*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 75906 ***





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    Buches.




    Landesverein Sächsischer
    Heimatschutz
    Dresden

    Mitteilungen
    Heft
    5 bis 6

    Monatsschrift für Heimatschutz, Volkskunde und Denkmalpflege

    Band XV

    _Inhalt_: Der Schellerhauer Pflanzengarten – Floristisches aus
    dem Triebischtale – Am Grabe des Marienberger Silberbergbaues
    – Der alte Schrank – Wappen der Stadt Kamenz – Ein Beitrag
    zur Frage der Steinkreuze – Schwarzenberger Edelweiß – Die
    höheren Pilze der Dresdner Heide – Der Friedhof in der Dresdner
    Gartenbauausstellung – Bücherbesprechungen: Die Wenden –
    Sächsische Sagen – Sächsisches Lachen – Heimat

  Einzelpreis dieses Heftes 3 Reichsmark

  Geschäftsstelle: Dresden-A., Schießgasse 24

  Postscheckkonto: Leipzig 13987, Dresden 15835
        Stadtbank Dresden 610

  Bankkonto: Commerz- und Privatbank,
  Abteilung Pirnaischer Platz, Dresden
  Bassenge & Fritzsche, Dresden

  Dresden 1926




_Wir bitten höflichst, die Beitragszahlungen zu bewirken._


Die Mitglieder des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz erhalten
gegen Vorzeigung eines Ausweises durch unsere =Geschäftsstelle
Dresden-A., Schießgasse 24=

für die Gartenbauausstellung

Eintrittskarten zu M. —.90 (sonst M. 1.50)

für den Zoologischen Garten

Eintrittskarten zu M. —.60 (sonst M. 1.—)

Unsere Geschäftsstelle Dresden-A., Schießgasse 24, ist

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für den Kartenverkauf geöffnet.


Anmerkung: Wegen der Weiterlieferung der Schrift

»Bauberatung«

(zu vergleichen die zweite Umschlagseite Heft 1/2 dieses Jahres)
=berichten wir im Heft 7/8, Band XV=, da noch immer Bestellungen
eingehen, die zur Gewinnung eines Gesamtüberblickes berücksichtigt
werden müssen.




    Band XV Heft 5/6      1926

[Illustration: Landesverein Sächsischer Heimatschutz Dresden]

Die Mitteilungen des Vereins werden in Bänden zu 12 Nummern
herausgegeben

Abgeschlossen am 31. Juli 1926




Der Schellerhauer Pflanzengarten

Von _Josef Ostermaier_, Dresden-Blasewitz

Mit Aufnahmen des Verfassers


Wie viele Tausende sind daran schon vorbeigegangen, ohne zu ahnen,
welche Pflanzenschätze hier verborgen sind, in dem Heim, das sich der
verstorbene frühere Inspektor des Botanischen Gartens in Dresden, G. A.
Poscharsky, nach seinem Abgang 1906 dort geschaffen hatte.

In mehreren Felsengruppen hat derselbe dort die wichtigsten und
schönsten Alpenpflanzen angesiedelt und kultiviert, die bei den
ihnen dort außerordentlich zusagenden klimatischen Verhältnissen zu
prächtiger Entwicklung und Blüte gelangten, wie man sie in botanischen
Gärten und alpinen Anlagen des Tieflandes vergeblich suchen würde.

Wieder einmal war unser Heimatschutz der rettende Engel, der diese
Stätte vor dem Verfall und der Auflösung bewahrt hat. Nachdem das
Poscharskysche Grundstück in den Besitz des Staates übergegangen war,
ward der Pflanzengarten an den Tharandter Forstgarten und weiterhin,
nach Berufung des Professors Dr. Neger an die Technische Hochschule zu
Dresden, als »Alpenpflanzen-Anzuchtstation« an den Botanischen Garten
zu Dresden angeschlossen. In der Zeit höchster wirtschaftlicher Not
versiegten die Mittel zur Unterhaltung, der Garten blieb länger als
ein Jahr ohne Pflege und verfiel mehr und mehr.

Da hat denn noch zur rechten Zeit der Sächsische Heimatschutz
eingegriffen, dem das Finanzministerium dankenswerterweise
vertragsmäßig die Verfügung über den Garten zu Heimatschutzzwecken
überlassen hat.

[Illustration: Abb. 1. =Alpenanemone= (~Anemone alpina~)]

Ein staatlicher Forstwart und seine Frau sorgen für die nötige
Beaufsichtigung und Ordnung in demselben, während ein Mitglied
unserer Naturschutzabteilung in anerkennenswertester Weise die
wissenschaftliche Leitung und Beaufsichtigung des Unternehmens
übernommen hat. Seine Hand macht sich schon allenthalben fühlbar, so
z. B. in der Neuanlage mehrerer Felsengruppen, in der systematischen
Ordnung und Umpflanzung der vorhandenen Pflanzenbestände und deren
Bereicherung durch Neuerwerbungen. Unter seiner Leitung sind Anlagen
geschaffen worden, die vor allem dem Gedanken des Naturschutzes
Rechnung tragen sollen. Außer zwei Quartieren mit weit über
hundert wildwachsenden, besonders charakteristischen und deshalb
schätzenswerten Pflanzen des Gebirges und des Hügellandes gibt es ein
Beet mit den gesetzlich geschützten Pflanzen. Eine Zusammenstellung
der schönsten und auffallendsten Pflanzen unserer europäischen Alpen
wird besonders den Alpenwanderern willkommen sein. Zur Bereicherung des
Gartens mit neuen Pflanzen haben der Dresdener Botanische Garten und
der Dresdener Zentralschulgarten das meiste beigetragen. Vieles ist aus
nahen und fernen Pflanzengebieten des Landes herbeigeholt worden.

[Illustration: Abb. 2. =Blagays Seidelbast= (~Daphne Blagayana~)]

Man muß die Bemühungen unseres Pflanzengartenvaters um so höher
einschätzen, als die Anlage eineinhalb Stunden Wegs von den nächsten
Bahnstationen – Kipsdorf oder Altenberg – entfernt ist und deren
Erreichung mit erheblichem Zeitaufwand und auch körperlicher
Anstrengung verknüpft ist. Es scheint aber dem Verwalter, der selbst
ein Freund und Kenner der Alpenflora ist, eine besondere Freude zu
bereiten, hier seine Lieblinge aus den Alpen zu hegen und zu pflegen
und auch weiteren Kreisen zu genußreicher Anschauung zu bringen. Wirken
diese Kinder Floras ja hier in der Höhe von siebenhundert Metern in der
reinen Gebirgsluft und dem strahlenden Sonnenschein, in der ernsten,
schon fast subalpinen Charakter tragenden Landschaft doch auch ganz
anders, als inmitten der großstädtischen Umgebung unserer botanischen
Gärten.

Aber nicht allein vom ästhetischen Standpunkte ist die Angelegenheit
zu betrachten. Derselben kommt auch eine nicht unerhebliche
wirtschaftliche Bedeutung zu. Zunächst können hier Alpenpflanzen
in größerem Maßstabe gezüchtet und vermehrt, Pflanzen und Samen
an Interessenten käuflich abgegeben werden, was auch ganz in den
Rahmen der Heimatschutzbestrebungen paßt, um damit dem Ausgraben
wildwachsender Pflanzen entgegenzutreten, was überdies auch nach den in
den verschiedenen Alpenländern bestehenden Schutzvorschriften verboten
ist.

[Illustration: Abb. 3. =Krainer Himmelschlüssel= (~Primula Carniolica
Jacq.~)]

Man wird hier auch in einer eventuell noch anzugliedernden besonderen
Abteilung Versuche mit der Züchtung von Obst, Gemüse, Blumen usw.
machen können, um für solche Höhenlagen geeignete Sorten ausfindig zu
machen oder heranzüchten zu können, was gerade für unser Erzgebirge
und Vogtland von großer Bedeutung werden könnte. Das ist natürlich
Zukunftsmusik und bedarf noch erheblicher Mittel und sachkundiger
Leitung.

[Illustration: Abb. 4. =Wulfens Himmelschlüssel= (~Primula Wulfenia
Schott~)]

Zunächst freuen wir uns der farbenfrohen Erscheinungen unserer
Alpenpflanzen, die hier in einer Höhenlage, die in klimatischer
Beziehung einer solchen von fünfzehnhundert bis eintausendachthundert
Metern in den Alpen entspricht, ganz prächtig gedeihen.

[Illustration: Abb. 5. =Clusins Himmelschlüssel= (~Primula Clusiana
Tausch~)]

_Edelweiß_ z. B., das im Tieflande sofort degeneriert und seine
schneeige Behaarung verliert, leuchtet uns hier mit seinen
blütenweißen Sternen wie in den Alpen entgegen. _Alpenrosen_, sowohl
die rostfarbige, wie auch die rauhhaarige Art, bilden große, purpurn
leuchtende Büsche. Dazwischen stehen _Gentianen_ in verschiedenen
großen und kleinen Arten, die _Alpenrebe_ entfaltet an dichten Ranken
ihre zahlreichen violetten Glocken, auch die _Alpenanemone_, die ich
noch selten in botanischen Gärten blühend angetroffen habe, gedeiht in
dieser Höhe ganz prächtig, und von halbmeterhohen Stengeln leuchten uns
die weißen Blütensterne und Büschel der narzissenblütigen Alpenrose
schon von Weitem entgegen.

[Illustration: Abb. 6. =Klebriger Himmelschlüssel= (~Primula hirsuta
All.~ = ~P. viscosa Vill.~)]

Aber was mich am meisten entzückt hat, das war bei meinem letzten
Besuche am 28. April der geradezu staunenswerte Blütenflor der
alpinen _Primeln_. Diese scheinen sich dort oben ganz besonders
wohl zu fühlen, und ich habe sie noch nie in botanischen Gärten in
so üppiger Entwicklung gesehen wie hier. Von unserer geschützten
gelben Alpen-Aurikel (~Primula auricula~) angefangen, waren so
ziemlich alle wichtigeren Aurikelarten unserer Alpen vertreten: Die
prächtige _~Primula marginata~_ der Seealpen, die _~Primula hirsuta
All.~_ der West- und Zentralalpen, die schöne _~Pr. venusta~_, die
_~Pr. Clusiana~_, _~Wulfeniana~_ und _~carniolica~_ der Ostalpen
und südlichen Kalkalpen neben dem Habmichlieb (~Pr. minima~) des
Riesengebirges und verschiedene ausländische Arten. Dazwischen duftete
aus einer üppigen Blütenfülle der _gelbweiße Seidelbast_ (~Daphne
Blagayana~) aus den Krainer Bergen und leuchteten die zierlichen
Blütensterne der _rautenförmigen Schmuckblume_ (~Callianthemum
rutifolium~) neben gelben und weißen _Steinbrecharten_, _lieblichen
Soldanellen_, _rosenroten Mannsschilden_, _Gemskresse_ und anderen
alpinen Gewächsen. Auch Orchideen, vor allem unser schöner – in Sachsen
leider ausgestorbener – _Frauenschuh_, sind zu schauen.

So kann man diesem jüngsten Pflegekinde unseres rührigen Heimatschutzes
nur bestes Gedeihen und recht zahlreichen Besuch wünschen.




Floristisches aus dem Triebischtale

Von Studienrat Prof. _O. Leonhardt_, Nossen

Mit Aufnahmen von Josef Ostermaier, Dresden-Blasewitz


Das an landschaftlichen Schönheiten reiche Triebischtal besitzt auch
eine ganze Reihe botanischer Seltenheiten. An einem steilen Hange, wo
eine schmale Bank silurischen Kalkes von kulmischen und devonischen
Ablagerungen umschlossen wird, findet sich die in Abbildung 1
dargestellte =stinkende Nieswurz= (~Helleborus foetidus L.~), eine
zur Familie der Hahnenfußgewächse gehörende Giftpflanze. In den
alten Auflagen der »Exkursionsflora für das Königreich Sachsen« von
Wünsche, sollte diese seltene Pflanze »aus Dorfgärten verwildert« an
der Schloßmauer des Rittergutes Schilbach bei Schöneck i. V. wachsen.
Trotzdem ich als Schönecker Kind die Gegend genau kenne, ist es mir nie
gelungen, die Pflanze dort aufzufinden. Es lag sicher ein Irrtum vor,
eine Verwechselung mit der grünen Nieswurz (~Helleborus viridis L.~),
welche in den vogtländischen Bauerngärten hin und wieder als Frühblüher
anzutreffen ist. Groß war daher meine Freude, der Langgesuchten im
Triebischtale zu begegnen. Da ein sicher nachgewiesener Standort
aus Sachsen nicht bekannt war, vermutete ich zunächst einen
Gartenflüchtling vor mir zu haben. Angestellte Untersuchungen und
Nachfragen bei den Ortseingesessenen sowie genaue Beobachtung der
Pflanze seit drei Jahrzehnten brachten mir die Überzeugung, daß wir
es hier mit einem ursprünglichen Standort zu tun haben. Für solche,
nur einer bestimmten Gegend eigentümliche Pflanzen (endemische)
gibt es ja außerordentlich viele Beispiele. Ich erinnere nur an den
zierlichen im Uttewalder Grund vorkommenden Hautfarn (~Hymenophyllum
Tunbrigense L.~), welcher sich dann erst wieder in Luxemburg, auf den
Britischen Inseln, auf Korsika, Madeira, in Südafrika, Australien und
Polynesien findet. Herrn G. Zieschang in Kaufbach ist es nach einer
mir brieflich zugegangenen Mitteilung geglückt, in diesem Jahre einen
zweiten Standort der stinkenden Nieswurz im Triebischtale aufzufinden.
Die Besiedelung dieses neuen Ortes ist sicher von dem erstentdeckten
Standorte aus erfolgt und es ist nur zu wünschen, daß die Pflanze sich
dort hält. Herr Zieschang hat die Nieswurz bereits 1911 photographiert
und ein Bild samt Beschreibung in der Heimatsammlung Wilsdruff
niedergelegt. Auch er ist der Meinung, daß ~Helleborus~ hier seine
Heimat hat. Die stinkende Nieswurz findet sich in Portugal, Spanien,
Italien, England, Schottland, der Schweiz, in Steiermark, Tirol und
im südwestlichen Deutschland, besonders im oberen Rheintal. Von dort
aus hat sie sich bis nach Holland verbreitet und ist auch in einige
Nebentäler des Rheines eingedrungen.

[Illustration: Abb. 1. =Stinkende Nieswurz= (~Helleborus foetidus L.~)]

Da sich in den Floren meist nur eine kurze Diagnose findet, will ich
in folgendem eine etwas ausführlichere Beschreibung der Pflanze geben.
Die stinkende Nieswurz, auch Bärenfuß, Feuerwurz, Teufelskraut oder
Wolfszahn genannt, besitzt einen bis zu fünfundzwanzig Zentimeter
langen spindelförmigen, ästigen, schwarzbraunen, im Alter vielköpfigen
Wurzelstock, welcher mit vielen starken und ästigen Fasern versehen
ist. Der bis zu sechzig Zentimeter hohe dicke, stielrunde, kahle und
dicht beblätterte Stengel ist nach oben rispig verästelt und daselbst
kurz drüsenhaarig. Bemerkenswert ist die transversal geotropische
Anpassung der Stengel an den steilen Standort. (Abb. Nr. 2.) Auf
_ebenem_ Boden gezogene Pflanzen behalten sogar diese Eigentümlichkeit
bei, und manche Botaniker wollen darin eine »Vererbung erworbener
Eigenschaften« erblicken. Die nicht blühenden Stengel sind samt den
Blättern ausdauernd. Die unteren Stengelblätter sind langgestielt,
lederartig, starr, kahl, oberseits dunkelgrün, auf der Rückseite etwas
bleicher und bestehen aus sieben bis neun schmallanzettlichen spitzigen
Blättchen. An den blütentragenden Stengeln finden sich gleich über dem
Erdboden einzelne Seitenäste, welche sich in Wurzelköpfe und später in
blühende Stengel umwandeln. Die oberen Blätter der blühenden Pflanzen
bestehen nur aus einigen schmalen kleinen Zipfeln, welche auf großen
elliptischen Scheiden sitzen und allmählich an den Verzweigungen der
Rispe in große, eiförmige, bleichgelbgrüne Deckblätter übergehen.
Die unscheinbaren _Blüten_ sind klein, nickend, grün und gewöhnlich
purpurrot gesäumt. An Schönheit des Aussehens kann sich die stinkende
Nieswurz mit ihren Schwestern, der bekannten Christrose mit rein
weißen Blüten (~Helleborus niger L.~), der in Dorfgärten öfters
anzutreffenden grünen Nieswurz (~Helleborus viridis L.~), der in
den Transsilvanischen Alpen heimischen, prächtigen, purpurrötlichen
Nieswurz (~Helleborus purpurascens W~ u. ~K~) oder gar mit den in
großen Gärtnereien gezüchteten hybriden Formen – durchaus nicht
messen. Alle Nieswurzarten besitzen innerhalb ihrer fünf bis sieben
Blütenblätter große tütenförmige Nektarien. Die reifen Pollenblätter
wenden sich nun immer so, daß sie direkt über das Honigmal zu liegen
kommen, so daß jedes naschende Insekt unbedingt die Staubbeutel
streifen und so für Fremdbestäubung sorgen muß. Die breit rundlich
abgestutzten _Kelchblätter_ erscheinen gelblichgrün, die _Staubgefäße_
erreichen ziemlich die Länge der Kelchblätter. Die stinkende Nieswurz
steht Ende März in voller Blüte, ich fand aber auch bereits im Februar
blühende Pflanzen. Ihren Beinamen trägt unsere Pflanze deshalb, weil
Wurzel und Blätter einen unangenehm stinkenden Geruch besitzen. In der
Apotheke dürfte ~Helleborus foetidus~ kaum noch Verwendung finden.
Früher lieferte er die ~Rhizoma Hellebori foetidi seu Helleborastri~.
In Süddeutschland soll der Absud der Wurzeln und Blätter vom Volke
heute noch als Mittel gegen Läuse gebraucht werden. Das in der Pflanze
enthaltene Gift, ~Helleborin~ genannt, erzeugt starke Reizung der
Schleimhäute, ruft Erbrechen und Durchfall hervor und wirkt lähmend.
In einem alten Kräuterbuch aus dem Jahre 1711 heißt es sogar von
unsrer Pflanze: »Dieweil sie giftig, werden die Wölf und Füchs damit
gefangen«. Nach meinen Beobachtungen hat sich unsre Nieswurz in den
letzten Jahrzehnten ständig vermehrt, so daß man wohl erwarten darf,
daß dieses seltne Naturdenkmal unsrer Heimat noch auf lange Zeit
erhalten bleiben wird.

[Illustration: Abb. 2. =Stinkende Nieswurz= (~Helleborus foetidus L.~)]

An derselben Stelle, wo ~Helleborus foetidus~ vorkommt, findet sich
noch eine zweite botanische Seltenheit, das =Liegende Seifenkraut=
(~=Saponaria ocimoides L.=~) Abbildung 3. Das niederliegende
(richtiger: Basilikum ähnliche) Seifenkraut gehört einer Unterabteilung
der Nelkengewächse (~Caryophyllaceen~) den ~Silenoideen~ an. Es
ist eine Verwandte des bekannten echten Seifenkrautes (~Saponaria
officinalis L.~), welches sich von Vorderasien aus über ganz Europa
erstreckt, ziemlich große weiße oder rötliche Blüten besitzt,
vielfach gefüllt – in Gärten und Friedhöfen angepflanzt und daraus
verwildert ist und in seiner Wurzel uns das auch zu technischen
Zwecken benützte ~Saponin~ liefert. Unser niederliegendes Seifenkraut,
welches sich unter ähnlichen Verhältnissen auch bei Pillnitz findet,
wurde schon vor zwanzig Jahren an dieser Stelle des Triebischtales
beobachtet. Es ist eine ausgesprochene Alpenpflanze, welche in ihrer
Heimat bis zu einer Höhe von zweitausend Metern emporsteigt und ihre
nördlichste Grenze am Bodensee erreicht. Das reizende Pflänzchen
besitzt wohlriechende rote, manchmal auch weißliche Blüten, ist in
Gärten Rothschönbergs und der andern umliegenden Dörfer angepflanzt
und als Gartenflüchtling dahin gelangt. Nach Kerner von Marilaun ist
es ein bodenlagerndes ausdauerndes Gewächs, d. h. der ganze liegende
Mittelstamm stirbt alljährlich am Schlusse der Vegetationsperiode
mit all seinen Verzweigungen ab. Es besitzt dafür unterirdisch
ausdauernde Niederblattstämme, aus denen in jedem Frühjahr neu
belaubte Mittelblattstämme emporgetrieben werden, die sich – sobald
das Sonnenlicht erreicht ist, sofort auf die Erdoberfläche hinlegen
und ihre grünen Blättchen in zwei oder drei Zeilen ordnen. Daher
ist im zeitigen Frühjahr von der Pflanze noch gar nichts zu sehen.
Auffallend ist, daß in dem von Prof. Schorler herausgegebenen »Wünsche,
die Pflanzen Sachsens« unser Seifenkraut nicht mit aufgenommen ist,
obgleich der Standort – wie ich bestimmt weiß – meinem verstorbenen
Freunde mitgeteilt war und er das Pillnitzer Vorkommen doch sicher auch
kannte. Viele deutsche Floren führen ~Sap. ocim.~ nicht auf, wohl aber
tut es Garcke, welcher »bei Lindau am Seeufer« und »am Mittenwalder
Gsteig« als Fundstellen angibt. Wie alle andern Artgenossen ist auch
unsere Pflanze eine Falterblume. Françé behauptet sogar, daß gerade
~Sap. ocim.~ sich durch _außerordentlichen_ Falterbesuch auszeichnet;
besonders gerne soll der Taubenschwanz oder Karpfenkopf (~Macroglossa
stellatarum L.~), ein mittelgroßer, ziemlich dunkel gefärbter, im
Sonnenschein fliegender Schwärmer ständiger Gast sein. Ein erst
kürzlich ausgeführter Besuch dieses interessanten Standortes bestätigte
mir aufs neue, daß ~Sap.~ leider wieder im Verschwinden begriffen ist.
Während noch vor fünf Jahren der Hang zur Blütezeit vollständig rot
überzogen war, finden sich jetzt nur noch einzelne Pflänzchen.

[Illustration: Abb. 3. =Liegendes Seifenkraut= (~Saponaria ocimoides
L.~)]

Weiter oben im Triebischtale steht, wie auch in anderen Seitentälern
und feuchten Gründen unseres Elbgeländes der =Aronstab= (=~Arum
maculatum L.~=), Abbildung 4, auch Aronskindlein, Eselsohren, Freßwurz,
Zehrwurz, Pfaffenkind, Veronikawurz genannt. Ich kenne den Aronstab aus
vielen Gegenden Sachsens, nirgends aber ist er mir in solcher Menge und
in solchen Riesenexemplaren entgegengetreten wie hier. Der Aronstab
macht den Eindruck eines Fremdlings in unserer Flora, und namentlich
die Blüten haben zu allen Zeiten die Aufmerksamkeit der Leute erregt.
Er gehört den Aronstabgewächsen (~Aroideen~) an, und in der Tat sind
von zirka achthundert bekannten Arten dieser Familie über neunzig
Prozent in den Tropen heimisch. In Sachsen finden sich nur noch zwei
Vertreter dieser Familie, die Schlangenwurz (~Calla palustris L.~),
welche ich in den Teichen bei Kirchberg und Pausa beobachtet habe und
der im 16. Jahrhundert erst aus Südasien eingeführte Kalmus (~Acorus
Calamus L.~). Der Aronstab ist ein Bewohner feuchter Laubwälder,
erscheint im zeitigen Frühling, und seine großen pfeilförmigen dünnen
Blätter sagen uns, daß wir es mit einer Schattenpflanze zu tun haben,
welche mit dem geringen ihr zur Verfügung stehenden Licht sehr sparsam
umgehen muß. Die Blätter sind öfters mit dunklen Flecken (Wärmeschutz)
versehen und werden von allen Tieren gemieden. Nur die Raupe der
Aron-Eule (~Agrotis Janthina Esp.~) nährt sich von ihnen mit besonderer
Vorliebe und nur nebenbei von Nessel- und Schlüsselblumengewächsen.
Kaut man ein Stück des Blattes, so »zwackt es die Zungen, gleich als
steche man sie mit den allerfeinsten Dörnern«. Dieses »Zwacken« rührt
von Bündeln feiner, aus oxalsaurem Kalk bestehender Kristalle her,
welche als Raphiden bezeichnet werden und ein unfehlbares Schutzmittel
gegen Tierfraß darstellen. Ganz fremdartig erscheint uns auch die
Blüte, welche botanisch richtiger als Blütenstand anzusprechen ist.
Die große tütenförmige, von einem grünlichweißen Hüllblatt gebildete
Scheide ist in geringer Höhe über dem Grunde stark eingeschnürt, so
daß unten eine kesselartige Erweiterung entsteht. In der Scheide
befindet sich eine Spindel, welche oben keulig verdickt ist und eine
trübpurpurne Farbe und einen widerlich fauligen Geruch besitzt.
Darunter an der Einschnürstelle sitzt ein Kranz abwärts gerichteter
starker Fäden, die Haarreuse, unter ihr ein zweiter Kranz von
Staubblüten und darunter die Stempelblüten, aus welchen sich zur Zeit
der Fruchtreife rote giftige Beeren entwickeln. Da die Staubgefäße
erst stäuben, wenn die Narben bereits verschrumpft sind, die Pflanze
also protogyn ist, kann nur Fremdbestäubung möglich sein. Diese
besorgen vor allen Dingen der Gattung ~Psychoda~ angehörige Mücken,
insbesondere die ~Psychoda phalaenoides L.~ Viertausend dieser kleinen
Tierchen sind bereits auf einmal in _einer_ Blüte gezählt worden. Wie
es scheint, sind es aber nicht nur Blütenstaub und Nektar, welche
diese Tierchen anlocken, sondern es ist noch etwas anderes. Zur
Blütezeit des Aronstabes sind die Nächte teilweise noch recht kalt.
Wenn die Insekten nun in den Kessel kriechen, so finden sie neben den
Nahrungsstoffen auch noch eine recht hübsch eingerichtete Wärmstube
vor. Genaue Messungen haben ergeben, daß die Temperatur im Kessel um
durchschnittlich acht Grad höher ist, als die Außentemperatur. Bei
einer unserm Aronstab äußerlich sehr ähnlichen Art Südeuropas (~Arum
italicum L.~) sind bei einer Lufttemperatur von achtzehn Grad im Kessel
bis vierundvierzig Grad gemessen worden. Man ersieht daraus, daß die
modernen Wärmstuben der Großstädte durchaus nichts Neues darstellen.
Die in den Kessel eingedrungenen Insekten werden zwar einige Tage ihrer
Freiheit beraubt, bis die Haarreuse erschlafft und den Ausgang nicht
mehr wehrt; da aber genügend Nahrung vorhanden ist, muß es für die
kleinen Gefangenen ein sehr angenehmes Gefängnis sein. – Der Aronstab
ist ein ausdauerndes Gewächs. Die am Grunde sitzende walnußgroße Knolle
gibt die in ihr aufgespeicherten Nährstoffe im Frühling ab; dafür
bildet sich nach der Blüte eine neue Knolle.

[Illustration: Abb. 4. =Aronstab= (~Arum maculatum L.~)]

Offizinell scheint der Aronstab – außer bei der Homöopathie – kaum
noch zu sein, während er in früheren Zeiten als Heilmittel eine
große Rolle spielte. In einem alten »~Thesaurus Pharmaceuticus~ oder
Apotheker-Schatz von L. Christoph Hellwig« aus dem Anfang des 18.
Jahrhunderts wird in einem dem Laien kaum verständlichen Gemisch
von Deutsch und Latein eine lange Reihe von Krankheiten aufgeführt,
welche er unbedingt zu heilen imstande sei. Zum Schluß dieses
kuriosen Aufsatzes heißt es: »Aaron-Wurtzel mit Wein praeparirt: Das
Wasser hiervon dienet wider gifftige Krankheiten, ja wider die Pest
selbst.« Der die außerordentliche Schärfe des Aronstabes und aller
anderen Araceen bedingende Stoff ist nicht bekannt; man hat als
giftige Bestandteile dem ~Saponin~ nahestehende Stoffe nachgewiesen;
ferner enthält die Pflanze Blausäure, frei oder locker gebunden. Die
Giftstoffe sind sehr flüchtig und verlieren beim Trocknen ihre Schärfe.
Die einundsiebzig Prozent Stärke enthaltenden Knollen (~tubera Ari~)
sollen in manchen Gegenden gemahlen und dem Brotmehle zugesetzt werden,
ja sogar als Portland-Sago in den Handel kommen.

Auch in Sage und Geschichte spielt der Aronstab eine Rolle. Nach einer
namentlich in Süddeutschland geläufigen Sage sollen Josua und Kaleb
bei der Auskundschaftung Kanaans den heiligen Stab Aarons mitgeführt
und auf ihm die große Weintraube heimgetragen haben. Dieser Stab sei
dann achtlos in die Erde gesteckt worden, und aus ihm sei unsre Pflanze
hervorgewachsen. Auch der Aberglaube hat sich der Pflanze bemächtigt,
sie soll ins Bette gelegt oder unter der Tür vergraben, allem Bösen den
Eintritt ins Haus verwehren.

Es bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung, daß die hier geschilderten
seltenen Pflanzenvorkommnisse – deren Standorte übrigens sehr
versteckt und nur schwer aufzufinden sind – weitestgehenden Schutzes
bedürfen und das Entnehmen von Pflanzen oder gar Ausgraben solcher
unbedingt zu unterlassen ist. Die behördlichen Organe der Umgegend,
Gemeindeverwaltungen und Lehrer sind bereits darauf hingewiesen und es
ist zu hoffen, daß durch allseitiges verständnisvolles Zusammenwirken
diese Naturdenkmäler unserer Gegend noch recht lange erhalten bleiben,
sich vielleicht sogar vermehren und an weiteren Orten ansiedeln.




Am Grabe des Marienberger Silberbergbaues

Von Studienrat _Bogsch_, Chemnitz


Wer sich von Norden oder Süden, von Westen oder Osten dem
lieblichen Grunde nähert, in dem sich Marienbergs Häuschen um die
mächtige Zwiebelkirche huscheln, sieht allüberall an den Hängen
fichtenbestandene Halden aufbuckeln, Märcheninseln im wogenden Meer
der Halme, Warzen im struppigen Waldgesicht. In reizvoll schwingenden
Reihen ziehen sie ins Tal hinab, sanft von Grün gerundet, in ganzen
Gruppen, wie wilde Wegelagerer tauchen sie zwischen den Stämmen der
Waldstücke auf. Neben ihnen kauern sich Bingen in den Waldboden,
strudeln Trichter in die Tiefe, als ob Granaten größten Kalibers vor
Jahrzehnten und Jahrhunderten hier eingeschlagen wären. Der Kundige
weiß, daß diese Bodenwellungen nicht natürliche Geländefalten sind,
sondern Zeugnisse riesiger Erdbewegungen durch Menschenhand, Zeugnisse
zähester und mühevollster Wühlarbeit durch Jahrhunderte hindurch. Dem
Bergbau verdankt das Gelände diese seine eindringliche Gestaltung. Der
Bergbau hat hier von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wie auf einer Merktafel
seine Fortschritte verzeichnet, sozusagen auf eine Ebene projiziert,
so daß wir jetzt in dichtem Gewirre neben- und übereinander sehen,
was in der Geschichte nacheinander lebte. Die Stätten rastloser
Arbeit und köstlichen Gewinnes an blinkendem Erze liegen nun tot in
grauer Öde. Noch klingt zwar zu bestimmten Stunden das Bergglöckchen
von Marienbergs stattlichem Turm, aber es wimmert und klagt, nur von
wenigen verstanden, über ein Gräberfeld hin.

