfolg die Grundlage abgab dafür, daß ich später ein leidlicher Reisender wurde. Ich sagte ebenfalls, daß der Beruf des Reisenden anstrengender ist, als irgend ein anderer kaufmännischer Beruf.

Davon will ich auch jetzt ausgehen, wenn ich die Frage beantworte: Wer soll reisen?

Unerwünschte Abwechslung.

Heute hier, morgen dort! Bald im dumpfen Eisenbahnabteil, in dem man kein Fenster öffnen darf, weil es „zieht“, bald auf den Stationen, beim Türöffnen, wirklichem Zug ausgesetzt. Bald unerträgliche Hitze — bald wieder empfindliche Kälte. Heute lachender Himmel, morgen das bekannte Hundewetter. Einen Hund, so sagt man, schickt man nicht hinaus! Der Reisende darf nicht fragen, was für Wetter ist. Er muß hinaus. Und kommt er müde in sein Gasthaus, das für ihn das Heim darstellen soll, dann merkt er nur allzubald, daß der Geist willig, aber das Fleisch schwach ist. Hier wird so gekocht, dort wieder ganz anders. Heiß und kalt wie das Wetter ist, so geht es auch mit den Speisen, alles durcheinander. Dabei trotzdem eine Speisekarte von fürchterlicher Eintönigkeit. Man kommt manchmal auf den Gedanken, daß die Gasthäuser ihre Speisekarten mit aller Gewalt vereinheitlichen wollen.

Dann das Zimmer! Feuchte Bettwäsche ist ja vielfach ein Zeichen von Schlamperei! Wo sie zu finden ist,[S. 5] darf man in neun von zehn Fällen getrost annehmen, daß schon ein anderer Adam von diesem Bettlaken verhüllt wurde. Es wurde dann nur angefeuchtet und stark gepreßt, damit sich die alten Brüche verloren, und nun soll es traulich den neuen Leib umschließen. Aber nicht immer ist das so! In der Reisezeit wird in gut besuchten Gasthäusern die Wäsche knapp. Ist das Wetter nicht gut, trocknet es schlecht, muß so manchesmal zur wirklich gewaschenen Wäsche gegriffen werden, wenn diese noch feucht ist.

Und dann die Nerven! Ein Reisender muß Pferdestränge als Nerven haben, sonst reibt er sich beizeiten auf.

Drei angeborene Eigenschaften.

Aus allem dem ist zu erkennen, daß jeder, der reisen will, eine eiserne Gesundheit sein eigen nennen muß. Das ist aber erst eine Vorbedingung!

Wenn mein erster Ausflug nicht von Erfolg begleitet war, dann lag das zu einem guten Teil — abgesehen von den Kenntnissen, die ich nicht hatte und von denen noch die Rede sein wird — daran, daß ich eben blutjung war.

So ein junger Guckindiewelt, mag er nun Engros- oder Detailreisender sein, wird immer über die Achsel angesehen. Er kommt von vornherein schlecht ins Geschäft. Hat er aber wirklich diese Schwierigkeit überwunden, so vermag er doch seinen Worten nicht den äußeren Nachdruck zu geben, den nur eine in sich gefestigte Persönlichkeit auszuüben vermag. Gewiß kann man auch zu einem jungen Mann Vertrauen haben, aber in der Regel stellt es sich nur dann ein, wenn der junge Reisende bereits bekannter geworden ist. Das Vertrauen,[S. 6] das gar nicht erst hergestellt werden muß, das vielmehr unbewußt da ist, hat das Alter vor der Jugend voraus. Wer deshalb auf die Reise gehen will, soll es nicht tun, wenn er nicht mindestens die „Zwanzig“ auf dem Rücken hat.

Vom Alter hängt nämlich noch eine dritte Eigenschaft ab, die der Reisende haben muß!

Ich werde in meiner Kauflust immer beeinflußt von dem Aussehen des Ladens, den ich betrete. Ich glaube sagen zu dürfen, daß es fast jedem Käufer so geht. Ein freundlicher, solide aussehender Laden, ein gewinnender Verkäufer bewirken oft einen größeren Einkauf, als wirklich tadellose Waren, die nur das Unglück haben, in einem unfreundlichen Laden zur Schau gestellt und von einem weniger tüchtigen Verkäufer angepriesen zu werden. (Siehe auch das Werkchen von Curt Büsch im gleichen Verlage: Vom Verkaufen.)

Beim Reisenden liegen die Dinge noch anders. Zunächst stehen sich hier Käufer (der Kunde) und Verkäufer (der Reisende) durchaus nicht mit der Absicht gegenüber zu verkaufen und zu kaufen. Die Absicht, zu verkaufen ist wohl immer vorhanden, die Absicht zu kaufen fast nie! Im Laden kommt dem Verkäufer die bereits ausgestellte Ware, die doch ein gewichtig Wörtlein mitspricht, zu Hilfe. Der Reisende hat oft die Hauptschwierigkeit zu überwinden, ehe er den Kunden dazu gebracht hat, die Muster überhaupt ansehen zu wollen. Er ist also beim ersten Angriff ganz allein auf seine Person angewiesen. Es gibt Menschen, die man auf den ersten Blick gern hat, sie flößen sofort Vertrauen ein. Es gibt andere, denen man mißtraut, denen man unbewußt nicht wohl will. Ein schönes Kind wird immer mehr Schokolade bekommen,[S. 7] als ein weniger schönes oder gar häßliches. Die Schokolade, die den Reisenden erfreut, sind die Aufträge. Ein Adonis oder Apoll braucht der Reisende zwar nicht zu sein, aber er soll doch möglichst körperlich ansehnlich sein und ein sympathisches Aeußeres haben.

Mit diesen drei Eigenschaften (Gesundheit, reifes Alter, sympathische Ansehnlichkeit), die der Reisende selten erwerben kann, die er höchstens zu verbessern vermag, ist es aber längst nicht getan. Wer reisen will, muß bestimmte Fähigkeiten besitzen, ohne die für ihn der Erfolg seiner Tätigkeit ausgeschlossen ist.

Es mag wohl einmal eine Zeit gegeben haben, in der man auch im Geschäftsleben den guten Freund, der uns besuchte, auf das Kanapee nötigte und für ihn auftrug, was Küche und Keller boten. Vielleicht hatte es aber auch damals schon damit sein Bewenden. Der Reisende sucht seine Kundschaft nicht zu solchem Zweck auf, sondern um Geschäfte zu machen.

Freundschaft.

Da wird er bald merken, daß nicht nur in Geldsachen die Gemütlichkeit aufhört, sondern auch in Geschäftssachen die Freundschaft. Ich habe so manchen Kunden kennen gelernt, der gut bei mir kaufte, so lange unser gegenseitiges Verhältnis ein auf Vertrauen gegründetes geschäftliches war. Als das anders wurde, als wir uns freundschaftlich näher traten, da wurde zwar die Freundschaft größer, die Aufträge aber — kleiner. Kein Wunder! Einem Freund kann man mit beweglicheren Klagen kommen, ihn kann man leichter vertrösten, ihn wird man auch leichter los als den Nur-Geschäftsfreund.

[S. 8]

Wer heute als Reisender verkaufen will, muß andere Wege gehen, als sie früher gangbar waren.

Er muß dem Kunden, den er besucht, klar machen können, daß er gerade die Ware braucht, die der Reisende zu verkaufen hat, daß die Ware, die er führt, alle Vorzüge vereint, die nur immer eine Ware haben kann, daß sie vor allem gut und billig ist. Der Reisende, der so arbeiten will, muß vor allen Dingen seiner Sache sicher sein!

Reisestimmungen.

Gewiß spielen auch manche Charaktereigenschaften in der Reisetätigkeit eine Rolle. Wer das Leben von der heiteren Seite nimmt, d. h. wer den Dingen immer eine gute Seite abgewinnen kann, wer den rechten Humor zur rechten Zeit hat, der wird immer lieber gesehen werden, als ein Mensch, der aussieht „wie vierzehn Tage Regenwetter“. Dann gehört zum Reisen ein offener Blick. Der Reisende muß wissen, an wen sein Kunde die Waren verkauft. Er muß erkennen, ob die Kundschaft seines Kunden aus Arbeitern, Landwirten oder Angehörigen der oberen Zehntausend besteht. Er muß auch in der Lage sein, einem Kunden, der gar zu arg über die schlechten Zeiten klagt, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, er muß fühlen, wo ihn der Schuh drückt.

Sodann gebraucht der Reisende Verantwortlichkeitsgefühl und zwar mehr, als irgend ein anderer Angestellter. Bei diesem sorgt immer die geschäftliche Ordnung, das Auge des Prinzipals und die Gewohnheit dafür, daß die Pflicht erfüllt wird. Der Reisende hat keine Geschäftszeit, auf ihm ruht nicht das Auge des Prinzipals. Er hat nur eine Triebfeder: sein[S. 9] Verantwortlichkeitsgefühl und nur einen Maßstab, ob er seine Pflicht erfüllt hat: den Erfolg. Unverdrossen muß der Reisende sein und unermüdlich. Es kommt bei jedem Reisenden einmal eine Zeit, in der die Kommissionen sich nicht einstellen wollen und dafür die Briefe vom „Haus“ einlaufen mit der unangenehmen Frage, warum und wieso die letzte Woche keine Erfolge gebracht hat.

Wer da den Mut verliert, ist verloren! Nur nicht mit der Stimmung an das Geschäft gehen: Es ist doch vergeblich! Lieber die Tour abbrechen. Ein richtiger Reisender darf sich vom Geschick nicht unterkriegen lassen. Gab es einmal wenig Kommissionen, gut, ein Grund mehr, dafür zu sorgen, daß sie nun zahl- und umfangreicher kommen. Und auch nicht sagen: Heute geht es nicht, vielleicht geht es morgen besser. Oder: In dem Nest ist doch nichts los, also fort, wo anders hin. Nein! Wenn Kunden an einem Platz nicht gekauft haben, dann gilt es, neue Kundschaft zu suchen, die dann eben den Ausfall decken muß.

Ich sprach schon davon, daß der Reisende seiner Sache sicher sein müsse. Damit meine ich durchaus nicht nur, daß er die selbstverständliche Gewißheit, die feste Ueberzeugung haben muß, ein gutes und leistungsfähiges Haus zu vertreten. Nein, er muß in der Lage sein, seine Gewißheit und seine Ueberzeugung zu der seines Kunden zu machen.

Dazu braucht er vor allen Dingen

Waren- und Branchenkenntnis.

Ich stand einmal als Unbeteiligter im Privatkontor eines meiner Kunden. Draußen tauchte ein Reisender[S. 10] auf. Kein Konkurrent von mir, er wollte vielmehr andere Waren absetzen. Mein Kunde sah sich die Muster an und verglich sie mit seinem Bestande. Dabei hatte sich wohl herausgestellt — oder war es nur ein „Bluff“, daß seine Lagerware billiger war als die bemusterte. Ich war gespannt, wie sich mein Kollege benehmen würde! Ich will es vorausschicken: Herzlich ungeschickt! Er bemühte sich gar nicht, sich selbst ein Urteil über die Ursache des Preisunterschiedes zu bilden, sondern verfiel in Redensarten. Er hatte vorzügliches „Elsässer Fabrikat“, die Ware meines Kunden wäre hingegen sicher aus irgend so einer „Quetsche“, sie hätte augenscheinlich „zuviel Appretur“ und wäre dadurch „griffig“, d. h. sie täuschte durch ihr Aussehen über ihre mangelhafte Güte hinweg. Den Beweis wollte mein Kollege sogleich durch den „Fadenzähler“ führen. Hätte er es doch nicht getan! Er hätte zwar kein Geschäft gemacht, aber er hätte sicher nicht außer dem Schaden noch den Spott zu tragen gehabt! Die Fadenzählung ergab vollständig gleiche Qualität der Muster und der Ware. Da sieht mein Kunde die Auszeichnung! Sie enthielt die Buchstaben C. G. W. & S., C. I. und den Preis. „Hören Sie mal“, sagte da mein Kunde zu meinem Kollegen, „Ihre Ware ist von C. G. Wwe. und Sohn, es ist genau dieselbe Qualität wie die meinige, die nämlich auch daher ist. Ihr gutes „Elsässer Fabrikat“ ist in Thüringen entstanden.“

Muß schon der Verkäufer in einem Laden genaue Warenkenntnis haben, dann der Reisende erst recht. Der Verkäufer darf doch bei der Mehrzahl seiner Kunden voraussetzen, daß sie noch weniger Warenkenntnis haben, als er. Anders der Reisende. Seine Kunden kennen in der Regel die Ware, sie lassen sich nicht ein X für ein U[S. 11] vormachen. Mein Kollege, von dem ich eben sprach, hatte aber noch einen anderen Fehler begangen. Er vertrat in der Tat eine große Fabrik aus dem Elsaß. Gerade die Ware, die mein Kunde ansah, bezog aber seine Firma aus einer Thüringer Weberei. Ich habe mich später erkundigt und erfahren, daß die Firma des Reisenden zu den gleichen Preisen verkaufte, wie die Weberei direkt den Kleinhändlern lieferte. Nur hatte mein Kollege nicht gewußt, daß seine Preise höher sein mußten, weil zwischen dem Kauf der Ware meines Kunden und seinem versuchten Verkauf eine enorme Baumwollteuerung eingesetzt hatte. Zur Warenkenntnis gehört deshalb auch eine genaue Marktkenntnis, die man sich mühelos durch stetes Studium des Handelsteils großer Zeitungen aneignen kann.

Nehmen wir aber einmal an, es hätten wirklich Qualitäts- oder andere Unterschiede zwischen den Futterstoffen bestanden. Dann muß der Reisende sie sofort erkennen. Er muß in der Lage sein, dem Kunden begreiflich zu machen, daß seine Ware deshalb teurer ist, weil sie irgend welche Vorzüge vor den billigeren hat. Um das nachweisen zu können, gehört oft zur Warenkenntnis die genaue Kenntnis der Herkunft des Rohmaterials.

Falsche Angaben aus Unkenntnis.

Damit aber nicht genug. Der Reisende ist eine Vertrauensperson. In doppelter Hinsicht. Sein Prinzipal hat zu ihm das Vertrauen, daß er Geschäfte macht und hilft, das Geschäft hoch zu bringen, den guten Kundenkreis zu vergrößern; der Kunde erwartet und darf es erwarten, daß ihn der Reisende sachverständig berät. Besonders gilt das bei neuen Artikeln! Bleiben wir einmal bei der Tuchbranche! Da muß der Reisende zweierlei genau[S. 12] kennen. Das eine fällt in die Waren-, das andere in das Gebiet der Branchenkenntnis. Auch da erinnere ich mich eines Beispiels. Mein Lehrherr kaufte einmal von einem Leipziger Engros-Haus eine Neuheit, die uns besonders empfohlen wurde. Sie war unzweifelhaft hochmodern und zudem sehr eigenartig. Der Preis war ziemlich gepfeffert. Der Reisende wurde um Auskunft gebeten, ob und wie der Stoff sich tragen würde! Gut, sehr gut! war die Antwort. Darauf wurde das Muster in drei Farben in halben Stücken bestellt. Die Stoffe gingen auch flott weg. Sie trugen sich ja gut, sehr gut, wie der Reisende erklärt hatte. Da sie teuer waren, kauften sie unsere verwöhntesten Kunden. Ein Schneidermeister, der es nicht mit dem alten Grundsatz hielt, daß man den Schmied im Dorf an dem Haus erkenne, wo das Tor aus der Angel sei, fertigte sich selbst einen Anzug von unserer Neuheit an. Nachdem er den Anzug vier Wochen getragen hatte, besuchte er uns wieder. Ich sehe ihn noch, wie er ganz trockenen Tones bat, wir möchten ihm doch eine Schere zu dem gekauften Stoff zugeben, er müsse fortwährend Fäden abschneiden, die sich von den aufgeworfenen Karos gelöst hatten.

Wir waren leider einzelne Kunden los geworden, der Reisende durfte sich für meinen Prinzipal auch einen anderen Kunden suchen.

Wie gesagt muß der Reisende Branchenkenntnis haben. Dazu rechne ich, daß er weiß, was modern ist, dazu rechne ich, daß er auch weiß, wann die günstigste Einkaufszeit ist, wann ein Artikel besonders kräftig vertrieben werden muß. Niemals soll es sich aber der Reisende beikommen lassen, seine Waren- und Branchenkenntnisse zu mißbrauchen. Das kommt[S. 13] immer an den Tag! „Povel“ muß als „Povel“ verkauft werden und ein Artikel, der sich nicht bewährt hat, bewährt sich nicht dadurch, daß man ihn als besonders neu und gut bewährt hinstellt.

Wie aber sollen die Branchen- und Warenkenntnisse erworben werden? Die Grundlage muß in der Praxis gelegt werden! Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt, daß sie zweckmäßig im Detailgeschäft gelegt wird. Leider hat unsere Lehre gerade hier empfindliche Lücken und mehr als ein Lernender ist darauf angewiesen, seine Kenntnisse mühsam „aufzupicken“, wie der Amerikaner zu sagen pflegt. Aber die Vorbedingung ist für ihn in einem Detailgeschäft günstiger, als sie für den Lageristen in einem Engrosgeschäft ist. Hier geht immer die Ware durch die Hände des Lernenden, dort lernt der Angestellte hauptsächlich die Marke und die Packung kennen. Am besten ist es aber, wenn es der Reisende ermöglichen kann, auch die Fabrikation der von ihm vertriebenen Waren kennen zu lernen. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, daß große tonangebende Firmen mehr und mehr die Furcht vor dem Verrat der Fabrikationsgeheimnisse abtun und die Besichtigung ihrer Fabrikationsräume gestatten.

Allgemeine Bildung.

Der Reisende muß eine gute Allgemeinbildung haben. Das erleichtert ihm das Geschäft, das macht sein Leben inhaltsreicher. Auf keinen Fall soll aber der Reisende unter Allgemeinbildung nur die Kenntnis des politischen Lebens verstehen oder gar die Erzählung pikanter Geschichtchen. Im Gegenteil soll sich jeder Reisende im allgemeinen vor politischen Kannegießereien hüten. Freilich kann und soll er Bescheid wissen, um nicht durch[S. 14] Unwissenheit aufzufallen. Er muß aber seine Meinung für sich behalten können.

Unter Allgemeinbildung verstehe ich jedoch etwas anderes. Ich will hier die Allgemeinbildung nur streifen, die vielleicht eine Branche besonders fordert. Der Buchhandlungsreisende muß sich mit seinen Kunden über die Literatur unterhalten können, wer in Musikinstrumenten reist, muß über unsere Musikgrößen unterrichtet sein, wer Sportartikel vertreibt, über den Sport und seine Größen usw. Jeder Reisende muß aber in der Lage sein, sich mit seinem Kunden zu unterhalten, über Dinge, die allgemein besprochen werden. Oft wird er dabei gewahr werden, daß seine Schulbildung durchaus nicht ausreichte, ihm die Bildung zu vermitteln, die er nun im Leben braucht. Da heißt es denn: Lesen, lernen, immer wieder lesen und lernen! In allererster Linie muß der Reisende die kaufmännischen Wissenschaften kennen. Lernte er sie nicht in der Schule oder in der Fortbildungsschule kennen, dann gilt es Fachliteratur zu studieren. Es macht einen kläglichen Eindruck, wenn z. B. ein Prinzipal eben den Börsenzettel oder den Handelsteil seines Leibblattes studiert, mit dem eben eintretenden Reisenden eine Unterhaltung anknüpfen will und dieser keine Ahnung von der Börse, ihren Gewohnheiten und ihren Geschäften hat.

Sprachunarten.

Soll ich hervorheben, daß der Reisende ein gutes Deutsch sprechen muß? Leider ist es notwendig, gerade auf diesen Punkt einzugehen. In der Tat sprechen manche Reisenden ein fürchterliches Deutsch. Besonders dann, wenn sie sich in den Sprachunarten ihres Dialektes gefallen.[S. 15] Der Sachse soll sich immer vor Augen halten, wo er sein geliebtes Sächsisch redet. Was in Sachsen niemand auffällt, was in Thüringen leicht ertragen wird, fordert den Spott des Niederdeutschen heraus. Natürlich gilt das nicht nur den Sachsen, sondern allen Dialekt sprechenden Volksgenossen. Schlimmer aber als Dialekt-Deutsch ist ein Gemisch von Deutsch und fremdsprachlichen Brocken. Wer eine fremde Sprache nicht ganz beherrscht, soll sich hüten, sie zu gebrauchen. In meiner Erinnerung haftet immer noch ein Reisekollege, der in vielen Gasthäusern unter dem Spitznamen „Dampramang“ bekannt war. Und warum? Er war ein lustiger Geselle! War er allzu launig gewesen und wurde zum Rückzug geblasen, dann war seine immerwährende Entschuldigung, sein „Dampramang“ sei mit ihm durchgegangen. Er hat es gewiß manchmal bedauert, daß sein Temperament mit ihm durchging und ihn immer wieder veranlaßte, Fremdwörter nicht richtig anzuwenden oder falsch auszusprechen.

Dabei will ich durchaus nicht etwa raten, keine Sprachkenntnisse zu erwerben, oder nicht da Dialekt zu sprechen, wo es angebracht ist. Im Gegenteil! Wer jemals das Ausland bereisen will, muß gute, sehr gute Sprachkenntnisse haben, ja, es kann ihm schon im Inland unangenehm werden, wenn er sie nicht hat. Das gilt den Reisenden, die unsere Grenzländer bereisen, Elsaß, Lothringen und Polen. Ob der Reisende den Dialekt seiner Kundschaft sprechen soll, hängt von den Umständen ab. Wenn jemand bayerische Handwerksmeister besucht und etwa in Rixdorf daheim ist, der wird gewiß keinen allzu freundlichen Empfang finden. Kann er den Anklang an den bayerischen Dialekt finden, ist er entschieden besser daran. Wer aber weltgewandte Kaufleute besucht, soll sich nicht einreden,[S. 16] mit einem mühsam eingedrillten Dialekt Eindruck zu machen.

Ganz von selbst achtet der gebildete Mann auf sein Aeußeres. Ganz von selbst wird er in seiner Kleidung das richtige finden und Uebertreibungen vermeiden, die ihn in den Geruch eines Stutzers bringen. Und doch möchte ich noch ein paar Worte auf das Aeußere des Reisenden verwenden. Wir sind ja Gottlob aus der Gigerlzeit heraus, aber mancherlei ist doch sitzen geblieben. Der Reisende trage stets einen dunklen, modernen, aber nicht fatzkenhaften Anzug. Daß er immer sauber gebürstet und niemals fleckig sein darf, ist selbstverständlich. Dabei gibt es gewisse Unterschiede! Der Reisende, der Kolonialwarenhändler besucht, kann nicht nur, sondern er soll sich größere Reserve auferlegen, ausfallende Moden mitzumachen, als der Reisende, der mit Modewarenhändlern zu tun hat. Ueber zweckmäßige Kleidung werde ich unter „Ausrüstung“ noch einiges zu sagen haben.

Eine weitere Fähigkeit, die keinem Reisenden abgehen darf, möchte ich Lebenskunde nennen. Ein Reisender muß unsere sozialen Zeitströmungen kennen, er muß in der wirtschaftlichen Gliederung unseres Volkes bewandert sein. Ist er das nicht, kann ihm mancherlei Unbill begegnen. Die Lebenskunde wirkt sehr stark auf das Geschäft ein. Hat sie der Reisende nicht, kann es ihm leicht passieren, daß er dem Kunden Waren aufreden will, für die sein Abnehmerkreis gar keine Verwendung hat. Dann wundert sich der Reisende über den Kunden, den seine Waren nicht ansprechen; er sollte sich über seine mangelhafte Lebenskunde entrüsten und diese verbessern. Er wird dann keine Ursache mehr haben, sich über seinen[S. 17] Kunden zu wundern. Die Lebenskunde wird den Reisenden ganz von selbst davor bewahren, Unarten zu begehen, die ihm schaden müssen. Es ist eine Unart, wenn der Reisende, der Geschäfte machen will und soll, dem Kunden nicht nur Waren, sondern auch seine politische Meinung aufhalsen will. Es ist eine Unart, wenn ein Reisender gegen Mitreisende unhöflich oder doch nicht voll zuvorkommend ist, weil diese vielleicht ein einfaches Gewand anhaben. Es ist schließlich auch eine Unart, Sitten und Gebräuche zu verspotten, über elende Nester zu schimpfen und über verlotterte Wirtschaften zu räsonieren. Der dadurch verletzte Lokalpatriotismus kann dann fürchterlich werden; mir scheint, mit Recht.

Erstickte Fähigkeiten.

Vor einem soll sich der Reisende hüten, ganz besonders der Anfänger, nämlich davor, eine Auffassung vom Reiseleben anzunehmen, wie sie ein Buchdrucker in einer mitteldeutschen Stadt kundgab, der damit zur Drucksachenreklame anzufeuern versuchte, daß er erklärte, die Reisenden sähen sich lediglich auf Kosten ihrer Chefs die Welt an und mästeten sich an reichbesetzten Tafeln. Die Gefahr, im Reiseleben ein Wohlleben zu sehen, ist besonders für den Anfänger nicht zu unterschätzen. Nicht überall hat sich Gottlob der Brauch eingebürgert, den Reisenden auf der Tour zu überwachen oder überwachen zu lassen. Es gibt aber Firmen, die eine sehr scharfe Kontrolle ausüben, es gibt sogar solche, die ihre Reisenden durch andere Reisende kontrollieren lassen. Eine solche Ueberwachung kann sich der Reisende, der voll seine Pflicht tut, nicht gefallen lassen, umsomehr soll er sich hüten, sie notwendig zu machen. Schürzen und Kartenspiel[S. 18] haben schon manche hoffnungsvolle Fähigkeit erstickt. Nicht zuletzt trägt unser Hotelleben die Schuld daran. Hat der Reisende seine Berichte gemacht, seine Kommissionen — er hat deren hoffentlich recht viele — überschrieben, dann weiß er nicht, was er mit dem Abend anfangen soll. Im Hotelzimmer mag er nicht sitzen, weil er scheel angesehen wird, wenn er nichts verzehrt, auf seinem Zimmer mangelt ihm die Gesellschaft — und besonders „forsche“ Kollegen finden sich überall zum ... Bummel. Hand davon! Geht es nicht, im Hotelzimmer zu sitzen ohne mehr zu verzehren als angenehm ist und als Bedürfnis empfunden wird, dann kann man sich Gesellschaft auf dem Zimmer dadurch schaffen, daß man gute Bücher oder Fachzeitschriften durchliest und soweit man davon abhängig ist, auch die Modeliteratur studiert. Will man sich aber besondere Genüsse verschaffen — dann besuche man die Sitzungen oder die Vorträge kaufmännischer Vereine — und man wird auf seine Rechnung kommen. Meine schönsten Reiseerinnerungen stammen aus solchen Sitzungen.

[S. 19]

Das Recht und der Reisende.

a) Der Dienstvertrag.

Die rechtliche Stellung des Reisenden ist nicht einfacher als die des Handlungsgehilfen schlechthin, sie ist vielmehr verwickelter und es stellen sich bei ihm noch leichter Unzuträglichkeiten in der Abgrenzung der Rechte und Pflichten ein. Es sollte deshalb oberster Grundsatz für jeden Reisenden sein, einen schriftlichen Dienstvertrag abzuschließen, denn: Was du schwarz auf weiß besitzt, kannst du getrost nach Hause tragen. Der Dienstvertrag selbst sei klar und leicht faßlich. Rechte, die nicht zweifelsfrei im Handelsgesetz gewährleistet sind, muß sich der Reisende im Vertrag sichern.

Allgemeines Recht.

Wer ist Reisender? Reisender in unserem Sinne ist ein Handlungsgehilfe, der zur Vornahme von Geschäften an Orten verwandt wird, an denen sich keine Handelsniederlassung des Geschäftsinhabers befindet. Es kann aber schon jetzt gesagt werden, daß der Stadtreisende bis auf einige Vorschriften unerheblicher Natur, dem Reisenden rechtlich gleichgestellt ist. Der Reisende ist also erst einmal Handlungsgehilfe. Es gelten deshalb für sein Dienstverhältnis die Vorschriften des 6. Abschnittes des Handelsgesetzbuches, soweit sie in den §§ 59 bis 75 niedergelegt sind. Weil der Reisende Handlungsgehilfe ist, unterscheidet er sich vom Agenten. Auch dadurch, daß in der Regel der Agent bestimmte[S. 20] Plätze oder doch kleinere Bezirke bearbeitet. Der Hauptunterschied liegt aber darin, daß der Reisende im innigen Zusammenhang mit einem Haus steht, während der Agent in der Regel mehrere Häuser vertritt. Der Reisende muß sich in die Geschäftsdisziplin einfügen, der Agent ist sein freier Mann. Handlungsgehilfe ist nun, wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist. Gleich die ersten Vorschriften des sechsten Abschnittes sind erheblich für den Reisenden. Der Reisende darf ohne Einwilligung des Prinzipals kein Handelsgewerbe betreiben, er darf auch nicht im Handelszweige seines Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen.

Die Einwilligung des Prinzipals gilt jedoch als erteilt, wenn ihm bei der Anstellung bekannt ist, daß der Reisende ein Handelsgewerbe betreibt und er die Aufgabe des Betriebes nicht fordert. Verletzt der Handlungsgehilfe diese Vorschriften, so gibt er dem Prinzipal einen „wichtigen Grund“ zur fristlosen Kündigung, d. h. zur sofortigen Entlassung. Außerdem kann aber der Prinzipal Schadenersatz verlangen oder die Vergütung, die der Reisende durch die Vertragsverletzung bezog.

Gehalt und Spesen im Krankheitsfall.

Die Vorschriften des § 62 sind an und für sich sehr problematischer Natur, sie kommen für den Reisenden wenig oder gar nicht in Betracht. Hingegen erfordert § 63 des Handelsgesetzbuches die volle Aufmerksamkeit. Dieser Paragraph bestimmt, daß dem Handlungsgehilfen im Falle er durch unverschuldetes Unglück an der Leistung der Dienste behindert wird, sein Anspruch[S. 21] auf Gehalt und Unterhalt, jedoch nicht auf eine längere als sechswöchentliche Dauer verbleibt. Er bestimmt weiter, daß Bezüge aus einer Kranken- und Unfallversicherung nicht am Gehalt oder Unterhalt gekürzt werden können. Nun ist der Paragraph so gefaßt, daß der erste Absatz den Gehaltsanspruch festlegt, der andere Absatz die Abzüge verbietet. Der zweite Absatz schließt mit dem Satz: „Eine Vereinbarung, welche dieser Vorschrift zuwiderläuft, ist nichtig“. Weil dieser Satz nicht in einem besonderen Absatz gefaßt ist, weil er nicht von „Vorschriften“ spricht, hat die Juristerei herausgefunden, daß Vereinbarungen gegen den ersten Absatz gültig sind. Andere Gerichte haben das Attentat auf den gesunden Menschenverstand nicht mitgemacht, sie stellten sich auf den Standpunkt, daß der Gesetzgeber keinen solchen Unsinn habe festlegen wollen, der zwar nicht gestattet, dem Angestellten Bezüge aus Kassen vom Gehalt abzuziehen, der aber erlaubt, das ganze Gehalt einzubehalten, wenn das vertraglich vereinbart ist. Weil aber die Rechtsprechung überaus unsicher ist, tut der Reisende gut, jeden Dienstvertrag abzulehnen, der ihm für Dienstbehinderung durch unverschuldetes Unglück den Gehaltsbezug nimmt. Da der Anspruch auf Gehalt und Unterhalt besteht, kann der Reisende auch die sogenannten Mundspesen verlangen, wenn er auf der Tour erwerbsunfähig wird. Diese Mundspesen müssen zur völligen Deckung der Kosten für Wohnung, Verpflegung und der kleinen Bedürfnisse ausreichen. Ein Landgericht hat einem erkrankten Reisenden sogar die vollen Spesen zugesprochen.

Sein Gehalt hat der Reisende am Monatsschluß zu empfangen, es darf nicht erst am Monatsschluß abgesandt werden, sondern muß dann im Besitz des Reisenden sein.

[S. 22]

Kündigung.

Vorsicht ist für den Reisenden bei der Kündigung geboten. Am besten legt er gar keine Kündigung fest, dann gilt die gesetzliche, d. h. es kann ihm die Stelle nur gekündigt werden und er kann die Stelle nur kündigen unter Einhaltung einer Frist von sechs Wochen zum jeweiligen Quartalsschluß. Die letzten Kündigungstermine sind 16. Februar (im Schaltjahr der 17.), 19. Mai, 19. August und 19. November. Vor diesen Terminen, d. h. unter Einhaltung einer längeren als sechswöchentlichen Frist kann immer gekündigt werden. Vielfach bestehen nun aber die Prinzipale auf kürzerer Kündigung und es gibt auch Fälle, in denen dem Reisenden wenigstens für die erste Zeit mit einer kürzeren Kündigungsfrist gedient ist. Dann darf die Frist zwar kürzer sein, als die gesetzliche, sie darf aber nicht unter einem Monat betragen, sie muß ebenfalls für beide Teile gleich sein, und sie ist nur zulässig für den Schluß eines Kalendermonats. Die Kündigung ist eine empfangsberechtigte Willenserklärung, sie muß also am letzten Termin im Besitz des Reisenden sein. Eine Kündigung, die am letzten eines Monats vom Hause abgeht, den Reisenden somit erst am ersten eines Monats trifft, gilt nicht mehr für das Ende dieses Monats. Dabei ist aber sehr wohl zu beachten, daß der Reisende nicht den Empfang der Kündigung schuldhaft verzögern oder gar vereiteln darf. Aber auch diese Vorschriften können umgangen werden. Dann nämlich, wenn eine Probestellung vereinbart wird und man ein Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit abschließt, oder wenn ein Reisender zur Aushilfe angestellt wird, oder wenn er mehr als 5000 Mark Gehalt bezieht, oder wenn er für eine außereuropäische Handelsniederlassung angenommen ist, und der Prinzipal[S. 23] ihm im Falle er die Stellung kündigt, im Vertrag freie Heimreise zusichert.

Ein paar Worte über die Probestellung. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Stellung zur vorübergehenden Aushilfe. Wird z. B. ein Reisender wie folgt angestellt:

„Ich stelle Sie zur Probe mit einem Gehalt von 2000 Mk. jährlich an“

und nichts weiter über die Kündigung vereinbart, so gilt trotz der Anstellung zur Probe die gesetzliche Frist. Lautet aber der Dienstvertrag:

„Herr N. N. wird vom ... ab als Reisender, zunächst zur Probe angestellt. Bis zum Ablauf von drei Monaten steht beiden Teilen das Recht zu, ohne Einhaltung einer Frist das Dienstverhältnis zu lösen“

so ist diese Abmachung ungültig.

Wollen Prinzipal und Reisender eine Probestellung vereinbaren, so kann das, wenn die Kündigungsbestimmungen nicht Platz greifen sollen, nur geschehen, indem der Reisende auf eine bestimmte Zeit angestellt wird. An diese bestimmte Zeit sind dann aber beide Teile gebunden.

Läßt sich eine Probestellung nicht umgehen, oder ist sie auch dem Reisenden erwünscht, dann ist darauf zu achten, daß in den Vertrag die Bestimmung aufgenommen wird, daß das Dienstverhältnis nach Ablauf der vereinbarten bestimmten Zeit stillschweigend weiterläuft, wenn es nicht vor Ablauf der Zeit an einem festgesetzten Termin aufgekündigt wird. Vielleicht wie folgt:

„Herr N. N. wird als Reisender mit einem Jahresgehalt von 3000 Mark, zunächst auf drei Monate zur Probe angestellt. Das Dienstverhältnis läuft stillschweigend [S. 24]weiter und wird ein ordentliches, wenn es nicht einen Monat vor Ablauf der Frist, also bis zum ... aufgekündigt wird.“

Besteht der Reisende nicht auf den zweiten Satz, dann braucht ihm der Prinzipal das Probeverhältnis nicht aufzukündigen. Er kann vielmehr den Reisenden in dem Glauben lassen, daß aus der Probestellung eine ordentliche werden wird, und ihn nach Ablauf der ausbedungenen Frist an die Luft setzen. Dann hat sich der Reisende nicht nach einer neuen Stellung umgetan und er sieht sich dann plötzlich der Stellenlosigkeit gegenüber.

Die Aushilfsstellung braucht nicht auf eine feste Zeit abgeschlossen werden — es steht dem aber auch nichts entgegen — bei ihr können vielmehr die vorhin erwähnten Kündigungsbestimmungen durch den Dienstvertrag außer Kraft gesetzt werden. Es kann also vereinbart werden, daß der Reisende zur Aushilfe mit täglicher, wöchentlicher usw. Kündigung angestellt wird, die Kündigungsfrist braucht dann auch nicht für beide Teile gleich zu sein. Es ist aber auch hier zu beachten, daß eine Aushilfestellung nicht entsteht, wenn man eine ordentliche Stelle so nennt, sondern es muß sich in der Tat um eine vorübergehende Aushilfe handeln. Währt eine Aushilfestellung länger als drei Monate, so greifen ohnedies die ordentlichen Kündigungsbestimmungen Platz.

Ein Reisender, der mehr als 5000 Mk. jährlich Einkommen hat, untersteht nicht den Kündigungsvorschriften, sondern sein Vertrag kann jede Kündigungsfrist, auch für beide Teile ungleiche enthalten. Ein solcher Reisender gehört auch nicht mehr unter die Zuständigkeit des Kaufmannsgerichtes, sondern muß vor den ordentlichen Gerichten klagen. Dabei ist zu beachten, daß bei der[S. 25] Bemessung des Jahresverdienstes durchaus nicht nur das wirkliche Gehalt, sondern auch Provisionen und sonstige Nebenbezüge zugrunde gelegt werden.

Wird der Reisende für eine außereuropäische Handelsniederlassung angenommen, so gelten ebenfalls die Kündigungsbestimmungen nicht, d. h. nur dann nicht, wenn der Prinzipal nach dem Vertrag die Kosten der Heimreise im Falle seiner Kündigung trägt. Vereinbart z. B. ein Prinzipal für den Angestellten halbjährliche Kündigungsfrist und für sich monatliche, sichert aber im Vertrag nicht die Heimreise zu, sondern erklärt sich nur später bereit, sie zu zahlen, so hebt das nicht die Vorschriften der §§ 66 und 67 H. G. B. auf.

Ohne Einhaltung einer Frist kann dem Reisenden die Stellung gekündigt, d. h. er kann sofort entlassen werden, wenn ein „wichtiger Grund“ vorliegt. Ein solcher wichtiger Grund berechtigt umgekehrt auch den Reisenden, seine Stellung sofort zu verlassen. Wird die Beendigung des Dienstverhältnisses veranlaßt, weil ein Teil vertragswidrig gehandelt hat, so ist dieser verpflichtet, dem andern Teil den entstehenden Schaden zu ersetzen.

Sehen wir uns nun einmal an, was alles zu solchen „wichtigen Gründen“ rechnet. Nehmen wir zunächst einmal die allgemeinen wichtigen Gründe.

Allgemeine Entlassungsgründe.

Der Handlungsgehilfe kann sofort gehen, wenn er zur Fortsetzung der Dienste unfähig wird. Eine vorübergehende Krankheit stellt nicht „Dienstunfähigkeit“ dar, natürlich auch nicht beabsichtigte Verehelichung oder in Aussicht genommene Selbständigkeit.

[S. 26]

Wenn der Prinzipal das Gehalt oder den gebührenden Unterhalt nicht gewährt, kann der Handlungsgehilfe ebenfalls sofort aufhören. Dabei ist zu beachten, daß es keinen Grund darstellt, sofort aufzuhören, wenn die Gehaltszahlung immer regelmäßig erfolgt, aber einmal nicht pünktlich eintrifft. Es empfiehlt sich überhaupt immer, wenn das Gehalt nicht gezahlt wird, den Prinzipal zunächst in Verzug zu setzen, d. h. ihm eine angemessene Frist zu stellen, in der spätestens zu zahlen ist. Aber auch folgender Umstand fordert Berücksichtigung: Nehmen wir einmal an, daß der Reisende 3000 Mark Gehalt und 1 Prozent Umsatzprovision bekommt. Für die Zahlung der Provision ist ein bestimmter Termin festgesetzt. Aus irgend einem Grunde weigert sich der Prinzipal, die Provisionen an dem festgesetzten Termin zu zahlen. Dann darf der Handlungsgehilfe nicht sofort aufhören, weil er bei seinem ausreichenden Gehalt keine zwingende Ursache hat, vielmehr das Gehalt zum Unterhalt langt.