Wie auf einem Friedhof Grabsteine stürzen und Grabhügel verfallen,
um die sich niemand kümmert, so droht auch hier dumpfe Vergessenheit
über ein Stück großartiger Heimatgeschichte zu kriechen, drohen die
Denkmäler und Urkunden zu zerbröckeln, die eindringlich von der
ungeheuren, bergeversetzenden, alles in seinen Bannkreis ziehenden
Bergarbeit von Jahrhunderten erzählen, von des Gebirges verborgenen
Silberschätzen, von freudebangem Reichtumshoffen zuströmender
Schürferscharen und mühseligem, ermattendem Ringen ernster Bergleute
mit den mißgünstigen Gewalten der Tiefe und mit widrigen Zeitumständen.

Fast alle die über Tage schlafenden Schöpfungen des Bergbaues
verschwinden allmählich als tote und nutzlose Überreste einer
vergangenen Zeit, ohne daß man irgendwie versucht, wenigstens ihr
Andenken zu bewahren. Die Land- und Forstwirtschaft zielt darauf hin,
wo es angängig ist, die störenden Halden und Bingen zu beseitigen.
Die Grubengebäude, die sich einst stimmungsvoll in die Landschaft
fügten, sind schon fast überall verschwunden, nur selten sieht man noch
schlichte Huthäuser, alte Bergschmieden und verfallene Pulverhäuschen.
Von den reizvollen, spitzen Göpelhäusern ist jede Spur hinweggetilgt.
Die Stollenmundlöcher verwachsen, die Röschen sind zusammengestürzt,
die Kunstgräben haben sich in den Dienst moderner Industrien stellen
müssen, um nicht beseitigt zu werden, die Teiche mußten dasselbe tun
oder wurden trocken gelegt, die Pochwerke und die Wäschen hat man
weggerissen oder zu Mühlen umgebaut, die Hütten kennt kein Mensch mehr.

Zwar leben in und um Marienberg noch Leute genug, die sich an
Einzelheiten der bergbaulichen Ortskunde erinnern können. Aber ihre
Angaben sind oft unzuverlässig und auch sie werden einst ausgestorben
sein. Es gilt deshalb, das Wenige, was noch an bergbaulichen Überresten
um Marienberg vorhanden ist, aufzusuchen, eindeutig zu bestimmen und in
Wort und Bild, vielleicht auch durch einen schlichten Namensstein am
Wegrand die Erinnerung daran festzuhalten.

Den Anfang einer Sammlung bietet das Marienberger Heimatmuseum.
Die leider schon vorhandene Kärglichkeit der Ausbeute an baulich
und volkskundlich beachtenswerten Überresten hat vielleicht Bleyl
davon abgehalten, auch das Marienberger Gebiet in seine Darstellung
einzubeziehen. Literarische Hilfsmittel zur Erforschung des Gebietes
dürften aus neuerer Zeit nur spärlich vorhanden sein. Paul Roitzschs
Festschrift vom Jahre 1921[1] gibt einige Aufschlüsse über Lage der
Berggebäude am Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Im übrigen sind
geschichtliche Studien nötig. Besonders wertvolle Aufschlüsse über
Namen und Lage der Berggebäude am Ende des achtzehnten Jahrhunderts
erhält man aus dem Werk des verdienten Marienberger Bergmeisters v.
Trebra: »Erklärungen der Bergwerks-Charte von dem wichtigsten Theil der
Gebürge im Bergamtsrefier Marienberg«, (1770), dem die Bergwerkskarte
von Charpentier beigegeben ist. Noch weiter zurück führen uns die
»~Ichnographia Territorii Mariaebergensis~« von Adam Schneider aus dem
Jahre 1680 (im Marienberger Heimatmuseum) und die Bergwerksakten im
Marienberger Stadtarchiv (II 17,6~b~, Akten und gesammelte Urkunden
zur Stadt- und Berggeschichte), von denen für das sechzehnte
Jahrhundert am wichtigsten das »Vortzaichnüs aller Zechenn vnd gebäude
vff S. Marienbergk« vom Quartal Reminiscere 1592 sein dürfte. Eine
genauere Forschung muß sich im übrigen an die Durcharbeitung der
Einzelgrubenakten und des Kartenmaterials im Oberbergamt zu Freiberg
machen.

Das eigentliche Silberfundgebiet des Marienberger Reviers liegt im
Westen, Norden und Osten der Stadt. Hier ziehen sich, wie man jetzt
noch deutlich an der Richtung der oft kilometerlangen Haldenreihen
beobachten kann, beinahe vom Zschopauufer bis hinüber an die Pockau
die Erzgänge, die der Bergmann nach ihrem Streichen (45 bis 90 Grad
des bergmännischen Kompasses) _Morgengänge_ nannte. Diese Gänge werden
mannigfach geschnitten von anderen, metalldurchsetzten Gesteinsflächen,
den stehenden Gängen (0 bis 45 Grad), den flachen Gängen (135 bis 180
Grad) und den weniger bedeutungsvollen Spatgängen (90 bis 135 Grad).
Die Kreuzungsstellen solcher Gänge waren häufig besonders erzreich, so
daß man auf ihnen gern die Schächte abteufte.

Als Silbererzlagerstätten Marienbergs wurden vor allem wichtig »_Die
finstre Aue_« bei Streckewalde, »_Der Lerchenhübel_« bei Vorwerk
Eschenbach und Kohlau, südöstlich Wolkenstein, durch die Grube St.
Johannis, der »_Herbstgrund_« südlich Gehringswalde mit den Gruben
Gottesvertrauen (Lazarusschacht!) und Himmelreich, – dazu weiter
nördlich der »Palmbaum« bei Warmbad – das »_Kiesholz_« an der
Drei-Brüder-Höhe mit der Fundgrube »Alte drei Brüder«, _der Lautaer
Grund_ mit dem Rudolphschacht der Gewerkschaft »Vater Abraham«, wo noch
1900 gearbeitet wurde, der »_Stadtberg_« nördlich Marienberg mit der
Fabian-Sebastian-Grube, dem Ausgangspunkt des Marienberger Bergbaues,
der »_Rosenberg_« nordöstlich von Marienberg mit dem »Rosenstock« und
der »Weißen Taube«, der »_Mönchsberg_« östlich von Marienberg und der
»_Rittersberg_«.

Auf die einzelnen Gewerkschaften, ihre Fundgruben, Halden und Schächte
hier einzugehen, würde zu weit führen. Aber von den _Hauptstölln_
dieses eben umrissenen Reviers möchte ich noch einiges berichten.

Stölln, das heißt unmerklich ansteigend in die Bergflanke getriebene
Gänge, legte man zur Entwässerung der Gruben dank dem stark
gebirgischen Gelände um Marienberg schon frühzeitig an. Zuerst hatte
fast jede tiefere Grube ihren eigenen Stolln, der meist von der
Bergsohle her einen ausstreichenden Gang verfolgte. Aber je tiefer man
in die Erde hinunterdrang, desto tiefere Stölln wurden auch erfordert,
um möglichst viel Wasser ohne Kunstgezeug ableiten zu können. Die
vorhandenen tiefen Stölln gewannen also Bedeutung für die Wasserhaltung
eines ganzen Gebietes. Um sie allen den verschiedenen Gruben oft
einander feindlich gesinnten Gewerkschaften dienstbar machen zu können,
wurden diese tiefsten Stölln der Privathand entzogen, mit Beihilfe der
anliegenden Gewerkschaften verzweigt und vorgetrieben und im übrigen
durch den Staat erhalten.

In der Osthälfte des oben bezeichneten Gebietes gelangten zwei Stölln
zu höchster Bedeutung, _der Gläser Stolln_ und _der Weißtaubner
Stolln_, deren Mundlöcher heute noch sichtbar sind.

Wenn man von Marienberg durch den Hüttengrund wandert, gelangt man
dort, wo die Landstraße das dritte Mal die Bahnlinie zu kreuzen
sich anschickt, an das Mundloch des Gläser Stollens. (Abb. 1.) Es
liegt etwas versteckt, an den Hang des Rosenberges geschmiegt,
an einem Seitenweg, der vor der Steinbrücke von der Landstraße
abzweigt, gegenüber dem Platze, wo einst die kurfürstlichen Zinn- und
Silberschmelzhütten standen. Eine Steintafel über dem Schlußstein der
ovalen Mauerung kündet seinen Namen. Der Eingang ist mit Bruchsteinen
versetzt.

[Illustration: Abb. 1. =Der Gläser Stolln=]

Der Stollen, der nach seinem Begründer genannt zu sein scheint, hat
schon ein sehr hohes Alter. Mitte des sechzehnten Jahrhunderts mag er
angelegt sein, um einen ausstreichenden Gang auszubeuten. Jedenfalls
erhebt der Staat 1578 Steuer von »Gleßersstolln«. Zur selben Zeit
scheint schon ein Gezeug, d. h. ein Pumpwerk, auf ihm in Betrieb
gewesen zu sein. Das ihm entströmende Wasser wurde zum Betriebe der
unteren Marienberger Schmelzhütte verwandt, bis im Jahre 1594 der
tiefer angelegte Fürstenstollen ihm das Wasser entzog. Dadurch wurde
der Marienberger Rat gezwungen, für zweihundertsechsundachtzig Gulden
an der Mühle einen Schutzteich anzulegen, um den Hütten Betriebswasser
zuführen zu können.

In dem »Bericht der Stölln uff St. Marienbergk, die iezunde von
meines gnädigsten Herrn Zuschuß erhalten werden«, 1619 abgefaßt vom
Berggeschworenen Aßmus Langer, wird auch der Gläserstollen angeführt,
der zu der Zeit schon 1666 Lachter (ein Lachter zirka zwei Meter)
vorgetrieben ist und die Gebäude des Fabian-Sebastian-Ganges am
Rosenberg löste (siehe die Haldenreihe Meßtischblatt Zöblitz 129,
vom Knie der Landstraße Marienberg bis Hüttengrund Punkt 567 bis
Weiße Taube 610), die der reichen St. Barbara (nordöstlich des
Waldschlößchens), des Heinzenteicher Ganges (am Knie der Lauterbacher
Straße) und des St. Georgenganges (am Stadtberg). In der Folgezeit hat
man wohl den Stollen weiter benützt, aber er verlor seine Bedeutung,
weil ein noch tieferer Stollen das Vordringen in größere Teufen
ermöglichte, _der Weißtaubner Stolln_.

[Illustration: Abb. 2. =Der Weißtaubner Stolln=]

Das Mundloch dieses Stollens, das noch von einem Huthaus betreut wird,
findet man etwas oberhalb des Einflusses der roten Pockau in die
schwarze, auf Rittersberger Seite gegenüber der sogenannten Kniebreche
Zöblitz (Abb. 2.) Alte, mit Bruchsteinmauerung gefestigte Stollenhalden
umrahmen das wirkungsvolle, ebenso gemauerte hohe Tor, über dessen
ovaler Tür ein langer Stein die Inschrift trägt: »Königl. Weißtaubner
tiefer Erbstolln«. Ein mit großen Steinplatten belegter Vorplatz
überdacht den eigentlichen Abfluß, die Wassersaige, aus dem eiskaltes,
kristallklares Wasser in beträchtlicher Menge der Pockau zuströmt.

Da der Gläserstolln ungefähr auf der Schichtlinie 540, der Weißtaubner
Stolln aber auf der Linie 495 mündet, so hat man durch die Anlage
dieses tieferen Stollens zirka vierzig Meter, genau neunzehnzweiachtel
Lachter nach Trebras Angabe, an Tiefe gewonnen, an Hubhöhe gespart.

Der Name des Stollens hängt mit dem Berggebäude »Weiße Taube« zusammen,
das neben der »Wilden Taube« den Rosenberg krönt. Der Stollen scheint
ebenfalls schon in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts begonnen
worden zu sein. Zwar treffen wir in den Angaben von 1578, 1592 und 1619
nirgends auf den Namen Weißtaubner Stolln. Dafür wird aber überall
dort »des Fürsten tiefster Stolln« erwähnt, am »Rittersbergk«, dessen
Mundloch sich am Zöblitzer Wasser (d. h. Pockau) befinde. Dieser
Stollen entzog 1594 dem Gläserstolln das Wasser, dieser Stolln brachte
bei der sechshundertzehn Meter hoch gelegenen zehnten Maß nach St.
Fabian-Sebastian-Schacht (= zirka Weiße Taube), bis zu der ungefähr mit
einer Ausdehnung von eintausendsechshundertdreiunddreißig Lachter unter
dem ganzen Rittersberg und Rosenberg hin der Stollen 1619 getrieben
war, in vier Teilschächten untereinander sechzig Lachter ein. Daraus
können wir schließen, daß das Stollenmundloch gegen vierhundertneunzig
Meter hoch liegen muß. Es kann demnach kein Zweifel bestehen, daß der
Weißtaubner und der Fürstenstolln ein und derselbe ist. Dadurch, daß
die Leitung der Fundgrube Weiße Taube den bei ihr endigenden Stollen
nach dem Dreißigjährigen Krieg besonders für ihre Zwecke übernahm und
aufgewältigte, mag der Namenswechsel zu erklären sein.

Die Wiederinstandsetzung und der Fortbetrieb dieses tiefsten der
bisher vorhandenen Stölln im Ostteil des Reviers lag aber im Interesse
des Ganzen. Mit dem Weißtaubner Stolln hoffte man die während des
Dreißigjährigen Krieges zum Erliegen gekommenen und ersoffenen Gruben
selbst des Stadtberges und der Lautaer Gegend aufgewältigen zu können.
Es wurden deshalb vom Staate alle verfügbaren Gelder mobil gemacht
und, besonders mit Hilfe des Faßgroschens, einer Brausteuer, der
Forttrieb des wichtigen Stollens beschleunigt, der den ganzen Bergbau
wiederbeleben sollte.

Nach dem Bericht des Zehndners Balthasar Lehmann zu Annaberg
(1694) plante man damit folgende Hauptgebäude zu entwässern: den
Sammtbeutler Zug (zirka zweihundertfünfzig Meter nordwestlich des
Fabian-Sebastian-Zuges), bis zu dem man nur noch acht oder neun Lachter
hatte, die reiche St. Barbara (nordöstlich des Waldschlößchens), den
oberen Kaiser Heinrich (siehe die Halden nördlich des Waldschlößchens),
die St. Georgen Fdgr. (am Stadtberg, Nordosthang), den ganzen
Bauernzug, der in eindrucksvoller Haldenreihe von der Brüderhöhe bis
zum Lautenteich hinabsteigt, den schwarzen und weißen Mohren (zwischen
Vater Abraham und Lautenteich) und das »Wasserloch«, dessen alte,
verfallene Halde auf der Nordostseite der Landstraße dem Rudolphschacht
gegenüberliegt.

Im Jahre 1708 gelangte man bis zum »Kaiser Heinrich«, der kurz nach
1600 durch einen unglückseligen Grubenbrand, dem dann Pest und Krieg
nachfolgten, zum Erliegen kam. Die Baue dieser für die Anfangszeit
des Marienberger Bergbaues hochbedeutsamen Grube waren 1562 schon bis
zu einer Tiefe von einhundertsiebzig Lachter unter Tage gebracht. Man
hoffte hier reiche Erze vorzufinden und gute Anbrüche machen zu können.

Trotz der Wichtigkeit des Stollens ging bei dem allgemeinen Geldmangel
die Arbeit nur langsam vorwärts. Erst in der Trebraperiode wurde der
Stolln, der mittlerweile kurfürstlich geworden war, seiner Bedeutung
angemessen gefördert. Er löste zuletzt alle Baue des Stadtberges und
der Lautaer Gegend und ermöglichte im Rudolphschacht einen Tiefbau bis
zur fünften Gezeugstrecke unter ihm, der mit etwa einhundertdreißig
Meter Teufe einkam (d. h. also bis zirka dreihundertdreißig Meter).
Der Plan, einen noch tieferen Stolln heranzuführen, wurde durch den
Zusammenbruch der letzten Bergbauunternehmungen um 1900 vereitelt.
Still verrichtet heute noch der Stolln seinen Dienst.

Der Stollen, mit dem man den »Weißtaubner« unterbieten wollte, sollte
von Westen herangebracht werden. Hier im Westen des Revieres waren die
Geländeverhältnisse für Stöllnanlagen in allen Höhen noch günstiger,
weil hier sich das Gebiet in einer riesigen schiefen Ebene von der
Brüderhöhe (sechshundertachtzig Meter) bis zum tief eingeschnittenen
Zschopautal (zirka dreihundertachtzig Meter), also um volle dreihundert
Meter senkt. Besonders die Baue des Kiesholzes waren deshalb in allen
Höhen leicht durch Stölln zu lösen. So kennen wir gerade hier eine
Unmenge dicht untereinanderliegender Stölln, von denen fast jeder
untere immer allgemeinere Bedeutung gewann.

Schon ganz frühzeitig hat man den _Felberstolln_ als den wichtigsten
unter ihnen erkannt und vom sogenannten Herbstgrund, der sich in
weitem Bogen von Gehringswalde bis zum Lazarusschacht erstreckt,
bis unter den Kiesholzberg hinweggeführt. Daß seine Anfänge ganz
weit zurückliegen müssen[2], erkennt man daraus, daß er 1578 schon
einhundertfünfundsechzig Fundgruben und Maßen löste und auf der Lautaer
Seite des Brüderberges bis zum Bauergang zehntes Maß, zum Herzog
Moritzgang, zum Elisabether und Reichen Spater Zug und zum »Starken
Samson« gekommen war. Von diesen Gebäuden aus konnten bald die Zechen
am Stadtberge, besonders die Antritt-Fdgr., die Mohren und die Drei
Weiber-Zeche usw. in Angriff genommen werden. Damit schlug er den St.
Ullricher Stolln aus dem Felde, einen für den Stadtberg bedeutenden
Stolln, der vierundzwanzigsechsachtel Lachter über ihm lag und dessen
jetzt verschwundenes Mundloch bei Punkt fünfhundertsiebenundsechzig
am Straßenknie südöstlich des Waldschlößchens zu suchen ist. Der
Stöllnbericht vom Jahre 1619 führt all die vielen Gänge auf, die
von Felbers tiefstem Erbstolln überfahren worden sind. 1770 fand v.
Trebra auch diesen wichtigen Stolln, der im Lautaer Grund durch den
etwa fünfundzwanzig Meter tieferen Weißtaubner Stolln abgelöst war,
verbrochen vor und ließ ihn zur Wiederbelebung des Kiesholzer Bergbaues
aufgewältigen. Trotzdem der Felberstolln dann in seiner Tiefe von dem
Neuglücker Stolln überboten wurde, hat doch seine Sohle bis zu den
letzten Tagen des Bergbaues im Gebäude »Alte drei Brüder« eine große
Rolle gespielt.

[Illustration: Abb. 3. =Entdeckung der Wassersaige des Felberstollns=]

An welcher Stelle des langen Herbstgrundes lag nun das Mundloch dieses
Stollens? Diese Frage beschäftigte mich lange Zeit. Es mußte auf einer
Höhe von fünfhundertzwanzig Meter in den Berg führen. Ich pirschte
diese Schichtlinie mit meinen Schülern regelrecht ab und hatte die
Genugtuung, dicht in der Nähe des Lazarusschachtes bei der Verfolgung
eines alten Wasserlaufes die Mündung einer oval gemauerten, trocken
liegenden Wassersaige unter Gras und Buschwerk zu entdecken, aus der
eiskalte Grubenluft strömte. (Abb. 3.) Wir setzten unsere Forschung
in der Richtung der Wassersaige bergwärts fort und stießen dabei auf
ein ganz von Büschen überwuchertes, mit Bruchsteinen versetztes hohes
Stollenmundloch, dessen Schlußstein die Jahreszahl 1856, darunter
Schlegel und Eisen und zwei gekreuzte Schwerter trägt. Das dürfte das
Felberstollnmundloch sein. (Abb. 4.)

[Illustration: Abb. 4. =Mundloch des Felberstollns=]

Der Felberstollen wurde, wie schon erwähnt, durch den
einundvierzigdreiachtel Lachter tieferen _Neuglücker Stolln_ abgelöst,
der auf demselben Morgengang wie der Felberstolln (im Kiesholze
Junge drei Brüder Morgengang genannt), in den Berg eindrang. Nach
den Angaben v. Trebras mußte sein Mundloch etwa auf der Schichtlinie
vierhundertvierzig am Lerchenhübel liegen. Nach langem Suchen entdeckte
ich die Stollenhalden in dem Wiesengrund, der sich von der Zschopau
gegenüber Bahnhof Wolkenstein zum Vorwerk Eschenbach hinaufzieht,
ungefähr dort, wo die Schichtlinien zum Denkstein hinanbuchten. Von
üppigem Grün fast überdacht, schmiegt sich das Mundloch tief unten
an die Nordwestseite einer dieser Halden, an der ein Wassergraben
vorüberführt. Das Stollnwasser wird schon tief drin im Stolln in
Rohre gefaßt und der Schleiferei der Peniger Patentpapierfabrik in
Wolkenstein zugeleitet. Die Bruchsteinmauerung des Mundloches weist
keinerlei Namensangabe auf. (Abb. 5.)

[Illustration: Abb. 5. =Der Neuglücker Stolln=]

Auch der Neuglücker Stolln hat ein hohes Alter. Schon zeitig erkannte
man, welche Rolle er durch seine tiefe Lage im Marienberger Bergbau
zu spielen berufen war. Schon 1563 trug man sich mit dem Plan, durch
ihn nicht nur das Kiesholz, sondern auch die wichtigsten Gruben des
Elisabether Zuges (siehe Meßtischblatt, Linie ~b~ von Marienberg und
~f~ von Hilmersdorf) und der Lautaer Gegend in vielversprechender Teufe
zu lösen. Leider ging der Forttrieb des Stollens wegen des Unvermögens
der Gewerkschaften nur langsam vor sich. Im Jahre 1619 war er erst
vierhundertzweiundachtzig Lachter lang, reichte also etwa bis unter die
Wolkenstein–Marienberger Straße.

[Illustration: Abb. 6. =Der Hilfe-Gottes-Stolln=]

Man hoffte, ihn zunächst auf den Schwarzen Adler Gang, den jungen und
alten Feigenbaum, den Gang milde Hand Gottes und Haus von Sachsen
zutreiben zu können. Durch den Dreißigjährigen Krieg kam der Stolln,
auf den man solche Hoffnungen gesetzt hatte, zum Erliegen. Danach
betrieb ihn bis 1723 zwar eine Gewerkschaft weiter, aber doch nur
sehr schwach. Dann blieb er wieder liegen, weil Mittel zum Forttrieb
fehlten. Das Bergamt machte nun den Kurfürsten auf die Wichtigkeit
gerade dieses tiefsten Stollens des Marienberger Revieres aufmerksam,
und so fing man denn 1754 an, den Stollen auf kurfürstliche Kosten
wieder zu gewältigen und weiterzutreiben. Bergmeister v. Trebra wußte
für den Neuglücker Stolln 1780 holländische Gewerken zu interessieren,
die ein gut Stück Geld zur Weiterarbeit lieferten. So drang der Stollen
allmählich in das Kiesholzgebiet ein, wurde kurfürstlich und bildete
vom Jahre 1820 ab, da er ja sechzig bis achtzig Meter unter dem
Felberstolln einkam, den Ausgangspunkt für einen lebhaften Tiefbau auf
der neuerstandenen Fundgrube »Alte drei Brüder«, nachdem er zur Rettung
der Grube »Junge drei Brüder« zu spät gekommen war.

Als in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts durch die Ungunst des
Konkurrenzkampfes auf dem Silbermarkt der Bergbau dahinsiechte,
dachte die 1860 begründete Marienberger Silberbergbaugesellschaft
noch einmal daran, dem Lautaer Bergbau auf der Grube Vater Abraham
durch den Neuglücker Stolln wieder aufzuhelfen. Als man sich aber
durch den Einbau einer leistungsfähigen Wassersäulenmaschine in den
Rudolphschacht nicht mehr viel vom Neuglücker Stolln versprach, hörte
man 1872 etwa in der Höhe des Prinzeß-Marien-Turmes mit dem Forttrieb
des Stollens auf, ohne das jahrhundertelang erstrebte Ziel erreicht zu
haben.

Den letzten Versuch, das gesamte Marienberger Gebiet durchgreifend
aufzuschließen und durch einen ganz tiefen Stolln zu lösen, unternahm
die Gewerkschaft »Vater Abraham« mit dem vom Zschopauufer ausgehenden,
schon 1592 erwähnten _Hilfe-Gottes-Stolln_, dessen Mundloch bei etwa
dreihundertachtzig Meter Höhe hinter einem Hause (unter dem ~a~ am
Bahnhof Wolkenstein, Meßtischblatt) in die Felswand führt. (Abb. 6.)
Der Stolln wurde vom Jahre 1900 ab großzügig aufgewältigt und mit
Preßluftbohrmaschinen auf das Kiesholz zu getrieben. Als der Stolln
eintausendvierhundertzweiundzwanzig Meter siebzig Zentimeter Länge
erreicht hatte, also fast bis zum »Himmelreich« gekommen war, erschien
das Gesetz vom 4. Mai 1904, die Aufhebung einer Bergbegnadigung
betreffend, wodurch die Unterstützungsgelder versiegten. Damit war dem
Marienberger Silberbergbau der Totenschein ausgestellt.


Fußnoten:

    [1] Paul Roitzsch, Festschrift zur Feier des 400jährigen
        Bestehens der Stadt Marienberg, Druck von Neubert und
        Mehner, Marienberg 1921.

    [2] Der Felberische Zug wurde 1539 fündig.




Der alte Schrank

Nach einer wahren Begebenheit erzählt von _Max Wenzel_, Chemnitz


Wo der Weg über die Höhe führt, lag stolz und stattlich am Bergeshang
das alte Wagnergut und sah behäbig auf die Güter und Hütten des
Dorfes, es blinzelte mit einem schiefen Blick auf die neuzeitlichen
Ziegelwohnbauten und warf den drei Fabrikessen ein paar böse Augen zu.
Mitten im Hof stand eine alte mächtige Linde; und wenn der Abend kam,
da saßen unter ihr die Nachbarn, Freunde und Gevattern, tauschten die
Neuigkeiten des Tages aus, nörgelten, zankten und lamentierten, und
ihr Lachen und Schnattern war weithin zu hören. Und wenn es dunkel
ward, soll auch allerlei leises Liebesgeflüster zu hören gewesen sein.
Sauber war der Hof. Da lag kein unnützes Geröll umher. Das Mauerwerk
war schön geweißt, und die schwarzen Balken des Fachwerks hoben sich
selbstgefällig ab, gerade als wollten sie sagen: »Wir machen die
Schönheit des Hauses erst aus!«

Ja, schön sollte es sein auf dem ganzen Gut, das war der Stolz des
alten Wagnerfried. Was an Schönheitssinn und Schönheitsfreude in einem
schlichten Bauersmann stecken kann, das lag dem Fried im Blute. Seit
seinem Urgroßvater war der Hof im Besitze der Wagners, und alle hatten
an schönem Hausgedinge ihre Freude gehabt. Da gab es keine neumodischen
Vertikos und Regulatoren, da fehlten die unmöglichen Bilder aus der
Lottobude an den Wänden, da stand kein Gestühl umher, das nach und nach
aus einem Abzahlungsbazar der Großstadt eingewandert war. Ein mächtiger
grüner Kachelofen nahm die Ecke ein. Eine schwere Ofenbank mit bunten
Vorhängen, hinter denen sich die zum Trocknen hineingestellten Stiefel
versteckten, zwang förmlich zum Ausruhen. Auf der Bank spann die große
Hauskatze ihre Melodien, und eine mächtige alte Standuhr, mit bunten
Blumen bemalt, zählte den Bauersleuten die Tagesstunden vor. In der
Ecke am Fenster stand der schwarze Tisch mit einer Wachstuchdecke,
und zum Sitzen luden eine Eckbank und einige handfeste Holzstühle mit
breiten Lehnen ein, in die neckisch ein kleines Herz geschnitten war.
Teller und Schüsseln, Gläser und Tassen blitzten aus einem Wandbrett
heraus, das in die Wand hineingemauert war und auf diese Weise wenig
Platz wegnahm. Aber was für eine Pracht stand auf den Wandbrettern
rings um die Stube? Da war zinnernes Gerät, kunstvoll und schmuck,
Kannen, Krüge, Teller und Schüsseln, Lampen und Leuchter, wer es
sah, hatte seine Freude daran! Und was lachte dort von der Wand her?
Ein ganz prachtvoller Schrank, herrlich bemalt, und oben waren zwei
Herzen mit einer Jahreszahl. Der Schrank stammte aus dem Hausrat des
Urgroßvaters, aber man sah ihm sein Alter beileibe nicht an, seine
Blumen glänzten und glühten noch genau so, wie vor einhundertundfünfzig
Jahren. Dieser Schrank war die besondere Freude des alten Wagner.
An Wintersonntagen, wenn Bauernfeiertag war, saß er stundenlang auf
der Ofenbank, blies bläuliche Wolken aus seiner Tabakspfeife und
streichelte mit seinen Augen das alte Erbstück. Da gingen sie alle
an ihm vorbei, die mit denselben Blicken die kunstvollen Blumen und
Ornamente betrachtet hatten, und alle waren aus seinem Geschlechte
gewesen. Und wenn sein einziger Junge, sein Otto, einst an dieser
Stelle sitzen würde, würde er mit denselben Gefühlen den alten Schrank
besehen, und unter denen, die vorbeizögen, würde auch der alte Fried
sein. Der Baum im Hof und der alte Schrank, das war die Familienchronik
des Wagnerschen Geschlechts, aber sie offenbarten ihre Geheimnisse nur
solchen, die helle Augen und ein warmes Herz hatten.

Es war wirklich so, der alte Wagnerfried, mit seiner braven, freilich
etwas zarten Frau und seinem gutgeratenen Jungen, war zu beneiden. Da
er aber bescheiden für sich dahinlebte und das Sprichwort befolgte:
»Wer sich grün macht, den fressen die Ziegen«, hatte er keinen Feind im
Orte.

Das hätte nun alles ganz schön und gut sein können, wenn der Krieg
nicht gekommen wäre. Unter denen, die zuerst hinaus mußten, war der
Wagner Otto. Und es war kein Monat ins Land gegangen, da stand er schon
in der Verlustliste als »vermißt«, und nach einigen Wochen schrieb
der Hauptmann, der Gefreite Otto Wagner sei in der Marneschlacht
gefallen. Da saß der Alte wieder auf seiner Ofenbank, aber die Blumen
des Schrankes leuchteten nur traurig, wie aus dem Nebel, denn der
Alte hatte Wasser in den Augen. Ein Unglück kommt selten allein. Die
Wagnermutter siechte seit dem Unglückstage, der die schlimme Nachricht
gebracht hatte, dahin. Und es kam wieder ein Tag, der den Alten fast zu
Boden drückte – als er am Abend nach dem Begräbnis seines Weibes allein
in der Stube saß. Diesmal halfen ihm die Geister seiner Vorfahren
nicht, sie waren vor der schweren Not der Zeit in die dunkelsten Winkel
des Hofes entwichen, als wenn sie das Elend des Letzten ihres Stammes
nicht mit ansehen könnten.

Mit dem Alten ging es, wie man zu sagen pflegt, den Drachenberg hinab.
Für wen sollte er noch sorgen und schaffen? Hatte er ein Gerät in die
Hand genommen, so konnte es geschehen, daß er es in Gedanken wieder
hinlegte, ohne die Arbeit gemacht zu haben. Fragte ihn der Knecht,
was er schaffen sollte, sah er ihn wohl eine Weile an und sagte dann:
»Machs när, wie du denkst!«

Daß es so mit dem Gute nicht weitergehen konnte, ward auch dem
Wagnerfried klar. Nun war in dem Dorfe der Viehhändler Schramm. Er
hatte die ganze Zeit daher nicht im besten Rufe gestanden, galt als roh
und sein Weib als schlampig. Saß viel im Gasthof und war nur an einer
Stelle des Dorfes gut angeschrieben, an der schwarzen Tafel des Wirtes
nämlich. Aber seit der Krieg war, wurde es anders. Es hieß, er habe
große Vieheinkäufe für das Militär vermittelt und sei dabei zu Federn
gekommen. Jetzt flogen ihm die Scheine nur bloß so aus der Hand und an
seinem Tisch im Wirtshaus floß der Schnaps in Strömen. Es hieß auch,
er ginge damit um, sich ein Gut zu kaufen. Und endlich ging auch die
Rede, er stehe mit dem Wagnerfried in Unterhandlung. So war es auch.
Er bekam den Hof für einen Pappenstiel. Aber es hörte sich ihm gut zu,
wenn er dem Alten treuherzig versicherte: »Fried, dich bränge mer schie
miet dorch. Deine zwä Stöbeln in öbern Stock, die verbleibn dir! Un
dei Fünkel Assen, dos hulst du dir bei meiner Fraa. E paar Ardäppeln
un e Stückel Butter warn allemol für dich. Schlachten tune mir aah
dann und wann, du brauchst dich üm nischt ze sorng. Wenn de willst,
krabbelst de e bissel ofn Huf rüm, oder ze übernahme brauchst du dich
net!« Dem Alten klang das gut. Nachdem die notwendigen amtlichen
Verrichtungen geschehen, saß er im Ausgedinge. Es ließ sich auch alles
gut an. Was er von seinem Gerät hatte unterbringen können, schmückte
nun sein Auszugsstübel. Sein Schrank war da, die alte Uhr tickte, das
Zinnzeug war aufgestellt, und wenn er durchs Fenster sah, rauschte ihm
die alte Linde entgegen. Er machte sich auch im Hause nützlich, so gut
er konnte, hackte Feuerholz, führte auch einmal ein Pferd zum Schmied
und war mit seinem Rate zur Hand, wenn die neugebackene Bauersfrau
etwas wissen wollte. Die untere Stube hatte sich aber doch etwas
verändert. Da waren ein paar polierte Möbel mit hineingeraten, und an
den Wänden hingen bunte Bilder; im heimlichsten Innern verspottete
sie der Alte als »Wurzelbilder«[3], aber er hütete sich, es laut zu
sagen. Auch mit dem Essen war er nicht ganz einverstanden. Die Schramm
war eine dreckige Schlampe, das stand fest. Das Gesinde bekam einen
Brei vorgesetzt, daß es die Zähne höher und höher hob. Dieses Gemächte
sollte natürlich der Fried auch mit bekommen. Als er aber sah und roch,
daß die Schramm für sich und ihren Mann heimlich kochte und briet, da
blieb er vom Essen weg und kochte seine paar Kartoffeln für sich in
seinem Stübchen. Das war auch der erste Grund zu einem Zank mit der
Frau. Sie meinte, der Alte könne doch essen, was da sei, – die teuren
Kartoffeln alle Tage! Da bezahlte der Fried seine Kartoffeln, und die
Schramm nahm das Geld auch an, ohne sich lange zu besinnen.

Dann kam eine Zeit über unser Land, wo die Mittel zu unseres Lebens
Nahrung und Notdurft karger und kärglicher wurden und wo die Leute,
besonders in der Stadt, ihre Kinder hungern sahen und nicht wußten,
woher das Essen nehmen, wenn die schmalen zugewiesenen Bissen die
Kinder immer bleicher und hohlwangiger werden ließen. Da liefen sie
aufs Land hinaus, baten und bettelten bei den Bauersleuten, daß die
von ihrem Überfluß verkaufen sollten. Zwar zwangen strenge Gesetze die
Bauern, von ihrer Ernte dem Staate abzugeben, daß die anderen auch zu
leben hätten – aber jede Verordnung ist da, um übertreten zu werden,
und jeder Gesetzesbau, sei er noch so stolz und fest, hat Hintertüren.
»Ein Bissel was« hatten die Bauern immer noch zum Hergeben an gute
Freunde. Aber da gab es auch solche, die die Not unseres Volkes reich
gemacht hatte, deren Geschäfte nie so geblüht, als in der Kriegszeit.
Die kauften auf, was zu kaufen war, boten Preise über Preise und
schleppten die Nahrung, dem Hamstern gleich, in ihren Bau. Diese wurden
bald den Bauern am liebsten. Wer wenig Geld zahlen konnte, bekam nichts
mehr und der Bauer stand sich gut dabei.

Dem Wagnerfried sein Butterstück wurde kleiner und kleiner. Milch für
den Kaffee setzte es auch nicht mehr, und bei jedem Pfund Kartoffeln
gab es einen kleinen Kampf. Es müsse alles abgegeben werden, sagte die
Schramm, sie hätten selbst nichts. Dabei sah der Alte aber doch, wie
Tag um Tag die Stadtleute mit Rucksäcken und Körben vom Hofe gingen; er
sah auch, daß die Bauersfrau sich neue seidene Kleider kaufte und daß
ein Pianino in den Hof gebracht wurde, obwohl gar niemand da war, der
es spielen konnte.

Und schlimmer ward es mit Deutschland. Die braven Truppen kämpften
draußen bis zum Weißbluten. Man las zwar in den Zeitungen nur von
Siegen, aber dazwischen hinein kamen wieder Verordnungen, daß man alles
Metall abgeben solle, sonst könnte keine Munition mehr hergestellt
werden. Da trug der alte Wagnerfried Stück für Stück von seinem Zinn
zum Gemeindeamt, aber die wenigen Pfennige, die er dafür bekam,
reichten kaum zu einer einzigen Mahlzeit. In der Unterstube ließ er
sich kaum mehr sehen, er besorgte sich seine Lebensbedürfnisse lieber
bei anderen Bauern, als in seinem Auszugsgut.

Von allen Seiten gehetzt und zerschlagen, im Innern zermürbt und
willenlos geworden, brach endlich die alte Herrlichkeit zusammen, die
längst keine mehr war. Noch einmal machten die ihrer Väter und Söhne
Beraubten den bitteren Harm durch, andere aus dem Felde zurückkommen
zu sehen, nur ihre Lieben blieben aus. Aufbauen! Aufbauen! hieß es
überall. Aber meist bauten sich nur solche auf, die schon genug und
übergenug hatten, und ihr Aufbauen hatte nur den Zweck, sich selbst zu
Wohlleben zu bringen, während die anderen darbten, schlimmer als im
Kriege. Schlemmer und Prasser der Inflationszeit, schämt euch heute
noch der Tränen, die manch hungernder Alter, manch schwaches Mütterchen
vergossen, die die Zeit und ihr mit um alles gebracht, was sie einst
besessen!

Der alte Wagner erlebte auch, daß sein Geld – sein früheres Vermögen
und der Kaufpreis des Gutes – dahinschwanden, wie der Schnee in
der Sonne. Noch dazu fand er sich in den Millionen, Milliarden und
Billionen nicht mehr zurecht. Wovon er eigentlich in dieser Zeit lebte,
ist ein Rätsel geblieben. Er lag meist in seinem Bette. Nur dann und
wann stand er auf, um ein Stück seines Hausrates zu verkaufen. Mit
dem Handwagen fuhr er die Uhr ins Dorf zum Tischler, der sie nur mit
Mühe und für ein geringes Geld annahm. Den Tisch und die Stühle nahmen
Schramms für die Gesindestube. Sie bekümmerten sich im übrigen aber
wenig um den Alten. Immer leerer ward es im Auszugsstübel, nur der
Schrank war als einziger Besitz geblieben und das Bette, in dem der
Alte still und hungernd lag. Sein Blick ging nach seinem Baum, da –
rauschte die Krone nicht zorniger heute? Und klang es nicht wie Säge
und Axtschlag? Seiner Sinne kaum mehr mächtig, schleppte sich der
Fried ans Fenster und blickte hinab. Da stand der Schramm, die Hände
in den Hosentaschen, und sah den Leuten zu, die darüber waren, den
alten Riesen zu fällen. Da ging es dem Alten wie dem Baum, er ächzte
und stöhnte bei jedem Schnitt und Schlag, und als, von Seilen gezogen,
der Stamm mit einem lauten Krach stürzte, sank auch der Alte mit einem
Wehelaut auf sein Bett zurück. Ein tränender letzter Blick auf seinen
alten Schrank, dann hatte er alle Not überstanden.

Schramms fiel es am zweiten Tage erst auf, daß man oben gar nichts
hörte. Man meinte schließlich: »Wir wollen när emol über nauf sahe,
emende is’n ewos passiert.«

Da lag der letzte Wagnerbauer und war tot, verhungert, indes seine
Nachfolger nicht wußten, wohin mit dem Gelde.

Die notwendigen Meldungen wurden gemacht, der Tischler kam, um den
Armensarg anzumessen. »Hast du net e paar alte Bratter?« sagte er zu
Schramm, aber der meinte, Holz sei teuer. »Do werd ich die Bettstell
nahme müssen,« erwiderte der Tischler darauf. Da sagte aber die
Schramm: »Die wollt ich engtlich behalten, er hoot noch net alles
bezohlt, wos ’r gassen hoot. Ich hoo ne doch egal gabn!« Der Tischler
sah sich nach einem geeigneten Gegenstand um. Da fiel sein Blick auf
den Schrank. »Wan is dä dos alte Gerafel?« fragte er schließlich. »Dan
kast du nahme,« meinte Schramm, »dar paßt su wie esu net zu unern
Möbeln.« Und so kam es, daß der Tischler den alten Schrank mitnahm,
um dem Wagnerfried einen Sarg daraus zu zimmern. Die Geister des
Schrankes frohlockten, so war es ihnen recht. Als aber die zerlegten
Teile in der Werkstatt standen, kam ein Herr aus der Stadt, der auf
Amtswegen war. Der sah entzückt die alte Malerei. Als er aber erfuhr,
zu welchem Zweck das alte kunstvolle Stück zerstört worden war, trat
ihm das Blut ins Gesicht und die Augen wurden ihm naß. »Warum hat man
dem Gemeindevorstand nichts davon gesagt? Es gibt eine Stelle bei uns
im Lande, die solche Dinge mit Freuden gut bezahlt. Warum hat der
Heimatschutz nichts erfahren? Armer alter Wagnerfried! Von deinem
Schrank und den vielen verschleuderten Sachen hättest du noch lange
leben können. Es hätten sich auch Mittel und Wege gefunden, dir zu
helfen. Und nach deinem Tode wäre dein Schrank zu Ehren gekommen in
unserem Museum oder im Hause eines Kunstfreundes. Dort hätte er weiter
und weiter erzählt von deinem Geschlechte und von einer Zeit, die noch
Ehrfurcht vor den Vermächtnissen unserer Ahnen besaß.«


Fußnote:

    [3] Wurzel = Cichorie; Bilder, die um Cichorienpäckchen gerollt
        waren.




[Illustration: _Wappen der Stadt Kamenz i. Sa._]


_An Kamenz zum 17. Mai 1925!_

    _Du teure Stadt der Väter,
    Welch’ einer Kinderschar
    Hast Du ein Heim bereitet
    In siebenhundert Jahr’!_

    _Wie viele sind gekommen,
    Wie viele sahst Du gehn!
    Wie viele hast Du lachen,
    Wie viele weinen sehn._[4]


Fußnote:

    [4] Auf Anregung der Stadt Kamenz veröffentlichen wir hiermit
        die sinnreiche Urkunde zum 700jährigen Stadtjubiläum im
        vergangenen Jahre.




Ein Beitrag zur Frage der Steinkreuze


Auf dem Geithainer Kirchberg, unter der alten Linde, steht heute ein
Steinkreuz. Dessen Standort soll früher der Galgenberg gewesen sein.
Demnach ist dieses Denkmal mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit dasselbe,
welches in dem ältesten Geithainer Stadtbuch erwähnt wird. Hier heißt
es nämlich auf Blatt 45b, unter dem 11. Oktober 1469:

    ~Causa Nickel Kircheners vnd Jorg follertczs.~

    ~Anno domini millesimo quadrinngentesimo Sexagesimo Nono An der
    mitwoche noch dyonisy Ich liborius Oler Burgermeister Clemen
    honkirche Richter hans Geyseler hans Botticher Michel smid
    Merten francke michel Eckart vnd Peter Jarnhirsch Ratman der
    Stat Geythan Bekennen In vnserem Statbuch vor Idermenneklichen
    das vor vnseren sitzen rad kommen seyn Jorg follert heynrich
    seyn bruder vnd mit Iren gehülffen vff eyne part / Nickel
    kirchener / hans kirchener seyn Son / merten sneyder Jerath
    metzener uff dy ander part haben wir uff beyde part mit
    eynander gutlich vnd fruntlichen entscheyden vnd bericht
    seyn vmb den totslag Symon follert seligen Also das Nickel
    kirchener den kindern Symon follartz reichen vnd geben sal
    Achtczehen gute schog hocher were Anzcuheben uff heüte mitwoche
    seyn gegeben czwey schog dar noch saln (kirchener?) geben vnd
    reychen czwey schogk uff weynachten nehest kommende / voran uff
    alle weychvasten eyn gut schogk / biss so lange sulche Summa
    geldis gefellet Sunder wer sulche summa geldis heben wirt /
    von der vnmündigen kinder wegen / der sal eyne mögliche were
    dor vorthum Dor noch sal Nickel kirchener anderhalb hundert
    vigilien vnd anderhalb hondert selmessen wü dy follert dy hen
    bestymmen zcuhalden In pharrkirchen adder klostern bestellen
    jnwendig virwochen Auch eyne ochfart czwyschen hy vnd phingsten
    nehest kommende Auch eyn Steynencrücze jn der selben czeit uff
    der Stat weychbilde setczen sal Auch czerunge scheppengelt
    nemlich II s(schogk) XXVI gl sal Nickel kirchener geben Jorg
    follert vnd vintcz berger LV gl uff den nehesten mantag Galli
    / dornoch uff den nehesten montag abber beyden 1 s 1 gl /
    dornoch uff weynachten vintcz berger 1 s / dornoch follert XXX
    gl uff den mantag noch aller gotis heyligen tag / Auch sal
    kirchener gericht freyheyt yss hafft … js hafft abczulegen Auch
    desgleichen sal kirchener heynrich follart vom bader brengen
    wen her heyl wirt //. Nu vor silche berichtunge fride vnd Summa
    geldis seyn burge Andres bretczschel veitcz muller Cristoffel
    bretczschel Gerius geyseler Auch do mit Burge vor eynen steten
    fride der Sache / Auch ab der burgen eyner abgynge von todis
    wegen sullen dy andern eynen anderen burgen bestellen an
    desselben stat Auch haben Nickel kircheners kinder mit namen
    hans kirchener Gerius kirchener gereth den selben vir burgen
    vorder zcu lossen ab ir vater abginge todis halben das got
    wende Nu uff silchen fryde hat jorg follert mit seynem bruder
    auch czwene burgen widergesetczt mit namen matts Loze vnd
    jocoff burgraffe Auch ab der g(enenneten) burgen eyner auch
    abginge todis halben das got lang wende sullen sy eyn anderen
    an des stat bestellen Auch haben sy von gutem willen vnd
    wolbedachtem mute vorkort und vorpeynigit / wer sulche stucke
    artickel obinberurth breche de sal der Stat Geythen eynn gut
    schog zcu gericht vorvallen seynn wy ofte das geschit / wen man
    jn das kan beczeügen mit warhafftigen leuten den zcu gelauben
    stehet darvber haben sy jre wyssenunge dem Rat dorvbergegeben
    vnd lassen czeychen jn vnserem Statbuch~




Schwarzenberger Edelweiß

(~Chrysanthemum partheniifolium Pers.~)

Von _Horst Henschel_, Schwarzenberg


Zu den Merkwürdigkeiten der sächsischen Flora gehört das
»Schwarzenberger Edelweiß«, eine Wucherblume, die aus Spanien stammt,
Blumen mit schneeweißen Strahlen und gelblichweißen Scheibenblüten
trägt und deswegen auch Spanische Schneewucherblume genannt wird.
Sie ist in Sachsen (nach Prof. Dr. Otto Wünsches Excursionsflora von
Sachsen) nur an der Brühlschen Terrasse in Dresden und in Schwarzenberg
verwildert zu finden. In Schwarzenberg ist sie so häufig wie keine
andere Blume am Ort. An Felswänden, Wegrändern, als Unkraut in Gärten,
an den Steinfugen der Ufer- und Straßenmauern, kurz überall erfreuen
uns die durch ihre Menge leuchtenden Blütensterne dieser Wucherblume.
Mehrere hundert Blüten an einem Stock sind nichts Seltenes. Diese
Blütenfülle gibt dem alten Gemäuer ein Gewand von geradezu wunderbarer
Pracht. Die unendlich vielen Blütenköpfe auf den sonst nackten
Felswänden wirken manchmal wie ein unversehrter Schneefleck.

Der Laie hält die Spanische Wucherblume meistens für eine Kamille
und nennt sie zum Unterschied von der echten Kamille (~Matricaria
Chamomilla~), die als Heilpflanze weit und breit zur Teebereitung
gesammelt wird, fälschlicherweise unechte Kamille.

[Illustration: Abb. 1. =Am Schloßfelsen in Schwarzenberg=]

Das »Schwarzenberger Edelweiß« blüht in den Monaten Juni bis September,
ist eine ausdauernde Pflanze, kommt also jedes Jahr wieder, und wird
dreißig bis achtzig Zentimeter hoch. Die langgestielten Blütenköpfe
sind etwa drei Zentimeter breit und haben einen würzigen Geruch.

[Illustration: Abb. 2. =Am Schloßfelsen in Schwarzenberg=]

Seitdem in Sachsen die Rinde der Korkeiche (~Quercus super~)
verarbeitet wird, finden wir auch die Spanische Schneewucherblume in
Sachsen. Und da die Korkfabrikation erst seit den fünfziger Jahren
des vorigen Jahrhunderts in Sachsen betrieben wird, ist demnach
das »Schwarzenberger Edelweiß« ein noch recht junges Kind unserer
sächsischen Flora. Sonderbarerweise ist diese Wucherblume nicht in
_der_ Gegend des Erzgebirges zu finden, wo der Kork verarbeitet
wird, also nicht im _Raschauer Grund_, sondern nur in Schwarzenberg.
Als ob das »Schwarzenberger Edelweiß« die breite Talaue der Großen
Mittweida nicht vorteilhaft genug befunden hätte, um seine Pracht zur
Geltung zu bringen! Als hätte es sich mit Kennerblicken die Perle
des Erzgebirges als zweite Heimat erkoren, um an ihren hohen alten
Felswänden zu prangen und bewundert zu werden. Wie sinnig ist doch sein
volkstümlicher (ortsüblicher) Name! Schwarzenberger Edelweiß. – – –

[Illustration: Abb. 3. =Schwarzenberger Edelweiß=]

Wie aber mag sich die Geschichte in Wirklichkeit zugetragen haben? –
Als in dem etwa vier Kilometer von Schwarzenberg entfernt liegenden
Dorfe Raschau im Jahre 1859 die Korkfabrikation eingeführt wurde,
war der Ort noch nicht an das Eisenbahnverkehrsnetz angeschlossen.
Dies geschah erst im Jahre 1889, als die Eisenbahnlinie
Zwickau–Aue–Schwarzenberg–Grünstädtel bis Buchholz erweitert wurde.
Schwarzenberg war bereits 1858 Endstation der genannten Teilstrecke;
und so mußten die Raschauer ihre Frachtgüter mit dem Fuhrwerk aus
Schwarzenberg holen. Beim Umladen auf dem Schwarzenberger Bahnhof
oder durch das Rütteln und Schütteln des zu Ballen zusammengebundenen
Korkholzes während des Transportes auf dem offenen Leiterwagen
sind vermutlich Samenkörner der Spanischen Wucherblume, die sich
in den Unebenheiten der Eichenrinde befanden, hier herausgefallen.
Merkwürdig ist jedoch, daß an der Stelle in Raschau, wo die
Korkballen abgeladen und aufgehoben werden, keine Spur von der
Spanischen Wucherblume zu finden ist. Entweder sind also an jener
Stelle keine Samen ausgefallen, oder die Samen brauchen einen
besonderen Boden, um sich entwickeln zu können. Letzteres erscheint mir
am wahrscheinlichsten; denn sonst müßte diese Wucherblume, deren Samen
durch das Schwarzwasser doch weit fortgetragen werden, noch an anderen
zahlreichen Stellen anzutreffen sein, was aber nicht der Fall ist.

[Illustration: Abb. 4. =Am Schwarzwasser in Schwarzenberg=]




Die höheren Pilze der Dresdner Heide

Von _Bernhard Knauth_, Dresden-Strehlen

Mit Abbildungen von Georg Marschner, Dresden-Gruna


Weil die Pilzgeographie noch in den Anfängen steckt, ist es Pflicht
eines jeden Pilzkenners, mindestens ein Gebiet seines Wohnbezirkes
gründlich zu erforschen und das Ergebnis zu veröffentlichen. Als
Freunde der Tat wollen wir zu diesem Zwecke die Dresdner Heide
durchwandern. Sie ist ein 6237 Hektar großer, gut gepflegter Forst, der
die wellige Hochfläche nördlich von Dresden bedeckt. Ihr diluvialer
Dünensand nimmt von West nach Ost an Fruchtbarkeit zu, weshalb im Osten
Fichten und Buchen vorherrschen, im Westen dagegen Kiefern und Birken.
Außer diesen Bäumen kommen vor: Tanne, Lärche, Eiche, Erle, Weißbuche,
Ahorn, Esche und sogar einzelne Robinien. Aus der Fauna seien genannt:
Hirsch, Reh, Wildschwein, Fuchs und Dachs. Reich an Quellen und Bächen,
Hügeln und Tälern, reich auch an gut markierten Wegen, lockt sie zum
Wandern. Der Dresdner kennt und liebt seine Heide. Fern vom Trubel der
Großstadt kann er hier Ruhe und Erholung finden, Blumen pflücken und –
Pilze suchen. Und diesen Pilzen wollen wir jetzt unsere Aufmerksamkeit
widmen.

[Illustration: Abb. 1. =Dickfuß-Röhrling=]

Unsere Wanderungen beginnen wir Anfang Juli, weil vorher außer der im
Erdreich verborgenen Heidetrüffel (~Hydnangium carneum~) nicht viel
zu finden ist. Wir besuchen zunächst den buchenreichen Stechgrund
unweit des Weißen Hirsches. Hier finden wir den Dickfußröhrling
(~Tubiporus pachypus~, Abb. 1), der von Unkundigen für den Satanspilz
gehalten wird. Er trägt unter seinem hellgrauen, dicken Hute eine
gelbliche Röhrenschicht, die nach Druck bläulich anläuft. Sein
nach unten stark verdickter Stiel ist oben gelb, unten blutrot und
allenthalben netziert. Sein weißliches Fleisch wird nach Anschnitt
blau und schmeckt bitter. Auch der punktierte Hexenpilz (~Tubip.
erythropus~) kommt hier vor. Auf seinem rotpunktierten, keuligen, oben
gelben, unten roten Stiele trägt er einen derben, kastanienbraunen
Hut, dessen Röhrenschicht rot ist. Sein gelbliches Fleisch wird nach
Anschnitt sofort blaugrün, kann aber gegessen werden. – Am steilen
Hange dort winkt uns ein weißer. Er wird rötender Faserkopf (~Inocybe
Trinii~) genannt, weil seine weiße Färbung später rötet und sein
mittelgroßer Hut gefasert ist. Sein Fleisch riecht wie das der meisten
Faserköpfe widerlich und wird nicht gegessen, zumal eine Verwechselung
mit dem giftigen ziegelroten Rißpilz (~Inocybe lateraria~) möglich
ist. Letzterer ist für Sachsen nur im Scharfenberger Schloßpark
nachgewiesen. – Wenn wir Glück haben, finden wir hier auch die eßbare
Grubenlorchel (~Helvella lacunosa~), die im ganzen blauschwärzlich
aussieht. Ihr gekröseartig gewundener Kopf ist zwei bis fünf Zentimeter
hoch und breit; ihr gerippter Stiel zeigt grubige Vertiefungen.

[Illustration: Abb. 2~a~. =Stockschwämmchen=]

Wir gehen nun in Richtung der Acht nordwärts bis zur Prießnitz, vom
Wege bald rechts bald links abschweifend. Da sehen wir Täublinge. Ich
will sie alle aus Liebe zur Einheitlichkeit nach Rickens Vademecum
benennen, wohl wissend, daß da noch mancherlei zu bessern ist. In
Birkennähe gewahren wir den violettgrünen (~Russ. cyanoxantha~), der
auch Frauen-Täubling genannt wird. Meist hat er einen trübvioletten
Hut mit grünlicher Scheibe, kann aber auch violettrötlich, braungrün
oder schwarzviolett aussehen und die Scheibe ockergelblich. Stiel und
Lamellen weiß, Fleisch mild und eßbar. Nicht weit davon steht der
grünschuppige Täubling (~Russ. virescens~), der an dem spangrünen,
gefelderten Hute leicht zu erkennen ist. Lamellen, Stiel und Fleisch
sind weiß. Im Fichtendickicht finden wir ferner den grasgrünen
Täubling (~Russ. graminicolor~), den wir an der dunkelgrünen Hutmitte
erkennen. – Nachdem wir östlich über eine Fichtenschonung schauend,
den lieblichen Ausblick nach dem Hutberg bei Weißig genossen haben,
schlendern wir in nördlicher Richtung weiter. Da drüben ist ein alter
Stumpf gänzlich mit Stockschwämmchen bedeckt (~Pholiota mutabilis~,
Abb. 2~a~). Die zimtbräunlichen, mittelgroßen Hüte könnten den
bekannten büscheligen Schwefelkopf vortäuschen, aber der Ring am
rostbräunlichen, schuppigen Stiele belehrt uns eines besseren. Da
er genießbar ist, wandern die schönsten in unsere Sammelschachtel.
– Versteck dich nur nicht so, du rehbrauner Dachpilz dort (~Pluteus
cervinus~)! Du entgehst unserem Pilzerauge doch nicht! Er trägt
auf grauem, gefasertem Stiele einen dunkelbraunen, flachglockigen,
faserschuppigen Hut, der etwa sieben Zentimeter breit ist. Da er zu
den Rotsporern gehört, spielt das Weiß seiner schwarzschneidigen
Lamellen etwas ins Rötliche. Auch er wird gegessen. – Ein weißer
dort? Aha, ein Schaf-Egerling (~Champignon~), noch zwei, noch drei!
Sein weißer, matt gilbender Hut könnte ja den später wachsenden
Knollenblätterschwamm vermuten lassen, aber die Lamellen unseres
Pilzes (~Psalliota arvensis~) sind nicht weiß (höchstens im Anfang),
sondern rötlich, zuletzt dunkelbraun. Unser Pilz riecht nicht nach
rohen Kartoffeln, sondern nach Anis. Weniger angenehm ist unserer Nase
die unter Birken stehende Stinkmorchel (~Phallus impudicus~). Ihr
grubiger, olivbrauner Kegelhut ist mit einem dicken, stinkenden Schleim
überzogen, angeblich, um aasliebende Insekten anzulocken, die dann
durch Mitnahme der Sporen zur Verbreitung beitragen sollen. Aber dieser
Pilz ist so wenig begehrt und so häufig, daß er um seine Vermehrung
nicht besorgt zu sein braucht – naiv gedacht. Diese Zweck-Philosophen
haben oft eine starke Phantasie. Wären ihre Theorien alle richtig, dann
könnte man nicht begreifen, warum z. B. der seltene, vielbegehrte
Königsröhrling sich durch das Rot seines Hutes verrät, während von
weniger seltenen behauptet wird, daß sie sich durch Anpassung schützen.
Doch zurück zur Praxis! Da drüben ein echter Nadelwäldler: der gelbe
Wulstling (~Amanita junquillea~). Der mattzitronengelbe Hut ist
reichlich mit weißlichen Hüllresten besetzt und hat weißliche, dicht
stehende Lamellen mit flockiger Schneide. Sein weißer, schlanker
Stiel hat einen gleichfarbigen, dünnen Ring und eine birnförmige
Fußscheide, deren scharfer Rand anliegt. Er ist zwar genießbar, aber
dem grüngelben Knollenblätterschwamm so ähnlich, daß bei Unkundigen
eine Verwechselung vorkommen kann. – Nicht weit davon ein Perlschwamm
(~Amanita rubescens~), der selbst mit Oberhaut gegessen werden kann
und neuerdings sehr begehrt ist. Man erkennt ihn immer am rötlichen
Fleisch. Hut rotbräunlich mit helleren Hüllresten, Lamellen weißlich
und dicht stehend, Stiel rötlichgrau mit gerieftem Ring, unten verdickt
und mit nackter Knolle. – Auf einem Straßenhaufen kleine Kerle mit
braunem Glockenhute, rotbraunem, schlankem Stiel und schwärzlichen
Lamellen: der Glocken-Düngerling (~Panaeolus campanulatus~). Und
gleich daneben der gefaltete Gold-Mistpilz (~Bolbitius titubans~):
ein gelblicher, gebrechlicher, zwei bis drei Zentimeter breiter Hut
mit deutlichen Radialfalten sitzt auf einem gelblichen, glänzenden,
schlanken Stiel. Die schmalen Lamellen sind blaßzimtgelb. Beide
Düngerfreunde sind zwar nicht giftig, aber geringwertig.

[Illustration: Abb. 2~b~. =Rötlicher Ritterling=]

Ein Sommertag von Gottes Gnaden! Der Himmel blaut, die Sonne brennt,
und unsre Beine werden müd’. Wie wärs, wenn wir uns setzten? Des
Mooses Polster ladet ein. Ha, wie schmeckt das Schinkenbrot! Dem
Autoprotz bei Sekt und Braten kanns besser niemals munden. Dazu
Konzert. Von allen Zweigen schmettert laut das Jauchzen muntrer Vögel.
Ein grüner Sandlaufkäfer glänzt im Sonnenschein und achtet nicht auf
uns – ein Philosoph nach eigner Art. Ein Hirsch lugt drüben aus dem
Dickicht. – Nun wieder auf! Was dort? Ein Kornblumenröhrling (~Boletus
cyanescens~). Im ganzen gelblichgrau, runzlig und filzig der Hut,
weiß die Röhren und das Fleisch, das nach Anschnitt kornblumenblau
anläuft. Ein seltener Speisepilz. Das gilt auch vom Hasenpilz (~Boletus
castaneus~), den wir nun aufstöbern. Ein mittelgroßer, zimtbrauner
Röhrling mit etwas hellerem, hohlem Stiele und weißen, engen Röhren.
– Ein Heer von Pfifferlingen dort (~Cantharellus cibarius~), von
aller Welt gekannt, was schon sein fürstlicher Reichtum an Volksnamen
verrät, es sind nicht weniger als einundzwanzig. In einem Dickicht
finden wir sogar den nicht minder bekannten Steinpilz, der leider
immer seltner wird. Viele suchen ihn, aber wenige nur denken daran,
Stücke von den Hüten der Alten so auf den Waldboden zu legen, daß
diese bequem aussporen können. Viel häufiger als er ist natürlich sein
bitterer Doppelgänger, der Gallenröhrling (~Boletus felleus~), den
man bekanntlich an den weißlichen, später mattrosa werdenden Röhren
und an dem auffälligen Gelb seines stark netzierten Stieles erkennt.
Im Zweifelsfalle muß die Kostprobe entscheiden. – Dort, wo der Hase
soeben aufsprang, ein Heer schwarzer Gnomentüten: Totentrompeten
(~Craterellus cornucopioides~), schwärzliche Füllhörner, deren
dunkelgraue Außenseite oben vielverzweigte Runzeln trägt. Zwar eßbar,
aber wenig verlockend. – Es geht bergab. Durchs Tal schlängelt sich
die Prießnitz, deren Wasserspiegel uns entgegenglänzt. Aber o weh,
die auf unserer Karte noch verzeichnete Brücke ist nicht mehr da! Was
tun? Wir ziehen blank und patschen durch. Die Sonne wird uns trocknen,
drum lagern wir an lichter Stelle. Der Wasseramsel drüben scheint das
Spaß zu geben. Nun gehts am rechten Prießnitzufer bis zur Heidemühle.
Bald finden wir an einem Fichtenstumpf ein paar schöne Exemplare vom
rötlichen Ritterling (~Tricholoma rutilans~, Abb. 2~b~). Hut und Stiel
auf gelblichem Grunde purpurfilzig, Fleisch und Lamellen gelb. – Unweit
des Ufers, wo noch Vergißmeinnicht in Mengen blüht, steht der filzige
Milchling (~Lactarius helvus~), der fälschlich Maggipilz genannt wird,
halbgiftig ist und höchstens als Gewürz genossen werden darf. Sein
ockerrötlicher Hut ist feinfilzig, sein etwas blasserer Stiel flaumig,
seine gelblichen Lamellen sind zuletzt bestäubt. Die wasserhelle,
spärlich fließende Milch schmeckt mild. Er macht also eine Ausnahme
von der Regel: Alle milden Milchlinge und Täublinge sind genießbar.
Wir finden sodann den vergilbenden Täubling (~Russ. puellaris~), einen
gebrechlichen, mittelgroßen Pilz mit einem trübviolettroten Hute, der
später gelblich ausblaßt, seine Mitte ist dunkler, sein Rand gerippt.
Die neapelgelben Lamellen stehen ziemlich gedrängt, der fast keulige,
schlanke Stiel ist erst weißlich, gilbt aber auch, ebenso das milde,
geruchlose Fleisch. Ähnlich der ekelige Täubling, dessen Hutmitte aber
olivfleckig ist, dessen Stiel im Alter nicht gelb, sondern schwach grau
wird. Auch der graubraune Täubling (~R. livescens~) ist hier heimisch,
sozusagen ein milder kammrandiger (~pectinata~). Er ist bis auf die
weißlichen, tränenden Lamellen im ganzen graubraun, mittelgroß, dünn,
schmierig, mild und eßbar. Ebenso kann man den gedrängtblätterigen hier
pflücken (~R. heterophylla~). Gelbgrün sein Hut mit scharfem, meist
violettlichem Rande, fünf bis sechs Zentimeter breit; Stiel weiß und
zart gerunzelt; erkennbar an den ungleichen, weißen, dünnen, schmalen
Lamellen. Mild und eßbar. – So kommen wir suchend der Heidemühle näher.
Rechts am Wege ein Steinbruch, in dessen Tümpel Wasserschlauch wächst.
(Auch seltene Moose birgt der Grund.) Sodann die schwarzen Teiche, die
Mühle und das Gasthaus.