Läßt sich der Prinzipal Tätlichkeiten, erhebliche Ehrverletzungen oder unsittliche Zumutungen zuschulden kommen, kann der Reisende sofort gehen, das gleiche gilt dann, wenn ein Mitangestellter oder ein Familienangehöriger des Prinzipals sich derartige Handlungen gegen den Reisenden zuschulden kommen läßt und der Prinzipal sich weigert, den Reisenden zu schützen. Die Handlung durch den Prinzipal gibt also dem Reisenden ohne weiteres das Recht, den Vertrag aufzuheben, die Handlung eines Familenangehörigen oder eines Angestellten erst dann, wenn der Schutz des Prinzipals vergeblich nachgesucht wurde. In allen solchen Fällen gilt es aber sofort zu handeln. Bleibt der Reisende trotz der Ehrverletzung und besinnt sich vielleicht[S. 27] erst nach Tagen darauf, daß er sofort hätte gehen sollen, so ist der „wichtige Grund“ nicht mehr vorhanden, vielmehr gilt durch die weitere Tätigkeit die Handlungsweise als „verziehen“. Ebenso muß sich der Reisende hüten, eine Ehrverletzung durch eine ebensolche zu erwidern. Das bedeutet für ihn immer den Verlust des Schadensersatzanspruches. Dabei sei gleich bemerkt, daß es nicht nur das vertragswidrige Handeln ist, das gegen den Dienstvertrag verstößt, sondern auch das, was gegen die gesetzlichen Bestimmungen geht, denn diese sind immer ein Teil des Dienstvertrages.

Als allgemeine „wichtige Gründe“, die den Prinzipal berechtigen, das Dienstverhältnis sofort zu lösen, gelten:

1. Untreue. Der Begriff „Untreue“ deckt sich nicht mit dem strafrechtlichen Begriff, er geht vielmehr erheblich weiter.

2. Betrieb eines Handelsgewerbes oder Beschäftigung für eigene oder fremde Rechnung im Handelszweige des Prinzipals, ohne ausdrückliche oder im ersteren Falle auch stillschweigende Genehmigung des Prinzipals.

3. Unbefugtes Verlassen des Dienstes während einer den Umständen nach erheblichen Zeit.

4. Beharrliche Weigerung, den Dienstverpflichtungen nachzukommen.

5. Anhaltende Krankheit. Das ist ein sehr dehnbarer Begriff. Im allgemeinen wird man eine Krankheit, deren Ende sich absehen läßt, nicht als anhaltende Krankheit bezeichnen können, mindestens dann nicht, wenn sie voraussichtlich nicht länger als sechs Wochen dauert. Ja, es läßt sich sogar aus der Bestimmung über[S. 28] die Entlassung bei militärischen Uebungen herleiten, daß eine Krankheit, die acht Wochen nicht überschreitet, als „anhaltende“ Krankheit nicht in Betracht kommt. Ebenso ist eine Krankheit, die zwar schon erheblich lange gedauert hat, nicht mehr ein wichtiger Grund zur sofortigen Auflösung des Dienstverhältnisses, wenn dann, wo sie geltend gemacht werden soll, das nahe Ende der Krankheit sich absehen läßt.

6. Militärische Dienstleistung, die länger als acht Wochen dauert. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß eine militärische Dienstleistung kein „unverschuldetes Unglück“ darstellt, das zum Gehaltsfortbezug bis zur Dauer von sechs Wochen berechtigt. Sie stellt vielmehr einen in der Person des Reisenden liegenden Grund dar, der ihn an der Leistung der Dienste hindert; Gehaltsanspruch besteht nur dann, wenn die Behinderung keine den Umständen angemessen erhebliche ist. Ist das aber der Fall, so hat der Reisende überhaupt keinen Gehaltsanspruch, auch nicht für die den Umständen nach „unerhebliche Zeit“. Allgemein wird man sagen können, daß bei einer vierzehntägigen Uebung der Gehaltsanspruch besteht, bei einer vierwöchentlichen nur dann, wenn der Reisende lange im Dienst ist und nicht öfters daran behindert war. Es gibt sogar Urteile, die bei einer sechswöchentlichen Uebung das Gehalt zugesprochen haben. Wer aber sicher gehen will, lege das vertraglich besonders fest.

7. Längere Freiheitsstrafe. Dabei ist nicht nur die Dauer in Berücksichtigung zu ziehen, sondern auch die Ursache der Bestrafung. Eine Bestrafung wegen einer ehrlosen Handlung dürfte immer ausreichen, ein Dienstverhältnis sofort aufzuheben.

8. Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen[S. 29] gegen den Prinzipal oder dessen Vertreter.

Wird eine fristlose Kündigung ausgesprochen wegen „anhaltender Krankheit“, so bleibt der Anspruch auf Gehaltszahlung bis zur Dauer von sechs Wochen davon unberührt, wobei als selbstverständlich noch bemerkt sein mag, daß eine ordentliche Kündigung immer den Gehaltsanspruch — geht er sonst über diesen Termin hinaus — aufhebt. Hat z. B. der Reisende Meyer monatliche Kündigung vereinbart und erkrankt am vorletzten und wird ihm am letzten gekündigt, oder es war ihm die Stellung gekündigt und er wurde erst dann krank, so endet der Gehaltsanspruch auf jeden Fall mit der Beendigung des Dienstverhältnisses. Aber außer diesen allgemeinen „wichtigen Gründen“ gibt es für den Reisenden noch besondere wichtige Gründe zur sofortigen Lösung des Dienstverhältnisses.

Der Reisende nimmt eine besondere Vertrauensstellung ein, er hat dadurch weitergehende Rechte, aber auch seine Pflichten gehen weiter.

Besondere Entlassungs- und Austrittsgründe.

Der Reisende kann insbesondere dann sofort seine Stellung verlassen, wenn:

1. Der Prinzipal den Reisenden ohne Spesen läßt. Dabei sei hervorgehoben, daß kein Reisender verpflichtet ist, die Spesen vorzustrecken, vielmehr ist der Prinzipal gehalten, dem Reisenden stets angemessenen Spesenvorschuß zu gewähren. Weitere Austrittsgründe sind:

2. Unwahre Angaben erheblicher Natur über den Charakter und den Umfang des Geschäftes.

[S. 30]

3. Unsittlicher Geschäftsbetrieb.

4. Betrügerischer Geschäftsbetrieb.

Hingegen ist der Reisende nicht berechtigt, seine Stellung sofort zu verlassen, wenn ihm untergeordnete Arbeiten zugemutet werden. Er kann sich vielmehr in solchen Fällen genügend schützen, wenn er sich weigert, die untergeordneten Arbeiten zu leisten.

Die Gründe für den Prinzipal, das Dienstverhältnis sofort zu lösen, sind ebenfalls weiter gesteckt. Ich nenne besonders:

1. Beharrliche Weigerung des Reisenden, die Reise anzutreten.

2. Beharrliches Unterlassen der vorgeschriebenen Berichte.

3. Weigerung, den vorgeschriebenen Reiseweg einzuhalten.

4. Gestreckte, d. h. vergrößerte oder gar erlogene Aufträge.

5. Andauernde leichtsinnige Kreditgewährung.

6. Anstößiger Lebenswandel.

7. Ekel erregende oder ansteckende Geschlechtskrankheit.

8. Verrat, auch versuchter Verrat von Geschäftsgeheimnissen.

9. Vorbereitung einer neuen Stellung oder des eigenen zu errichtenden Geschäfts während der Vertragsdauer.

10. Abschreiben der Kundenlisten zu diesem Zweck.

11. Einkassieren ohne Vollmacht usf.

[S. 31]

Das Zeugnis.

Sobald der Reisende seine Stellung kündigt, oder ihm die Stellung gekündigt wird, entsteht der Anspruch auf ein Dienstzeugnis. Die Rechtsprechung ist zwar strittig, ob der Angestellte das Dienstzeugnis bei der Beendigung der Beschäftigung oder bei der Kündigung zu beanspruchen hat, nahezu ausnahmslos erkennt aber die Rechtsprechung das Recht auf ein Interimszeugnis an.

Der Prinzipal ist nicht ohne weiteres verpflichtet, das Zeugnis auszustellen, vielmehr beginnt die Verpflichtung erst dann, wenn der Angestellte das Zeugnis gefordert hat. Das Verlangen nach einem „Zeugnis“ wiederum schließt nicht die Verpflichtung für den Prinzipal ein, das Zeugnis auf Führung und Leistungen auszudehnen. Der Reisende, der lediglich ein Zeugnis fordert, erhält vielmehr vielleicht nur ein Zeugnis über die Art und Dauer der Beschäftigung, das Zeugnis über Führung und Leistung muß besonders verlangt werden. Im allgemeinen steht die Rechtsprechung auf dem Standpunkt, daß der Angestellte nicht verlangen kann, daß ihm außer der Art und Dauer der Beschäftigung nur die Führung oder nur die Leistungen zu bescheinigen sind, sondern daß ein Verlangen nach einem Führungszeugnis auch das Leistungszeugnis und umgekehrt bedingt. Ein Reisender kann verlangen, daß ihm bescheinigt wird, daß er „Reisender“ war, er kann auch fordern, daß ihm bescheinigt wird, welche Gebiete er bereiste. Will der Prinzipal kein gutes Leistungszeugnis geben, so bietet sich für den Reisenden der Ausweg, den Umsatz sich bescheinigen zu lassen. Der Grund zur Lösung des Dienstverhältnisses braucht nicht angegeben zu werden, ebenso natürlich nicht,[S. 32] auf wessen Wunsch das Dienstverhältnis gelöst wurde. Hingegen wird der Prinzipal, wurde das Dienstverhältnis aus einem wichtigen Grunde gelöst, angeben können, welcher Grund vorlag. In diesem Fall gibt es aber keine Redensarten, sondern es muß dann auch der Vorgang geschildert werden.

Wird ein Zeugnis verweigert, so begründet diese Weigerung Schadenersatzforderungen des Angestellten. Im Gegensatz zu Schadensersatzforderungen wegen falscher Auskunft sind Schadenersatzansprüche wegen falschen Zeugnisses oder verweigertem Zeugnis erheblich leichter durchzufechten. Für solche Klagen sind im Gegensatz zu den Klagen auf Schadenersatzansprüche wegen falscher Auskunft die Kaufmannsgerichte zuständig.

Der Anspruch auf ein Zeugnis ist öffentlich-rechtlicher Natur, er kann durch Vertrag nicht aufgehoben und auch nicht beschränkt werden. Vielmehr bleibt der Anspruch auf ein Zeugnis 30 Jahre lang bestehen. Man wird aber nicht einem Angestellten, der nur ein Zeugnis verlangte und ein solches über Art und Dauer der Beschäftigung erhielt, zubilligen können, daß er nach längerer Zeit die Ausdehnung auf Führungen und Leistungen verlangen kann. Ein verloren gegangenes Zeugnis braucht vom Aussteller nicht noch einmal angefertigt zu werden, deshalb heißt es, die Zeugnisse aufheben und die Originale — besonders auch bei Bewerbungen — nicht aus der Hand geben. Das Dienstzeugnis ist auf Antrag des Angestellten kosten- und stempelfrei durch die Polizeibehörde zu beglaubigen.

Konkurrenzklauseln.

Der wundeste Punkt in den Dienstverträgen der Reisenden ist die sogenannte Konkurrenzklausel, die[S. 33] Wettbewerbsabrede. Leider gibt es heute nicht nur die offenen Konkurrenzklauseln, gegen die man sich schützen kann, indem man sie nicht eingeht, sondern es gibt heute eine ganze Anzahl Branchen und Betriebe, in denen Vereinbarungen über das gegenseitige Beschäftigen von Angestellten getroffen sind, die weit über den Rahmen der vertraglichen Wettbewerbsabrede hinausgehen. Die Konkurrenzklausel ist allerdings ohnehin im allgemeinen ein Attentat auf den gesunden Menschenverstand. Ich rufe mir einen Dienstmann, einen Maurer, einen Droschkenkutscher. Ich lasse ihn warten, ehe ich ihn mit der eigentlichen Dienstleistung betraue. Ob der Mann wohl umsonst wartet? Der Reisende aber, der Konkurrenzklauseln eingeht, muß warten, solange es ihm der Vertrag gebietet, ehe er sein ganzes Können verwerten kann und — niemand entschädigt ihn dafür. Es wäre mit der Anwendung der Konkurrenzklausel gewiß schon längst nicht mehr so schlimm, wenn die Zahl derer, die eine Konkurrenzklausel abschließen, weil sie sie doch nicht zu halten gedenken, nicht so erschreckend groß wäre.

Was ist die Konkurrenzklausel? Eine einseitige Schutzmaßregel des Prinzipals zum Schaden des Reisenden, ohne Gegenleistung des Prinzipals. Da hofft der Angestellte, es würde der Prinzipal nicht auf die Einhaltung bestehen, vielleicht stellt der Prinzipal selbst so etwas in Aussicht. Oder der Reisende meint, daß die Konkurrenzklausel zu weit gehe und vom Gericht doch für ungültig erklärt werden würde. Oder er gibt sich gar der Hoffnung hin, die Konkurrenzklausel könne ihm nichts anhaben, weil sie keine Konventionalstrafe vorsieht. Das alles sind Selbsttäuschungen.

Sehen wir uns nun die Konkurrenzklausel recht genau[S. 34] an; wir können sie gar nicht mißtrauisch genug ansehen, so gefährlich legt sie sich uns um die Füße, uns am Ausschreiten hindernd. Grundsätzlich ist die Konkurrenzklausel nur nichtig, wenn sie mit Minderjährigen vereinbart wird. Dabei macht es nichts aus, ob sie mit dem Minderjährigen oder mit dessen gesetzlichen Vertreter abgeschlossen wird. Soweit das aber nicht in Betracht kommt, ist auch die schärfste Konkurrenzklausel immer bedingt gültig. Die Fälle, wo Konkurrenzklauseln als nichtig erklärt wurden, weil sie gegen die guten Sitten verstießen, sind sehr selten. Erfreulicherweise hat wenigstens das Reichsgericht erkannt, daß eine Konkurrenzklausel auf Ehrenwort unsittlich und deshalb nichtig ist.

Eine Konkurrenzklausel ist insoweit nichtig, als sie nach Zeit, Ort und Gegenstand dem Reisenden Beschränkungen auferlegt, die ihm das Fortkommen unbillig erschweren. Da aber liegt der Hase im Pfeffer. Wann wird das Fortkommen unbillig erschwert? Das ist die eine Frage. Ist sie beantwortet — und sie kann sehr zuungunsten des Reisenden beantwortet werden —, dann ist die Abrede doch immer so weit noch verbindlich, als sie — nach der Ansicht des Richters — das Fortkommen nicht unbillig erschwert.

War da in einer landwirtschaftlichen Maschinenfabrik ein Reisender. Er hatte auch eine Konkurrenzklausel unterschrieben. Sie untersagte ihm, in einem Zeitraum von drei Jahren in Stellung zu gehen oder sich selbständig zu machen in einem Betrieb, der landwirtschaftliche Maschinen herstellte oder vertrieb. Das Ausschlußgebiet umfaßte das ganze Deutsche Reich, Böhmen und die Schweiz. Eine Konventionalstrafe war vereinbart, außerdem sollte aber der Reisende auch noch den entstehenden Schaden[S. 35] tragen, und der Prinzipal hatte sich trotzdem noch vorbehalten, die Erfüllung des Vertrages zu verlangen. Als nun die Sache vor den Richter kam und der verklagte Handlungsgehilfe behauptete, die Konkurrenzklausel erschwere ihm unbillig das Fortkommen, da meinte der moderne Salomo, das könnte doch gar nicht der Fall sein, denn „Reisen sei Reisen, Verkaufen sei Verkaufen“, und ob nun der Beklagte Maschinen verkaufe oder Altertümer, das sei doch ganz gleich.

Es ist eben durchaus keine so seltene Ausnahme, daß der Jurist das Leben nicht versteht. Besser ist es, sich zu sichern, als auf einen verständigen Richterspruch die Hoffnung zu gründen. Nun ist eine Konkurrenzklausel nur für höchstens drei Jahre zulässig. Aber auch dann, wenn sie über diesen Zeitraum hinaus festgelegt wurde, wird sie nicht etwa ganz nichtig, sondern der Richter setzt dann die Zeit „angemessen“ fest.

Konkurrenzklauseln ohne Wirkung.

An und für sich gültige Konkurrenzklauseln verlieren ihre Wirkung in besonderen Fällen:

1. Dann, wenn der Prinzipal dem Reisenden Grund gibt — durch vertragswidriges Handeln —, das Dienstverhältnis ohne Einhaltung einer Frist zu lösen und der Reisende das Dienstverhältnis ohne Frist aufhebt. Gibt der Prinzipal Grund zur fristlosen Kündigung, der Reisende aber kündigt trotzdem nur ordnungsgemäß, so bleibt die Konkurrenzklausel in Kraft.

2. Wenn der Prinzipal das Dienstverhältnis kündigt, ohne daß ein erheblicher Anlaß vorliegt, den er nicht verschuldet hat. In diesem Falle behält jedoch die[S. 36] Konkurrenzklausel Gültigkeit, wenn der Prinzipal während ihrer Dauer das zuletzt bezogene Gehalt fortbezahlt. Ein „erheblicher Anlaß“ ist nicht gleichbedeutend mit einem „wichtigen Grund“. Vielmehr ist der wichtige Grund weitergehend. Daß ein erheblicher Anlaß zur Kündigung vorlag, hat der Prinzipal zu beweisen. Als erheblicher Anlaß gelten: „wohlbegründete Unzufriedenheit mit den Leistungen des Reisenden“, besonders, wenn der Reisende große Versprechungen machte, ferner „fortgesetzte kleine Schikanen des Reisenden“ oder eine „Krankheit, die stark die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt“ oder „Verdacht der Untreue“ oder „zwingende Veranlassung für den Prinzipal, sein Personal zu verkleinern“. Hingegen wird die Kündigung wegen des Konkursausbruches nicht als solche aus erheblichem unverschuldeten Anlaß anzusehen sein. Tragen beide Teile die Schuld an der Lösung des Verhältnisses, so gilt die Klausel nicht. Wurde ein Dienstverhältnis seitens des Prinzipales sofort, ohne Einhaltung einer Frist aus einem wichtigen Grunde aufgehoben, so gilt die Konkurrenzklausel. Will der Prinzipal die Konkurrenzklausel ausnutzen, trotzdem er keinen erheblichen Anlaß zur Kündigung hatte, so muß er die Bereitwilligkeit, das Gehalt zu zahlen, sofort bei der Beendigung des Dienstverhältnisses dem Handlungsgehilfen bekannt geben.

Strafe und Schadensersatz.

Die in dem oben angeführten Beispiel geschilderte Konkurrenzklausel zeigt dann noch andere Möglichkeiten. War in einer Konkurrenzklausel eine Vertrags-(Konventional-)strafe vereinbart, so kann der Prinzipal nur die Strafe und zwar nur einmal, nicht für jeden Fall der[S. 37] Zuwiderhandlung, verlangen. Eine Erfüllung des Vertrages — d. h. den Austritt aus der verbotenen Beschäftigung kann der Prinzipal nicht fordern, ebensowenig etwaigen Schaden. Wo der Vertrag etwas anderes vereinbart, ist diese Vereinbarung nichtig, ohne allerdings die ganze Klausel nichtig zu machen. Ebensowenig kann der Prinzipal Strafe, Erfüllung und Schadensersatz vereinbaren und später auf die Strafe verzichten, weil ihm Schadensersatz und Erfüllung mehr erwünscht ist.

Hingegen hüte sich der Reisende vor Konkurrenzklauseln, die nur ein einfaches Verbot aussprechen und weder von Schadensersatz, noch von Erfüllung sprechen. Diese anscheinend „harmlosen“ Klauseln sind die allergefährlichsten. Uebertritt ein Reisender eine solche Klausel, so kann der Prinzipal den nachweisbaren Schaden ersetzt und außerdem Erfüllung des Vertrages verlangen. Geht dann der Handlungsgehilfe zur verbotenen Konkurrenz, so kann ihm bei Festsetzung einer Strafe bis zu 1500 Mark für den Fall, oder einer Haftstrafe bis zu sechs Monaten die weitere Tätigkeit untersagt werden.

Kurzum, der Fußangeln gibt es so viele, daß ich allen meinen Reisekollegen nur dringend raten kann:

Unterschreibt keine Konkurrenzklausel.

Tätigkeit, Spesen und Provision der Reisenden.

Sehen wir uns, nachdem wir uns so mit dem allgemeinen Handlungsgehilfenrecht beschäftigt haben, an, was der Reisende besonders in seinen Dienstvertrag[S. 38] hineinnehmen muß. Da ist im Vertrag besonders Wert auf die Begrenzung der Tätigkeit zu legen. Die Gerichte entscheiden zwar vielfach, daß schon die einfache Bezeichnung „Reisender“ das Recht des Prinzipals ausschließt, diesen mit allen kaufmännischen Arbeiten zu beschäftigen. Aber, die Auslegung steht im Belieben der Richter. Völlig in die Hand des Prinzipals ist der Reisende gegeben, wenn vertraglich festgelegt wird, daß der Reisende ganz nach dem Belieben des Prinzipals zu allen kaufmännischen Tätigkeiten herangezogen werden kann. Zu empfehlen ist die Vereinbarung: ausschließlich für die Reise, unter gleichzeitiger Festlegung der Reisezeit. Der Reisende hat dann ein Recht zu reisen; hindert ihn der Prinzipal daran, so muß er dem Reisenden das ersetzen, was dieser sonst von den Spesen für seinen persönlichen Lebensunterhalt verwenden kann.

Hinsichtlich dieser Spesen ist zu empfehlen, feste Spesen zu vereinbaren, dann aber außer einem festgelegten Satz die Kosten der Eisenbahnfahrten besonders. Geht das nicht an, dann doch mindestens außer den Spesen die jeweiligen Fahrkosten zum Antritt der Tour und zur Rückkehr in das Geschäft. Vertrauensspesen können leicht Anlaß zu Streitereien geben. Nur zu leicht verbraucht der Reisende dann dem Prinzipal zu viel Geld, besonders dann, wenn vielleicht ein Vorgänger ein „Knauser“ war. Hervorgehoben soll aber werden, daß der Prinzipal auch bei Vertrauensspesen keine detaillierte Abrechnung fordern kann.

Bekommt der Reisende außer Gehalt und Spesen auch Provision, so sind im Dienstvertrag zu vereinbaren: 1. Die Zahlungstermine für die Provisionen; 2. das Fälligwerden der Provision, d. h. die Bestimmung, ob sie[S. 39] gezahlt werden muß nach Eingang der Bestellung, nach Lieferung der Ware oder nach deren Bezahlung. Will der Reisende auch die Provision von indirekten Verkäufen haben, bedarf es einer besonderen Vereinbarung. Die Bestimmung für Handlungsagenten, wonach diese, wenn sie ausdrücklich für einen bestimmten Bezirk angestellt sind, auch die Provisionen für Verkäufe zu beanspruchen haben, die ohne ihre Mitwirkung zustande gekommen sind, findet auf Reisende keine Anwendung, deshalb bedarf es der besonderen Vereinbarung. Unter keinen Umständen sollte sich ein tüchtiger Reisender herbeilassen, nur gegen Provision zu reisen. Es gab eine Zeit, sie liegt noch nicht so sehr weit zurück, da arbeitete überhaupt kein tüchtiger Reisender gegen Provision allein. Heute glaubt mancher Kollege sich besser zu stehen, wenn er nur gegen Provision reist, er glaubt auch dadurch mehr Freiheit zu haben. Das ist ein Irrtum! Gewiß kann sich mancher Reisender besser stehen, er wird aber auch den notwendigen Spielraum dann haben, wenn er sich Gehalt, Spesen und Provision zahlen läßt. Das Risiko des Geschäftes muß dem Prinzipal verbleiben; es geht nicht an, es auf den Reisenden abzuwälzen.

Delcrédere. Bestimmter Umsatz.

Ebenso muß es der Reisende rundweg ablehnen, für die Kundschaft Bürgschaft (Delcrédere) zu übernehmen. Auch das gehört zum Risiko des Geschäftes. Der Reisende kann nur nach Treu und Glauben die Zahlungsfähigkeit seiner Kunden erforschen, die Bürgschaft für die Zahlungsfähigkeit kann und darf er nicht übernehmen. Eine Unsitte, die sich auch in letzter Zeit sehr häufig zeigt, ist die Verpflichtung, einen bestimmten[S. 40] Umsatz zu erzielen. Weder ein Prinzipal sollte auf solche Verpflichtung dringen, noch ein Reisender sich mit ihr abfinden. Der Prinzipal soll sich sagen, daß eine solche Verpflichtung nur eingehen kann, wer leichtfertig in seinen Versprechungen ist oder wem das Messer an der Kehle sitzt, wer ein Unterkommen finden muß um jeden Preis. Alles das sind durchaus keine Eigenschaften, die man bei einem Reisenden finden möchte. Der Reisende aber, auch der tüchtige, soll sich immer vor Augen halten, daß er mit der Umsatzverpflichtung ein Versprechen gibt, dessen Einlösung gar nicht von ihm allein abhängig ist. Es ist verkehrt, wenn sich ein Reisender sagt, daß er bisher einen bestimmten Umsatz erzielte, den er nun auch weiter erreichen kann, es ist ebenso verkehrt, wenn sich ein anderer Reisender sagt, er werde den Umsatz, den sein Vorgänger erreichte, auch erzielen können. In beiden Fällen zeigt sich ein falsches Abschätzen der realen Verhältnisse. Der Reisende muß sich immer vor Augen halten, daß zwei Dinge auf den Kauf einwirken: seine Person und die Leistungsfähigkeit seiner Firma. Erzielte er wo anders einen guten Umsatz, so hat er noch lange keine Gewähr, diesen auch bei der neuen Firma zu erreichen. Sich kennt er, die Anhänglichkeit seiner Kundschaft an die alte Firma kennt er aber ebensowenig, wie die Leistungsfähigkeit des neuen Hauses. Kommt er aber auf den Gedanken, seinen Umsatz an dem seines Vorgängers abzumessen, so kann er die Anhänglichkeit der Kundschaft an den alten Reisenden nicht in Anrechnung bringen. So oder so: Keine Verpflichtung für einen bestimmten Umsatz!

Wir wollen uns nun einem anderen Recht zuwenden, das für den Reisenden eine ebenso große Bedeutung hat,[S. 41] wie sein Dienstvertrag. Das sind die Rechtsverhältnisse zwischen dem Reisenden und seiner Kundschaft.

b) Die Vollmacht des Reisenden.

Handlungsvollmacht.

Der Reisende ist Handlungsbevollmächtigter. Er wird in der Regel hinausgeschickt, Waren zu verkaufen oder einzukaufen, und zwar ist wiederum die Verkaufstätigkeit die Regel. Damit ist der Reisende zur Vornahme bestimmter Arten von Geschäften ermächtigt, die zu einem Handelsgewerbe gehören. Er hat infolgedessen Handlungsvollmacht, d. h. er kann alle Geschäfte und Rechtshandlungen vornehmen, die der Betrieb des Handelsgewerbes oder derartiger Geschäfte mit sich bringt. Diese Handlungsvollmacht ist durch Gesetz nur insoweit beschränkt, als der Reisende zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zum Eingehen von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozeßführung einer besonderen Vollmacht bedarf. Wird die Handlungsvollmacht durch den Dienstvertrag weiter eingeschränkt, so braucht sie ein Dritter nur gegen sich gelten zu lassen, wenn er die Einschränkung kannte oder kennen mußte. Ausdrücklich sind die Reisenden durch das Gesetz ermächtigt, den Kaufpreis der Ware einzuziehen, Zahlungsfristen zu bewilligen, Beanstandungen von Waren und ihr Zurverfügungsstellen entgegen zu nehmen. Auch andere derartige Erklärungen können dem Reisenden, rechtsverbindlich für sein Haus, abgegeben werden.

[S. 42]

Eingeschränkte Vollmacht.

Angenommen, es wird die gesetzliche Vollmacht des Reisenden durch Dienstvertrag beschränkt, so soll sich der Reisende hüten, sie selbst zu überschreiten. Kennt der Kunde die Einschränkung der Vollmacht nicht und er trifft eine Vereinbarung mit dem Reisenden, zu der dieser nicht ermächtigt war, weil die gesetzliche Vollmacht eingeschränkt wurde, so ist das Haus des Reisenden doch an diese Vereinbarung gebunden. Für den Reisenden hat das zur Folge, daß er für einen entstehenden Schaden dann persönlich haftbar gemacht werden kann. Wenden wir uns nun den gebräuchlichen Einschränkungen der Handlungsvollmacht zu:

Da ist in erster Linie an die Inkassovollmacht zu denken, die vielfach aufgehoben wird. Durchaus nicht immer ist das ein Zeichen von Mißtrauen gegen den Reisenden. Ich habe selbst in einer Stellung den Prinzipal gebeten, mir die Inkassovollmacht zu nehmen. Ich setzte nämlich Geld dabei zu! Und das kam so! Wenn ein Kunde zahlen wollte, und er gab mir das Geld, dann wollte er „abrunden“. Natürlich nicht nach oben, sondern nach unten. Dabei ging der Kunde oft in seiner Bequemlichkeit so weit, nicht auf die Mark, sondern auf fünf und zehn Mark abzurunden. Daheim gab es dann Auseinandersetzungen. Leicht beieinander wohnen die Gedanken — daheim im Kontor! Bei der Kundschaft stoßen sich die Sachen. Man möchte doch gern ein Geschäft machen! Na ja, und dann läßt man eben abrunden! Will man daheim die Scherereien nicht haben, dann zahlt man aus seiner Tasche. Ein kostspieliges Vergnügen. Deshalb bat ich, daß mir die Inkassovollmacht genommen wurde, und dieser Grund mag oft vorhanden sein, wenn die Inkassovollmacht[S. 43] dem Reisenden genommen wird. Rechtsverbindlich wird die Einschränkung für den Kunden, wenn er sie kannte oder kennen mußte. Das ist dann der Fall, wenn auf den Rechnungen der Aufdruck sich befindet: „Meine Reisenden nehmen keine Zahlungen entgegen“.

Dann wird oft die Vollmacht des Reisenden eingeschränkt hinsichtlich des Zahlungszieles. Hier kann den Prinzipalen nur empfohlen werden, von einer Einschränkung Abstand zu nehmen. Ein gewissenhafter Reisender — und ich wende mich nur an solche — wird nie dem Kunden ein längeres Ziel einräumen, als unbedingt notwendig ist. Es läßt sich aber nicht immer machen, die üblichen „Konditionen“ zu vereinbaren. Es bleibt immer zu berücksichtigen, daß die Konkurrenz hier sehr fühlbar eingreift, es ist auch zu beachten, daß ein Kunde, der längeres Ziel beansprucht, durchaus nicht immer faul sein muß. Mir waren entschieden die Kunden, die offen ein längeres Ziel als das übliche forderten, lieber, als die anderen, die sich ohne weiteres mit dem Ziel abfanden, es aber nicht hielten. Es kann auch vorkommen, daß ein Kunde aus irgend einem Grunde größere Zahlungen zu machen hatte und deshalb ein längeres Ziel gebraucht. Es muß also dem Reisenden überlassen bleiben, besondere Verhältnisse zu berücksichtigen. Soll dennoch dem Reisenden das Recht genommen werden, so muß sich auf allen Kommissionen und Kommissionskopien der Vermerk finden:

Ziel ... Monate. Bei Kasse ... Prozent. Andere Vereinbarungen sind nichtig.

Eine weitere Einschränkung der Vollmacht gibt es stellenweise insofern, als dem Reisenden die Berechtigung genommen wird, Mängelanzeigen entgegenzunehmen.[S. 44] Auch das hat sein Für und Wider! Mängelanzeigen sind immer eine schlechte Einleitung eines guten Geschäftes! Ein Kunde, der die erhaltene Ware gar nicht bemängeln kann, weil er zufrieden war und sie längst verkaufte, wird entschieden eher kaufen, als ein mit Recht unzufriedener Kunde! Es ist aber auch zu beachten, daß die Erledigung einer Bemängelung auf schriftlichem Wege den Kunden oft ganz von der Firma vertreibt. In persönlicher Aussprache ist entschieden leichter ein Ausgleich zu schaffen.

Nehmen wir aber einmal an, daß die freundlichen Leser dieses Buches niemals in die Lage eines Reiseonkels kommen, der acht Tage an einem Platze zu tun hatte, nicht fertig war, dennoch abreiste und, nach dem Grund gefragt, antwortete:

„Die ersten Waren sind angekommen — ich bin nicht in der Lebensversicherung“.

Soll der Reisende nicht berechtigt sein, Mängelanzeigen entgegenzunehmen, so genügt ein Vermerk auf der Rechnung:

Mängelanzeigen sind nur an uns direkt innerhalb ... Tagen nach Empfang der Waren zu richten.


Der Reisende hat jedoch nicht nur mit seinem Prinzipal und mit seiner Kundschaft zu tun, das Reiseleben selbst zwingt ihn, sich der Gasthäuser zu bedienen, um wohnen zu können und verpflegt zu werden. Wir müssen uns deshalb auch kurz mit den rechtlichen Verhältnissen befassen, die sich aus dem Gasthausverkehr der Reisenden ergeben.

[S. 45]

c) Der Mietsvertrag mit dem Gastwirt.

Haftpflicht.

Der Mietsvertrag mit dem Gastwirt ist kein allgemeiner, vielmehr ein besonderer. Daran ändert die Tatsache nichts, daß die gesetzlichen Bestimmungen über das Mietrecht vielfach auf ihn Anwendung finden. Das Besondere des Mietsvertrages mit dem Gastwirt liegt in der ihm zwingend auferlegten Haftung begründet. Die Haftung erstreckt sich jedoch nicht auf den Gastwirt schlechthin, sondern nur auf solche Gastwirte, die gewerbsmäßig Fremde bei sich beherbergen und auch dann nur innerhalb dieses Gewerbebetriebes. Ein Restaurationsbetrieb ist kein Betrieb zur gewerbsmäßigen Beherbergung von Fremden, hier besteht auch nicht die Haftung des Gastwirtes. Ein Beispiel möge das veranschaulichen:

Der Reisende X schreibt dem Gastwirt Y, daß sein Schirm am soundsovieltesten im Restaurationszimmer gestohlen worden sei.

X wundert sich nicht schlecht, daß ihm der Gastwirt Y mitteilt, er bedaure das zwar sehr, könne aber nicht helfen, jedenfalls sei er für den Verlust nicht haftbar. Das würde der Fall sein, wenn der Schirm aus dem Zimmer des Fremden gestohlen worden sei, aber auf den Restaurationsbetrieb treffe die Haftung des Gastwirtes nicht zu.

Die Haftung des Gastwirtes erstreckt sich auf alle Sachen, die eingebracht werden, d. h. die dem Gastwirt oder dessen Angestellten übergeben oder an einem angegebenen Ort oder mangels einer Anweisung an einem[S. 46] zum Niederlegen der Sachen bestimmten Ort niedergelegt werden.

In solchen Fällen haftet der Gastwirt sowohl für den Verlust als auch für die Beschädigung der Sachen.

Umfang der Haftung.

Die Haftung kann nicht ausgeschlossen werden dadurch, daß der Gastwirt sie durch Aushang in seinem Betriebe oder auf den Zimmern ausdrücklich ablehnt. Wohl aber ist der Wirt von der Haftung befreit, wenn die Sachen durch Verschulden des Gastes selbst, oder durch Verschulden eines Begleiters des Gastes, oder einer Person, die er bei sich aufgenommen hat, in Verlust geraten oder beschädigt werden. Die Beweislast, daß ein Verschulden des Gastes, seines Begleiters oder einer aufgenommenen Person vorliegt, trifft den Wirt. Der Gastwirt haftet aber auch für Geld und andere Kostbarkeiten. Für einen Betrag bis zu eintausend Mark überhaupt, für höhere Beträge dann, wenn er die Wertsachen in Kenntnis ihres Wertes in Aufbewahrung nimmt oder die Aufbewahrung ablehnt. Kommen solche Wertsachen jedoch durch Verschulden des Personals in Verlust oder werden beschädigt, so haftet der Gastwirt auch dann, wenn ihm die Wertsachen nicht in besondere Aufbewahrung gegeben wurden oder die Aufbewahrung abgelehnt wurde.

Hiernach ist dem Reisenden jedoch anzuempfehlen, immer seine Wertsachen dem Wirt in besondere Aufbewahrung zu übergeben, denn die Beweislast dafür, daß Verluste oder Beschädigungen durch das Personal entstanden sind, trifft in diesem Falle den Reisenden.

Ein an und für sich bestehender Anspruch auf Schadenersatz muß, soll er nicht seine Gültigkeit verlieren,[S. 47] unverzüglich geltend gemacht werden, sobald der Schaden zur Kenntnis des Reisenden gelangt. Geschieht das nicht, so wird der Gastwirt von seiner Haftung befreit. Lediglich dann, wenn es sich um den Verlust oder die Beschädigung von Sachen handelt, die der Wirt in besonderer Aufbewahrung hatte, bedarf es nicht der sofortigen Anzeige.

Uebernimmt so der Gastwirt besondere Verpflichtungen, so hat er natürlich auch besondere Rechte. Er hat für seine Forderungen an den Reisenden ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Gastes, auch natürlich an seinen Musterkoffern. Das Pfandrecht erstreckt sich jedoch nicht auf Sachen, die der Pfändung nicht unterworfen sind; es kann auch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn sich die zu pfändenden Sachen nicht mehr auf dem Grundstück des Gastwirts befinden.

Eine Streitfrage ist es für den Reisenden, ob ein Gastwirt den Reisenden aufnehmen muß. Für die Rechtsprechung ist die Aufnahmeverpflichtung keine Streitfrage, vielmehr ist sich die Rechtsprechung klar, daß eine solche Verpflichtung nicht besteht. Etwas anderes ist es schon, wenn z. B. der Hausdiener des Wirtes oder sein Omnibus am Bahnhof hält und der Reisende dem Beauftragten des Wirtes sein Gepäck mitgegeben hat. Es gibt Urteile — es sind allerdings fast immer Kuriositätsurteile —, die in solchem Falle eine Aufnahmeverpflichtung festgestellt haben, allerdings nur dann, wenn noch Raum vorhanden war.

Ist das nicht der Fall, so besteht jedoch für den Wirt die Verpflichtung, sich um ein anderes Unterkommen für den Gast zu bemühen, ebenso wie der Wirt die Verpflichtung[S. 48] hat, das Gepäck des Reisenden nach dem anderen Gasthaus bringen zu lassen.

Nehmen wir nun aber den Fall an, daß der Wirt den Gast aufnimmt. Dann wird der Mietsvertrag in der Regel dadurch abgeschlossen, daß der Reisende fragt: Kann ich ein Zimmer haben? Der Wirt antwortet: Jawohl. Einwandsfrei ist dieser Mietsvertrag nicht, es gehört noch die Preisabmachung dazu. Es ist eine falsche Voreingenommenheit — die nebenbei bei besonderen Anlässen (Festen, Fürstenbesuchen usw.) recht teuer zu stehen kommen kann —, nicht nach dem Preis zu fragen.

Verspätete Abmachungen.

Selbst wenn aber kein Preis vereinbart wurde, darf der Wirt nicht mehr mit besonderen Klauseln kommen, wie sie immer häufiger in den Fremdenzimmern anzutreffen sind. In der Regel besagt so ein Zimmerpreisanschlag:

Preis des Zimmers:
2.—
Mk.
Frühstück:
1.—

Wird das Frühstück nicht im Hotel eingenommen, erhöht sich der Zimmerpreis um 50 Pf., werden auch die Hauptmahlzeiten nicht im Hotel genossen, um 1 Mk.

Solche Klauseln haben keine Geltung. Der Reisende will ein Zimmer mieten, keine Pension abschließen. Will der Wirt solche Dinge durchführen, muß er bei der Frage nach einem freien Zimmer dem Gast erklären, daß Zimmer nur zu diesen Bedingungen frei sind. Wurde unten das Zimmer gemietet und der Wirt will sich oben noch besondere Rechte vorbehalten, so stellt das eine einseitige willkürliche Aenderung des Mietvertrages dar, die sich niemand gefallen zu lassen braucht, auch nicht gefallen[S. 49] lassen sollte. Ebenso kann nicht durch die Zimmerklausel besondere Entschädigung für die notwendige Bedienung verlangt werden. Braucht ein Reisender allerdings zu seiner Bequemlichkeit besondere Bedienung, so muß er diese natürlich auch bezahlen.

Wenden wir uns, da wir einmal bei den Rechtsverhältnissen sind, einer anderen Rechtsfrage zu.

d) Paßverhältnisse im Inland.

Legitimation.