[Illustration: Abb. 3. =Strubbelkopf=]

[Illustration: Abb. 4. =Birkenpilz=]

Wir stärken uns. Dann wandern wir im herrlichen Prießnitzgrunde mit
seinen malerischen Biegungen abwärts. Hier kann die Fichte ihre ganze
Schönheit entfalten. Am Wege bis unten begrünt, erhebt sie sich stolz
bis zu bedeutender Höhe. Und während wir im feierlichen Dunkel eines
Fichtendomes wandeln, erhebt sich lichtgebadet vor uns ein Hang voll
grünen Jungholzes. Darüber kreist im Himmelsblau ein Bussard, stolz
und sicher. Dazu des Wassers traulich Murmeln, als wollte es erzählen.
Und auch im Winter, wenn Rauhreif oder Schnee die dunkelgrünen Bäume
schmückt, ist dieser Grund nicht ohne Reiz. – Am Steinbruch angelangt,
gehen wir links über die Holzbrücke nach dem Hochmoor, das Wollgras
trägt und Moosbeeren. Hier entdecken wir den weißgesäumten Häubling
(~Galera paludosa~). Sein honiggelber Glockenhut ist ein Zentimeter
breit, durchscheinend gerieft und hat einen hellgelben Rand. Der
gelbliche Stiel (innen braun) trägt blasse Flocken und erreicht
zwischen diesen Torfmoosen eine Länge von zehn Zentimeter. Die
gelblichen Lamellen stehen gedrängt, sind hinten sehr breit und etwas
herablaufend. Unweit davon, aber auf trockenem Boden, können wir auch
seinen zierlichen Stiefbruder, den roststieligen Häubling (~Galera
tenera~) finden; Stiel und Hut ockerbräunlich, Lamellen zimtgelb,
Gestalt wie jener. – Vor Hitze matt, strecken wir uns zwischen hohen
Adlerfarnen am Rande des Moores lang und träumen von vergangenen
Zeiten. Nebelgeister und Irrlichter huschen übers Moor. Auerochsen und
Wildschweine waten im Schlamme. Wir hören von weitem Jagdhörner und
Hundekläffen. Vorüber rast der weiße Hirsch und hinterdrein der Reiter
schweißbedeckte Schar. Vorbei! Wir gehen in die Pilze und wandern
stadtwärts nun gen Süden. Im Heidelbeergestrüpp ein Strubbelkopf
(~Boletus strobilaceus~, Abb. 3). Schwärzlich und ruppig der ganze
Kerl. Nur seine Röhren schimmern grau, sind eckig und weit. Schöner ist
der hier neben der dicken Buche: der goldflüssige Milchling (~Lactarius
chrysorheus~). Goldorange sein mittelgroßer Hut und mit dunkleren
Zonen. Gleichfarbig aber blasser der kahle Stiel, gleichfarbig auch
die schmalen, gedrängten Lamellen. Wir stellen fest, daß die Milch
schwefelgelb wird und scharf schmeckt. – Nun kommen wir zum Saugarten,
wo unter uralten Eichen junge Fichten aufwachsen. Hier scheinen auch
Wildschweine gewühlt zu haben. Aber ihre Zahl nahm mit Eichen und
Buchen gleichermaßen ab. Wenn der Forstmann hier und da noch einzelne
oder ganze Gruppen dieser Baumarten stehen läßt, so geschieht das
nicht bloß aus Schönheitsgründen, sondern auch aus wirtschaftlichen:
durch Laubabwurf gewinnt der Boden. Das freut den Pilzmann auch,
sein Reich wird dadurch bunter. Auf Eichenwurzeln sitzend hier
ein Rübling, der spindelige (~Collybia fusipes~); Hut und Stiel
englischrot, der spindelige Stiel ist tief gefurcht; die rötlichen,
angehefteten Lamellen stehen sehr entfernt. Das geruchlose Fleisch
dieses glockenhütigen Pilzes ist genießbar. – Nun auf der alten Vier
weiter nach Süden! Im Sande hier eine Schar unscheinbarer Gesellen,
büschelige Rißpilze (~Inocybe umbrina~). Der drei Zentimeter breite,
glockige, gebuckelte Hut ist rehbraun und gefasert. Die bräunlichen
Lamellen haben eine blasse, flockige Schneide. Der gelbbräunliche
Stiel trägt ein scharf abbiegendes Knöllchen und eine weißkleiige
Spitze. Von seinen Gattungsbrüdern kommen außer den genannten noch
~lacera~, ~maritima~ und ~dulcamara~ vor. Im Moose hier am Wegrand
zwei winzige Arten mit glockigen Hütchen. 1. Der Sternmooshäubling
(~Galera mniophila~) mit einem braungelben, gerieften, glatten Hute
und olivgelbem, schlankem Stiele, 2. der Astmooshäubling (~Galera
hypnorum~), der ganz ähnlich aussieht. Aber seine bräunlichen Lamellen
sind am Stiele verschmälert angeheftet, die seines Doppelgängers
dagegen breit angewachsen. Nichts für den Kochtopf! Dasselbe gilt von
der kleinen Gesellschaft hier, von den gesäten Tintlingen (~Coprinus
disseminatus~). Dicht gedrängt stehen am Wege graue, winzige, gefaltete
Glöckchen, gestützt von weißlichen, dünnen Stielchen. Die Lamellen
der jungen sind blaßrötlich, die der alten braunschwarz. Klein ist
auch der folgende, der seidige Rübling (~Collybia cirrhata~), der gern
auf faulenden Pilzen wächst. Hut rötlichweiß, etwa ein Zentimeter
breit, konzentrisch-rinnig, Lamellen weiß, gedrängt, schmal, etwas
herablaufend; Stiel blaßrötlich, dünn, verbogen, flaumig. Wenn wir ihn
tief ausstechen, bemerken wir, daß unten am Stiel wurzelartige Fädchen
hängen, die aus gelblichen Klümpchen (~Sklerotien~) hervorwuchsen. –
Etwas größer ist der Rübling, den wir nun finden: der gemeine (~Coll.
dryophila~). Er foppt uns oft durch seine Veränderlichkeit. Gewöhnlich
sieht sein Hut rötlichgelb aus, der Stiel etwas dunkler. Die gelbweißen
Lamellen sind schmal und dicht stehend. – Schließlich finden wir noch
den grubigen Rübling (~Coll. radicata~). Auf seinem weißlichen, langen,
gerillten Stiele, der nach unten wurzelartig verlängert ist, sitzt ein
bräunlicher, stark gerunzelter Glockenhut, der etwa acht Zentimeter
breit ist und weiße, breite, entfernte Lamellen trägt. Sein Fleisch ist
weiß, mild und geruchlos. Zum Essen empfiehlt sich nur der Hut, nicht
der harte Stiel.

[Illustration: Abb. 5. =Ziegenlippe=]

[Illustration: Abb. 6. =Orangegelber Ziegenbart=]

Die zweite Pilzfahrt beginnen wir Mitte Juli nach Verlassen der
Straßenbahn 9 an der Marienallee. Lautes Knallen verrät die Nähe der
Militärschießstände, die wir rechts liegen lassen, um den Kannhenkelweg
nordöstlich bis zur Hofewiese zu verfolgen. Viel Kiefern. Da steht
der Sandröhrling (~Boletus variegatus~). Sein Hut ist ledergelb und
trägt winzige braune Schüppchen. Sein glatter, fester gleichdicker
Stiel hat dieselbe Farbe, oft mit einem Stich ins Rötliche. Seine
engen, am Stiel herablaufenden Röhren sind olivbraun. Das genießbare
Fleisch sieht blaßgelb aus und blaut etwas. Dann finden wir den
süßriechenden Milchling (~Lactarius glyciosmus~). Die Farbe seines
violettgraubraunen, undeutlich gezonten Hutes variiert sehr. Der etwas
blassere Stiel ist bereift und ausgebaucht. Aus seinen gelblichen,
dicht stehenden Lamellen fließt nach dem Anritzen eine weiße,
unveränderliche Milch, erst mild, dann scharf schmeckend. – Weiter
oben gibts auch Birken. Wie zierlich sie sich abheben vom ernsten
Dunkel des Nadelwaldes! Hier wird gesucht. Ein Birkenpilz mit braunem
Hut und schwarzweiß gesprenkeltem Stiel! (~Tubiporus scaber~, Abb.
4). Nicht weit davon leuchtet der ockerrötliche Hut des Rothäubchens
(~Tubiporus rufus~). Dort noch mehr! Unsere Freude steigert sich
zur Mykomanie. – Nun schweifen wir nach links zum Lärchenhain.
Richtig, da lacht er uns schon entgegen: der Lärchenröhrling (~Boletus
elegans~), der auch schöner Röhrling genannt wird. Sein goldgelber,
schmieriger Hut trägt schwefelgelbe, enge Röhren und sitzt auf
einem gleichfarbigen, faserigen Stiele, der einen weißlichen Ring
trägt. Eßbar. Wir spähen auch nach dem rötenden Gelbfuß (~Gomphidius
maculatus~), finden ihn heute aber nicht. Aber der Birkenreizker ist
schon heraus (~Lactarius torminosus~). Giftreizker nennen wir ihn
deshalb nicht mehr, weil Versuche ergaben, daß er nach Abgießen des
Kochwassers als Salat- oder Mischpilz verwendet werden kann. Der
gelbrötliche, vertiefte Hut hat zottigen Rand und eine braungezonte
Scheibe. Der gleichfarbige, hohle Stiel ist oft grubig; die etwas
helleren Lamellen sind schmal und gedrängt. Später können wir hier auch
den lebhaft gelben Lärchenschneckling finden (~Limacium lucorum~). –
Wir schwenken nun halbrechts und sammeln dabei mehrere Ziegenlippen
(~Boletus subtomentosus~, Abb. 5). Ihr dünner Stiel, unten rötlich und
oben gelb, trägt einen olivgrauen, samtigen, oft gefelderten Hut, der
goldgelbe, weite, eckige Röhren hat. Willkommene Beute! – Dort ist ein
Stumpf mit dottergelben, korallenartigen Gebilden geziert: wurzelnde
Händlinge (~Calocera viscosa~). Im Volksmunde heißen alle geweihartigen
Pilze Ziegenbart, obwohl die meisten einer anderen Gattung angehören,
nämlich den Korallenpilzen (~Ramaria~). Von letzterem birgt die
Heide den zitronengelben (~flava~), den orangegelben (~aurea~, Abb.
6), den grauenden (~cinerea~), den rauchgrauen (~grisea~), den
kammförmigen (~cristata~), den grünspitzigen (~abietina~) und endlich
den Hahnenkamm (~botrytis~). – An einer grasbedeckten, lichten
Stelle am Wege steht herdig der eßbare gemeine Fälbling (~Hebeloma
crustuliniforme~), der früher tränender Hautkopf genannt wurde. Sein
Name deutet auf eine mattgelbbräunliche Färbung. Die gelbbraunen,
schmalen, dünnen, gedrängt stehenden Lamellen haben eine gekerbte
Schneide und tränen. Dieser Pilz riecht nach Rettich und ist am
sichersten an den weißen Pünktchen des Oberstieles zu erkennen. – Auf
Pferdedünger am Wege erfreut sich ein herdig auftretender Knirps seines
kurzen Daseins, der Eintags-Tintling (~Coprinus nycthemerus~). Der
zuletzt schirmartig ausgebreitete, graue, radialfaltige Hut mit gelbem
Scheitel wird nur einen Zentimeter breit. Die grauen, schmalen Lamellen
gehen bis an den weißen, dünnen, flockig-bereiften Stiel heran. –
Na, endlich auch einmal ein kahler Krempling (~Paxillus involutus~).
Der gelbbraune Geselle mit seinem filzigen, eingebogenen Hutrande
ist hinreichend bekannt. Von Ricken wird er empfindlicher Krempling
genannt, weil die gedrückten Stellen rasch rotbraun werden. Er schmeckt
etwas säuerlich und leimig, weshalb ihn nicht jeder mag. Links vor
der Prießnitzbrücke steht an einem alten Stumpf der vielumstrittene
Balken-Blättling (~Lenzites trabea Pers.~). Hut halbkreisförmig,
umbra, runzelig, flaumig, wellig gezont, dünn; Lamellen bräunlich,
ganzrandig; Substanz lederig. – Nun in nordöstlicher Richtung aufwärts
zur Hofewiese – aber schnell, weil ein Gewitter droht. Da ein mächtiger
Samtfuß-Krempling (~Paxillus atrotomentosus~, Abb. 7~a~), an faulendem
Stubben. Erkenntlich an dem dunkelbraunen Filze seines Unterstieles.
Die gelben Lamellen seines rostbraunen Hutes gehen weit am Stiel
herunter. Roh schmeckt er bitter, gebraten scheint er manchen zu
munden. – Dort winken weiße Pilze! Pfeffermilchlinge (~Lactarius
piperatus~, Abb. 7~b~). Dieser stattliche, getrichterte, weiße Pilz
mit beißender, weißer Milch unterscheidet sich von dem kurzstieligen
Wollschwamm (~Lactarius vellereus~) besonders durch seine sehr dicht
stehenden Lamellen. – Lassen wir die bissige Gesellschaft, denn der
Himmel verdunkelt sich mehr und mehr. Kurz vor dem Zaune, der die
Hofewiese und ihre Wirtschaftsgebäude umschließt, erhebt sich ein
Sturm, der brausend durch die Wipfel rast, als ob die wilde Jagd
der Sage auferstanden wäre. Spornstreichs eilen wir zur niedrigen
Wirtsstube und nehmen keuchend am grünen Kachelofen Platz. Nun, mein
Donar, tob dich aus! Er tuts mit Blitz und Donner, indes wir gemütlich
Kaffee trinken und das mitgebrachte Butterbrot verzehren.

[Illustration: Abb. 7~a~. =Samtfuß-Krempling=]

[Illustration: Abb. 7~b~. =Pfeffer-Milchling=]

Endlich ist’s vorbei, das grause Spiel der Götter. Die Sonne lacht und
wir mit ihr. Wir gehen nach Langebrück zu und suchen emsig weiter.
Da steht ein dunkelbrauner Röhrling, der porphyrsporige (~Tubiporus
porphyrosporus~). Der zylindrische Stiel ist noch etwas dunkler als
der samtige, dicke Hut, an dessen Unterseite gelbgraue Röhren sitzen,
die, wie wir später feststellen, porphyrbraune Sporen enthalten. Er
wird daheim verspeist. Der Specht da oben scheint darob zu lachen. –
Wir biegen nun nach Südwest ab, um Klotzsche zu erreichen. In einem
Pflanzengarten stehn in Menge große Schirmlinge, die der undeutsche
Deutsche immer noch Parasolpilze nennt (~Lepiota procera~, Abb. 8). Wir
wissen, daß er einen großen, braunschuppigen Hut, weißliche, freie
Lamellen und einen bräunlichen, nach oben verjüngten Stiel hat, der mit
einem verschiebbaren Doppelring geziert ist. Sein weißes Fleisch ist
wohlschmeckend. Der dumme Zaun! Als Wohlerzogene steigen wir nicht über
und suchen weiter. In Buchennähe hier der weiße Mehlpilz (~Paxillus
prunulus~), auch Moosling oft genannt. Wir ziehen den ersten Namen
vor, weil er bezeichnend ist. Der Mehlgeruch dieses weißen Kremplings
ist so auffällig wie bei keinem andern. Außerdem erkennen wir ihn
an den rötlichen, herablaufenden Lamellen. Da wir eine Menge davon
einheimsen können, vergessen wir den Schmerz von vorhin. Ein zweiter
Trost: ein Brätling (~Lact. volemus~) unter Fichten. Zimtorange Stiel
und Hut. Wir ritzen die gelblichen Lamellen dieses derben Pilzes an und
finden, daß die weiße Milch strotzend fließt. Mild wie sie schmeckt
auch das Fleisch. Ein Leckerbissen! Dort steht ein Stock voll goldner
Glöckchen. Sind es Blumen? Nein. Eine Kolonie vom rostgelben Nabeling
(~Omphalia campanella~). Der rotgelbe Glockenhut, kaum zwei Zentimeter
breit, ist schön gerieft. Die gelben Lamellen stehen fast entfernt. Das
kastanienbraune, nach unten verjüngte Stielchen scheint in Fuchspelz zu
stecken, so behaart ist sein Fuß. – Mittlerweile haben wir die Gegend
von Klotzsche erreicht und hören links vom Prießnitzbad herüber den
vielstimmigen Jubel der Badenden. Nun mit dem Flüßchen abwärts! Hier
ein kanariengelber Täubling (~_Russ. flava_ Rom.~). Weil er nicht im
Ricken steht, sei er genau beschrieben. _Hut_ zitronengelb, glatt,
fünf bis zehn Zentimeter breit, erst gewölbt, dann ausgebreitet,
schließlich schwach vertieft, Rand glatt. _Lamellen_ erst fast weiß,
später mattneapelgelb, von einigen kürzeren unterbrochen, schwachbogig
angeheftet, fast gedrängt. _Stiel_ erst weiß, später schwach hellgrau,
zart längsriefig, gleichdick oder nach unten zugespitzt, schwammig
ausgefüllt, 4–5 : 1,5–2 Zentimeter, außen derb. _Fleisch_ weiß, wird
bald grau, ziemlich starr, schmeckt mild und angenehm, riecht kaum.
_Sporen_ weißlich, kugelig, stachelig, 8–10: 7–9 µ, Basidien 40–43:
9–12 µ, Cystiden keulig mit aufgesetztem Spitzchen, 60–70: 10–14 µ. –
Auch den fleischroten Täubling (~R. depallens~) ergattern wir. Dieser
milde Weißsporer ist vor allem an der bräunenden Basis des weißen
Stieles zu erkennen. Die gedrängten Lamellen sehen weißlich aus. Der
violettpurpurne Hut bekommt bald gelbe Flecke, namentlich in der
Mitte. Dann finden wir den Stink-Täubling (~R. foetens~), ein scharfer
Weißsporer ohne Küchenwert. Sein braungelber, schmieriger Hut mit
höckerig gerieftem Rande sitzt auf einem gelblichen, derben Stiele. Die
gelblichen, ungleichlangen Lamellen tränen oft. Er riecht nach bitteren
Mandeln. – Im Bereich der Laubbäume am Prießnitzufer pflücken wir den
Gelbmilcher (~Lactarius quietus~). Auf rötlichem, höckerigem Stiel
ein rotbräunlicher, klebriger, undeutlich gezonter Hut, der rötliche,
weißbestäubte Lamellen zeigt. Dem rötlichen, eßbaren Fleische entquillt
eine blaßgelbe, unveränderliche Milch. Zum Schlusse erbeuten wir noch
eine stattliche Anzahl vom rötenden Schirmling (~Lepiota rhacodes~). Er
sieht dem großen Schirmling (~Lepiota procera~) ähnlich, unterscheidet
sich aber von diesem durch das rötende Fleisch, den glatten, nicht
schraffierten Stiel und die derbe Fußknolle.

[Illustration: Abb. 8. =Großer Schirmpilz=]

Unser dritter Ausflug erfolgt Anfang August und beginnt bei dem
Bühlauer Rathaus, wo wir die Linie 11 verlassen. In der Richtung des
Nachtflügels gehen wir zunächst nach Ullersdorf. Viel Fichtenwald.
Da steht am Grabenrand der Pfeffer-Röhrling (~Boletus piperatus~),
deshalb so genannt, weil sein bleibendgelbes, saftiges Fleisch
pfefferig schmeckt. Darum kann er höchstens als würzender Zusatz
verwendet werden. Der bräunlichgelbe, kahle Hut wird nur drei bis fünf
Zentimeter breit. Die rötlichen, weiten, eckigen Röhren laufen am
Stiel etwas herab. Der gelbbräunliche Stiel sieht unten zitronengelb
aus. – An einem Stumpf in Massen der eßbare Glimmertintling (~Coprinus
micaceus~): auf gelblichem Stiel ein rostgelber, faltiger Glockenhut,
der jung mit weißlichen Körnchen besetzt ist und drei bis vier
Zentimeter breit wird. Die anfangs blassen Lamellen bräunen und
schwärzen schließlich. – Am grasigen Waldrand da die dottergelbe
Keule (~Clavaria similis~), ein gelbes, zungenförmiges, sieben
Zentimeter hohes Pilzchen, das im getrockneten Zustande fast wie
Leuchtgas riecht. – An abgefallenen Ästchen der gemeine Spaltblättling
(~Schizophyllum commune~). Ein grauweißes, fächerförmiges, filziges
Hütchen mit rötlichgrauen Lamellen, deren Schneide gespalten, sitzt
stiellos am Holz. – Im Fichtengebüsch steht der seltene wieselfarbige
Täubling (~Russ. mustelina~), ein milder Weißsporer mit orangebraunem,
glanzlosem Hute, der glattrandig und im Alter eingedrückt ist. Die
gelbweißlichen Lamellen stehen gedrängt, der weißliche Stiel ist
zylindrisch und derb, das weiße Fleisch schmeckt angenehm. – An
Reisern hier winzige, graubraune Glöckchen auf hellgrauem, glattem
Stiel: der fadenstielige Helmling (~Mycena filopes~). – Auch den
purpurschneidigen Helmling (~Mycena sanguinolenta~) könnten wir hier
finden. Dieser blaßrötliche, kleine Helmling zeichnet sich dadurch
aus, daß seine entfernt stehenden, weißlichen Lamellen eine purpurrote
Schneide haben. – Kurz vor Ullersdorf finden wir noch einen kleinen:
den honiggelben Schnitzling (~Naucoria melinoides~). Sein zwei
Zentimeter breiter, ockergelblicher, glatter Hut sitzt auf einem
rostbräunlichen, schlanken Stiele, dessen Spitze bereift ist. Die
ockerhellen, schmalen Lamellen stehen gedrängt und haben eine gekerbte
Schneide. – Das Dorf in Sicht. Freitag heute. Da gibt’s im Gasthof
frisches Wellfleisch. Der Magen fordert seine Rechte – und soll sie
haben.

[Illustration: Abb. 9. =Kartoffel-Bovist=]

Nach vollbrachter Stärkung biegen wir am nördlichen Dorfende westlich
ab, um in der Nähe des Bischofsweges zu suchen. Inwieweit dieser
Wegname berechtigt ist, bleibe dahingestellt. Jedenfalls haben
die Meißner Bischöfe auf der Reise nach ihrem Schlosse Stolpen
diesen Weg weit weniger benutzt als den weiter südlich gelegenen
Dresdner Bischofsweg. – Auf braunem Tangel violette Pilze? Aha, der
Rettich-Helmling (~Mycena pura~). Ein blaurötlicher riefrandiger
Glockenhut, vier Zentimeter breit, sitzt auf einem blassen, nackten
Stiel. Die weißlichen, breiten Lamellen sind durch Queradern verbunden.
Er riecht nach Rettich und ist eßbar. – Weniger schön als dieser ist
sein Nachbar, der rasige Schwindling (~Marasmius confluens~). Er
steht büschelig. Hut rotgelblich, glockig, zartgerieft, zwei bis vier
Zentimeter breit, Lamellen braungelblich, sehr gedrängt und schmal;
Stiel bräunlich, filzig und verdreht. – Da drüben Rehe! In diesem
stadtfernen Waldwinkel können wir das geheimnisvolle Schweigen im Walde
mit Behagen genießen. Höchstens, daß der Schrei eines Raubvogels uns
an den Kampf ums Dasein erinnert. Wir suchen schlendernd weiter. Ein
seltener Fund hier: der vierteilige Erdstern (~Geaster coronatus~),
wie eine graubraune Kugel mit kurzem Stiel, gestützt auf vier braune,
breite, gebogene Lappen. – Sodann zinnoberrote Täublinge (~Russ.
lepida~). Ihr zartbereifter Hut sitzt auf einem weißen, harten Stiele,
der oft auch zinnoberrot angelaufen ist oder ganz so rot aussieht
wie der Hut. Von allen anderen roten Täublingen unterscheidet sich
dieser durch sein sehr hartes Fleisch, das nach Terpentin schmeckt.
– Und dort der graustielige Täubling (~Russ. decolorans~), dessen
weißer, oft rosa angehauchter Stiel stark gerunzelt ist und im Alter
grau wird. Sein Fleisch läuft an den Bruchstellen bräunlich an. Sein
ockerrötlicher, derber Hut bekommt im Alter einen gerieften Rand und
wird sechs bis zehn Zentimeter breit. Seine Lamellen sind neapelgelb
und ziemlich breit. – Und dort, wo das Eichhorn die Buche erklimmt,
ein Heer von gelblichen Stachelpilzen: der Stoppelpilz (~Hydnum
repandum~). Die verbogenen Hüte sind zum Teil ineinander gewachsen;
ihre Unterseiten zeigen gelbliche Stacheln; ihr weißlicher Stiel steht
oft exzentrisch. Eßbar. Auch der Habichtschwamm ist hier heimisch
(~Hydnum imbricatum~). Sein umbrabrauner, ruppiggeschuppter Hut
steht auf einem kurzen, grauen Stiele. Die hellgrauen, pfriemlichen
Stacheln werden später braun. Auch er kann für die Küche gesammelt
werden. Nur muß man sich hüten, den sehr ähnlichen bitteren Stacheling
mit in die Schachtel zu bekommen. – Am ~C~ angekommen, gehen wir
auf diesem nach Südwest bis zum Ochsensteig, der uns zur Heidemühle
führt. In einer birkenreichen Fichtenschonung steht herdig der
rötliche Lacktrichterling (~Clitocybe laccata~), von Ricken wegen
seiner Veränderlichkeit Chamäleon genannt. Hut englischrot, etwa vier
Zentimeter breit; Lamellen blasser und mit violettem Scheine, dick,
entfernt, weißmehlig; Stiel gleichfarbig, schlank, faserig gestreift.
Eßbar. Auch die violette Form (~amethystina~) kommt in der Heide
vor. – Nachdem wir uns an der Purpurpracht des massenhaft blühenden
Weidenröschens (~Ep. angustifol.~) satt gesehen, wandern wir westwärts
weiter. Der halbgiftige Kartoffel-Bovist (~Scleroderma vulgare~, Abb.
9), der leider immer noch als Trüffel verkauft wird, ist hier nicht
selten. Da er einer warzigen Kartoffel ähnelt, erübrigt sich eine
Beschreibung. Noch häufiger tritt der olivbraune Milchling (~Lactarius
turpis~) auf, der nicht mehr Mordschwamm genannt werden sollte, weil
er diesen abschreckenden Namen nicht verdient. Er wird sogar in
manchen Gegenden Deutschlands gern gegessen. Hut und Stiel olivbraun;
Lamellen gelblich; Milch weiß, graufleckend. Schärfer als dieser
schmeckt der ebenfalls vorkommende perlblättrige Milchling (~Lactarius
pyrogalus~), dessen weiße Milch oft tropfenweise an den ockerblassen
Lamellen hängen bleibt und eintrocknet. Sein violettbraungrauer Hut
ist undeutlich gezont, fünf bis sieben Zentimeter breit, feucht. Der
Stiel ist gleichfarbig, aber blasser, runzlig, kahl, nach unten meist
verjüngt und zuweilen hohl. – An faulenden Ästchen wuchs herdig ein
graugelber, topfförmiger: der Tiegel-Teuerling (~Cyathus crucibulum~),
der fünf bis acht Millimeter breit wird. Er ist mit winzigen Scheibchen
(~Peridiolen~) gefüllt, die wie verkleinerte Münzen aussehen und
zu allerlei Aberglauben Anlaß gegeben haben. – Die Heidemühle wird
sichtbar. Wir begrüßen sie mit Jodeln.

Nachdem wir uns gestärkt haben, streben wir östlich von der Radeberger
Straße stadtwärts. Eine sehr alte Straße. Was alles mag sie schon
gesehen haben? Reihen schwerer Kaufmannswagen, von bewaffneten Reitern
beschützt. Scharen beutegieriger Hussiten, bewaffnet mit Spießen und
Stachelkeulen. Fürstliche Jagdzüge mit Hunden und Falken. Soldaten
verschiedener Zeiten und zahllose Wanderer. Und jetzt knattern die
Autos bergauf und bergab. – Nun links in den Wald hinein! Beim
eifrigen Suchen streichelt uns ein Fichtenzweig nach seiner eigenen
Art. Rechts von dem Ameisenhaufen dort stehen Kampfer-Milchlinge
(~Lactarius camphoratus~). Dieser mittelgroße Pilz sieht im ganzen
dunkelpurpurn aus. Sein ungezonter, runzliger Hut ist meist spitz
gebuckelt, seine gelblichen Lamellen sind oft bestaubt. Das Fleisch
riecht nach dem Urteil mancher Nasen wie Zichorie, nach dem anderer
wie Kampfer. Seine weiße Milch ist mild. – Und was steht dort? Ein
Stink-Schirmling (~Lepiota cristata~). Auf silberweißem Stiel mit
abfälligem Ring ein weißlicher, drei Zentimeter breiter Kegelhut, den
rostgelbe, konzentrisch gereihte Schüppchen schmücken. Die weißen
Lamellen haben eine flockige Schneide. Riecht heringsartig. Auch den
wolliggestiefelten Schirmling (~Lepiota clypeolaria~) können wir hier
finden. Er ist etwas größer als der vorige und hat einen gelblichen
Glockenhut, der einen beschuppten, ockerrötlichen Scheitel und einen
zottigen Rand hat. Der unberingte, schlanke, hohle Stiel ist schuppig.
– Und hier in Menge der gelbstielige Helmling (~Mycena epipterygia~).
Ein weißliches, schleimiges, gefurchtes Glockenhütchen sitzt auf
einem zitronengelben, schlanken Stiele, der mit einer klebrigen,
gummiartigen Haut überzogen ist. – Im Fichtengebüsch da der echte
Reizker (~Lactarius deliciosus~), Stiel und Lamellen orangerot, Hut
orangerötlich mit grünlicher Mitte, Milch orangerot und mild. Sie alle
werden arretiert.

[Illustration: Abb. 10. =Violettlicher Milchling=]

Ende August ist gekommen, und Regen fiel in Menge. Darum frischauf
zur Pilzpirsch! Diesmal verlassen wir die Linie 11 bei der Saloppe,
um durch den Schotengrund zu gehen und dann dem Fuße des Wolfshügels
zuzustreben. Die Buchen im Grund begünstigen eine eigenartige
Pilzflora. So finden wir hier das Hasenohr (~Otidea leporina~),
ein ohrähnlicher, ockerrötlicher Pilz mit kurzem, zottigem Stiele.
Wegen seiner Seltenheit lassen wir ihn stehen, obwohl er verspeist
werden kann. – Nicht weit davon der dunkle Schleimkopf (~Phlegmacium
obscurocyaneum~). Er hat einen violettbraunen, klebrigen, dunkler
geflammten Hut, der etwa fünf Zentimeter breit ist. Die sepiabraunen,
gekerbten Lamellen stehen entfernt und sind abgerundet angewachsen.
Der kurze, keulige Stiel sieht unten blaßviolettbraun aus, oben aber
violett. Sein geruchloses, mildes Fleisch ist in der Jugend überall
violett, blaßt aber im Alter aus. Seine Genießbarkeit ist noch
nicht erprobt. Aber den sehr ähnlichen eingeknickten Schleimkopf
(~Phlegmacium infractum~) habe ich schadlos gegessen. Das Dunkelbraun
seines glockigen Hutes neigt etwas ins Grüne, und der Hutrand ist
eingebogen. Die olivbraunen, ganzrandigen Lamellen sind buchtig
angewachsen. Der blaßbraune, graugestreifte Stiel ist oben bläulich und
hat unten eine dicke Knolle. – Östlich nach dem Wolfshügel abbiegend,
finden wir am Talrande einen anderen Seltling: den violettlichen
Schwindling (~Marasmius Wynnei~). Er wechselt seine Farbe öfter als
ein strebsamer Ministerkandidat. Sein anfangs weißer, drei bis sechs
Zentimeter breiter Glockenhut verfärbt über rosa zu trübviolett,
ist dünn, zäh und runzlig. Die entfernten, dicken, freien Lamellen
sind erst weiß und werden später violettbräunlich. Die zugespitzte
Basis des weißlichen Stieles ist erst fuchsrot und später braun, der
Oberstiel ist kleiig, bereift und an der Spitze erweitert. – Am Fuße
des Wolfshügels finden wir noch einen seltenen: den rötlichen Röhrling
(~Tubiporus rubellus Krombh.~). Hut rötlich, drei bis sieben Zentimeter
breit, flachgewölbt, oft eingedrückt, Rand nach unten gebogen; Röhren
gelb, eng, rund, um den Stiel herum vertieft; Stiel wie Hut gefärbt, am
Fuße braungelb, glatt, oft verbogen, netzlos, zylindrisch, sechs bis
zwölf Zentimeter hoch; Fleisch bleibendgelb, mild, genießbar. – Auf den
Turm des Wolfshügels steigen wir heute nicht, weil für Pilzsucher die
Aussicht unten besser ist.

[Illustration: Abb. 11. =Schafeuter=]

Nun verfolgen wir das ~C~, rechts und links abweichend. Da, wo der
Ameisenlöwe »andern eine Grube gräbt«, steht der stumpfe Glöckling
(~Nolanea proletaria~). Der bräunliche, durchscheinend geriefte,
drei Zentimeter breite Glockenhut mit dunkelzottigem Scheitel sitzt
auf einem braunen, glatten, kahlen Stiele, der meist breitgedrückt
erscheint. Die rötlichen Lamellen stehen entfernt. – Auch den tranigen
Glöckling (~Nolanea mammosa~) können wir in der Heide antreffen.
Hut olivbraun, mit spitzem Höcker, durchscheinend gerieft, zwei bis
vier Zentimeter breit; Stiel gleichfarbig aber blasser, schlank,
steif; Lamellen rötlich, sehr breit. Er riecht tranartig und wächst
wie der vorige auf faulenden Blättern. – Hierauf entdecken wir einen
violettlichen Milchling (~Lactarius flexuosus~, Abb. 10); Hut und Stiel
hellviolettbraun, auch ins Rötliche spielend. Der kahle, trockne,
eingeknickte Hut ist nicht immer gezont; die rotgelblichen, dicken
Lamellen stehen entfernt; die Milch ist bleibendweiß und scharf. –
Der Schwefelmilchling (~Lactarius theiogalus~) kommt in dieser Gegend
auch vor. Er heißt deshalb so, weil seine Milch langsam schwefelgelb
wird. Sein rosagelblicher, ungezonter, zart gerunzelter Hut sitzt auf
einem gleichfarbigen, wellig-unebenen Stiele, dessen Fuß purpurbraun
aussieht. Die rotgelblichen dünnen Lamellen stehen gedrängt. Das
gilbende, scharfe Fleisch gilt als verdächtig. – Weiterhin der
Semmelpilz (~Polyporus confluens~): mehrere semmelgelbe Hüte, die
oft verwachsen sind, kommen aus einem derben, weißlichen Strunke.
Die weißlichen, engen, kurzen Röhren laufen etwas am Stiele herab. –
Auch das ähnliche Schafeuter (~Polyporus ovinus~, Abb 11), ist hier
heimisch. Hut, Stiel und Röhren gelblichweiß, oft schwach grünlich; im
Bau dem vorigen ähnlich.

[Illustration: Abb. 12. =Flaschenstäubling=]

Auf schwellendem Moospolster lagern wir uns, um unser Frühstück zu
verzehren und dem Rauschen der heute besonders stark bewegten Wipfel
zu lauschen. Diese eigenartige Musik erinnert uns an das Meer, dem der
Wald in manchem ähnelt. Machen doch beide den Eindruck geheimnisvoller
Unendlichkeit. – Nun weiter bis zur Kreuzung des Blaurot-Weges, der
uns nach Klotzsche führen soll. An einem Buchenstumpf der angebrannte
Porling (~Polyporus adustus~) in mehreren Exemplaren. Dieser olivgraue,
runzlige, undeutlich gezonte Pilz sitzt wie eine halbkreisförmige
Muschel am Stamm. Die jungen sind weiß berandet. Die weißen Röhren
werden nach Berührung schwarz, daher der Name. – Auf weichem Tangel
weiterschreitend, kommen wir zu einem rötenden Porling (~Polyporus
leucomelas~): auf grauem Stiel ein schwärzlicher, schuppiger,
unregelmäßiger Hut, dessen Unterseite hellgraue, ziemlich weite Röhren
zeigt. Nach Anbruch rötet das weiße Fleisch des Hutes, während das des
Stieles schwärzt. – Dort braunrote Milchlinge in Menge (~Lactarius
rufus~): Hut und Stiel braunrot und rauh; Lamellen rötlichgelb. Obwohl
die bleibendweiße Milch und das gelbrötliche Fleisch roh sehr beißend
schmecken, kann dieser Pilz nach zweistündiger Wässerung gegessen
werden, besonders als Salat zubereitet. – In der Nähe der schönen
Quelle können wir das grüngelbe Gallertköpfchen (~Leotia gelatinosa~)
sammeln. Das darmartig gewundene, grüngelbe Hütchen sitzt auf einem
gelben, schuppigpunktierten, oft breitgedrückten Stiele, der fünf bis
sechs Zentimeter hoch und zuletzt hohl ist. Im Juni hätten wir hier
auch den Sumpfhaubenpilz (~Mitrula phalloides~) finden können. Auf
weißlichem Stiel ein orangegelbes Köpfchen. – Oh, da auch eine krause
Glucke (~Sparassis crispa~): ein badeschwammähnliches, weißes Gewirr
von Zweigen, deren Enden umgeschlagen und gesägt sind, etwa zwanzig
Zentimeter breit im Durchmesser. – Häufig tritt der ockerblättrige
Täubling auf (~Russ. alutacea~), ein milder, stattlicher Gelbsporer,
dessen Lamellen sehr früh ockergelb werden. Sein weißer, zylindrischer
Stiel kann auch rosa angelaufen sein. Der trübpurpurne, klebrige Hut
hat eine gelbliche Scheibe und gefurchten Rand. – Noch häufiger ist
der Speiteufel (~Russ. emetica~). Auf einem weißen, nach unten meist
verdickten Stiele sitzt ein blutroter, mittelgroßer Hut mit gerieftem
Rande und weißen, entfernten Lamellen. Er schmeckt zwar sehr scharf,
aber seine Giftigkeit wird in Zweifel gezogen. Da es zwischen ihm
und dem ähnlichen, aber kleineren gebrechlichen Täubling (~Russ.
fragilis~) eine Menge Zwischenstufen gibt, verursacht dieser Pilz den
Forschern noch viele Streitigkeiten, in die wir uns heute nicht mengen
wollen. – Nach Überschreitung der Radeberger Straße nähern wir uns
dem Vogelherde, der aber links liegen bleibt. Weiterhin beobachten
wir Bauern, die (nach Einholung eines bezahlten Erlaubnisscheines)
dem Waldboden Spreu entnehmen, und zwar nicht bloß Gras. Der
Pilzfreund bedauert das. – Weitergehend gewahren wir den Dauerporling
(~Polystictus perennis~), der von Ricken gebänderter Schillerporling
genannt wird. Ein zimtbrauner, buntgebänderter, lederiger Trichterhut
sitzt auf einem rostbraunen, samtigen, dünnen Stiele, der abwärts
verdickt ist. Die anfangs gelblichen, später rostbraunen, kurzen Röhren
haben enge, eckige Poren. Ungenießbar wie der, den wir unweit davon
finden: der Eichen-Knäuling (~Panus stipticus~.) Zimtgelbe, kleine
Fächer mit aufwärts verdickten, kurzen Stielen an einem Eichenstumpfe
sitzend. Eigenartig an den gleichfarbigen, gedrängten Lamellen sind die
verbindenden Querwände. – Sehr häufig ist der blutblättrige Hautkopf
(~Dermocybe anthracina~). Der zimtbraune, vier bis sechs Zentimeter
breite Glockenhut hat dunkelkarmin gefärbte Lamellen, einen gelblichen
Stiel, der blutrot gefasert ist und oben ockerrote Schleierreste trägt.
Dieser Pilz bekommt uns so schlecht, daß man ihn zu den Giftpilzen
rechnen kann. Von oben gesehen, ähnelt ihm der zimtbraune Hautkopf
(~Dermocybe cinnamomea~). Aber sein Fleisch ist gelb, nicht rötlich
wie bei jenem. Stiel zitronengelb; Lamellen zimtgelb. Seine große
Veränderlichkeit narrt sogar den Pilzkenner. – Birken zieren den
Weg und darunter das Violettrosa des Heidekrautes, von dem wir uns
einen Strauß mitnehmen dürfen, weil es massenhaft vorkommt. – Sehr
häufig begegnen wir dem Heideschleimfuß (~Myxacium mucosum~), von
Ricken kompakter Schleimfuß genannt. Er fällt schon von weitem durch
den zimtgelben Hut auf. Seine zimtbraunen, fast gedrängten Lamellen
sind meist ausgebuchtet angewachsen. Obwohl sein blaßvioletter Stiel
und sein Hut mit Schleim überzogen sind, wird er oft gegessen. –
Von ferne ähnelt ihm der hier auch wachsende, aber viel seltenere
goldgelbe Gürtelfuß (~Telamonia gentilis~). Er hat einen goldgelben,
zwei bis vier Zentimeter breiten Hut, der meist spitz gebuckelt ist.
Sein innen und außen goldgelber Stiel ist schwefelgelb gegürtelt.
Lamellen zimtgelb, breit und sehr entfernt. – Etwas häufiger als
dieser ist der rotgebänderte Gürtelfuß (~Telamonia armillata~). Ihn
erkennt man sofort an den zinnoberroten Ringen, die den bräunlichen
Stiel schmücken. Sein feinschuppiger Hut sieht rotbräunlich aus. –
Hurra, auch den Blut-Egerling (~Psalliota silvatica~), den viele noch
Wald-Champignon nennen, finden wir in größerer Anzahl. Sein Name weist
auf das Rotanlaufen seines wohlschmeckenden Fleisches hin. Auf einem
bräunlichen, feinbeschuppten, braunberingten Stiele ein gelbbrauner,
fünf bis acht Zentimeter breiter Hut mit umbrabraunen Schuppen. Das
Rotgrau der Lamellen geht über rotbraun zu sepia über. – Der viel
größere hohlstielige Riesen-Egerling (~Psalliota perrara~), der am
braungelben, flockigen Hute und am gelbberingten, blassen, hohlen
Stiele erkenntlich ist, kommt in der Dresdner Heide selten vor.
Dasselbe gilt von einem anderen großen Pilze, dem Riesen-Ritterling
(~Trichol. colossus~). Zinnoberbräunlich sind bei ihm Hut, Stiel und
Lamellen. Das Fleisch nimmt nach Anschnitt langsam eine ziegelrote
Färbung an. Den obersten Teil des sehr dicken und kurzen Stieles bildet
eine weißliche, kleiige Zone. Dieser Riese, dessen Hut bis zwanzig
Zentimeter breit wird und der selten ganz aus der Erde hervorkriecht,
kann gegessen werden. Daß er und viele andere Pilze in der Dresdner
Heide immer seltener werden, liegt nicht bloß an dem rücksichtslosen
Ausbeuten, sondern auch an der Unart mancher Menschen, alle Pilze
umzustoßen. Sie denken nicht daran, daß damit die Vermehrungsfähigkeit
der Pilze gemindert wird. Sie wissen vermutlich auch nicht, daß die
Pilze durch die Tätigkeit ihres Mycels den Boden erschließen helfen.
– In der Nähe des Sandschluchtweges finden wir zwei sehr umstrittene
Täublinge, die wir aus dem bereits erwähnten Grunde bis auf weiteres
nach Ricken benennen. Der eine ist der glänzende (~R. nitida~), so
genannt, weil sein dunkelpurpurner, meist gebuckelter, riefrandiger
Hut glänzt. Die neapelgelben Lamellen stehen gedrängt und sind am
Grunde aderig verbunden. Der weißliche, glatte, zylindrische Stiel
ist gebrechlich. – Der andere heißt anlaufender (~R. Linnaei~), weil
sein weißes Fleisch an der Luft bräunlichgelb anläuft. Außerdem ist er
am Heringsgeruch und an dem stark gerunzelten, meist geröteten Stiel
erkenntlich. Sein blutroter Hut hat immer eine glanzlose, schwarze
Scheibe und einen kaum gerieften Rand. – Leichter zu bestimmen ist der
kohlige Täubling (~R. nigricans~). Ihn erkennt man an den gelblichen,
dicken, entfernten, ungleichen Lamellen, deren Schneide nach Berührung
erst rötlich und später schwarz wird. Der bis zu vierzehn Zentimeter
breit werdende Hut ist erst graubraun, wird aber bald schmutzigsepia.
Dasselbe gilt von seinem kurzen, harten Stiele. Das Fleisch rötet.
Aber der sonst ähnliche angeräucherte Täubling (~R. adusta~) hat
unveränderliches Fleisch und dünne, gedrängte Lamellen. Beide sind zwar
eßbar, stoßen aber durch die Härte ihres Fleisches ab. In der Nähe
des Prießnitzbades sichten wir noch den Feld-Trichterling (~Clitocybe
dealbata~). Das Weiß des vier Zentimeter breiten Hutes neigt in grau,
der Hutrand ist eingerollt. Die weißlichen Lamellen sind dünn, gedrängt
und kaum herablaufend. Der weiße, zylindrische, flockige Stiel ist vier
Zentimeter hoch. Das weiße, milde, eßbare Fleisch riecht und schmeckt
nach Mehl. Ricken schreibt zwar, daß er außerhalb des Waldes vorkomme,
aber ich habe ihn mit Herrmann hier am Wege gefunden. –

[Illustration: Abb. 13. =Hallimasch=]

Nun kehren wir im Klotzscher Bahnhof ein. Hernach durchstöbern
wir den zur Heide gehörigen Klotzscher Waldpark und das südlich
davon gelegene Waldgebiet. Da entnehmen wir einem prächtigen
Moospolster den keulenfüßigen Trichterling (~Clitocybe clavipes~):
auf einem braungrauen Stiele mit dickkeuliger Basis sitzt ein
ebenso gefärbter, tiefgetrichterter, schwachgebuckelter Hut, der
gelbweiße, schmale, herablaufende Lamellen hat. – Und dort vor
der stattlichen Buche eine Menge Flaschenstäublinge (~Lycoperdon
gemmatum~, Abb. 12), bovistähnliche, flaschenförmige, weißliche
Pilze, die mit zerbrechlichen Stacheln massig bedeckt sind. Jung
genießbar. Die älteren haben eine graubräunliche Färbung. – Von
feuchten Stellen leuchtet uns der orangerote Schüsselpilz entgegen
(~Aleuria aurantiaca~), zwei bis zehn Zentimeter große, orangerote
Näpfchen, deren Außenseite etwas blasser ist. In der Farbe ähnlich,
aber kleiner und flacher ist der spindelsporige Schüsselpilz
(~Humaria ollaris~), den wir in dieser Gegend auch finden können. –
Weiter nach Süden zu fallen uns noch einige Schnitzlinge auf, der
weißschneidige (~Naucoria tenax~): ein höchstens drei Zentimeter
breiter, ockerbräunlicher, durchscheinend geriefter Glockenhut mit
rostbraunen, weißschneidigen Lamellen sitzt auf einem rotbraunen,
gleichdünnen Stiele, der blasse Schüppchen trägt. Sodann der braungrüne
Schnitzling (~Naucoria myosotis~) auf Buchenlaub. Ihn erkennen wir
sofort an den blaugrünlichen Stellen des sonst bräunlichen, im Alter
gilbenden Glockenhütchens. Seine anfangs weißen, später rostbraunen
Lamellen haben eine weiße, gesägte Schneide. Sein blaßbräunlicher,
gefaserter, schlanker Stiel hat eine bereifte Spitze. – Nachher einer,
der uns durch seinen braunschwarzen Stiel und seinen gurkenähnlichen
Geruch sofort auffällt, es ist der Gurken-Schnitzling (~Naucoria
cucumis~). Der drei Zentimeter breite, kastanienbraune Kegelhut hat
einen gelblichen Rand, der im feuchten Zustande durchscheinend gerieft
ist. Seine rötlichgelben Lamellen sind breit und frei.

[Illustration: Abb. 14. =Großer Gelbfuß=]

September! Unser Pilzeifer wächst in demselben Maße, wie die
Tageshelle abnimmt. Wir verlassen die Linie 11 bei der Saloppe und
gehen nochmals durch den Schotengrund. Hier finden wir zunächst
den galligen Täubling (~Russ. fellea~), ockerblaß in allen Teilen
und scharf schmeckend, während der ähnliche Ocker-Täubling (~Russ.
ochracea~) mild ist. – Am Südende des Eisenborngrundes wächst der
graugrüne Milchling (~Lactarius blennius~), erkenntlich am graugrünen,
schmierigen Hute, der oft rötliche Flecke zeigt und weißliche, sehr
gedrängte, herablaufende Lamellen hat. Der etwas blassere Stiel ist
schmierig, gleichdick und fast grubig. Seine weiße, scharfe Milch sieht
eingetrocknet graugrün aus. – Weiter oben guckt aus dem Laube des
Buchenwaldes ein winziges, schwarzes Kerlchen: der bereifte Helmling
(~Mycena atroalba~). Hut schwarzbraun, ein bis zwei Zentimeter breit,
wie bereift, runzlig-gerieft, glanzlos, glockig; Lamellen grau, dick,
entfernt, angeheftet; Stiel unten schwarz, oben grau, oft verdreht,
knorpelig, hohl; Fleisch graubraun, mild, geruchlos, saftreich. – An
den Absperrungsstangen des ersten Teiches wächst die Fenchel-Tramete
(~Trametes odorata~). Sie sitzt am Stamm wie eine rotbraune, filzige,
konzentrisch gefurchte Konsole, deren schlitzlöcherige Unterseite
zimtfarbig aussieht. – Und gleich daneben der schmucke Zaunblättling
(~Lenzites saepiaria~). In Gestalt dem vorigen ähnlich, unterscheidet
er sich durch seinen kastanienbraunen, gezonten, filzigen Hut, der
einen orangerötlichen Rand hat. Seine rotgelben, dicken Lamellen sind
verzweigt. Sein zimtfarbiges, lederhartes Fleisch ist ungenießbar. –
An einem Stumpfe sitzen rillstielige Helmlinge (~Mycena polygramma~).
Ein drei bis vier Zentimeter breiter, hellgrauer, geriefter, nackter
Glockenhut sitzt auf einem bläulichgrauen, schlanken, glänzenden
Stiele, der regelmäßige Längsriefen zeigt. Seine weißlichen Lamellen
nehmen oft einen rötlichen Ton an. – Nach Überquerung der Radeberger
Straße streifen wir nördlich dem Forstehrenmale zu. In Mengen der
blaßgelbe Täubling (~Russ. ochroleuca~). Der blaßockergelbe, sechs
bis acht Zentimeter breite Hut mit schwach gerieftem Rand sitzt auf
einem weißlichen, gerunzelten Stiel. Lamellen weiß, Fleisch scharf. –
Ein anderer beißender Täubling steht nicht weit davon: der tränende
(~Russ. sardonia~), über den die Spezialforscher auch noch nicht
einig sind. Ihn erkennt man am sichersten an dem schwefelgelblichen
Tone der oft tränenden Lamellen, denn dieses Gelb haben andere
Täublingslamellen nicht. Kennzeichnend ist ferner das Rotviolett
des Stieles. Die Farbe des Hutes ist veränderlich, meist ist es ein
trübes Violettrot. Manche halten ihn für giftig, was noch zu beweisen
wäre. – Lieber als diesen finden wir den eßbaren bereiften Täubling
(~Russ. xerampelina~). Sein blaupurpurner Hut ist zart bereift; sein
weißer, oft rosa angelaufener Stiel hat weißes, nicht verfärbendes
Fleisch, das am Stielfuße nach Jodoform riecht (Schäffer). – Und dort
in Massen der Hallimasch (~Clitocybe mellea~, Abb. 13), von allen
Baumfreunden gehaßt, weil er als gieriger Holzzerstörer großen Schaden
anrichtet. Das Honiggelb seines beschuppten, fünf bis zehn Zentimeter
breiten Hutes spielt oft ins Grünliche; Lamellen rötlichgelb; Stiel
braungelb mit aufsteigendem Ring und schwärzender Basis. Seine als
~Rhizomorpha subcorticalis~ bekannten Mycelstränge dringen meist von
der Wurzel aus in den Stamm ein. Der Forstmann läßt die erkrankten
Bäume fällen oder durch Stichgräben von ihren gesunden Nachbarn
absondern. Der Hallimasch wird gern gegessen. – An einem alten Stumpf
der Gallert-Stacheling (~Tremellodon gelatinosus~), von Dr. E. Ulbrich
kurz und gut Zitterzahn genannt. Ein bräunlicher, gallertartiger,
stielloser Hut, der körnigrauh und halbkreisförmig ist, zeigt auf der
Unterseite bläulichgraue Stacheln. Eßbar. An einem anderen Stumpfe eine
weiße, breite Haut, die am Rande befranst ist, ein großer Rindenpilz
(~Corticium giganteum~). Nachher Kuhpilze (~Boletus bovinus~), die zwar
eßbar aber wenig begehrt sind. Ein mittelgroßer, rotgelbbräunlicher,
schmieriger Hut sitzt auf einem gleichfarbigen, kurzen, glatten
Stiele, der im Alter unten trübkarmin wird. Seine graugelben, kurzen,
weiten Röhren sind zusammengesetzt und fast herablaufend. – Auch den
infolge eifriger Nachstellung immer seltener werdenden Maronenpilz
(~Boletus badius~), können wir sammeln. Bekanntlich trägt er auf seinem
gelbbraunen, glatten, gleichdicken Stiele einen kastanienbraunen Hut
mit blaßgelben Röhren, die nach Druck blau anlaufen. Bläulich wird an
der Luft auch das weißliche Fleisch. Weitersuchend gelangen wir an
das neue Kriegerdenkmal, das in ergreifender Waldeinsamkeit zwischen
uralten Buchen errichtet ist. Ein verzierter Sandsteinblock, in weitem
Bogen von einfachen Steinbänken umgeben, zeigt auf der Vorderseite die
Inschrift: »In ihren geliebten Wald kehrten nicht zurück:« (folgen die
Namen der im Weltkrieg gefallenen Forstleute). Nachdem wir ihnen ein
ehrendes Gedenken gewidmet, setzen wir unsere Forschung fort – in der
Überzeugung, daß nur ernste Arbeit auf allen Gebieten die Schäden des
Krieges heilen kann. In nördlicher Richtung weitergehend, entdecken wir
den Erdfaserkopf (~Inocybe geophylla~), einen kleinen, blaßvioletten
Pilz mit faserigem Hut und schmutzigbraunen, gedrängten Lamellen. Er
kommt auch weiß vor. Sein widerlicher Geruch erstickt jede Lust zum
Genießen. Von allen Faserköpfen wird nicht ein einziger gegessen.
– Anders beim folgenden, dem Schmerling (~Boletus granulatus~).
Dieser schleimige Röhrling ist gekennzeichnet durch die purpurbraunen
Wärzchen, die seinen gelben Stiel oben bedecken. Sein bräunlichgelber,
fast geflammter Hut hat zitronengelbe Röhren, die später olivgelb
werden. Genießbar wie dieser ist der Butterpilz (~Boletus luteus~),
der sich durch seinen dunkelbraunen, geflammten Hut von dem schönen
Röhrling unterscheidet. Beide sind schleimig und haben gelbe, beringte
Stiele. Aber der Ring des Butterpilzes sieht fast heidelbeerfarbig
aus, während der seines orangegelben Doppelgängers blaßgelb ist. – Aus
dem Grün einer Fichtenschonung leuchtet das Rot einiger Fliegenpilze,
genau so eine Waldschönheit wie das herbstliche Ockergelb des massig
vorhandenen Waldgrases. Brr, Fäden im Gesicht! »Altweibersommer!«
Vielleicht blicken die winzigen Spinnen auf diesen fliegenden Fäden
mit Mandarinenstolz auf den hoch oben vorüberknatternden Postflieger,
weil ihre Flugfertigkeit die ältere ist. – Wir lagern uns auf blühender
Heide und frühstücken. Womit bezauberst du uns nur, o Wald? »Ist
es dein Grün, dein heimlich Dunkel, dein buntes Blühn, dein wirres
Sonngefunkel?« … Oder steckt in uns ein Erbteil aus den Zeiten unserer
Urväter, die hier ihre Götter suchten? – Nun auf und weiter! Wir finden
den großen Gelbfuß (~Gomphidius glutinosus~, Abb. 14), auch Schmierling
oder Kuhmaul genannt; er ist ein durchaus schleimiger, aber eßbarer
Pilz, der uns durch seine lilagrauen, sehr entfernten, dicken, weit
herablaufenden Lamellen auffällt. Gelbfüßler nennt Ricken die ganze
Gattung, weil bei allen der untere Teil des Stieles gelb ist. Der Hut
unseres Pilzes zeigt ein violettliches Schokoladenbraun. – Zwischen
Heidelbeersträuchern der grüngelbe Knollenblätterschwamm (~Amanita
mappa~, Abb. 15), dessen Hut mit weißen Hüllresten bedeckt ist.
Erkenntlich vor allem daran, daß sein Fleisch nach rohen Kartoffeln
riecht. Ob dieser gefährliche Giftpilz wirklich manchen Menschen
bekommt, ist noch zu beweisen. – Unter den Eichen des Saugartens,
den wir nun erreichen, finden wir auch den sehr giftigen olivgrünen
Knollenblätterschwamm (~Amanita phalloides~, Abb. 16~a~), der sich vom
grünen Täubling schon durch den Ring und die weitrandige Fußknolle am
grünlichen Stiel unterscheidet. – Nun schwenken wir halblinks nach
Hochmoor und Prießnitzgrund. Hier wächst der giftige Pantherpilz
(~Amanita pantherina~). Hut schwarzbraun mit vielen hellen Hüllresten
und gerieftem Rand; Lamellen weißlich, gedrängt, fast frei; Stiel
weiß, schlank, aufwärts verjüngt, mit weißem Ring und einer Fußknolle,
deren obere Ränder fast vom Stiele abstehen. – Ganz ähnlich sieht
der eßbare gedrungene oder graue Wulstling aus (~Amanita spissa~),
dessen braungraue Hutfarbe auch dunkel sein kann, der aber glatten
Hutrand und gerieften Oberstiel hat. Gewöhnlich ist er nicht so
schlank wie sein glattstieliger Doppelgänger. Da Verwechselungen nicht
ausgeschlossen sind, mag der Unkundige beide unverspeist lassen. –
Von ihren Verwandten kommt hier noch der porphyrbraune Wulstling vor
(~Amanita porphyrea~), der schon am Lilabraun des Hutes erkannt werden
kann. Lamellen weiß, fast gedrängt, angeheftet; Stiel violettgrau
mit feiner Zickzackschraffierung, schmalsaumiger Knolle und einem
weißlichen Ring, der auf der Unterseite violettgrau aussieht. – Indem
wir absteigend der Prießnitz zustreben, finden wir in großer Anzahl
Zigeuner, nicht solche die stehlen, sondern die gestohlen sein wollen.
Wir geben unserer Freude durch Jodeln Ausdruck, das unsere ebenfalls
suchenden Nebenbuhler dort ärgert, aber bei dem gleichgestimmten
Echo drüben im Steinbruch Mitfreude auszulösen scheint. Dieser Pilz
(~Pholiota caperata~), der von Ricken Runzel-Schüppling genannt
wird, weil sein braungelblicher, bereifter Hut gerunzelt ist, gehört
zu den wohlschmeckenden. Sein gelblicher, fast zylindrischer Stiel
trägt einen dauerhaften, hängenden Ring. Seine gelbrötlichen Lamellen
haben eine gekerbte Schneide. – Nun wandern wir im Prießnitzgrunde
ein Stück aufwärts. Da hat sich ein Knirps im Grase versteckt: der
ledergelbe Schwindling (~Marasmius lupuletorum~). Sein gelbliches,
kahles, gewölbtes Hütchen ist etwa drei Zentimeter breit und hat
einen ausgebogten Rand, so daß er an einen Regenschirm erinnert.
Der rotbraune, unten fast schwarze Stiel ist flockig und hat eine
weißkleiige Spitze. Die gelblichen, dicken, breiten Lamellen stehen
sehr entfernt und sind breit angeheftet. Das gelbliche Fleisch
schmeckt herb und ist nicht genießbar. – An feuchten Stellen wächst
der linsenförmige Rübling (~Collybia clusilis~): auf einem grauen,
knorpeligen Stiele ein braungrauer, genabelter, ausblassender Hut, der
etwa zwei Zentimeter breit ist und einen eingebogenen Rand hat; die
weißlichen, breiten Lamellen stehen gedrängt und laufen etwas am Stiel
herab. – Dort, wo die Bachstelze aufflog, scheint auch etwas zu stehen.
Ganz recht, der ungestielte Krempling (~Paxillus panuoides~): ein
ockerbräunliches, flaumiges, unregelmäßiges Hutgebilde mit olivgelben,
verästelten Lamellen, die in einem exzentrischen Punkte strahlig
zusammenlaufen. – Auf einer Brandstelle, wo vielleicht Wandervögel
freventlich abgekocht haben, der Kohlen-Nabeling (~Omphalia maura~):
auf schwarzem Stiel ein olivschwärzlicher, glänzender, faseriger Hut,
der vier Zentimeter breit ist; Lamellen weiß. Er riecht nach Mehl.
– Ah, bist du auch schon heraus, schwarzpunktierter Schneckling?
(~Limacium pustulatum~). Unter seinem grauen Hute mit braunem, warzigem
Scheitel gewahren wir blauweißliche, dicke, entfernte Lamellen,
die weit herablaufen. Der weiße Stiel dieses eßbaren Pilzes hat
oben schwarze Pustelchen. – Auf morschem Laub der grüne Träuschling
(~Stropharia aeruginosa~). Sein spangrüner, schmieriger, mittelgroßer
Hut ist meist mit weißen Schüppchen besetzt. Der gleichfarbige Stiel
ist unterhalb des bräunlichen Ringes schuppig. Die Lamellen sind erst
rötlichgrau, dann kaffeebraun. Dieser eßbare Pilz gilbt im Alter oft
so sehr, daß man ihn kaum wiedererkennt. – Der schuppige Träuschling
(~Stropharia squamosa~), den wir an seinem strohgelben, regelmäßig
beschuppten Hute erkennen, ist hier auch anzutreffen. – Dasselbe gilt
vom zimtfuchsigen Wasserkopf (~Hydrocybe jubarina~), den wir aber heute
nicht finden können. –