Wir wollen uns dabei nicht streng an das Thema halten, wenn es auch einem besonderen Abschnitt vorbehalten bleiben soll, die Paßverhältnisse im Ausland zu besprechen. Wir wollen hier vielmehr auch untersuchen, welche gesetzlichen Bestimmungen sonst den Reisenden während seiner Tätigkeit angehen.

Nicht jeder kann Reisende anstellen. Vielmehr ist dazu nur befugt, wer eine gewerbliche Niederlassung besitzt. Der Reisende darf hinausgeschickt werden, um für die Zwecke des Gewerbebetriebes Waren einzukaufen oder zu verkaufen. Aufgekaufte Waren dürfen mitgeführt werden, jedoch nur zum Zwecke der Beförderung nach ihrem Bestimmungsort. Um Waren verkaufen zu können, darf sich der Reisende nur der Proben oder Muster bedienen. Er darf Waren selbst nicht mit führen. Ausnahmen bestehen lediglich für Waren, die im Verhältnis zu ihrem Umfang einen hohen Wert haben und übungsgemäß gleich im Stück an Wiederverkäufer abgesetzt werden, also etwa Gold- und Silberwaren, Taschenuhren,[S. 50] Bijouteriewaren, Schildpattwaren, Edelsteine, Perlen, Korallen usw.

Waren dürfen nur aufgekauft werden bei Kaufleuten oder Personen, die selbst die Waren herstellen, oder aber in offenen Verkaufsstellen. Verkauft werden dürfen die Waren — abgesehen vom Detailreisen, auf das ich noch zu sprechen komme — ebenfalls nur an Kaufleute oder an Personen, die in ihrem Geschäftsbetriebe die Waren verwenden. Das Gesetz spricht hierbei von einem „Aufsuchen von Bestellungen“. Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke dürfen, ohne daß es eines Wandergewerbescheines bedarf, ebenso wie Trauben- und Schaumweine, die Erzeugnisse der Leinen- und Wäschebranche und Nähmaschinen auch an andere, als die hier genannten Personen verkauft werden, d. h. auch an Private.

Wer hinaus geht, um Waren aufzukaufen oder zu verkaufen, bedarf einer Legitimationskarte. Diese Legitimationskarte wird auf Antrag des Geschäftsinhabers ausgestellt, der den Reisenden beschäftigt. Die Karte selbst wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde für die Dauer eines Jahres auf den Namen des Reisenden ausgestellt, sie enthält die nähere Bezeichnung seiner Firma und deren Geschäftsbetriebes.

Der Reisende muß während der Ausübung seiner Tätigkeit die Legitimationskarte mit sich führen, und hat sie den zuständigen Behörden oder Beamten auf Verlangen vorzuzeigen. Ist er bei einer Prüfung nicht im Besitz der Karte, muß er seine Tätigkeit einstellen, bis die Karte beschafft ist. Außerdem kann der Reisende mit Geld bis zu 150 Mark oder mit Haft bis zu vier Wochen gestraft werden. Die gleiche Strafe trifft den Reisenden,[S. 51] wenn er seine Karte anderen Personen zur Benutzung überläßt.

Einer Legitimationskarte bedarf nicht, wer im Besitz einer Gewerbelegitimationskarte ist, die in verschiedenen Zollvereins- und Handelsverträgen gefordert wird.

Beide Arten Legitimationskarten können versagt werden. Das kann dann geschehen, wenn der Reisende, auf dessen Namen sie lauten soll, mit einer abschreckenden oder ansteckender Krankheit behaftet oder in abschreckender Weise entstellt ist, wenn der Reisende unter Polizeiaufsicht steht, wenn der Reisende eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten erlitten hat, und seit der Strafverbüßung noch keine drei Jahre verflossen sind. Dabei kommen jedoch nur wirklich ehrlose Handlungen in Betracht: Gewinnsucht, Vergehen gegen Eigentum oder Sittlichkeit, Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der Mitmenschen, Land- und Hausfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Brandstiftung usw. Die Legitimationskarte ist auch dann zu versagen, wenn der Reisende wegen Arbeitsscheu, Bettelei, Landstreicherei und Trunksucht übel berüchtigt ist. Die Legitimationskarte kann auch nicht erteilt werden an blinde, taube, stumme oder geistesschwache Personen. Die gleichen Gründe, die dazu berechtigen, eine Legitimationskarte zu versagen, berechtigen auch dazu, eine solche Karte einzuziehen, und zwar dann, wenn die vorstehenden Gründe während der Geltungsdauer der Karte eintreten, oder wenn sie vorher da, aber der ausstellenden Behörde nicht bekannt waren.

Die Detailreisenden haben in der Hauptsache mit anderen Bestimmungen zu rechnen.

[S. 52]

e) Die Vorschriften über das Detailreisen.

Seit dem 1. Januar 1897 sind neue und für die damaligen Verhältnisse eigenartige Bestimmungen in Kraft. Damals wurden sie mit ziemlich großem Hallo aufgenommen, heute hat man sich mit ihnen abgefunden und weite Kreise der Detaillisten befürworten dringend eine noch weiter gehende Einschränkung des Detailreisens. Man kann über den volkswirtschaftlichen Wert des Detailreisens sehr geteilter Meinung sein. Ohne Zweifel hat es in der Hauptsache die gleiche Wirkung wie das Engrosreisen, es weckt Bedarf. Ein Nachteil ist aber, daß der geweckte Bedarf oft befriedigt wird, ohne daß die notwendigen Mittel vorhanden sind. Die Aussicht, geborgt zu bekommen, hat oft Bestellungen zur Folge, die über die Verhältnisse des Bestellers hinausgehen. Besonders ein geriebener Reisender kann seine Kundschaft gehörig „einseifen“. Diese Seite der Tätigkeit des Detailreisenden will ich aber später besprechen, jetzt will ich nur die gesetzlichen Bestimmungen durchgehen, die für seine Tätigkeit geschaffen wurden.

Während der Engrosreisende eigentlich nicht Waren verkauft, sondern, abgesehen von Gold- und Silberwaren usw., nur Bestellungen auf Waren aufsucht, ist es dem Detailreisenden nicht verwehrt, Waren direkt feilzubieten. Doch diese Reisenden, die mit Stoffresten, Hosen und dergleichen Dingen handeln, stellen schon den reinen Typus des Hausierers dar. Der eigentliche Detailreisende, mit dem wir es zu tun haben, sucht wie der Engrosreisende nur Bestellungen auf Waren auf. Der Unterschied besteht nur darin: Der Reisende[S. 53] besucht Kaufleute oder Gewerbetreibende, die gekaufte Ware in ihrem Geschäftsbetrieb verwenden, der Detailreisende besucht Private.

Wandergewerbeschein.

Während der Reisende nur einer Legitimationskarte bedarf, bedarf der Detailreisende eines Wandergewerbescheins. Dieser Wandergewerbeschein unterscheidet sich in wesentlichen Dingen von der Legitimationskarte. Er gilt zwar für die hier in Betracht kommende Tätigkeit auch für das Reich, aber nur, nachdem die Landessteuern entrichtet sind. So ist besonders der Detailreisende in Thüringen übel daran. Um dort tätig sein zu können, braucht er oft drei, vier, auch fünf Wandergewerbescheine, deren jeder einen anständigen Batzen Geld kostet.

Der Wandergewerbeschein kann aus den gleichen Gründen versagt werden, wie die Legitimationskarte, er kann auch unter den gleichen Gründen zurückgenommen werden. In der Regel wird aber der Wandergewerbeschein nur für Personen ausgestellt, die 25 Jahre alt sind. Von dieser Regel kann nur dann abgewichen werden, wenn der Reisende Ernährer einer Familie ist und bereits vier Jahre im Wandergewerbe tätig war. Die Versagungsgründe sind außerdem schärfer. Während bei dem Versagen einer Legitimationskarte eine Freiheitsstrafe von drei Monaten vorliegend sein muß, und seit ihrer Verbüßung keine drei Jahre vergangen sein dürfen, kann der Wandergewerbeschein schon versagt werden, wenn der Nachsuchende nur eine Freiheitsstrafe von einer Woche erlitten hat und noch nicht fünf Jahre seit ihrer Verbüßung dahingegangen sind.

[S. 54]

Der Detailreisende ist auch hinsichtlich des Verkaufes verschiedener Artikel beschränkt. So dürfen nicht im Umherziehen vertrieben werden: Geistige Getränke, gebrauchte Kleider, Wäsche, Betten, Bettfedern, Gold- und Silberwaren, Bruchgold, Bruchsilber und Taschenuhren, Spielkarten, Wertpapiere, Lose, Waffen, Gifte, Arzeneien, Geheimmittel und Bruchbänder, Bäume, Sträucher, Schmucksachen und optische Instrumente. Ebenso ist verboten, Waren auf Abzahlung zu verkaufen, oder Bestellungen darauf zu suchen, wenn Teilzahlung vereinbart wird und der Verkäufer sich das Eigentumsrecht an den Waren vorbehält, bis die Zahlungen voll geleistet sind.

Das Reisen mit dem Wandergewerbeschein bringt somit viele Plackereien mit sich. Ohne Wandergewerbeschein dürfen verkauft werden Bücher, Bildwerke, Druck- und andere Schriften, Trauben- und Schaumweine und die Erzeugnisse der Leinen- und Wäschebranche, auch Nähmaschinen.

Umgehungsversuche.

Um nun die Scherereien mit dem Wandergewerbeschein zu umgehen, hat man verschiedene Mittel ausprobiert, die jedoch samt und sonders zu wünschen übrig lassen. Es ist ja das Detailreisen nur ohne vorherige Aufforderung verboten. Wo jemand aufgefordert wird, Muster vorzulegen, bedarf er dazu nicht des Wandergewerbescheins. Wie nun die vorgängige Aufforderung erreichen? In der Textilbranche und der Modewarenbranche ist man, um jüngere Reisende als 25 Jahre alte und diese ohne Wandergewerbeschein hinausschicken zu können, auf den Ausweg verfallen: Der Reisende nimmt sich Handmuster von[S. 55] Leinen- oder Wäscheartikeln. Damit besucht er die Kundschaft. Er hat so einen Anknüpfungspunkt und versucht dann, die Aufforderung zu erhalten, auch die anderen Muster vorzulegen. Hat er die Aufforderung erhalten, so ist er ausdrücklich bestellt, er kann dann auch seine anderen Artikel verkaufen. Unbedingt sicher ist, wie gesagt, dieser Ausweg nicht, der Richter kann in ihm einen Umgehungsversuch erblicken. Der andere Ausweg ist der: An die gesamte Kundschaft oder an alle verfügbaren Adressen wird ein Rundschreiben versandt. In diesem wird die Kundschaft aufmerksam gemacht, daß der Detailreisende sie künftig nur besuchen könne, wenn er vorher ausdrücklich dazu aufgefordert würde. Der Grund liege darin, daß jetzt ein Wandergewerbeschein erforderlich sei, der in allen Bundesstaaten einer besonderen, hohen Steuer unterliege. Um diese Kosten zu sparen, bedürfe man der Unterschrift des Empfängers auf beigelegter Karte. Diese Karte trägt dann den Text:

Herrn N. N. ......

Ich ersuche Sie, Ihren Reisenden zu veranlassen, bei seinem jedesmaligen Hiersein mir Ihre Muster vorzulegen.

Hochachtend!

Wie gesagt, keiner der beiden Wege ist vor der Rechtsprechung unanfechtbar, beide Wege berauben aber den Reisenden eines Teiles der Möglichkeit, Geschäfte zu machen. Wo er die Wäschemuster hat und sich dadurch auffordern läßt, auch die anderen Muster vorzulegen, vergeht Zeit, bis die anderen Muster zur Stelle sind und der Wunsch, zu kaufen, ist bis dahin oft längst wieder untergetaucht. Bei den Bestellkarten wird es aber immer nur möglich sein, einen Teil der Karten zurück zu bekommen.[S. 56] Bekanntlich „unterschreibt“ der Landmann nie gern etwas, und so mancher Kunde mag froh sein, wenn er den Reisenden durch die Einschränkung des Detailreisens los geworden ist.

f) Unlauterer Wettbewerb.

Unsittliche Konkurrenzmanöver.

Was hat der Reisende mit dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb zu tun? So meint der Leser! Hoffentlich gar nichts! Je weniger er damit zu tun hat, um so besser, wenigstens insoweit er selbst als Schuldiger in Betracht kommt. Der Reisende muß aber die gesetzlichen Bestimmungen kennen, um sie gegen seine unlautere Konkurrenz anwenden zu können, wenn das notwendig ist. Ein Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb haben wir schon seit 1896. Seit 1900 haben wir verschärfte Bestimmungen, die z. T. die Lücken des Wettbewerbsgesetzes beseitigen sollten, im Bürgerlichen Gesetzbuch; und im Jahre 1909 hat uns der Reichstag abermals ein Gesetz beschert, das nun seit 1. Oktober 1909 in Kraft ist.

Sehen wir uns an, was der Reisende vom Gesetz wissen muß: Wer im geschäftlichen Verkehr aus Wettbewerbsgründen Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und auf Schadensersatz verklagt werden. Gegen die guten Sitten verstößt eine Handlung, wenn sie gegen die Anschauung verstößt, die sich im geschäftlichen Leben als Ausfluß der Meinung billig und gerecht denkender Volksgenossen gebildet hat. Was kann nun der Reisende für Dinge begehen,[S. 57] die gegen die guten Sitten verstoßen? Hierher gehört das Ausfragen und Aushorchen der Angestellten über interne Geschäftsangelegenheiten, die durchaus nicht Geheimnisse zu sein brauchen, die Erregung von Unzufriedenheit unter den Angestellten zum Zwecke des Wettbewerbs, besonders aber das Beschaffen von Waren gegen den Willen des Lieferanten. Wir hatten in den letzten Jahren oft die Tatsache zu verzeichnen, daß Geschäfte bestimmte Waren (Bücher oder sogenannte Markenartikel) zu einem billigeren als dem allgemein festgesetzten Preis verkauften. Um sich dagegen zu schützen, sperrten besonders die Lieferanten von Markenartikeln den Geschäften ihre Waren. Trotzdem wurden diese nach wie vor weiter dort verkauft, man hatte sie sich durch gefällige Dritte besorgt. Oft wird ein Reisender dieser gefällige Dritte sein, der sich dazu hergibt, um selbst in das Geschäft zu kommen.

Den Reisenden als Angestellten interessiert aber besonders die Wertung der falschen Auskunft beim Stellenwechsel nach dem Wettbewerbsgesetz. Ein Prinzipal, der über irgend einen Angestellten eine Auskunft gibt, die Unwahres behauptet, kann dafür nur durch die allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen über die üble Nachrede zur Rechenschaft gezogen werden. Er kann haftbar gemacht werden für den Schaden und sich eine Klage auf Unterlassung zuziehen. Soweit aber die Auskunft über einen Angestellten erteilt wird, der sich selbständig und damit dem Auskunftserteiler Konkurrenz macht, oder über einen Reisenden, der eigene Kundschaft besitzt und beim Wechsel der Stellung einen Teil dieser Kundschaft mitnimmt, verstößt diese Auskunft, da sie[S. 58] dann zu Zwecken des Wettbewerbs falsch gegeben wird, gegen die guten Sitten. Der Prinzipal kann dann auch auf Grund des G. ü. d. u. W. zur Rechenschaft gezogen werden. Das Abschreiben der Kundenlisten zum Zwecke der geschäftlichen Verwendung fällt ebenfalls unter diese Bestimmungen.

Schmiergelder.

Scharf angefaßt wurde auch im Wettbewerbsgesetz das Bestechungswesen. Es gibt wohl keinen Menschen, der nur einen Funken Rechtsgefühl hat und unser teilweise bestehendes Schmiergeldsystem gutheißen möchte. Dennoch haben sich weite Kreise dagegen gewendet, daß hier neue Strafvorschriften geschaffen wurden. Besonders nahmen kaufmännische Kreise scharfe Stellung gegen die Neuregelung. Und zwar handelte es sich nicht nur um Kreise der Angestellten, sondern auch um die der Prinzipale. Dennoch sind die Bestimmungen des Strafgesetzbuches (226), des Bürgerlichen- (826) und des Handels-Gesetzbuches durch das Gesetz verschärft worden. Ursprünglich waren die Bestimmungen so unglücklich gefaßt, daß der Reisende, der mit einem Angestellten ein Glas Bier trank oder ihm eine Zigarre reichte, dadurch Unannehmlichkeiten haben konnte. Das ist nun glücklicherweise beseitigt worden. Die Fassung ist aber nun derart, daß auf Grund des § 12 kaum Verurteilungen stattfinden werden. Wenn jemand einem Angestellten Zuwendungen verspricht, anbietet oder gewährt, um durch unlauteres Verhalten des Angestellten oder Beauftragten bei gewerblichen Leistungen oder beim[S. 59] Warenbezug Vorteile zu haben, so wird er mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geld bis zu 5000 Mark gestraft. Die Bestrafung ist also abhängig davon, daß die Absicht vorlag, Vorzüge zu erringen, und daß die Vorzüge nur durch unlauteres Verhalten der bestochenen Angestellten erreicht werden konnten. Jemand aber diese Absicht nachzuweisen, dürfte sehr schwer sein. Die gleiche Strafe, die den Bestecher trifft, trifft auch den Bestochenen. Das Schmiergeld selbst verfällt dem Staate.

Mehrfach dürften Reisende mit einer anderen Bestimmung des Wettbewerbsgesetzes in Konflikt kommen. Leider besteht der üble Brauch vielfach, die Konkurrenz anzuschwärzen. Ich möchte alle Reiseonkels, und alle, die es werden wollen, dringend warnen, sich einzureden, daß sie ihre Ware damit loben, wenn sie die der Konkurrenz schlecht machen! Bei mir hätte ein solcher Reisender sofort ausgespielt! Seine Waren könnten noch so preiswert sein, ich würde das Mißtrauen nicht los werden, daß die Lieferung der preiswerten Waren auf eben so unlautere Art erfolgen würde, wie ihr Angebot. Hier greift das Wettbewerbsgesetz mit Recht mit gehörigem Nachdruck zu! Wer zum Zwecke des Wettbewerbs — und das ist bei Reisenden der Kundschaft gegenüber fast immer der Fall — über das Geschäft eines anderen, über die Person des Inhabers, des Geschäftsleiters, über Waren oder Leistungen Dinge behauptet, die geeignet sind, den Kredit oder das Ansehen des Betroffenen zu schädigen, wird bestraft, sobald die Behauptung unwahr und beleidigender Natur ist; aber selbst wo das nicht der Fall ist, macht sich der Reisende schadensersatzpflichtig; er kann auch auf Unterlassung der Behauptung verklagt werden. Wer aber gar solche[S. 60] Behauptungen wider besseres Wissen aufstellt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre, oder mit Geld bis zu 5000 Mark gestraft. Ist der Tatbestand der Verleumdung vorliegend, kann die Strafe auf Gefängnishaft bis zu zwei Jahren lauten. Erfolgt die Verleumdung öffentlich, dann beträgt die Strafe mindestens einen Monat. Weiß der Prinzipal um dieses Treiben seines Reisenden, so ist er neben seinem Reisenden strafbar.

Geschäftsgeheimnisse.

Neben diesen Bestimmungen müssen wir uns noch die über den Verrat der Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse ansehen. Hier kommt einmal der Reisende als Person in Betracht, die selbst solche Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse ausplaudert, dann aber auch als Person, die versucht, sich in den Besitz solcher Geheimnisse mit Hilfe von Angestellten zu bringen.

Der Reisende kommt mit dem Gesetz in Konflikt, wenn er die Absicht hat, in ein anderes Geschäft einzutreten, oder sich selbständig zu machen, und — solange er noch im Dienst seines Hauses ist, während dieser Zeit — Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sich aneignet und zur Verwirklichung der Absicht benutzt. Dann ist immer der „Zweck“ des Wettbewerbes klar erkenntlich. Zahlreich werden jedoch die Fälle sein, in denen ein Reisender sich in den Besitz fremder Geschäfts- (Vertriebs-) oder Betriebs- (Herstellungs-)Geheimnisse zu setzen versucht. Im ersteren Falle kann den Reisenden Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr und Geldstrafe bis zu 5000 Mark, im zweiten Falle Gefängnisstrafe bis zu neun Monaten und Geldstrafe bis zu 2000 Mark treffen.

[S. 61]

Gerichtsbarkeit.

Damit verlassen wir zunächst das allgemeine Recht! Nur noch ein paar Worte über die Gerichtsbarkeit. Soweit der Dienstvertrag in Frage kommt, sind Streitigkeiten von den Kaufmannsgerichten zu entscheiden. Der Fall tritt nur dann nicht ein, wenn der Reisende einen höheren Jahresverdienst als 5000 Mark hat oder wenn am Orte der Zuständigkeit kein Kaufmannsgericht besteht. Zuständig ist der Ort der Niederlassung des Prinzipals. Besteht an solchem Orte kein Kaufmannsgericht, so kann der Gemeindevorsteher angerufen werden. Zu berücksichtigen ist dabei, daß durchaus nicht alle Gemeindevorsteher Juristen sind, daß ihrer noch wenigere über den kaufmännischen Dienstvertrag unterrichtet sind. Vereidigungen sind im Termin vor dem Gemeindevorsteher unzulässig, gegen seine Entscheidung kann auch in einer Notfrist von zehn Tagen der ordentliche Rechtsweg beschritten werden. Der führt dann, wenn der Streitwert der Klage bis zu 600 Mark beträgt, zu dem Amtsgericht, wenn er mehr beträgt, zu dem Landgericht. Streitigkeiten aus dem Dienstvertrag sind, soweit sie dem Kaufmannsgericht unterstehen würden, wenn ein solches vorhanden wäre, Feriensachen, d. h. sie müssen auch während der Gerichtsferien verhandelt werden. Bei Kaufmannsgerichten sind Rechtsanwälte und Personen, die geschäftsmäßig das Verhandeln vor Gericht betreiben, als Vertreter und Beistände ausgeschlossen; Rechtsanwälte sind bei den Amtsgerichten ohne weiteres zugelassen, sonstige Personen, die geschäftsmäßig verhandeln, können abgewiesen werden. Für Klagen beim Landgericht kommen nur zugelassene Anwälte in Frage, eine Vertretung durch die Partei selbst gibt es in Zivilsachen nicht. Ich hoffe,[S. 62] daß die Leser recht wenig Veranlassung haben werden, diesen Teil des Buches zu Rate zu ziehen. Das wird im allgemeinen der Fall sein, wenn sie das goldene Wort des Reisenden beherzigen:

Tue recht und scheue niemand!

[S. 63]

Der Reisende und sein Haus.

Vertrauen zum Reisenden.

Wenn man sich überlegt, aus welchen nichtigen Ursachen oft Streitigkeiten zwischen Prinzipalen und ihren Reisenden entstehen, Streitigkeiten, die vielfach zur Lösung oder zur dauernden Trübung des Dienstverhältnisses führen, dann gibt man dem Sprüchwort Recht, daß kleine Ursachen große Wirkungen haben können. Es ist kaum eine Stellung im Handelsgewerbe, die so nachdrücklich das Vertrauen des Hauses zum Angestellten und umgekehrt das Vertrauen des Angestellten zum Hause voraussetzt, wie die des Reisenden. Man sollte nie einen Reisenden anstellen, ohne fest von seiner Brauchbarkeit und seiner Vertrauenswürdigkeit überzeugt zu sein. Wo eine Probestellung ausbedungen wird, mangelt schon das Vertrauen, es soll vielmehr erst durch die Probestellung verdient werden. Wer draußen mit dem Musterkoffer einhergewandert ist, der weiß, daß vier Wochen oder drei Monate nicht ausreichen, um die Brauchbarkeit eines Reisenden zu beurteilen. Der beste Maßstab ist der seither erzielte Umsatz. Wo der fehlt, ist Menschenkenntnis der beste Berater, gute Empfehlungen natürlich nicht minder. Wo damit aber die Voraussetzungen gegeben sind, einen Reisenden einzustellen, dann soll es auch kein Wenn und Aber mehr geben. Da muß das Vertrauen Platz greifen — lückenlos. Wo das Vertrauen den Reisenden begleitet, da stellt sich der schärfste Feind guter Geschäfte, der Mißmut und die Verdrossenheit[S. 64] nicht ein. Ein Reisender aber, der sich das Vertrauen und das Wohlwollen verdienen, nicht sich dessen würdig erweisen soll, der wird bei den ersten Fehlschlägen entweder den Mut verlieren oder die Geschäfte auf eine Art zustande bringen, die gewiß dem soliden Geschäft nicht zum Vorteil gereicht. Ich kann da von einem jungen Kollegen ein Geschichtchen erzählen. Er reiste für ein sehr großes Haus in Mitteldeutschland. Sein erster Ausflug führte ihn in das Erzgebirge. Am ersten Tage gleich sollte er ein Abenteuer erleben. Er war in einer Pilsenerbierstube gewesen, hatte dort eine angebliche Verwandte der Wirtin kennen gelernt und war mit dieser auf deren Wunsch zum Bockbierfest gegangen. Der übernervöse Polizeiinspektor des Ortes war dort anwesend. Er traute wohl der Dame sehr wenig Gutes zu. Als dann unser junger Kollege einen Hundertmarkschein wechselte, war es mit der Ruhe des Polizeigewaltigen vorbei. Er folgte unserem Kollegen, als der einmal hinausging, verlangte dessen Legitimation zu sehen und ging dann wieder ins Zimmer. Unser Kollege erzählte sein Abenteuer seiner Begleiterin und diese lachte ganz unbändig. Da fühlte sich der Herr Inspektor beleidigt, verhaftete ganz ohne weiteres die Dame, der Kollege und mehrere Gäste, die dem Vorgang zugesehen, folgten mit zur Wache. Durch die Legitimation hatte der Inspektor erfahren, wo unser Freund angestellt war, er schrieb den ganzen Vorfall brühwarm dorthin. Natürlich kam ein Brief — der nicht von schlechten Eltern war? Nein, eben nicht! Eine Bitte um Aufklärung. Die war leicht gegeben! Nun kam ein zweiter Brief! Eine Warnung vor den Schürzen! Die Bitte, Aehnliches nicht wieder vorkommen zu lassen und die Zusicherung des bleibenden[S. 65] Vertrauens. Ich habe selten einen so frohen Menschen gesehen, wie unseren Briefempfänger. Nach Jahren traf ich ihn wieder im Bayerland. Er war noch immer für sein Haus tätig, mit einer Freude und einer Unverdrossenheit, die mehr als mustergültig waren. Freilich, das Haus beschäftigt viele Reisenden und kennt die Grundlage des Reiseerfolges. Ueberhaupt würden die Erfolge manches Reisenden besser sein, wenn Fehler hüben und drüben vermieden würden.

Schlechte Geschäfte.

Es ist nicht alle Tage Sonntag, es gibt vielmehr Tage, wo das Kommissionsbuch sich einer beschaulichen Ruhe erfreut, wo nur sein Träger sich ärgert, wenn er abends Zeuge ist, wie seine Kollegen Seite um Seite mit Warenbestellungen füllen. Das ist an und für sich keine gute Zeit für einen Reisenden. Sein Mißerfolg geht ihm eben so nahe als seinem Prinzipal, er verursacht ihm in der Regel noch mehr Kopfzerbrechen. Durch doppelte Arbeit wird versucht, die Lücke auszufüllen. Da kommt ein Brief von daheim! Wo bleiben die Kommissionen! Denken Sie, wir werfen Spesen und Gehalt zum Fenster hinaus? Nein, gewiß nicht! Aber weil der Reisende das Bewußtsein hat, seine Pflicht getreulich erfüllt zu haben, setzt er sich ohne Verzug hin, um seinem Haus „einen hinzuwischen“. Was verstehen die Herren am grünen Tisch von seiner Tätigkeit? Wie kann der Korrespondent, der noch nicht dem Bannkreis des Kirchturms entwischte, ihm solche Vorwürfe machen? Aber — — Der Brief geht an das „Haus“. Der Prinzipal bezieht den Inhalt auf sich! Ein noch gröberer Brief geht an den Reisenden und oft ist dann mit dem zweiten Brief die[S. 66] Erklärung da: „Wenn es Ihnen nicht paßt, kann ich ja gehen“. Zwei Ratschläge möchte ich da geben! Einen dem Reisenden und den anderen dem Prinzipal! Wenn so ein liebliches Schreiben von „daheim“ kommt, das ungerechtfertigt ist, weil der Reisende seine Pflicht tat: Einstecken! Muß der Brief beantwortet werden: Morgen ist auch ein Tag! Grobe Briefe muß man sich beschlafen! Kommen dann wieder bessere Tage, lacht der Erfolg, dann ist es Zeit, sich solche Briefe mit dem Hinweis auf die jederzeit getane Pflicht höflich und entschieden zu verbitten. Dem Prinzipal, der Reisende hat, gebe ich den guten Rat, seinen Angestellten streng zu verbieten, dem Reisenden persönliche Rügen zu erteilen! Man weiß, wie Briefe unterschrieben werden, wenn die Zeit drängt! Selber schreiben, dann waltet die ruhige Ueberlegung des Prinzipals, der ja auch das Leben kennt. Ueberhaupt, wenn einmal die gewohnten Kommissionen ausbleiben: Ermunterung ist besser als Rüge!

In einem Haus, in dem mehrere Reisende sind, kann nicht dringend genug empfohlen werden, mindestens einmal jährlich die Reisenden zu einer Besprechung zusammenzurufen und die gesammelten Erfahrungen auszutauschen. Dabei lernt der weniger gute Reisende von seinen Kollegen, er findet Vorbilder, denen er nacheifern kann. Auf diesen Besprechungen sollte auch die Zeit gefunden werden, mit den Reisenden zu besprechen, was gekauft oder angefertigt werden soll. Wo die Mode waltet, ist das kaum so notwendig, als dort, wo die Praxis den Einkauf leitet. Die Mode ist eine Tyrannin, der sich alles willig unterordnet. Anders bei den Artikeln des praktischen Bedarfes! Ein Artikel, der an und für sich nichts taugt, wird nicht dadurch gut[S. 67] und verkaufsfähig, daß er in großen Massen hergestellt oder angekauft wird. Man kann den Verbrauch steigern durch Reklame und andere Hilfsmittel, gewiß; aber die natürlichste Verbrauchssteigerung liegt in der regen Nachfrage eines im Gebrauch gut befundenen Artikels. Darüber entscheidet aber nicht der Modelleur, der Zeichner oder der Werkmeister oder der Reisende einer Fabrik, der Grossisten besucht, darüber entscheidet die kleine Kundschaft. Der Reisende ist nicht nur der Vertrauensmann des Prinzipals, sondern auch der Vertrauensmann der Kundschaft. Was liegt also näher, als daß seinen Erfahrungen ein großer, wenn nicht der ausschlaggebende Einfluß auf den Einkauf und die Herstellung eingeräumt wird.

Doch wir wollen wieder zu den Unzuträglichkeiten zurückkommen, die ja leider nicht nur entstehen, wenn der Reisende nichts verkauft, sondern auch dann, wenn er recht gute Geschäfte macht. Ich habe einmal aus solchen Unzuträglichkeiten heraus eine Stellung aufgegeben, die sehr gut war. Ich denke an die undeutlichen Kommissionen und den vielen Aerger, den sie verursachen. Es gibt Reisende — ich gehörte lange zu ihnen — die legen nicht nur den Hauptwert, sondern überhaupt den Wert auf den Verkauf. Das ist falsch!

Kommissionen.

Auf die Kommission ist ebensoviel Sorgfalt und Wert zu legen, besonders auf deutliche Kommissionen. Ich war mein Lebtag kein Künstler im Schönschreiben. Die Reisetätigkeit gibt auch wenig Gelegenheit, sich zu einem solchen heranzubilden. So schrieb ich denn auch meine Kommissionen immer so, daß ich[S. 68] sie lesen konnte. Hin und wieder bekam ich eine Kommission zurück, um einen Kommentar dazu zu geben. Daheim konnte man meine „umfangreichen“ Bestellungen nicht entziffern! Unbegreiflich! Die Stubenhocker hatten doch Zeit genug, um auch einmal raten zu können! Wirklich? Wohl doch nicht! In unserer Zeit hat man überall Eile, und der Expedient ist nicht zum Rätselraten angestellt. Kommt nun eine Kommission vom Haus zurück, so mag es immer noch gehen. Schlimmer ist es, wenn eine Kommission infolge ihrer Unleserlichkeit falsch ausgeführt wird. Dann kommen die Mängelanzeigen der Kundschaft! Wer ist der Schuldige? Das Haus, natürlich das Haus, doch nicht der brave Reisende!? Das Haus will aber der Schuldige nicht sein, so gibt es wieder eine Auseinandersetzung, die in meinem Falle damit endete, daß ich schrieb: Wir verstehen uns nicht mehr, ich gehe! Und doch verstanden wir uns ganz gut, das Karnickel waren die undeutlichen Kommissionen. Auch auf ihre innere sachliche Ausgestaltung ist größter Wert zu legen. Jede Kommission muß mit einer fortlaufenden Nummer versehen sein, von jeder Kommission muß der Reisende eine Kopie haben, jede Kommission muß das Datum der Aufgabe tragen. Alle Vermerke, die auf ihre Erledigung Bezug haben, als da sind: Zahlungsziel, Lieferungstermin, Beförderungsweg, Bahn-, Wagen- oder Wasserfracht, Eilgut, Stückgut, Sammelladung, alles muß aus der Kommission zu ersehen sein. Handelt es sich um Vermerke außergewöhnlicher Natur, wie z. B. um Sonderwünsche der Kundschaft, so sind die selbstverständlich auch in der Kommission zu vermerken, trotzdem aber auch im Reisebericht. Es gibt Firmen, die einen täglichen Bericht vorschreiben, es gibt andere,[S. 69] die es bei zwei-, dreitägigen oder wöchentlichen Berichten bewenden lassen. Ich empfehle, immer täglich die Berichte zu machen und nur bei besonderen Umständen sie ausfallen zu lassen. Tägliche Berichte sind — auch wenn sie nicht verlangt werden — die Arbeitsteilung des Reisenden, die erst die ordentliche Sorgfalt erlaubt. Es ist eine alte Erfahrung, daß eine Stunde schriftlicher Arbeit leichter vorüberzieht, als deren drei. Hier kommt hinzu, daß ja die Reiseberichte Leben haben sollen. Sie sollen mehr sagen, als daß dieser und jener Kunde besucht wurde, daß der eine kaufte und daß dort eine „Pleite“ war. Wenn man aber von den Berichten wünscht, daß sie das geschäftliche Leben widerspiegeln sollen, dann müssen sie geschrieben werden, wenn der Eindruck noch frisch ist.

Reiseberichte.

Was soll der Reisebericht enthalten. So nebensächlich es klingen mag: In erster Linie die fortlaufende Nummer und den Tag der Absendung. Der Bericht wird sodann bestätigen, was der Reisende erhalten hat: Muster, Geld, Briefe, Preisverzeichnisse, besondere Anweisungen usf. Dann wird er die beigelegten Kommissionen besprechen, der besonderen Wünsche Erwähnung tun und die Kreditwürdigkeit der einzelnen noch nicht bekannten Kunden erwähnen. Dabei sei hervorgehoben, daß es eine unbedingte Pflicht des Reisenden ist, sich über die Kreditwürdigkeit seiner Abnehmer zu unterrichten. Wir haben heute überall unsere großen Auskunfteien und vor allen Dingen den Verein Kreditreform. Diese Auskünfte sind die zuverlässigsten. In zweiter Linie kommen die Auskünfte von Geschäftsfreunden, in dritter Linie die von Gastwirten oder sonstigen Vertrauenspersonen.[S. 70] Unter keinen Umständen sollten die Hausdiener und die Oberkellner als Auskunftspersonen in Betracht kommen. Es kann, darauf sei aufmerksam gemacht, eine Auskunft, auch wenn sie von der Auskunftei bezogen wurde, unrichtig sein. Ist sie zu gut, dann ist der Reisende gedeckt, obwohl es natürlich seine Pflicht ist, auch dann unwahrscheinliche Auskünfte auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Mehrfach wird es vorkommen, daß Auskünfte zu ungunsten des Käufers unrichtig sind. Die Auskunfteien als solche sind unbedingt verläßlich, ihre Mittelsmänner und deren Rückenmänner nicht immer. Persönliche Abneigung, ein einziges falsch angewandtes Wort können einer Auskunft einen ganz anderen Charakter geben. Ich habe in solchen Fällen immer einen offenen Weg eingeschlagen. Ich bin stets zu meinem Kunden gegangen und habe ihm gesagt, daß mich die Auskunft über ihn nicht befriedige, daß ich deshalb offen zu ihm käme, um mit ihm darüber zu sprechen, weil ich mir gesagt hätte, daß ein Ausbleiben der Ware ihn verletzen würde. Ich erinnere mich nicht, auch nur in einem Falle auf mangelndes Verständnis meiner Handlungsweise gestoßen zu sein. Die Kundschaft war vielfach sofort bemüht, mir den Nachweis der Kreditwürdigkeit aus der Inventur oder sonst aus den Büchern zu erbringen. Damit habe ich es nicht genug sein lassen! Ich bin auch zur Auskunftei gegangen und habe manchesmal die Freude gehabt, eine unverdient schlechte Auskunft beseitigen zu können. Vom Bericht wie von der Kommission sollte der Reisende eine Kopie nehmen. Das Durchschreibeverfahren möchte ich für die Berichte nicht empfehlen. Bleischrift wird nie so deutlich sein wie Tintenschrift. Wo wir heute so vorzügliche Füllfederhalter haben, die z. T. gestatten, mit der gewohnten Feder zu[S. 71] schreiben, kann man bequem die notwendige Kopiertinte mit sich führen. Die Firma F. Soennecken bringt Reisekopierpressen auf den Markt, die keine besondere Erschwerung des Reisegepäcks darstellen, die es aber ermöglichen, einwandfreie Kopien als Beweisstücke in den Händen der Reisenden zu belassen. (Die Kopierpressen sind im Kapitel „Ausrüstung“ näher besprochen.) Im Bericht soll dann auch stets etwaige Reisekasse erbeten werden und immer soll der Schluß lauten, daß Briefe da oder dort hin zu richten sind.

Der Bericht selbst muß klar und unzweideutig sein. Er ist sehr wichtig, so wichtig, daß man seine Beförderung nicht dem „Friedrich“ anvertrauen, sondern sie immer selbst übernehmen soll. Das gilt besonders für den Fall, daß der Reisende Gelegenheit findet, sein Haus auf eine voraussichtlich gute Zukunft eines Kunden aufmerksam zu machen, oder wenn der Reisende den baldigen Zusammenbruch eines bisherigen Kunden zu berichten hat.

Auch über Kunden, die nicht gekauft haben, sollte sich stets ein Bericht finden. Der Reisende sollte sich nie auf sein Gedächtnis verlassen. Vielmehr sei ihm empfohlen, sich ein Kundenregister auf Karten anzulegen und dieses Register immer in der Reisepause nach seinen Berichten zu vervollständigen. In dieses Kartenregister werden die üblichen Verkaufsbedingungen eingetragen, ein Geheimvermerk über die Kreditwürdigkeit, die Daten der letzten Besuche, ihr Erfolg (dann auch der Betrag und die hauptsächlichen Artikel andeutungsweise). Wo beim Besuch Preislisten oder Muster verlangt wurden, die der Reisende abgab oder erst schicken lassen mußte, wird auch das notiert. Die Buchauszüge geben über solche Dinge[S. 72] keine Auskunft und doch stellen sie bei wiederholten Besuchen wichtige Anknüpfungspunkte dar.

Aufmunterung.

Nun noch einen Wink für Prinzipale. Nicht für alle! Wir haben aber Prinzipale, die es lieben, auf ihre Art den Reisenden aufzumuntern. Es gibt Prinzipale, die nie zufrieden mit der Tätigkeit des Reisenden sind. Ein Mahnbrief jagt den andern. Und wenn der Reisende heimkommt, wird er womöglich von anderen Angestellten zu seinen guten Erfolgen beglückwünscht. Für den Reisenden sind dann später Mahnbriefe kein Gradmesser des Wohlwollens und der Zufriedenheit des Prinzipals, sondern Makulatur. Ganz abgesehen davon, daß sie noch mehr verderben können als „Anranzer“ bei wirklichen Mißerfolgen, sind sie mindestens vollständig wertlos.

Ich möchte da ein anderes Reizmittel in Vorschlag bringen, das nichts Verletzendes in sich hat, das nie den Prinzipal in den Ruf eines Schikaneurs bringen kann. Das Reizmittel nennt man Statistik. Sie findet sich heute in jedem gut geleiteten Geschäft und läßt sich leicht für Reisezwecke dienstbar machen. Sie ist anzuwenden bei einem einzigen Reisenden und bei einem Stab von Reisenden, bei letzterem mit größerer Aussicht auf Erfolg.