[Illustration: Abb. 15. =Grüngelber Knollenblätterschwamm=]

Auf weichem Moose ruhn wir aus. »Über allen Wipfeln ist Ruh …, die
Vögelein schweigen im Walde«. Doch da kommt Ersatz. Es ist eine
Mädchenschar, die da singend wandert. Alte Lieder aus jungem Munde,
sie preisen die Schönheit der Welt. – Auch wir setzen unsere Wanderung
fort, biegen kurz vor der Heidemühle links ab, um erst den rotgrün
markierten Hutungsweg und dann den Kuhschwanzweg bis zum Dachsenberg zu
verfolgen. Bald zeigt sich uns der Lila-Dickfuß (~Inoloma traganum~,
Abb. 16~b~), erkenntlich am safrangelben Fleische. Der derbe,
seidige, später gilbende Hut und der keulige Stiel sind blaßlila, die
gekerbten, breiten, entfernten Lamellen erst safrangelb und später
olivbraun. Er gilt als ungenießbar, aber ich aß ihn mit anderen
gemischt – ohne Schaden. – Am Stumpfe da der samtige Tannenflämmling
(~Flammula sapinea~). Der am Rande orangegelbe, nach der Mitte zu
orangebräunlich werdende Hut ist samtig und drei bis neun Zentimeter
breit. Die angewachsenen, breiten Lamellen sind erst gummiguttgelb,
später ockerrot und bräunen an Wundstellen. Der gefurchte Stiel ist
oben gelb und unten braun. Ungenießbar. – In dieser Gegend wächst auch
der Nadel-Flämmling (~spumosa~), sowie der derbfleischige (~fusa~).
– Dann bemerken wir den Runzelhut (~Myxacium elatius~), auch hoher
Schleimfuß genannt. Auf einem blaßvioletten, hohen, in der Mitte
ausgebauchten Stiele sitzt ein gelbbrauner, gerunzelter Kegelhut, der
rostbraune, quergerunzelte, breite Lamellen hat und wie der Stiel
schmierig ist. Eßbar. – Und was steht dort am Stumpf? Der blauende
Porling (~Polyporus caesius~): kleine, bläuliche, scharfrandige
Muscheln mit weißen, kurzen Röhren, die nach Berührung blaufleckig
werden. Selbst das Fleisch ist bläulich durchzogen. – Auch der
Lackporling (~Placodes lucidus~) kann in der Heide gefunden werden,
besonders am Grunde der Eichen. Hut und Stiel sind bei ihm mit einer
glänzenden, braunroten Schicht überzogen, als wäre er lackiert. – Ah,
dort lockt uns der orangerote Milchling (~Lactarius aurantiacus~).
Wir erkennen ihn an dem Orangerot seines ungezonten Hutes, der etwa
vier Zentimeter breit und fast gebuckelt ist. Sein gleichfarbiger
Stiel ist bereift und grubig, seine Lamellen sind etwas blasser und
weißstaubig. Die bleibendweiße Milch schmeckt mild, so daß wir ihn
genießen können. – Häufiger als dieser ist der ebenfalls orangegelb
gefärbte falsche Eierschwamm (~Cantharellus aurantiacus~), der nach
neuerer Forschung (Neuhoff) zu den Trichterlingen gehört. Von dem
bekannten echten Eierschwamm unterscheidet er sich besonders durch
die gelbrote Färbung seiner Lamellen. Er kann auch gegessen werden.
– Aufgeschaut! Dort oben kreuzen Hirsche unsern Pfad! Sie ahnen
kaum, wie hold wir ihnen sind. – Nicht weit vom Weg der violette
Stacheling (~Hydnum violascens~). Der weißrandige Hut ist trübviolett
und samtig. Die spitzen, dünnen Stacheln sind und bleiben weiß.
Der ungleichdicke, kurze Stiel sieht wie der Hut aus. Seltener ist
hier der schwarze Stacheling (~Hydnum nigrum~), dessen Hut und
Fleisch fast schwarz aussehen. Mitten im Preißelbeergewimmel hocken
kastanienbraune Rüblinge (~Collybia butyracea~), auch Butterrüblinge
genannt. Wir erkennen diesen mittelgroßen Pilz an dem rotbraunen,
furchigen, keulig verdickten Stiele und den gekerbten, gelblichen,
breiten Lamellen. Er ist genau so gut eßbar wie sein Systemnachbar,
der horngraue Rübling (~Collybia asema~), der auf einem graubraunen,
gerillten, keuligen Stiele einen grauen, gerieftrandigen, gebuckelten
Hut trägt, welcher drei bis sechs Zentimeter breit wird. – Am
Ochsenkopfweg angelangt, schwenken wir westlich ab nach dem Lerchenweg
und der Hofewiese zu, weil der bewaldete Dachsenberg keine Aussicht
bietet. Dabei entdecken wir den dunkelgenabelten Anis-Trichterling
(~Clitocybe suaveolens~). Sein bräunlicher, kleiner Trichterhut hat
dunkelbraunen Nabel und durchscheinend gerieften Rand. Die gelblichen,
gedrängten Lamellen laufen herab. Der braunrötliche Stiel ist unten
verdickt. Dieser gesellig wachsende Trichterling duftet nach Anis
und verblaßt bei trockenem Wetter. – Vor dem Farnkraut, wo soeben
eine Ringelnatter verschwand, steht ein seltener Wasserkopf: der
gelbgeschmückte (~Hydrocybe saniosa~). Der ockerrötliche, vier bis
fünf Zentimeter breite Hut fällt durch seine hohe Spitze auf. Der
rötlichgelbe, schlanke, verbogene Stiel ist mit gelben Schuppen
geschmückt. Die zimtgelben, hellschneidigen Lamellen sind buchtig
angewachsen und stehen fast entfernt. – Von seinen Verwandten gibt es
hier noch den eingeknickten Wasserkopf (~Hydrocybe angulosa~): Stiel
und Hut orangerötlich, Rand eingeknickt, sowie den violettblättrigen
(~castanea~), den wir außer an seinen violetten Lamellen an dem
sepiabraunen Hute erkennen. Den samtigen Wasserkopf (~Hydrocybe
Junghuhnii~) habe ich nur einmal in der Dresdner Heide gefunden. Er
hat auf rostbraunem, schlankem Stiele einen etwa drei Zentimeter
breiten, zimtbraunen, samtigen, spitzgebuckelten Kegelhut, der trocken
gelblich aussieht und zimtgelbe Lamellen hat. Sein ungenießbares
Fleisch ist dunkelrostbraun. – Als große Grasinsel mitten im Wald
liegt vor uns die Hofewiese, die wir nun betreten. Hier finden wir den
schwärzenden Saftling (~Hygrocybe conica~), dessen spitzer, später
schwärzender Kegelhut wie eine orangerote Blume aus dem grünen Grase
hervorleuchtet. Sein Stiel ist goldgelb und oft verdreht. Seine dicken,
freien Lamellen sehen blaßgelb aus. Er ist eßbar. Dasselbe gilt von
dem daneben stehenden stumpfen Saftling (~Hygrocybe chlorophana~), der
einen zitronengelben, später verblassenden, schmierigen Glockenhut
hat, welcher auf einem grünlichgelben, glanzlosen Stiele sitzt. Die
blaßzitronengelben, dicken, entfernten Lamellen sind ausgerandet =
angeheftet. – Endlich Rast und Atzung. Der Rucksack liefert Wurst und
Brot, die Wirtin kocht den Kaffee.

[Illustration: Abb. 16~a~. =Olivgrüner Knollenblätterschwamm=]

Dann geht es stracks zum Weißen Hirsch; rotgrün ist unser Weg markiert.
Am Wegrand da ein winzig Kerlchen. Auf grauem Stiel ein schwärzlicher,
geriefter Glockenhut; Lamellen grau. Aus dem geknickten Stiel fließt
weiße Milch. Aha, der weißmilchende Helmling (~Mycena galopus~). –
Hier neben grauen Becherflechten noch ein kleiner, der aussieht wie
ein Schirm: der gefaltete Nabeling (~Omphalia umbellifera~). Der
braungraue, gerippte Hut ist ein Zentimeter breit; Lamellen weißlich,
breit, entfernt; Stiel grau, dünn, bereift. – Sodann auf faulenden
Pilzen der stäubende Zwitterling (~Nyctalis asterophora~) in großer
Zahl: auf weißlichem, verbogenem Stielchen ein weißes, flockiges,
halbkugeliges Hütchen, das höchstens zwei Zentimeter breit ist; die
weißlichen, dicken Lamellen stehen entfernt; er riecht und schmeckt
nach Mehl. – Im Dickicht Hartpilze (~Tricholoma robustum~). Am
roströtlichen Stiele bemerken wir oben eine weißliche, ringartige
Wulst, über welcher der Stiel weißlich aussieht und blaßschuppig ist.
Der kastanienbraune, randwärts mehr ins Rote gehende Hut ist etwa zehn
Zentimeter breit. Seine gelblichen, breiten, gedrängten Lamellen sind
tief ausgebuchtet. – Seltener als dieser ist in der Heide der fast
beringte Ritterling (~Tricholoma albobrunneum~), der wie der vorige
oben am braunroten Stiele eine scharf abgegrenzte, weiße, mehlige Zone
hat, so daß er beringt erscheinen kann. Der rotbraune, schleimige Hut
hat eine warzige Scheibe und rötliche, breite, gedrängte Lamellen. Das
weiße, nach Mehl riechende Fleisch hat bitteren Nachgeschmack, wird
aber von manchen gegessen. – Und was leuchtet dort vom dicken Stumpf?
Feuergelbe Schüpplinge (~Pholiota flammans~). Der beringte Stiel und
der mittelgroße Hut sind feuergelb und ruppigschuppig. Die goldgelben,
gedrängten, sehr schmalen Lamellen sind ausgerandet = angeheftet und
werden im Alter roströtlich. Sein zitronengelbes Fleisch riecht nach
Rettich und ist ungenießbar. Aber der hier auch vorkommende sparrige
Schüppling (~Pholiota squarrosa~) kann gegessen werden. Er riecht wie
der vorige, ist aber rötlichocker gefärbt und etwas größer.

[Illustration: Abb. 16~b~. =Lila-Dickfuß=]

Die nächste Pilzfahrt unternehmen wir Anfang Oktober, nachdem wir
beim Wilden Mann die Linie 6 verlassen haben. Im Walde angelangt,
suchen wir rechts und links der Großenhainer Straße und finden
zunächst die Herbstlorchel (~Helvella crispa~). Der Hut ist ein
hellgelbes, vielfach gelapptes Gebilde, dessen Ränder etwas am Stiele
herabhängen. Der gleichfarbige, dicke, nach oben verjüngte Stiel
hat ungleiche Gruben. Obschon bei Lorcheln Vorsicht geboten ist,
sammeln wir ihn und die übrigen zum Verspeisen. – Indem wir rechts
abbiegend der Schänke »Zum letzten Heller« zustreben, gewahren wir
den Birken-Porling (~Placodes betulinus~). Der rotbraune, ungezonte,
kahle, dicke Hut sitzt konsolig am Birkenstamm. Seine weißen Röhren
sind kurz und eng. Sein reinweißes Fleisch ist korkig. – Sodann
bemerken wir nierenförmige Wärzlinge (~Thelephora terrestris~). Wie
braune, weißrandige Filzlappen überkriechen sie den mageren Sandboden.
Auch der trichterförmige Wärzling (~Thelephora caryophyllea~) ist in
der Dresdner Heide zu finden. – An einem Baumstumpfe rauchblättrige
Schwefelköpfe (~Hypholoma capnoides~), so genannt, weil die Unterseite
seines zitronengelben Hutes bläulichgraue Lamellen zeigt. Sein
Stiel sieht fuchsrot aus. Da er zu den fünf genießbaren Saumpilzen
gehört, pflücken wir einige Büschel für die Küche. Aber den ganz
ähnlichen daneben mit grünlichen Lamellen empfehlen wir nur unseren
ärgsten Feinden, es ist der büschelige Schwefelkopf. Weniger häufig
als dieser ist in der Heide der ziegelrote Schwefelkopf (~Hypholoma
sublateritium~), den wir an seiner fuchsroten Farbe erkennen, noch
seltener der an Laubholzstümpfen wachsende zartbehangene Saumpilz
(~Hypholoma hydrophilum~). Sein kastanienbrauner Hut hat einen
durchscheinend gerieften Rand, der meist mit kurzen Hüllresten behangen
ist. Die bräunlichen, dünnen Lamellen stehen gedrängt und haben meist
eine weiße Schneide. Der bräunliche, hohle Stiel ist wellig-uneben.
Die letzten beiden sind genießbar. – Nun besuchen wir den Olterstein,
einen mächtigen erratischen Block, welcher der Frühlingsgöttin Oldera
geweiht war. Dann ersteigen wir die Hellerhöhe, von der aus früher
manch eine Rauchsäule aufgestiegen sein mag, entweder zur Versöhnung
der Götter oder zur Warnung vor nahenden Feinden. Hier lagern wir und
überblicken den unten liegenden Exerzierplatz. Er erinnert uns an die
Sandwehen, die früher in der Heide eine Plage waren, erinnert auch an
die später hier vollzogenen militärischen Übungen. Vorbei, vorbei!
»Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus
den Ruinen.« – Nordöstlich nach Hellerau zu streichend, kommen wir
in einen Birkenhain. Da sichten wir den gelbblättrigen Ritterling
(~Tricholoma flavobrunneum~): Auf einem rotbraunen, faserigen, nach
unten verjüngten Stiele ein gleichfarbiger, gebuckelter, faseriger Hut
mit blaßgelben, rotschneidigen, ausgebuchteten Lamellen. Eßbar. Aber
nicht der daneben, der striegelige Schichtpilz (~Stereum hirsutum~).
An diesem gelblichen, stiellos aufsitzenden Hautgebilde fällt uns
besonders die orangegelbe, glatte Unterseite auf. – Das Laub der Birken
wird schon fahl. »Hier muß man im Frühling sein, wenn der Mai das
sehnende Lichtgrün des zierlichen Birkenwaldes hervorgezaubert hat.
Dann werden die Reihen zu festlichen Aufzügen« (Bölsche). Nun wieder
in den Kiefernwald! Wir finden den massigen Schleimkopf (~Phlegmacium
saginum~). Auf einem blaßvioletten, ausgebauchten Stiele sitzt ein
löwengelber, schmieriger Hut, der acht bis zwölf Zentimeter breit ist
und blaßbräunliche Lamellen hat. Letztere sind aber bei den jungen
blaßlila. Diese Veränderlichkeit macht bekanntlich das Studium der
Schleierlinge schwer. Am tollsten treibt es der hier auch vorkommende
verfärbende Schleimkopf (~Phlegmacium largum~). Sein Hut, anfangs
lilablau, bräunt sich im Alter dermaßen, daß schließlich keine Spur von
lila mehr vorhanden ist. Die gedrängten, ausgebuchteten Lamellen gehen
von lila über braungelb zu zimtbraun über. Auch der kurze, knollige,
zartviolette Stiel blaßt später aus. – Dicht geschart steht hier der
Nadelschwindling (~Marasmius perforans~). Er trägt auf schwarzbraunem,
glanzlosem Stielchen einen blaßbräunlichen, runzeligen Hut, der
höchstens eineinhalb Zentimeter breit wird. Von seinen rötlichen,
ungleichen Lamellen gehen nur wenige bis an den Stiel heran. Weil sein
Fleisch – gerieben – nach Knoblauch riecht, wird er von manchen mit dem
geruchsgleichen Küchenschwindling (~Mousseron~) verwechselt, der aber
größer ist und einen fleischrötlichen Stiel hat. Verzeihlicher ist eine
Verwechselung mit dem hier massenhaft vorkommenden Roßhaarschwindling
(~Marasmius androsaceus~), dessen winziger, fahlbrauner Hut nicht
gerunzelt, sondern regelmäßig gerieft ist. – Nördlich vom Heller fällt
uns das häufige Vorkommen des rosaroten Gelbfußes auf (~Gomphidius
roseus~). Der kleine, schmierige, stumpfe Hut ist schmutzigrosa. Die
weißen, entfernten, herablaufenden Lamellen sind schwarz bestäubt. Der
rötliche, fast beringte Stiel ist unten gelb und zugespitzt. Auch der
kupferrote Gelbfuß kommt hier vor (~Gomphidius viscidus~). Größer als
der vorige, zeichnet er sich besonders durch die kupferrote Färbung
seines klebrigen Kegelhutes aus. Er hat gleichfarbigen Stiel und
graue Lamellen. Alle Gelbfüße sind eßbar. Aber der dort nicht. Ein
Schwefelkopf? Nein, der schwefelgelbe Flämmling (~Flammula flavida~).
Der schwefelgelbe, vier bis sieben Zentimeter breite Hut hat rotgelbe
Lamellen. Der faserige, ungleichdicke Stiel ist oben schwefelgelb,
unten rostbräunlich. Das zitronengelbe Fleisch ist fast geruchlos.

Nach erquickender Einkehr im Schänkhübel wandern wir auf einem südlich
ausbiegenden Umwege durch den Klotzscher Waldpark dem Prießnitzgrunde
zu. Hierbei sammeln wir in Buchennähe den plattfüßigen Klumpfuß
(~Phlegmacium pansa~). Der junge ist erkenntlich an den purpurblauen
Lamellen, die allerdings später zimtfarbig werden. Der fünf bis zehn
Zentimeter breite, orangefuchsige, meist gefleckte Hut hat einen
blassen, filzigen, eingeknickten Rand. Der knollenlose, gelbliche Stiel
sieht an der Spitze meist blaßviolett aus. – Der Elfenbein-Schneckling
(~Limacium eburneum~), ist nun auch heraus. Diesen eßbaren, weißen
Pilz erkennt man an seinen dicken, entfernten, herablaufenden
Lamellen. – Neben einer stattlichen Kiefer stehen mehrere Exemplare
vom lilafüßigen Schleimkopf (~Phlegmacium compar~): auf weißem, oben
bläulichem Stiel ein löwengelber, zwei bis fünf Zentimeter breiter,
schleimiger Hut, der bräunlich-gelbe Lamellen hat, die später
zimtfarbig werden. Genießbar. – Und da auf einem faulenden Täubling der
weiße Sklerotien-Rübling (~Collybia tuberosa~). Weißliche, kaum ein
Zentimeter breite, gebuckelte Hütchen mit weißen, gedrängten Lamellen
sitzen auf bräunlichen, dünnen Stielchen. – Nun lenken wir in den
Prießnitzgrund ein, der im Herbst seine volle Schönheit entfaltet,
so daß man von einer Waldsymphonie sprechen kann. Das Goldocker
besonnter Buchen und das Dunkelkarmin der Roteichen hebt sich vom
melancholischen Dunkelgrün der Nadelbäume reizvoll ab. Da gibt es
Kiefern, die der Forstmann gnädig über hundert Jahre alt werden ließ,
so daß sie nun erst ihre eigenartige Schönheit entwickeln können. Da
ragen Fichten und Tannen, die vielleicht doppelt so alt sind, so daß
wir an den Schwarzwald erinnert werden. Und zwischendurch schlängelt
murmelnd die Prießnitz, in deren hellem Wasser sich Forellen tummeln
und grüne Polster flutender Wasserpflanzen schaukeln. Ein Paradies
für Eisvogel und Wasseramsel und auch für uns. Der Mannigfaltigkeit
des Baumwuchses entspricht die der Pilzflora. Auf dem breiten
Stumpfe einer Erle wuchert der fleischrote Gallertbecher (~Coryne
sarcoides~): trübviolettrote, kelchförmige Fruchtscheiben, die etwa
ein Zentimeter breit sind und sich gallertartig anfühlen. Auch der
ihm verwandte Schmutzbecherling (~Bulgaria polymorpha~) ist hier an
Laubholzstämmen zu finden: schwarze, flache Näpfchen, die zwei bis vier
Zentimeter hoch und breit werden. – Und dort der glänzende Gürtelfuß
(~Telamonia rigida~). Er hat einen kastanienbraunen, glänzenden,
drei bis fünf Zentimeter breiten Kegelhut, der durch seinen weißen
Rand auffällt. Seine bräunlichen Lamellen stehen fast gedrängt. Der
ockerbräunliche Stiel ist meist undeutlich gegürtelt. – An einem
Stamme der abgeflachte Schichtporling (~Placodes applanatus~):
nierenförmige Konsole, die mit einer braungrauen, pergamentartigen
Schicht überzogen sind und unten weiße, enge Röhren zeigen. – Zwischen
grünem Moos der ockergelbe, schuppige Amiant-Schirmling (~Lepiota
amianthina~), ein kleiner, kegelhütiger Pilz mit gelben Lamellen.
Von seinen Verwandten gibt es hier außer den früher erwähnten den
rostroten Schirmling (~Lepiota granulosa~): Hut zimtrot, körnig, vier
bis fünf Zentimeter breit mit gelblichweißen, abgerundeten Lamellen;
Stiel wie Hut gefärbt aber blasser und nie knollig. Ferner den
starkriechenden (~Lepiota carcharias~). Ihn erkennen wir schon an dem
häßlichen, leuchtgasähnlichen Geruch, sowie an dem Rötlichgrau seines
körnigen, mittelgroßen Kegelhutes und seines ebenfalls körnigen,
aufsteigend-beringten Stieles.

Unser letzter Ausflug erfolgt Mitte Oktober. Wir schlagen zum
zweiten Male die Richtung des Kannhenkelweges ein. Nördlich vom
Militärlazarett stehen in großer Menge die eßbaren graublätterigen
Ritterlinge (~Tricholoma terreum~). Der mittelgroße, mäusegraue,
filzige Hut hat blaßgraue, gekerbte Lamellen. Der graue, faserige,
gleichdicke Stiel hat eine mehlige Spitze. Sein geruchloses, mildes
Fleisch schmeckt schwach nach Mehl. – Weiter nördlich erbeuten wir
einen seltenen, den rötenden Ritterling (~Tricholoma leucocephalum~),
so genannt, weil seine weiße Farbe später in gelbrötlich übergeht. Der
schwachgebuckelte, dünnfleischige Hut wird fünf bis sechs Zentimeter
breit. Die weißlichen, gedrängten, breiten Lamellen sind meist
ausgebuchtet. Der faserige (nicht geriefte) Stiel ist abwärts verjüngt.
Selbst das mehlartig schmeckende, weißliche, genießbare Fleisch
läuft rötlich an. Auch den rußiggestreiften Ritterling (~Tricholoma
portentosum~) treffen wir nun an. Hut grau, durch violettschwarze Fäden
gestreift; Lamellen gelblichweiß, ziemlich dick; Stiel grünlichweiß und
gefasert. Eßbar. Endlich auch einen Grünling (~Tricholoma equestre~),
der sich als Marktpilz und durch seine grüngelbe Färbung so eingeprägt
hat, daß eine Beschreibung überflüssig erscheint. – Am Wegrand da der
Winter-Fälbling (~Hebeloma hiemale~). Er verrät sich uns durch die
bräunliche Mitte seines graugelben Hutes und durch die kleiige Spitze
seines gleichfarbigen, hohlen Stieles. Die Lamellen sehen bräunlich
aus. Ungeachtet seines bitteren Geschmackes wird er von manchen
gegessen. – Sehr oft begegnen wir ferner dem gerieften Wasserkopfe
(~Hydrocybe acuta~), der truppweise den Waldboden bevölkert. Sein
ockerbrauner, geriefter, spitzgebuckelter Kegelhut mit ockergelben,
schmalen Lamellen sitzt auf einem blaßgelben, verbogenen Stiele. Die
Genießbarkeit dieses Pilzchens ist noch nicht festgestellt. Viel
schöner sieht der Aprikosen-Wasserkopf aus (~Hydrocybe armeniaca~), den
wir nun finden. Weithin leuchtet sein orangebräunlicher, mittelgroßer
Glockenhut, der zimtfuchsige, breite Lamellen hat. Vom eingeknickten
Wasserkopf unterscheidet er sich besonders durch einen weißen Stiel.
Seine Genießbarkeit ist noch nicht erprobt.

Nach Überschreitung der Prießnitz gehen wir ein Stück talab, um dann
rechts abbiegend auf dem gelbweiß markierten Wege die Hofewiese zu
erreichen. Da, wo das Wiesel aufsprang, Frost-Schnecklinge (~Limacium
hypothejum~). Ihre schleimigen, olivbraunen, faserig-gestreiften
Hüte haben orangegelbliche Lamellen und gelbliche, schleimige
Stiele, die oben wie beringt aussehen. (Schleierreste.) Weil sie
genießbar sind, nehmen wir eine Anzahl mit. Dann finden wir auch den
olivgestiefelten Schneckling (~Limacium olivaceoalbum~), der ebenfalls
eßbar ist. Er hat einen olivbraunen, schleimigen, gebuckelten Hut,
der nach dem Rande zu heller wird und vier bis sieben Zentimeter
breit ist. Weiß die herablaufenden Lamellen, weißlich der gestiefelt
erscheinende, schleimige Stiel, welcher oben eine trockene, flockige
Zone hat. An Frost gemahnt der Winter-Schnitzling (~Naucoria
pellucida~). Sein zimtgelber, drei Zentimeter breiter Glockenhut ist
durchscheinend gerieft und hat blaßzimtfarbige, gewimperte Lamellen.
Sein gleichfarbiger, aber blasserer, aufwärts verjüngter Stiel hat
eine bereifte Spitze. – Nun ist auch der Winter-Trichterling heraus
(~Clitocybe brumalis~), ein kleiner, weicher Pilz, dessen olivgraue
Farbe sich ebenso schwer beschreiben wie malen läßt. Am besten erkennt
man ihn an dem gallertigen, stark ausblassenden Fleische. – Am Raine
hier neben grüngrauen Becherflechten und leuchtenden Preißelbeeren die
gelbstielige Keule (~Clavaria argillacea~): ein blaßgelbes, drei bis
fünf Zentimeter hohes, keuliges Gebilde, das unten goldgelb aussieht.
– Am Rande einer Schonung der Kiefernzapfen-Rübling (~Collybia
esculenta~), so genannt, weil sein gelbfuchsiger, schlanker Stiel
immer einem Kiefernzapfen entspringt. Sein zimtbräunlicher Hut wird
ein bis zwei Zentimeter breit und hat gelbliche, gedrängte Lamellen.
Eßbar. Kurz vor der Hofewiese stoßen wir noch auf einen gesellig
wachsenden Rübling, den wir nach seinen weißlichen, sehr schmalen,
gedrängten, gekerbten Lamellen für den gekerbtblättrigen (~Collybia
prolixa~) halten müssen. Hut rotbräunlich, glatt, kahl, drei bis fünf
Zentimeter breit; Stiel gelblich, gerieft, gleichdick. Auf dem Weg
zum Gasthaus bemerken wir noch auf der Hofewiese den Schnee-Ellerling
(~Camarophyllus niveus~). Ein kleiner, durchaus weißer Pilz, dessen
Hutspitze nach Frost meist rötlich aussieht und dessen entfernte
Lamellen weit herablaufen. Eßbar.

Endlich Rast und Ruh und etwas zum Schlucken. – Hierauf wandern wir
in der Richtung des Gänsefuß-Weges nach der Heidemühle. Wir finden
den Wetterstern (~Astraeus hygrometricus~). Eine graubraune Kugel,
zwei bis drei Zentimeter breit, sitzt genau wie beim Erdstern auf
grauen, einwärts gebogenen, zugespitzten Lappen. Letztere biegen
sich bei sehr trockenem Wetter über die erwähnte Kugel. Dieser
hygrometrischen Einstellung verdankt er seinen Namen. In einem
Fichtengebüsch entdecken wir den bärtigen Ritterling (~Tricholoma
vaccinum~). Sein kupferroter Hut hat breite, sparrige Schuppen und
einen grobfransigen Rand, der lange eingerollt bleibt. Die rötlichen
Lamellen sind ziemlich breit. Der Stiel, in Farbe und Beschuppung
dem Hute gleich, ist stets hohl. Er schmeckt schlecht. Nicht viel
besser mundet der Seifen-Ritterling (~Tricholoma saponaceum~). Diesen
veränderlichen Kauz erkennt man am sichersten an dem seifenartigen
Geruch. Die grüngraue, nach dem Rande zu blassende Farbe seines
mittelgroßen Hutes nimmt oft rötliche Töne an. Die grüngelblichen
Lamellen sind ziemlich dick. Der hellgraue, meist ausgebauchte Stiel
wird im Alter oft rötlich und kann sowohl glatt wie beschuppt sein.
Ob der mit schuppigem Stiele eine Laubwaldform ist, konnte ich noch
nicht feststellen. – An einem Stumpf bunte Porlinge (~Polystictus
versicolor~), die von Ricken Schmetterling-Porlinge genannt werden.
Der halbkreisförmige, dünne, lederige Muschelhut ist samtig und zeigt
verschiedene Zonen: bräunliche, grünliche, violettgraue u. a. Durch
diese Buntheit unterscheidet er sich von dem ähnlichen Zonen-Porling
(~Polystictus zonatus~), der ebenfalls samtig und gezont ist, aber nur
fuchsige und ockerbräunliche Töne zeigt. Bei beiden sind Röhrenschicht
und Substanz weiß. – Ganz anders der hier auch vorkommende weißliche
Porling (~Polystictus albidus~), dessen Röhren und Substanz zwar auch
weiß sind, der aber einen ungezonten, weißlichen, runzligen Muschelhut
hat. An einem anderen Stumpfe fällt uns eine weiße, häutige Schicht
auf, deren feine Poren nach oben gerichtet sind, also ein aufliegender
Porling: ~Poria vulgaris~.