Hat man nur einen Reisenden, stellt man ihm allmonatlich das Ergebnis seiner oder seines Vorgängers Tätigkeit aus dem Bericht des gleichen, kommenden Monats des Vorjahres zu, d. h. den erzielten Umsatz. Der Reisende wird dann sicher bestrebt sein, seinen Umsatz zu erhöhen. Er hat einen Maßstab für das, was er leisten kann und für das, was er leisten muß, um nicht beschämt dazustehen. Sind mehrere Reisende in einem Betrieb, so kann man auch[S. 73] denen die Statistik des Vorjahres zugängig machen, hier bewährt sich aber noch besser die vergleichende Statistik. Allmonatlich wird zusammengestellt, was die einzelnen Reisenden umsetzten. Allmonatlich auch, was vielleicht eingebüßt wurde. Schon das hat eine erzieherische Wirkung. Gewiß will der Vorderste der Beste bleiben, gewiß will der Gute der Beste und der Mindergute doch der Gute werden.

Noch besser wird der Erfolg sein, wenn man Reisende, die sich wirklich auszeichneten, durch kleine Aufmerksamkeiten erfreut und wenn man Gehaltserhöhungen, die durch den verbesserten Umsatz erzielt wurden, nicht auf sich warten oder gar sich abnötigen läßt. Der Rechtsanspruch auf eine Gewinnbeteiligung wird die Arbeitsfreude und das Verantwortungsgefühl besonders steigern und die Erfolge des Reisenden fördern helfen.

Ich fasse noch einmal kurz zusammen: Der Reisende ist die Seele des Geschäftes. Er muß nicht nur Arbeitsfreude haben, sondern sie sich auch erhalten. Mißstimmung darf es zwischen einem Reisenden und seinem Haus nicht geben. Hat sie trotzdem Platz gegriffen, dann schnell eine persönliche Aussprache, keine langatmigen Briefe, die oft mehr verderben, als sie gut machen.

[S. 74]

Die Ausrüstung.

Wir haben uns mit dem Recht des Reisenden vertraut gemacht, haben die gesetzlichen Verpflichtungen betrachtet und das Verhältnis des Reisenden zu seinem Hause erörtert. Nun die Koffer gepackt und hinaus in das strudelnde Leben, hinein in die Arbeit, hin zum Erfolg! Auf Wochen, oft auf Monate verläßt der Reisende die Heimat, um in allen möglichen Städten und Ländern Geschäfte zu machen. Je weniger er draußen die Annehmlichkeiten entbehrt, die ihm zuhause sein Heim oder auch seine wohnliche Junggesellenbude bieten, um so leichteren Herzens wird der Reisende seiner Tätigkeit nachgehen können. Ich las einmal in einem nett geschriebenen Buch eines Globetrotters: „Viel Gepäck, viel Last, wenig Gepäck, viel Erleichterung“.

So ganz ohne weiteres kann der Satz für den Geschäftsreisenden nicht Geltung haben. Was für einen Weltenbummler zutreffen mag, trifft nicht auf ihn zu. Mag dort viel Gepäck eine Last sein — unangenehm ist es auch für den Geschäftsreisenden, unangenehmer ist es aber, wenn infolge der Gepäckersparnis auf der Reise vermißt wird, was uns daheim eine liebe Gewohnheit war oder zu unserer Bequemlichkeit sehr viel beitrug. Der Reisende soll deshalb immer das notwendige Gepäck mitnehmen. Verursachen kleine Gegenstände, die man nicht entbehren mag, wirklich ein um einige Kilo größeres Gewicht, so ist das zu ertragen. Wir haben heute in den Eisenbahnwagen breite Gepäcknetze, die Gepäckfracht[S. 75] macht nicht die stärkste Belastung aus, und wir haben eine Kofferindustrie, die sich die vielen Erfahrungen unseres Reiselebens zunutze gemacht hat und leichte, dabei doch dauerhafte Koffer auf den Markt bringt.

Der Wäschekoffer

(er dient, wie wir gleich sehen werden, durchaus nicht nur der Wäscheaufbewahrung) muß leicht, dauerhaft, handlich, bequem und sofort erkenntlich sein. Wenn man es irgend haben kann, so soll er nicht größer sein, als für die Mitnahme im Eisenbahnabteil zulässig. Immer geht das nicht an! Wer mehrere Anzüge und andere Bekleidungsstücke doppelt mitnehmen will oder muß, der kommt mit einem sogenannten Coupékoffer nicht aus. Wer aber nur wochenlang — es können auch wenige Monate sein — reisen muß, der kann sich sehr wohl dieses handlichen Koffers bedienen. Er ist dann nicht immer auf fremde Hilfe angewiesen, sondern kann sich so, wie er will, fortbewegen. Die Wäschekoffer können Rohrplattenkoffer sein, auch Ledertaschen werden vielfach ausreichen. Die Rohrplattenkoffer sind besonders leicht und äußerst dauerhaft. Einen ganz vorzüglichen Koffer kauft man bei einer bekannten Firma in Leipzig. Die Rohrplatten, die zu den Koffern dieser Firma verwendet werden, unterscheiden sich wesentlich von anderen Erzeugnissen. Meistens wird die Rohrplatte mit Leim auf Segeltuch und Leder geklebt. Es liegt auf der Hand, daß die Dauerhaftigkeit durch die eintretende Spröde des Leims ungünstig beeinflußt wird. Die Rohrplatten der Leipziger Firma sind jedoch derart, daß die Rohrstäbe, ohne jeden Zusatz von Leim, dicht und fest in bestes Flachssegeltuch eingewebt werden. Dadurch erhalten die Platten eine sehr starke Widerstandsfähigkeit[S. 76] und Dauerhaftigkeit. Die Koffer sind dabei — was ein großer Vorzug ist — sehr leicht, sie werden für die verschiedensten Ansprüche hergestellt und die seitherigen Erfahrungen haben weitgehende Berücksichtigung gefunden. Ganz verwöhnte Reisende finden im „Kommodenkoffer“ alles, was sie nur immer von einem Koffer verlangen können. Wer weniger große Ansprüche stellt, wird den sogenannten 25 Kilo-Koffer, der nur 10,3 kg wiegt, wählen, wer sich noch mehr bescheiden kann, greift zum Coupékoffer, der aus Rohrplatte in ausreichender Größe 45 Mk., aus festgewalzter Faserstoffplatte, mit Segeltuch bezogen, ebenfalls in ausreichender Größe, nur 25 Mk. kostet. Der Koffer soll aber auch leicht erkenntlich sein, damit er sowohl bei der Gepäckabfertigung als auch in gut besuchten Hotels leicht herausgefunden werden kann. Es empfiehlt sich, ihn mit einigen farbigen Streifen um deswillen versehen zu lassen.

Was soll nun der Koffer enthalten? Unbedingt einen Reserveanzug! Dabei sei gleich auf einiges hingewiesen. Der Reisende muß Wert darauf legen, daß sein Anzug nicht schmutzt, nicht „speckig“ wird und immer ein feines Aussehen hat. Helle Anzüge scheiden deshalb ohne weiteres aus. Schwarze Anzüge wird der Reisende, der praktisch denkt, auch nicht tragen, blaue auch nicht, es sei denn, daß er nichts dabei findet, wenn der Anzug öfters gereinigt werden muß. Am besten lohnt sich ein dunkles Grau, das einfarbig und auch meliert sein kann. Als Stoffart kommt in der Hauptsache Cheviot in Betracht. Als praktische Form ist der Sakko zu empfehlen. Aeltere Herren können zum Rock greifen! Im allgemeinen ist der Rock weniger praktisch, weil versessene Rockschöße immer einen unordentlichen Eindruck[S. 77] machen. Der Anzug muß öfters gebügelt werden, ist er fleckig, so muß er gereinigt werden, „speckige“ Anzüge sollten ein Gräuel für jeden Reisenden sein. Er merke sich immer, daß er draußen das „Haus“ ist, nach ihm und seinem Auftreten wird sein Haus beurteilt. Zur Reiseausrüstung gehört ferner ein Ueberzieher. Der Reisende sollte niemals in einem Wetterkragen zur Kundschaft gehen, er macht immer darin einen saloppen Eindruck. Der Spazierstock gehört dem Spaziergänger, der Begleiter des Reisenden — der mit allen Möglichkeiten rechnen muß und nicht nur zur Kundschaft gehen kann, wenn die Sonne lacht — ist der Regenschirm. Die neuerdings stark in den Verkehr gekommenen Stockschirme sind praktisch, handlich und elegant. Die Stiefel des Reisenden sollen dem Reisebedürfnis angepaßt sein. Ein Paar schwarze und ein Paar braune Stiefel erlauben den Wechsel und genügen allen Ansprüchen. Will der Reisende nicht die Schererei mit dem Hausdiener haben, kann er Lackleder bevorzugen. Als Kopfbekleidung wählt der praktische Reisende einen weichen Filzhut von nicht zu heller Farbe. Steife Hüte sind zwar eleganter, aber weniger praktisch.

Vom äußeren Menschen.

Die Leibwäsche wird sich ganz dem Geschmack des Reisenden anpassen. Der eine wird Oberhemden tragen, der andere kommt mit Vorhemden aus. Trägt man eine hoch geschlossene Weste, wird man immer farbige Wäsche tragen können, die natürlich nicht in grellen Farben strahlen darf. Sie schmutzt nicht so wie die weiße Wäsche und kann deshalb länger getragen werden, eine schlechte Plätterin kann auch nicht so viel an ihr verderben,[S. 78] wie an der weißen Wäsche. Die Wäscheindustrie bringt heute abwaschbare Leinenwäsche auf den Markt. Ich habe sie noch nicht probiert; hat sie die Vorzüge, die man ihr nachrühmt, so ist sie für den Reisenden wie geschaffen. Am besten trägt der Reisende wollene oder Macco-Unterkleider. Man rümpft zwar im internationalen Verkehr die Nase über den Jägerhemden tragenden Reisenden, das schadet aber nichts. Jedenfalls bewahrt sie den Reisenden, der den schärfsten Wechseln der Witterung ausgesetzt ist, vor vielen Erkältungskrankheiten, denen er sich aussetzt, wenn er durchaus, um der Unterkleidung willen, nicht als Deutscher gelten will.

Das alles muß der Wäschekoffer aufnehmen, und doch ist es noch nicht genug. Wir kommen zu den Kleinigkeiten, die nicht entbehrt werden können. Erst einmal zur Körperpflege! Der Reisende ist durch die Hotelkost — besonders bei der Table d’hôte — gezwungen, seinen Zähnen mehr zuzumuten, als sonst ein Sterblicher. Zahnkrankheiten stellen sich deshalb beim Reisenden recht oft ein, besonders dann, wenn er den Zähnen nicht die notwendige Pflege angedeihen läßt. Die Zähne werden faulig, der üble Mundgeruch stellt sich ein, der einem mit dem besten Menschen verfeinden kann; und ein fauler Zahn holt sich den anderen. Mundwasser, Zahnpulver und Zahncreme gehören deshalb, natürlich auch die Zahnbürste, unbedingt zur Ausrüstung. Genau so, wie der Reisende regelmäßig sich die Zähne nachsehen und faulige plombieren lassen muß.

Zu den Utensilien der Körperpflege gehört dann das Rasierzeug! Es wohnen Barbiere überall, meint der Leser, und deshalb sei das Rasierzeug überflüssig! Zum Barbier zu laufen gehört Zeit und Gelegenheit! Nebenbei bemerkt kostet es auch ein ganz hübsches Sümmchen, wenn man[S. 79] täglich die Hilfe des Verschönerungsrates in Anspruch nehmen muß. Rasiert man sich selbst, so kann man das jeden Morgen vornehmen, es kostet kein Geld und nicht so viel Zeit, wie das Rasieren beim Barbier. Genug, wenn man den Barbier aufsuchen muß zum Haarschneiden oder Bartscheren. Und darauf sollte der Reisende sehr wohl achten — auch das gehört zur Körperpflege. Das Haar nicht zu kurz, wenn es „gut“ aussehen soll; legt man nur Wert auf das Praktische, dann ruhig den 3 mm-Schnitt anwenden lassen! Haar und Bart müssen gepflegt werden, sie können viel zum vorteilhaften Aeußeren beitragen. In den Wäschekoffer gehört auch ein Schlafsack! Wenn wir den Reisenden in sein Gasthaus begleiten, werden wir auf manche Mängel unseres Hotelwesens aufmerksam werden, besonders soweit die Bettwäsche in Betracht kommt. Die Taschenapotheke gehört zur Ausrüstung; wer mit einem wiederkehrenden Leiden behaftet ist, tut gut, sich mit schnell wirkenden Gegenmitteln zu versehen. Zur Ausrüstung gehört aber besonders eine gut gehende, dauerhafte Taschenuhr. Ein Reisender, der keine richtiggehende Taschenuhr hat, ist ein armer Kerl! Er muß die Zeit voll ausnutzen und oft mit Minuten rechnen. Hat er eine gutgehende Taschenuhr, so ist er wohl versorgt, hat er sie nicht — dann kann er sich, wenn er das Nachschauen hinter einem abgegangenen Zuge hat, überlegen, wo er sie kauft.

Kommen wir zu dem, was der Wäschekoffer an

Handwerkszeug

enthalten muß. Hierher gehören: Reservekommissionsbuch, Kursbuch, Schreibmappe und Kundenregister. Hierher gehört auch die Kopierpresse, von der wir im Abschnitt:[S. 80] „Der Reisende und sein Haus“ sprachen. Vorhin erwähnte ich, daß sich auch der Reisende eine Kartei anlegen möchte. Er hat es dann in der Hand, entweder die Karten, die er für seine Tour braucht, mitzunehmen, oder sich die wichtigen Notizen in sein Kundenregister zu übertragen. Die Schreibmappe muß hinreichend Briefbogen und Umschläge enthalten, auch Postanweisungsformulare sollten nicht fehlen. Wer große Umschläge braucht, nehme sich diese besonders mit. In den Gasthäusern sollte man sie eigentlich in jedem Schreibzimmer finden. Nur findet man sie nicht — wenn man sie braucht. Niemals nehme man Briefumschläge mit der Firma des Hauses! Wozu den Konkurrenten zeigen, wer man ist und für wen man kommt? Eine gute Reisekopierpresse liefert F. Soennecken in Bonn. Besonders geeignet ist die Presse Nr. 19. Sie nimmt nur ganz wenig Raum weg, wiegt ohne Buch nur 2 kg und kostet einschließlich des notwendigen Materials und eines Buches nur 13 Mk. Wer nicht so viel zu kopieren hat, kommt auch mit Soenneckens Reisekopierrolle, die nur 3.50 Mk. mit dem notwendigen Material kostet, bereits aus. Diese Rolle wiegt nicht ganz ½ kg.

Was sonst noch zur Ausrüstung gehört? Eine Reisedecke, wer nicht ohne sie auskommen kann. Für Reisende, die meine Winke im übernächsten Abschnitt beachten, die Postausweiskarte, für alle die Legitimationskarte, für ehemalige Soldaten des Beurlaubtenstandes der Militärpaß. Ein steter Begleiter des Reisenden sollte auch ein Verzeichnis der Messen und Märkte sein. Es findet sich in den Kalendern in Buchform. Es spart dem Reisenden manche unnütze Fahrt.

Ehe der Reisende auf die Tour geht, soll er daran[S. 81] denken, daß er mancherlei Gefahren ausgesetzt ist. Die Bahn haftet zwar für Schaden und auch der Gastwirt, wenn er ihn verschuldete; es können aber gerade den Reisenden Unfälle betreffen, für die ihm niemand haftet. Er sollte deshalb gegen Unfall versichert sein, mindestens aber eine Reiseunfallversicherung abschließen, die er zu sehr billigen Prämien haben kann. Der Reisende des Beurlaubtenstandes oder der Ersatzreservist wird sich als „auf Reisen“ befindlich abmelden. Er hat dann nur jeweils zum 15. April und zum 15. November seinem Bezirkskommando anzuzeigen, wo er sich befindet und wohin Befehle ihm zugeschickt werden sollen.

Gehen wir nun an das Packen des Musterkoffers.

Der Musterkoffer

muß wie der Wäschekoffer leicht, handlich, bequem, dauerhaft, leicht erkenntlich und leicht zu öffnen sein. Wer einen guten Koffer haben will, bitte die Firma Moritz Mädler um kostenfreie Uebersendung ihres Katalogs. Beim Kauf eines Musterkoffers ist man noch mehr als beim Wäschekoffer darauf angewiesen, dort zu kaufen, wo die Erfahrungen immer ausgenutzt wurden. Moritz Mädler hat zwei große Gruppen Musterkoffer. Die besseren „Monopol-Koffer“ und die „Continent-Koffer“. Die Monopol-Koffer sind nur wenig teurer, aber entschieden dauerhafter. Das aber ist bei Musterkoffern, die man nicht immer wie den Wäschekoffer unter den Augen hat, besonders zu beachten. Wie schonungslos wird oft mit diesen Koffern umgegangen, ganz besonders auf kleinen Stationen, wo der Zugaufenthalt gering ist! Je schwerer der Koffer, je schonungsloser die Behandlung. Die Monopol-Koffer werden aus astfreiem kanadischen Pappelholz hergestellt.[S. 82] Das Holz ist für Kofferzwecke an und für sich besonders geeignet und es wird außerdem jahrelang ausgetrocknet. Es ist leicht und zäh, deshalb sehr widerstandsfähig und doch nicht frachtverteuernd. Die Continent-Koffer sind ebenfalls aus gut getrocknetem zähen Holz gearbeitet, sie erreichen aber an Dauerhaftigkeit doch noch nicht die Monopol-Koffer. Die verschiedensten Wünsche werden bei der Anfertigung berücksichtigt. Die vielfache Auswahl, die verschiedenen Arten der Koffer erlauben aber größtenteils, von der besonderen Anfertigung abzusehen. Die Firma hat Koffer mit feststehender und aufzuklappender Vorderwand, mit geradem oder mit einem Faßdeckel, mit Einsätzen und ohne sie auf Lager. Für einzelne Branchen sind besondere Koffer hergestellt. So für Stöcke, Wollwaren, leichte Konfektion, Hüte usw. Für die Konfektion wird ein Hängekoffer auf den Markt gebracht, der trotz seiner vielen Vorzüge als Monopol-Koffer schon für 85 Mk., als Continent-Koffer für 70 Mk. zu haben ist. Als besondere — geschützte — Neuheit bringt Mädler die verstellbare Riemenbefestigung. Bisher war man beim Festschnallen der Koffereinlage immer an die angenieteten Riemen gebunden. War der Koffer nicht bis zum Niet gefüllt, konnte die ganze Einrichtung nichts nützen. Die neue Einrichtung gestattet das Festschnallen in verschiedensten Höhen, sie gestattet auch das Trennen der Einlage durch mehrfaches Festschnallen.

Als Handmusterkoffer verdienen diejenigen mit Deckelklappe den Vorzug vor anderen. Sie sind ebenfalls aus kanadischem Pappelholz hergestellt; die eine Breitfläche ist vollständig zu öffnen, die Klappe selbst ist gut und doch handlich verschlossen. Letzteres ist für den Reisekoffer[S. 83] ein Haupterfordernis. Nur keine Koffer mit langweiliger Riemenverschnürung anschaffen!

Die Muster selbst, die der Koffer birgt, müssen gut zusammengestellt sein und immer sauber gehalten werden. Der aufgeklappte Koffer muß allein reizen, in den Herrlichkeiten, die er birgt, herumzustöbern! Soll er das, darf nicht der innere Bezug heruntergerissen sein, dürfen Stoffmuster keine Ecken haben, darf ihnen nicht die Kappe fehlen, müssen Zigarrenmuster immer den „Spiegel“ zeigen, und wo Glas als Behälter in Frage kommt, darf es nicht nach der Bertillonschen Methode die Fingerabdrücke des Reisenden zeigen, ebenso wie es keinen guten Eindruck machen wird, wenn Flüssigkeitsbehälter nur halb gefüllt sind. Ausgefranste Muster sehen gräßlich aus, schmierige Schachteln, Kästen und Büchsen erregen durchaus kein Wohlgefallen.

Die Muster selbst bedürfen vorteilhafter Verteilung im Koffer. Der Reisende sollte sich deshalb mehrfach üben, seinen Koffer zu packen. Es kann ihm sonst passieren, daß er den Inhalt seines gefüllten Koffers nicht wieder unterbringt, wenn es mit dem Einpacken schnell gehen muß. Auch lernt der Reisende durch das Probepacken die Muster kennen, die er mit sich führt, und nicht erst dann, wenn er schon einige Dutzend Kunden durchgeklappert hat. Er findet bei gleichmäßiger Anordnung auch immer sofort, was er braucht. Und das ist sehr gut! Es wird ihm vielfach vorkommen, daß er das Interesse eines Kunden erregen kann, wenn er im Augenblick einen bestimmten Artikel vorzuzeigen vermag. Dann darf er nicht erst lange suchen müssen.

Und nun, nachdem die Koffer gepackt sind, der Abschied von den Lieben genommen ist, auf die Bahn.

[S. 84]

Der Reisende und die Eisenbahn.

Die Personenbeförderung.

Einen großen Teil seines Lebens verbringt der Reisende auf der Eisenbahn! Von Ort zu Ort, von Land zu Land führt sie ihn! Kein Wunder, daß zwischen Reisenden und Eisenbahn sich ein freundschaftliches Verhältnis herausbildet, daß sich beide vorkommen wie alte, gute Bekannte. Allerdings bringt dieser gute Bekannte oft und recht viel Aerger, besonders dann, wenn man die Bestimmungen des Eisenbahnverkehrs nicht kennt und dann die Bahn verantwortlich macht für die Dinge, die man selbst sehr gut hätte verhüten können. Der Reiseonkel oder der Handlungsgehilfe, der es werden will, tut gut, diesen Abschnitt nicht zu übergehen. Es wird ihm helfen, mancher Unannehmlichkeit aus dem Weg zu gehen, es wird ihn manche Ersparnis machen lassen.

Im Verhalten zu den Bahnbeamten muß man immer berücksichtigen, daß diese Angestellten einen schweren und verantwortungsvollen Dienst haben. Man erspare ihnen kleine Scherereien und behellige sie nicht unnötigerweise. Was man verlangen kann, verlange man höflich und bestimmt, was man darüber hinaus gern möchte — kleine Gefälligkeiten — erreicht man am besten durch ein Trinkgeld, eine Zigarre oder besondere Höflichkeit.

Fahrpreise und Fahrkarten.

Die Fahrpreise sind jetzt im Reich fast einheitlich festgelegt. Nur einige Ausnahmen bestehen noch. Allgemein beträgt der Fahrpreis für die 4. Klasse 2 Pf. (in Baden und Bayern rechts des Rheins gültig für 3. Klasse[S. 85] Personenzug), 3. Klasse 3 Pf., 2. Klasse 4,5 Pf. und 1. Klasse 7 Pf. für den Kilometer. Diese Fahrpreise erfordern noch die Fahrkartensteuer, die für die 3. Klasse 5 Pf. bis 2 Mk., für die 2. Klasse 10 Pf. bis 4 Mk., für die 1. Klasse 20 Pf. bis 8 Mk. beträgt. Die vierte Klasse ist steuerfrei. Die Fahrkarten berechtigen zur Fahrt auf Personenzügen und zuschlagfreien Eilzügen. Für Schnellzüge und D.-Züge ist ein Zuschlag zu zahlen, der 25 Pf. für die 3., 50 Pf. für die 2. und 1. Klasse beträgt in der 1. Zone (1–75 km), 50 Pf. für die 3., 1 Mk. für die 2. und 1. Klasse in der 2. Zone (75–150 km) und 1 Mk. in der 3., 2 Mk. in der 2. und 1. Klasse für die 3. Zone (über 150 km). Die Platzkarte in D.-Zügen kostet nichts mehr. Die Rückfahrkarte gibt es allgemein nicht mehr. Im Verkehr mit bestimmten Plätzen ist sie noch bestehen geblieben, sie gewährt aber innerhalb des Reiches keine Fahrpreisermäßigung, kommt auch für den Reisenden allgemein nicht in Frage. Die Rundreisehefte bestehen fort. Sie sind im Preis etwas billiger, als wenn man immer auf einfache Fahrkarten Schnellzug fährt, weil dann jeweils der Zuschlag und die Steuer die Fahrt verteuert. Rundreisehefte berechtigen zur Benutzung aller Züge mit Ausnahme der Luxuszüge, ohne daß ein Zuschlag gezahlt zu werden braucht. Die Steuer wird nur einmal und zwar vom Gesamtbetrage erhoben. Auf die Gepäckbeförderung ist das Rundreiseheft ohne Einfluß, nachdem das Freigepäck auf gewöhnliche Fahrkarten weggefallen ist.

Die Geltungsdauer

der einfachen Fahrkarten beträgt vier Tage, die Geltungsdauer des zusammengestellten Rundreiseheftes beträgt[S. 86] mindestens 45 Tage, sie erhöht sich, wenn eine bestimmte Anzahl Kilometer durchfahren wird. Innerhalb der Geltungsdauer der Fahrkarten ist eine einmalige Unterbrechung an einem beliebigen Tage der Geltungsdauer gestattet, bei Rückfahrkarten je einmal auf der Hin- und Rückfahrt, bei Rundreiseheften an jeder Station, die befahren wird.

Zwischenfälle.

Die Fahrkarte wird zurückgenommen, wenn der Zug besetzt ist und der Reisende auch in einer höheren Klasse nicht befördert werden kann oder nicht in einer niederen gegen Rückerstattung des Preisunterschiedes befördert werden will. Die Bahnsteigsperre wird vom Betrag gekürzt; auf durchlochter Karte ist ihre Nichtbenutzung zu bescheinigen. Oft kommt es vor, daß der Reisende erst im letzten Augenblick den Bahnhof erreicht. Er kann dann ohne Fahrkarte befördert werden, er zahlt, wenn er dem Schaffner sofort unaufgefordert meldet, daß er keine Karte hat, den Fahrpreis und einen Zuschlag von 1 Mk. Hat der Reisende eine Karte, die abgelaufen ist und konnte er eine neue für die Weiterbeförderung nicht lösen, so hat er unter gleichen Voraussetzungen nur den Fahrpreis nachzuzahlen. Züge, die erfahrungsgemäß stark besetzt sind, suche man früh auf, um sich einen guten Platz zu belegen. Handelt es sich um einen D.-Zug, bekommt man gegen Vorzeigung der Fahrkarte vor Abfahrt des Zuges kostenfrei eine Platzkarte ausgehändigt. Bei einem Uebergang in eine höhere Wagenklasse (manche Schnellzüge führen nur 1. und 2. Klasse, im Kursbuch kenntlich gemacht) ist ein entsprechender Zuschlag zu zahlen. Hat man eine Fahrkarte gekauft und schon zum[S. 87] Teil benutzt und sieht man sich veranlaßt, einen anderen Reiseweg zu benutzen, so kann die Fahrkarte umgeschrieben werden, wenn sie dann über eine kürzere Strecke lautet. Das gleiche gilt von Fahrscheinheften. Die Schlafwagen-Benutzung kostet besondere Gebühr, die Wagen können nur von Inhabern 1. und 2. Klasse-Fahrkarten benutzt werden. Bei Zugverspätungen kann der Reisende, wenn er Anschlußfahrkarte hatte und den Anschlußzug versäumte, zur Ausgangsstation mit dem nächsten Zuge zurückkehren, er erhält dann die Kosten der Hin- und Rückreise zurückerstattet. Die Verspätung und die Zugversäumnis muß bescheinigt werden. Will der Reisende jedoch die Fahrt fortsetzen, so kann er ohne Zuschlag einen anderen Reiseweg oder einen Zug mit höherer Klasse benutzen, wenn dadurch die Ankunft am Ziel beschleunigt wird. Die Fahrkarten müssen für den Hilfsweg oder den Hilfszug umgeschrieben werden. In besonderen Notfällen ist auch die Mitfahrt im Güterzug gestattet. Der Reisende hat dann zwei Fahrkarten 3. Klasse zu lösen und einen festen Zuschlag von 3 Mk. zu entrichten.

Der Reisende kann sein Handgepäck mit in sein Abteil nehmen. Dort steht ihm der Raum über und unter seinem Sitzplatz zur Verfügung. Im Verkehr gegen Mitreisende wird man immer höflich und gefällig sein. Oft lernt man nette Menschen dadurch kennen, die es verstehen, die Langeweile der Fahrt zu verkürzen. Gegen Konkurrenten ist eine gewisse Verschlossenheit angebracht. Worin reisen Sie? so lautet die Frage, an der man fast immer den Reisenden erkennt! Am besten umgehe man die Antwort auf diese neugierige Frage. Daß im Nichtraucherabteil nicht geraucht werden darf, ist bekannt,[S. 88] weniger bekannt ist, daß der Reisende ein Recht darauf hat, ein Fenster zu öffnen und zwar das der Windseite entgegengesetzte. Darum wird es manchmal Streit geben, dann rufe man jedoch ruhig den Schaffner, der die Sache in Ordnung bringen wird. Gesunden Menschen schadet ein geöffnetes Eisenbahnfenster viel weniger, als die oft unerträglich schlechte Luft des Abteils. Welche Klasse man benutzen soll? Das hängt vom Geldbeutel ab! In Norddeutschland kann man ruhig 3. Klasse fahren. Im Sommer ist sie entschieden angenehmer als die zweite, und Sommer und Winter sind die Ansteckungsgefahren in ihr geringer als in der gepolsterten 2. Klasse. In Süddeutschland, besonders in Bayern rechts des Rheins und in Baden tut man gut, wenn man Personenzüge benutzen muß, die 2. Klasse zu wählen. Weil diese Länder keine 4. Klasse haben, nehmen die Personenzüge diesen Verkehr in die 3. Klasse auf. Und der Knaster der Landleute, der Duft der Marktwaren ist nicht jedermanns Geschmack. Im Ausland, auf das wir noch zu sprechen kommen, fährt man immer vorteilhafter 2. Klasse.

Wir wollen noch einmal kurz auf die Ansteckungsgefahren zurückkommen. Sie sind durchaus nicht so leicht zu nehmen. Zwar werden Personen, die sichtlich mit ansteckender Krankheit behaftet sind, entweder allein befördert oder von der Beförderung ganz ausgeschlossen, aber wem sieht man denn die ansteckende Krankheit an? Man vermeide es, die bloße Haut mit der Inneneinrichtung des Wagens in Berührung zu bringen, trage Handschuhe und schütze auch das angelehnte Denkerhaupt durch eine Reisemütze. Nach jeder Eisenbahnfahrt wasche man sich gründlich, um so etwaige Krankheitskeime zu beseitigen.

[S. 89]

Die Gepäckbeförderung.

Gepäck. — Gepäckgebühren.

Die Gepäckbeförderung erfordert mindestens die gleiche Aufmerksamkeit, wie die Beförderung der werten Person. Sie ist oft noch schwieriger, weil man einen Irrtum, den man selbst begeht, leichter erkennt, als einen falschen Weg, den das Gepäck eingeschlagen hat. Vorbedingung für die richtige Gepäckbeförderung ist die rechtzeitige Auflieferung. Soll das Reisegepäck — um solches handelt es sich jetzt — mit dem Reisenden am Bestimmungsort sein, so muß es rechtzeitig aufgegeben werden, d. h. 15 Minuten vor Abfahrt des Zuges. Zwar nehmen unsere Beamten auch noch später Gepäck an, es besteht dann aber keine Haftung der Bahn mehr für pünktliche Beförderung. Bei der Auflieferung ist zu beachten, daß bei zwei verschiedenen Routen der Reiseweg angegeben werden muß, den der Reisende benutzt und den auch das Gepäck machen soll. Alles, was der Reisende gewöhnlich mitführt, kommt als Reisegepäck in Frage. Nur wer in Goldwaren, Pretiosen und ähnlichen Kostbarkeiten reist, kann diese Muster nur dann als Reisegepäck befördern lassen, wenn das Interesse an der Lieferung nicht mehr als 500 Mk. übersteigt. Bei der Auflieferung ist darauf zu achten, daß das Gepäck sicher verpackt ist. Für Beschädigungen, die infolge mangelhafter Verpackung entstehen, haftet die Bahn nicht. Im Gegenteil haftet der Reisende noch für den Schaden, den sein mangelhaftes Gepäck anrichten kann. Ebenso ist der „Friedrich“ anzuweisen, die Beklebezettel zu entfernen. Werden sie nicht entfernt, so haftet wiederum die Eisenbahn nicht für den[S. 90] Schaden, der durch Verschleppung oder verspätete Auslieferung des Gepäckes entsteht. Das Gepäck wird in der Regel vor der Beförderung verfrachtet, es kann zwar auch nachbehandelt werden, es gilt jedoch dann nicht als aufgeliefert, d. h. die Bahnverwaltung haftet nicht für entstehenden Schaden, bevor es „nachbehandelt“ ist. Für die Beförderung wird eine Gebühr erhoben. Diese Gebühr richtet sich nach der Beförderungszone (bis 50 km 1 Zone, je weitere 50 km eine weitere Zone bis 500 km, dann je 100 km eine weitere Zone, bis 25 km Nahzone) und nach der Schwere des Gewichts (Gruppe 1: 25 kg, 2: 26–35 kg, 3: 36–50 kg, 4: 51–75 kg, 5: 76–100 kg usw.) und danach, ob es auf eine oder zwei Fahrkarten befördert wird. Wird das Gepäck nicht abgeholt bei der Ankunft (24 Stunden; wenn es nach 6 Uhr abends eintrifft, 36 Stunden danach), so wird Lagergeld erhoben, es beträgt für das Stück und den Tag 20 Pf. (Im Handgepäck kostet es nur 10 Pf.) Das Gepäck kann auch ohne Fahrkarte befördert werden, wenn die Entfernung mehr als 25 km beträgt. In diesem Falle wird es als Expreßgut behandelt, die Fracht ist dann erheblich teurer. Große Koffer werden, wenn sie zeitig genug da sein können, zweckmäßig als Eilgut aufgegeben. Bei der Zollabfertigung des Reisegepäcks muß der Reisende zugegen sein. Er wird hier ganz besonders darauf zu achten haben, daß das Gepäck über seinen Reiseweg befördert wird. Für zollamtliche Verzögerungen haftet die Eisenbahn nicht! Das Handgepäck wird zum größten Teil im Eisenbahnwagen einer Revision unterzogen, sonst in den Räumen der Zollverwaltung.

In Berlin haben die Reisenden für den Uebergang ihres Gepäcks, wenn es nicht von einem zum anderen Stadtbahnhof[S. 91] befördert wird, selbst zu sorgen. Die Eisenbahnverwaltung übernimmt jedoch bei durchgehenden Fahrkarten sowohl, als auch dann, wenn die Fahrkarte nur bis zu einem Bahnhof lautet, die Beförderung gegen Zahlung der Uebergangsgebühr. Bei weiten Entfernungen und kurzer Zeit befördert der Reisende sein Gepäck jedoch am besten selbst, wenn es mit dem Zuge befördert werden soll, den er benutzt. Soll Gepäck in Berlin nach den Hotels oder den Wohnungen oder zu der Kundschaft befördert werden, besorgt das die „Bahnamtlich zugelassene Beförderungs-Gesellschaft“ (B. z. B.-G.). Auftragsformulare führen alle Bahnbeamten mit sich, die Züge nach Berlin begleiten.

Die Haftpflicht der Eisenbahn

erstreckt sich auf die Person, wie auf die Sache.

Körperverletzung.

Die Verpflichtung zum Schadenersatz bei Körperverletzung und beim Tod infolge Betriebsunfalles wird durch das Gesetz vom 7. Juni 1871 in der Hauptsache geregelt. Die Eisenbahn haftet grundsätzlich für jeden im Betrieb entstehenden Schaden, sie kann sich nur dann von der Haftpflicht befreien, wenn sie nachweist, daß der Unfall durch höhere Gewalt oder eigenes Verschulden des Verletzten entstanden ist. Unter den Eisenbahnen sind nicht nur die Staatsbahnen zu verstehen, sondern auch die zahlreichen Privatbahnen, die elektrischen Fern- und Stadtbahnen, sogar die Pferdebahnen.

Je nachdem, was der Unfall für Folgen hat, zahlt die Eisenbahn bei tödlichem Ausgang die Kosten der versuchten Heilung, der Beerdigung, sie ersetzt die Vermögensnachteile,[S. 92] die der Geschädigte durch seine Erwerbsunfähigkeit oder seine verminderte Erwerbstätigkeit hatte, und sie zahlt den Unterhalt, den der Verstorbene durch gesetzliche Verpflichtung zu zahlen gehabt hätte. Bei Körperverletzung trägt die Eisenbahn die Kosten der Heilung, sie ersetzt die Vermögensnachteile, die durch Erwerbsunfähigkeit oder verminderte Erwerbsfähigkeit infolge des Unfalls entstanden sind. In der Regel wird für den Unterhalt beim tödlichen Ausgang und für den Ersatz der Vermögensnachteile eine Rente festgesetzt. Beide Teile können sich jedoch übereinstimmend mit einem Kapital abfinden. Wird eine Rente bei Körperverletzungen oder beim tödlichen Ausgang eines Unfalls gewährt, so kann die Eisenbahn die Minderung oder den Fortfall verlangen, wenn Umstände eingetreten sind, die das rechtfertigen.

Gepäckverlust.

Soweit der Gepäckverkehr in Frage kommt, haftet die Eisenbahn sowohl für den Verlust, als auch für die verspätete Beförderung nach den Vorschriften der Verkehrsordnung. Danach haftet die Eisenbahn bei gewöhnlichem Gepäck nur für Verlust, wenn das Gepäck ordentlich aufgegeben und nicht „nachbehandelt“ wurde. Die Haftung tritt ein, wenn das Gepäckstück nach Ablauf von drei Tagen — nach Ankunft des betr. Zuges — sich nicht einfindet. Die Haftung der Eisenbahn wird aufgehoben, wenn das Gepäck nicht innerhalb acht Tagen nach dem Eintreffen des Zuges abgeholt wurde. Im Falle des Verlustes wird der wirklich erlittene Schaden ersetzt, der Gesamtbetrag darf jedoch nicht 12 Mk. für das Kilo überschreiten. Will der Reisende für den Fall des Verlustes[S. 93] einen höheren Wert deklarieren, so muß das eine halbe Stunde vor Abfahrt des Beförderungszuges geschehen. Es ist dann ein besonderer Zuschlag zu zahlen, der mindestens 20 Pf. beträgt und 2 Mk. für das Tausend nicht übersteigen darf. Für Verlust von Handgepäck, das in den Wagen mitgenommen wurde, haftet die Eisenbahn nur dann, wenn ein Verschulden ihrer Angestellten nachgewiesen wird. Nach den gleichen Grundsätzen regelt sich die Haftung der Eisenbahn bei Gepäckbeschädigung. Wird das Gepäck, das verloren geglaubt wurde, wieder angefunden, so steht es dem Reisenden frei, es gegen Rückgabe der Entschädigung innerhalb einer Frist von 30 Tagen zurückzufordern.

Gepäckverspätung.

Im Falle der Verspätung des Gepäcks ersetzt die Eisenbahn den entstandenen Schaden, jedoch nur, sofern ein höheres Interesse an der Lieferung nicht deklariert ist, nach bestimmten Grundsätzen. Die Haftung tritt nur ein, wenn die Verspätung durch angewandte Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers abgewendet werden konnte. Naturereignisse und dadurch hervorgerufene Verkehrsstörungen oder Eisenbahnunfälle, ebenso aber auch das Verschulden des Reisenden befreien die Eisenbahn von der Haftung. Daß ein Schaden entstanden ist, hat der Reisende nachzuweisen. Ausnahmsweise ist gerade der Reisende leicht imstande, das tun zu können. Er kann leicht berechnen, welchen Schaden ihm ein verlorener Geschäftstag bringt, für seine tatsächlichen Ausgaben hat er Belege in den Hotelrechnungen usw. Leider ersetzt die Bahn nicht entfernt den wirklichen Schaden. Vielmehr wird der Schaden höchstens wie folgt ersetzt:

[S. 94]

Ein Gepäckstück sollte am 10. eintreffen, es trifft erst am 12. ein. So hat der Reisende höchstens zu fordern: Für jedes Kilogramm und für angefangene 24 Stunden 20 Pf. Wog der Koffer also 50 kg, so konnte der Reisende verlangen:

50 × 2 = 100 × 20 = 20 Mk.

Das reicht, wie gesagt, nicht entfernt aus, den wirklichen Schaden zu ersetzen. Es bleibt deshalb zu überlegen, ob das Interesse an der Lieferung für die Verspätung deklariert werden soll. In diesem Fall muß ebenfalls die Erklärung eine halbe Stunde vor Abfahrt des Zuges erfolgen. Die Gebühr beträgt mindestens 1 Mk., darf aber 2 Mk. für das Tausend der Versicherungssumme und für 150 km nicht übersteigen. Wird das Interesse deklariert, so erhält der Reisende den vollen, nachgewiesenen Schaden innerhalb der Deklarationssumme ersetzt.

[S. 95]

Der Reisende im Gasthaus.

Es steckt doch ein gut Stück Poesie in den Reisewagen wandernder Schausteller! Mehr! Praktisches Verständnis für die Annehmlichkeiten gewohnter, eigner Häuslichkeit. Sie sind zwar zum großen Teil primitiv, diese Reisewagen, aber sie sind doch ein Ersatz für das Heim. Der Geschäftsreisende kennt keinen Reisewohnwagen. Reisewagen trifft man ja an manchen Stellen, die noch nicht durch die Schienenwege durchzogen sind.

Der Heimersatz des Reisenden ist im Gasthaus zu suchen. Und, um es vorweg zu sagen, es gibt Gasthäuser, die in der Tat das Heim ersetzen. Vielfach werden sie geleitet von früheren Reisenden, die aus der Praxis heraus verstehen gelernt haben, was dem Reisenden frommt. Ich habe immer solche Gasthäuser anderen vorgezogen. Das Gasthaus selbst soll also die zweite Heimat für den Reisenden sein. Es ist deshalb notwendig, daß wir uns mit ihm beschäftigen.

Die rechtliche Seite des Gasthauswesens haben wir schon betrachtet, dringen wir jetzt in den eigentlichen Betrieb ein.

Welches Gasthaus?

Wer eine eingeführte Tour hat, wer selbst die Gegend länger bereiste, der braucht sich nicht die Frage vorzulegen: Welches Gasthaus (Hotel) unter vielen? Auch nicht die andere Frage: Wo soll das Gasthaus liegen? Er kennt die geeigneten Häuser, verkehrte schon mehrfach in ihnen oder darf doch der Empfehlung[S. 96] seines Vorgängers vertrauen. D. h. das nur bedingt! Nichts ist so vom persönlichen Geschmack abhängig, als das Wohlbefinden im Gasthaus. Liebt der eine einen gesprächigen Wirt, so fällt ein solcher dem anderen auf die Nerven! Zieht der eine mit dem „Zug ins Große“ nach dem „Hotelpalast“, so wohnt der andere lieber dort, wo zwar kein gallonierter Herold als Portier an der Türe steht, wo aber das Leben nicht zu teuer, persönlicher und infolgedessen gemütlich ist.

Doch wenden wir uns der Hotelfrage vom Gesichtspunkt der Allgemeinheit aus zu. Die Bezeichnungen: Hotel I. oder II. Ranges kennzeichnen nicht immer einwandfrei die Rangstufe des Gasthauses. Sie sind aber immer bezeichnend für die Preise, die genommen werden, diese sind in der Regel tatsächlich I. oder II. Ranges. Und das ist für den Reisenden von Bedeutung. Er wird nicht in den Fehler verfallen, zu billig wohnen zu wollen, er wird aber auch nicht deswegen in einem teuren Hotel wohnen, weil es Bequemlichkeiten hat, die der Reisende gar nicht in Anspruch zu nehmen gedenkt. Wenn der Reisende nicht besondere Wünsche an ein Gasthaus stellen muß (Auslagezimmer), dann handelt er nicht gegen sein Interesse, wenn er bei der Hotelauswahl dem Strom der anderen Reisenden folgt. Muß er allerdings besondere Wünsche beachten, so wird er sich — aber wiederum bei Reisenden — erkundigen. Die Berufsgenossen sind im Hotelverkehr der beste Wegweiser.

Wo das Hotel liegen soll, muß jeder Reisende selbst beurteilen, je nach den praktischen Wünschen, die er hat. In einem größeren Platz wohnt man zweckmäßig in der Stadtmitte, besonders wenn man reichlich Muster hat. Nicht immer hat man alle Muster zur Hand, liegt das Gasthaus[S. 97] in der Nähe, springt man schnell hinüber, liegt es weiter weg, unterbleibt das Holen vielfach. Doch auch für den Mustertransport ist es besser. Befinden sich die Muster in einem Bahnhofshotel, dann sind sie genau so weit weg, als stünden sie auf der Bahn. Koffer auf dem Bahnhof haben mir — ich weiß nicht, ob es anderen Kollegen auch so gegangen ist — immer die kampflustige Stimmung beeinträchtigt. Koffer in der Nähe waren immer ein Anreiz mehr, die Muster auch vorzulegen, schon um sie nicht vergeblich transportiert zu haben. Oft liegen ja die Dinge aber auch so — die Geschäftszeit für den Reisenden ist immer beschränkt, wie wir noch sehen werden —, daß die Muster schnell gebraucht werden. Dann erst nach dem Bahnhof laufen? Nein! Die Muster müssen zur Hand sein. Wer ledig aller Muster ist, kann dreist am Bahnhof wohnen, wiewohl es auch nicht einzusehen ist, warum der Reisende die Bahn mit ihrem nervenzerrüttenden Geräusch nicht außer Gehörweite bringt. Wer Abstecher machen muß, wer spät ankommt und früh weg will, der wohne am Bahnhof, der andere Reisende suche sich eine praktische, bequeme und ruhige Gasthauslage aus.

Abstecher.

Das Abstechermachen hat auch seine zwei Seiten. Man bindet sich zu sehr mit der Zeit, das ist der Nachteil! Es besteht immer das Bestreben, wieder am Abend zurück zu sein. In diesem Zurückkehren nach dem Ausgangspunkt liegt für den Reisenden der angenehme Teil der Abstecher. Abend für Abend in andere Gasthäuser, Abend für Abend in frische, oft feuchtkalte Betten, das gehört nicht zu den angenehmen Dingen des Lebens.[S. 98] Jeder Reisende wird es begrüßen, wenn er in einem guten Gasthaus mehrere Tage verweilen kann. Wo von einer zentral gelegenen Stadt viele kleinere Plätze besucht werden müssen und besucht werden können, da ist der Abstecher angebracht. Dabei denke ich an Thüringen, an Oberschlesien (Kattowitz), an das Ruhrgebiet, wie überhaupt an den Industriewesten. Auch Süddeutschland hat solche Mittelpunkte, ich denke an Mannheim, Frankfurt, Nürnberg usw.

Hotelzöpfe.

Ich sagte bei der Besprechung der Rechtsverhältnisse, daß die Gastwirte oft in den Zimmern Klauseln anbringen, die den Reisenden verpflichten sollen, in diesem und jenem den Gewohnheiten des Hauses oder dem geldlichen Interesse des Wirtes zu willfahren. Ueber die Ungültigkeit dieser Klauseln braucht weiter kein Wort verloren zu werden. Eine andere Frage ist es, ob der Reisende in der Tat im eigenen Interesse handelt, wenn er sich gegen die Gewohnheit auflehnt. Ich weise dabei auf den Frühstückszwang, auf die Table d’hôte und auf den Omnibus hin. Der Frühstückszwang besteht allgemein, nicht immer als ausdrücklicher Zwang, aber als etwas Selbstverständliches. Ohne Zweifel will der Wirt dem Gast das Frühstück liefern, weil es auch zu den Selbstverständlichkeiten gehört, an diesem Frühstück besonders zu verdienen. 1 Mk., 1.25, auch 1.50 Mk. für ein „komplettes“ Frühstück, das ist der übliche Preis. Im östlichen und in Mitteldeutschland, auch in Süddeutschland bekommt man dafür zwei Tassen Kaffee, Milch und Weißbrot und Butter oder Honig. Nach dem Westen zu wird wirklich ein Frühstück für den Preis geliefert, das sogenannte „garnierte“ Frühstück. Es[S. 99] besteht nicht nur aus Kaffee, Weißbrot und Butter, sondern der Wirt gibt Aufschnitt und Käse dazu. In allen Fällen möchte ich keinem Reisenden raten, das Frühstück nicht im Gasthaus einzunehmen. Was er spart, wenn er den Kaffee wo anders trinkt, das setzt er am persönlichen Kredit zu. Er gilt als Knauser, wird über die Achsel angesehen und allzuviel Gefälligkeit darf er just nicht erwarten. Genau so ist es mit der Table d’hôte. Sie ist in der Tat eine unschöne Bevormundung, ein alter Zopf, der im Interesse des Ansehens unserer Gasthausverhältnisse verschwinden sollte, je früher, je besser. Es ist eine Zumutung, von einem Gast, der doch das Gasthaus zu seiner Bequemlichkeit aussucht, der nach seinen Wünschen leben möchte, zu verlangen, er solle sich vom Wirt vorschreiben lassen, was er essen und trinken will. Es ist die Table d’hôte grundsätzlich vom sogenannten „Diner“ zu unterscheiden. Beim „Diner“ gibt es immer noch eine beschränkte Auswahl unter mehreren Speisen, bei der Table d’hôte jedoch heißt es: „Iß Vogel oder hungere“. Es bleibt dem Reisenden gar keine Wahl, er muß einen Gang vorüber gehen lassen, wenn er das ihm zudiktierte Gericht nicht mag; Ersatz bekommt er nicht. Und dennoch! Wo die Table d’hôte eingeführt ist, wird sich der Reisende ihr nur zu seinem eigenen Nachteil entziehen. Es geht ihm genau so wie dem Reisenden, der das Frühstück schindet, er büßt an Ansehen merklich ein.

Das schadet schließlich nicht allzuviel, und viele Kollegen werden sich leicht über ein derart eingebüßtes Ansehen hinwegsetzen. Aber die Sache hat einen anderen Haken. Besteht irgendwo Table d’hôte, dann sind die Einzelspeisen in der Regel außerordentlich teuer und[S. 100] weniger gut zubereitet. Der Trinkzwang besteht ja ebenfalls überall, er ist aber nicht mehr der alte Weinzwang. Ohne Abstinent zu sein, bin ich da immer dem Wirt entgegengetreten, wenn er mir auch den noch auferlegen wollte, fast immer mit Erfolg.

Nicht so wie an diese beiden Einrichtungen ist man an den Omnibus gebunden. Wer laufen will, soll sich nicht genieren, das zu tun, auch wenn der Omnibus am Bahnhof hält.

Ich möchte aber noch einige Worte über die „Diners“ und „Soupers“ verlieren. Wo es „Diner“ gibt, esse man es immer und verfalle nicht darauf, aus der Speisekarte Einzelspeisen zu wählen, es sei denn, man will durchaus mehr Geld ausgeben, als nötig ist. Vielfach, besonders am Rhein, besteht die Sitte, auch das Abendessen besonders zusammenzustellen. Auch da empfehle ich mitzumachen. Mir waren einmal 2 Mk. für ein solches Abendessen in Köln zu teuer! Ich bestellte mir drei Eier. Sie kosteten mit Brot 1 Mk. und da ich Hunger hatte, ging ich in ein anderes Restaurant, um noch ein „Souper“ für 1.50 Mk. zu genießen. Am anderen Abend saß ich an der gemeinsamen Abendtafel.

Die Trinkgeldfrage.

Eine leidige Geschichte im Gasthauswesen ist das Trinkgeld. Wie viel ist versucht worden, es abzuschaffen! Solange die Versuche von einem oder mehreren oder vielen Reisenden ausgehen, leidet immer das Personal darunter, nicht der Wirt. Ich habe dabei manchen Reisenden in den Verdacht bekommen, ein Trinkgeldhasser aus Portemonnaieinteresse zu sein. Der wirklich achtbare Kellnerstand wehrt sich wie der Reisende gegen das[S. 101] Trinkgelderwesen. Vorläufig ist aber das Trinkgeld die oft ausschließliche Entschädigung für die geleistete Arbeit. Weniger gilt das für das Zimmerpersonal, bestimmt aber für die Hausdiener und besonders für die Kellner. Es gibt eine ganze Anzahl solcher dienstbarer Geister, die vom Wirt überhaupt keine Entschädigung erhalten. In vielen Fällen müssen die Kellner von ihren Trinkgeldeinnahmen dem Wirt noch Bruchgeld und Putzgeld zahlen, ja, es sind Fälle bekannt geworden, wo der Wirt sogar einen Teil der Trinkgeldeinnahme für sich beanspruchte. Es liegt deshalb auf der Hand, daß ein Vorgehen des Reisenden immer den Unschuldigen trifft. Mit dem Trinkgelderwesen muß sich der Reisende abfinden. Er soll aber den Unfug nicht begünstigen. Das tut er jedoch, wenn er Trinkgeld gibt, wo er irgend welche Leistungen besonderer Art gar nicht in Anspruch nahm, oder wenn er die Trinkgelder allzu reichlich bemißt. Es ist eine irrige Ansicht, daß Trinkgeld allein Dienstwilligkeit schafft. Mir sagte einmal ein als Original bekannter Kellner: „Der feine Mann gibt nie zu viel Trinkgeld!“ Der Mann sah sich seine Gäste darauf an! Wer ihm viel Trinkgeld gab, so taxierte er, der war das Befehlen nicht gewöhnt, der sah in jeder Dienstleistung eine Gefälligkeit, wer wenig gab, wußte, was er zu verlangen hatte.

Einen Maßstab für das Trinkgeld gibt es nicht. Wer die Restaurationsbedürfnisse gleich bezahlt, wird mit 6–7 Prozent der Morgenrechnung für den Kellner das Richtige treffen. Wer auch die Restaurationsbedürfnisse auf die Rechnung setzen läßt, der gebe 10 Prozent. Neuerdings haben sich Gasthäuser — besonders auch die Hospize — dazu verstanden, das Trinkgeld aufzuheben, dafür heben sie einen Rechnungszuschlag von 10 Prozent[S. 102] für das ganze Personal ein. Gibt man Trinkgeld und sind mehrere Kellner (Servier- und Oberkellner) vorhanden, so gebe man immer dem, der wirklich Dienste leistete, das Trinkgeld zum größten Teil oder ganz. Ich habe nie einsehen können, daß ich dem „Ober“, der mir die Rechnung ausschrieb, trinkgeldpflichtig sei.

Dem Dienstmädchen braucht man für die ordnungsgemäße Zimmerbesorgung kein Trinkgeld zu geben, auch wenn das Zimmer nicht „mit Bedienung“ vermietet wurde. Das Zimmer dient erst seinem Zweck, wenn es in Ordnung ist, d. h. das Bett bezogen, die Tische abgeräumt, Wasch- und Trinkwasser besorgt sind. Nur wer darüber hinaus Dienstleistungen verlangt, wird sie billigerweise bezahlen. Dabei bemerke ich, daß ein vom Zimmermädchen angenähter Knopf immer mehr kostet, als wenn ihn der Schneider annäht. Und kleine Besorgungen verteuern sich in vielen Fällen nicht nur um das Trinkgeld.

DieSeele vom Geschäft“.

Die „Seele vom Geschäft“ ist der „Friedrich“, der Hausdiener, der „Hausmeister“, wie man in Süddeutschland dieses Faktotum nennt. Der „Friedrich“ hat einen sehr großen Einfluß auf unser Wohlbefinden und auf den Erfolg! Nicht an dem letzteren zweifeln! „Verschlafene Züge“, ausgebliebene Koffer beim Kunden und am Bahnhof sind Unannehmlichkeiten, die nicht nur Aerger bringen, sondern Kosten verursachen und leider auch geschäftliche Nachteile! Der „Friedrich“ also ist für den Reisenden so wichtig wie eine gutgehende Taschenuhr! Trotzdem kann auch er nur für Dienstleistungen Trinkgeld verlangen. Kofferbesorgungen, Stiefelputzen, nächtliches Türöffnen, das sind trinkgeldpflichtige Dienstleistungen.[S. 103] Auch beim „Friedrich“ gilt Maßhalten im Trinkgeldgeben. Gewiß kann es sich mancher „Onkel“ leisten, 50 Pf. für das Stiefelputzen zu geben. Angemessen ist solch ein Trinkgeld nicht, es fördert nur die Begehrlichkeit und schraubt das Trinkgeldkonto nur noch höher. Der Pförtner und der Fahrstuhlführer halten auch die Hand auf! Wer Besorgungen hat machen lassen, wer den Fahrstuhl mehrfach benutzte, mag etwas hineinlegen. Dafür, daß der Pförtner an der Pforte, der Fahrstuhlführer am „Lift“ steht, kann der Reisende nicht und steuerpflichtig wird er darum nicht.

Vorhin trennte ich die Summe des Trinkgeldes für den Fall, daß die Restaurationsbedürfnisse gleich bezahlt werden! Man wird dann immer mehr Trinkgeld ausgeben, als wenn man einmal bezahlt! Trotzdem empfehle ich den Kollegen, immer die Restaurationsbedürfnisse gleich zu begleichen. Mehr Trinkgeld wird ausgegeben, das ist richtig! Dafür wird aber so manches Glas Bier, so manche Zigarre usw. gespart, die man sonst nur auf der Rechnung findet.

Gasthauspersonal.

Ueberhaupt die Rechnung! Es gibt Kellner, die bringen es vorzüglich fertig, sich den Anschein zu geben, als brauche die Rechnung nie bezahlt zu werden. Will man die Rechnung haben, lächelt der Ober generös, er will dann durchaus wissen, wann man fährt und hat dann immer „noch Zeit“. Diese Oberkellner und mehr noch die ausgeschriebene Rechnung betrachte ich mit Mißtrauen. Irrtümer, die man erst im abfahrenden Zuge entdeckt, bleiben fast immer unberichtigt. Deshalb fordere man die Rechnung rechtzeitig. Will man früh abreisen, begleiche man[S. 104] am Abend, will man spät reisen, in der Früh, immer aber so, daß die Gelegenheit der Nachprüfung da ist. Allzu freundliche „Ober“ weise man bestimmt an, dem Wunsch nachzukommen und halte sich nicht weiter damit auf, das „Warum“ auseinanderzusetzen. Das Verhalten zum Hotel-Personal sei überhaupt immer höflich, aber bestimmt. Vertraulichkeiten dulde man nicht und wende sie nicht an. Wer befehlen kann, fährt im Gasthaus besser, als der, der bitten muß und bei den dienstbaren Geistern die Ansicht weckte, alle ihre Pflichten seien Gefälligkeiten.

Diese höfliche Zurückgezogenheit ist besonders gegen das weibliche Personal angebracht. Im Reisenden steckt manchmal ein Stückchen Abenteuerlust. Vertraulichkeit befördert sie. Hübsche Zimmermädchen gibt es, die hübschen gefallen natürlich vielen, sie werden mehr umworben und sind schließlich keine Tugendengel. Das Haus — auch das Gasthaus — muß rein gehalten werden! Die Vertraulichkeit mit einem Zimmermädchen hat schon manchesmal den Keim zu Schlimmeren gelegt. Und das Renommee, ein „forscher Kerl“ zu sein, tut es wahrlich nicht! Der Reisende soll seine „Forsche“ in seiner Tätigkeit und nur da suchen!

Verhalten zu anderen Gästen.

Da wir einmal beim persönlichen Verhalten sind, wollen wir uns auch einmal mit dem Verhalten zu anderen Gästen beschäftigen. Der Reisende muß eins mit dem großen Moltke gemeinsam haben: im rechten Augenblicke schweigen zu können; besonders dann, wenn er den Frager nicht kennt. Aus rein persönlichem Anteil fragt kein Reisender den anderen: „Worin reisen Sie?“ Es ist des Reisenden gutes Recht, in seinen Kollegen Konkurrenten zu[S. 105] wittern. Freilich, im Laufe der Zeit schärft sich der Blick. Ich möchte fast sagen, daß man die einzelnen Branchen an der Kleidung des Reisenden unterscheiden kann, bestimmt geben die Koffer wichtige Anhaltspunkte. Warum nun dem anderen sagen, worin man reist? Trifft es sich, daß man einem Konkurrenten in die Hände läuft, dann weiß der zwar, daß er einen Konkurrenten vor sich hat, der freundliche Auskunftgeber kennt aber die Zunft des anderen nicht und — wird sie auch durch ihn nicht mehr kennen lernen. Wohin der Reisende dann fährt, ist schnell herauszubekommen! Man darf nur den „Friedrich“ fragen, wann der Reisende gefahren ist. Dann hat man die Richtung, überspringt einen oder zwei Plätze und hat einige Gewißheit, den Konkurrenten um einige Nasenlängen zu schlagen.

Dabei ist noch ein Umstand zu berücksichtigen, der auch den Konkurrenten auf die Spur bringen kann: viele Gasthausrechnungen tragen vorgedruckt die Frage „Briefe wohin?“ Die Wirte nehmen als selbstverständlich an, daß sie Gelegenheit haben werden, Briefe nachzusenden, und dann erweisen sie ja dem Reisenden eine Gefälligkeit. Muß man sich denn aber durchaus steckbrieflich verfolgen lassen? Muß Müller von Meyer & Co. wissen, daß Schulze von H. Schmidt Söhne auch da ist oder doch bestimmt bald kommt? Selbst wenn die Firmen keine Briefumschläge mit Aufdruck nehmen, so ist doch ein Reisender leicht bei seinen Kollegen von der Konkurrenz dem Namen nach bekannt. Deshalb keine Briefe in das Hotel. Auch im Interesse des Reisenden selbst nicht! Briefe werden im Reiseleben oft vom Empfänger nicht abgeholt und ihre Nachsendung macht sich notwendig. In einem gut organisierten Gasthaus[S. 106] wird zwar die Nachsendung auch pünktlich veranlaßt werden, wieviel der Gasthäuser sind aber gut organisiert? Sicher ist die Deutsche Reichspost zuverlässiger, als ein Oberkellner. Man lasse sich die Post „postlagernd“ senden und zwar immer „hauptpostlagernd“, um Verwechselungen vorzubeugen. Kurz vor Abgang des Zuges wird man dann Gelegenheit haben, die letzte Post in Empfang zu nehmen; gleichzeitig benutzt man ein ausliegendes Formular, um der Post aufzutragen, weiter eingehende Sendungen nachzusenden. Die Legitimationskarte reicht allgemein aus, Postsachen, auch Geldsendungen in Empfang zu nehmen, aus Bequemlichkeitsgründen empfiehlt es sich indessen, eine Postausweiskarte zu benutzen.

Tischungezogenheiten.

Der Reisende sollte auch einigen Wert darauf legen, keine Tafelungezogenheiten zu begehen. In der Tat soll man nicht sagen, was der Mensch ißt, das ist er, sondern man darf mit größerem Recht behaupten, wie der Mensch ißt, so ist er. So verrät sich der „bescheidene“ Mensch ganz bestimmt, wenn er auf der Platte herumstochert nach dem größten oder besten Stück! Ganz besonders gereicht das einem jungen Menschen zur Zierde! Wenn das Personen nach vorheriger Verständigung tun, die zusammen gehören und sich gut kennen, dann mag es — vielleicht — hingehen. An der Gasthaustafel kennt man sich nicht und muß sich befleißigen, Unarten abzutun, will man nicht als unerzogen gelten. Und für unerzogen hält man einen Tischgast, wenn er aus Brotteig Figuren und Kugeln knetet, auch wenn er in dieser Kunst ein Meister ist. Zweifellos ist es auch sehr appetitlich,[S. 107] wenn man an der Tafel den Taschenkamm herauszieht und sich Bart- und Haupthaar kämmt oder mit der Bürste striegelt! Man war ja struppig! Und so konnte man nicht am Tisch sitzen! Gewiß nicht, aber die Tafel ist keine Frisierstube. Auch kein Fechtsaal! Die schöne Pose des Fechters kommt auch gar nicht heraus, wenn man mit dem Messer ißt, wohl aber kann man damit unangenehmen Spott herausfordern! So ging es einmal einem Onkel! Der konnte es auch nicht lassen, die gefährliche Prozedur vorzunehmen, mit der scharfen Messerklinge zu essen. Das bemerkte Freund „Dampramang“. Er erbot sich urplötzlich, einen Witz zum besten zu geben: Kommerzienrat X, ein echter Emporkömmling, ist zu irgend einer großen Fête geladen! Der Diener kommt eben dazu, wie der Kommerzienrat, der sich unbeobachtet glaubt, prüfend über des Messers Schneide fährt! Er sieht den Diener und bemerkt: „Heute sind sie nicht scharf, erfreulicherweise, neulich hatte ich mir den ganzen Mund zerschnitten“. Selbstverständlich lachten wir alle und unser „Degenschlucker“ trug die Kosten.

Fisch ißt man nicht mit dem Messer, es sei denn, man bekommt ein Fischmesser zum Besteck. Das gewöhnliche Tischmesser beeinträchtigt den Geschmack des Fisches. Man säubert ihn nur mit der Gabel in der rechten und einem Brötchen in der linken Hand von den Gräten und ißt dann auch, die Gabel rechts, das Brötchen links. Wo man Knödel genießt, schneidet man sie ebensowenig, wie man die Kartoffeln schneidet. Die Knödel reißt man, die Kartoffeln zerdrückt man.

Wenn ich dann noch darauf verweise, daß man bei Tisch vortreffliche Gelegenheit hat, seine schönen Zähne bewundern zu lassen, indem man mit dem Zahnstocher[S. 108] im Mund herumfährt und der Zunge dann die Arbeit läßt, die der Zahnstocher nicht ganz verrichten konnte, wenn ich die Aufmerksamkeit verehrter Tischgenossen noch auf das ungewöhnliche, aber stimmungsvolle Konzert lenke, das durch Schlürfen der Suppe, Klappern der Löffel am Teller und das weihevolle Schmatzen aufgeführt wird, so glaube ich mit den Tafelungezogenheiten fertig zu sein.

Ein Abend auf der Reise.

Verbringen wir nun noch einen Abend auf der Reise! Wer stets mit dem Schreiben recht vieler Kommissionen den Abend auszufüllen vermag, braucht diesen Abschnitt nicht zu lesen. Wer aber mit den Kommissionen fertig ist und noch ein Stündchen oder zwei angenehm verbringen möchte, der folge mir! Nicht in das Gastzimmer! Das ist leider vielfach nur ein Aufenthalt für Skat- und Billardspieler! Im Gastzimmer sitzen und lesen, heißt trinken müssen! Ein Schachspiel findet sich wohl vor, Schachspieler sind aber nicht so zahlreich anzufinden wie die Karten- und Billardkünstler. Aber dieses Trinkenmüssen! Gewiß, kein Wirt verlangt wohl, daß seine Reisenden trinken! Wenn man aber seinen Tee, sein Bier, seinen Wein eben ausgetrunken hat, und der diensteifrige Kellner erscheint, dann liegt darin ein Zwang. Dabei gibt es wenig wirklich anheimelnde Gastzimmer! Schlechte Bilder, unechte Kunstgegenstände, imitierte Wandbekleidung und staubig gewordene Portièren machen einen Raum nicht gemütlich.

Der Abend kann besser verbracht werden! Jede mittlere Stadt hat heute ein Theater! Gewiß sind infolge der mangelnden Bühnentechnik nicht alle Stücke gleich[S. 109] genießbar. Einen Schwank oder ein modernes Schauspiel kann aber auch eine kleine Bühne ausstatten. Wo es am Theater mangelt, findet man sicher Gelegenheit, ein gutes Konzert zu hören. Hat man Verbindung und muß man vielleicht ein Stück die Eisenbahn benutzen, um zu derartigen Genüssen zu kommen, dann wende man die paar Groschen an, sie bringen reichliche Zinsen. Sind keine Theatervorstellungen zu haben, wird kein Konzert gegeben, so kann man sicher irgend einem Vortrag beiwohnen. Besonders in Großstädten löst ein Vortrag den anderen ab; die verschiedensten Wünsche finden reichlich Berücksichtigung. Reißen aber alle Stricke, dann vertreibt, wie schon gesagt, ein gutes Buch die Langeweile, es pflegt auch ein guter Zimmergenosse zu sein.

Ein Wort noch über die Zweckmäßigkeit, im Hospiz, im sogenannten „Hotel garni“ oder privat zu wohnen. Fast alle Hospize sind mehr auf den Familienaufenthalt zugeschnitten, für den Geschäftsreisenden jedoch weniger eingerichtet. Nur wer keine Muster mit sich führt, darf im Hospiz wohnen; er wird dort manches finden, was ihm das Gasthaus nicht zu bieten vermag. Im Privatlogis zu wohnen, wird nur wenigen Reisenden bestimmter Branchen möglich sein. Es ist für sie Voraussetzung, daß sie ebenfalls keine oder nur wenig Muster mit sich führen, es ist weitere Voraussetzung, daß sie länger an einem Platz zu tun haben.

[S. 110]

Bei der Kundschaft.

Wollen Sie mir glauben, daß es Reisende gibt, für die eine große Schwierigkeit darin besteht, daß sie nicht zur Kundschaft kommen können? Merkwürdig, meint der Leser, sei das denn doch in unserem Zeitalter, das im Zeichen des Verkehrs steht. Ich denke auch gar nicht an verschneite Wege oder unwirtliche Gegenden! Ich denke an die Mittelstadt, die Großstadt, wo es an Verkehrswegen doch nicht mangelt. Es geht manchem Reisenden wie dem Bühnenkünstler: er bekommt

Lampenfieber.

Ist das überwunden, hat er gesiegt, dann kann er seine Kräfte frei entfalten. Aber das Lampenfieber des Reisenden kehrt wieder, das ist das Schlimme.

Der Künstler scheut sich vor den vielen Menschen, die ihn anstarren, den Reisenden machen große Spiegelscheiben und luxuriös eingerichtete Geschäftsräume oft befangen. Ich will es gleich verraten, daß ich auch Lampenfieber hatte, damals, als ich detail reiste, und auch später noch. Später mußte ich mehrmals einen Anlauf nehmen, ehe ich mich in ein gut ausgestattetes Geschäft hineintraute; und früher waren hohe Beamte, Gutsbesitzer und Fabrikanten in ihrer Häuslichkeit vor mir so ziemlich sicher.

Das Lampenfieber kann man sich nur abgewöhnen, wenn man unter seinem Einfluß einmal Geschäfte sich[S. 111] entgehen lassen mußte, oder wenn man Manns genug ist, wenigstens einigemale sich selber zu besiegen. Dann zeigt sich, daß gerade die Kunden die umgänglichsten sind, die vorher so gemieden wurden. Die Erklärung dafür liegt sozusagen auf der Hand. Wer sich heute noch mit kleinen Schaufenstern plagt, hat entweder kein Geld, mit den Ansprüchen fortzuschreiten, oder es fehlt der Raum, oder aber, es handelt sich um einen unmodernen Geschäftsmann. Na, und hat der Kaufmann kein Geld, ist er dem Reisenden als Geschäftsfreund nicht willkommen. Ist aber der Kaufmann gar zu konservativ, zu anhänglich am Alten, dann ist ihm ein Reisender eines neuen Hauses nicht willkommen. Große Schaufenster deuten darauf hin, daß der Kaufmann Wert darauf legt, seiner Kundschaft seine Leistungsfähigkeit im schönsten Licht zu zeigen. Der Kaufmann will verkaufen! Er will seine Konkurrenten überflügeln, das kann er nur, wenn er leistungsfähige Lieferanten hat und deren Leistungsfähigkeit benutzt. Solch ein moderner Kaufmann ist viel leichter dafür zu interessieren, sich die Muster anzusehen, als der alte rückständige.

Ja, das Lampenfieber! Manchmal ist sich der Reisende gar nicht klar darüber, daß er es hat. Gewöhnlich äußert es sich so: Man geht zur Kundschaft! Richtig dort, wo die blendende Sonne große Schaufenster erleuchtet, da wohnt „Er“. Warum soll man sich nicht erst eine Zigarette anbrennen? Oder eine Zigarre? Warum sie nicht zu Ende rauchen. Etwas essen könnte man auch, vielleicht auch einen Schoppen trinken! Und dann ist die Zeit zu knapp, ja es ist schon Abend geworden! Also morgen, da ist auch ein Tag. — So bekommt man keine Kommissionen. Richtig, am anderen Tag drängt das[S. 112] Gewissen. Gut, wenn es so drängt, daß jetzt der Reisende nicht wieder scheut. Manchmal aber kommt mit dem Gewissen eine andere Stimme zu Wort, die raunt dann dem Lampenfieberkranken zu, daß dort doch nichts zu verkaufen sei, schade um die Zeit, lieber weiter, in eine andere Stadt. Kommt man aber mit eintägiger Verspätung — dann hat der Kunde, will es der Zufall, gekauft. Mir ging es einmal so: Ich kam nach B. Ich hatte dort keinen Kunden, ein Geschäft kam für mich nur in Frage. Ich ging auch immer darum herum! Solange das Licht brannte, traute ich mich nicht in den Laden! Am anderen Morgen sahen die Scheiben nüchterner aus. Da ging ich hinein, klopfenden Herzens. Der Kunde hatte gekauft, bei meinem Haus gekauft; am Abend vorher war die Bestellung weggegangen. Der Kunde hatte Muster bestellt, man hatte eine kleine Auswahl geschickt und darauf verwiesen, daß ich kommen würde. Ich war also erwartet worden, und da ich ausblieb, blieb die Kommission aus. Als ich zur Post kam, fand ich eine Karte, die mir nachgeschickt worden war und die die besondere Aufforderung für mich enthielt, zu jenem Kunden zu gehen. Das hat mir damals einen Ruck gegeben, ich habe mich später ohne weiteres mit den Schaufenstern abgefunden.

Aehnlich geht es dem Reisenden mit großen Geschäftshäusern als Kunden. Waren- und Kaufhäusern! Und doch ist dort das Geschäft fast formlos, es entwickelt sich oft ohne Zutun des Reisenden. Diese Geschäfte haben ihre Einkaufstage, sie nehmen, wenn auch durch einen Angestellten, alle Offerten entgegen und bescheiden dann später, wenn ein Auftrag in Aussicht steht.

Der Reisende gehe im allgemeinen früh zur Kundschaft. Morgenstund hat gerade für ihn Gold im Mund.[S. 113] Gerade in besseren Geschäften drängt sich an Nachmittagen der Kundenverkehr zusammen. Diese üble Angewohnheit der Kundschaft macht ohnedies manchen Prinzipal nervös, besonders wenn sein Personal unselbständig ist. In solchen Fällen ist der Reisende ein ungelegener Gast, den man lieber gehen wie kommen sieht. Besuche zur rechten Zeit zu machen, kann nur empfohlen werden. Im allgemeinen kommt außer den Mittagsstunden die Zeit von neun bis drei, höchstens vier Uhr in Betracht. Wer eingeführt ist, wer von seiner Kundschaft eine Gefälligkeit erwarten darf, der kann auch, ohne sich zu schaden, später kommen.

Ein Kundenbesuch.

Wie soll nun der Besuch selbst gemacht werden? Wer kleine Muster hat, löst schnell die Aufgabe. Er nimmt unbesorgt seinen Verdrußkasten an die Hand und bietet seine Waren an. Schwieriger hat es der Reisende mit großen Koffern. Er kann sie natürlich nicht mitnehmen und er hat eine Schwierigkeit mehr zu überwinden, als sein Kollege, der sofort seine Muster bei der Hand hat. Noch schlimmer ist ein Reisender daran, der ausstellen muß. Seine Kollegen brauchen ja nur den Kunden zu bewegen, sich die Muster anzusehen. Der Käufer ist da, die Muster auch, es gibt für den Kunden keinerlei Unbequemlichkeit. Stellt ein Reisender aus, so muß er doppelt arbeiten; nämlich den Kunden überzeugen, daß er die Muster ansehen muß, wenn er nicht sich selbst durch die Unterlassung schädigen will; er muß ihm aber auch noch klar machen, daß er die Unbequemlichkeit auf sich nehmen muß, den Weg in das Gasthaus mitzumachen.

[S. 114]

Handmuster.

Für jeden Reisenden, gleichviel ob er nun kleine oder große Koffer hat oder ausstellen muß, empfiehlt es sich, Handmuster mitzunehmen. Natürlich Handmuster, die wieder jeweils nach dem voraussichtlichen Bedarf und dem Geschmack der Kundschaft auszuwählen sind. Handmuster, die aber den Beweis spielend erbringen müssen, daß die Ware preiswert, der Kauf vorteilhaft für den Kunden selbst ist. Ist dieser Nachweis gelungen, oder kommt der Reisende auch nur dazu, ihn führen zu dürfen, dann ist der Sieg schon halb da. Um den Beweis zu führen, wird der Reisende auf seine anderen ähnlichen, oder im besonderen Fall geeigneteren Muster hinweisen, und hat er den Koffer dabei, auch gar nicht zögern, ihn sofort zu öffnen. Deshalb wies ich bereits im Abschnitt Ausrüstung darauf hin, daß Koffer leicht zu öffnen und wohlgeordnet gepackt sein müssen; denn ist der Reisende soweit, daß er Muster zeigen darf, dann verdirbt er sich möglicherweise alles, wenn er die richtigen nicht sofort findet.

Die Handmuster sind die Lockartikel des Reisenden. Wenn ein Warenhaus bekannte Qualitäten irgend einer Ware zu einem gesucht billigen Preis in das Schaufenster legt, dann weiß es ganz genau, daß die Kundschaft von der augenfälligen Preiswürdigkeit dieser Waren auf die Preiswürdigkeit auch der anderen Waren schließt. Bestimmt wird aber der Wunsch geweckt, die so ausgesucht billigen und vorteilhaften Schaufensterwaren selbst zu kaufen. So ist es auch mit den Handmustern. Kann man einen Kunden, der ja immer bei Neueinführungen das Vorurteil haben wird, daß der Reisende auch nichts Besonderes bringt, schwankend machen, so ist viel, wenn nicht alles gewonnen.

[S. 115]

Manchmal gelingt es aber auch nicht, einen Kunden zu bewegen, sich auch nur die Handmuster anzusehen. Das gibt dann fast immer eine „Pleite“. Aber auch dann nicht den Mut verlieren. Kann man nicht die Muster zeigen, dann ist der Grund gewiß der, daß der Kaufmann gegenwärtig nichts kaufen will. Vielleicht braucht er für später etwas. Vielleicht kommt es zu einer brieflichen Bestellung. Auf solche Selbsttröstungen des Reisenden schnappt der Kunde ein! Natürlich, das ist der Ausweg, den Reisenden los zu werden. Vielleicht auch nicht! Die Preisliste darf der Reisende immer da lassen. Er sucht sie in der Brieftasche — er findet sie nicht! Er hat also versäumt, sie sich aus dem Koffer zu nehmen. Nun, der Schaden ist leicht behoben, der Koffer schnell geöffnet! Deshalb habe ich empfohlen, den Koffer nicht nur praktisch, sondern auch geschmackvoll, reizvoll zu packen! Die Preisliste versucht man zu besprechen; um sich verständlicher zu machen, zieht man ein Muster aus dem Koffer heran! Vielleicht ...!

Ich habe immer bei meinen Besuchen den Zweck, zu verkaufen im Auge gehabt. Ich habe auch immer gefunden, daß es dem modernen Kaufmann viel lieber ist, wenn man ihm klar und bündig sagt, was man will! Tageszeitungen liest heute jeder Gebildete, Tagesneuigkeiten von mir als Reisenden wirken vielfach wie die stereotypen Phrasen der Barbierstube! Sie dürfen höchstens ein Hilfsmittel sein, den Kunden von einem Gegenstand abzulenken, um ihn auf Umwegen wieder dahin zu führen, wo man ihn hin haben will. Freilich muß dabei der Reisende berücksichtigen, mit wem er es zu tun hat. Der Besitzer eines großen Kaufhauses will anders behandelt sein, als ein mittlerer Kaufmann, ein Handwerksmeister wieder anders.

[S. 116]

Ebenso kommt es darauf an, wo man Kundschaft besucht.

Die nationalen Eigenarten

spielen eine nicht geringe Rolle bei dieser Beurteilung. Geschäftsleute, die regelmäßig Kaffeehäuser aufsuchen, werden einem anderen als geschäftlichen Gespräch mehr zugetan sein, als Kaufleute, die morgens die Ersten und abends die Letzten im Geschäft sind. Wer geht in das Kaffeehaus? Nun, wer gemütlich durch das Leben wandert! Der Wiener, der Oesterreicher überhaupt und auch der wesensverwandte Bayer, der Elsässer, der Lothringer. Weniger trifft man den Sachsen im Kaffeehaus, noch weniger den Nord- und Niederdeutschen. Reisende aus Großstädten dürfen ebenfalls einen Pflock zurückstecken, wenn sie nach der Kleinstadt, besonders nach dem Osten kommen. Herr Meyer in Gollup weiß wirklich gern, was in Berlin los ist! Wie weit der Reisende zu gehen hat, ist eine Frage des Taktes; Belehrungen kann es hier nicht geben.