In der Heidemühle kehren wir ein. Hier, wo die Oktoberkühle alles
zusammengedrängt hat, herrscht heute eine eigenartige, fast poetische
Stimmung. Am Klavier sitzt ein alter Herr, vielleicht ein echter
Waldschulmeister und spielt so ausdrucksvoll, daß alles lauscht und
manchmal mitsummt, erst Klassisches, dann Volkslieder: »Ich kenn
einen hellen Edelstein«, »Jetzt gang ich ans Brünnerle«, »Muß i
denn zum Städtele hinaus«, »Wer hat dich, du schöner Wald« und wie
die Perlen alle heißen. Das Mitsummen wird immer andächtiger, immer
lauter und geht über in ein allgemeines Mitsingen. Endlich kommt auch
das ergreifende Lied: »Aus der Jugendzeit«. Nach dessen Vollendung
wischt sich der Alte verstohlen eine Träne aus dem Auge und setzt sich
still auf seinen Platz. Da nimmt ein junger Fant am Klavier Platz,
offenbar, um das schlichte Spiel des Alten zu übertrumpfen. Bald
schwirren Operettenmelodien durch das Zimmer. Das klingt nach Sekt und
Übermut, nach Modetanz und freier Liebe. Gewiß, das Spiel ist glatt und
raffiniert, doch eines fehlt: die deutsche Seele. Der andere ist mir
lieber. – Schirm dich Gott, mein deutsches Volk, vor solchem Geist. Mit
diesem Gedanken nehmen wir unsere Wanderung wieder auf. Wir gehen nun
östlich von der Radeberger Straße heimwärts. An einer Fichte gewahren
wir eine höckerige, braunschwarze Konsole mit zinnoberrötlichem Rande
und gelbbräunlicher Röhrenschicht. Aha, der rotrandige Schichtporling
(~Placodes ungulatus~). – Und dort? Totentrompeten? Nein, es ist in
Massen der durchbohrte Leistling (~Cantharellus infundibuliformis~).
Ein etwa vier Zentimeter breiter, umbrabrauner Trichterhut sitzt auf
einem trübgelben, unebenen, oft breitgedrückten Stiele, dessen Höhlung
erst am oberen Hutrande endet. Die breiten, mehrfach verzweigten
Lamellen laufen am Stiele herab und zeigen ein eigentümliches Gelbgrau.
Wir sammeln für die Küche. Dann finden wir den gefleckten Rübling
(~Collybia maculata~), der nun in Scharen auftritt. Durchaus weiß;
der fünf bis zehn Zentimeter breite Hut hat kupferrote Flecke; die
schmalen, gezähnelten Lamellen stehen sehr gedrängt; der rostfleckige,
geriefte Stiel ist oft verdreht und hat einen rostbräunlichen Fuß. – In
Birkennähe steht herdig ein weißlicher Trichterling, der ausblassende
(~Clitocybe expallens~, Abb. 17): weißlich mit graubrauner, vertiefter
Hutmitte; der weißseidige Stiel gleichdünn; die herablaufenden
Lamellen fast entfernt. Bei feuchtem Wetter würde der ganze Pilz uns
grau erscheinen. Und dort ein noch kleinerer, weißer Trichterling,
dessen drei Zentimeter breiter Hut ausnahmsweise nicht getrichtert
ist: der wachsstielige (~Clitocybe candicans~). Sein glänzendes,
weißes Stielchen ist gekniet und steht auf welkenden Blättern. –
Nicht getrichtert ist auch der nebelgraue Trichterling (~Clitocybe
nebularis~), den Gramberg treffend Graukopf nennt. Ihn finden wir unter
Buchen. Auf einem grauen, faserigen, aufwärts verjüngten Stiele sitzt
ein derber, grauer, stumpfer Hut, der acht bis zwölf Zentimeter breit
wird und in der Jugend wie bereift aussieht. Seine gelblichen Lamellen
stehen gedrängt und laufen kaum herab. Dieser ritterlingähnliche,
kräftige Pilz ist eßbar. Gleiches gilt nicht von dem anderen
Buchenfreunde dort, vom fuchsigen Klumpfuß (~Phlegmacium fulmineum~),
so genannt, weil sein fuchsrötlicher, kurzer Stiel unten eine deutlich
berandete Knolle trägt. Der derbe, etwa acht Zentimeter breite Hut ist
ebenfalls fuchsig und zeigt oft braune Flecke. Die Lamellen sind erst
goldgelb, werden aber später auch fuchsig.

[Illustration: Abb. 17. =Ausblassender Trichterling (Hexenring)=]

Mit diesem letzten Funde stellen wir fest, daß die Dresdner Heide rund
250 Arten Pilze aufweist. Aber zu den pilzreichen Wäldern zählt sie
trotzdem nicht, weil sie in der Nähe einer Großstadt liegt und darum
übermäßig abgesucht wird. Möge jeder Heidebesucher durch Befolgung
der gelegentlich gegebenen Winke den Pilzbestand der Heide schonen
helfen. Nun geht es heimwärts. Ein düsig Wetter heut’, voll Wasserdampf
die Luft. In Nebelgrau steht dort der Hochwald, und rechts am Himmel
schimmerts gelb: die Sonne geht zur Ruh. Das Gelb wird heller, breiter.
Die Wölkchen werden langsam violett – ein wundervolles Farbenspiel.
Orange wird das Gelb und schließlich rot. In stiller Andacht schaun wir
auf und wollen nicht gestört sein. Jetzt brennt ein leuchtend Rot durch
schwarze Kiefernwipfel. Der ganze Himmel scheint zu glühn. Kein Maler
kann es malen, kein Dichter je beschreiben. Die Abendglocken klingen
drein und steigern so die Stimmung. Dann feierliches Dämmern. – »Der
Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget der weiße
Nebel – wunderbar!«

Zum Schlusse sei Herrn Georg Marschner für die überaus wertvollen und
seltenen Naturaufnahmen herzlicher Dank gesagt.


Alphabetische Übersicht

Nummern von Rickens Vademecum nachgestellt

    1. ~Amanita junquillea Qu.~ 9.
    2. ~Amanita mappa Batsch.~ 8.
    3. ~Amanita muscaria L.~ 11.
    4. ~Amanita pantherina Cand.~ 7.
    5. ~Amanita phalloides F.~ 4.
    6. ~Amanita porphyrea F.~ 6.
    7. ~Amanita rubescens F.~ 18.
    8. ~Amanita spissa F.~ 16.
    ~Amanitopsis vaginata~ 20.
    ~Bolbitius titubans~ 1151.
    ~Boletus badius~ 1418.
    ~Boletus bovinus~ 1417.
    ~Boletus castaneus~ 1430.
    ~Boletus chrysenteron~ 1421.
    ~Boletus cyanescens~ 1429.
    ~Boletus elegans~ 1411.
    ~Boletus felleus~ 1428.
    ~Boletus granulatus~ 1413.
    ~Boletus luteus~ 1412.
    ~Boletus piperatus~ 1416.
    ~Boletus rubellus Krombholz.~
    ~Boletus strobilaceus~ 1404.
    ~Boletus subtomentosus~ 1420.
    ~Boletus variegatus~ 1425.
    ~Bulgaria polymorpha~ 1989.
    ~Calocera viscosa Pers.~ 1728.
    ~Camarophyllus virgineus Wulf.~ 1341.
    ~Cantharellus aurantiacus Wulf.~ 1396.
    ~Cantharellus cibarius Fr.~ 1387.
    ~Cantharellus infundibuliformis Scop.~ 1392.
    ~Clavaria argillacea Pers.~ 1720.
    ~Clavaria similis Boud.-Pat.~ 1718.
    ~Clitocybe brumalis Fr.~ 230.
    ~Clitocybe candicans Pers.~ 182.
    ~Clitocybe clavipes Pers.~ 211.
    ~Clitocybe dealbata Sow.~ 180.
    ~Clitocybe expallens Pers.~ 216.
    ~Clitocybe laccata Scop.~ 233.
    ~Clitocybe mellea Wahl.~ 168.
    ~Clitocybe nebularis Batsch.~ 210.
    ~Clitocybe pityophila Secr.~ 177.
    ~Clitocybe suaveolens Schum.~ 227.
    ~Collybia asema Fr.~ 322.
    ~Collybia butyracea Bull.~ 321.
    ~Collybia cirrhata Schum.~ 352.
    ~Collybia clusilis Fr.~ 306.
    ~Collybia dryophila Bull.~ 335.
    ~Collybia esculenta Wulf.~ 338.
    ~Collybia fusipes Bull.~ 318.
    ~Collybia maculata Sow.~ 327.
    ~Collybia radicata Relh.~ 314.
    ~Collybia tuberosa Bull.~ 353.
    ~Coprinus disseminatus Pers.~ 1141.
    ~Coprinus micaceus Bull.~ 1129.
    ~Coprinus nycthemerus Vail.~ 1114.
    ~Coryne sarcoides Jacq.~
    ~Craterellus cornucopioides L.~ 1661.
    ~Cyathus crucibulum Hoffm.~ 1763.
    ~Dermocybe anthracina Fr.~ 678.
    ~Dermocybe cinnamomea L.~ 681.
    ~Flammula flavida Schff.~ 805.
    ~Flammula fusa Batsch.~ 810.
    ~Flammula sapinea Fr.~ 814.
    ~Flammula spumosa Fr.~ 803.
    ~Galera tenera Schff.~ 867.
    ~Galera hypnorum Schrank.~ 878.
    ~Galera mniophila Lasch.~ 879.
    ~Galera paludosa Fr.~ 871.
    ~Geaster coronatus Schff.~ 1772.
    ~Gomphidius glutinosus Schff.~ 1382.
    ~Gomphidius roseus Fr.~ 1381.
    ~Gomphidius viscidus L.~ 1380.
    ~Hebeloma crustuliniforme Bull.~ 558.
    ~Hebeloma hiemale Bres.~ 564.
    ~Helvella crispa Scop.~ 1865.
    ~Helvella lacunosa.~
    ~Humaria ollaris Fr.~ 1930.
    ~Hydnangium carneum Wallr.~ 1830.
    ~Hydnum imbricatum L.~ 1606.
    ~Hydnum nigrum Fr.~ 1607.
    ~Hydnum repandum L.~ 1594.
    ~Hydnum squamosum Schff.~ 1604.
    ~Hydnum violascens Schw.~ 1598.
    ~Hydrocybe acuta Fr.~ 756.
    ~Hydrocybe angulosa Fr.~ 736.
    ~Hydrocybe armeniaca Schff.~ 763.
    ~Hydrocybe castanea Bull.~ 741.
    ~Hydrocybe jubarina Fr.~ 752.
    ~Hydrocybe Junghuhnii F.~ 753.
    ~Hydrocybe saniosa Fr.~ 734.
    ~Hygrocybe conica Scop.~ 1322.
    ~Hygrocybe chlorophana Fr.~ 1326.
    ~Hypholoma capnoides Fr.~ 1040.
    ~Hypholoma fasciculare Huds.~ 1043.
    ~Hypholoma hydrophilum Bull.~ 1038.
    ~Inocybe dulcamara Schw.~ 515.
    ~Inocybe lacera Fr.~ 508.
    ~Inocybe maritima Fr.~ 502.
    ~Inocybe Trinii Weinm.~ 538.
    ~Inocybe umbrina Bres.~ 518.
    ~Lactarius blennius Fr.~ 1244.
    ~Lactarius camphoratus Bull.~ 1270.
    ~Lactarius chrysorheus Fr.~ 1238.
    ~Lactarius deliciosus L.~ 1239.
    ~Lactarius flexuosus Fr.~ 1237.
    ~Lactarius glyciosmus Fr.~ 1253.
    ~Lactarius helvus Fr.~ 1254.
    ~Lactarius piperatus Scop.~ 1234.
    ~Lactarius pyrogalus Bull.~ 1236.
    ~Lactarius quietus Fr.~ 1268.
    ~Lactarius rufus Scop.~ 1258.
    ~Lactarius theiogalus Bull.~ 1257.
    ~Lactarius torminosus Schff.~ 1226.
    ~Lactarius turpis Weinm.~ 1228.
    ~Lactarius vellereus Fr.~ 1233.
    ~Lactarius volemus Fr.~ 1265.
    ~Lenzites saepiaria Wulf.~ 1578.
    ~Lenzites trabea Pers.~ 1586.
    ~Leotia gelatinosa Hill.~ 1879.
    ~Lepiota amianthina Scop.~ 56.
    ~Lepiota clypeolaria Bull.~ 50.
    ~Lepiota cristata Bolt.~ 48.
    ~Lepiota Friesii Lasch.~ 43 ~a~.
    ~Lepiota procera Scop.~ 30.
    ~Lepiota rhacodes Vitt.~ 31.
    ~Limacium eburneum Bull.~ 1376.
    ~Limacium hypothejum Fr.~ 1366.
    ~Limacium olivaceo album Fr.~ 1367.
    ~Limacium pustulatum Pers.~ 1371.
    ~Lycoperdon gemmatum Batsch.~ 1793.
    ~Marasmius androsaceus L.~ 1188.
    ~Marasmius confluens Pers.~ 1156.
    ~Marasmius lupuletorum Weinm.~ 1170.
    ~Marasmius perforans Hoffm.~ 1190.
    ~Marasmius scorodonius Fr.~ 1172.
    ~Marasmius Wynnei Bk.~ 1169.
    ~Mycena epipterygia Scop.~ 355.
    ~Mycena filopes Bull.~ 394.
    ~Mycena galopus Pers.~ 361.
    ~Mycena pura Pers.~ 401.
    ~Mycena polygramma Bull.~ 424.
    ~Mycena sanguinolenta Schw.~ 365.
    ~Myxacium elatius Fr.~ 574.
    ~Myxacium mucosum Bull.~ 572.
    ~Naucoria cucumis Pers.~ 839.
    ~Naucoria melinoides Fr.~ 840.
    ~Naucoria myosotis Fr.~ 826.
    ~Naucoria pellucida Bull.~ 855.
    ~Naucoria tenax Fr.~ 825.
    ~Nolanea pascua Pers.~ 992.
    ~Nolanea proletaria Fr.~ 995.
    ~Nyctalis asterophora Fr.~ 1384.
    ~Omphalia campanella Batsch.~ 285.
    ~Omphalia leucophylla Fr.~ 248.
    ~Omphalia maura Fr.~ 246.
    ~Omphalia umbellifera L.~ 258.
    ~Panus stipticus Bull.~ 1199.
    ~Panaeolus campanulatus L.~ 1092.
    ~Paxillus atrotomentosus Batsch.~ 491.
    ~Paxillus involutus Batsch.~ 493.
    ~Paxillus panuoides Fr.~ 489.
    ~Paxillus prunulus Scop.~ 496.
    ~Phallus impudicus L.~ 1753.
    ~Phlegmacium caerulescens Schff.~ 584.
    ~Phlegmacium compar Fr.~ 637.
    ~Phlegmacium fulmineum Fr.~ 601.
    ~Phlegmacium infractum Pers.~ 628.
    ~Phlegmacium largum Buxb.~ 625.
    ~Phlegmacium obscurocyaneum Secr.~ 627.
    ~Phlegmacium pansa Fr.~ 593.
    ~Pholiota caperata Pers.~ 788.
    ~Pholiota flammans Fr.~ 782.
    ~Pholiota mutabilis Schff.~ 796.
    ~Pholiota squarrosa Fl. Dan.~ 781.
    ~Placodes betulinus Bull.~ 1551.
    ~Placodes lucidus Leyß.~ 1532.
    ~Placodes ungulatus Schff.~ 1546.
    ~Pluteus cervinus Schff.~ 905.
    ~Polyporus adustus Willd.~ 1499.
    ~Polyporus caesius Schrader.~ 1506.
    ~Polyporus confluens Schw.~ 1460.
    ~Polyporus leucomelas Pers.~ 1464.
    ~Polyporus ovinus Schff.~ 1466.
    ~Polystictus abietinus Dicks.~ 1527.
    ~Polystictus albidus Troy.~ 1528.
    ~Polystictus perennis L.~ 1513.
    ~Polystictus velutinus Pers.~ 1524.
    ~Polystictus versicolor L.~ 1526.
    ~Polystictus zonatus Nees.~ 1525.
    ~Psalliota arvensis Schff.~ 1012.
    ~Psalliota perrara Schulz.~ 1005.
    ~Psalliota silvatica Schff.~ 1003.
    ~Ramaria aurea Schff.~ 1685.
    ~Ramaria abietina Pers.~ 1694.
    ~Ramaria botrytis Pers.~ 1688.
    ~Ramaria cinerea Bull.~ 1701.
    ~Ramaria grisea Pers.~ 1702.
    ~Russula adusta Pers.~ 1277.
    ~Russula alutacea Pers.~ 1302.
    ~Russula cyanoxantha Schff.~ 1284.
    ~Russula decolorans Fr.~ 1298.
    ~Russula depallens Pers.~ 1288.
    ~Russula emetica Schff.~ 1318.
    ~Russula fellea Fr.~ 1312.
    ~Russula fragilis Pers.~ 1319.
    ~Russula flava Rom.~ (nicht im Vad.)
    ~Russula graminicolor Secr.~ 1282.
    ~Russula heterophylla Fr.~ 1285.
    ~Russula lepida Fr.~ 1290.
    ~Russula Linnaei Fr.~ 1304.
    ~Russula livescens Batsch.~ 1279.
    ~Russula mustelina Fr.~ 1280.
    ~Russula nauseosa Pers.~ 1308.
    ~Russula nigricans Bull.~ 1278.
    ~Russula nitida Pers.~ 1306.
    ~Russula ochroleuca Pers.~ 1311.
    ~Russula puellaris Fr.~ 1307.
    ~Russula sardonia Fr.~ 1316.
    ~Russula virescens Schff.~ 1281.
    ~Russula xerampelina Schff.~ 1305.
    ~Schizophyllum commune Fr.~ 1222.
    ~Scleroderma vulgare Horn.~ 1784.
    ~Sparassis crispa Wulf.~ 1673.
    ~Stereum hirsutum Willd.~ 1658.
    ~Stropharia aeruginosa Curt.~ 1018.
    ~Stropharia squamosa Pers.~ 1024.
    ~Telamonia armillata Fr.~ 694.
    ~Telamonia gentilis Fr.~ 697.
    ~Telamonia punctata Pers.~ 713.
    ~Telamonia rigida Scop.~ 714.
    ~Thelephora caryophyllea Schff.~ 1666.
    ~Thelephora laciniata Pers.~ 1668.
    ~Thelephora terrestris Ehrh.~ 1667.
    ~Trametes odorata Wulf.~ 1566.
    ~Trametes pini Thore.~ 1567.
    ~Trametes protracta Fr.~ 1570.
    ~Tremellodon gelatinosus Pers.~ 1737.
    ~Tricholoma albobrunneum Pers.~ 75.
    ~Tricholoma equestre L.~ 82.
    ~Tricholoma flavobrunneum Fr.~ 79.
    ~Tricholoma leucocephalum Fr.~ 129.
    ~Tricholoma portentosum Fr.~ 84.
    ~Tricholoma robustum Schw.~ 74.
    ~Tricholoma rutilans Schff.~ 107.




Der Friedhof in der Dresdner Gartenbauausstellung

Von Ministerialrat ~Dr.~ _Oskar Kramer_, Dresden

Mit Aufnahmen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz


Rosenduft umschmeichelt uns, weithin ein Meer von Gelb und Weiß und
allen Tönen von Rot, vom lichten Orange bis zum sattesten Purpur, wir
stehen im Rosengarten der Dresdner Gartenbauausstellung, umgaukelt
von bunten Faltern, umflattert von den gefiederten Sängern des Großen
Gartens. Der »Grüne Dom« wirft seinen Schatten über uns weg und schützt
uns sorglich vor den Strahlen der endlich erwachten Sonne des heurigen
Sommers. Der Lockton der Flöte und Fiedel dringt von irgendwoher zu uns
herüber.

[Illustration: Abb. 1]

Ein Bild des Lebens, der genießenden Freude! Wir treten wenige Schritte
zur Seite. Zwei hohe, graue Pylonen stehen wie wehrende Wächter vor
uns. Wir gehen zwischen ihnen hindurch. Kühler Schatten umfängt uns.
Bleiches Gemäuer schimmert zwischen Büschen. Wir hemmen den Schritt.
Wir stehen mitten in einem Friedhof.

    »Mitten wir im Leben sind
    Von dem Tod umfangen«

scheint es irgendwoher hervorzutönen. Doch nein, wir täuschen uns.
Ringsum ist Stille, feierliches Schweigen. Als hätten die Mauer und das
Efeugespinst und die ragenden Baumkronen all die Fiedel- und Flötentöne
verschluckt, die uns da draußen heiter und lustig gestimmt. Mal an Mal
sehen wir die Wegränder säumen und bei unserm Fortschreiten hinter uns
zurückbleiben. Steingefaßte Stufen führen zu einem mit unregelmäßigen
Steinplatten belegten Rundplatz (Abb. 1). In seiner Mitte – wie eine
eherne Säule – eine bronzene Jünglingsgestalt auf niederem Steinsockel,
ernst, Schweigen gebietend, zum Beten ermahnend. Nichts Sinnliches,
nichts Erdenschweres an ihr. Ringsum, in einem schmalen Rasenstreifen,
hochgerichtete Platten, wie bleiche Männer. Zwischen ihnen, wie
ermüdet hingesunken, schräg gelehnte Platten. Und über alles, über die
breiten Schultern und die schmalen Hüften des Bronzejünglings, über
den Plattenboden, den Rasen, die aufgerichteten und die hingelehnten
Grabplatten, über den Mauerring, der alles umschließt, über die
gelbgrünen Moospolster und farbigen Blumenkissen, die aus dem Gemäuer
quellen, gleißen und huschen die Lichter der Sonne. Eine Urnenhalle
auf einer Terrasse fängt unseren Blick (Abb. 2). Die drei schlichten
Giebel, die sie krönen, und die drei schlanken Öffnungen inmitten ihrer
Stirnseite gemahnen symbolisch an die Heilige Dreieinigkeit. Einfaches
weißgefugtes Backsteinmauerwerk umrahmt die Öffnungen, bildet die in
gotischer Herbheit aufragenden schmucklosen Schäfte zwischen ihnen,
bildet Brustwehr und Stufen der Terrasse. Mütterlichen Armen gleich
legen sich die Mauern, die rechts und links von der Urnenhalle ausgehen
und den Friedhof im Hintergrunde abschließen, um das Gräberfeld. Ein
backsteinumrahmtes Tor führt jederseits in einen hinter dem Friedhof
sichtbar werdenden Urnenhof. Steinbänke vor den Mauern laden zum
Verweilen ein, zum Betrachten und Nachsinnen. Wir folgen der stillen
Einladung.

[Illustration: Abb. 2]

[Illustration: Abb. 3]

Vor uns, neben uns Grab an Grab. Aber nicht – wie sonst auf Friedhöfen
– eine schattenlose Fläche mit Hügelreihen in gedrängter Enge, einem
gut gepflügten, gut genutzten Acker vergleichbar, nur _einen_ Gedanken,
_ein_ schreckendes Erkennen auslösend: Wie fruchtbar ist doch die
Arbeit des Todes! Keine stachlichen Gitter suchen die Ruhestatt jedes
einzelnen noch im Tode gegen den »bösen« Nachbarn zu sichern, keine
»Tempel« und »Monumente« lasten hier auf den Leibern der den ewigen
Schlaf Schlafenden.

[Illustration: Abb. 4]

[Illustration: Abb. 5]

_Hügellos_ deckt der Rasen wie ein großes grünes Tuch alle die
Ruhestätten gemeinsam (Abb. 3–6). Hier und da vereint sie _ein_ Hügel
(Abb. 7). Vor den zu Häupten der Grabstellen stehenden hochgerichteten
Steinen aber hat die Liebe der Lebenden mit farbigen, duftenden
Blumen ihre Zeichen in das grüne Tuch gestickt und gewoben. Kein
Gottes_acker_, ein Gottes_garten_! Kein Mal gleicht dem anderen,
verschieden ist ihre Form, verschieden ihr Stoff, und doch geht ein
Rhythmus durch das Ganze. Die Gesetze dieses Rhythmus werden uns
hier offenbar. Gleiche und doch nicht gleiche Grabzeichen sind dort
in dem Rund (Abb. 1) rhythmisch zu einem Ganzen vereint, sie mögen
die Ruhestätten von Gesinnungsgenossen bezeichnen, die einst _ein_
Lebensziel verfolgten und doch verschiedener Art waren. Die _völlige
Gleichheit_ – im allgemeinen wohl auch nur das sinngemäße Zeichen für
das Grab des Soldaten und des Ordensbruders oder für Blutsverwandte
oder Menschen, die einst _ein_ Lebensband einte (Abb. 5 und Abb. 6
links und rechts) – ist weder von Nöten noch erwünscht. Aber _völlige
Ungleichheit_ – zumeist aus Rücksichtslosigkeit, Gedankenlosigkeit oder
Eigensinn geboren – kann nie ein rhythmisches Ganzes ergeben, nur ein
Gehäuf, ein Gewirr, ein Chaos.

[Illustration: Abb. 6]

[Illustration: Abb. 7]

Nicht wahllos sind auch hohe und niedere, stehende und liegende,
steinerne und hölzerne Grabzeichen vermischt. Jeder Art ist ein Reich
zugewiesen, ihr Reich (Abb. 2–7). Um so stärker der Eindruck planmäßig
eingefügter Grabzeichen abweichender Art, so die der liegenden
Platten dort – beiderseits einer Wegabzweigung – in der Schar der
stehenden (Abb. 3 links und Abb. 7). Einfach, schlicht sind die Formen
der Steine, traditionelles Stilanlehnen meidend. Fremd wirken zwar
zunächst jene nach oben sich verstärkenden Pylone (Abb. 6), die das
Gesetz der Schwere zu leugnen scheinen. Und doch! Sind sie nicht wie
steinerne Blumenkelche, die sich dem Sonnenlicht entgegenweiten? Nur
zaghaft sehen wir hier und da den Stein als Kreuz geformt. Mag dies
in der geringen Neigung der Zeit, ihren Christusglauben zu bekennen,
seinen tieferen Grund haben. Ist aber das dort am Wegende stehende
Steinkreuz (Abb. 7) nicht gerade infolge seiner Vereinzeltheit von so
starkem Eindruck, an das hochragende, den ganzen Friedhof beherrschende
Kruzifix mancher strenggläubigen Christengemeinde erinnernd?

[Illustration: Abb. 8]

[Illustration: Abb. 9]

So sinnend erheben wir uns und schreiten durch eines der Tore (Abb. 8)
in den Urnenhof. Auch hier die gleiche raumhafte Geschlossenheit, aber
unverkennbar ein Zug des Antikischen (Abb. 9–11). Ob die reichlichere
Anordnung von Plastiken, die Formen der Urnen oder der Rasentumulus –
ein herrlicher Gedanke, wenn auch als Einzelurnengrab kaum verwertbar
– hieran Schuld haben? Vermutlich alles vereint. Still ist’s auch
hier. Der Schritt knirscht auf dem Kies des Weges. Wir haben zu lange
schon geweilt, schreiten darum hier rascher hindurch, wiewohl es auch
hier zum Verweilen und Betrachten und Sinnen einladet. Wir hören im
Vorbeigehen noch, daß _Oswin Hempel_ der Meister ist, der im Verein mit
gleichgesinnten Bildnern und Gartenkünstlern diese Stätte schuf, in
der Kunst und Natur in Eins verschmolzen erscheinen. Wir treten einige
Schritte seitwärts und sind wieder am »Grünen Dom«, sind im Rosengarten
und Flöte und Fiedel beginnen von neuem zu locken.

[Illustration: Abb. 10]

[Illustration: Abb. 11]




Bücherbesprechungen


=Die Wenden.= Von Otto Eduard Schmidt. Dresden, 1926. Verlag der
Buchdruckerei der Wilhelm und Berta v. Baensch-Stiftung, Dresden. Preis
M. 2.—.

Es gibt Bücher, die geschrieben werden müssen. Auf die man wartet. Ein
solches Buch liegt hier vor. Der bekannte Verfasser der kursächsischen
Streifzüge, O. E. Schmidt, hat sich große Verdienste erworben, daß
er die _Wendenfrage_, die jetzt aktuelle Bedeutung hat, einmal vom
wissenschaftlichen Standpunkt aus beantwortete. Und was bei ihm ganz
selbstverständlich ist, sein Werk ist frisch und volkstümlich, es ist
nicht nur für einige Gelehrte, sondern für _unser Volk_ geschrieben.
Wir wissen, daß eine kleine Anzahl Männer eifrig bemüht ist, die
Wenden, die im sächsischen und anschließenden preußischen Gebiete
wohnhaft sind, für die Tschechoslowakei in Anspruch zu nehmen, d. h.
daß sie weite Gebiete, deren Einwohner größtenteils Deutsche sind, von
Deutschland trennen wollen. Wir wissen zwar, daß die meisten Wenden
den zersetzenden Einflüssen fern gegenüberstehen, daß es aber höchste
Zeit ist, den Übertreibungen und Lügen jener Wühler, die mit dem
Belgier Auguste Vierset und seiner Tendenzschrift ~Un peuple martyr~
gemeinsame Sache machen, einmal an der Hand wissenschaftlicher Beweise
klar und besonnen entgegenzutreten. Und gerade der sachliche Ton,
den O. E. Schmidt überall in seinem Buche angeschlagen hat, wirkt
befreiend gegenüber den falschen Schlagworten der eifernden Politiker,
die im Kapitel der Volksversöhnung eine so traurige Rolle spielen.
Das Buch führt in anschaulichen Schilderungen von der Steinzeit
bis in unsre Tage. Es erzählt von der Einwanderung der Wenden, von
ihrer Kultur, von der Rückeroberung des Landes östlich der Saale
und Elbe durch die Deutschen und von der deutschen Kolonisation und
Christianisierung. Es schildert die Schicksals- und Kulturgemeinschaft
der Wenden mit den Deutschen. Wir befassen uns mit wendischer Sprache
und wendischem Schrifttum. Das Buch führt uns zum Weltkrieg und weiter
bis zur Gegenwart. Vorzügliche Abbildungen erhöhen seinen Wert, und
mustergültig gibt eine Bevölkerungskarte der Ober- und Niederlausitz
die Besiedelungsverhältnisse an, die über allem Zweifel ersehen
lassen, daß wir es mit deutschem Gebiet zu tun haben. Aber überall ist
zu erkennen, daß der Verfasser ernst bestrebt ist, die Gegensätze,
die zwischen Wenden und Deutschen künstlich konstruiert worden sind
und weiter vollzogen werden, zu begleichen und die so lange schon
zu beiderseitigem Verstehen bestandene Lebensgemeinschaft wieder
herzustellen.

Und dies ist selbstverständlich auch der Standpunkt des
»Heimatschutzes«, welcher der Wendenfrage stets das größte Interesse
entgegengebracht hat. In seinem Landesmuseum für Sächsische Volkskunst
in Dresden hat er ja den Wenden und ihren Volkstrachten genau wie den
anderen Landgebieten eine Heimat gegeben, er achtet ihre volkstümlichen
Sitten und Gebräuche, ein zwingender Beweis, daß er seine Gedanken
in die Tat umzusetzen verstanden hat. Das vorzügliche Buch von O.
E. Schmidt, das wohl weitere Schriften auswirken wird, sei jedem
Heimatfreund, ob Deutscher, ob Wende, warm empfohlen.


=Sächsische Sagen. Von Wittenberg bis Leitmeritz.= Gesammelt und
herausgegeben von Dr. _Friedrich Sieber_[5].

Als kurz vor dem Weltkriege eine Burgenfahrt durch Sachsen stattfand,
waren die außersächsischen Teilnehmer an dieser Fahrt verwundert
gewesen über die erstaunliche Fülle interessanter Burgen und Schlösser,
die von waldumsäumten Höhen an den Rändern unsrer Flußtäler ins Land
hineinschauen oder die als Wasserburgen von Flüssen oder künstlichen
Wasseranlagen umspült, einst dem Feinde Trotz boten. Man hatte sie
nicht vermutet. Und Professor Otto Eduard Schmidt, der Herausgeber
der trefflichen »Kursächsischen Streifzüge«, macht in einem der Bände
dieses Werkes eine Bemerkung, aus der hervorgeht, wie Kenner deutscher
Baukunst, kirchlicher und weltlicher, erstaunt gewesen sind, als er
ihnen gezeigt hat, welche Schätze dieser Kunst wir in unserem kleinen
Vaterlande besitzen. Man meinte in weiten Kreisen, von Schätzen
mittelalterlicher Kultur in Sachsen nicht viel finden zu können,
weil es Kolonialland sei, weil es erst in die deutsche Geschichte
eingetreten sei, als die hohe Kulturblüte des deutschen Mutterlandes,
das dem Reiche die großen Kaisergeschlechter gab, schon vorüber war.
Einer gleichen Unkenntnis sächsischer Verhältnisse begegnet auch der
Volkskundler, wenn er Werke seiner Wissenschaft nach Belegstellen aus
dem heimatlichen Volksleben durchsucht. Sie sind gewöhnlich recht dünn
gesät, ein Beweis dafür, daß auch auf diesem Gebiete eine Unkenntnis
vorliegt, die dem tatsächlichen Reichtume nicht entspricht. Deshalb
begrüßen wir es mit großer Freude, daß der rührige Verlag von Eugen
Diederichs in Jena, der uns mit der Sagen- und Märchenwelt der ganzen
Erde bekannt machen will, in seine von Paul Zaunert herausgegebene
Sammlung »Deutscher Sagenschatz« nun auch einen Band »Sächsische
Sagen« aufgenommen hat. Wir Sachsen kennen die Fülle heimischer Sagen
aus Meiches rühmlicher Sammlung, dem »Sagenbuch des Königreichs
Sachsen«, das trotz seines großen Umfanges noch nicht das gesamte
Material umfaßt, und Meiches Verdienst wird durch Siebers Arbeit nicht
geschmälert. Aber sein Buch hat doch als Einzelerscheinung jedenfalls
nicht die Verbreitung über Sachsens Grenzen hinaus gefunden, die im
Interesse des Bekanntwerdens mit sächsischem Volksleben und -glauben zu
wünschen gewesen wäre. Durch Siebers Arbeit, in dem der Verlag einen
sachkundigen, kritischen Gestalter des Stoffes gefunden hat, wird unser
Sagenschatz in die Schätze andrer Stämme in rechter Weise eingereiht,
so daß er nicht mehr übersehen werden kann.

Sieber hebt selbst hervor, daß sein Sagenbuch »nach Alfred Meiches
grundlegendem Werke nur dadurch seine Berechtigung erweisen« kann,
»daß es erneut zu den Quellen hinabstieg, daß er zum andern sich
bemühte, die in steifen Sprachformen erstarrten Sagen zu neuem Leben
zu erwecken«. Es kommt ihm nicht darauf an, das gesamte Sagenmaterial
zu bieten; er will eine Auswahl wertvollen und bezeichnenden
obersächsischen Sagengutes geben, und das ist ihm auch restlos
gelungen. Im Umfange des in Frage kommenden Gebietes geht er, wie
der Nebentitel »Von Wittenberg bis Leitmeritz« besagt, über die
Grenzen des ehemaligen Königreichs und jetzigen Freistaats Sachsen
hinaus, die sich Meiche in seinem Werke gesteckt hatte – und _mit
Recht_. Eine sächsische Sagenwelt und eine sächsische Volkskunde in
dem Sinne, daß durch politische Ereignisse gezogene Grenzen für sie
maßgebend wären, gibt es nicht. Die Bevölkerung der preußischen Provinz
Sachsen muß bis zur niedersächsischen Sprach- und Volkstumsgrenze
in allen volkskundlichen Arbeiten mit herangezogen werden, und über
unsre südlichen Gebirgsgrenzen hinaus bis nach Leitmeritz, Saaz,
Karlsbad klingen obersächsische Laute. Die deutschen Volksgenossen
dieser Gebiete der Tschechoslowakei, die so wacker für ihr Volkstum
kämpfen und in ihrer regen Arbeit auf volkskundlichem Gebiete geradezu
vorbildlich für andere Stämme sind, werden dem Verfasser besonders Dank
wissen für die Worte in der Einleitung seines Buches: »Möchte _das_
(nämlich daß er diese böhmischen Gebiete mit berücksichtigt) manchen
anregen, sich eingehender mit dem reichen und tiefen Volkstum unsrer
deutschen Volksgenossen in Böhmen zu beschäftigen. Er wird mit tiefem
Erstaunen erkennen, daß es Fleisch von unserem Fleische, Blut von
unserem Blute ist, das hier ertötet werden soll. Dann erst wird jeder
die Verstümmelung dieses Gliedes unsres Volksleibes körperhaft an sich
selbst empfinden.«

Obersachsen ist Kolonialland. Seine Bevölkerung ist nicht von der
Einheitlichkeit, wie die Schwaben, Franken, Hessen, Niedersachsen
und andrer Stämme – im Gegenteil, sie zeigt das Bild bunter
Mannigfaltigkeit. Thüringer, Franken, Sachsen, Niederländer, Bayern
haben sich in jener großen Zeit zwischen Saale und Elbe seßhaft
gemacht, und slawisches Blut hat sich mit dem ihren gemischt. Ihr
altes Glaubens- und Sagengut haben sie alle aus der alten in die
neue Heimat mitgebracht und mit Bäumen, Quellen, Steinen, Menschen,
Naturerscheinungen und Erlebnissen aller Art aufs neue verknüpft, jeder
nach seiner Stammesart. Eine ebenso reizvolle wie schwierige Aufgabe
für den Forscher, diese Zusammenhänge zu entwirren. Es konnte nicht
die Aufgabe des Verfassers sein, in seinem Buche darauf im einzelnen
einzugehen. Es hätte dann zunächst noch nicht erscheinen können, weil
die nötigen Vorarbeiten dazu noch gefehlt hätten. Wir müssen ihm aber
dafür dankbar sein, daß er uns aus seinen eigenen Forschungsergebnissen
mancherlei mitteilt, auf denen weiter gebaut werden kann. Slawische
Einflüsse hat er z. B. gefunden in der Sagengestalt der Klage- oder
Winselmutter, in der des wilden Jägers, in den Drachen-, Kobold- und
Alpsagen, und es ist interessant zu hören, daß in der letzten Gruppe
ähnliche Züge sich vorfinden in der Leipziger Pflege wie in der
Lausitz. Die weißen Frauen sind besonders im sächsischen und böhmischen
Erzgebirge zu Hause, die Sagen von der Frau Hulle in der Leipziger
Pflege weisen unverkennbar nach Thüringen hin.

Wir sind bisher gewöhnt gewesen, die Sage in die dichterischen
Erzeugnisse des Volkes einzureihen neben Mythus, Märchen, Volkslied
usw., und das behält auch seine Richtigkeit, da sie doch
hervorgegangen sind aus der Phantasie des Volkes. Kurt Heckscher
ordnet sie in seinem kürzlich erschienenen umfangreichen Werke »Die
Volkskunde des germanischen Kulturkreises« in dem Kapitel »Der
Volksglaube« ein. Er schreibt dort: »Treten die sich in den Geistern
darstellenden Elemente des Glaubens miteinander in Aktion, so
entsteht als der Bericht dieser Begebenheiten der Mythus. Wird diese
Begebenheitserzählung an irdische Dinge, sei es der Person, sei es der
Örtlichkeit gebunden, immer zunächst unter Beibehaltung übernatürlicher
Aktionsmittel und unter Aufhebung von Naturgesetzen, so entsteht die
_Sage_. Endlich, in den letzten Formen ihrer Entwickelung, entkleidet
sie sich aller außerweltlichen Beziehungsträger und Beziehungsmittel
und bewegt sich ganz im Bereich der natürlichen Erscheinungen, wobei
sie Anspruch auf die Bezeichnung Sage nur dadurch noch erheben
kann, daß die Grundlagen ihrer Berichte Fiktionen oder doch fiktive
Umgestaltungen wirklich geschehener Ereignisse sind. Diese letzte
Sagenklasse, in die besonders die Sagen mit geschichtlichem Hintergrund
gehören, ein so schönes Zeugnis sie für die Formkraft der Volksseele
auch bildet, tritt in ihrer Bedeutung als Quelle für den volkstümlichen
Glauben völlig zurück hinter die mythischen und die Natursagen,
die man mit Recht »dramatisierten Volksglauben« genannt hat.« Das
sind Gedanken, die auch für das Verständnis und die Beurteilung des
Sieberschen Werkes von besonderer Wichtigkeit sind. Drei Sagengruppen
schälen sich aus diesen Sätzen heraus: Mythische Sagen, Natursagen,
geschichtliche Sagen. Auch bei Sieber finden wir diese Dreiteilung: Die
Geschichte und ihre Gestalten (geschichtliche Sagen), Die Landschaft
und ihr Wesen (Natursagen), Leib und Seele. Der Teufel (mythische
Sagen). Die geschichtlichen Sagen leben noch am wenigsten in unserem
Volke, sie sind am meisten zu Buchsagen geworden; sie sind aber doch
auch wert, erhalten zu bleiben, weil in ihnen sich nicht nur – denn
Sage ist eine Art Geschichte – die geschichtliche Entwickelung unseres
Landes und Volkes nach allen seinen Lebensäußerungen widerspiegelt,
sondern auch deshalb, weil wir interessante geschichtliche
Persönlichkeiten und Vorgänge vom Volke selbst gestaltet und beurteilt
sehen. So entrollt denn auch Sieber in diesem Kapitel, indem er die
Sagen in erzählender Form aneinander reiht, ein reizvolles Bild der
Geschichte Obersachsens von der Zeit der Wiederbesiedelung des Ostens
(Wendenkrieg – Das Kreuz wird aufgerichtet – Wieprecht von Groitzsch
– Die ersten Wettiner), über die glanzvolle Blütezeit des Bergbaus
und die unheilvollen Zeiten der Religionskriege (Die Hussiten –
Sektierertum und Reformation – Der Dreißigjährige Krieg) und der Pest
bis zu den letzten Kriegen, denen sich Sagen aus Dörfern und Städten
und von mancherlei Herren anschließen. Er muß dabei feststellen, daß
gerade die obersächsische geschichtliche Sage keine besondere Blütezeit
erlebt hat und daß z. B. die Reckengestalt Wieprechts von Groitzsch
einsam über alle historischen Persönlichkeiten hervorragt und keine
besondere dichterische Gestaltung erlebt hat. – Die Bergbausagen,
die naturgemäß besonders zahlreich vorhanden sind, und die Sieber
ganz richtig historisch eingeordnet hat, bilden inhaltlich die
Überleitung zu den Natursagen. Auch diese Sagen sind in der heutigen
Volksüberlieferung selten geworden. Die Umwandlung des Landes aus einer
Natur- in eine Kulturlandschaft; die vielen Rodungen, die Regulierungen
der Gewässer, die Grundstückszusammenlegungen, die Beseitigung alter
heimlicher Wege und anderes mehr sind schuld daran. Die Riesen
und Zwerge, die Berggeister, den wilden Jäger, die Buschweibel
und Wassermänner, die Lichter, die Lindwürmer und Basilisken, die
geheimnisvollen Schätze, von denen der Verfasser so lebensvoll zu
erzählen weiß, kennen nur wenige noch im Volke; die Großeltern und
Urgroßeltern haben nur noch davon erzählt. Aber die mythischen Sagen
leben noch heute im Volke, mehr als man meint, wenn auch lebensvoller
Glaube leider allzuoft sich in sinnlosen unverstandenen Aberglauben
verwandelt hat. Volkskundliche Forscher wie Professor Pfau in Rochlitz
und der leider zu früh verstorbene Julius Bernhardt in Leipzig
haben mir viel davon erzählt und auch Sieber stellt das fest von
den Sagen, die er im dritten Hauptkapitel in den Einzelabschnitten
»Leib und Seele wandern – Der Teufel – Schwarzkünstler und Hexenvolk
– Kobold und Drache – Der Tod und die Toten – Allerlei Spuk – Weiße
Frauen – Entrückt« zur Darstellung bringt. Welch ein farbiges Bild
von dem Seelenleben unseres Volkes, von seinem Glauben, Lieben,
Fürchten und Hoffen entrollt sich vor uns; schade, daß der Raum es
nicht erlaubt, Ausschnitte davon zu bringen. So ist aus dem Ganzen
ein Buch entstanden, das es fertig bringen kann, Entwurzelte wieder
im Volksleben wurzeln zu lassen, sie wieder enger mit der Heimat
zu verbinden, ein Buch, das in jedes Haus gehört. Eine Reihe von
Bildertafeln und in den Text eingefügter Bilder von mythischen und
historischen Gestalten, von Städten und Burgen in alter Zeit macht das
Verständnis für die Entstehung der Sagen noch leichter und erhöht noch
den Wert des Buches.

            Dr. Paul Zinck.


Vom Sächsischen Lachen

»Es ist doch wohl hierzulande keine Sünde, aus Sachsen zu sein?« frägt
die Kammerzofe Franziska in Lessings »Minna von Barnhelm« den Berliner
Wirt. Tatsächlich ist der Sachse von den Vertretern anderer deutscher
Stämme zu Zeiten über die Achsel angesehen worden. Zum mindesten gilt
dies für die letzten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts. Und
daran ist niemand anders als der Bardigulieh Fritze Bliemchen aus
Dräsen schuld, eine komische, von Oswald Schumann geschaffene Figur,
der man außerhalb (und zum Teil wohl auch innerhalb) Sachsens eine
typische Bedeutung beilegte. Der große buchhändlerische Erfolg, den die
Bliemchenschriften erzielten, mag zum Teil daraus zu erklären sein,
daß damals der Ungeschmack in seiner Sünden Maienblüte stand. Es kam
aber noch eines hinzu: Das mundartliche Schrifttum, das grade im 19.
Jahrhundert in Deutschland eine so bedeutende Rolle gespielt hat, war
in den obersächsischen Landen seit langer Zeit so gut wie nicht mehr
gepflegt worden. Man blickte erstaunt auf, als jemand es unternahm, in
den Lauten zu schreiben, die angeblich vom sächsischen Volke gesprochen
wurden. Wir wissen jetzt, daß es mit der mundartlichen Treue nicht weit
her war, daß jedenfalls Fritze Bliemchen gar nicht Dresdnerisch sprach,
sondern eher ein dem Schriftdeutsch angenähertes Leipziger Deutsch.
Aber das ist nicht das Schlimmste. Viel schlimmer ist, daß Bliemchens
Witz im Grunde recht flach und schal ist. Und das Schlimmste:
Bliemchen, dieser schwatzhafte Jammerlappen, kann nur als Zerrbild des
Sachsen gewertet werden. Der Sachse hat seine Fehler. Aber ein solcher
Ekel wie Fritze Bliemchen ist er im allgemeinen nicht.

Der Wunsch, dieser Strohpuppe die Larve vom Gesichte zu reißen, mag
mitbestimmend für _Kurt Arnold Findeisen_ gewesen sein, um zusammen
mit dem Zeichner _Kurt Rübner_ sein »_Sächsisches Lachen, ein Buch
voller Kurzweil und Schnurren_« im Verlage von Max Koch in Leipzig[6]
herauszugeben. Jedenfalls bringt Findeisen in diesem Buche an
besonders eindrucksvoller Stelle »Die Vernichtung Fritze Bliemchens,
eine Groteske als Beschluß«. Bliemchen erscheint bei Nacht vor
Findeisens Bett und läßt in angeblich Sächsischer Gemütlichkeit einen
nicht endenwollenden Strom abgeschmackter Rederei auf ihn los. »Zum
Donnerwetter, nun lassen Sie mich aber schlafen, Sie unerträglicher
Schwätzer. Und sagen Sie’s ja niemandem, daß Sie aus Sachsen sind; man
müßte sich geradezu schämen um Ihretwillen. Leute Ihres Schlages machen
uns in der Welt ja nur lächerlich. Schleppen Sie nicht überall eine
große Reisetasche herum, auf der mit Perlen gestickt steht: Glückliche
Reise?« – »Nu freilich, mei gudstes Herrchen, off meiner steht’s aber
französ’sch: ~Bong voiasche~, damit daß mer gleich sieht: Der Mann hat
Bildung.« – Schließlich wird es Findeisen zu arg. Er stößt mit beiden
Fäusten gegen die Fratze, und das Spukgebilde zerstiebt.

Aber Findeisen und Rübner haben natürlich nicht bloß niederreißen,
sie haben auch aufbauen, sie haben zeigen wollen, wie der Sachse
tatsächlich aussieht, wenn man ihn von der humoristischen Seite
nimmt, und – das ist natürlich noch wichtiger – wenn er sich selbst
humorvoll gibt. Findeisen entwickelt das Wesen des Sächsischen Lachens
aus den allgemeinen Charaktereigenschaften des Sachsen, indem er
folgendes ausführt: »Elastizität, Anpassungsfähigkeit, Beweglichkeit,
die besitzt der Sachse in hohem Maße, und alle seine guten und
schlechten Wesensmerkmale hängen hiermit irgendwie zusammen, seine
Gabe raschester Aufnahme, seine Höflichkeit, seine Verbindlichkeit,
seine Reiselust, aber auch sein Hang zu Besserwissen und Krittelei,
seine fatale Neigung zu Klatsch, Geschwätzigkeit, billigem Spott und
Schadenfreude. Schwer ins Gewicht fällt hierbei die nicht zu leugnende
Tatsache, daß sein Verstand meist größer ist als sein Herz, und daß
eine ausgesprochen spekulative Vorherrschaft des Intellekts eine
entscheidende Beteiligung elementaren Gefühls bei allem, was er wirkt
und treibt, nur in Ausnahmefällen zuläßt. – Und hiermit sind in Kürze
die Naturgesetze des Sächsischen Lachens aufgestellt. Es leuchtet ein,
daß es unter der Knebelung von allerlei Bedingtheiten und Hemmungen
seufzt. Es ist manchmal ein nicht ganz reiner Ton darin. Es ist ein
Lachen voller Nebengeräusche, ein Lachen, das nicht unmittelbar aus
dem Herzen kommt und infolgedessen nicht ohne weiteres erwärmt und
beglückt und befreit. Immerhin, es ist wenn auch kompliziert, ein
rechtschaffenes Lachen. Der Sachse lacht, er kann lachen und er wird
lachen, und seine übrigen Eigenschaften bürgen dafür, daß er je und je
in seinem Lachen nicht zu kurz kommen wird. Versteht er doch infolge
seiner eigenartigen Mentalität etwas, was manche seiner deutschen
Stammesbrüder (von anderen Völkern nicht zu reden) ganz und gar nicht
können, versteht er doch die Kunst, über sich selber zu lachen.« –

An Stoff für sein »Sächsisches Lachen« kann es dem Herausgeber nicht
gefehlt haben. Es galt zu sichten und zu gliedern. Beide Aufgaben hat
Findeisen gut, zum Teil vortrefflich gelöst.

Der erste Teil des Buches enthält Proben aus Sachsens humoristischen
Dichtungen. Hier steht der literaturgeschichtliche Gesichtspunkt im
Vordergrund. Neben einigen Älteren sind der leider viel zu wenig
gekannte Rabener, Gellert, Lichtwer, Lessing und der von Kügelgen so
lebensvoll geschilderte Roller aus Lausa vertreten. Unter den Neueren
findet sich auch Richard Wagner mit einigen Gelegenheitsversen. Einen
Dienst hat man ihm durch die Aufnahme nicht erwiesen; der Humor ist
offenbar nicht seine stärkste Seite! Den Beschluß machen Nagler,
Findeisen, Reimann und Ringelnatz.

Im zweiten Teile handelt es sich darum, die Unterschiede in der Mundart
zum Ausdruck zu bringen. Vogtland, Erzgebirge, Elbsandsteingebirge,
Oberlausitz und Leipzig sind mit kurzen, nicht übel ausgewählten
Stücken vertreten.

Nun kommt »Kulturgeschichtliches«. In diesem und im folgenden Teile
»Volkskundliches und Volkstümliches« scheint mir der Hauptwert des
Buches zu liegen. Wir hören da vom großen Musikfest zu Dresden im
Jahre 1615, vom Raubschützen Stülpner sowie vom Gastwirt Wutschke, dem
Napoleonverehrer. Wir lernen die Alt-Dresdner und die Alt-Leipziger
Originale kennen, ferner die Schandauer Muhme, Timmels Wilhelm, den
Orgelbauer Barth und den Buchbinder Brück aus Meißen. Auch General
Kirchner und König Friedrich August werden erwähnt.

Und nun erst der volkskundliche Teil! Hier jagen sich die Glanzstücke
nur so. Gleich unter den ersten Sachen das in seiner Art klassische
Lied vom alten Barchewitz, dem berühmten Kanonier, dessen Werk es
gewesen sein soll, daß dem Marschall Moreau in der Schlacht bei Dresden
die Beine weggeschossen wurden. Der Dresdner spricht bekanntlich
noch jetzt von »Morros Beenen«, wenn er das Moreau-Denkmal auf der
Räcknitzer Höhe meint. Natürlich darf auch die Witwe Magnus nicht
fehlen, in deren Schauspielbude das Vogelwiesenpublikum an den
Vorgängen auf der Bühne durch Werfen und Schlagen tätigen Anteil
nahm, zumal wenn der »geschundene Raubritter« über die Bretter ging.
Fritz Gerstäcker hatte dies Stück eigens für diese Bühne geschrieben.
Überhaupt die Vogelwiese! Und der große Schausteller, »Treten Sie ein,
meine Herrschaften!«, und der Bänkelsänger! Und die Schützenbrüder!
Und die Leipziger Meßmusikanten! Und der Tauch’sche Markt in Leipzig,
der schon gar kein Markt mehr ist, sondern nur noch eine Gelegenheit
für die Leipziger Kinder in wilden Verkleidungen durch die Stadt
zu streifen! Und das Eierschieben vom Protzschenberge bei Bautzen!
Natürlich darf auch das Landesmuseum für sächsische Volkskunst mit
Hofrat Seyffert als Erklärer nicht fehlen! Vor allem aber hat mich
gefreut, daß das bei unseren Eltern und Großeltern so beliebte Lied:
»Und wenn Kalkelatersch in de Boomblut nausmarschiern« der Gefahr
des Vergessenwerdens entrissen worden ist. Nur etwas fehlt mir in
diesem Kapitel, das ist der Puppenspieler Ganzauge. Ganzauge ist
mit seiner Kasperbude in gewisser Hinsicht an die Stelle der Witwe
Magnus getreten. Die Bedeutung seiner Stücke geht jedoch über die des
»geschundenen Raubritters« insofern weit hinaus, als es sich hier
nicht um den glücklichen Einfall eines kecken jungen Schriftstellers
handelt, sondern um altes, von einem Puppenspieler zum anderen
weitergegebenes Erbe der Väter. Ganzauge benutzt bekanntlich keinerlei
Textbuch, sondern spielt aus dem Gedächtnis, soweit er nicht den
Einfällen des Augenblicks Raum gibt. So hielten es die Puppenspieler
schon vor Jahrhunderten. Nun fehlt zwar das Puppenspiel auch bei
Findeisen nicht gänzlich. Aber es ist nicht altes sächsisches Volksgut,
was uns hier geboten wird. Vielleicht kann bei weiteren Auflagen
Ganzauge mit eingefügt werden. Und da ich einmal bei solchen Wünschen
bin: Vielleicht kann dann auch die jetzt etwas stiefmütterlich
behandelte Oberlausitz einen breiteren Raum erhalten. Dabei bin ich
überzeugt, daß dies leichter gesagt als getan ist. Der Oberlausitzer
ist schwerblütiger als der Sachse aus den Meißner Landen. Sein Humor
ist weniger zugespitzt. Vielfach erwächst er erst auf der Grundlage
einer ausführlichen Schilderung der Verhältnisse und geht dadurch
stark in die Breite. Immerhin durch Nachfrage bei waschechten alten
Oberlausitzern und durch eifriges Suchen, z. B. in Volkskalendern,
müßte sich doch wohl noch weiterer zur Aufnahme geeigneter Stoff
ergeben.

Der letzte Teil des Buches führt den vielversprechenden Namen:
»Anzügliches«. Hier handelt es sich um ungewollte und unbewußte Komik,
wobei natürlich »Der Sachse auf Reisen« eine besonders wichtige Rolle
spielt.

Wenn das »Sächsische Lachen« Erfolg hat (und ich glaube diese Erwartung
aussprechen zu dürfen), so wird die Bebilderung durch den Dresdner
Zeichner Kurt Rübner einen wesentlichen Anteil daran haben. Was Rübner
da in wenigen starken Strichen hinsetzt, gemahnt in den besten Sachen
geradezu an Wilhelm Busch, wennschon die persönliche Note Rübners nie
zu verkennen ist. Sehr zu bedauern ist es, daß die naturgemäß stark in
die Augen springende Umschlagzeichnung durch die Vergrößerung zugleich
vergröbert worden ist. Wie sie der Künstler ursprünglich gedacht hatte,
zeigt die letzte Seite des Buches. Die alte Geschichte: Das Format
macht’s.

            Benno von Polenz.


Fußnoten:

    [5] Mit 65 alten Holzschnitten und 350 Seiten, broschiert M.
        8.—, gebunden M. 10.—. Verlag: Eugen Diederichs, Jena.
        Zu vergleichen diesem Hefte beiliegende Werbeschrift des
        Verlags.

    [6] Preis: broschiert M. 4.—, gebunden M. 6.—.




Heimat!


Dieses wundersame Wort gehört uns Deutschen ganz allein, ist eine
Perle in dem reichen Wortschatz unserer Sprache, die so herrlich zu
malen weiß, die mit allen Wurzeln aus deutscher Erde heraufgesprossen
ist, aus der es uns heraufklingt wie Abendsäuseln und dann wieder wie
einherbrausendes Sturmeswetter. Kein Volk der Erde besitzt ein gleiches
Wort, es ahnt aber auch nicht, was aus ihm für das deutsche Gemüt
hindurchzittert. Alle versonnene Innigkeit, die ganze Verträumtheit
unseres eigenstens Wesens, das Bodenständige, die heiße Liebe zu der
Scholle, die uns geboren, dies alles flutet zusammen in diesem kleinen
Worte: Heimat! Jauchzen und Wehmut, Mutterliebe und verhallendes
Abendgeläute, so umweht es uns, wenn dieses Wort an unser Ohr schlägt.

            † _August Trinius_, der Thüringer Wandersmann.


    Für die Schriftleitung des Textes verantwortlich: Werner Schmidt –
    Druck: Lehmannsche Buchdruckerei, Dresden
    Photographische Platten »Perutz« –
    Photographische Aufnahmen: Max Nowak –
    Auflage 50000

    Diesem Hefte liegt ein Werbeschreiben des Verlags Eugen Diederichs,
    Jena, bei




Heimatschutz-Vorträge


Walddorf – Eibau

Kretscham Walddorf, abends 8 Uhr:

    Donnerstag, den 2. September: Lichtbildervortrag: »Pilze der
        Heimat«. Studienrat Arno Lange, Dresden.

    Donnerstag, den 9. September: Lichtbildervortrag: »Das Bild der
        Mutter aller Zeiten und Völker«. Kurt Arnold Findeisen,
        Dresden.

    Dienstag, den 14. September: Filmvortrag: »Vom Vogelparadies
        der Dobrudscha zu den Siebenbürgener Sachsen«. Schulleiter
        Paul Bernhardt, Dresden.

    Montag, den 20. September: Lichtbildervortrag: »Die Lausitz,
        Land und Leute«. Studienrat Dr. Jordan, Bautzen.

    Dienstag, den 5. Oktober: Lichtbildervortrag: »Aus Sachsens
        Kornkammer – Die Lommatzscher Pflege«. Professor Dr. Große,
        Dresden.


Neugersdorf

Stadt Zittau, abends 8 Uhr:

    Freitag, den 3. September: Lichtbildervortrag: »Das Bild der
        Mutter aller Zeiten und Völker«. Kurt Arnold Findeisen,
        Dresden.

    Donnerstag, den 9. September: Lichtbildervortrag: »Pilze der
        Heimat«. Studienrat Arno Lange, Dresden.

    Mittwoch, den 15. September: Filmvortrag: »Vom Vogelparadies
        der Dobrudscha zu den Siebenbürgener Sachsen«. Schulleiter
        Paul Bernhardt, Dresden.

    Dienstag, den 21. September: Lichtbildervortrag: »Aus Sachsens
        Kornkammer – Die Lommatzscher Pflege«. Professor Dr. Große,
        Dresden.

    Mittwoch, den 6. Oktober: Lichtbildervortrag: »Die Lausitz,
        Land und Leute«. Studienrat Dr. Jordan, Bautzen.


Großschönau

Gasthof zum Weinhaus, abends 8 Uhr:

    Freitag, den 3. September: Filmvortrag: »Mit Kamera und Kino
        durch die Vogelwelt«. Schulleiter Paul Bernhardt, Dresden.

    Donnerstag, den 9. September: Lichtbildervortrag: »Moritzburg
        im Wandel der Zeiten«. Oberlehrer Oskar Merker, Dresden.

    Mittwoch, den 15. September: Lichtbildervortrag: »Das Bild der
        Mutter aller Zeiten und Völker«. Kurt Arnold Findeisen,
        Dresden.

    Dienstag, den 21. September: Lichtbildervortrag: »Die Lausitz,
        Land und Leute«. Studienrat Dr. Jordan, Bautzen.

    Dienstag, den 5. Oktober: Lichtbildervortrag: »Pilze der
        Heimat«. Studienrat Arno Lange, Dresden.


Zittau

Kronensäle, abends 8 Uhr:

    Freitag, den 3. September: Lichtbildervortrag: »Pilze der
        Heimat«. Studienrat Arno Lange, Dresden.

    Freitag, den 10. September: Lichtbildervortrag: »Das Bild der
        Mutter aller Zeiten und Völker«. Kurt Arnold Findeisen,
        Dresden.

    Freitag, den 17. September: Konzert: Liesel von Schuch – Hans
        von Schuch. Am Flügel: Dr. Arthur Chitz, Dresden.

    Mittwoch, den 22. September: Lichtbildervortrag: »Die Lausitz,
        Land und Leute«. Studienrat Dr. Jordan, Bautzen.

    Montag, den 4. Oktober: Filmvortrag: »In Schilf und Rohr«.
        Schulleiter Paul Bernhardt, Dresden.


Ebersbach

Hotel Stadt Zittau, abends 8 Uhr:

    Mittwoch, den 8. September: Lichtbildervortrag: »Pilze der
        Heimat«. Studienrat Arno Lange, Dresden.

    Mittwoch, den 15. September: Lichtbildervortrag: »Aus Sachsens
        Kornkammer – Die Lommatzscher Pflege«. Professor Dr. Martin
        Große, Dresden.

    Dienstag, den 21. September: Lichtbildervortrag: »Das Bild der
        Mutter aller Zeiten und Völker«. Kurt Arnold Findeisen,
        Dresden.

    Dienstag, den 5. Oktober: Lichtbildervortrag: »Die Lausitz,
        Land und Leute«. Studienrat Dr. Jordan, Bautzen.

    Dienstag, den 12. Oktober: Filmvortrag: »Vom Vogelparadies der
        Dobrudscha zu den Siebenbürgener Sachsen«. Schulleiter Paul
        Bernhardt, Dresden.


Freiberg

Tivoli, abends 8 Uhr:

    Donnerstag, den 9. September: Filmvortrag: »Vom Vogelparadies
        der Dobrudscha zu den Siebenbürgener Sachsen«. Schulleiter
        Paul Bernhardt, Dresden.

    Donnerstag, den 16. September: Lichtbildervortrag: »Das Bild
        der Mutter aller Zeiten und Völker«. Kurt Arnold Findeisen,
        Dresden.

    Donnerstag, den 23. September: Filmvortrag: »Im Reiche des
        Naturforschers«. Dr. M. Rikli, Dresden.

    Donnerstag, den 7. Oktober: Lichtbildervortrag: »Muldenland«.
        Professor Dr. G. Henning, Grimma.

    Mittwoch, den 13. Oktober: Konzert: Liesel von Schuch – Hans
        von Schuch. Am Flügel: Dr. Arthur Chitz, Dresden.


Lehmannsche Buchdruckerei, Dresden-N.




    Weitere Anmerkungen zur Transkription


    Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.
    Unterschiedliche Schreibweisen, insbesondere bei den
    lateinischen Bezeichnungen, wurden unverändert beibehalten.

    Die Bildverweise wurden aus den Fußnoten direkt in den Text
    übernommen.



*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 75906 ***