Ist ein Reisender befreundet — auch nur geschäftlich befreundet —, dann kann es nicht schaden, wenn er sich nach dem Wohlbefinden der Familie erkundigt. Freundlichkeit gegen Kinder des Kunden macht sich oft recht gut bezahlt, besonders dort, wo die Frau mit im Geschäft tätig ist oder doch einen Einfluß darauf hat. Eine Freude, die man den Kindern macht, wiegt oft schwerer, als eine andere, der Hausfrau zugedachte. Im allgemeinen aber — ich sagte das schon eingangs — ist die Freundschaft durchaus kein Mittel, den Umsatz zu heben. Besonders muß auch hier beachtet werden, wo und wem man Freundschaft erweist. Bringt man den Kindern, besonders wenn sie den Onkel Reisenden schon kennen,[S. 117] auf dem Lande oder in der Klein- und schließlich auch noch in der Mittelstadt eine Bonbonière mit, macht man Freude, tut man das Gleiche in größeren Geschäften, oder wenn man nicht mit den Kindern bekannt ist, wirkt man aufdringlich! Und Aufdringlichkeit ist eine schlechte Empfehlung. Wenn ein Kunde einmal den Eindruck hat, durch die Aufdringlichkeit eines Reisenden hineingelegt worden zu sein, dann wird er gewiß nicht zum zweitenmal hineingelegt werden. Geht ein Reisender aus einem Geschäft, soll der Kunde nicht einen Alpdruck los geworden sein! Der Besuch des Reisenden darf ihm höchstens gleichgültig, besser aber, muß ihm angenehm sein. Da heißt es denn

Reiseunarten

vermeiden. Da sehe ich einen Reisenden vor mir. Nicht Onkel Dampramang, der war nur lustig und fröhlich! Nein, der Onkel heißt anders! Er legt dem Kunden, dem das ersichtlich unangenehm ist, plump vertraulich die Hand auf die Schulter und weiß sich nicht genug zu tun, ihm einen Witz — manchmal auch eine Zote — so recht brühwarm zu erzählen. So ein Witzbold sollte nur manchmal wissen, wie er mit samt seinen Zoten eingeschätzt wird. Gewiß lacht der Kunde, er hat ja mehr Takt als der geschwätzige Erzähler. Aber wenn dieser dann gegangen ist, dann reibt der Erlöste unwillkürlich die Hände sauber. Zum Witzerzählen gehört sehr großes Geschick. Der Witz, der dem Einen wohlgelingt, setzt einen Anderen im Ansehen sehr herab.

Da ist ein anderer Typus. Der Aufdringliche. „Ich brauche wirklich nichts, ich habe gekauft, ich habe meine festen Verbindungen! Ich will Sie nicht los werden, wenn ich das sage! Ich nehme aber an, daß Ihre Zeit[S. 118] Geld ist, wie die meine!“ So sagt der Kunde! Der Reisende merkt nichts! Er dienert herum und versichert immer wieder, daß er doch nicht früher fahren kann, als sein Zug geht, daß er sich wirklich eine Freude mache, die Muster zu zeigen, auch wenn der Kunde nichts brauche. Der Reisende lügt; der Kunde muß es merken, wenn er Kaufmann ist. Der Reisende will verkaufen, muß verkaufen. Auch wenn sein Zug noch nicht fährt. Es führen mehr Wege nach Rom, braucht der eine Kunde nichts, was hindert den Reisenden, einen anderen zu besuchen? Manchmal aber gelingt es. Der Aufdringliche verkauft etwas, vielleicht ist die Bestellung aber dann schon aufgehoben, ehe sie überhaupt beim Hause ankommt. Und ist das nicht der Fall, dann sieht der Reisende, wenn er wiederkommt, bestenfalls noch die Rockschöße des eben verschwindenden Kunden. Sich hat er nichts genützt, seinen Berufsgenossen noch viel weniger. Ein Kaufmann, der mit solchen wenig schätzbaren Elementen zu tun hatte, überträgt tagelang seine Abneigung gegen Reisende auch auf die anständigen Angehörigen der Reisezunft.

Sehr viel Aehnlichkeit mit dem Aufdringlichen hat der Kriecher! Ich war einmal als Kunde Zeuge einer solchen unwürdigen Kriecherei.

Ein Reisender kam zu meinem Lieferanten, der wohl dafür bekannt war, daß er immer gern mäkelte, wenn Reisende zu ihm kamen, von denen er schon gekauft hatte. Die Absicht war ja klar. Hatte der Reisende alle möglichen Litaneien über verspätete und zu knappe Lieferung mit anhören müssen, dann schwand ihm sicher die Hoffnung, ein Geschäft zu machen. Hat ein Reisender Charakter — er muß sich natürlich auch auf die Pünktlichkeit[S. 119] und Zuverlässigkeit seines Hauses verlassen können —, dann wird er ganz ruhig erklären, daß ein Irrtum oder eine Verwechselung mit einem anderen Hause vorliegen müsse. Wird spätere Lieferung gerügt, kann sich der Reisende selbst aus seinem Kontoauszug überzeugen, ob die Klage berechtigt ist. Handelt es sich um mangelhafte Lieferung, dann lasse er sich zeigen, wo der Mangel lag — um ihn abstellen zu können natürlich! Dann werden sich bald Irrtümer herausstellen und die Mängelanzeigen an Berechtigung verlieren. Der Reisende aber, von dem ich sprach, beging gleich zwei Fehler. Er gab, ohne geprüft zu haben, die Möglichkeit der Berechtigung der Beschwerden zu! Nur bat er, ihm doch nicht entgelten zu lassen, wenn seine Firma einmal gefehlt habe. Es solle gewiß nicht wieder vorkommen, nur möchte man ihm das Wohlwollen erhalten. Die Geschäfte gingen so schlecht, die letzten Tage hätten gar kein Geschäft gebracht, er habe so bestimmt auf einen Auftrag gerechnet, und nun werde ihm die schwere Enttäuschung! Da war der Reisende, wo man ihn haben wollte. Schlechte Geschäfte! Ein Reisender sollte nie über schlechte Geschäfte klagen. Wir Menschen sind alle mehr oder weniger von oft kleinen und unbedeutenden äußeren Eindrücken abhängig. In einer Zeit, wo die Klage über schlechte Geschäfte zum eisernen Bestand jeder geschäftlichen Unterhaltung gehört, darf nicht auch noch der Reisende in das gleiche Horn tuten. Er nimmt seinem Kunden die Zuversicht, er nimmt ihm den Glauben, die Hoffnung auf Besserung vielleicht von ihm selbst als drückend empfundener Zustände. Aus Mitleid kauft niemand! Das Mitleid wird nur ausgenutzt, wenn es wirklich zum Kaufe kommt.

Endlich, endlich ließ sich mein Lieferant breit schlagen[S. 120] und sah die Muster an. Immer geneigt, zu erklären, das weitere Ansehen habe keinen Zweck. Die Muster seien veraltet, die Qualität nicht gut, der Preis zu teuer. Natürlich! Viel zu teuer! Bei den schlechten Geschäften kann man doch nicht solche Preise zahlen! Nein, da kauft man bei XX doch viel billiger. Es hat gar keinen Zweck, weiter zu verhandeln, aus dem Geschäft wird doch nichts.

Da war nun die Hoffnung aufgestiegen, doch etwas verkaufen zu können, und nun der Sturz aus allen sieben Himmeln. Das gibt dann ein Geschäft um jeden Preis. Der Reisende hat keinen Nutzen, sein Haus hat keinen, und schließlich wird der gedrückte Preis auf eine Art wett gemacht, die nur zu neuen — und dann berechtigten — Beschwerden führen muß.

Eine andere Reiseunart bringt den Reisenden um seinen Ruf, sie kann ihn auch mit dem Wettbewerbsgesetz in Berührung bringen. „Ich kaufe bei XX und werde dort gut bedient!“ Was? Bei XX? In der Knochenmühle? Wie können Sie da kaufen? Der Mann ist ja nicht im geringsten leistungsfähig! Ich habe sogar gehört, daß es sehr schlecht mit ihm stehen soll. Der hat so und so viel Arbeiter, wir haben die dreifache Zahl. Nein, mit dem zu konkurrieren, das ist wirklich keine Kunst. — Niemals so auf die Konkurrenz schimpfen! Es kommt nichts dabei heraus, wirklich nichts! Erfährt es der Herabgesetzte, Angeschwärzte, dann steckt er gewiß Unverdientes nicht gutmütig ein! Der Kunde aber hat sich ein Urteil gebildet, das dem Reisenden ganz gewiß nicht günstig ist. Das Herabsetzen der Konkurrenz, die eben vom Kunden gelobt wurde, heißt diesen beleidigen. Es ist eine Beleidigung für einen Kaufmann, wenn man ihm sagt, daß er nichts versteht. Das sagt[S. 121] man ihm aber, wenn man einen Lieferanten, von dem er gut bedient zu werden glaubt, als leistungsunfähig darstellt. Muß man mit bestimmten Firmen konkurrieren, dann beweise man, daß man es kann, indem man die Vorzüge der eigenen Ware klar legt. Man lasse sich jedenfalls erst die Preise und die Qualitäten zeigen. Kann man wirklich konkurrieren, dann wird es, wenn man tüchtige Warenkenntnisse hat, nicht schwer fallen, den Beweis für die höhere Leistungsfähigkeit seines Hauses zu liefern. Dann hinterläßt man keinen üblen Eindruck, darf vielmehr sicher sein, dem Kaufmann auch in seinen Augen eine Gefälligkeit erwiesen zu haben.

Einkäufe bei der Kundschaft.

Ob man bei der Kundschaft Einkäufe machen soll, hängt sehr von der Branche ab, und von dem, was man einkauft. Einen Gegenstand, den man augenscheinlich gut braucht, kann man immer kaufen. Dahin gehören Krawatten, seidene Tücher, Handschuhe, Reise-Andenken, Zigarren, kurzum Dinge des täglichen Bedarfes. Andere Gegenstände zu kaufen rate ich ab. Der Kunde merkt die Absicht und wird verstimmt. Nicht viel anders ist es mit dem Freihalten der Kundschaft oder des Personals bestellt. Es gibt Branchen, in denen sich das Freihalten so eingebürgert hat, daß es trotz aller offensichtlich klaren Nachteile nicht auszurotten ist. Das Freihalten der Kundschaft ist besonders eingebürgert im Geschäftsverkehr mit Gastwirten; im Osten Deutschlands rechnen auch die Destillateure dazu. Ein vernünftiger Kunde wird sich sagen, daß er bei kleinen Artikeln, bei wenig summierenden Aufträgen bestimmt seine Zeche wieder mit bezahlen muß! Wirklich freigebig ist kein[S. 122] Reisender, kann kein Reisender sein. Freihalten der Kundschaft ist immer ein Mittel zum Zweck. Beim Verkauf großer Gegenstände oder bei der Erledigung größerer Aufträge ist das schon etwas anderes, erst recht dann, wenn ein Reisender ausstellt.

Takt ist aber auch hier in jedem Fall erforderlich. Eine Erfrischung, zur rechten Zeit angeboten, stellt immer eine wohltuend empfundene Aufmerksamkeit dar! Darüber hinaus wird leicht das Gegenteil von dem erreicht, was erreicht werden soll. Viel besser wird dem Reisenden gedient sein, wenn es ihm gelingt, eine Einladung zu erhalten, mit seinem Kunden ein Theater, ein Konzert oder eine ähnliche Veranstaltung aufzusuchen. Eine vom Kunden dem Reisenden dargebotene Zigarre ist immer mehr wert, als zehn vom Reisenden dem Kunden überreichte Glimmstengel.

Von der Freihaltung des Personals sieht man am besten stets ab. Es haftet dem immer so etwas wie versuchte Bestechung an. Wir werden später sehen, wie man sich mit dem Personal gut stellen kann.

Allerlei Ausreden.

Der Reisende muß sich beim Besuch seiner Kundschaft von vornherein auf allerlei Ausreden gefaßt machen. Es ist gut für ihn, wenn er sie kennt.

Herr Walter geht auf Entdeckungstour! Dann hat er es gewiß nicht leicht! Er muß andere verdrängen, er muß sich in die entstandene Lücke schieben! Das erfordert viel Klugheit. Herr Walter kommt zum ersten Kunden! „Kann ich den Herrn Chef sprechen?“, fragt er den bedienenden Verkäufer. „Bedauere sehr“, erhält er[S. 123] zur Antwort, „der Chef ist nicht da, beschäftigt, verreist oder sonst wo unabkömmlich!“ Herr Walter hat gleich zwei Fehler auf einmal gemacht. Warum frug er: „Kann ich den Herrn Chef sprechen?“ Warum frug er überhaupt? Daß er nach dem „Chef“ frug, zeigte dem Handlungsgehilfen sofort, daß er es mit einem Neuling zu tun hatte! Er hatte gewiß keinen Auftrag, dem Reisenden die unwahre Auskunft zu geben, er kann aber sicher sein, daß es sein Chef in neun von zehn Fällen ihm dankt, wenn er ihn vor dem Reisenden bewahrte. Der andere Gedanke, daß er, der Chef, ja mitverantwortlich, mitschuldig an der falschen Auskunft ist, der kommt ihm selten. Warum frug aber Herr Walter überhaupt? Kam er denn wirklich in das Geschäft, um zu wissen, ob er den Chef sprechen konnte? Dazu wurde er doch nicht auf die Reise geschickt! Er soll doch vielmehr verkaufen! Zu dem Zweck muß er aber den Chef sprechen. Wenn Herr Walter aus seinen Fehlern lernte, dann wird er bei der nächsten Gelegenheit sagen: „Ich wünsche Herrn Müller zu sprechen!“ Das ist etwas ganz anderes. Dieser Wunsch wirkt bei den Angestellten in ganz anderer Form. Die Form des Wunsches beweist ihm bereits, daß der Mann Herrn Müller kennt! Daß er ihn zu sprechen wünscht, macht mindestens den Gehilfen zweifelhaft, ob er unter diesen Umständen den Prinzipal verleugnen darf! — Aber wir wollen erst noch einmal zu den Fehlern des Herrn Walter zurückkehren, ehe wir ihn weiter auf seinem erfolgreicheren Wege folgen! Der Chef war also nicht da! „Kann ich etwas ausrichten, darf ich etwas bestellen?“, so frug zuvorkommend der Handlungsgehilfe. „Nein“, sagte Herr Walter, „aber geben Sie bitte meine Karte ab und sagen Sie Ihrem Chef, ich würde mir erlauben, in[S. 124] zwei Stunden noch einmal vorzusprechen“. Und damit gab Herr Walter seine Geschäftskarte ab! Aber Herr Walter! — — Was mag sich wohl innerhalb dieser zwei Stunden abspielen? — Der Chef kam, er hatte vielleicht gar den Reisenden gesehen und im Hintergrund die Entwickelung der Dinge abgewartet. „Was wollte der Herr?“ ... „Ach, es war ein Reisender von Gebrüder Hohendorf! Ich wollte Sie nicht stören und habe ihm gesagt, daß Sie abwesend wären. Er hat seine Karte hier gelassen.“ Da nahm der Chef die Karte — er sah sie auch an — aber er sagte: „Von den Artikeln brauchen wir doch nichts! Wenn der Mann wieder kommt, so sagen Sie ihm, ich sei zurückgekehrt, aber wieder weggegangen, ich hätte Sie aber ersucht, ihm zu sagen, daß ich nichts gebrauche“.

Herr Walter kam wieder! „Kann ich jetzt den Herrn Chef sprechen?“ „Bedaure sehr, der Chef mußte in dringender Angelegenheit noch einmal ausgehen, er läßt Ihnen aber sagen, daß er gegenwärtig gar keinen Bedarf hat!“ Lacht nicht die Schadenfreude ein wenig aus den Augen des Angestellten? Es gibt leider Gehilfen, sie wollen vielleicht auch gern einmal Reisender werden, die suchen etwas darin, Reisende „abzuwimmeln“, wie der fachmännische Ausdruck lautet! Und Reisende wie Herr Walter ermöglichen das nur allzuleicht. Schadenfreude soll ja die reinste Freude sein. So hat Herr Walter den Schaden und braucht für den Spott nicht zu sorgen.

Gehen wir nun mit Herrn Walter zum neuen Kunden, wo er es geschickter anfing! „Ich wünsche Herrn Müller zu sprechen“, so hatte er dort erklärt. Nehmen wir nun an, daß auch hier der Angestellte den Chef verleugnete,[S. 125] weil er doch in Herrn Walter den Reisenden erkannte. Was ist dann zu tun?

Ich würde in solchen Situationen ruhig sagen: „Ich bin bestellt, wollen Sie mir sagen, wann Herr Müller zurückkommt!“ Wird der Angestellte nun unsicher, will er vielleicht einmal sehen, ob der Chef doch da oder schon wiedergekommen ist, dann hat Herr Walter halb gewonnen. Er braucht nicht bange zu sein, wegen seiner Notlüge in Verlegenheit zu geraten. Mir ging es einmal so! Der Angestellte sah nach, ob der Chef da war, und er war da! Er mußte wohl gesagt haben, daß ein Reisender da sei, der bestellt wäre! So kam der Chef! Ich trug ihm mein Anliegen vor! „Aber, wie können Sie sagen, Sie seien bestellt?“ lautete die nicht gerade höfliche Gegenfrage. Ich war mir bewußt, daß ich jetzt über Erfolg oder Mißerfolg zu entscheiden hatte. „Ich will Ihnen das ganz offen sagen“, war meine Antwort, „ich war der Ueberzeugung, daß Sie von Ihrem Angestellten verleugnet würden. Ich war weiter der Ueberzeugung, daß Sie gewiß nicht in Ihrem Einverständnis verleugnet wurden! Da habe ich die Ausrede gebraucht! Ich habe mir gesagt, daß Sie Geschäftsmann genug sind, um zu wissen, daß wir Reisenden hinausgeschickt werden, um zu verkaufen. Brauchen Sie nichts, oder sagt Ihnen meine Ware nicht zu, dann muß ich das bedauern, aber ich kann es nicht ändern. Ich werde das aber überwinden! Ihnen glaubte ich es jedoch schuldig zu sein, so vorzugehen, wie ich vorgegangen bin.“ War es das ungewöhnliche meines Vorgehens, waren wirklich meine Waren preiswert — ich machte mein Geschäft.

Der Angestellte hätte mit Herrn Walter aber auch anders vorgehen können! Er hätte fragen können: „In[S. 126] welcher Angelegenheit wollen Sie Herrn Müller sprechen?“ Soll nun Herr Walter sagen, daß er Ware verkaufen will? Nein! Der Verkäufer kann ihm keine abkaufen! Herr Walter wird deshalb ebenso ruhig erklären können: „In einer besonderen“ oder gar „Privatangelegenheit“. Er kann auch jetzt beruhigt sein! Entweder war der Chef da und er stellt sich nun ein, dann kann Herr Walter ruhig so handeln, wie ich damals handelte! Sich über einen Angestellten beklagen, ist ja schließlich eine persönliche Angelegenheit. War aber der Chef nicht da, dann wird nun sicher der Angestellte sagen, wann er anzutreffen ist. Hält es Herr Walter für richtig, eine Karte dazulassen, dann nur nicht seine Geschäftskarte. Es nützt ihm sonst gar nichts, daß er vielleicht ein großes Geschick hat, einmal im Gespräch mit dem Kunden ihn zum Ansehen der Muster und zum Kaufen zu bewegen. Er sieht dann nämlich — es ist zehn gegen eins zu wetten — den Chef auch nicht, wenn er wiederkommt.

Nicht vorzeitig die Karten aufdecken.

Herr Walter wird vielmehr dann eine einfache, kleine Visitenkarte überreichen, auf der nichts weiter steht als:

Hermann Walter
Kaufmann
Grünhainichen.

Bekommt jetzt Herr Müller die Karte, dann weiß er gewiß nichts damit anzufangen. Und die Neugierde darüber, wer wohl Herr Walter sei und was er wolle, wird ihn veranlassen, den Besuch anzunehmen. Dann ist die Stunde der Ernte gekommen.

[S. 127]

Die Anmaßung junger Leute kann man aber auch anders überwinden!

Verbündetes Personal.

Die meisten Handlungsgehilfen gehören einem Verband an und halten große Stücke auf ihn. Alle Verbände haben ihre Abzeichen, und diese pflegen auch getragen zu werden. Trägt ein junger Mann das Zeichen, dann ist ein sehr guter Anknüpfungspunkt gegeben. Mag er dann ruhig auch erklären, daß der Chef nicht da ist, das kleine Zeichen soll ihm wohl die Zunge lösen. Der Reisende muß natürlich wissen, auf welche Verbandszugehörigkeit das Zeichen deutet. Er wird dann ganz beiläufig sagen: „Sie gehören auch zum X-Verband? Hat der denn hier auch einen Zweigverein? Können Sie mir sagen, wo die Sitzungen sind und wann sie sind?“ Sind sie heute, gut, dann stelle man ruhig seinen Besuch in Aussicht! Sind sie morgen, dann bedaure man, nicht teilnehmen zu können! Ein persönliches Band schließt sich um Verkäufer und Reisenden und — unser Freund wird — schon um seinem „Verbandsbruder“ gefällig zu sein, doch noch einmal nachsehen, ob der Chef nicht doch da ist. Ueberhaupt stelle man sich gut mit dem Personal. Auch der letzte Verkäufer hat Einfluß auf den Einkauf, wenn er sein Lager kennt. Kommt man mehrfach, kennt man schon die Firma, dann übergehe man nicht den jungen Mann, wenn Waren bestellt werden. Wenn ein Artikel sich gut verkauft — und der Prinzipal kann nicht alle Artikel ohne weiteres kennen; selbst wenn sein Geschäft gut organisiert ist, so wird er sich auf das Urteil seines Verkäufers verlassen oder ihm doch große Bedeutung zumessen —, dann wird er wieder bestellt, dann[S. 128] ist das Geschäft so gut wie eingeleitet. Ein Artikel wird aber nicht zuletzt deshalb gut verkauft, weil er dem Verkäufer selbst immer in Erinnerung ist und deshalb häufig vorgelegt wird.

Doch wir wollen wieder zu den Ausreden zurückkommen, gegen die der Reisende seinen Kampf zu führen hat. Es ist durchaus nicht lediglich eine Angewohnheit des Angestellten, seinen Chef zu verleugnen, es ist auch schon vorgekommen, daß sich der Chef selbst verleugnete.

Kommt ein Reisender und fragt den anwesenden, aber ihm persönlich unbekannten Chef, ob er den Prinzipal sprechen könne, dann hat er damit ja schon verraten, daß er den Chef nicht kennt. Dann ist es bequem, sich zu verleugnen, mindestens keimt die Versuchung alsdann empor. Warum fragt Herr Walter aber so? Warum begrüßt er nicht einfach in einem Laden, in einem Kontor den Herrn, den man nach seinem eigenen Urteil für den Chef halten könnte, als solchen? Wenn Herr Walter z. B. im Geschäftslokal des Herrn Müller einen Herrn bemerkt hätte, der Prinzipal hätte sein können, dann würde er einfach auf den zugegangen sein und gesagt haben: Guten Tag, Herr Müller, wie geht es Ihnen? Herr Müller, wenn er es selber ist, wird dann ganz gewiß nicht sagen, er sei gar nicht Herr Müller, der sei vielmehr verreist. Und traf es Herr Walter nicht, war es meinetwegen der erste Verkäufer, den er mit „Herr Müller“ anredete, so schadet das nichts. Ganz gewiß ist der erste Verkäufer nicht böse darüber, für den Chef gehalten worden zu sein.

Dabei darf aber der Reisende nicht mit geschlossenen Augen in das Geschäft gehen. Wenn z. B. am großen Firmenschild steht: „H. A. Wolfram“ und auf einem ganz kleinen Emailleschild „Gebr. Kohn“, und Herr Walter[S. 129] redet dann den Herrn, den er für den Chef hält, mit „Herr Wolfram“ an, dann hat er verspielt. Also auf die Inhaberschilder achten.

Eine lehrsame Geschichte!

Doch ich wollte zu Nutz und Frommen meiner Kollegen eine kleine Geschichte erzählen. Ich kam in einer westfälischen Großstadt zu einem Kaufmann. Ich beging damals noch die Unklugheit, nach dem Chef zu fragen! Ich sprach mit dem Inhaber, der sich aber verleugnete. Ich glaube, mich ritt der Teufel, wie man so zu sagen pflegt! Mir war es, als sagte es mir jemand, daß ich den Chef vor mir hätte, als zwänge mich etwas, ihm seine Unwahrhaftigkeit heimzuzahlen. Ich sagte also: „Das tut mir sehr leid! Es ist doch merkwürdig! So oft ich komme, ist der Chef nicht da! Der muß sich doch gar nicht um sein Geschäft bekümmern. Kein Wunder, wenn dann alles tuschelt und alle möglichen Dinge flüstert!“

Der gute Mann hat Blut geschwitzt! Er hätte mich gewiß am liebsten hinausbefördert, aber er sollte noch mehr hören. Ich erzählte ihm, ganz als ob es selbstverständlich wäre, daß jetzt die Unsitte so Platz greife, sich verleugnen zu lassen. Ich schilderte, wie ein solcher Mensch jedes persönlichen Mutes bar sei, und gab ihm auch sonst einige Nüsse zu knacken. Ich war also recht frech und ich will auch keinem „Onkel“ raten, ebenso frech zu sein. Aber die Sache ging noch gut ab und ich bin überzeugt, daß der Mann sich nicht wieder verleugnet. Kommen andere Kollegen einmal in die gleiche Lage, dann sollten sie sich dieser kleinen Geschichte erinnern.

Die herkömmliche Ausrede ist aber die: Ich brauche nichts! „Wat sall einer dorbi dauhn“, würde Fritz Reuter[S. 130] gesagt haben. Ja, will denn der Reisende wissen, ob sein Kunde etwas braucht? Freilich weiß er das nicht, aber er will verkaufen! Da muß er also die Kauflust wecken. Der Reisende, der bei dieser Ausrede des Kunden sofort seine Sache aufgibt, wird nie etwas verkaufen, oder nur bei faulen Zahlern.

Beginnt nun der Reisende: „Ich komme für Meier & Söhne und möchte Ihnen Offerte in Unterhosen machen“, dann legt er ja dem Kunden die Ausrede direkt in den Mund: „Ich brauche nichts!“ Dabei weiß der Kunde noch gar nicht, ob er nicht doch von den Artikeln des Reisenden etwas brauchen kann, denn er kennt dessen Ware nicht oder doch nur ungenau. Also darf sich die Einleitung des Gespräches nicht so gestalten, daß dem Kunden die Ausrede in den Mund gelegt wird, die so bequem ist. Für wen der Reisende kommt, das interessiert den Kunden nur dann, wenn ein neuer Reisender einer alten Firma kommt, oder wenn der Reisende ein Haus von sehr gutem Ruf vertritt.

Wie man Geschäfte macht!

Wer Entdeckungstouren macht für mittlere — oder doch nicht bekannte — Häuser, darf sich nur vor Augen führen, daß er Ware verkaufen soll und daß die Ware gefallen muß. Der Reisende wird also am besten meine Winke mit den Handmustern befolgen und dem Kunden vielleicht so kommen: Ich interessiere mich für die Einführung dieser praktischen — oder billigen — oder luxuriösen Neuheit! Haben Sie die Güte, sich das einmal anzusehen! Auf diese Weise hat er schon die Geschäftsverhandlungen angeknüpft, ehe der Kunde sein „Ich brauche nichts“ heraus hat. Ein mir bekannter Reisender[S. 131] führte Neuheiten so ein (ich teile das mit, obwohl ich weiß, daß sich nicht jeder Kollege dieses oder eines ähnlichen Mittels bedienen kann und obwohl mir das Mittel an sich nicht sonderlich gefällt): Er bat an der Abendtafel uns alle, die wir mit ihm gegessen hatten, anderen Tages ihm einen Gefallen zu tun! Wir möchten doch einmal in einige der ersten Geschäfte gehen und eine bestimmte Zigarette verlangen. Wir würden sie sicher nirgends bekommen, also keine Ausgaben dabei haben. Wir möchten aber sehr erstaunt sein, wenn wir die Marke nicht bekämen, und uns ganz bestimmt keine andere Marke aufdrängen lassen, weil wir gewohnt seien, unsere Marke zu rauchen.

Wir gingen darauf ein; warum sollten sich nicht Reisende auch einmal einen „Jux“ machen und — unser Kollege hatte anderen Tages einige Probeaufträge in der Tasche.

Recht oft hört man die Ausrede: Ich kaufe den Artikel da und da und bin damit zufrieden! Wer dann, wie es leider oft geschieht, die andere Firma angreift und heruntersetzt, ist ein sehr ungeschickter Reisender. Im Gegenteil schadet es gar nichts, wenn man einige anerkennende Worte über die Konkurrenzfirma fallen läßt, vor allen Dingen aber muß jetzt der Reisende versuchen, den Preis zu erfahren, er muß im Augenblick sich darüber klar sein, ob er mit dem anderen Haus konkurrieren und vor allen Dingen, ob er dem Kunden das klar beweisen kann.

Kommen wir nun zum Verkauf! Mancher Reisende kommt zwar dazu, die Muster vorzulegen, kann aber doch keinen Kauf zum Abschluß bringen. Das kommt dann vor, wenn der Augenblick, in dem die Kauflust erwacht,[S. 132] nicht so benutzt wird, daß ein Geschäft zustande kommt. Ist der rechte Augenblick vorbei, dann ist es auch mit dem Geschäft vorbei. Leider kann man hier nicht sagen, wann der Augenblick kommt, und wie er in jedem einzelnen Fall nutzbar verwertet wird. Vielmehr heißt es hier, selbst aufzupassen und dann mit Takt und Geschick vorzugehen. Unter Umständen kann es auch notwendig sein, auf Umwegen zum Ziele zu kommen.

Noch ein paar Worte über

allerlei kleine Schwächen.

Ich sagte schon, daß der Reisende, wenn er glaubt, irgendwo den Chef vor sich zu haben, ihn mit dem Namen begrüßen soll! Nicht fragen: Habe ich die Ehre ....? Das gilt aber auch für die Reisenden, die schon ihre Kunden kennen. Sie werden nicht einfach sagen: Guten Morgen! oder, wie in Oesterreich und zum Teil in Bayern: Hab’ die Ehre!, sie werden vielmehr ihrem Gruß dadurch persönliche Färbung geben, daß sie sagen: Guten Morgen, Herr Meyer! — Es kommt dabei noch auf eine Kleinigkeit mehr an!

Titel und Würden.

Wir haben im kaufmännischen Geschäftsleben Titel ja wenig verbreitet. Aber wir haben Titel! Der Reisende wird einem Kaufmann, der einen Titel hat, diesen auch zukommen lassen, wenn er sich überhaupt zur Anrede eignet. Es wird keinem Reisenden einfallen zu sagen: Herr Handelskammervorsitzer! Keinem in den Sinn kommen zu sagen: Herr Stadtältester! Den Titel „Handelsrichter“ wird er schon gebrauchen können, den Titel „Gemeinderat“ auch, den Titel „Stadtrat“ ganz gewiß, und[S. 133] wenn sein Kunde gar „Kommerzienrat“ ist, natürlich auch dem Rechnung tragen. Wenn der Reisende Damen mit „gnädige Frau“ anreden muß, soll er das Wort „gnädige“ aussprechen. Ich war einmal Zeuge, wie sich eine Dame den Zusatz zu ihrem Namen verbat, weil sie es als Unhöflichkeit auslegte, daß der Herr — es war ein Reisender — sie mit „gnä’ Frau“ anredete.

In Bayern und in Oesterreich gibt es Titel, an die ein Norddeutscher kaum denkt. Lieber dann einmal einen Titel mehr geben, als zu wenig. Der Detailreisende muß natürlich der Titelsucht erst recht gerecht werden. Er kommt mit Kreisen in Berührung, bei denen das Titelwesen ausgeprägter ist, die aber auch größeren Wert auf Titel legen.

Die Höflichkeit

des Reisenden muß eine stets gleichbleibende sein. Kommt es vor — und es kommt vor —, daß einem Kunden gesagt wurde, er möchte sich die Muster doch ansehen, auch wenn er klipp und klar erklärte, nichts zu brauchen, dann darf der Reisende es sich nicht merken lassen, daß er erbittert wurde, weil der Kunde trotz der vorzüglichen Muster und trotz der Redekunst des Reisenden nichts kaufte. Natürlich muß der Reisende auch dann gleichbleibend höflich sein, wenn er statt der großen Kommission nur einen kleinen Auftrag überschreiben kann. Vielfach wird ein kleiner Auftrag nur gegeben, um den Reisenden nicht ganz leer abgehen zu lassen. Kleine Aufträge sind also oft Gefälligkeitsaufträge! Um so mehr muß der Kunde verletzt sein, wenn der Reisende die Gefälligkeit mit unhöflichem Wesen lohnt! Auch dann, wenn es sich nicht um Gefälligkeitsaufträge handelt,[S. 134] vielleicht nur um einen Versuch, muß der Reisende gleichbleibend höflich sein. Vielleicht noch mehr als das! Er wird sicher dann bei seinem Kunden angenehm auffallen. Die Kundschaft wird in der Regel, gibt sie kleine Aufträge, nicht gerade verwöhnt durch große Zuvorkommenheit! Um so mehr wird es ihr auffallen und in der Erinnerung haften, wenn sie sieht, daß es auch andere Reisende gibt.

Urteile, keine Redensarten.

Ein alter Fehler liegt im vielen Reden! Gewiß muß der Reisende den Kunden oftmals führen, seine Kauflust zu den Waren leiten, die der Reisende zwar gern los sein will, von denen er aber auch annehmen darf, daß sie dem Kunden Vorteil bringen. Der Reisende soll sich dabei aber immer gegenwärtig halten, daß viele Menschen immer das wollen, was andere nicht wollen. Sie schwimmen immer gegen den Strom! Ein solcher Kunde muß sehr vorsichtig behandelt werden. Manchmal wird sogar seine Aufmerksamkeit auf Waren gelenkt werden müssen, die das gerade Gegenteil von dem darstellen, was der Kunde kaufen soll. Aber auch bei anderen Kunden ist Vorsicht am Platze; schließlich will niemand gern bevormundet sein. Der Reisende wird deshalb zunächst immer nur die rein sachdienlichen Bemerkungen zu allen Waren machen und nicht von vornherein sich mühen, den Kunden auf einen bestimmten Gegenstand zu bringen.

Erst wenn der Kunde angebissen hat, ist es Zeit, einen Gegenstand aus der Zahl der übrigen herauszuheben. Dabei muß der Reisende noch mehr wie der Verkäufer eines Detailgeschäftes oder der Detailreisende leere Redensarten vermeiden. Wenn der Reisende einen Gegenstand[S. 135] für das „Neueste“ und einen anderen für das „Beste“ erklärt, dann, wenn der Kunde zu anderen Gegenständen greift, das gleiche nichtssagende Lob auch diesen Gegenständen spendet, dann sind seine Worte leere Redensarten; sie haben aufgehört, den Kunden zu leiten und ihm ein fachmännischer Rat zu sein. Leere Redensarten muß nur der Reisende machen, der keine Kenntnis von seinen Waren hat. Wenn sich der Wunsch des Kunden, eine Ware zu kaufen, mit dem des Reisenden deckt, diese Ware zu verkaufen, dann wird der Reisende hervorheben, was nach seiner Meinung die gefallende Ware vorteilhaft für den Kunden macht. Nur so kann er überzeugen, nur so seinem Urteil die Achtung und das Vertrauen des Fachmannes erringen.

Leicht verfallen auch Reisende in das andere Extrem.

Gekränkte Eitelkeit.

Sie haben Warenkenntnis, aber der Kunde nicht. Dann fällt wohl einmal eine Bemerkung, die imstande ist, die Unkenntnis des Kunden zu verraten. Der Reisende wird dann vorsichtig — ohne lehrhaft zu sein — den Kunden auf den rechten Weg führen. Er wird aber nicht etwa über den Kunden lachen. Auch nicht über andere Dinge, so lange er mit dem Kunden verhandelt, wenn nicht ein direkter Anlaß zu einem Lachen gegeben ist, in das auch der Kunde mit einstimmen kann. Kunden, die keine Warenkenntnis haben, wissen das! Es geht ihnen wie den gleichen Reisenden; sie bekommen ein Gefühl der Unsicherheit. Lacht der Reisende, meinen sie sich verlacht. Das wirkt auf die Stimmung erkältend, manchmal geht sie auch ganz verloren. Es sind 20 Jahre her! Das Linoleum kam in Aufnahme. Wirklich nette Teppichmuster[S. 136] erschienen auf dem Markt. Ich kam dazu, wie ein Reisender eines bedeutenden Hauses einem meiner Kunden Offerte machte. Er hatte ihm eben eine Preisliste vorgelegt, und mein Kunde erklärte: Er habe nicht die Absicht, sich Linoleum (mein Kunde sprach nicht das e und u getrennt, sondern als eu) zuzulegen. Da platzt mein Kollege los! „Linol eee um, Herr Meyer, nicht Linol eu m!“

Es war natürlich vorbei mit dem Geschäft! Mein Kunde führt das „ekliche neue Zeug mit dem vertrackten Namen“ auch heute noch nicht.

Und Hand auf das Herz! Gibt es nicht der Dinge mehr, die durchaus nicht ahnen lassen, daß sie lateinischen Ursprungs sind? Weiß nicht manchmal nur der Fabrikant, wie er eine Neuheit, der er den Namen gab, angesprochen wissen will? Ich nehme mir irgend eine Zeitung her: Hiengfong-Essenz! Wird da das e mitgesprochen oder das i gedehnt? Ich lese weiter: Longines. Wird das gesprochen wie man es schrieb, oder Lonschines? Heißt das Ding „Clanor“ oder „Cläner“, spricht man Shampoon aus, indem man die beiden o deutlich erklingen läßt und des Sh wie Sch spricht? Genug damit! Ich brauche nicht nach Beispielen zu suchen. Man kann einen Menschen zwar für dumm halten, man soll es ihm aber, will man ihm Ware verkaufen, weder merken lassen, noch es ihm sagen. Der Reisende muß Vertrauen erwecken! Nicht nur für sich, auch für seine Waren!

Wenn er Interesse daran hat, von seinen Waren die teueren zu verkaufen, sei es nun, weil es für ihn günstiger ist, oder sei es, weil er den Kunden gut versorgen möchte, dann wird er doch nicht die billige Ware, die er auch führt, die vielleicht die Aufmerksamkeit des Kunden erregt[S. 137] hat, schlecht machen. Er wird sich vielmehr vor Augen halten, daß es zwar seine billigere Ware ist, aber doch eben seine Ware. Leicht ist das Urteil des Kunden fertig, daß dort, wo die billige Ware der Mängel so viele hat, auch die teuere nicht viel taugen wird. Der Reisende weiß doch, warum er die teuere Ware verkaufen will! Er wird also das dem Kunden sagen, er wird die Vorteile der teueren Ware vor der billigeren herausheben. Er wird vielleicht sagen, daß der eine Stoff im Faden und der billigere im Stück gefärbt ist. Daß jener die Farbe besser hält, oder daß der Waschstoff zum Waschen geeigneter sei aus den und den bestimmten Gründen. Immer muß die Absicht erkenntlich sein, dem Kunden zu nützen.

Zu große Kauflust.

So gibt es auch Kunden, die kaufen darauf los, was sie nur immer kaufen können! Natürlich hat es jetzt der Reisende leicht, viel zu verkaufen, er hat es jetzt schwer, rechtzeitig Einhalt zu tun, soll der Kunde nicht den Kredit, den er hat, überschreiten. Das ist eine Gelegenheit, Vertrauen zu erwecken, es ist aber auch eine, einen Kunden los zu werden. Es kommt alles auf das Taktgefühl des Reisenden an. Der Reisende, der jetzt dem Kunden sagen würde, er möchte nichts mehr kaufen, weil er im Begriff stehe, seinen Kredit zu überschreiten, der darf einpacken! Jetzt wird vielmehr der Reisende, indem er diesen oder jenen gekauften Artikel oder Lagerware, die er bemerkt, heranzieht, dem Kunden sagen, daß der Gegenstand, der ihn noch zum Kauf reizt, zur Folge haben würde, daß der andere bestellte Artikel oder die Lagerware nicht verkauft werden würde, da ein Gegenstand den anderen aussteche. Das wird der Kunde einsehen![S. 138] Er ist jedoch nicht verletzt! Er wird vielmehr zu der Ueberzeugung kommen, daß es dem Reisenden nicht darum zu tun war, dem Kunden viel zu verkaufen, sondern ihn gut zu bedienen.

Eigensinn.

Der Reisende darf nicht eigensinnig sein! Es kommt ja wohl vor, daß er einen bestimmten Gegenstand verkaufen will. Er wird dann leicht geneigt sein, auf ihm „herumzureiten“. Das kann leicht Mißtrauen erwecken, wenn der Verkäufer immer wieder den einen Gegenstand heranzieht, nachdem der Kunde seine Absicht zu erkennen gab, ihn nicht zu kaufen. Der Eigensinn zeigt sich auch manchmal von einer anderen Seite! Ein Reisender will einen bestimmten Gegenstand verkaufen, er versucht deshalb geflissentlich Kauflust zu einem anderen Gegenstand zu zerstören! Manchmal liegt das ja im Interesse der Kunden! Dann muß aber größte Vorsicht obwalten.

Manchmal ist es auch gar nicht Eigensinn, sondern es kann ja vorkommen, daß man eine Ware nicht verkaufen will, weil man sie am Platze schon verkauft hat. Davon nimmt man dann am besten gar kein Muster mehr mit. Geht es nicht anders, muß man nach wirklichen Gründen suchen, um den Kunden vom Kauf abzubringen. Weiß der Kunde, daß man noch anderswo am Platze gearbeitet hat, kann man ihm offen sagen, man wünsche den Gegenstand nicht zu verkaufen, eben weil er schon einmal an diesem Platze verkauft sei.

Unentschlossenheit.

Wenn man im Ladengeschäft war, weiß man, daß es auch Käufer gibt, die sich nie entschließen können. Findet der Reisende solche Kunden nicht? Leider ja![S. 139] Hier muß der Reisende sehr darauf achten, daß er nicht eine Wahl, die dem Kunden schon schwer ist, noch mehr erschwert. Er wird einem solchen Kunden nicht ohne weiteres alle Waren vorlegen, sondern die bestimmten, die seinem Geschmack und seinem Bedürfnis voraussichtlich entsprechen. Auch dann kann es kommen, daß der Kunde zu keinem Entschluß gelangt. Da hilft manchmal ein Hinweis darauf, daß sich diese oder jene Ware gut verkauft habe, daß sie nachgefordert worden, also leicht zu verkaufen sei. Oder der Hinweis darauf, daß eine bestimmte Ware von einem Konkurrenzgeschäft einer nahen Großstadt geführt werde. Das wird besonders dann wirken, wenn die Kundschaft des Geschäftsinhabers zeitweise nach dieser Großstadt fährt und in jenem Geschäft Einkäufe macht. Der Hinweis darauf, daß der Kaufmann gerade mit dieser Ware — die er vielleicht auch noch etwas billiger verkaufen kann, als das großstädtische Geschäft — augenfällig beweisen könne, daß unbesorgt am Platze gekauft werden könne, wird manchem Schwankenden ein Stützpunkt sein. Manchmal ist ein Kunde auch unselbständig! Er zieht sein Personal heran, in manchen Branchen auch die Frau! Daraus geht hervor, daß sich der Kunde beeinflussen läßt. Manchmal ist der Sachverstand der Sachverständigen nicht weit her! Dann ist wohl der Anreiz vorhanden, dem Kaufmann zu beweisen, daß sein Sachverständiger noch weniger versteht wie er! Warum? Geht der Reisende hinaus, um diesen Nachweis zu führen oder will er verkaufen? Geht es nicht ohne Beirat, gut, dann wird mit seiner Hilfe verkauft! Aber es wird verkauft! Freilich wird dann der Verkauf schwerer, denn es ist jetzt der Kunde und mehr noch sein Beirat zu überzeugen, daß diese Ware[S. 140] die richtige ist! Gibt man nun scheinbar auch etwas auf die Sachkunde des Beirates, dann ist dem Verkauf geholfen. Man kann dann die Sache so wenden, daß der Sachverständige das Urteil ausspricht, was eigentlich der Reisende sprechen wollte. Es wirkt dann besser. Man muß nur dem Beirat in den Mund legen, was er sagen soll!

Zerstreutheit.

Selbstverständlich muß der Reisende immer gleichmäßiges Interesse bekunden. Er muß, wenn er verkaufen will, sein ganzes Denken und sein ganzes Handeln auf diesen Willen richten. Es darf für ihn nichts anderes geben, als den Verkauf. Dem Kunden wird das wohltun! Sieht der Reisende aber durch die Schaufenster nach den hübschen Mädchen, die draußen vorbeigehen, oder nach der niedlichen Verkäuferin, die hinter dem Ladentisch steht, dann wird er recht bald das Interesse des Kunden am Kaufe verscherzt haben. Der Reisende gibt zerstreute Antworten, ist nicht bei der Sache, und der Kunde hat dann das Gefühl, als läge dem Reisenden gar nichts daran, ihm Ware zu verkaufen.

Ebenso muß der Reisende jede Bewegung unterlassen, die darauf hindeutet, daß er eigentlich gar keine Zeit mehr hat! Die Uhr bleibt in der Tasche, das Kursbuch wird im Hotel studiert. Der Zug wird so gewählt und der Kunde so besucht, daß entweder der in Aussicht genommene Zug erreicht wird, oder aber eine andere günstige Fahrgelegenheit noch vorhanden ist. Schließlich geht doch der Reisende nicht hinaus, um nur ja seine Tour pünktlich durchzuführen, sondern um zu verkaufen. Ist er aber beim Mustervorlegen, dann ist die Aussicht, etwas zu verkaufen, doch ziemlich bestimmt vorhanden.[S. 141] Das ist keineswegs der Fall bei dem Kunden, den man mit dem Zuge, den man noch pünktlich erreichen müßte, eben noch besuchen könnte. Vielleicht hat auch der Bedarf! Vielleicht! Vielleicht ist er aber auch gar nicht zu Hause! Also erst das Geschäft fertig gemacht und alle Gedanken verjagt, die nicht mit ihm im Zusammenhang stehen.

Der Reisende als Vertrauensmann.

Was soll nun der Reisende beim Verkauf beachten? Ich habe schon ausgeführt, daß der Reisende nicht nur Vertrauensmann seines Prinzipals ist, sondern auch der des Kunden. Der wirkliche Reisende — mit den „Gerissenen“ wollen wir uns nicht beschäftigen — will wiederkommen können. Danach muß er sich einrichten. Er soll dem Kunden nicht verkaufen, was er, der Reisende oder sein Haus los sein wollen, sondern das, was der Kunde braucht. Er soll ihm auch nicht „Povel“ als moderne Ware verkaufen. Wir leben nicht mehr in der Zeit, in der die Postkutsche der Neuigkeitsträger und der Jahrmarkt die Modenausstellung waren. Auch in den kleinsten Nestern, auch in den sozial niedrigen Bevölkerungsschichten weiß man, was in der Welt vorgeht, und die Hausfrauenzeitungen, die Modenbilder bringen, liegen heute fast jeder Provinzzeitung als Beilage bei. Wenn nun auch die Leute der Kleinstadt niemals in ihrer breiten Menge und Zug um Zug wie in der Großstadt ihren Bedarf der Mode anpassen werden, so ist doch die Zeit dahin, in der die Kleinstädte ein beliebtes Absatzgebiet für „Povel“ darstellten.

Der berechtigte und oft gehörte Ausspruch: Kauft am Platze! zwingt doch heute jeden Kaufmann, der Kundschaft annähernd das zu bieten, was die Großstadt bietet.[S. 142] Wird nun einem Kunden unmoderne — oder veraltete — unpraktische Ware als modern, neu und praktisch verkauft, so gibt dieser das Urteil des Reisenden seiner Kundschaft weiter. Er kann dann böse damit hineinfallen und die Folge für den Reisenden wird darin bestehen, daß er einen Kunden verärgert hat und ihn vielleicht gar los wird. Wer alte, unmoderne Ware hat, soll sie als solche verkaufen. Bedarf dafür ist schließlich oft zu finden.

Der Reisende muß das „Richtige“ verkaufen, das, was der Geschmacksrichtung der Kundschaft seines Kunden und deren Finanzkraft entspricht. Handelt er anders, so ruhen seine Artikel und erschweren ihm das Geschäft, wenn er wiederkommt.

Der Reisende soll auch seinen Kunden nicht mit Gewalt überladen. Gewiß soll der Reisende viel verkaufen, so viel wenigstens, daß die Konkurrenz durch seine Lieferung überflüssig gemacht wird, so viel mindestens, daß der Kunde ein Interesse daran hat, die Waren auch zu verkaufen, weil sie sonst an seinem Lager veralten würden. Hängt ein Reisender einem Kunden aber zu viel an, dann kann natürlich der Kunde das nächste Mal nicht wieder so viel kaufen. Es kann aber auch recht empfindlicher Aerger dadurch heraufbeschworen werden. So eine Kommission ist immer ein Stück Papier. Räumlich gering! Kommt aber die Ware, dann merkt oft ein Kunde erst, wie er „eingeseift“ wurde. Er versucht dann, Ware los zu werden, weil er der Ueberzeugung ist, sich übernommen zu haben. Nimmt sie das Haus des Reisenden nicht ab, so schilt der Kunde nicht nur auf den Reisenden, sondern auch auf das Haus, das nach seiner Meinung nicht zuvorkommend ist.

Dann soll aber auch der Reisende keine Versprechungen[S. 143] machen, die nicht gehalten werden können. Man kann dem Kunden viel versprechen! Langes Ziel, späte Lieferung, bequemster Abruf eines Schlusses, das werden in erster Linie die landläufigen Versprechungen sein. Bei bestimmten Artikeln kommen andere dazu. Da soll ein Kunde auf feste Rechnung Wein kaufen. Die Firma behält dem Kunden jedoch vor, einzelne ungangbare Sorten gegen gangbare zu verkaufen. Daraus macht der Reisende ein „Kommissionslager“. Das ist ein ganz anderer Begriff. Diese Begriffsvertauschung schließt eigentlich auch mehr als ein ungehaltenes Versprechen in sich, sie läuft vielmehr auf eine bewußte Irreführung hinaus. Bei Markenartikeln wird oft mehr Reklame zugesagt, als später vom Haus ausgeführt wird. Alles das bringt Verdruß, Aerger und schließlich Laufereien zum Gericht.

In bestimmten Branchen ist es üblich, unter einem bestimmten Maß nicht abzugeben. Der Reisende weiß das. Dem Kunden ist das übliche Maß zu viel. „Wir werden es schon machen, daß Ihnen ein halbes Stück, ein halber Kübel usw. abgegeben wird“, sagt der Reisende. Er weiß, es wird nicht geschehen! Dann soll er dem Kunden das sagen. Viel leichter bringt er ihn jetzt dazu, das größere Quantum anzunehmen, als später, wenn es ihm auf den Hals geschickt wurde.

Gestreckte Aufträge.

Viel wird gesündigt mit den sogenannten gestreckten Aufträgen! Wird ein Stück oder ein halbes Stück Ware bestellt, aber zwei oder ein Stück aufgegeben, so ist das Betrug. Will der Reisende mehr verkaufen, soll er es mit seiner Tüchtigkeit versuchen; gelingt es ihm nicht, soll er sich mit dem begnügen, was er erreicht hat.

[S. 144]

Schlimmer aber ist es, wenn gar Aufträge fingiert werden. Man meint, das käme bei Reisenden in unserem Sinne nicht vor! Es kommt vor. Man hat manchmal einen Kunden so weit, daß man sich sagt, schickst du ihm geradezu, was ihm gefiel, dann nimmt er es auch an. Das wird in 99 von 100 Fällen eine falsche Spekulation sein. Der Kunde, der nicht durch den Reisenden überzeugt werden kann, daß er eine Ware kaufen muß, der wird gewiß auch nicht dadurch überzeugt, daß er auf den Hals bekommt, was er ausdrücklich zu kaufen abgelehnt hat.

Vielfach ist es noch üblich, daß der Reisende nicht nach festen Preisen verkauft. Das ist verkehrt. Man soll sich immer vorhalten, daß man einige Kunden übervorteilt, wenn man ihnen teuere Preise abnimmt, wie anderen. Der Zufall spielt oft eine große Rolle.

So ein Kunde, der die Waren teuer einkaufte, kommt zu einem anderen Kunden, der billiger kaufte. Beides sind Geschäftsfreunde. Sie kommen auf die Lieferanten und von diesen auf deren Waren zu sprechen. Da stellt sich die Uebervorteilung heraus. Sicher ist der Reisende einen, vielleicht auch beide Kunden los. Den einen, weil er übervorteilt wurde, den andern, weil er nicht mehr sicher ist, es nicht auch zu werden.

Mehrere Kunden am Platze.

Eine gewisse Vorsicht ist auch dann am Platze, wenn der Reisende mehrere Kunden ganz in der Nähe oder an einem Platze hat. Er wird dann niemals dem einen Kunden verkaufen, was der andere auch kaufte. Er kann sonst nicht verhindern, daß die Kunden seine Artikel[S. 145] benutzen, um gegenseitig der Kundschaft nachzuweisen, daß jeder von ihnen der billigere ist.

Was über die Kommission selbst gesagt werden muß, ist bereits gesagt. Ich fasse nur noch einmal zusammen, daß sie deutlich, genau und ausführlich geschrieben sein muß, daß sie alle Angaben enthalten muß, die für das Geschäft wissenswert sind. Wo Lieferfristen üblich sind, müssen auch sie angegeben sein. Dabei lasse sich der Reisende größte Vorsicht angelegen sein. Er stelle die Lieferfristen nicht so kurz, daß sie nicht eingehalten werden könnten, er sichere sich auch für den Fall, daß Lohnkämpfe ausbrechen, seien es nun Streiks oder auch Aussperrungen. Wo es angeht, lasse er in seinem Interesse und auch in dem des Kunden sogenannte Kontremuster zurück. Das hat nicht nur den Zweck, dem Kunden die Möglichkeit einzuräumen, prüfen zu können, ob die später gelieferte Ware mustergetreu ist, sondern der Kunde wird damit in den Stand gesetzt, sich immer vergegenwärtigen zu können, was er gekauft hat. Er kann dann vermeiden, daß sein Lager später gleichartige Artikel enthält, von denen die einen die anderen ausstechen und unverkäuflich machen.

Suche dann der Reisende selbst allen Einfluß, den er besitzt, dahin auszuüben, daß die Kommission gut erledigt wird. Eine schlecht ausgeführte Kommission ist eine schlechte Empfehlung. Untreue des Geschäfts — man braucht gar nicht an den strafbaren Begriff zu denken — ist Untreue des Reisenden in den Augen seiner Kundschaft. Treue und Glauben werden sich aber auf die Dauer und für solide Geschäftsverbindungen immer als die besten und zuverlässigsten Reisebegleiter erweisen.

[S. 146]

Der Detailreisende.

Der Detailreisende hat mit ganz anderer Kundschaft zu tun, er muß diese Kundschaft unter ganz anderen Verhältnissen aufsuchen als der Reisende, der Wiederverkäufer besucht; er verkauft auch ganz andere Artikel und nach anderen Grundsätzen.

Detailkundschaft.

Wo finden wir Detailreisende? In der Konfektions-, der Modewaren-, der Wäsche-, der Wein- und der Buchbranche. Die Zigarrenbranche kommt nur stellenweise in Betracht. Je nachdem wie die Branche ist, wird auch die Kundschaft sein. Der Weinreisende wird seine Kundschaft vornehmlich im bessern Mittelstand und bei den obern Zehntausend finden, der Buchhandlungsreisende sucht sich seine Abnehmer — wenn er keine Spezialwerke vertreibt, die ihm ganz von selbst bestimmte Wege weisen — in den Kreisen der städtischen und staatlichen Beamten, in dem großen Heer der Privatangestellten, d. h. in erster Linie in solchen Kreisen, die über einen starken Bildungsdrang verfügen und Zeit haben, ihn zu betätigen. Auch der qualifizierte Arbeiter kommt für ihn in Betracht. Wo die eigentliche Romanliteratur noch zur Detailreise oder schon zur Kolportage gerechnet werden muß, ergibt sich von selbst. Danach richtet sich dann auch die Kundschaft. Wir wollen uns aber mit den Kolporteuren und auch mit den Bilderreisenden nicht beschäftigen. Der Reisende, der Zeitungen vertreibt, gehört, von[S. 147] einigen Ausnahmen abgesehen, auch nicht in den Kreis unserer Betrachtungen.

Der Konfektionsreisende wird selten mit fertiger Konfektion reisen. Er wird vielmehr Stoffmuster mit sich führen und Maß nehmen können, so daß die Bekleidungsstücke nach seiner Angabe gefertigt werden. Seine Kundschaft wird sich aus allen Kreisen zusammensetzen. Anders ist das schon beim Manufakturwarenreisenden. Hier wird sich fast immer eine Trennung vollziehen, der eine Reisende wird ausschließlich die „feine“ Kundschaft besuchen, der andere die Arbeiter- und die Mittelstandskundschaft.

Je nachdem, wie sich die Kundschaft zusammensetzt, muß sich auch das Benehmen des Reisenden gestalten.

Wer zur Arbeiterkundschaft geht, den „Zylinder“ auf dem Kopf und dann „seine Karte“ abgeben will, der wird lange warten können, ehe er etwas verkauft. Wer wiederum, ohne die üblichen Formen zu beobachten, in einen bessern Haushalt einzudringen versuchte, würde als Tölpel gelten.

Ein ausgesprochenes Taktgefühl ist hier am Platze.

Besuchszeit.

Der Detailreisende muß auf Dinge Rücksicht nehmen, auf die der Reisende schlechthin nicht Rücksicht zu nehmen braucht. Der Reisende kommt in das Geschäftslokal. Das ist dazu da, um Geschäfte abzuschließen. Der Detailreisende tritt in die Wohnung, die doch in der Regel nicht diesem Zwecke dient. Daraus ergibt sich, daß die Besuchszeit für den Detailreisenden anders zu regeln ist. Hat ein Reisender mit Kundschaft aus allen Kreisen oder auch nur aus mehreren Kreisen zu tun, so ist er gut daran. Besucht[S. 148] er nur Lehrer oder nur Handlungsgehilfen oder überhaupt nur bestimmte Berufsarten, so muß er sich so einrichten, daß er die Leute antrifft. Aber auch bei anderer Kundschaft wird er seinen Besuch so einrichten, daß er nicht stört, keine schlechte Laune allein durch seinen Besuch hervorruft.

Wer die Frau Baronin X morgens um 9 Uhr besucht, begeht eine Taktlosigkeit. Wer um die Mittagszeit, wenn alles bei Tisch sitzt, in einen Haushalt eindringt, der darf sich nicht wundern, wenn man ihm die unangenehme Störung entgelten läßt. Das zunächst einmal vorweg geschickt, ergibt sich noch weiteres für die Behandlung der Kundschaft selbst.

Zwischen Tür und Angel.

Kommt man in einen Haushalt, in dem man vom Mann oder der Frau selbst empfangen wird, dann muß man zunächst einmal versuchen, nicht zwischen Tür und Angel abgefertigt zu werden. Hat man den Musterkoffer in der Hand, so erschwert man sich den Einlaß in die Wohnung. Man stelle ihn also zunächst beiseite. Dann sage man ungeniert, man möchte den Herrn oder die Dame des Hauses in einer Angelegenheit sprechen. Bekommt man die Einladung, näher zu treten, so greift man zum Koffer und nimmt ihn mit. Eine einmal ausgesprochene Einladung wird selten wieder zurückgenommen werden.

Oeffnet nun aber ein dienstbarer Geist, so muß man zunächst bestrebt sein, den auszuschalten und mit dem Herrn oder der Dame des Hauses selbst sprechen zu können. Das wird man nicht erreichen, wenn man Herrn oder Frau X bitten läßt, sich einen Augenblick stören zu lassen. Das Dienstmädchen wird sicher den Auftrag so[S. 149] ausrichten, daß die Herrschaft bereits daraus entnimmt, wer da Einlaß heischt. Und dann hat der Reisende verspielt. Hier ist es also erst recht angebracht, dem Herrn oder der Dame des Hauses mitteilen zu lassen, daß man sie zu sprechen wünscht.

Spricht man dann mit dem Kunden, so soll man sich wieder vorher überlegen, wo man Verbündete herbekommt. Frauen sind immer leicht zum Kaufen geneigt, wenn es sich um Waren handelt, die für sie oder für die Ausstattung der Wohnung bestimmt sind. Der Mann ist weniger Verbündeter des Reisenden, weil er, was immer auch gekauft wird, in der Regel aus seiner Tasche bezahlen muß.

Verbindungen.

Vorbedingung für das Detailreisegeschäft sind Verbindungen. Ich besuchte früher eine hessische Stadt. Jahrelang war es mir nicht möglich, bei der gutgestellten Bevölkerung in das Geschäft zu kommen. Endlich verzog eine Dame aus der Gesellschaft nach einem Nachbarort, wo ich sehr gut im Geschäft war. Die Dame sah dort Kostüme, die ich geliefert hatte, die ihr gefielen. Es wurde ihr mitgeteilt, woher sie waren; sie äußerte den Wunsch, von mir besucht zu werden. Das geschah natürlich, sie wurde meine Kundin. Durch sie kaufte mir die Schwester, die noch in der andern Stadt wohnte, ebenfalls Waren ab, und durch die Schwester und mit deren Empfehlungen ausgerüstet, gelang es mir, dann in alle Kreise zu kommen.

Besondere Gelegenheiten.

Ebenso wesentlich wie Verbindungen es sind, ist es, rechtzeitige Kenntnis von besonderen Verkaufsgelegenheiten[S. 150] zu erhalten. Der Detailreisende, der ständig eine bestimmte Tour macht, tut gut, sich ein Vertrauensmännersystem zu schaffen, das ihn auf dem Laufenden erhält. Ich denke dabei vorzugsweise an Reisende der Manufaktur-, Wäsche- und Weinbranche. Der Kreis der Bürger oder Landwirte, der einen Weinkeller sein eigen nennt, ist klein. Der Kreis, der bei besonderen Gelegenheiten Wein kauft, ist viel größer. Folglich gilt es den größeren Kreis kennen zu lernen. Der Wäschereisende wird Gardinen, Leibwäsche oder Bettwäsche in der Regel nur verkaufen können, wenn Altes durch Neues ersetzt wird. Es gibt aber Gelegenheiten, bei denen Neues angeschafft wird, gleichviel ob das Alte noch tauglich ist oder nicht. Ich denke an den Umzug! Ich denke an Feste! Ich denke nicht zuletzt an Hochzeiten!

So hat schließlich auch der Buchhandlungsreisende seine besonderen Gelegenheiten, ebenso wie sie der Manufakturist hat.

Wenn irgendwo ein „Landwirtschaftliches Fest“ gefeiert wird, so brauchen die Töchter der Landwirte neue Kleider. Die Mutter vielleicht auch, und ob Vaters Bratenrock dieses Fest noch aushält, ist doch auch fraglich. Folglich hat hier der Manufakturist eine günstige Absatzgelegenheit. Der Weinreisende wohl auch! Es kommt dabei darauf an, wo das Fest gefeiert wird. Wenn es aber Besuche in gut gestellten Kreisen gibt, dann erwächst Bedarf. Oder irgendwo ist Hochzeit! Da können fast alle Detailreisenden Verkaufsgelegenheit finden, der Buchhandlungsreisende ausgenommen. Da wird die Brautausstattung gekauft, das Brautkleid muß besorgt werden, und die beiderseitigen Eltern werden es am Ehrentag ihrer Kinder gewiß auch nicht ohne eine Erneuerung ihres[S. 151] äußeren Menschen tun. Diese Gelegenheiten muß man zu erfahren suchen; man kann das am besten durch die Vertrauensmänner, denen man bei erfolgreicher Bearbeitung ruhig etwas zuweisen kann.

Der Reisende selbst tritt eigentlich mit seiner Kundschaft nur in geschäftlichen Verkehr. Der Detailreisende dagegen, der in die Wohnung kommt, mehr in persönliche Beziehungen. Er soll zwar nicht Freundschaft erwerben, oder gar stolz darauf sein, mit einem Teil seiner Kundschaft auf „Du und Du“ zu stehen. Wenn er aber gesellschaftliche Talente hat und Gelegenheit findet, sie zu verwerten, so soll er es tun. Ich habe immer sehr bedauert, daß ich nicht Tänzer war und meine gesellschaftlichen Talente mich nur immer in die Reihen der Männer führten. Ich hätte manches Geschäft erheblich leichter gemacht, wenn mich die Tochter auch so geschätzt hätte, wie der Vater oder bestenfalls die Mutter.

Selbstverständlich muß man sehr vorsichtig sein, man muß immer herausfühlen, was gerade bei dem einen oder andern Kunden angenehm wirken könnte. Neigungen und kleine Schwächen müssen sorgfältig studiert werden, es ist ihnen Rechnung zu tragen. Der Detailreisende muß in einer Stunde sechsmal ein anderer Mensch sein können.

Vor einem muß sich der Detailreisende mehr als jeder andere hüten — vor dem leichtsinnigen Kreditgeben. Die Auskunfteien sind über Private nicht so genau unterrichtet wie über Geschäftsleute; oft liegen gar keine Auskünfte vor, vielfach wird auch wegen der Geringfügigkeit des Betrages davon abgesehen, eine Auskunft einzuholen, wenn der Reisende den Kunden für kreditwürdig hält. Täuschungen sind gerade hier sehr leicht möglich. Herrschaftliche Wohnungen sind heute leicht eingerichtet —[S. 152] es gibt ja Abzahlungsgeschäfte. Und eine äußerliche Wohlhabenheit ist auch sonst leicht markiert. Die ehelichen Güterverhältnisse sind dem Reisenden nicht bekannt, er wird auch nicht gut fragen können, ob das Ehepaar in Gütertrennung oder Gütergemeinschaft lebt. Dann aber verbleibt der Frau das in die Ehe Eingebrachte auch dann, wenn ein besonderer Ehevertrag nicht geschlossen ist. Wo es möglich ist, soll deshalb auch die Frau die Schuld oder die Bestellung mit anerkennen.

[S. 153]

Der Reisende im Auslande.

Es würde natürlich den Rahmen dieses Buches weit überschreiten, wenn ich den zudem ziemlich aussichtslosen Versuch machen wollte, auch die Verhältnisse des außereuropäischen Auslandes, soweit sie für den Reisenden in Betracht kommen, einer eingehenden Besprechung zu unterziehen. Es ist auch nicht möglich, über Land und Leute viel zu sagen. Wollte man da etwas wirklich Brauchbares liefern, so würden mehrere Bände geschrieben werden müssen. Ich muß mich vielmehr darauf beschränken, das für den Reisenden unerläßlich Notwendige über die europäischen Staaten kurz zusammenzustellen.

Auslandslegitimation.

Allgemein möchte ich bemerken: Der Auslandsreisende sollte immer, auch da, wo es nicht unerläßlich notwendig ist, eine Gewerbelegitimationskarte bei sich führen. Diese Gewerbelegitimationskarte ist in den meisten Handelsverträgen vorgesehen. Sie ist etwas anderes, als die gewöhnliche Legitimationskarte, die ich früher besprochen habe. Sie gilt jedoch für das Inland so gut wie für das Ausland. Die Legitimationskarte, wie überhaupt alle anderen Legitimationspapiere, soweit sie nicht vom Ausland selbst gefertigt werden, stellt die Ortspolizeibehörde aus. Beantragt werden muß die Gewerbelegitimationskarte vom Inhaber des Gewerbebetriebes. In der Regel haben die Polizeiverwaltungen vorgedruckte Antragsformulare. Wo das nicht der Fall ist, muß der Antrag enthalten: Firma und[S. 154] Ort der Niederlassung, Name des Inhabers der Gewerbelegitimationskarte, die Angabe, ob der Reisende Mitinhaber oder Inhaber des anmeldenden Betriebes ist und die polizeilich gemeldete Wohnung. Dem Antrag sind die Führungszeugnisse des Reisenden oder des Inhabers der Karte über die letzten fünf Jahre beizufügen, wenn der Inhaber nicht im Besitz der alten Karte ist oder in den letzten fünf Jahren nicht am gleichen Orte wohnte. Beizufügen ist noch die Gewerbesteuerquittung und ein amtlich bescheinigtes Signalement des Inhabers der Karte, wenn dieser nicht selbst den Antrag überbringt. Im Antrag muß enthalten sein, bei wem und auf welche Waren Bestellungen gesucht werden und bei wem und welche Waren angekauft werden sollen. Außerdem sind noch Angaben zu machen über die Art des Geschäftsbetriebes, über die erfolgte Anmeldung zur Gewerbesteuer, über Tatsachen, die der Firma bekannt sind und die zu einem Versagen der Karte führen können. Es ist anzugeben, daß die Karte für das Ausland gefordert wird. Die Gewerbelegitimationskarte kostet Stempelgebühr, die Führungszeugnisse zur Ausstellung der Legitimation werden stempelfrei erteilt.

Musterpaß.

Das Deutsche Reich gestattet ohne weiteres die zollfreie Ausfuhr der Muster, um aber die Muster zollfrei einführen zu können, muß ein Musterpaß beantragt werden. Beim Hauptzollamt, zu dessen Bezirk der Ort der gewerblichen Niederlassung gehört, wird für diesen Zweck ein genaues Verzeichnis der gesamten Muster hergestellt, die Muster selbst werden mit Plomben und anderen Kennzeichen versehen, um sie bei der Wiedereinfuhr kenntlich zu machen. Selbst wenn der Reisende auf die zollfreie Wiedereinfuhr[S. 155] der Muster keinen Wert legt, ist ihm doch zu empfehlen, den Musterpaß zu beantragen. Wir werden später sehen, daß ihm in vielen Ländern oft recht unangenehme Scherereien erspart werden, wenn die Muster von der deutschen Zollbehörde schon kenntlich gemacht wurden. Denn der Reisende muß sonst in den meisten Fällen in den einzelnen Ländern, die er besucht, diese Kennzeichnung vornehmen lassen; das raubt ihm mitten in der Tour unnützerweise Zeit und ist gewiß auch sonst nicht gerade bequem.

Wenden wir uns nun den besonderen Vorschriften der einzelnen Länder zu, so wollen wir von vornherein beachten, daß die Vorschriften zwar im großen und ganzen gleich bleiben, daß sie sich aber in Kleinigkeiten ändern können. Wo später Zweifel auftauchen sollten, gibt die Handelskammer gern Bescheid.

Belgien.

Deutsche Kaufleute, Gewerbetreibende, Fabrikanten sind befugt, persönlich oder durch den Reisenden bei Kaufleuten und Herstellern Waren einzukaufen. Sie dürfen ebenfalls bei Kaufleuten oder bei Personen, die mit den verkauften Waren Handel treiben, Bestellungen aufsuchen. Zu diesem Zweck dürfen die Reisenden (oder selbständige Kaufleute) Muster mit sich führen, aber keine Waren. Reisende, die Waren mit sich führen, gelten als Wandergewerbetreibende und werden als solche besteuert.

Die Legitimation wird gegeben durch die Gewerbelegitimationskarte des Deutschen Reiches. Die Karte gilt nur für das Ausstellungsjahr. Die eigentlichen Reisenden haben keinerlei Steuern und Abgaben für die Ausübung der Reisetätigkeit zu zahlen.

[S. 156]

Für die Mustereinfuhr kommen folgende Grundsätze in Betracht:

Völlig zollfrei sind Muster, die so klein sind, daß sie nicht für andere Zwecke verwendet werden können und keinen Handelswert haben. Größere Muster sind auch frei, aber nur dann, wenn sie für eine andere als die Verwendung als Muster unbrauchbar gemacht sind, durch Zerreißen oder Zerschneiden. Alle anderen Muster sind zollpflichtig, das trifft insbesondere auf Gewebe zu, die mehr als 30 cm über die ganze Breite des Stoffes messen; ferner auf Weinproben in Flaschen, die mehr als 15 Centiliter fassen. Für zollpflichtige Gegenstände ist der ordentliche Zollbetrag zu entrichten. Dieser Betrag wird jedoch zurückerstattet, wenn die Muster wieder ausgeführt werden sollen und wenn der Reisende das vorher erklärt, sowie die Frist angibt, in der die Ausfuhr erfolgen soll. Die Frist darf ein Jahr nicht übersteigen. Wird die Rückerstattung der Zollgebühren beantragt, so wird ein Verzeichnis der eingeführten Muster aufgenommen und diese werden kenntlich gemacht. Letzteres unterbleibt, wenn der Reisende einen Musterpaß besitzt. In der Erklärung des Reisenden ist das Ausfuhramt zu bezeichnen. Dieses vergleicht Muster und Liste und erstattet den Zoll zurück, wenn die Muster sämtlich ausgeführt werden. Nach Verlassen der Grenze findet, wenn keine Prüfung der Muster stattfand, die Rückerstattung nicht mehr statt.

Bulgarien.

Selbständige Kaufleute können selbst oder durch Reisende Waren aufkaufen lassen in offenen Verkaufsstellen sowohl als auch bei Fabrikanten und sonstigen Herstellern. Die Kaufleute, Fabrikanten und Gewerbetreibenden[S. 157] können selbst oder durch ihre Reisenden bei Kaufleuten oder Herstellern von Waren, die gekaufte Ware im Gewerbebetrieb verwenden, Bestellungen aufsuchen. Die Reisenden dürfen nur Muster mit sich führen. Es ist ihnen verboten, für eigene Rechnung Geschäfte zu machen, ebenso für andere, als die in der Legitimation genannten Firmen. In Bulgarien herrscht der Zwang, Kommissionskopie zu erteilen. Diese Kopie ist stempelpflichtig. Gebühr 20 Centime. Von der für alle Reisenden bestehenden Verpflichtung, Reisebücher zu führen, sind die deutschen Reisenden ausdrücklich befreit.

Die Legitimation besteht zunächst in der Gewerbelegitimationskarte, die in deutscher und französischer Sprache beigebracht werden muß. Außerdem bedarf der Reisende eines Gewerbescheines. Dieser Gewerbeschein muß beim Ministerium für Handel und Ackerbau in Sofia beantragt werden, er wird vom Zollamt der Stadt ausgefertigt, die der Reisende zuerst betritt. Das Gesuch um einen Gewerbeschein muß enthalten: die Art der vertriebenen Waren, den Namen der Firma und die Dauer des Scheines. Ferner ist der Identitätsnachweis zu erbringen (zu diesem Zwecke genügt die Gewerbelegitimationskarte). Der Identitätsnachweis muß auch in einer bulgarischen Uebersetzung beigebracht werden. Dem Gesuch ist die Steuer beizufügen. Der Schein kann nach Verlangen ausgestellt werden auf die Dauer von sechs bis zu zwölf Monaten. Wer ohne Gewerbeschein angetroffen wird, verfällt einer Buße von 200–500 Fr.

Für die Steuer kommt folgende Tabelle in Betracht: Klasse 1: 150 Fr., Klasse 2: 100 Fr., Klasse 3: 50 Fr. für ein Jahr. Für ein halbes Jahr betragen die Sätze: 100 Fr, 75 Fr. und 35 Fr.

[S. 158]

Hat eine Firma mehrere Reisende, so braucht sie nur einmal die Steuer zu entrichten. Der Gewerbeschein ist auch nicht an die Person des Reisenden gebunden; es kann deshalb auch ein anderer Reisender den Gewerbeschein benutzen, natürlich nur innerhalb der Geltungsdauer. Vertritt jedoch der Reisende mehrere Häuser, so muß er Zusatzscheine für jede weitere Vertretung lösen. In diesen Fällen beträgt die Steuer: Klasse 1: 100 Fr. (50 Fr.), Klasse 2: 75 Fr. (35 Fr.), Klasse 3: 50 Fr. (25 Fr.) für das volle (für das halbe) Jahr. Die Klassenzugehörigkeit bestimmt das Zollamt.

Für die Mustereinfuhr gelten folgende Grundsätze: Die Muster sind zollpflichtig. Der Zoll wird zurückerstattet, wenn bei der Einführung erklärt wird, daß die Muster wieder ausgeführt werden sollen und die dafür vorgesehene Frist bestimmt wird. Die Muster werden dann mit Kennzeichen versehen und es wird ein Verzeichnis über sie aufgestellt. Dieses Verzeichnis muß der Reisende auch für sich ausstellen lassen, wenn er die Muster wo anders als bei dem Zollamt der Einfuhr ausführen will. Der Verkauf der Muster oder auch einzelner Muster ist streng verboten. Zuwiderhandlung zieht Strafe von 500 bis 1000 Fr. nach sich.

Dänemark

hat wohl von allen europäischen Staaten die einschränkendsten Bestimmungen für die Reisenden. Fremde Reisende dürfen nur in den Munizipialstädten (Kjöbstäder) Waren ausstellen oder Bestellungen darauf suchen. Sie dürfen auch in diesen Städten nur an Personen verkaufen, die Lizenz für Groß- oder Kleinhandel besitzen. Bedingung ist dabei weiter, daß die Waren im Betriebe verwendet[S. 159] werden und eine bestimmte Mindestmenge (in der Regel 40 Kr. Wert) übersteigen.

Legitimation muß im Lande beschafft werden. Der Reisende muß sich einen Gewerbeschein lösen. Er bedarf zu diesem Zwecke seiner Gewerbelegitimationskarte oder einer Vollmacht seines Hauses, die jedoch vom dänischen Konsul beglaubigt sein muß. Der Gewerbeschein ist beim ersten Zollamt, das dem Reisenden erreichbar ist, zu beantragen. Er gilt nur auf ein Jahr und wird auf den Namen des Reisenden ausgestellt. Vor der Benutzung ist er dem ersten Polizeibeamten der Stadt zum Visum vorzulegen. Das ist jedesmal zu wiederholen, wenn der Reisende in einer neuen Stadt Geschäfte machen will. In dringenden Fällen kann der Gewerbeschein umgeschrieben werden. Das ist von der Firma zu beantragen und zwar unter Angabe des Grundes. Der neue Reisende muß ebenfalls die Gewerbelegitimationskarte haben oder ein vom Konsul beglaubigtes Attest. Der Gewerbeschein kann nur einmal übertragen werden. Vertritt der Reisende mehr als eine Firma, so muß er für jede andere einen Zuschlagsschein lösen. Reist jemand ohne gültigen Schein, verfällt er in eine Strafe, die einmal die Steuer und dann noch 64 Kronen ausmacht. Die Steuer beträgt: für den Hauptgewerbeschein 160 Kr., für jeden Zusatzschein 80 Kr. (10 Kronen = 11.25 Mk.).

Die Mustereinfuhr ist zollpflichtig. Der Zoll wird unter folgenden Bedingungen zurückerstattet:

1. Die Wiederausfuhr ist bestimmt zu erklären, sie muß in vier Monaten erfolgen.

2. Die Muster sind genau zu verzeichnen durch Angabe von Art, Stückzahl und Kennzeichen. Ein Verzeichnis ist[S. 160] für die Wiederausfuhr anzuheften oder in die Zollquittung aufzunehmen.

3. Bei der Ausfuhr ist eine schriftliche Erklärung abzugeben, daß die ausgeführten Muster mit dem Verzeichnis übereinstimmen.

Der Zoll muß innerhalb vier Wochen nach der Ausfuhr abgehoben werden, sonst verfällt er. Die Formalitäten sind stempelpflichtig mit 65 Oere.

Die Vorschriften gelten sinngemäß auch für Dänen, die im Auftrag ausländischer Firmen reisen.

Alles in allem sind die dänischen Bestimmungen ziemlich schikanöser Natur.

Frankreich

hat ähnliche Bestimmungen wie Belgien. Deutsche Kaufleute, Fabrikanten und Gewerbetreibende können selbst oder durch Reisende bei Kaufleuten oder in Verkaufsstellen oder bei Herstellern Waren einkaufen. Sie können Bestellungen suchen bei Kaufleuten, in deren Geschäftsräumen und bei anderen Personen, die die aufgekauften Waren im Gewerbebetrieb verwenden. Sie dürfen Muster, aber keine Ware mit sich führen. Führen sie Waren mit sich, gelten sie rechtlich als Hausierer. Hausierer bedürfen keiner besonderen Erlaubnis, sind aber steuerpflichtig.

Legitimation: Die Reisenden müssen nachweisen, daß sie in ihrer Heimat berechtigt sind, ein Handelsgewerbe oder sonst ein Gewerbe zu betreiben (Gewerbelegitimationskarte). Diesen Nachweis müssen auch Hausierer führen. Hausierer bedürfen dazu noch des Gewerbescheines, der von den Empfängern der direkten Steuern erteilt wird.

[S. 161]

Steuern haben die eigentlichen Reisenden nicht zu zahlen, nur die Hausierer haben jährlich 8 Frs. zu entrichten.

Die Mustereinfuhr ist zollpflichtig. Der Zoll wird zurückerstattet unter folgenden Bedingungen:

Das Zollamt ermittelt den Zollbetrag, der vom Reisenden in bar oder durch Sicherheit zu hinterlegen ist. Die einzelnen Muster werden gekennzeichnet. Ausnahmsweise können die Kennzeichen auf der Umhüllung angebracht werden. Die deutschen Kennzeichen genügen für die Regel. Von den eingeführten Mustern wird ein Verzeichnis aufgenommen, das die Art der Muster und die Kennzeichen genau beschreibt. In diesem Verzeichnis ist die Frist bis zur Ausfuhr und der hinterlegte Zollbetrag anzugeben. Die Frist zur Ausfuhr darf zwölf Monate nicht überschreiten. Das Verzeichnis ist stempelpflichtig. Die Ausfuhr kann bei jedem Zollamt erfolgen, das zur Musterabfertigung berechtigt ist. Nach der Prüfung und der festgestellten Uebereinstimmung veranlaßt das Ausfuhramt die Rückzahlung des Zolles.

Besonders zu beachten hat der Reisende, daß Branntwein, Liköre und Spirituosen unter allen Umständen zollpflichtig sind. Auch kleine Mengen, angebrochene Fläschchen, sogar der Reisebedarf ist nicht davon befreit. Hinterziehungen werden sehr streng, mit Geld oder gar mit Gefängnis gestraft. Unkenntnis der Bestimmung schützt nicht vor Strafe.

Gibraltar

kennt keine besonderen Vorschriften. Die Gewerbelegitimation ist anzuraten. Die Ausübung der Tätigkeit ist steuerfrei. Muster können zollfrei eingeführt werden, bis[S. 162] auf Tabak und Spirituosen. Auch diese sind in kleinen Mengen zollfrei.

Griechenland.

Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibende können einkaufen und Bestellungen aufsuchen. Sie dürfen Muster mit sich führen und können auch ihre allgemeinen Handels- und Gewerbeinteressen selbst wahrnehmen oder durch Reisende und Agenten wahrnehmen lassen.

Zur Legitimation reicht unsere deutsche Gewerbelegitimationskarte aus.

Steuern sind nicht zu entrichten.

Die Mustereinfuhr wird durch einen Erlaß des Finanzministers vom 24. August 1907 geregelt. Im allgemeinen sind Muster, die nicht verwendet werden können und keinen Handelswert besitzen, zollfrei. Für andere Muster bedarf es, um den gezahlten Zoll zurück zu erhalten, der Erklärung, daß die Muster wieder ausgeführt werden sollen. Die Frist dafür ist anzugeben, sie darf nicht mehr als ein Jahr betragen. Die Ausfuhr kann am Eingangsamt erfolgen, sie darf auch durch ein anderes Zollamt bewirkt werden, das die nötigen Befugnisse besitzt. Es werden auch hier die Muster mit Kennzeichen versehen und in eine Liste aufgenommen. Bei der Ausfuhr ist die Uebereinstimmung zu prüfen. Wenn der Reisende die Zollstelle verlassen will, um im Amtsbezirk der Zollstelle zu reisen, bedarf er einer Erlaubnis des Zollamtsvorstehers. Die Erlaubnis wird auf stempelfreiem Papier ausgestellt; sie ist den Pächtern der Gemeinde- und Hafenabgaben vorzuzeigen. Sollen jedoch die Muster in den Bereich eines anderen Zollamts 1. Klasse überführt werden, so muß der Reisende ein Gesuch einreichen und einen Passierschein lösen. Gesuch und Passierschein sind stempelfrei.[S. 163] Der Passierschein ist der Sanitätsbehörde des Ankunftsortes vorzulegen, er bedarf sodann des Visums der Zollbehörden.

Großbritannien und Irland.

Es bestehen keinerlei beschränkende Bestimmungen für den Verkehr mit der Kundschaft. Der Reisende wird jedoch konzessionspflichtig, wenn er akzisepflichtige Waren vertreibt. Das sind: Spirituosen, Wein, Bier, Tabak, verarbeitetes Silber und Patent-Medizinen. Die englischen Eisenbahnen gewähren dem Handlungsreisenden verschiedene Vergünstigungen sowohl durch billige Fahrpreise als auch durch billige Kofferfrachten.

Legitimation ist nicht erforderlich, es ist jedoch zu empfehlen, sich mit der Gewerbelegitimationskarte zu versehen.

Steuern werden nicht erhoben. Für den Vertrieb akzisepflichtiger Waren sind Gebühren zu entrichten:

für
Spirituosen
10 £
10 sh
0 d 
Wein
10 £
10 sh
0 d 
Bier
3 £
6 sh
1 d 
Patent-Medizin
 
5 sh
0 d 
Tabak
 
5 sh
3 d 
Silber je nach Gewicht
2 £
6 sh
0 d 
 
bis
5 £
15 sh
0 d.

Die Mustereinfuhr ist fast ganz zollfrei. Wo Zoll erhoben wird, erfolgt Rückzahlung, wenn die Wiederausfuhr erklärt wird. Sie hat innerhalb einer Frist von zwölf Monaten zu erfolgen. Die Muster werden mit Kennzeichen versehen und in ein Verzeichnis aufgenommen. In dieses Verzeichnis wird auch der hinterlegte Zollbetrag aufgenommen, sowie die Ausfuhrfrist vermerkt. Gebühren[S. 164] werden nicht erhoben. Die Ausfuhr kann über jedes Zollamt stattfinden; sobald die Uebereinstimmung festgestellt ist, wird der Zoll zurückgezahlt oder die Sicherheit freigegeben.

Italien.

Deutsche Kaufleute, Fabrikanten oder Gewerbetreibende können selbst oder durch Vertreter (Reisende oder Agenten) Waren aufkaufen oder Bestellungen aufsuchen. Sie können Muster mit sich führen und dürfen auch ihre allgemeinen Geschäfts- und Gewerbeinteressen wahrnehmen.

Legitimation ist nicht besonders vorgeschrieben. Als Ausweis dient die Gewerbelegitimation.

Steuern oder sonstige Abgaben sind nicht zu entrichten.

Die Mustereinfuhr ist zollfrei, soweit aus dem Befund der Muster sich ergibt, daß sie zu keinem anderen Zweck verwendet werden können. Müssen ganze Gegenstände eingeführt werden, so sind sie unbrauchbar zu machen durch Tintenstempel oder durch Zerschlitzen und Zerschneiden. Soweit Muster nicht für andere Zwecke unbrauchbar sind oder gemacht werden, sind sie zollpflichtig. Der bezahlte Zoll oder die geleistete Sicherheit (Rentenpapiere) werden zurückgegeben, wenn der Reisende bei der Einfuhr die Erklärung abgibt, daß die Muster in bestimmter Frist wieder ausgeführt werden. Die Frist darf ein Jahr nicht übersteigen. Ist eine ursprünglich erklärte Frist nicht ausreichend, so muß ihre Verlängerung auf einem Stempelbogen nachgesucht werden. Die Muster werden gekennzeichnet, in ein Verzeichnis eingetragen, das ebenfalls Angaben über die Höhe des[S. 165] Zolles und über die Dauer der Frist enthält. Die Ausfuhr kann nur über das Eingangsamt bewerkstelligt werden.

Malta.

Es existieren keine Vorschriften über den Verkehr mit der Kundschaft. Eine Legitimation ist nicht erforderlich, Gewerbelegitimation jedoch ratsam. Steuern und Abgaben werden nicht erhoben.

Die Mustereinfuhr ist für Muster ohne Verwendungs- oder Handelswert zollfrei. Andere Muster sind zollpflichtig. Von der Zollzahlung befreit sind Muster, deren Wiederausfuhr erklärt wird, wenn sie im Zollamt oder bei einem vertrauenswürdigen Kaufmann, der Bürgschaft übernimmt, hinterlegt werden. Die Muster müssen innerhalb dreier Monate wieder ausgeführt werden.

Montenegro.

Das neue Königreich kennt auch Beschränkungen für Reisende. Die deutschen Kaufleute, Fabrikanten und Gewerbetreibenden dürfen Bestellungen auf Waren nur in den Städten und nur von Kaufleuten und Fabrikanten — nicht von Privatpersonen — entgegennehmen.

Als Legitimation genügt die Gewerbelegitimationskarte. Eines Erlaubnis- oder Gewerbescheines bedarf es nicht.

Steuern werden nicht erhoben.

Die Mustereinfuhr ist zollfrei. Als Muster gelten Teile von Gegenständen. Gewebemuster dürfen nicht größer als 20 qcm sein. Fertige Gegenstände wie Tücher, Schals usw. sind nur dann zollfrei, wenn sie zerschnitten und daher ohne Gebrauchswert sind. Alle anderen Muster müssen verzollt werden.

[S. 166]

Niederlande.

Deutsche Kaufleute, Fabrikanten und Gewerbetreibende dürfen für ihren Geschäftsbetrieb Einkäufe machen oder durch Reisende machen lassen. Sie dürfen auch Bestellungen auf Waren aufsuchen. An bestimmte Vorschriften sind sie nicht gebunden. Sie dürfen Muster mit sich führen, aber keine Waren.

Legitimation. Der Handlungsreisende muß sich beim ersten erreichbaren Zollamt einen Gewerbeschein lösen. Der Schein ist steuerpflichtig. Seine Dauer erstreckt sich auf das Finanzjahr. Das Finanzjahr beginnt am 1. Mai und endet am 30. April. Die Steuerpflicht beginnt mit der Aufnahme der Tätigkeit. Um den Gewerbeschein zu bekommen, bedarf der Reisende der Gewerbelegitimationskarte. Der Gewerbeschein lautet auf die Person, er ist nicht übertragbar.

Steuern. Für den Gewerbeschein sind für das Finanzjahr oder für einen Teil desselben 15 Gulden zu erlegen (1 Gulden = 1.69 Mk.).

Die Mustereinfuhr erfolgt nach folgenden Grundsätzen. Es ist ein Transitpaß zu lösen. Der Reisende hat alle Muster, die er mit führt, einzeln anzugeben. Die Muster werden kenntlich gemacht, die deutsche Kenntlichmachung genügt in der Regel. Als Sicherheit ist ein Viertel des Musterwertes zu hinterlegen. Von den Mustern, die im Transitpaß vermerkt sind, darf nichts verkauft werden. Fehlt ein Stück bei der Wiederausfuhr, so muß für die gesamten Muster der volle Zoll entrichtet werden. Der Transitpaß wird kostenlos für drei, sechs oder zwölf Monate ausgestellt. Um Scherereien zu vermeiden, werden die Muster zweckmäßig über das Eingangsamt ausgeführt.

[S. 167]

Norwegen.

Vom Kaufmannshandel ausgeschlossen sind Gold- und Silberwaren ohne Feingehaltsstempel, Gifte und Arzeneien, die nur in Apotheken verkauft werden dürfen, ferner alte Kleider, gebrauchte Wertsachen und Hausgeräte. Frei ist der Handel in Stadt und Land in den Erzeugnissen der Landwirtschaft, mit Wild, frischen Fischen, Büchern, Bildern und ähnlichen Kunstgegenständen. Andere Waren dürfen nur in Städten und Marktflecken verkauft werden. Der Verkauf muß vom Schiff aus oder durch einen Besitzer eines Handelsbriefes erfolgen. Versteigerungen sind mit Kaufmannswaren nicht mehr gestattet. Bestellungen auf Waren dürfen von ausländischen Reisenden nur in den Städten gesucht werden. Auch dann nur bei Kaufleuten oder anderen Gewerbetreibenden und zwar insoweit, als die Waren im Gewerbebetrieb verwendet werden. Der Verkauf ist an bestimmte Mindestmengen gebunden. Zuwiderhandlungen werden mit Geld im Betrage von 20–400 Kr. gebüßt.

Legitimation. Der Reisende muß einen Handelspaß bei der nächst erreichbaren Polizeibehörde lösen. Die Polizei kontrolliert, ob der Reisende den Paß besitzt. Der Paß ist an jedem Ort zu visieren, wo der Reisende Geschäfte machen will. Das von Ausländern zu führende Aufenthaltsbuch fällt weg, wenn auf der ersten Seite des Handelspasses die rechtzeitige und vorschriftsmäßige Anmeldung der Ankunft im Lande bescheinigt wird.

Die Steuern sind außerordentlich hoch. Für je 30 Tage der Dauer des Passes sind 100 Kr. (10 Kr. = 11.25 Mk.) zu entrichten. Angefangene 30 Tage müssen voll bezahlt werden.

Die Mustereinfuhr ist zollfrei, soweit die Muster[S. 168] keinen Verbrauchs- oder Handelswert haben. Alle anderen Muster sind zollpflichtig. Der Zoll wird zurückerstattet, wenn bei der Einfuhr erklärt wird, daß und in welcher Frist die Muster wieder ausgeführt werden. In diesem Fall wird ein Verzeichnis aufgestellt, die Muster werden mit Kennzeichen versehen. Bei der Ausfuhr wird die Uebereinstimmung geprüft und dann der Zoll zurückerstattet.

Oesterreich-Ungarn.

Kaufleute und Fabrikanten können Einkäufe bei Kaufleuten und Gewerbetreibenden vornehmen. Sie können Bestellungen bei solchen Personen — und auch bei Privatpersonen nach bestimmten Grundsätzen — suchen. Sie können Reisende mit den gleichen Wahrnehmungen betrauen. Im Meß- und Marktverkehr sind deutsche Reisende Inländern gleichgestellt.

Grundsätzlich erlaubt ist in Oesterreich das Aufsuchen von Bestellungen bei Personen, die gekaufte Waren im Gewerbebetrieb verwenden. Bei Privatpersonen dürfen Bestellungen auf Kolonial-, Material- und Spezereiwaren nicht aufgesucht werden, in anderen Fällen nur nach vorheriger ausdrücklicher Aufforderung. Ohne Aufforderung dürfen Bestellungen gesucht werden auf: Maschinen, Motore und deren Bestandteile, Baumaterialien und Kunststeine, Korkplatten, Dachpappe, Straßenpflastermaterial, Bedarfsartikel für Heizungs-, Beleuchtungs- und Wasserleitungsanlagen, Jalousien, Nähmaschinen, Schreibmaschinen, Fahrräder, Motorfahrzeuge, Luxuswäsche. Handlungsagenten sind einschränkenden Bedingungen unterworfen; als Handlungsagent gilt ein Reisender, der mehrere Firmen vertritt.

In Ungarn dürfen Bestellungen nur gesammelt werden[S. 169] von Gewerbetreibenden und Kaufleuten, die gekaufte Waren in ihrem Geschäftsbereich verkaufen oder verwenden. Hilfsmittel und Einrichtungsgegenstände gehören dazu. Dieser Beschränkung unterliegen Bestellungen dann nicht, wenn der Kaufende vorher schon eine grundsätzliche Bestellung an den Verkaufenden richtete. Die grundsätzliche Bestellung muß sich auf bestimmte Waren und Artikel beschränken, der Entschluß muß ein augenblicklicher sein und der Verkaufende ihn bereits kennen, ehe sein Reisender den Besteller aufsucht. Allgemein gehaltene Bestellungen oder solche an den Reisenden machen die Beschränkung nicht nichtig. Bei Personen, die nicht Handel treiben oder die Ware in ihrem Geschäftsbetrieb nicht verwenden, dürfen Bestellungen nachgesucht werden auf Waren der Hausindustrie (der Charakter der Ware ist durch ortspolizeibehördliche Bescheinigung zu beglaubigen), Instrumente und wissenschaftliche Werkzeuge, Nähmaschinen, größere landwirtschaftliche Maschinen (Dresch-, Säe- und Mähmaschinen), Lokomotiven, Lokomobilen, Dampfpflüge, Dampfpumpen, Mühlen-, Beleuchtungs- und Fernsprecheinrichtungen. Bestellungen auf landwirtschaftliche Maschinen bedürfen, wenn sie von Kleingutsbesitzern ausgehen, der Beglaubigung auf der Bestellungsurkunde durch die Gemeindebehörden.

Legitimation. Der Reisende bedarf nur der Gewerbelegitimationskarte. Die Karte ist auf Erfordern vorzuzeigen. Für den Besuch der Messen und Märkte ist eine besondere Legitimationskarte zu fordern. Für andere als in der Legitimation genannte Firmen dürfen Reisende nicht tätig sein.

Steuern werden nicht erhoben.

[S. 170]

Die Mustereinfuhr ist zollfrei, soweit es sich um kleine Abschnitte oder um aufgeklebte Muster handelt. Die Muster dürfen keinen Verwendungs- oder Gebrauchswert haben. Andere Muster sind zollpflichtig. Der Zoll wird zurückerstattet, wenn die Wiederausfuhr in bestimmter Frist erklärt wird. Der Zollbetrag kann dann hinterlegt werden. Die Muster werden gekennzeichnet, wenn der Reisende keinen deutschen Musterpaß besitzt. Bei der Ausfuhr, die über jedes dazu befugte Zollamt erfolgen kann, erfolgt die Prüfung der Identität und nach deren Feststellung die Rückerstattung des Zolles oder die Freigabe der Sicherheit. Der Verkauf der Muster ist verboten.

Die meisten Bahnen Oesterreich-Ungarns gewähren den Reisenden Frachtvergünstigungen bei der Musterbeförderung. Um die Vergünstigungen beanspruchen zu können, bedarf der Reisende einer besonderen Reiselegitimationskarte, die ihm die zuständige Behörde gegen Vorzeigung seiner Gewerbelegitimationskarte ausstellt. Die Reiselegitimationskarte muß den Namen des Reisenden und den seiner Firma, das Bild des Reisenden, seine und die Unterschrift der Behörde enthalten. Bei der Auslieferung des Gepäcks ist die Reiselegitimationskarte vorzuzeigen, der Reisende muß unter Umständen seine Unterschrift geben.

Die Muster müssen als solche kenntlich sein. Alles andere Gepäck ist von der Vergünstigung ausgeschlossen. Der volle Name der Firma muß sich auf den Koffern befinden; das Haus haftet für Mißbrauch, der Strafe und dauernde Entziehung der Vergünstigung nach sich zieht. Das Gepäck ist innerhalb einer Stunde nach der Ankunft in Empfang zu nehmen oder es ist doch die Karte vorzuweisen[S. 171] und die Vorzeigung zu bestätigen. Der Reisende muß den Zug benutzen, mit dem seine Muster befördert werden. Die Vergünstigung besteht darin, daß die größte Zahl der österreichischen Bahnen für 10 kg und 1 km nur 0,2 h. Fracht erhebt, Lokalbahnen gewähren die Vergünstigung nach dem Lokaltarif, ungarische Bahnen berechnen die Fracht nach Zonen:

 
bis 50 kg 
50–100 kg 
über 100 kg
1.
Zone
 
bis
50
km
0.50
1.00
2.00
Kr.
2.
51
100
1.00
2.00
4.00
3.
101
450
2.00
4.00
8.00
3.
451
600
2.50
5.00
10.00
4.
über
 
600
3.00
6.00
12.00

Portugal.[1]

Es bestehen keinerlei einschränkende Bestimmungen für Reisende. Wer jedoch länger als sieben Tage in Portugal verweilt, bedarf einer Aufenthaltsbescheinigung (bilhete de residencia), die vom deutschen Konsul in Portugal auszustellen ist. Die Bescheinigung ist der Polizeibehörde vorzulegen und kostet 2100 Reis (1000 Reis = 4.50 Mk.) Stempelgebühr. Die Reisenden tun gut, sich mit der Gewerbelegitimation oder einer Identitätsbescheinigung des portugiesischen Konsuls in Deutschland zu versehen, ohne die sie Schwierigkeiten bei der Ausstellung des Aufenthaltsscheines haben.

Steuern werden eigentlich erhoben, da aber niemand die Reisenden überwacht, hat die Steuervorschrift keine praktische Bedeutung.

Die Mustereinfuhr ist zollfrei, wenn der Wert[S. 172] der Muster 300 Reis nicht übersteigt. Sonst gelten nur Waren als Muster, die auf eine bestimmte Zeit — nicht über sechs Monate — eingeführt werden und als Muster ohne weiteres kenntlich sind. Auch für sie ist der Zoll zu hinterlegen, sie werden kenntlich gemacht und in ein Verzeichnis aufgenommen. Bestehen bei der Wiederausfuhr keine Bedenken über die Identität, so wird der Zoll zurückerstattet.

[1] Die Umwälzung der politischen Verhältnisse läßt mit einiger Bestimmtheit erwarten, daß Portugal den Freihandel einführt.

Rumänien.

Es dürfen durch Kaufleute, Fabrikanten oder Gewerbetreibende, sowie durch deren Reisende, nur Kaufleute und Gewerbetreibende besucht werden, um Bestellungen auf Waren nachzusuchen. Bestellungen dürfen nur soweit nachgesucht werden, als die Aufgesuchten die Waren kaufen, um sie zu verkaufen oder sie für die Produktion zu verwenden. An Landwirte dürfen landwirtschaftliche Maschinen und Geräte verkauft werden. Die Reisenden dürfen nur Muster und Modelle mit sich führen. Wer ohne erforderliche Legitimation reist oder sich weigert, sie vorzuzeigen, wer eine Legitimation auf einen falschen Namen bei sich führt, Bestellungen von Privaten entgegennimmt oder seine Muster verkauft, wird bestraft. Die Strafe ist rechtskräftig, wenn nicht innerhalb zehn Tagen Berufung eingelegt wird.

Der Reisende bedarf einer Gewerbelegitimation und eines allgemeinen Passes, der jedoch ebenfalls von der Heimatbehörde ausgestellt wird. Andere Vollmachten und Ausweise dürfen vom Reisenden nicht verlangt werden.

Steuern werden nicht erhoben.

Die Mustereinfuhr ist frei von Zoll und unterliegt nicht der Kontrolle, soweit die Muster keinen Gebrauchswert[S. 173] haben und Teile eines Ganzen sind, das sie veranschaulichen sollen. Andere Muster sind zollpflichtig und unterliegen der Kontrolle. Der Zoll ist bei der Einfuhr zu bezahlen oder zu hinterlegen. Es ist die Erklärung abzugeben, daß und in welcher Frist die Muster ausgeführt werden. Die Frist darf zwölf Monate nicht überdauern. Die Muster werden kenntlich gemacht (die deutsche Plombierung genügt), in ein Verzeichnis aufgenommen, das die Fristbestimmung und die Höhe des Zolles angibt. Die Muster können über jedes Ausfuhramt ausgeführt werden. Nach Prüfung und Feststellung der Uebereinstimmung wird der Zoll zurückgezahlt.

Rußland.

Deutsche Kaufleute, Fabrikanten und Gewerbetreibende können Bestellungen auf Waren aufsuchen oder durch Reisende aufsuchen lassen. Sie dürfen Muster zu diesem Zweck mit sich führen, aber keine Waren.

Legitimation. Die Gewerbelegitimation muß in deutscher und russischer Sprache ausgefertigt sein. Der Reisende bedarf eines Passes, der vom zuständigen russischen Konsul beglaubigt sein muß. Das Visum gilt für sechs Monate und braucht nicht erneuert zu werden, wenn der Reisende mehrfach in dieser Zeit Rußland bereist. Die Reisetätigkeit in Rußland ist sowohl an diese Ausweise als daran gebunden, daß der Reisende einen Gewerbeschein besitzt. Rußland kennt Gewerbescheine für den Inhaber eines Betriebes und Zusatzscheine für den Angestellten. Der eine Schein kann aber gespart werden, auch der Zusatzschein, wenn der Gewerbeschein gleich auf den Reisenden ausgestellt wird. Der Gewerbeschein kann bezogen werden bei den Kameralbehörden[S. 174] oder den Zollämtern. Er wird ausgegeben, nachdem die Steuer entrichtet ist. Außer der Gewerbe- und der Zusatzsteuer sind die Lokalzuschläge zu entrichten.

Steuern. Rußland erhebt Abgaben:

Grundgewerbesteuer:
150 Rubel für ein Jahr, 75 Rubel für ½ Jahr.

Angestelltensteuer:
50 Rubel für ein Jahr, 25 Rubel für ½ Jahr.

Die Steuer richtet sich nach dem Kalenderjahr. Maßgebend ist der russische Kalender. Vor dem 1. Juli ist die ganze, nach dem 1. Juli die halbe Steuer zu entrichten.

Die Lokalzuschläge sind für die Angestellten teurer als für die Geschäftsinhaber. Sie schwanken von 41.10 Rub. bis 112 Rub. für Inhaber, von 46.10 Rub. bis 122 Rub. für Reisende. Die Lokalzuschläge werden einmal entrichtet und gelten dann für das ganze Reich. Unterschiede zwischen Reisenden mosaischer und solchen christlicher Religion werden nicht mehr gemacht. Es empfiehlt sich, die Steuern in Orten 3. Klasse zu zahlen. Dort sind die Lokalabgaben am niedrigsten. Es gehören dazu: Kalisch, Lublin-Kreis, Lomja, Piotrowkow, Tmaszew, Czenstochau, Pabianice, Kreisstädte in Lodz, Bresciny und Bendjin usw. Ist hier die Lokalabgabe entrichtet, so braucht sie später nicht mehr entrichtet zu werden, auch wenn sie höher ist.

Die Mustereinfuhr ist zollfrei, soweit die Muster unzweifelhaft als solche gekennzeichnet sind und keinen Gebrauchs- oder Verkaufswert haben. Alle anderen verkaufs- und verwendungsfähigen Muster sind zollpflichtig. Durch eine Erklärung, daß diese Muster wieder in bestimmter Frist ausgeführt werden, kann die Rückerstattung erwirkt werden. Die Frist für die Ausfuhr beträgt ein[S. 175] Jahr. Die Muster werden dann gekennzeichnet und in ein Verzeichnis eingetragen. Die Ausfuhr kann über jedes Zollamt vorgenommen werden. Nach erfolgter Prüfung und festgestellter Uebereinstimmung wird der Zoll zurückerstattet.

Schweden.

Es ist zwar Vorschrift, daß deutsche Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibende oder deren Reisende nur Waren einkaufen dürfen bei Kaufleuten oder Herstellern, und Bestellungen nur suchen dürfen bei Personen, die gekaufte Waren in ihrem Geschäftsbetrieb verwenden; es bestehen aber keine Vorschriften, die den Verkehr mit Privatkundschaft einengen.

Legitimation. Die Reisenden bedürfen der Gewerbelegitimationskarte. Sie sind gehalten, beim Betreten des Landes dem nächst erreichbaren Steuereinheber zu erklären, wie lange sie in Schweden bleiben wollen. Sie erhalten dann gegen Entrichtung der Steuern einen Ausweis. Dieser Ausweis ist der Polizeibehörde des Ortes, an dem die Tätigkeit aufgenommen werden soll, zum Visum vorzulegen. Ein weiteres Visum ist nicht erforderlich.

Steuern. Schweden erhebt für den Ausweis eine Steuer, die für 30 Tage 100 Kr. und für je weitere anschließende 15 Tage 50 Kr beträgt. (10 Kr. = 11.25 Mk.) Wer den Ausweis nicht besitzt, wird außer der Steuer in eine Strafe von 100–500 Kr. genommen.

Um die Rückerstattung des Mustereinfuhrzolles sicher zu stellen, muß der Reisende dem Eingangszollamt seine Gewerbelegitimation vorlegen. Innerhalb sechs Monaten hat er die beabsichtigte Ausfuhr der Muster dem Eingangsamt anzumelden, innerhalb eines[S. 176] Monats nach erfolgter Meldung muß die Ausfuhrprüfung stattgefunden haben.

Das Zollamt gibt sodann, nachdem die Muster gekennzeichnet sind (deutsche Plombierung reicht aus), eine Bescheinigung über die eingeführten Muster. Die Bescheinigung enthält die Bestätigung über den gezahlten Zoll. Die Ausfuhrprüfung kann auch von anderen Zollämtern als dem Eingangsamt vorgenommen werden. Dann ist indessen die Bescheinigung über die Uebereinstimmung dem Eingangsamt zu übersenden, das dann Zahlung veranlaßt. Ungestempelte Gold- und Silberwaren bedürfen einer Zollhinterlegung in fünf- oder zweifacher Höhe des eigentlichen Zollbetrages.

Die Schweiz.

unterscheidet zwischen Engros- und Detailreisenden. Sie zählt zu den Engrosreisenden alle Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibende und deren Reisenden, die Bestellungen auf Waren bei Kaufleuten oder Gewerbetreibenden aufsuchen, die gekaufte Ware in ihrem Geschäftsbetrieb verwenden. Wirtschaften, Pensionen, Hotels, Landwirte, landwirtschaftliche Schulen, Strafanstalten, Handwerker, Näherinnen zählen hier mit, soweit sie die Waren zum gewerblichen Bedarf beziehen. Reisende dürfen grundsätzlich nur Muster mit sich führen. Der Bundesrat kann Ausnahmen gestatten, wenn die sofortige Uebergabe der Ware üblich und notwendig ist. Gesuche müssen an die Kantonsregierung gerichtet werden. Ausnahmen für Branchen oder bestimmte Geschäftszweige können nicht gemacht werden. Waren, die nur überbracht werden, aber vorher bestellt waren, dürfen ohne Erlaubnis mitgeführt werden. In eine Buße bis zu 1000 Fr. werden Reisende[S. 177] genommen, die Waren bei sich führen, ohne Ausweiskarte reisen oder Private ohne besonderen Ausweis besuchen.

Legitimation. Reisende bedürfen der Gewerbelegitimationskarte. Sie bedürfen weiter eines Ausweises, den die Kantonsregierung, die Statthaltereien oder die Regierungskanzleien ausstellen. Der Ausweis gilt für das Kalenderjahr. Er kann auf mehrere Personen lauten und ist übertragbar. Lautet der Ausweis auf mehrere Personen, so kann er doch immer nur von einer Person gleichzeitig benutzt werden. Der Ausweis muß gegebenenfalls den Vermerk enthalten, daß dem Reisenden gestattet ist, Waren mit sich zu führen.

Steuern. Die Engrosreisenden sind steuerfrei. Die Detailreisenden müssen 150 Fr. für das ganze, 100 Fr. für das halbe Jahr Steuern zahlen.

Die Mustereinfuhr ist zollfrei, soweit die Muster keinen Gebrauchs- oder Handelswert haben. Bei anderen Mustern muß der Zollbetrag in bar oder in Sicherheiten hinterlegt werden. Deutsche Kennzeichen werden anerkannt, sonst werden die Muster gekennzeichnet, nachdem der Reisende die Wiederausfuhr in bestimmter Frist erklärt hat. (Frist nicht über ein Jahr.) Die Muster können über ein anderes als das Eingangsamt ausgeführt werden. Die Muster werden auf die Uebereinstimmung geprüft, der Zollbetrag wird alsdann zurückerstattet oder die Sicherheit freigegeben.

Serbien.

Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibende können Einkäufe machen und Bestellungen suchen, oder einkaufen und Bestellungen suchen lassen. Sie bedürfen nur der Gewerbelegitimationskarte und sind von Steuern befreit.

Die Mustereinfuhr ist zollfrei. Als Muster gelten[S. 178] Musterkarten oder Muster in Abschnitten. Flüssigkeiten gelten dann als Muster, wenn sie an Gewicht 50 Gramm nicht überschreiten. Für Warenmuster in festem Zustande ist 30 Gramm die Gewichtsgrenze. Sonst muß der Reisende den Zollbetrag zahlen oder ihn hinterlegen. Die Muster werden gekennzeichnet, soweit das nicht bereits in Deutschland geschehen ist. Der Handlungsreisende bekommt eine Bescheinigung, in der alle Muster und ihre Kennzeichen aufgeführt sind. Die Bescheinigung enthält auch den Zollbetrag und bestimmt die Frist zur Ausfuhr. Sie darf nicht mehr als drei Monate betragen. Für die Behandlung ist der Stempel zu entrichten. Die Ausfuhr kann über jedes Zollamt erfolgen. Nach festgestellter Uebereinstimmung wird der Zoll oder die Sicherheit zurückerstattet.

Spanien.

Deutsche Kaufleute, Fabrikanten oder Gewerbetreibende sind berechtigt, Waren einzukaufen und Bestellungen auf Waren zu suchen. Sie können damit Reisende betrauen.

Legitimation. Der Reisende bedarf der Gewerbelegitimationskarte und eines Ausweises.

Steuer. Der Reisende hat eine Steuer durch Lösung des Ausweises zu entrichten. Die Steuer beträgt für Reisende, die Edelsteine, Gold- oder Silberwaren im Muster mit sich führen, 190 Pes., für andere Reisende, die Waren kaufen oder Bestellungen suchen, 152 Pes. (1 Pes. = 0.80 Mk.). Von der Steuer sind Reisende befreit, die in Spanien aus dem Einkommen ihrer Reisetätigkeit Einkommensteuern zahlen und nur für ein Haus tätig sind.

Die Mustereinfuhr ist zollfrei, vorausgesetzt, daß sich aus dem Zustand der Muster ergibt, daß sie keinen Gebrauchs- oder Handelswert haben. Auch die Koffer[S. 179] sind zollfrei. Zollfrei sind auch Muster von Geweben, Filzen, Tapeten, die über die Kette nicht mehr als 40 cm messen. Stückbreite dürfen sie dagegen haben. Größere Muster sind nur dann zollfrei, wenn sie in Entfernungen von je 20 cm durch Einschnitte unbrauchbar gemacht werden.

Wachstuchmuster sind zollfrei, wenn sie nicht über 15 cm, Metallkabel-, Leisten-, Gesimsmuster, wenn sie nicht über 8 cm messen.

Weine sind zollfrei in Behältern, die nicht über 5 Deziliter Inhalt haben.

Alle übrigen Waren bedürfen der Zollhinterlegung. Sie können nur bei bestimmten Zollämtern eingeführt werden und nicht auf längere als einjährige Dauer. Zugelassen sind nur Reisende aus Ländern, die im Handelsvertrag mit Spanien stehen oder Spaniens Reisenden die gleichen Vergünstigungen gewähren. In solchen Fällen wird ein Verzeichnis der Muster angefertigt und die Muster werden mit Kennzeichen versehen. Die Ausfuhr muß über eines der bestimmten Zollämter erfolgen. Nach einer Prüfung der Muster und festgestellter Uebereinstimmung mit dem Freipaß wird der Zoll zurückgezahlt. Für Muster, die fehlen, ist der volle Zoll zu entrichten; ist das Jahr abgelaufen, so ist der ganze Zollbetrag verfallen.

Türkei.

Die Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibenden und deren Reisenden unterliegen keinerlei einschränkenden Bestimmungen.

Legitimation ist nicht erforderlich. Die Reisenden bedürfen nur eines Passes. Der Paß muß beim Eintritt in die Türkei und beim Verlassen des Landes visiert werden.[S. 180] Für die Inlandsreise bedarf der Reisende eines besonderen Passes (Teskireh). Um ihn zu bekommen, läßt sich der Reisende auf dem deutschen Konsulat nach Vorlegung seines Passes einen Antrag ausfertigen. Dafür wird eine kleine Gebühr erhoben. Die Zivilbehörde stellt sodann das Teskireh aus. Das Teskireh bedarf des Visums beim Betreten und beim Verlassen eines Hafenortes. Die Formalitäten werden am besten durch den Gasthausbesitzer erfüllt.

Steuern werden nicht erhoben.

Für die Muster ist ein Einfuhrzoll zu hinterlegen, der 8 Prozent des Wertes beträgt. 7 Prozent werden bei der Ausfuhr wieder zurückgezahlt, wenn die üblichen Bedingungen erfüllt sind. Für Gold- und Silberwaren bestehen bestimmte Zollsätze, der Zollbetrag wird nicht zurückgegeben. Um die Vergünstigung der Mustereinfuhr in Anspruch zu nehmen, muß der Reisende zwei Deklarationen ausfertigen. Eine bekommt er zurück. Darauf wird der Gesamtwert geschätzt und der Zoll dafür erhoben. Die Waren werden gekennzeichnet und dann für ihre Zwecke freigegeben. Für jede Plombe ist eine Gebühr von 10 Para zu entrichten. Bei der Ausfuhr ist die Bescheinigung mit der abgestempelten Erklärung vorzulegen. Nach erfolgter Prüfung der Uebereinstimmung werden 7 Prozent des Wertes zurückerstattet, vorausgesetzt, daß die Frist von sechs Monaten nicht überschritten ist. Ist das Ausstellungsdatum der Erklärung oder Bescheinigung radiert oder sonst verändert, so wird nichts zurückvergütet.

Muster ohne jeden Handels- und Gebrauchswert sind nicht dem Zoll unterworfen.

[S. 181]

Ein Schlußwort an die Auslandsreisenden.

Der Auslandsreisende, der nicht bereits länger Land und Leute kennt, der nicht für eine eingeführte Firma mit fester Kundschaft tätig ist, kann im Auslande leicht mehr als nur gute Geschäfte machen.

Kredit im Ausland.

Er kann sehr gute Geschäfte machen, wenn er nur nachgiebig im Kreditgeben ist. Da liegt aber gerade die Gefahr! Weniger groß ist diese in den nordischen Ländern, weniger groß in Frankreich, Oesterreich und dem nördlichen Ungarn. Je mehr der Reisende aber nach Süden kommt, je mehr er hineindringen muß in das Sprachengemisch slavischer Völkerschaften, um so vorsichtiger muß er werden. Die Balkanhalbinsel sei seiner besonderen Vorsicht empfohlen.

Der Reisende soll nicht sagen, daß er über alle Schwierigkeiten erhaben ist, wenn er die Sprache gut beherrscht und wirklich Land und Leute kennt. Die politische Unsicherheit in den slavischen und den Balkan-Staaten kann heute ein Geschäft ruinieren, das gestern noch leidlich gut war. Von solchen drohenden Wolken wird man aber nicht unterrichtet durch gelegentliche Besuche, auch nicht durch gründliche Kenntnis des Landes. Hier kann nur eine Vertrauensperson am Orte vor schweren Schaden bewahren. Ein deutscher Agent, eine deutsche Firma stellen die geeigneten Vertrauenspersonen in der Regel dar.

Am besten wird bei Aufträgen eine feste Anzahlung vereinbart, die bei Erteilung des Auftrages oder spätestens bei dem Eintreffen der Rechnung fällig ist. Der Restbetrag muß fällig sein, wenn der Spediteur die Ware[S. 182] bringt. Nur wo ganz sichere Verhältnisse herrschen, darf der Reisende von diesem Verfahren abweichen.

Der Auslandsreisende soll sich immer klar sein, daß er im fremden Lande ist. Besonders dann, wenn slavische Frauenschönheiten oder feurige, glutäugige Töchter der Romanen ihn verlocken wollen. Mehr noch als daheim muß sich der Reisende im Ausland vor den Schürzen und damit vor Händeln hüten. Er wird sonst als Ausländer — auch vor Gericht — in neunzig von hundert Fällen den Kürzeren ziehen.

Grundsätzliches.

Der Reisende darf nicht Kritik üben an den Einrichtungen des Landes, an dem Patriotismus, an der Religion seiner Bevölkerung. Kirchlichen Bräuchen wird er die Achtung erweisen, die der Religion auch seiner Mitmenschen zukommt. Besonders wird er das beachten, wo kirchliche Bräuche etwa in der Form von Prozessionen in die Oeffentlichkeit treten.

Er wird das „Allerheiligste“ grüßen und der Prozession seine Achtung erweisen, auch wenn er nicht gleich religiös empfindet. Das Versagen der Achtung muß provozierend wirken und die Taktlosigkeit wird von Jung und Alt, Vornehm und Gering als solche empfunden.

Der Reisende muß den Patriotismus des Gastvolkes achten. Damit will ich nicht sagen, daß der Reisende vergessen soll, wer er ist. Es ist ein grundsätzlicher Irrtum, anzunehmen, daß im Ausland, besonders bei Völkern, die ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und eine große nationale Vergangenheit haben, der Mann sich Achtung erringt, der seine Volkszugehörigkeit verbirgt oder verleugnet. Das Gegenteil ist der Fall.

[S. 183]

Der Auslandsreisende ist nicht nur für sein Haus tätig, er ist Reisender eines deutschen Hauses. Das legt ihm Pflichten auf, die Takt und Geschick erfordern. Nach Bismarck sind unsere Reisenden Pioniere der deutschen Kultur. Niemals würde es Bismarck eingefallen sein, unsere Reisenden zu Chauvinisten erziehen zu wollen. Gewiß wollte des Reiches erster Kanzler aber andererseits der Welt nicht das Schauspiel geboten wissen, daß deutsche Reisende nationaler Würdelosigkeit geziehen werden könnten. Der deutsche Reisende hat Grund, auf sein Vaterland stolz zu sein. Ein ruhiger, nicht aufdringlicher Stolz in nationaler Beziehung ist überall angebracht. Er ziert besonders den Auslandsreisenden, der sich in seinem Kreise der Verantwortung bewußt ist, die ihm die Angehörigkeit zu einem großen und emporstrebenden Volke auferlegt. Die kaufmännische Welt ist voll der Bewunderung für die kaufmännische Zuverlässigkeit unserer Reisenden. Möchte sie zu dieser Bewunderung auch die andere, unserer nationalen Zuverlässigkeit wegen, gesellen können.

Druck von Gebrüder Lüdeking, Hamburg